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Lois Craffonara ZUR STELLUNG DER SELLAMUND- ARTEN IM ROMANISCHEN SPRACH RAUM*) I. Sellainundarten - Friaulisch - Venezianisch Vokalismus Abkürzungen: AP AI Plan de Maro/St. Vigil in Enneberg SM San Martin de Tor/St. Martin in Thum (mittleres Gadertal) LI La Ila/Stern (oberes Gadertal) UR Urtijei/St. Ulrich (Groden) RE Reba/Arabba (Buchenstein) CC Cianacéi/Canazei (oberes Fassatal) NB. Die Ortsnamen der Sellatäler sind in der Gadertaler Graphie wiedergegeben, die Ortsnamen Friauls in der Graphie der Societät Filologiche Furlane (SFF). 1.1. Ziel und Methode Vom Dolomiten-Bergmassiv des Sella-Stockes gehen sternförmig nach vier Richtungen die ladinischen (1) Täler aus: Buchenstein (Fodöm), das Fassatal (Val de Fascia), Groden (Gher- dina) und das Abtei- oder Gadertal (Val Bada) mit dem Seitental Enneberg (Maro), das wegen der Bedeutung seiner Mundart eigens erwähnt werden muß (2). Die in diesen Tälern gesprochenen ladinischen Idiome, die sogenannten Sella-Mundarten, werden - wie allgemein bekannt ist - von den meisten Romanisten (3) einer größeren, innerhalb des romanischen Sprachraumes selbständigen Sprachlandschaft zugeordnet, die gemeinhin mit dem Namen »Raetoromania« (4) bezeichnet wird. Gegen eine sprachliche Einheit und Eigenständigkeit dieses Gebietes, das - grob gesprochen - vom Gotthard über die Alpenkette und die friauli- sche Ebene bis zur Adria angenommen wird, haben sich hauptsächlich mehrere italienische Wissenschaftler ausgesprochen; sie leugnen vor allem die Eigenständigkeit des Rätoromani¬ schen innerhalb der Romnia, aber auch seine innere Einheit ($")• *) Erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten im Dezember 1973 an der Universität Regensburg, auf freundliche Hinladung von Univ.-Prof. Dr. Ludwig Söll ( j- ). 1) Es wird oft behauptet, der Ausdruck ladinisch sei nur im Engadin und im mittleren Gadertal hei¬ misch gewesen und erst durch die Sprachwissen¬ schaft weiter ausgedehnt worden. Vgl. Th. Gärt¬ ner: Raetoromanische Grammatik, Heilbronn 1883, S. XX; C. Tagliavini: Le origini delle lingue neolatine, Bologna 1962 3 , S. 319; G.B. Pellegrini: Saggi sul ladino dolomitico e sul friulano, Bari 1972, S. 167; H. Schmid in »Annalas da la Societ Retorumantscha« LXXXIX (1976), S. 8, u.a.m. Das trifft aber für unser Gebiet nicht zu. F. Ghetta schreibt in seinem Buch: La Valle di Fassa nelle Dolomiti, Trento 1974, S. 304: »Lo troviamo invece in documenti molto antichi, cio fino dal 1298 per indicare la colonia ladino- fassana di Nova Levante chiamata fino da allora Nova Latina o Nova Ladina. 1 documenti di Fassa fino alla fine del secolo XVIII hanno sempre Nova Ladina e nel Bellunese al passo di Carezza si dava il nome di passo di Ladinia [so noch 1607 G. Piloni], (...) La presenza nell'alto Medioevo di la¬ tini (...) testimoniata per la parte settentrionale della nostra regione nella vai Venosta, nella valle dell'Isarco e in Pusteria.« Vgl. als Bestätigung ein Dokument aus dem Jahre 73

ZUR STELLUNG DER SELLAMUND- ARTEN IM … · Sprachraumes selbständigen Sprachlandschaft zugeordnet, die gemeinhin mit dem Namen »Raetoromania« (4) bezeichnet wird. ... haben sich

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Lois Craffonara

ZUR STELLUNG DER SELLAMUND-ARTEN IM ROMANISCHENSPRACHRAUM*)

I. Sellainundarten - Friaulisch - VenezianischVokalismus

Abkürzungen:AP AI Plan de Maro/St. Vigil in EnnebergSM San Martin de Tor/St. Martin in Thum (mittleres Gadertal)LI La Ila/Stern (oberes Gadertal)UR Urtijei/St. Ulrich (Groden)RE Reba/Arabba (Buchenstein)CC Cianacéi/Canazei (oberes Fassatal)

NB. Die Ortsnamen der Sellatäler sind in der Gadertaler Graphie wiedergegeben, dieOrtsnamen Friauls in der Graphie der Societät Filologiche Furlane (SFF).

