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12 4 KLINISCHE \VOCHENSCHRiFT. 9. JAItRGANG. Nr. 3 ~S. JANUARI93O Tabelle 2. Oeburtenzahl und Mortalitiit in den ersten 10 Tageu und vom 10. Tage bis Nude des e,rsten Lebensviertel]ahres, getrennt naeh ehelichen und unehelichen S4uglingen, Ehehch io. Tag bis Ende Jahr bis zo. Tag i in des I. Vmrtellahres Zahl der Geburten gestorben ] Proz. gestorben I924 35 117 1043 3 794 1925 38481 11o3 2,9 787 1926 36694 lO28 2,8 768 1927 34835 I I. OI 3,2 707 Sa,: I45 127 4275 i 2,95 3~ so grof3 wie die der ehelichen. Vergleicht man diese Zahlen mit den am Anstaltsmaterial gefundenen Werten, so ergibt sich, dab die MortalitXt yon 3,2 bzw. 2, 4 % (korrigierter Weft) erheblich niedriger 1st als die Mortalitgt der unehelichen SRuglinge in Grog-Berlin; ja, wenn wir den korrigierten Weft berficksichtigen, ist iniolge des Anstaltsaufenthaltes und der Durchfiihrung der nattirliehen grnghrung w~hrend des ersten Lebensvierteljahres ihre Sterblichkeit fast auf das Niveau der Mortalit~kt der ehelichen SAuglinge in Grofl-Berlin herab- gedrfickt worden (2,4% bei den unehelichen in der Anstalt gegen 2,I % bei den ehelichen in Berlin). Bei der Bearbeitung dieses Problems dr/ingte sich sofort die zweite Frage auf : Wie groB ist di6 Sterblichkeit der in einer Anstalt geborenen unehelichen Neugeborenen in den ersten io Lebenstagen im Vergleich mit der Sterblichkeit der ehe- lichen bzw. nnehelichen Neugeborenen in Grog-Berlin im gleichen Zeitabsehnitt? Ich babe ans dem grogen Material der LandesfrauenMinik, fiir dessen Oberlassung ich dem Direk- tor, tlerrn Professor HAMMERSCHLAG, meinen herzlichsten Dank ausspreche, filr die vier Jahre 1924-1927 die Sterblieh- kelt~zahlen in folgender Tabelle znsammengestellt: Tabelle 3. Zahl der Lebendgeborenen Gestorben Jahr uber- in ehellch m un- in haupt % % ehehch % 1924 1925 1926 1927 In4Jahren uber- ehehch un- haupt ehehch 183o 847 983 2625 1139 1486 2887 1299 1588 2583 1198 1385 9925 4483 5442 76 4,2 42 5,0 93 3,5 44 4, 8 89 3,I 42 3,2 79 3, ~ 36 3,0 337 13,41 164 13,61 34 3,5 49 3,3 47 3,o 43 3,1 173 3,2 Es wurden also im ganzen 9925 lebende Kinder geboren. Davon starben in den ersten io Tagen 337 S~uglinge = 3,4 %, nnd zwar yon den 4483 ehelichen 164 = 3,6 %, yon den 5442 unehelichen 173 = 3,2 %. Vergleicht man diese Zahlen mit den Werten, die ich Iiir eheliche bzw. uneheliche Neugeborene auf Tabelle 2 berechnet babe, so ergibt sich folgendes Bild: Die Mortalit~t der ehelichen S~uglinge in Berlin betrug im Durchschnitt 2,95 %, die tier unehelichen 6,6 %. Die Sterblieh- keit der unehehehen in der Landesfrauenkhnik mit 3,2 0,/0 ist also um die H~lfte geringer als diejenige der unehelichen Neugeborenen in Berlin und nut um einen geringen Bruchteil h6her als die der eheliehen. Hier ist es also gelungen, durch Schaffung gtinstiger Bedingungen fiir die Entbindung und durch konsequente Durchffihrung der nattirlichen ErnXhrung Unehelich in Zahl der Geburten bis zo Tag in roz. gestorben Proz. 2,3 2,0 2,1 ,2,,O 2,1 IO. Tag bis Ende in des I. Vlerteljahres Proz. gestorben 329 5,1 439 5,I 304 3,6 318 4,0 ~395 4,4 6429 495 7,7 8590 562 6,5 8579 53 ~ 6,2 8038 49I 6,I 31 636 2o78 I 6,6 die Sterblichkeit der unehelichen Neugeborenen auf das Niveau der ehelichen herabzudrticken. Interessant ist schlieglich noch eine l~'Tbersicht tiber die Todesursachen der ill tier Landesfrauenklinik gestorbenen Neugeborenen. Auch hier ergibt sich kein wesentlicher Unter- schied zwischen ehelichen und unehelichen S~uglingen, wie aus folgender Tabelle hervorgeht: Tabelle 4' Verteilung der Todesursachen. (lesamtmortaliti~t = 837. Ehdich = 16d. Unehelieh = 173. in ehelich In un- in Ursachen Gesamt Proz. Proz. ehehch Proz. Fruhgeburt .... 2o9 62.o lO6 64,6 lO3 59,6 Asphyxie ..... 59 17,5 23 14,o 36 20,8 Operation . . . . . . 6 7,7 r4 8,4 12 6,9 MiBbildung .... 9 2,6 7 -- 2 -- Lues* ....... 8 2,I 2 - 6 -- Andere Ursachen 26 7,7 12 7,3 14 8,1 Zwar 1st bei den ehelichen Neugeborenen der Anteil der Friihgeburten etwas h6her als bei den unehelichen, bei letz- teren die Zahl der TodesfMle dutch Asphyxie gr6ger als bei den ersteren, aber die Unterschiede sind nicht so bedeutend, als dab man daraus irgendeinen SchluB ziehen k6nnte. Auch die Tatsache, dab unter den totgeborenen Frfihgeburten so- wohl absolut als auch prozentualiter mehr eheliehe als un- eheliche vorhanden sind, spricht nur daitlr, dab verheiratete Frauen bei St6rungen in der Schwangerschaft die Anstalt eher aufsuchen als beim normalen Verlauf. Betrachtet man schlieglich die Todesursachenstatistik unter dem Gesichts- winkel der Prophylaxe, so konzentriert sich unser Interesse auf den hohen Anteil, den die Frfihgeburten an der Frfihsterb- lichkeit nehmen, wie er sich auch in alien andern Statistiken finder. Entfallen doch ~/a aller TodesfAlle auf die Friih- geburtenl Daraus ergibt sich ohne weiteres, dab sich die Be- k~mpfung der Frfihsterblichkeit in erster Linie auf die Ver- htitung der Frtihgeburt erstrecken mug. 13berblicken wir noch einmal beide Beobachtungsreihen, so sehen wir, dab durch die gfinstigen Bedingungen des An- staltsaufenthaltes nnd die Durchfiihrung der natiirlichen Er- nahrung die Sterblichkeit der unehelichen S~ughnge im ersten Lebensvierteljahr aui 6,4 bzw. 5,6~ (korrigierter Wert) gegeniiber II % bei den unehelichen S~uglingen in Grog- Berlin herabgedrfickt werden kann. Ja der korngierte Weft yon 5,6 % ist nicht viel h6her als der Weft fiir (tie Sterblich- keit der ehelichen S~tuglinge, der flit diesen Zeitabschnitt in Grog-Berlin 5,1% betrXgt. ZUR REFORM DER ARZTLICHEN BILDUNG. Von Dr. PaUL J~SEN, Professor der Physiologm in Gottingen. Innerhalb der Reformbestrebunger~ auf dem Gebiet unseres gesamten Erziehuagswesells, die zum Teil sehr grt~ndliche Um- gestaltungen wiinschen, zeiger~ sich besonders in letzter Zeit auch wieder solche, die die arztliche Ausbildung zum Gegenstand haben. Diese BestrebuI~geI~ gehen tells volx ministeriellel * Seite aus, teils Als dieser Aufsatz gesehrieben wurde, lagen die yore Reichsmlmster des Innern am 9. X. 29~9 zur DlskusslongestelltenAnderungen der Pru~ungsordnung filr #krzte noch nicht vor. yon den medizinisehen Fakult~ten, tells yon u einzelner Facher, wie Anatomen, Physiologert, KhnikerI1 usw. und teils yon praktischer~ ~rzte11. Die yon den verschiedenen Seitm~ erhobenen ForderuRgen siI~d bald mehr, bald weniger weitgehend. Letzteres gilt besoI~ders fflr die voi~ dell medizinischen Faknlt~teR und VOl~ einzelnen ihrer FachveItreter geltend gemachten, wie sie kurzlich * Be1ausgetragenenKindera; die Lues bei den Fruhgeburtenist in der Rubrik ,,Fruh- geburten" eingerechnet.

Zur Reform der Ärztlichen Bildung

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12 4 K L I N I S C H E \ V O C H E N S C H R i F T . 9. J A I t R G A N G . N r . 3 ~S. JANUARI93O

Tabelle 2. Oeburtenzahl und Mortalitiit in den ersten 10 Tageu und vom 10. Tage bis Nude des e,rsten Lebensviertel]ahres, getrennt naeh ehelichen und unehelichen S4uglingen,

Ehehch

io. Tag bis Ende Jahr bis zo. Tag i in des I. Vmrtellahres Zahl der Geburten gestorben ] Proz. gestorben

I924 35 117 1043 3 794 1925 38481 11o3 2,9 787 1926 36694 lO28 2,8 768 1927 34835 I I. OI 3,2 707

Sa,: I45 127 4275 i 2,95 3 ~

so grof3 wie die der ehel ichen. Vergle icht m a n diese Zahlen mi t den am Ans t a l t sma te r i a l ge fundenen Wer t en , so e rg ib t sich, dab die Mortal i tXt yon 3,2 bzw. 2, 4 % (korr igier ter Wef t ) e rhebl ich niedr iger 1st als die Mor ta l i tg t der unehe l ichen SRuglinge in Grog-Ber l in ; ja, wenn wir den kor r ig ie r ten W e f t berf icksicht igen, is t iniolge des Ans t a l t s au fen tha l t e s und der Durchf i ih rung der na t t i r l iehen g r n g h r u n g w~hrend des e r s t en Lebensv ie r t e l j ah res ihre S terb l ichkei t fas t auf das Niveau der Mortalit~kt der ehel ichen SAuglinge in Grofl-Berlin herab- gedrf ickt worden (2,4% bei den unehe l ichen in der Ans t a l t gegen 2,I % bei den ehel ichen in Berlin).