1.1. Ziel und Methode

Vom Dolomiten-Bergmassiv des Sella-Stockes gehen sternförmig nach vier Richtungen dieladinischen (1) Täler aus: Buchenstein (Fodöm), das Fassatal (Val de Fascia), Groden (Gher-dina) und das Abtei- oder Gadertal (Val Bada) mit dem Seitental Enneberg (Maro), daswegen der Bedeutung seiner Mundart eigens erwähnt werden muß (2). Die in diesen Tälerngesprochenen ladinischen Idiome, die sogenannten Sella-Mundarten, werden - wie allgemeinbekannt ist - von den meisten Romanisten (3) einer größeren, innerhalb des romanischenSprachraumes selbständigen Sprachlandschaft zugeordnet, die gemeinhin mit dem Namen»Raetoromania« (4) bezeichnet wird. Gegen eine sprachliche Einheit und Eigenständigkeitdieses Gebietes, das - grob gesprochen - vom Gotthard über die Alpenkette und die friauli-sche Ebene bis zur Adria angenommen wird, haben sich hauptsächlich mehrere italienischeWissenschaftler ausgesprochen; sie leugnen vor allem die Eigenständigkeit des Rätoromani¬schen innerhalb der Romnia, aber auch seine innere Einheit ($")•

*) Erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten im

Dezember 1973 an der Universität Regensburg,

auf freundliche Hinladung von Univ.-Prof. Dr.Ludwig Söll ( j- ).

1) Es wird oft behauptet, der Ausdruck ladinisch sei

nur im Engadin und im mittleren Gadertal hei¬misch gewesen und erst durch die Sprachwissen¬schaft weiter ausgedehnt worden. Vgl. Th. Gärt¬ner: Raetoromanische Grammatik, Heilbronn1883, S. XX; C. Tagliavini: Le origini delle lingueneolatine, Bologna 1962 3 , S. 319; G.B. Pellegrini:

Saggi sul ladino dolomitico e sul friulano, Bari1972, S. 167; H. Schmid in »Annalas da la Societ

Retorumantscha« LXXXIX (1976), S. 8, u.a.m.Das trifft aber für unser Gebiet nicht zu.

F. Ghetta schreibt in seinem Buch: La Valle di

Fassa nelle Dolomiti, Trento 1974, S. 304: »Lo

troviamo invece in documenti molto antichi, ciofino dal 1298 per indicare la colonia ladino-

fassana di Nova Levante chiamata fino da alloraNova Latina o Nova Ladina. 1 documenti di Fassa

fino alla fine del secolo XVIII hanno sempre Nova

Ladina e nel Bellunese al passo di Carezza si dava

il nome di passo di Ladinia [so noch 1607 G.Piloni], (...) La presenza nell'alto Medioevo di la¬

tini (...) testimoniata per la parte settentrionale

della nostra regione nella vai Venosta, nella valledell'Isarco e in Pusteria.«

Vgl. als Bestätigung ein Dokument aus dem Jahre

73

1175, nach dem Gabriel, Sohn des Grafen Wezelo

von Camino, Güter in der Gegend von Beutelstein

(bei Cortina) ankaufte: »...Actum in castro Ruo-

preti qui vocatur Walsperg, ubi plures intererant

Romani et Langobardi, Deutonici atque Latini...«

(zit. aus J. Richebuono: Schloß Beutelstein in Am¬

pezzo, in »Der Schiern« 49 (1975), S. 110). Aus

dem voher zitierten Buch Ghettas führe ich einen

Passus von J. Resch aus dem Jahre 1767 an: »Ven¬

nero chiamati latini gli indigeni cio gli antichi

abitanti, oppure i coloni di quelle regioni che

furono invase dai barbari; come la nostra Rezia e

il Norico che una volta erano terre latine e ro¬

mane, e in seguito occupate e abitate dai Longo¬

bardi e dai Baiuvari.« (S. 304).

Der 1789 in San Ciascin/St. Kassian im Gadertal

geborene Micur de Rü (= Nikolaus Bacher) beti¬

telt seine Grammatik vom Jahre 1833 (Ms), die

eine Koiné für alle Sellatäler und Cortina enthal¬

ten sollte: »Versuch einer Deutsch-Ladinisehen

Sprachlehre«, und im Vorwort lesen wir: »Die la-

dinische Sprache hat mehrere Dialekte. Die

Hauptdialekte aber sind: der Enneberger, der Ab-

teyer und der Grödner und der ultramontaner

Dialekt. Dieser letzte ist herrschend mit sehr weni¬

ger Abweichung in der Gegend von Fassa, Bu¬

chenstein und Ampezzo.« (S. VII). Und auf S.I:

»Diese Sprache hat sehr große Ähnlichkeit mit derromanischen, welche in den meisten Gegenden

von Graubünden und besonders mit der ebenfalls

ladinische genannten, die im Thale Engadin ge¬

sprochen wird, so daß ein Ladiner aus Tirol und

ein Graubündner nicht viele Schwierigkeit finden,

sich einander sogleich zu verstehen.« S.IV: »Wie

sehr wär'es nun für diese Gegenden (gemeint sind

alle Sellatäler und Cortina) zu wünschen, daß die

im übrigen so ausgezeichnete, gewöhnlich talent-

u. eifervolle Geistlichkeit in ihrem ganzen Volks¬

unterrichte statt der italienischen, die sie oft

selbst nur kümmerlich kann, sich der wahrhaft

kernhaften, wohlklingenden und gewiß nicht so

armen ladinischen Sprache bedienten und von

Zeit zu Zeit ein in dieser Sprache verfaßtes Buch

dem lesebegierigen Volke u. besonders der Schul¬

jugend vorgäbe.«

Nach der Aussage des nicht aus Ladinien stam¬

menden Landrichters J.Th. Haller hätten jedoch

1832 nur mehr »Enneberger« (= damaliger Sam¬

melname für Gadertaler und Enneberger) und

Grödner den Ausdruck ladin für ihre Sprache be¬

ansprucht. »Indessen nennt der Buchensteiner so

wenig als der Fassaner die seinige, dem Ladin

ebenfalls sich annähernde (Sprache), Ladin.«

(Versuch einer Parallele der ladinischen Mundar¬

ten in Enneberg und Groden in Tirol, dann im En¬

gadin, und der romaunschischen in Graubünden,

in BGSNK, Bd. 7, Innsbruck 1832, S. 160). Es ist

also bereits eine Einengung des Ausdruckes einge¬

treten.

In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist

der Name »Ladiner« und »ladinisch« scheinbar

nur mehr auf das Gadertal beschränkt. Der 1845

in Colfosch/Colfuschg im Gadertal geborene J.B.

Alton schreibt in: Die ladinischen Idiome in La¬

dinien (= Gadertal und Enneberg), Groden,

Fassa, Buchenstein, Ampezzo, Innsbruck 1897:

»'Ladinien' nennt sich dieses wunderbare Tal und

Ladinien will es auch von fremden Touristen ge¬

nannt werden« (S. 1). Und auf S. 4 erwähnt er aus¬

drücklich alle Ortschaften des Tales, die dazuge¬

hören. Weiteres heißt es noch auf S. 4: »Die Gröd¬

ner, Buchensteiner, Fassaner und Ampezzaner

rechnet der Ladiner (= Gadertaler und Enneber¬

ger) nicht zu den Ladins [anders noch Micur de

Rü; siehe oben!], wiewohl auch sie mit Rücksicht

auf die große Verwandtschaft ihrer Dialekte mit

dem ladinischen (= gadertalischen und ennebergi-

schen) auf diesen Namen Anspruch machen könn¬

ten.« Vgl. auch G.I. Ascoli: Saggi ladini, in AGI 1

(1873), S. 334, Note 1!

Bei dem aus San Ciascin/St. Kassian stammen¬

den M. Declara (1815-1884) hat man aber schon

den Eindruck, daß sich hinsichtlich der Bezeich¬

nung »ladinisch« eine Beschränkung auf das mitt¬

lere Gadertal anbahnt; vgl. Valgünes recordanzes

ladines, Ms 1884, u.a. S. 55: »(...) i Ladings (= die

Bewohner des mittleren Gadertales) [rajona]

lading, i Maroi (= die Enneberger) mar, i Badiotg

(= die Obergadertaler) badiot .« Aber im gleichen

Atemzug fügt er hinzu: » L lading abbraccea 'l

baie di Maroi e di Badiotg!« Und als Obergader¬

taler (=Badiöt) schreibt er zu seiner Übersetzungdes Lebens der Hl. Genofefa aus dem Deutschen

hinzu: »Prüm liber lading« (Vgl. Storia d'S. Geno¬

fefa, Porsenü 1878).

Das war gerade die Zeit, in der Th. Gärtner seine

Sprachaufnahmen machte,und zwar bei Schulbu¬

ben, denen der im Obergadertal und in Enneberg

als Bezeichnung der eigenen Mundart veraltet

empfundene Ausdruck »ladin« kaum geläufig ge¬

wesen sein dürfte. Von diesem Gesichtspunkt aus

ist es verständlich, wenn Gärtner meint, »ladin«

sei nur im mittleren Gadertal heimisch gewesen

und Alton habe für seine Idiome den Talnamen

»Ladinien« selbst ersonnen (Raetoromanische

Grammatik, cit., S. XX), eine Meinung, die aller¬

dings bis heute von den Romanisten vielfach blind

übernommen worden ist.

Daß es bei den Sellaladinern zu einer Einengung

des Ausdruckes ladin gekommen ist, läßt sich

schon aus der Tatsache vermuten, daß die heuti¬

gen Bezeichnungen für die lokalen Tal(stufen)-

mundarten mareo, badj.t, gerdjna, fodóm und

fash ihrer Etymologie nach alle ursprünglich

nicht sprach- sondern landschaftsbezogen waren.Vgl. ferner R. Liver: ladin im Mittelalter von der

Surselva bis ins Friaul gebräuchlich?, in »Bündner

Monatsblatt« 1974, S. 38ff.

2) Vgl. W. Mair: Ennebergische Morphologie. Ana-

74

1.2. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, zu dieser Streitfrage genauer Stellung zu nehmen, wobeiim Rahmen der nun folgenden Ausführungen zunächst einmal ein Vergleich zwischen denSellamundarten, dem Friaulischen und dem Venezianischen angestellt werden soll. Auf dasVerhältnis zwischen dem Sellaladinischen, dem Bündnerischen und dem Lombardischenmöchte ich bei anderer Gelegenheit genauer eingehen.

1.3. Wenn es darum geht, bestimmte Sprachlandschaften innerhalb eines übergeordnetenGanzen gegeneinander abzugrenzen, muß - und darin sind sich wohl die meisten Sprachwis¬senschaftler einig - in erster Linie von innersprachlichen Kriterien ausgegangen werden, undnicht von außersprachlichen, denn letztere wären beliebig ausdehnbar (6). Dabei sind unterdiesen sogenannten »Eigenheiten« nicht etwa exklusive Merkmale zu verstehen, sondernvielmehr die spezifischen Gegebenheiten der Strukturierung.