Bei der Bea rbe i tung dieses P rob lems dr/ ingte sich sofor t die zweite F rage auf : Wie groB is t di6 S te rb l ichke i t der in einer Ans t a l t geborenen unehe l ichen Neugeborenen in den e rs ten io L e b e n s t a g e n im Vergleich mi t der S terb l ichkei t der ehe- l ichen bzw. nnehe l ichen Neugeborenen in Grog-Ber l in im gleichen Ze i t absehn i t t ? Ich babe ans d e m grogen Mater ia l der Landesf rauenMinik , fiir dessen Ober lassung ich dem Direk- tor, t l e r r n Professor HAMMERSCHLAG, meinen herz l ichs ten D a n k ausspreche, filr die vier Jahre 1 9 2 4 - 1 9 2 7 die Sterbl ieh- kel t~zahlen in folgender Tabel le znsammenges t e l l t :

Tabelle 3.

Zahl der Lebendgeborenen Gestorben

Jahr uber- in ehellch m un- in haupt % % ehehch %

1924 1925 1926 1927

In4Jahren

uber- ehehch un- haupt ehehch

183o 847 983 2625 1 1 3 9 1486 2887 1 2 9 9 1588 2583 1 1 9 8 1385

9925 4483 5442

76 4,2 42 5,0 93 3,5 44 4, 8 89 3,I 42 3,2 79 3, ~ 36 3,0

337 13,41 164 13,61

34 3,5 49 3,3 47 3,o 43 3,1

173 3,2

Es w urden also im ganzen 9925 lebende Kinde r geboren. D a v o n s t a rben in den e r s t en io Tagen 337 S~uglinge = 3,4 %, n n d zwar yon den 4483 ehel ichen 164 = 3,6 %, yon den 5442 unehe l ichen 173 = 3,2 %. Vergle icht m a n diese Zahlen mi t den Wer t en , die ich Iiir eheliche bzw. unehel iche Neugeborene auf Tabelle 2 be rechne t babe, so e rg ib t sich folgendes Bild: Die Mor ta l i t~ t der ehel ichen S~uglinge in Berl in be t rug im D u r c h s c h n i t t 2,95 %, die tier unehe l ichen 6,6 %. Die Sterbl ieh- ke i t der u n e h e h e h e n in der L a n d e s f r a u e n k h n i k mi t 3,2 0,/0 is t also u m die H~lf te geringer als diejenige der unehe l ichen Neugeborenen in Berl in und nu t u m einen ger ingen Bruchte i l h6her als die der ehel iehen. Hier is t es also gelungen, durch Schaffung gt inst iger Bed ingungen fiir die E n t b i n d u n g und du rch konsequen t e Durchf f ih rung der na t t i r l ichen ErnXhrung

Unehelich

in Zahl der Geburten bis zo Tag in roz. gestorben Proz.

2,3 2,0 2,1

,2,,O

2,1

IO. Tag bis Ende in des I. Vlerteljahres Proz.

gestorben

329 5,1 439 5,I 304 3,6 318 4,0

~395 4,4

6429 495 7,7 8590 562 6,5 8579 53 ~ 6,2 8038 49I 6,I

31 636 2o78 I 6,6

die S terb l ichkei t der unehe l ichen Neugeborenen auf das Niveau der ehel ichen herabzudr t icken .

I n t e r e s s a n t is t schlieglich noch eine l~'Tbersicht tiber die Todesursachen der ill tier Landes f rauenk l in ik ges to rbenen Neugeborenen . Auch hier e rg ib t sich kein wesen t l i cher U n t e r - schied zwischen ehel ichen und unehel ichen S~uglingen, wie aus folgender Tabel le h e r v o r g e h t : Tabelle 4' Verteilung der Todesursachen. (lesamtmortaliti~t = 837.

Ehdich = 16d. Unehelieh = 173.

in ehelich In un- in Ursachen Gesamt Proz. Proz. ehehch Proz.

Fruhgeburt . . . . 2o9 62.o lO6 64,6 lO3 59,6 Asphyxie . . . . . 59 17,5 23 14,o 36 20,8 Operation . . . . . . 6 7,7 r4 8,4 12 6,9 MiBbildung . . . . 9 2,6 7 -- 2 -- Lues* . . . . . . . 8 2,I 2 - 6 -- Andere Ursachen 26 7,7 12 7,3 14 8,1

Zwar 1st bei den ehel ichen Neugeborenen der Antei l der F r i i hgebu r t en e twas h6her als bei den unehel ichen, bei le tz- t e ren die Zahl der TodesfMle d u t c h Asphyx ie gr6ger als bei den ers teren , aber die Un te r sch iede sind n i ch t so bedeu tend , als dab m a n daraus i rgendeinen SchluB ziehen k6nnte . Auch die Tatsache , dab un te r den t o t g e b o r e n e n Fr f ihgebur t en so- wohl absolu t als auch p rozen tua l i t e r m e h r eheliehe als un- eheliche v o r h a n d e n sind, sp r i ch t nur daitlr, dab ve rhe i r a t e t e F r au en bei S t6 rungen in der Schwangerschaf t die A n s t a l t eher aufsuchen als be im normalen Verlauf. B e t r a c h t e t m a n schlieglich die Todesu r sachens t a t i s t i k u n t e r dem Gesichts- winkel der P rophy laxe , so konzen t r i e r t sich unser In te resse auf den hohen Antei l , den die F r f ihgebur t en an der Fr f ihs te rb- l ichkei t nehmen , wie er sich auch in alien andern S ta t i s t iken f inder. En t f a l l en doch ~/a aller TodesfAlle auf die F r i i h - gebur t en l Daraus ergibt sich ohne weiteres, dab sich die Be- k~mpfung der Fr f ihs te rb l ichke i t in e r s te r Linie auf die Ver- h t i tung der F r t i hgebur t e r s t r ecken mug.

13berblicken wir noch e inmal beide Beobach tungs re ihen , so sehen wir, dab du rch die gfinst igen Bed ingungen des An- s t a l t s au fen tha l t e s n n d die Durchf i ih rung der nat i i r l ichen Er - n a h r u n g die S te rb l ichke i t der unehe l ichen S~ughnge im e r s t en Lebensv ie r t e l j ah r aui 6,4 bzw. 5,6~ (korrigierter Wer t ) gegeni iber I I % bei den unehel ichen S~uglingen in Grog- Berl in herabgedr f ick t werden kann. J a der ko rng i e r t e W e f t yon 5,6 % is t n ich t viel h6her als der W e f t fiir (tie S terb l ich- kei t der ehel ichen S~tuglinge, der flit d iesen Ze i t abschn i t t in Grog-Ber l in 5,1% betrXgt.

ZUR REFORM DER ARZTLICHEN BILDUNG. Von

Dr. PaUL J~SEN, Professor der Physiologm in Gottingen.

Innerhalb der Reformbestrebunger~ auf dem Gebiet unseres gesamten Erziehuagswesells, die zum Teil sehr grt~ndliche Um- gestaltungen wiinschen, zeiger~ sich besonders in letzter Zeit auch wieder solche, die die arztliche Ausbildung zum Gegenstand haben. Diese BestrebuI~geI~ gehen tells volx ministeriellel * Seite aus, teils

�9 Als dieser Aufsatz gesehrieben wurde, lagen die yore Reichsmlmster des Innern am 9. X. 29~9 zur Dlskusslon gestellten Anderungen der Pru~ungsordnung filr #krzte noch nicht vor.

yon den medizinisehen Fakult~ten, tells yon u einzelner Facher, wie Anatomen, Physiologert, KhnikerI1 usw. und teils yon praktischer~ ~rzte11. Die yon den verschiedenen Seitm~ erhobenen ForderuRgen siI~d bald mehr, bald weniger weitgehend. Letzteres gilt besoI~ders fflr die voi~ dell medizinischen Faknlt~teR und VOl~ einzelnen ihrer FachveItreter geltend gemachten, wie sie kurzlich

* Be1 ausgetragenen Kindera ; die Lues bei den Fruhgeburten ist in der Rubrik ,,Fruh- geburten" eingerechnet.

x8. JANUAR 193o 1 , 2 L I N I S C H E W O C H E N S C I I R I F T . 9. J A H R G A N G . N r . 3 I 2 5

in dieser W o c h e n s c h r i f t * und a u c h an ande ren Of ten verOffent l icht wurden . W e n n ich n a c h al len d iesen m a n n i g f a c h e n XuBerungen hier a u c h noch das W o r t ergreife, so gesch ieh t das deshalb , weft ich da s P r o b l e m der grz t l ichen Bf ldung in u m f a s s e n d e r e r Weise b e h a n - de ln und dabei vor a l lem au f m e h r e r e P u n k t e e ingehen mSchte , die in den g e n a n n i e n E r d r t e r u n g e n en twede r ga r n ich t bea rbe i t e t oder n u r ber f lhr t worden sind.

Unse re H o c h s c h u l p ~ d a g o g e n besch~f t igen s ich j e tz t in z u n e h m e n - d e m MaBe mi t der d e m kr i t i schen B e o b a e h t e r s chon lange gel~uf igen T a t s a c h e der LebensJremdheit unse re r hOheren Schulen, wie beson- ders des G y m n a s i u m s , denen g e g e n u b e r die n iederen Schulen, wie die Volksschu le und die Mi t te l schule , d u r c h die N e u o r d n u n g des Sehulwesens eine viel bessere A n p a s s u n g an die t3edt i rfmsse des m e n s c h l i c h e n Lebens e r f ah ren haben . A n einer ~hnl ichen Lebens- f r e m d h e i t le iden a u c h unse re Universitiiten, die diese M~ngel yon den h o h e r e n Schulen u b e r n e h m e n u n d a u c h wieder au f sie zurtick- wi rken lassen**. Von d iesem P r o b l e m k o m p l e x soll h~er der jen ige Tell, der die A u s b i l d u n g z u m Arz te betr i f f t , b e l euch t e t werden , u n d zwar einersei ts einige wicht ige F r a g e n der a rz t l iehen Ausbi l - d u n g im a l lgemeinen, andere r se i t s solche der vork l in i schen Ausbi l - d u n g im besonderen .

I. Zur iirztliehen Ausbild~nq im allqemeinen.

U m m i t der a rz t l i chen A u s b i l d u n g i m a l lgemeinen zu beginnen , so h a t m a n an d~eser bekann t l i ch e r s tens die wissenscha/tliehe und zwei tens die praktische A u s b i l d u n g des Arz tes zu u n t e r s c h e i d e n ; u n d h ins ich t l i ch der l e tz te ren sei neben der E r l e r n u n g der a rz t l i chen I{uns t die a l lgemeinmensch l i che u n d , , ve r s t ehend-psycho log i sche" A u s b i l d u n g des Arztes noch besonders g e n a n n t . Es is t oft und m i t l~echt yon ve r sch iedenen Sei ten d a r a u f h ingewiesen worden, dab sich a u f diesen beiden Gebieten, also d e m wissenschaf t l i chen und d e m p rak t i schen , bei e inem grol3en Tell unse re r _~rzte Mangel b e m e r k b a r m a c h e n . U n d diese s ind iedenfal ls zu e inem erheb l ichen Tefi d u r c h d~e e r w a h n t e L e b e n s f r e m d h e i t ve r sehu lde t , die unse re U n i v e r m t a t e n in ve r schmdene r H i n s i c h t zeigen. I ch m d c h t e bier h a u p t s a c h h c h n u t die wissensehaJtliche A u s b i l d u n g des Arz tes behande ln , mul3 aber a u c h einige F r a g e n be ruh ren , die seine praktisehe, allgemeinmenschliehe und ,,verstehend-psyehologische'" 13ildung be t re f ien .