1.4. Es hat sich immer wieder gezeigt, daß bei den traditionellen Versuchen einer wissen¬schaftlichen Klassifizierung verwandter Sprachräume (7) die Ergebnisse der Untersuchung

lyse eines dolomitenladinischen Flexionssystems,»Romanica Aenipontana« VIII, Innsbruck 1973.

3) Vgl. A. Decurtins: Il romontsch e la scienzia inter-

naziunala, [bis in die Fünfzigerjahre] in »Annalasda la Societ Retorumantscha« LXXVII (1964),S. 22-77, erschienen auch in deutscher Fassung:

Das Rätoromanische und die Sprachforschung.Eine Übersicht, in »Vox Romanica« 23/2 (1965),S. 256-304.

4) Der Ausdruck ist, unter der Lupe der Geschichtebetrachtet, gewiß nicht zutreffend, denn bereits fürdie Bewohner der Sellatäler ist es fraglich, ob ihreVorfahren von den Rätern abstammen konnten;um so mehr noch für die Bewohner Friauls.Der im 18.Jh. entstandene Ausdruck »rätoro¬manisch« war aber ursprünglich nicht sub¬stratbezogen, wie W.Th. Elwert nachgewiesen hat(siehe hier S. 113!), sondern wurde erst durch spä¬tere irrige Deutungen - u.a. auch von Th. Gärtnerin: Raetoromanische Grammatik, cit. S. XXI, dersich jedoch in: Handbuch der rätoromanischenSprache und Literatur, Halle 1910, S. 7-8, teilweisekorrigiert - mit den alten Rätern und dem Rätiendes Altertums in Verbindung gebracht.Inzwischen hat sich der Ausdruck längst schoneingebürgert, hauptsächlich im deutschen Sprach¬gebrauch, und wenn von mancher Seite daran An¬stoß genommen wird, so wohl nicht immer undnicht nur aus geschichtlichen Erwägungen, wiemeistens vorgegeben wird; wenn es nur daraufankäme, müßten auch so manche andere Sprach¬bezeichnungen geändert werden.

5) Carlo Battisti hat einen beträchtlichen Teil seinerTätigkeit der »Questione ladina« gewidmet. Hierseien nur einige seiner Arbeiten erwähnt: Popoli elingue nell'Alto Adige, Firenze 1931; Storia dellaquestione ladina, Firenze 1937; ebenso: Questioni

linguistiche ladine: le premesse storichedell'unione linguistica grigione-dolomitica, inRSFF II (1922), S. 106-135; Sulla pretesa unit la¬

dina, in AGI XXII-XXIII (1929), S. 409-444; L'A¬scoli e la questione ladina, in AAA XXIV (1929),S. 1-51, usw.

Die »Questione« hatte aber schon um die Mittedes vorigen Jahrhunderts - zusammen mit den Be¬

freiungskriegen Italiens - begonnen. Es seien hier

bloß einige Vertreter bis zum heutigen Tagerwähnt: G. Frapporti, G. Vegezzi-Ruscalla, E.

Tolomei, C. Salvioni (vgl. seine Rede »Ladinia e

Italia« aus dem Jahre 1917, teilweise abgedruckt

in: C. Battisti: Le valli ladine dell'Alto Adige e ilpensiero dei linguisti italiani sulla unit dei dialettiladini, Firenze 1962, S. 91 ff.), E.G. Parodi (vgl.Due parole sui ladini, in: Nell'Alto Adige, Milano1921, S. 40-57, teilweise auch abgedruckt in C.

Battisti: Le valli ladine, cit., S. 99ff.), B. Gerola,A. Garobbio, und heute vor allem G.B. Pellegrini

(vgl. bes. sein Sammelwerk: Saggi sul ladino dolo¬

mitico e sul friulano, cit.) und V. Pallabazzer. Sehrnahe an Battistis Position steht auch J. Kramer(vgl. u.a. seinen Aufsatz: Gibt es eine rätoromani¬

sche Sprache?, in RRL XVI (1971), S. 189-201).

6) Praktisch ist man nach der Grammatik von Fr.

Diez, der noch außersprachliche Kriterien heran¬

zog, bis heute so vorgegangen. Einteilungen nachpolitischen Grenzen und Interessen verschiedener

Art, die zwar auch bestehen, dürfen jedoch die Er¬gebnisse der Linguistik als Wissenschaft nicht

beeinflussen.

7) Wir können sagen bis W.v. Wartburg (Die Aus¬

gliederung der romanischen Sprachräume, Bern

1950), der als der letzte Vertreter der traditionellen

und der erste Vertreter der modernen Methode an¬

gesehen werden kann.