Bezugl ich des l e t z t g e n a n n t e n Gebietes sei n u r au f das groBe, me i s t ens n i ch t g e n u g e n d gel6ste P r o b l e m hingewiesen, das in d e m b e k a n n t e n / 3 u c h e yon E. L ~ K * * * so ausd rucksvo l l behande l t wird. GewiB eathXlt dieses B u c h m a n c h e U b e r t r e i b u n g e n und n ich t wenig seh r Anfech tba re s , abe t se ine H a u p t t e n d e n z , die m a n doch in der F o r d e r u n g einer viel s t a rke r en 13etonung der praktischen, allgemein- mensehliche~ und verstehend-psychologischen ~trztlichen 13ildung ~eben der wissensehaftl~ichen zu erbl icken h a t , we i s t m i t R e c h t da r - au f hin, dab hier den I~ediirfnissen des m e n s c h l i c h e n Lebens hhuf ig n i ch t Genfige g e t a n wird. D a m i t werden sieh die w e r d e n d e n -~rzte, so fe in sie i h r en Beru f ideal auf fassen , a u s e i n a n d e r z u s e t z e n haben.

Von den P rob l emen der wissenseha/tliehen A u s b i l d u n g des Arz tes sei z u n a c h s t das der ]ortschreitenden SpezialiMerun.g der verschiede- hen Fache r g e n a n n t , das au f k l in i schem Gebie t zu d e m z u n e h m e n d e n ~ b e l s t a u d ft~hrt, da{3 die Ver t re te r der e inzelnen Faehe r an den Univers~tgten, wie auch die p r ak t i s chen ~ rz t e , h a u l i g n i ch t m e h r in gen f igendem MaBe den ganzen k r a n k e n Menschen, dessert Teile doch alle in "vVechselwirkung s tehen , z u m Gegens t and der a rz t l ichen Beur te i lung , U n t e r s u c h u n g u n d B e h a n d l u n g m a c h e n , sondern n u r e inze lne Teile, die besonders auf fa l lende S y m p t o m e darb ie ten . Der t t a u p t g r u n d dafi i r ~st der, dab die k o n s e q u e n t e Befo lgung der Richt l in ien , die eine vollwertige Physioloffie~ u n d eine vollwertige Pathologie d e m Kl in iker n n d i~berhaupt d e m Arz t l iefern oder l iefern soll ten, ~mmer schwier iger wird. Diese Vollwertigkeit der Phys~ologie u n d Pa tho log ie und ~hre konsequente prak f i sche An- w e n d u n g m ~ s s e n viel intensiver, als es i m a l lgemeinen der Fal l ist, e r s t r eb t werden Das bedeu t e t abe t h i t den Arz t eine g rund l iehe U n t e r s u c h u n g , Beur t e i l ung u n d t h e r a p e u t i s c h e /3ehand lung des

* Es se~ hier nut" auf dze Aufs~tze von A. BETHE, H. PETI~RSEN, E. GOPPERT, R. FICK, F. W. FROHLICH, K. GOLDSTEIN und D. ACKERMANN an dieser Wschr. 7, 148a, x872, 1876, ~92I, 1923, 2399, 2402, 2402 und 8, 740 verwmsen. ** Elmges hmruber s~ehe bei P, JENSEN, Universlt~t und Bfldungs~deal. Berlin 1928.

*** l~ber den anderen Zweig der gesamten Psychologie, namhch die ,,beschreibend- analytlsche" einsehlieBlich der ,expenmentellen" Psychologie siehe spfiter S ~26 u. 129.

t Ichvermeide absichthehdleunzweckmal3igenund uberfluss~genAusdrueke,,normale' und ,,pathologlsche Physlologie". die dutch emen sinnvollen Gebrauch des Wortes ,,Pathologm" hinfalhg werden; s. auch folgende Spalte, Anm. **.

ganzen k r a n k e n Menschen und n i ch t n u r se iner besonders auf- fa l lende S y m p t o m e da rb i e f enden Teile. U n d ferner b ed eu t e t es eine d iagnos t i sche und t h e r a p e u t i s c h e B e a c h t u n g alIer wesentliche,~ ~iufleren Bedingungen, untex der~en s ich de r g e s a m t e Lebensprozel3 des tCranken vollzieht . Ffir die Therapie heii3t das also, d ab neben einer e twa igen p h a r m a k o l o g i s c h e n (med ikamen tbsen) B e b a n d l u n g au~h die Ar t der E r n a h r u n g und die gauze sons t ige Lebensweise , einschlie/31ich versch iedener p h y s i k a h s c h e r und psychophys io lo - g ischer Fak to r en , in viel u m f a s s e n d e r e r u n d grf indl icherer V~Teise b e a c h t e t werden mhssen , als es n a c h der Ans i ch t k r i t i scher Beur te i le r des G e b a h r e n s unse re r J~rzte iI1 der Regel geschieh t .

I n we lchem Mal3e die au f , , E i n h e i t s b e s t r e b u n g e n " in der Mediz in e ingeste l l te neue Zei tschr i f t ,,H@pokrates" den y o n mi r soeben als e r s t r ebenswer t beze ichne ten Zielen d ienen kann . mul3 die Z u k u n f t lehreI1. I h r e g u t e u Vors~tze we rden leider d u r c h v i ta l i s t i sche , h o m 6 o p a t h i s c h e und ande re T e n d e n z e n beeintr~tchtigt .

Als zweites die wissenschaf f l i che A u s b i l d u n g des Arztes an- gehendes P rob lem, das n l ch t den /3edurfn issen des m en sch l i ch en Lebens en t sp r echend gelost zu werden pflegt , i s t das yon d e m wf inschenswer ten ,,Grade" der wis senscha f t l i chen A u s b i l d u n g des Arz tes zu nennen . ]3esonders die Kl in iker sche inen m i r h au f ig einen unklaren Begri f f yon der wissenschaftliehen ( , , theore t i schen") Aus- b i ldung zu haben , die m a n d e m Med iz in s tud l e r enden geben soll, woraus d a n n eine fa lsche S t e l l u n g n a h m e in dieser Ange legenhe i t en t sp r ing t . Z u n a c h s t mul3 m a n s ich klar m a c h e n , dal3 es eine mehr oder weni~et weitreiehende , .wissenschaf t l iche A u s b i l d u n g " gibt . Diese A u s b i l d u n g kann , ganz a l lgemein ausged ruck t , ver- sch ieden wei t re ichend sein h ins ich t l i ch der Kenntnis der einscMd- gigen einzelnen Tatsachen, ferner h ins ich t l ich der Erkenntnis ihrer Zusammenhdnge (der Theorien) und endl ich h ins ich t l i ch der Be- herrsehung der e.insehlgtgigen ~orschungsmethoden. Es b r a u c h t wohl k a u m b e m e r k t zu werden, dal3 u n t e r F o r s c h u n g s m e t h o d e n n u t sehleehth,in ,,wissensehaJtIiehe'" Y e r f a h r e n zu v e r s t e h e n s ind*. D e n n , ,n ich t wissenschaf t l i che" oder , , unwissenscha f t l i che" in te l lektuel le t3es t rebungen s ind n ich t s ch l ech th in als F o r s c h u n g e n anzusp rechen . W o abe t F o r s c h u n g e n in d e m hier g e m e i n t e n Sinne vorl iegen, da e rha l t m a n auch als Ergebnisse , , T a t s a c h e n " und , , Z u s a m m e n h g n g e yon Tatsachen", ,, K e n n t n i s s e " u n d , ,Erkenntnisse", die diese N a m e n verdienen. D a h e r k o m m t den F o r s c h u n g s m e t h o d e n u n d d e m wissen- scha f l l i chen V e r f a h r e n eine so grol3e und u m f a s s e n d e I3edeu tung zu.

N u n is t fes tzuste l len, dab selbs t der wissenschaf f i i ch a m b es t en ausgeb i lde te Ver t r e t e r i rgendeines Faches oder Wissensgeb ie tes in diesen dreierlei P u n k t e n noeh wel t yon e lnem d e n k b a r e n Ideal ent - f e rn t ist. E ine solche m e h r oder m i n d e r groBe Unvo l l s t~nd igke i t der ]3i ldung s c h a d e t aber a u c h d e m a n g e h e n d e n Arz te d a n n n ich t viel, w e n n er im ubr igen ganz bestimmter~ Voraussetzunffen gent ig t : d. h. w e a n ibm erstens ein unerIi~Bliehe8 M~n~mum y o n T a t s a c h e n , Theor i en und F o r s c h u n g s m e t h o d e n als w i s sensc h Mth ch es Bet r iebs- kap i t a l zur Yer f i igung s t eh t , w e n n er zweiten~ weiB, was es heil3t, e twas genau wissen, verstehen und kOnnen, w e n n er drittens s ich d a r u b e r Mar ist, in welchen Fdllen er dmses Vr Ve r s t eh en u n d K 6 n n e n , kurz, diese Saeheerstdndigkeit, bes i tz t u n d m welchen m c h t , w e n n er viertens den Trieb u n d JiinJtens die JFdhigkeit ent - wiekei t ha.t, empJundene IA'~eken auszuff i t len.

Hierzu seien an der H a n d eines 13eisplels noch einige Er l~ute- r u n g e n gegeben: Zur wis seascha f t l i chen A u s b i l d u n g des Mediz iners e twa in der Chemie gehdr t es, dab er auch au f d iesem Gebiet wis- s enscha t t l i ch d e n k e n gelernt ha t , also eine a l lgemein-wissenschaf t - l iche m e t h o d i s c h e S c h u l u n g gewonnen h a t u n d gle~chzeitig m i t d en n6tigen speziel len chemischen M e t h o d e a v e r t r a u t geworden ist . M~t den le tz te ren s ind d le jen igen gemein t , die e inerse i t s zur Gewin- h u n g der a l l geme in -ehemischen wis senscha f t l i chen S c h u l u n g u n d andere rse i t s z u m V e r s t a n d n i s der in der Phys io log ie** a n z u w e n d e n - den c h e m i s c h e n T a t s a c h e n und Theor ien g e b r a u c h t werden . D a r i n is t d a a n a u c h schon die F o r d e r u n g en tha l t en , dab der Studie~ende der 5Iedizin s ich die fflr das Ve r s t andn i s der Phys io log ie n6 t igen I~enntn isse yon e inzelnen c h e m i s c h e n Tatsachen u n d E r k e n n t n i s s e von Tatsache~zusammenhiingen (Theorle~) ebenfal ls erwerbert mul3.

* Wenn h~ufig yon ,.streng wissenschaftlich" gesprochen wird, so halte Eh das fur einen PleonasIilus. Denn etwas, was nicht ,,streng wissenschaffhch" ist, sollte man uberhaupt mcht wlssenschaftheh nennem ~ber das Wesenthche des wissenschatthchen Veriahrens siehe P. JENSEN, Umversitat und Bfldungsldeal. Berhn 19~8. ** Was daruber hinaus m derPathologie an chemlsehem Wlssen gebraucht wird, ist dann teils m der chemlschen Physmlogle, tefis m der ,,ehemisehen Pathologie", dem leider ganz rudimentar gewordenea Zwelg der vollstandigvn Pathologie, noch hmzuzulugen.

I 2 6 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Zur no twend igen c h e m i s c h e n A u s b i l d u n g des kt i~f t igen Arztes geh6r t es d a h e r nieht, dab er z. I3. die M e t h o d e n zur E r m i t t e l u n g des Molekula rgewich tes u. dgl. kermt u n d dab er fiber solche ehemische Verbir~dungen a n d Theorier~ Besche id weiB, die ffir d~e E r w e r b u n g der grundlegender~ chemi schen A n s c h a m m g e n en tbeh r - l ich s ind ur~d a u c h i~x der Biologie zur Zeit ke ine nenr~enswerte Rolle spieIen. Dieses als en tbehr l i ch beur te i l t e Wissensmate~ ia l m a g i n t e r e s san t sein, rdcht n u t ffir d e m Mediziner , sonder~ aueh fur andere M e n s c h e n - - aber der werdende Arz t sollte n i ch t m i t i h m be las t e t werden , da das chemische V~'issen a n d IK6nnen, das er braucht n n d in r e l a t iv kurzer Zeit s ich ane ignen toni3, s chon r ech t re iehl ieh ist*. I m Z u s a m m e n h a n g d a m i t soll te ~m chemischen U n t e r r i c h t des Mediz iners m e \ r , als es im allgemeir~en geschieht , d a h i n ges t r eb t werden , dab zur Da r s t e l l ung a n d ]3eibringun.g der c h e m i s c h e n Grundanschauungen mogl ichs t solche T a t s a c h e ~ u n d T a t s a c h e n z u s a m m e n h f i n g e v e r w e n d e t werden , die aueh fur die Biologie yon Wich t i gke i t s ind. Das g e w a h r t neber~ der Verme~du~g y o n e n t b e h r l i c h e m Wissensba l l a s t den Vorteil , dab sich d e m Me- diz iner die ft~r i h n wich t igen T a t s a c h e n ur~d Z u s a m m e n h a n g e be- sonders les t einprXgen ur~d zu lebendigem, v e r w e n d u n g s b e r e i t e m ge i s t igem t3esitz we rdem Die E r fu l lung aller der g e n a n n t e n Voraus- s e t z u n g e a u n d F o r d e r u n g e n m u g also meines E r a c h t e n s bei der Ausb f idung der Medizir~studierenden in viel hdherem Marie als bisher m i t allen Mi t t e ln u n d bei alien Gelegenhei ten e r s t r eb t werden . Das alles gilt gleicherweise f~r die A u s b i l d u n g des med iz in i schen For- schers wie ffir die des p r a k t i s c h e n Arztes . W o h l e rheben sich analoge F o r d e r u n g e n schon fur die E r z i e h u n g in der Schule, wo sie aber leider n i ch t gebf ihrend b e a c h t e t werden . D a h e r muB fiir den kf inf t igen Arz t alles das, was in der Schule ve r sXumt worden 1st, zun~ehs t im vork l in i schen U n t e r r m h t nachgeho l t werden.

Als 13bergang zu der F rage der R e f o r m des vo rk l imschen Unte r - r i ch t s bert~hre ich bier ein Problem, das kfirzlich yon HABERL~B~ u n d P ~ E R S E ~ aufgef r i sch t worden i s t . Le tz te re r empf leh l t ffir die- jenigen, die s i c \ d e m S t u d i n m der Medizin w i d m e n wollen, zu Beg inn ihrer A u s b i l d n n g eine B e t ~ t i g u n g auf d e m Gebiet der KrankenpJlege a n d der sozialen Fursorge, u m i hnen sofort den ganzen U m f a n g , die Tiefen u n d den ganzen E r n s t ihres k i inf t igen t3erufes vor A u g e n zu ft~hren**. ])as wt~rde in der T a t verseh iedene groBe Vortei le br ingen , die s ich alle die jenigen, denen dergle ichen viel le icht yon vo rnhe re i n widers t reb t , r e ch t Mar m a c h e n mogen . E r s t e n s wfirde au f diese Weise s icher eine be t r ach t l i che Menge yon j u n g e n Menschen , die aus ve r sch i edenen G r u n d e n z m n arz t l ichen Beru f n i ch t gee ignet sind, yon d iesem i e r n g e h a l t e n werden . Zwei- t ens wfirden d ie jemgen, die sich vor d e m ]3eginn ibres vorkl in isc tmn S t u d i u m s die No t wend i gke i t einer w i s senscha i t l i chen Ausb i l dung des Arz tes n i ch t k l a r g e m a c h t ba t t en , au f diese No twend igke i t bei den ve r s ch i edens t en Gelegenhe i ten h ingewiesen , wodurch das In t e r - esse ffir das vorMinische S t u d m m sehr geforder t werden k6nn t e . D r i t t e n s wflrde d u r c h diese e in t f ihrende p r a k t i s c h e B e t ~ t i g u n g die ffir den Arz t spezif ische a l lgemein -mensch l i che Ausb i ldung , ein- scbliel31ich des psycho log i schen Vers t andn i s ses ft~r seine P a t m n t e n , in w i r k s a m s t e r a n d g rund legende r Weise begormen werderL U n d v ie r tens end l ich k o n n t e n die g e n a n n t e n MaBnahmer~ viel le icht dazu dienen, den Ans toB zu einer grf indl ichen H b h e r e n t w i c k l u n g des sei t Dezenn i ea sehr reformbedt~ritiger~ Lebeass t i l es der me i s t en s t u d e n t i s c h e n K o r p o r a t i o n e n zu geben, in we lchem P u n k t e m a n l angs t g e m e i a s a m e S c h n t t e hXtte u n t e r n e h m e n sollem

Auf die Frage , wie s ich die einft~hrende B e s c h M t i g u n g m i t K r a n k e n p f i e g e u n d sozialer Ft~rsorge in der~ je tz t f ibl ichen oder v i e h n e h r den zu r e fo rmi e r endea med iz in i s chen S t u d i e n p l a n ein- ft~gen heBe, soil hier ~ ich t welter e ingegangen werden. U n d die Iolger~den Bemerknnge l L die ich zu der vork l in i schen Ausb i l dung zu machen, babe , werder~ vor lauf ig m i t einer N e u e r u n g der g e d a c h t e a Ar t ~ficht r echnen .

I I . Die vorkllnisehe Ausbildung. Von ungen i igend ge lbs t ea P rob lemen , die d e m Gebiet der vor-

k l in i schen A u s b i l d u n g des w e r d e n d e n Arz tes angeh0ren , sollen fol-

* Siehe hierzu auch das S. x28 uber ,,Wesentllches" and ,,Unwesenthehes" Gesagte. ** Selbstverst~adhch kame derglelchea tur solehe Studeaten, dxe yon Anfang an die Ab- smht habea, sic\ theoretisehen FAchem der medizinischea Wissenschaft, wm der Aaa- tomle, Physiologie usw., zu widmen, nicht in Betracht. Dean dlese brauehen ihre Aus- blldungszeit notwendig flit vieles andere, was fur sie wesentlieher nnd wiehtiger ist (s. aaten S. X29). In welcher Weise dm Ausbildung des Aaatomen, Physiologen usw. eadhch (!) yon der des praktischen Arztes weitgehend abgeandert werdea mugte, 1st eine Frage itir sich~ die hier nut genannt werdea kaan.

R I F T . 9. J A H R G A N G . N r . 3 ~8. JANUARI93O

gende 8echs b e h a ~ d e k werden : E r s t e n s die F r a g e des Endzleles des vorklinischer~ U n t e r r i c h t e s uIld der s i c \ d a r a u s e rgebenden zeit- lichen Anordnung der i b m d ie~enden Lehr facher , zwei tens die Aus- wahl und Bevrenzung de~ StoJ]es in d iesen F~tchern, d r i t t ens die gegenseitige F,dhlungnahme der Ver t re te r der einzeli~en Facher , x-iertens die Teehnik des Unterriehts im a l lgemeinen, f / inf tens einige Fragen , be t re f fend den physlologisehen Unterricht, im besonderel l sein VerhMtn i s znr Psyehologie u n d Entwlcklungsgeschichte, n n d sechs tens die drztliehe Vorpr,gJung. Diese seehs" P u n k t e h ~ n g e n so mi t e i~ande r z u s a m m e a , dab sie Ixur tei lweise g e t r e n n t b e h a n d e l t werden k6nnen . Vieles von dem, was ich hier zur E r o r t e r u n g stelle, babe ich schon in Faku l t ' ~ t s s i t zungen und bei ande ren Gelegenhe i ten zur Ge l tung zu b r ingen gesuch t , anderes ffige ich zur Vervol l s t~ndi - gung noch h inzu ,

W a s ich bier zu sagen habe , gi l t im wesen t l i cben sowohl fiir d en begab t e r en als auch ffir den weniger b e g a b t e n S tud ie renden . Selbst- vers tar ld l ich k 6 n n e n die in den fo lgenden Ausfflhrur~gen gewfinsch- t en Re io rmen , wie f i be rhaup t alle unserer~ Studie~plXne rmr ffir d ie er~st l ich S tud ie renden yon \Ver t sein und n ieh t fur die vielen, die groge Teile der yon i h n e n zu h 6 r e n d e n Vorlesunger~ vers~umer~ nr~d es auch sorest an In te res se u n d FlelB fehlen lassen. Da die Univers i - t a t e ~ s ich sowenig b e m ~ h e n , den Lebenss t i l und d a m i t au ch d e n FleiB u n d das Ve ran twor tungsge f f i h l eines groBer~ Teiles lhrer S t u d e n t e n zu heben , so sol l ten sie fas t die K o n s e q u e n z e n d a r a n s zieheiz n n d bei i h ren S t u d i e n o r d n u n g e n besondere R~ck s i ch t a u f die UnfleiBigen n e h m e n !