75

subjektiv zu sehr beeinflußbar waren, vor allem da die Auswahl der Daten ganz und gar dem

jeweiligen Forscher überlassen war (8). Dies gilt nicht bloß für die anatomistisch vorgehende

historisch-komparative Methode älteren Datums, sondern auch für die quantitative Me¬

thode, wie sie in den letzten Jahren gehandhabt worden ist (9), wenn auch letztere gegenüber

der erstgenannten gewisse subjektive Argumentationen ausschließt. Wie bereits mehrere For¬

scher gezeigt haben, lassen sich jedoch durch größtmögliche Ausschaltung des subjektiven

Selektionsmomentes mit beiden Methoden befriedigendere Ergebnisse erzielen. So reduziertsich bei der quantitativen Methode das subjektive Moment mit der Erhöhung der Typenan¬

zahl (10); auch mit der historisch-komparativen Methode kommt man zu gültigeren Resulta¬

ten, wenn man die traditionelle anatomistische Betrachtungsweise durch eine strukturali-

stische ersetzt, die nicht einzelne Elemente isoliert herausgreift, sondern unter Anwendung

des Diasystem-Begriffes (11) in diachronischer Sicht das gesamte Sprachgefüge erfaßt. Unter

Diasystem verstehen wir hier eine mehreren sprachlichen Ausdrucksformen immanente

Grundstruktur, die die einzelnen Idiome auf eine einzige Formel zurückführt, in der alle gül¬

tigen Oppositionen ausgedrückt sind, die zu gleichgerichteten Entwicklungstendenzen ge¬

führt haben (12).

2.1. Problemstellung

Nach diesen Bemerkungen möchte ich nun versuchen, die strukturalistische Methode für die

folgende Betrachtung anzuwenden, nachdem bereits illustre Persönlichkeiten für das Stu-

8) Bei diesen Gegebenheiten ist es kein Wunder,

wenn manche Linguisten zweifeln, ob eine Klassi¬

fikation der romanischen Sprachen auf Grund lin¬

guistischer Kriterien überhaupt möglich ist. Vgl.

B.E. Vidos: Manuale di linguistica romanza, Fi¬

renze 1959, S. 302f.

9) Vgl. z.B. 2. Muljacic: Die Klassifikation der ro¬

manischen Sprachen, in: »Romanistisches Jahr¬

buch« 18(1967), S. 23-37. G.B. Pellegrini: La clas¬

sificazione delle lingue romanze e i dialetti italiani,

in Saggi, cit., S. 239-268. Pellegrini unterstreicht

selber »il margine di 'relativit' dei risultati otte¬

nuti« (S. 268). G. Plangg: Zum Sprachtypus des

Ladinischen und seiner Nachbarn, in »Der

Schiern« 43 (1969), S. 159-176.

10) In diesem Heft wird unseres Wissens das erste Mal

eine solche Arbeit dem Leser vorgestellt: H.

Goebl: Rätoromanisch versus Hochitalienisch

versus Oberitalienisch, S. 39-71. Die Arbeit bringt

die quantitative Auswertung von nicht weniger als

700 AIS-Karten auf 251 Punkten.

11) Über den Begriff des Diasystems und z.T. auchüber seine Anwendung siehe: U. Weinreich: pos¬sibile una dialettologia strutturale?, in U. Wein-

reich: Lingue in contatto, Torino 1974, S. 205-223,

zuerst auf englisch erschienen: Is a Structural

Dialectology Possible? in »Word« X (1954), S.

388-400. Ferner G. Francescato: Comparazione

strutturale, diasistemi e dialettologia, in U. Wein¬

reich: Lingue in contatto, cit., S. 236-245; L. Heil¬

mann: 1 rapporti tra strutturalismo e geografia lin¬

guistica, in: Gli Atlanti linguistici. Problemi e Ri¬

sultati. Roma 1969, S. 247-269; C. Grassi: Sistemi

in contatto: il concetto di diasistema e i principi

della geografia linguistica, in U. Weinreich: Lin¬

gue in contatto, cit., S. 247-256.

Natürlich wird so eine Methode in dem Maßekonventionell bleiben, in dem unsere Auswahl der

diasystematischen Kriterien konventionell ist,

aber sie bietet uns gewiß eine Möglichkeit, die

Dialekte viel besser zu unterscheiden als bisher. Es

besteht kein Zweifel, daß man auch bei Anwen¬

dung dieser Methode auf Mundarten stoßen wird,

die Eigenheiten zweier benachbarten Diasysteme

aufweisen (= Amphizonen). Vgl. G. Francescato:

Comparazione strutturale, diasistemi e dialettolo¬

gia, cit., S. 241 f.

Nicht überzeugen können mich die kritischen Be¬

merkungen von M. Cortelazzo in: Avviamento

critico allo studio della dialettologia italiana, vol.

1, Pisa 1969, S. 126-130, zum Begriff Diasystem.

Eine Antwort darauf möchte ich mit vorliegendem

Artikel geben, und ich glaube, daß jeder unvor¬

eingenommene Leser merken wird, zu welchen

Klarstellungen man kommen kann, wenn man

statt eines bloß phonetischen Kriteriums ein pho-

nologisches anwendet.

12) Das Diasystem ist also unter einer doppelten Per¬

spektive zu sehen: a) unter der räumlichen als

Summe der in verschiedenen Synchronien vorhan¬

denen Elemente; b) unter der zeitlichen als Spiegel

einer geschichtlichen Entwicklung.

76

dium anderer Gebiete mit Erfolg diesen Weg beschritten haben. Hier sei in erster Linie anGiuseppe Francescato erinnert, der in seinen hervorragenden Untersuchungen der friauli-

schen Mundarten zum Ergebnis gekommen ist, daß das Friaulische eine einzige »Mundart«ist, die sich aus sechs »Untermundarten« zusammensetzt, von denen jede einzelne eine ört¬liche Variante der Grundstruktur darstellt (13).

2.2. So richtig Francescatos Festellungen über das Friaulische sind - eine genauere Präzi¬sierung wäre nur noch für Nert-Erto notwendig (14) -, so wenig kann ich seine Meinung in

den weiteren Ausführungen über das Sellaladinische teilen. So schreibt er z.B. in seinem Arti¬

kel »II dialetto di Erto« (15): »... tale diasistema (= jenes des Friaulischen) decisamente di¬

verso dai diasistemi tanto delle parlate venete che di quelle ladine centrali.« Ich bin nämlichdavon überzeugt, beweisen zu können, daß das friaulische Diasystem wohl gegenüber demdes Venezianischen verschieden ist, nicht jedoch gegenüber dem des Sellaladinischen. Aller¬dings ist die Lage auf den ersten Blick reichlich unübersichtlich; man vergleiche beispiels¬weise die Ergebnisse, zu denen lat. A in offener und geschlossener Silbe geführt hat, wobei

noch daran erinnert werden soll, daß heutiges e:je aus lat. A auf ein früheres romanischeslanges q: zurückgeht (16):

a) in offener Silbe:

b) in geschlossener Silbe:

13) G. Francescato: Dialettologia friulana, Udine

1966.

14) Vgl. unten S. 109.

15) In ZRPh 79 (1963), Heft 5/6, S. 501.

16) Vgl. H. Kuen: Zur Chronologie des Übergangsvon a > e im Grödnischen, in ZRPh 43 (1923), S.

67-77; ferner C. Battisti: Le premesse fonetiche e la

cronologia dell'evoluzione di in nel ladino cen¬

trale, in ID li (1926), S. 50-84.

17) Heute kann man in Buchenstein, Fassa und im

Gadertal den Postpalatal noch hören, der aber nur

von der Gadertaler Graphie (c(i)~c(i)) berücksich¬

tigt wird. Vgl. A. Pellegrini: Vocabolario fodom-

taliän-todäsc Wörterbuch, Bozen (1973), S. 6: »Es

wurde auf die Unterscheidung zwischen postpar¬

talem Verschlußlaut (tj) und palataler Affrikata

(tsl verzichtet.« Für das Fassatal ist die Stellung¬

nahme seitens eines linguistischen Laien zur offi¬

ziellen Schreibweise sehr aufschlußreich: »...pen-

77

3.1. Ennebergisch und Friaulisch

Bei den nun folgenden Betrachtungen möchte ich mich auf den Vokalismus beschränken -

der Konsonantismus wird bei anderer Gelegenheit behandelt werden -, da gerade auf Grund

der Vokalentwicklung die gröbsten Bedenken gegen eine ladinische Einheit geäußert worden

sind. Es sei nochmals die Meinung G. Francescatos wiedergegeben: »... la quantit non il

solo tratto distintivo delle vocali forti [friulane], ma ne il pi appariscente ... Al contrario i

dialetti veneti e agordini (nonché ladino-dolomitici e anche svizzeri) non presentano il feno¬

meno della quantit vocalica fonologicamente pertinente.« ... »Anche nei dialetti ladini

a > e quando la vocale lunga, ma le condizioni fonologiche sono diverse.«

... »Le continuazioni di , latine toniche in posizione debole costituiscono uno dei casi com¬

plessi del diasistema friulano ... essa nettamente differenziata rispetto al veneto, al li-

vinallonghese e al ladino-centrale, perché comprende in friulano tanto vocali in sillaba

aperta che in sillaba chiusa ...« (19).

3.2. Da behauptet worden ist, daß die Vokalquantität, die bei unserer Untersuchung ent¬

scheidende Bedeutung hat, im Dolomitenladinischen nicht relevant sei, ist es zunächst wich¬

tig, diesen Irrtum endgültig zu beseitigen: Im ganzen gadertalischen Bereich, das Seitental

Enneberg (Maro - Marebbe) mit einbezogen, ist heute die Vokalquantität noch phonolo-

gisch relevant; in den anderen drei Tälern hingegen hat sie inzwischen ihre Relevanz verlo¬

ren. Hier folgt zunächst der Beweis für die Mundart von AP (= St. Vigil in Enneberg):

/ —: / ra »Flügel« ~ :ra »Tenne«; vi »Tal« ~ v:l »etwas«; m »Mai« ~ m: »nur«;

usw.

/~:/ ert »steil« ~ e:rt (m.) »Handwerk«; per »Birne« ~ p:r »Paar«; t »dich« (be¬

tont) ~ t: »Tee«, usw.

/é~é:/ für diesen Fall kenne ich keine genauen Minimalpaare, da /é/ und /é: / erstspäter phonologisiert worden sind. Die Quantitätsunterschiede sind aber bei

der Aussprache immer bindend:

kurz: éte »hinein«, léna »Brennholz«, féh »Heu«, sé »Salz«, usw.

lang: entré:s »durchaus«, ljé:s (Part.m.PI. von Ijé »binden«), pré:s »Wiesen«,

é:ga (aus *:ga < *jga) »'Wasser«,fré:na (Toponym, in AP kaum mehrAppellativ, aus *FRAGINA), usw.

siamo che si debba usare la C »dolce« per scrivere

Cianp, Cianpanla, Cianpc, Cianpestrn. Sempre

a meno che non si vogliano scrivere anche quelle

due consonanti TG che (...) effettivamente esi¬

stono (...), ma che sdrucciolano via quasi inavver¬

titamente, e scrivere, come proprio si pronunzia:

tgcianp, tgcianpanla, Tgcianpc, Tgcianpedél,

Tgcianpestrn. come, in effetti, bisognerebbe scri¬vere per mettere sulla carta tutti i suoni che escono

dalla nostra bocca.« (zit. aus »II Postiglione delle

Dolomiti«, An XX, 16 de Mé 1976, Nr. 20. S. 4).