Beg innen wir j e tz t m i t d e m ersten der die v o r k h n i s c h e wlssen- schaf t l i che A u s b i l d u n g be t r e f f enden 6 P u n k t e . Es wird wohl yon den me i s t en Mitgl iedern der med iz in i schen F a k u l t ~ t e n u n d den me i s t en J~rzten a n e r k a n n t , dab das Endziel der vorklinisehen Aus- bildung der Mediziner in e iner mdg l i chs t g u t e n E r k e n n t n i s des g e s a m t e n Lebensprozesses des M e n s c h e n u n d seiner Tei lprozesse bes teh t , also in einer mogI ichs t g u t e n A u s b i l d u n g in der ,,Physio. logie des Menschen"*. D e m widersp r i ch t woh l a u c h die A u f f a s s n n g yon P~T~RSEN (1. C.) n icht , w e n n er auch me in t , d a b die Physiologie , die y o n d e m Phys io logen der med iz in i schen F a k n l t ~ t e n ge lehr t werde, n i ch t in d e m Mage menschliehe Phys io log ie sei," als es die au f d iesem Gebiete v o r h a n d e n e n E r k e n n t n i s s e e rmogl ich ten . Le tz t e res m a g in m a n c h e n FMlen wohl zut ref fen , was aber n i ch t zu einer Vera l lgemeine rung berech t ig t . Als V o r a u s s e t z u n g f a r die E r r e i chung des g e n a n n t e n Endzieles der vork l in i schen S tud ien gilt im a l lgemeinen eine e n t s p r e c h e n d e A u s b i l d u n g in Anatomie, Chemie, Physik, Zoologie u n d Botanik, wozu aber die ,,beschreibend- a nalytisehe'" Psychologie** u n d Psychophysiologie noch h inzu z u n e h m e n ist, wo rau i ich spXter (S. I29) z u r u c k k o m m e . D e m n a e h s ind die Ana tomie , Chemie, Phys ik , Zoologie, B o t a n i k u n d Psychologie als no twend ige Hills]Ocher*** fflr den U n t e r r i c h t des Mediziners in der Physiologie und wei ter a u c h in der Pathologie anzusp rechen .

W a s Ierner die zeitliche Anordnung der d e m Endzie l des vor- k l in i schen U n t e r r i c h t e s d i enenden Vor l e sungen in den g e n a n n t e n t t i l f s f~chern anbet r i f f t , so s t e h t es n a c h der be r r s ch en d en Meinung woh l anBer Frage , dab ein volles Ver s t~ndn i s fhr die Phys io logie n u t m6gl i ch ist, w e n n der S tud ie rende eine b e s t i m m t e Vorb i ldung m i n d e s t e n s in Ana tomie , Chemie , P h y s i k , Zoologie u n d B o t a n i k schon m i t b r i n g t ~.

H ie r m u g ich zun~ehs t einige a l lgemeine t~emerkungen fiber das n i ch t i m m e r klar e r k a n n t e VerhXltnis yon A n a t o m i e u n d Phys io - logie e inscha l ten , ehe ich die zeitl iche Folge der Vor lesnngen t~ber diese be iden F~tcher behand le . W e n n P~X~SEN (1. c.) an f Gru n d einer B e m e r k u n g unse res groBen Phys io logen JOHANNES Mt~LLER die A n a t o m i e als , ,die Grund l age der ganzen Medizin" h ins te l l t , was er spXter freil ich wieder einschrXnkt , so wi rk t das ve rwi r r end auf die A u f f a s s u n g der Rol len y o n A n a t o m i e n n d Physiologie . U n d die Ve rwi r rung wird d a d u r c h noch begt ins t ig t , dab der An sch e in e rweckt wird, als ob m a n die Phys io logie des M e n s c h e n ohne die

* Hieruber habe ich mich sehon m meiner Schrift ,,Die Physiologie als Wissenschaft und Lehre" (Jena I9x2) ausftihrlich ge~ugert. ** Nit diesemAusdruck sei der auch die,experimentelle Psyehologie"nmfassendeTeil

der Psychologie bezelchnet, neben dem es dram noch die ,,verstehende Psychologie" oder ,,Struktarpsyehologie" glbt. Die ,,erkl~rende Psychologie" kann memes Erachtens nur Psyehophysiologie sein. *** Dutch diese Charakterisierung als ,,Hilfsf~icher" des physmlogischen Uaterrichtes w~rd die Selbst~nd~gkelt der genannten Facher in anderer Hinsicht selbstversffmdlieh nieht angefoehten.

~r i)ber den Unterricht in der beschreibead-analytlschen Psychologie, die oben als Hflfs- fach der Physiologie genannt wurde, siehe Naheres S. x29.

z8. JANUAR x 9 3 o K L I N I S C H E W O C H E N S C H

fes techemische, physikalisch-energetische ulld t ierphysiologische Grundlage behandeln kollne, die der Physiologe neben der anatolni- sehen Grundlage fur elne beherrschende Dars te l lung seines Stories braueht* . Aber auch die Darstellullg der Beziehungen zwischen Anatolnie (Morphologie) und Physiologie durch BETI-IE (1. e.) ist llicht befriedigend. BETHE sagt, der Anatoln und der Physiologe ba t t en z'erschiedene wissenschaftliche 'Betrachtunffsweisen, jener die ,,n~orphologische", dieser die ,,]unktionelle", uild er scheint der All- sicht zu sein, dab dies in der Na tu r der Sache liege und uilverlneid- lich sei. Das kann ich nicht anerkenllen, viellnehr sind Ineines Er- achtens far eine echte Forschuilg auf den beiden Gebieten jedesmal die beiden , ,Bet rachtungsweisen" unerlM31ieh. Dellil wenn der Ana- tom voil Muskeln, Nerven, Drtisen usw. spricht, so kalln er doch kauln umhin, aueh ihre Funkt ion zu lleilnen, so wie der Physio- loge anch yon der morphologischen Be t rach tung Gebrauch maehell Innl3. Ein Unterschied besteht nur in der ullgleicheil Ausfnhrl ich- keit, Init der die beiden verschiedenell Fachver t re te r dlese beidell J3etrachtungsweisen anwenden. Das ~Vesentliche, woruln es sich hierbei haildelt, ist aber besser folgellderlnaBen auszudrfickell: Der Anatoln und der Physiologe sind berufen, zusalnlnen, in Arbeits- gemeinsehaft , wobei auch der Psychologe Incht fehlen dart, die saint- lichen , ,Lebenserscheinungen" des Orgallislnus, iln besollderen des Menschen, und ihre Zusalnlnenh~nge zu erforschen. Unte r diesen Lebenserscheinungen unterscheideil wir einerseits physische (k6rper- liche), andererseits psychische (seelische), nnd ullter den physischen, Init denen wit uns bier vorwiegend befassen wollen, morphologisehe, chemische IIIld physikaliseh-energetische 4. Alle diese Ersche inungen h/~ngen eng Initeinander zusalnlnen, bilden ein einheitliches Ganzes nlld werden llur zuln Zwecke der 7Forschung anseinandergelegt und zum Tell gesondert untersucht . Und dabei erforscht der Allatoln (Mor- phologe) in erster Linie die morphologischell ]~rscheinullgen und nu t teilweise anch die chemischell Ilnd physikalisch-eilergetischen nebst ih~ en fullktionalen oder gesetzlnaBigen Beziehuilgen zu den Inorphologischen; wiihrend der Physiologe sowohl die Ino~pho- logmchen Erschelnullgen, derei1 Kellntnis er grbBtenteils dem Anatolnen verdallkt, als anch die chemischen Ilnd physlkal isch- energetischen Erscheinnngen und alle ihre funkt ionalen Zusalnlneil- hange** behandelt , um so zu einer allschaulichen Vorstel lung oder Theorie des Lebens des gesalnteil Organislnus, iln besonderen des Menschen, und seiner gr6/3eren und kleinerell Tefie zu gelangen. I)azu ist freilich zu belnerkell, dab der A n a t o m nicht seltell auch bei der 13earbeitung solcher Problelne, die nur bei grfindlicher gleichzeltiger lBeriicksichtignng der Inorphologisehen, chemischell uild physlka- lisch-ellergetischen Erscheinungen und ihrer Iunkt ionalen Zusaln- Inenhailge sachvers tandig behandelt werden konnen, m einseitiger SVeise vorwiegend nur die Inorphologischen Erscheinungen in Rechnung zieht. Das ist dann ein Verstol3 gegen das allein zulassige wissenseha]tliehe 5 Verfahreil .

Arts deln Gesagtell folgt, dab der Medlziner znlli~chst in der Anatolnie soweit ansgebildet werden Inul3, wie es fflr das Ver- stglldnis der gesalnten menschlichei1 Physmlogie erforderlich ist, ehe er sich Init der letzteren grfindlich beschaft igen kann. DaB seine Belas tung Init anatolnischeln Stoff hallfig zu welt geM, darill stilnlne ich BETHE elltsehieden zu. Nun b rauch t freilich der Arzt fiir seine prakt ische T~tigkeit (Chirurgie u. a.) such lloch gewisse anatolnische Kenntnisse, die It~r das Versti indnis der Fhysiologie nicht ben6tigt werden. Diese verschaff t er sich aber wohl besser spitter, wenn er sie anzuwellldell ha t (Operat ionskurs u. a.). Die- jenigen ana tomischen Kenlltnisse uild Erkenntnisse , die der Physiologe bei seillen H0re rn voranssetzen Inul3, sowie die sie i ibermit telnden Vorlesungell und Prakt ika bezeichne ich iln fol- gendell kurz als die ,,ffrundleffenden".

Dalnit kolnme ich zu der F~ age eines zwecklnaBigen zeitlichen Zusalnlnenhanges des anatomischen ulld physiologisehen Unter- ~ichtes. I n dieseln Punk te wird, w~e es scheint, zielnlich allgelnein ganz elementarell Notwendigkei ten nicht genfigt. Wenn oben gesagt wurde, dal3 eine gute Ansbi ldung in Anatolnie eine der unerlaBlichen u Iflr eine solche in der Physiolog~e sei, so soll das heiBen, dab der Studierende alle grundlegenden

* Das ilbersieht PETERSEN, wenn er meint, dab der Anatom dae Physmlogm des Menschen zu lehren ohne weiteres imstande sei, wahrend er doch nut emige Bruch- stticke hefern kann. ** Dazu gesellen sich dann noch, w~e oben erwahnt wurde, die psychischen Erschemungen und ihre Zusammenhange mitereinander und mit den physischen Erscheinungen.

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anatomisehen Vorlesunge~ usw. gehdrt habe~ mu/3, sobald er mit den Vorlesungen i~ber Physiologie beginnt.

Den ersten (vegetativen) Tell der Physiologie des Menschen horen die Mediziner in der Regel in ih rem dr i t ten Semester*, was Inir am zwecklnaBigsten erscheint, uild zu dieser Zeit sollten sie daher auch die ganzeil Grundlageil der Inakroskopischen uild mikroskopischen Anatolnie besitzen. 1)as iat nun leider keineswegs der tPa~Z. Und yon anatolniseher Seite ist Inir eingewelldet worden, dab dies wegen der s ta rken Belastung der beiden ersten Semester** nicht In6glich sei, wozu feriler geltend gelnacht wurde, dab die Studellten in dieser Zeit nicht soviel Anatolnie genieBen woll ten und k6ilnten. Diesen Verhgltnissen mfisse sieh der physiologische Unter r ich t eben anpassen. Deln ist aber die Ineilles Erach tens un- bedingte Forderung entgegenzustellen, dab der Unter r ieh t in den t t i l fsfgchern der Physiologie so angeordnet werden InuB, dal3 das oben bezeichnete ti~ndziel des vorMinischen Unterr ichts , n~inlich eine In6glichst gute Ausbi ldung in der Physiologie des Menschen, erreicht werdell kann. Lind dazu inuB, wenn nicht noch weiter- geheilde 131ngestaltungell des vorklinischen Unterr ichtes s ta t t f in- den***, die Physiologie iln dr i t ten und vier ten Semester gehor t wet- den und nieht etwa erst iln vier ten nnd ffinften. Denll erstens fangt die arztliehe ~r schon erheblich vor SchluB des ftinften Semesters an, so dab die physiologischen Worlesungen, ftir deren grol3en and mallnigfalt igen Stoff zwei Semester schon rech t wellig sind, nieht eilllnal bis zu Ende gehor t werden kOnntell. Und~zwei- tens InuB der Mediziner iln fflnften~Selllester die MOglichkeit haben, diesen groBell Stoff der Physiologie auf der Grundlage desjeiligen der Hilfsf~cher noch einlnal iln Zusalnmenhal lg grfindlich durchzu- arbei ten und zu verdauen; nebell verschiedeneln anderen, wozu dieses fullfte Semester zu diellen hat .

\~:eshalb k6ilnell null die Anatolnen Init ihren grnlldlegenden Vorlesuilgen in den beiden ersten Selnesterll llicht fertig werden und wie denken sie sich die Aiipassung des physiologischell Unter- richtes an diesen Ulns tand? Die erste dieser Fragell wird, wie schon gesagt, so beantwortef , dab die beiden ersten Semester schon so viel Zeit liar Chelnie, Physik, Zoologie und ]3otallik beai lspruch- ten, dal3 zur Aufnahrne aller grundlegendeil anatolnischen Vor- lesuilgen nicht mehr genug Zeit fibrigbleibe. Deshalb ha t m a n hier in GOttmlgen z .B . auch das chelnische Prakt ikuln, das Ineines Erachteils in das zweite oder spgtestens in das dr i t te Semester gehbrte, sogar in das vierte Semester verschobell. Es ist also noch das Dogma u dab der vorklillische Studienplan so, wie er iln weseiltlichell seit Dezennien ist, llicht besserungsbedfir i t ig llnd bessernilgsfahig sei. Und den I~hysiologen wird dann im Be- a n t w o r t u n g der zweitell der oben gellanntell F ragen gesagt, es mtisse elltweder ant einell syste lnat ischen Aufbau des anatolnisch- physiologischen Unterr iehtes verzichtet werden oder die l~hysiologie konlle ebeil erst iln vierten Semester beglnilell. Den ersten ,,Aus- weg" halte ich aus den frflher al lgefuhrten Grfinden ffir nndiskutabe l und die UnzwecklngBigkeit des zweiten Vorsehlages babe ich eben- falls schon oben besprochen.

Solnit ergibt sich, dab als wlrklicher Ausweg nur eine grflnd- liche Ulngesta l tung des vorklinisehell Stndienganges flbrigbleibt, die auch aus anderen Grflnden Ilotwelldlg ist. Und eine solche den vor- handenen Bedfirfllissen entsprechende Ulngestaltullg scheillt Inir durchaus nicht schwierig zu sein. Sehen wir yon einer sparer (S. I~9. ) lloch zu behandelnden M6ghchkeit zun~ehst ab, so komln t ftlr den bezeichlleten Zweck anBer der angeft ihrten Korrektion der zeitliehen Verh~ltnisse des anatomiachen und physiologiaehen Unter- richt8 die schon offers eror ter te ~ n d e r u n g in der Auswahl und Be- grenzung des anatomisehen Lehrstoffes in t3etracht, ferner eine ebensolche ffir dell cherniseher~ und physikalisehen Unte r r i ch t und endlich die scholl oft gewfinschte erhebliehe Beschrdnkung der Stof/- menge der zoologischen und botanische~b \ rorlesungen, vielleicht zu- gleich Init einer zeitgichen Verlegung der letzteren.

Die erforderlichell Er lau te rnngen zu allen diesen P u n k t e n be- giilnen wir am besten Init den letzten, also Init der Zoologie nnd Botanilc, I n dieseln Punk te s t i lnme ich im weselltlichen der yon

* Gleichzeitig wird auch der ersteTefl der ehemisehen Physiologie gehbrt, die hierin G6ttingen in emer zweisemestrigen je zwelstundlgen Vorlestmg chemische Erganzungen zu der zweisemestrigen Vorlesung fiber ,,Physiologie des Menschen" brmgt. Die genannte zeithche Anordnung gilt auch f fir den Fall, dab der ganze Stoff der Physmlogie in anderer Weise auf Dozenten und Vorlesungen verteilt wird. ** Aul3er der Anatomm noch dureh Chemie, Physik, Zoologle und Botamk.

*** Siehe hmrzu S. x~9.

1 2 8 I i L I N I S C H E ~ r O C H E N S C J A I I I F T . 9. J A H R G A N G . N r . 3 ~8. JANUAR~93o

] ~ E T ~ (1. C.) gexuBer ten Ans i ch t zu. W e n n yon d e m Mediziner eine je Ifinfsti~ndige Vor le sung fiber Zoologie u n d B o t a n i k geho r t we rden muB, sei es in den be~den e rs ten S e m e s t e r n oder sparer , so ist das ein al ter Zopf, der n u n e n d h e h a b g e s c h n i t t e n werden soll te* Hter is t ve rsch iedener E r s a t z denkba r . Das Nachs t l i egende wttre, dab s chon auf allen h0he ren Schuten start vielen unJrtwhtbaren Bal- lastes den Schffiern ein dera r t iger Einbl ick in diese be iden Wissens - gebiete ve r scha f f t wfirde, dab sie bei e iner zugleich s t a rke r en IBc- t o n u n g phys io log ischer G e s i c h t s p u n k t e u n d mensch l i ch - ana - t omi sche r K e n n t m s s e eine ffir alle Lebens l agen no twend ige bio- logische Grund lage gew~nnen. Das gilt s u c h fgr alle d ie jenigen Schfiler, die s ich spa t e r m c h t d e m a k a d e m i s c h e n S t u d i u m widmen , a n d u n t e r den S tud ie r enden ebenso fftr den Theologen, Ju r i s t en , Phi lo logen usw. wie ffir den l~Iedizzner. Der le tz tere b r a u c h t d a n n nu r noch ein kleines Erganzungsko l l eg t~ber Zoologie u n d 13otanik, das in i rgende inem Semester . wo ge rade Zeit ~st. gehOrt werden kann . Er e rhx l t ja auch in den a n a t o m i s c h e n u n d phys io log ischen Vor lesungen u n d ~Jbungen noch we~tere E m b l i c k e in die Gebtete der Zoologie u n d Bo tan ik . Gew~B g i b t e s da rube r h inaus noeh un- endl ich viel in der Zoologie u n d Bo tan ik , wie auch an/allen anderen Gebieten des Wissens und des Lebens, w o r a n s ieh ]eder Mediziner , wm s u c h jeder andere S tudierende , u b e r h a u p t leder Menseh, er- b a u e n kann . Aber wir infissen n u n e inmal s u c h bei der ~rzt l ichen Ausb i ldung , wie fiberall, das Wesentliche v o m U~rwesentliche~ un te r - s che iden u n d dafter sorgen, dab jenes m c h t du rch dieses bee in t rach- t i g t werde. U n d da unse re hohe ren Schulen ih ren Ab i tu r i en t en g rbg ten te i l s keme genugende biologische Grund lage mi tgeben , wie t~berhaupt das Wesentliche an Kenntnisse~, ~ch~dung, Anregungen und so~tstigen erziehlichen Maflnah.men h~er d u r c h Unwesen t l i ches seh r s t a r k b e s c h r ~ n k t wird, so muB das yon den Schulen h o f f e n t h c h n i ch t m e h r zu lange V e r s a u m t e vor lauf ig im S t ud i engang des Me- diziners n a c h g e h o l t werden . Dazu genhgen aber, wm gesagt , kleine u uber Zoologie u n d B o t a n i k oder eine z u s a m m e n f a s - s ende Vor lesung fiber ,,Biologie", mi t besondere r Ber t i eks ich t igung einiger ffir den Mediziner w m h t i g e n Spezial i ta ten. Daft i r wXre wahr sche in l i ch in den beiden e r s t en S emes t e rn noch Pla tz . Sollte da s n ich t zut ref fen , so k 6 n n t e n solche Vor lesungen in i rgende inem sp~ te ren vork l in i schen Semes te r gehbr t werden ~nd die Mediziner rai iBten bis d a h i n m i t der me i s t ens allzu besche idenen zoologisch- b o t a n i s c h e n Grundlage , die sie yon der Schule mi tb r ingen , auszu- k o m m e n suchen .

Die fi~r den chemischen U n t e r r i c h t des VorMinikers erforderl iche Zei t k 6 n n t e ebenfal ls d u t c h A b s t o B u n g Ifir den Mediziner u n w e s e n t - l icher Teile t ro tz s t a rke re r B e t o n u n g des W e s e n t l i c h e n zweifellos n o c h merMich gekt~rzt werden** , t~ekannt l i ch 1st schon oft der W u n s c h geauBer t worden , dab f fir den Mediz iner eine se inen Be- di~rfnissen besonders angepaBte Vor le sung fiber Chenue geha l t en werde. U n d im Z u s a m m e n h a n g d a m i t i s t s chon frt iher u n d s u c h n e u e r d i n g s wieder die F rage e r6r te r t worden , ob dieser U n t e r r i c h t v o m ,,Fachvertreter" der Chemie in der naturwlssenschaJtlichet~ Fa - kul tXt oder von e inem e h e m i s e h besonders ausgeb i lde ten Mitgl ied der med iz in i s chen F a k u l t a t er tei l t we rden solle. Frf iher s p r a c h m a n y o n d e m ,,medizinischen Che~niker", h e u t z u t a g e k a m e der ,,physiolo- gische C[~emiker'" oder ,,chemische Physiologe'" in Be t r ach t . Selbst- v e r s t a n d l i c h wkre z u n a c h s t n u r eine pr inzipiel le E n t s c h e i d u n g zu t re i fen , da h~er, ebenso wie bei der Zoologie u n d tBotanik, neben den s a c h h c h e n G e s i c h t s p u n k t e n s u c h pers6nl iche berf icks icht ig t werden mitssen. E ine prmz~pielle sachl iche E n t s c h e i d u n g aber k a n n meines E r a c h t e n s n u r z u g u n s t e n des chemischen Physiologen fallen, der wie kern ande re r well3, welches chemische R~istzeug z u m V e r s t a n d n i s der LebensvorgXnge benOtigt wird. Gegen diese A u f f a s s u n g sche in t be sonde r s bei den K l i n i ke rn eme Abne~gung zu bes t ehen , din, wie ieh v e r m u t e , haup t sXchl ich einer u n k l a r e n Vors te l lung yon , .Exakt- heir" u n d ,,Wissen,cha]tlichkeit" en t sp r i ng t . D a z u is t Io lgendes zu s agen : \Vir k 6 n n e n heu t e u n t e r den , ,C hemi ke rn" eine gr6gere A n z a h l ve r sch tedener G r u p p e n un te r sche iden , yon denen n u r die ,,anorganischen", dm ,,organischen ", die ,,physikalischen", die ,,Kolloid-Chemiher", die ,,physiologische~'" (Biochemiker , chemi- s chen Physio logen) , die ,,pharmazeutlsche~" u n d die ,,technlschen" g e n a n n t seien. J ede r yon d iesen C h e m i k e r n muB so wel t e x a k t ge- s chu l t sein, dab er die ganze Chemie genf igend zu u b e r s c h a n e n ver-