In all diesen Tälern erkennt man aber heute bereits

eine Tendenz zur mediopalatalen Affrikata, ja

manche Sprecher haben sie sogar schon erreicht

(für Fassa vgl. Th. Elwert: Die Mundart des

Fassa-Tals, Heidelberg 1943, S. 67); in Groden hat

sich inzwischen die Opposition / c ~ ts / endgültig

zugunsten der Mediopalatalen aufgelöst.

18) Leider findet man in der Fachliteratur für unser

Gebiet die Vokalquantitäten sehr oft falsch wie¬

dergegeben. Ganz besonders möchte ich zwei

Werke nennen, die sehr viele falsche Quantitäts¬

angaben bringen: 1. der AIS: dieses sonst so wert¬

volle Arbeitsinstrument eignet sich - wenigstens

für unser Gebiet - jedoch kaum für phonologische

Arbeiten! 2. G. Plangg: Sprachgestalt als Folge

und Fügung, Beihefte zur ZRPh, Bd. 133, Tübin¬

gen 1973. (Vgl. dazu Note 55).

19) G. Francescato: Il dialetto di Erto, in ZRPh 79

(1963), Nr. 5/6, S. 501, Note 22; S. 502, Note 26;

S. 504.

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< </)

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/ó~ó:/ ó »oder« ~ al-ó: »er will«; rós »braun« ~ ró:s »Rohre«, al tsóla »er bindet« ~

tsó.la »Zwiebel«; pó? (holophrastischer Ausdruck, der bei Verlegenheit ge¬braucht wird) ~ (po)pó:\ »ja!«; usw.

/~:/ bSk »Wald« ~ aro:sk »Frosch«; auch in diesem Fall ist es schwer, genaueMinimalpaare zu finden, weil die Opposition ó/ó: ~ /: erst später entstanden

ist. Die Quantitätsunterschiede sind aber bindend:

kurz: dt »acht«, fora »aus, hinaus«, sdra »Sohle«, t »dein«, usw.lang: endo: »wiederum«, d:rko »Orco« (bösartiger Spukgeist), usw.

/ ~: / Uta »gelesene« ~ li:ta »Auswahl«; piS »Harn« ~ pi:S »Füße«; ri »böse« (Pl.m.) ~

al ri: »er lacht«; usw.

/ü—ü: / müs (Sg. und PI.) »Esel« ~ mü:S »Gesichter«; al süra »er wirft« ~ al sü.ra »er

pfeift«; plüra »Anklage« ~ al plü.ra »er trägt Trauer«; pütS (Sg. und PI.) »Beule«

~ pü. ts »wenige« (aus pü:c, bei den Sprechern, die die Postpalatale zugunstender Mediopalatalen aufgegeben haben (20)); usw.

/—: / da das u - im Gegensatz zu dem was C. Battisti und J. Kramer glauben (21) -

erst relativ jung ist - früher gab es nur ü\ - finde ich hier keine perfekten Mini¬

malpaare. Die Länge und Kürze des Vokals ist aber bei den einzelnen Aus¬drücken bindend:

kurz: piit »Furz« (Kindersprache), tut »genommen«, s »allein« (m.), tri)

»Weg«, usw.

lang: :rt »Garten«, m:t »gemolken«, p.ts »Fratz«, d.ts »süß«, usw.

/ö—ö: / köc »gekochte« (m.Pl.) kö:c (22) »Köche«.

Auch das ö ist verhältnismäßig jungen Datums entstanden, wie übrigens auch

das w, durch einen Monophthongierungsprozeß (23) - und deshalb sind auch

hier reine Minimalpaare schwer zu finden. Die Länge und Kürze des Vokals ist

aber bindend:

kurz: asöt »trocken«, döt »alles«, löna »Mond«,/7Ör^ »Floh«, bröm »blau«, tö»du«, usw.

lang: ö:t »leer«, fö:r »Schmied«, al mö:r »er stirbt«, kö:r »Herz«, kö.ga »Kö¬chin«, usw.

3.3. Nach dieser Richtigstellung soll nun überprüft werden, ob die phonologischen Bedin-

20) Vgl. Note 17.

21) C. Battisti in 1D 5 (1929), S. 271-272; id.: Popoli elingue nell'Alto Adige, cit., S. 139; J. Krämer in

»Romanica Aenipontana« X, Innsbruck 1976,

S. 171, Note 14. Auch L. Heilmann: La parlata di

Moena, Bologna 1955, S. 74, ist eher geneigt, Bat-

tistis Erklärung anzunehmen. Vgl. hier S. 87.