* D~esen sachhchen Forderungen durien die zunachst gewlB zu beachtenden persbn- hchen Rucksichten auf d~e Dauer nlcht im Wege stehen. ** S~ehe hierzu such S. ~5f-

mag , wXhrend er Spezialsachverst~indiger n u r au f s e in em engeren Gebiete ist. Die E x a k t h e i t a n d die Wis senscha f t l i ch k e i t dieser ver- sch iedenen G r u p p e n y o n C h e m l k e r n pr inzipiel l ve r sch ieden zu wer ten , w~re doch sehr bedenkl ich . U n d n u n gerade die vorwiegend mi t d e m U n t e r r i c h t der Mediz iner b e t r a u t e n , ,Anorgan ike r " oder , ,O rgamker " , die die Bedf i r fn isse ' dieser S t u d i e r e n d e n d u r c h a u s n i ch t a m b e s t e n k e n n e n u n d ber f icks icht lgen kbnnen , g le iehwohl ~fir ihre gee igne t s t en Lehre r zu ha l t en , i s t wen ig sachve r s t~nd ig . Fiir den k i inf t lgen Arz t k o m m t es da r au f an, dab i h m das Ifir i h n Wesentlic~e aus der Chemie so be igebrach t wird, dab er es spa re r

in der Phys lo logm und Pa tho log ie gu t anwenden k an n , u n d dieses E rgebn i s wird der chemische Phys io loge g r u n d s ~ t z h c h a m b es t en erzielen. ~ ' e r darf iber h inaus , e twa zu Fo r schungszwecken , n o ch ~nehr Chemie b r auch t , wlrd s ich d a n n we i t e r e K e n n t n i s s e le icht h i n z u z u e r w e r b e n in der Lage sein. Es b r a u c h t wohl k a u m be- m e r k t zu werden , dab ein chemlsche r Phys io loge oder Blo- chemzker in der na tu rw i s senscha f t I i chen Fakul tXt ebenso gee ignet fiir den c h e m l s c h e n U n t e r r i c h t des Mediziners sein k a n n wie e in Mitgl ied der medizi.nischen F a k u l t a t . Fflr den Tall, dab die Be- l a s t u n g fur den c h e m i s c h e n Phys lo logen zu grog wfirde, k Sn n t e s e l b s t v e r s t ~ n d h c h auch eln andere r b iochemiseh gent~gend vor- gebi lde ter u n d dm Bedi i r fnisse des Mediziners genf igend beriick- s i ch t igender Dozen t den g r u n d l e g e n d e n ehemlsch en U n t e r r i c h t der k i inf t lgen ] i rz te i~bernehmen.

I n m a n c h e n P u n k t e n Nhnl iches wie fur den vork l in i schen U n t e r - r i ch t in der Chemie gilt s u c h ft'lr den in der Phvsik. Hier is t e in Un te r sch ied aber insofern zu m~chen , als n i ch t e twa der , ,phys i - ka l i sche" Phys io loge fur den g rund l egenden phys ika l i s chen U n t e r - r ich t in B e t r a c h t k~me, aus ve r sch iedenen Gr imden , die wohl n i c h t g e n a n n t zu werden b rauchen . Abe t eme bessere qua l i t a t ive u n d q u a n t i t a t i v e A n p a s s u n g dieses U n t e r r i c h t s an die Bedfirfnisse der Mediziner is t gewiB m den a l l e rmeis ten FMlen sehr wf inschenswer t .

U m endl ich noch e inma l auf die Anatomie z u r ~ c k z u k o m m e n , so wird es sicher m b g h c h sein, das Grundlegende ihres g e s a m t e n Er - k e n n t m s s t o f f e s in den beiden e rs ten Semes t e rn zu bewal t igen, w e n n drei F o r d e r u n g e n aus re ichend erffillt we rden . W e n n n a m l i c h e r s tens dze Vor l e sungen fiber Zoologm, ]3otanik, Chemie u n d P h y s i k in der a n g e f u h r t e n Weise m e h r R a u m lassen Ms b i sher ; w e n n zwei tens die G e s t a l t u n g des a n a t o m i s c h e n U n t e r r i c h t s in der Ar t erfolgt , wie sie s ich aus der Aussp rache* der H e r r e n BETH,:, F~CK, GOLD- STEIn, GOeP~RT u n d PETERSBN erg ib t ; u n d w e n n dr i t t ens , im Zu- s a m m e n h a n g m i t der zwei ten Fo rde rung , der a n a t o m i s c h e U n t e r - n c h t d u t c h W e g l a s s u n g yon t r o c k e n e m Ba l l a s t u n d d u t c h eine ge- nf igend s t a rke H e r a n z i e h u n g phys io log ischer G e s i c h t s p u n k t e so s c h m a c k h a f t g e m a e h t wird, dab s u c h bei e iner a u s g e d e h n t e r e n B e s c h a f t i g u n g m i t d iesem F a c h keine f Jbe r s~ t t igu~g der S t u d e n t e n e in t r i t t . E s moge hier da r au f h ingewiesen werden , dab j a a u c h der grol3e Stoff der Phys io logie in zwei Semes t e rn a u f g e n o m m e n werd en m u g . Von der gegense i t igen F t l h l u n g n a h m e der Ver t r e t e r der ver- s ch iedenen U n t e r r i c h t s f a c h e r wird S.z29 die IRede sein.

"vVenn das oben beze ichne te Endzie l des vork l in i schen U n t e r - r ich tes mSgl ichs t g u t e r re icht we rden soil, so mi i ssen gewisse schon self lXngerer Zelt lm Gang bef indl iche N n d e r u n g e n der Tech~ik des U n t e r r i c h t s noch wet tere Fo r t s ch r i t t e m a c h e n . Es mf issen alle Vor- l e sungen moglzchs t yon , ,Ba l l a s t " befrei t u n d die d a d u r c h gewon- nene Zeit e inersei ts f ramer noch m e h r zur F o r d e r n n g der Ansehauung d u r c h D e m o n s t r a t i o n e n . Versuche u n d p r ak t i s ch e O b u n g e n ver- w e n d e t werden , andererse i t s zur r e i chhcheren K o m b i n a t m n der , , r e inen" Vor l e sungen m i t Kolloq.uien. D u t c h all das werden dm S t u d e n t e n e inersei ts geno t ig t u n d angelel te t , sich dar.~tber Rechen- schaft abzulegen, ob sie au f d e m n c h t l g e n Wege sind, u m die S. I25. au fges te l l t en ffinf F o r d e r u n g e n zu erfflllen, u n d andererse i t s werden sie au f dmse W'eise in gr6Berem AusmaBe, als dies j e tz t i m all- g e m e i n e n der Fall ist, die Fre~den einer produktiven Ta t ig k e i t k e n n e n l e r n e n u n d ihrer a n s p o r n e n d e n W i r k u n g auf das rezeptiv- wissenschaf t l i che S t u d i u m te i lha i t ig werden** .

I[~ber den sehr in der E n t w i e k l u n g begr i f i enen phys4ologischer~ U n t e r r i c h t m u g m h a u c h einige ]3emerkungen m a c h e n . D a r a u f sei n u r noch e inma l kurz hmgewiesen , dab vie l le icht y o n m a n c h e n Ver- t r e t e rn der Physiologie in den Vor l e sungen ffir Mediziner die menseh-

* Smhe S. I25, Anm. *. ** In dleser Hiusieht sollen dm gute• unter den amerikanischen Unlversitaten un~ welt voraus seln.

zs JANUAR 193o I < L I N I S C H E \ V O C t t E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N ( ; . N r . 3 1 2 9

liehe Physiologie inehr be r~cks ich t ig t werdei1 dfirfte, wovon a u c h Ps (I. C.) spr icht , Das wfirde d u r c h elne regere Ff ih lung- l l ahme der Phys io logen m i t den P a t h o l o g e n u n d Kli l l ikern seh r zn s sein, ffir die a u c h GOLDSTEZN (1. C.) e in t r i t t . Au f die viel e r6 r te r t e Frage , wie m a n das Verha l tn i s der chemi schen Physio logie zu r phys~kal i sch-psychologischen a m bes t en ges ta l te t , gehe ich hier n i ch t eill. \Vohl aber h a k e ich es ffir wf inschenswer t , der Bezie- h u n g e n der Physio logie zur Psychologle zu gedenken . M~r s c h e m t die Frage, ob der Physiologc d e m Mediziner (tie G r u n d z u g e der (beschre ibend-ana ly t i sche l l u n d e x p e n m e n t e l l e n ) Psyctwlogie bei- b r m g e n so11, was neue rd ings GOLDSTEIN beffirwortet , sehr e iner g r 6 r t e r u n g wer t urld bedfirf t ig. Das ist bei Gelegenhei t der Phys io - logie der Sinue u n d des Grol3hirns m6glich, die m a n meines Er- achte l l s f l be rhaup t nicht ordentlich lehren kanll, ohlle eine gu te psycho log i sche Grund lage zu besitzell . D~ese sche in t m i r aber den Phys io logen ill der Regel zu fehlen. Sie w~tre Sache des Ver- t r e t e r s der , , phys ika i i schen" oder , , a m m a l e n " Physiolog~e, der ffir se ine eigene psycholog i sche A u s b i l d u n g re~chlich Zest gewinnen wiirde, wenn m a n inch endl ich dazu entschlcil3e, auch hier das Un- wesent l iehe h in t e r das Wesen t l i che zurf ickzuste l len u n d den Aus - b i l d u n g s g a n g des Physiologen yon d e m des prcd'tischen Arztes zu trennen, worau f schon obell h ingewiesen wurde. Das ist aber ein Kap~tel Itlr sich, das hier n i ch t wei ter behande l t werdell soll. U m tier Psychologie in der Vorlesullg f~ber phys ika l i sche (animale) Physio logie geni igend R a u m zu gew~hren, mia/3te die Arbe~ts te i lung zw~schen d e m Lehre r der le tz te ren und d e m der chemi schen Phys io- logie m6gl i chs t zweckmaBig d u r c h g e f u h r t Werden. Das er forder t abe r die engs te F f i h l u n g n a h m e zwischen den Ver t r e t e rn der phys i - ka l i sch-psycho log i schen Physio logie u n d der chemi schen Phys io - logm, die d a n n auch in v o l l k o m m e n e r e m Grade, als es j e t z t infolge tier im FluI3 bef indl ichen Zwei te i lung der Physiologie der Fall zu se in pflegt , das oben beze ichne te Endergebnis des vorkllnischen Unter- richtes zeitigell mfil3te: n~ml ich eine moglichst einheitliche, geschlos- sene, gr,~ndliche, .t'~r den Gebraueh in tier Pathologie und arztlichen Praxis gee2gnete physiologischv Ausbildu,tg der S tud ie renden .

H~er seien noch ein p a a r W o r t e fiber das V e r h M t m s der Physio ~ logie zur ,,Enlwickl.ungsgeschichte" oder besser ,,Entwicklung~- "u, issenschaft" angef~igt. Diese wird yon dell Phys io logen lelder \ i e l zu wellig bea rbe i t e t u n d vorwiegend yon MorphologeI1 in einer eml- se i t ig morpho log i schen \Veise behande l t , w~hrend doch das P r o b l e m der E n t w i c k l u n g ein physiologisches i s t u n d dahe r a u c h eine che- mische nnd physikalisch-energetische* Seite ha t , w e n n wi t ro l l der psycho log i schen e inma l absehen . Auch die du rch das W o r t , ,Ent~ wicklungsmechanik" beze ichnete F o r s c h u n g s r i c h t u n g berf icksich- h g t die chemische u n d phys ika l i sch-e l le rge t i sche Seite n i ch t gendgend . VVenn dahe r die Vor lesungen fiber Entwicklu l lg , be- sonde r s des Menschen , vollsta~adig bei den Morpho logen verbte~ben, bo muf3 ve r / ang t werdell , dab von i hnen auI d iesem Gebiete a u c h die c h e m i s c h e n u n d t~bysikal isch-energet ischel l L e b e n s e r s c h e i n u n g e n llnd ihre f u n k t i o n a l e n B ez i ehungen zu den morpho log i schen inehr

b e a c h t e t werden. Und dasse lbe grit d a n n a u c h fur die Vererbungs- physiolog,le, die einschlieBlich derEugenik (Rassellhygielle) a m b es t en in elner Vor lesu~g uber Fortp]lanzung, Entwichdung ~tnd Vererbung gelehr t warde . E ine besondere Vor l e sung fiber , ,Erbbiologie" , die neuerdi l lgs empfoh l en wurde , wfirde d a m l t hillfMlig. W e n n die Vor lesung der Analomen uber ,,Entwicklullgsgesehichte" in dieser "Weise bere icher t wfirde, so ware das e in groBer Gewinn . Wa l ln sie zu horen ware, wurde a u c h yon dell noch zu b e h a n d e l n d e n zei t l ichen Ve rh~ l tmssen der a rz t l i chen Vorpr f i fung a b h a n g e n .

Aus der v o r g e t r a g e n e n B e u r t e i l u n g des v o r k l i m s c h e n Uil ter- r i ch t s e rg ib t sich a u c h eine bes t~mmte Ei l l s te l lung zu der im FluB b e h n d l i e h e n F rage der Zweiteilung der ~rztlichen Vorpri'@u~g. U n d zwar m u g ich mich aufs entschie~denste dagegen aussp rechen , dab e twa nach den e r s t e n , S e m e s t e r n Chemie. Phys ik , Zoologie u n d B o t a n i k geprt i f t werde ulld 3 Semlester spa re r Anatomie z~gleich mit Physiologie. D e n n die o t l enba ren Vorteile, die eine Zwei te i lung der P ru lu l lg brachte , w u r d e n reichl ich u b e r k o m p e l l s m r t d u r c h den f u n d a m e n t a l e n Nachtei l , dal3 d a n n die oben ver langte , d e m S t n d i u m der Phys io logie voram~eehende gi l lnd legende a n a t o m i s e h e Ausb i l - d u n g der S tuden te l l aufs schwers t e ge fah rde t ware. U m zu zeigen, wie m a n e twa die bekan l l t en u der Zweite~lullg der Vor- prfifnl lg ohne lhre Nachte i le erzielen kdnn te , m o c h t e ich n u r zwei M6gl ichkei ten zur E r 6 r t e r u n g stel len, m l t deren e rs te r ich frei l ich wohl das MiBfallen me ine r a n a t o m i s c h e n Kol legen erregell werde: E n t w e d e r l lach d e m zweiten Semes te r Prfiful lg ill Chelnie, P h y s i k u n d dell g ru l ld legenden Tei len der A n a t o m i e ( sys t ema t i s che A n a t o m i e und Hlstologie), und drei Semes t e r sparer : Physio logie (physikal ische, psychologlsche ulld ehemlsche Physiologie) , E n t - wick lungs lehre (einschliel3hch Vererbung) m id das Erforder l iche aus d e m Cebie t der Zoologie ulld Bota/mk, Oder es k 6 n n t e e twa die ers te der g e n a n n t e n Prfifungell , a b e t d a n n einschliel31ich E n t w i c k - lungslehre , Zoologie und Bo tan ik , a m E n d e des dritten Semes te r s u n d die zweite Pr i i fung (also die physiologische) zwei Semes te r d a n a c h s t a t t f i nden . Danr~ m.uflten abet, u m der S. 126 f. beze lchne ten Bee in t rAch t igung der physiologischen A u s b i l d u n g vorzubeugen , die physiologischel l Vor l e sungen in die I1/2 oder I.~/4 Semester , die auf die ers te Pr t l fung folgten, zusammengedri~ngt werden. Das hefl3t : der phys io logische U n t e r r i c h t wurde ers t im vierto~ Sem es t e r b e g i n n e n u n d bald n a c h der Mitte des ]i~nJten Semes te r s s chon se inen AbschluB findell, u n d e s mfiBten i h m inne rh a lb dieser Zeit m i n d e s t e n s ebellSO viele S t u n d e n g e w i d m e t werden , wie es b l she r m 2 vol len S e m e s t e r n der Fal l war . GewiB waren au ch noch andere L S s u n g s v e r s u c h e dieses P rob l ems zu erwagen.

Dieser gallze K o m p l e x yon F r a g e n lmi~Bte ba ld igs t in emer A u s s p r a c h e zwischen vorur te i l s losen S a e h v e r s t a n d l g e n gr t indl ich b e h a n d e l t werden .

Literatur: i E. LIEK. Der Arzt und seine Sendung. 6. Aufl. Munehen 1927. -- It. 1< O. HAI3t~lZLAND, Dtsch. reed, Wsehr. ~$, 254 (I9~9). -- ~ I-I, PETEIISEN

Z..,H~ppokrates" 2, 86 (1929). -- * Siehe hleruber P. JENSEN, Leben; Handworterbuch der Naturw~ssensehaften 6, 65 ft. Jena iqI2. - ~ Siehe hlertiber P, JENSEN, Universitat und Bfldungsideal. 13erhn ~928, S. 12.

REFERATENTEIL. EINZELREFERATE UND BUCHBESPRECHUNGEN.

ALLGEMEINES. 0 Der Kliniker Christian Friedrich Nasse "r778~ 1851. Von W. vo~ NOOIRDEN. Mit e inem Vorwor t v, P. K R A U S E . (Arb. z. K e n n t - his d. Gesch ich te d. Med. im t~heinland u. in Wes t f a l en H. 3-) 3 Tar. 99 S. J ena : G u s t a v F i scher 192g. 5 ~Reichsmark,

Die Biographie s t f i tz t s ich z u m groBen Tell an f unve rb f f en t l i ch t e Quellell u n d au f die \ u NaSs~s , die a u c h in e inem Verzeichnis z u s a m m e n g e s t e l l t stud, u n d en twi r f t n i cb t n u r ein lebensvol les t3ild des Menschen , Arz tes u n d Forschers , der d e m Mediz inhmtor iker vor a l l em d u r c h seine phys io log ischen Studien, d u t c h seine B e d e u t u n g als vorbi ld l icher Kl imker , der als einer der e r s ten in D e u t s c h l a n d die Auscu l t a t i on u n d Pe rkuss ion u n d die I~ontrolle d u r c h die A u t o p - sie einffihrte, d u r c h seine bah l lb rechende S te l lung in der Gesch ich te de r P s y c h l a t r i e bekan l l t ist, sonde rn f i igt d e m B e k a n n t e n Inanchen neuen Zug yon h i s t o r i s c h e m In te resse zm So lernen wlr z. B, in NASSE eillen V o r a h n e r der Sero therap ie u n d m a n c h e r ande ren moder - hen A n s c h a u u n g kennen . Dazu k o m m t als Vorzug eme reizvolle

* Siehe hierhber S. 127.

Klinisehe Wochenschritt, 9. Jahrg.

Sch i lde rung des Milieus, der A n f a n g e der t3onner Univers i tXt u n d der ~ lbergangsze l t yon de r n a t u r p h i l o s o p h i s c h e n zur l l a tu rwissen- scha f t l i chen lXledizin. Man k a n n die Lekt f i re n u t empfeh len .

DIEPOEN, Fre iburg /Br .

O Untersuchungen zu Galens Sehrift Thrasybulos. Von L. E N G - L E N T . (S tud ien z. Gesch ich te d. Med. Hrsg . v. K. S U D H O F F u. H. E. S I G E R I S T . H. 18.) lO 3 S. Leipz ig : J o h a n n A m b r o s i u s B a r t h 192 9. I6 Re i chsmark .

Die TttRASYt3ULOS gewidme te Schrifft GAL~XS bezweckt die end- giil t lge E n t s c h e i d u n g der St re i t f rage , ob die H y g i e n e den Jl_rzten oder den G y m n a s t e n geh0r t , u n t e r denen er die T ra in e r der A th l c t en ve r s t eh t . /~ine au f den e rs ten Blick rein theo re t i s che Er- o r t e r u n g tiber die Begnf fe der Hyg iene , Ia t r ik , G y m n a s t i k yon s t a rk s p e k u l a t i v e m ulld meml ich t rockenern Cha rak t e r , in des Verf. gh tnzender , phflologisch, ph i losophisch u n d h i s t o n s c h d u rch - a rbe i t e te r I n t e r p r e t a t i o n , aber ein Sti ick v o m ak tue l l s t en , lebendigen In te resse , em Bdd eines K a m p f e s zwischen pseudogrz t l i chen u n d arz t l ichen S t r ebungen , das 111 v ie lem an m o d e r n e Verha l tn i s se er- inner t , m i t g u t begr f inde ten neuen A u f f a s s u n g e n u n d wer tvol le r