22) Heute ist der Ausdruck vom venez. kógo ver¬

drängt und lebt in Rina/Welschellen nur noch als

Familienname weiter. Es existiert noch die dazu¬

gehörige weibliche Form la kö.ga.

23) Die Monophthongierung des fallenden Diphthon¬

ges oii', aber auch sehr vieler steigender Diph¬

thonge - ist aber älteren Datums als J. Kramer in

»Romanica Aenipontana« X, cit., S. 166, an¬

nimmt. Auch stimmt es nicht, wenn G. Plangg in:

Schreibtradition im Gadertal (In »Moderne Spra¬

chen« 9 (1965), 2.-4. Heft, S. 115) schreibt:»... [die

in einigen Graphien] bis 1900 üblichen Diph¬

thonge (Bartolomei: aedoema, treup für edema,

tröp) müssen zum Teil auf den älteren Lautstand

zurückgehen, wie er in Groden meist noch gilt.«

Die »Diphthonge« einzelner Schreibweisen des

vergangenen Jahrhunderts sind ausschließlich als

einfache Di- oder Trigramme zu verstehen. Ni¬

kolaus Bacher (Micur de Rü) äußert sich dazu

klar in seiner Deütsch-ladinischen Sprachlehre,

cit., S. 7-8. Ja, die Monophthongierung ist sogar

schon in einem vor kurzem gefundenen ladini-

schen Dokument aus dem Gadertal vom Jahre

1631 bestätigt.

80

gungen wirklich verschieden sind, wie G. Francescato (24) und G.B. Pellegrini (25) meinen.Dabei wird es gut sein, schrittweise vorzugehen und zuerst nur eine Variante des Sellaladini-schen, und zwar die Mundart von AI Plan de Maro (= AP) zu analysieren und dann zu denanderen Mundarten überzugehen. Wir haben also in AP:

Beispiele Merkmale

ft < FACTUvint < *VINTI (für VIGINTI)üs <USTIUtet < TECTUpjét < PECTUset < *sét < *sjét (26) < SEPTEsféj < *sföj < *sfwél' < FOLIU

1. lat. geschlossene Silbe2. romanisches Oxyton3. mit kurzem Tonvokal odersteigendem Diphthong (in bestimm¬ten Fällen nur mehr rekonstruier¬bar).

2. vaca < VACCAknes < QUINDECIMtta < TITTAspjéta (27) < EXPECTATal cesa (28) < tjésa < *TEXAT (für TKprsa < * PRESSI Aksa < *kösa < *kwésa < COXAedema < HEBDOMA

24) Francescato zitiert zugunsten seiner Behauptun¬gen auch C. Battisti: Le Premesse, cit., aber zu Un¬recht. In diesem Artikel hat Battisti die untersuch¬ten Phänomene - abgesehen von mehreren fehler¬haften Transkriptionen, die aber die Gesamtdar¬stellung nicht im wesentlichen beeinträchtigen -ziemlich wirklichkeitsnahe dargestellt. Natürlichkonnte Battisti zur damaligen Zeit (1926) noch

nicht innere Strukturvorgänge erklären.

25) G.B. Pellegrini: Schizzo fonetico dei dialetti agor-dini, in »Atti dell'Istituto Veneto« 1954-55, Bd.I 13, S. 293-297.

26) Der AIS registriert noch sjt (K. 287) und deiesjet(K. 295). Hörfehler oder Archaismus? Trotz allersonstigen Vorbehalte bei den TranskriptionenScheuermeiers für unser Gebiet würde ich in die¬sem Fall nicht unbedingt mit H. Kuen (in »Ro¬mantische Aufsätze«, Nürnberg 1970, S. 65f. undin »Vox Romanica« 32/1 (1973), S. 27, Note 58)an ein Verhören des Explorators oder an ein Ver¬

sprechen des Gewährsmannes denken (bei deiesjet

wäre das Hineinhören eines / durch Assoziationvon si:s und set wohl kaum möglich!). Für einen

Wandel von vulgärlat. > *je > *é > sprechennämlich: a) mehrereyV-Ergebnisse von vulgärlat.

im gadertal.-enneberg. Bereich, z.B. pjét »Brust«,tjése »weben«, LI Stjé: rne »streuen«, AP dé a Spjéta»auf Kredit verkaufen«, AP bjéSa »Schaf«< *BÉSTIA (statt BÉSTIA), u.a.m. b) dieSprachgeographie der Sellatäler; vgl. z.B. in die¬sem Artikel die Tabelle auf S. 99 und die Ausfüh¬rungen Th. Elwerts in: Die Mundart des Fassa-

1. lat. geschlossene Silbe2. kein romanisches Oxyton3. mit kurzem Tonvokal odersteigendem Diphthong (in bestimm¬ten Fällen nur mehr rekonstruier¬bar).

Tals, cit., S. 41 f. Aus diesem Grunde bin ich ge¬

neigt, einen früheren Diphthong in den Ergebnis¬sen von MEDICU, STEPHANU usw. anzuneh¬

men. Damit soll nicht gesagt werden, daß der

Diphthong auch von allen Entlehnungen mitge¬macht worden ist. H. Kuens Erklärung, daß das

aus vulgärlat. offenem entstandene geschlossene

é in den Sellatälern (außer in Enneberg) mit dem

Übergang von vulgärlat. geschlossenem é zumMittelzungenvokal ' in Verbindung steht, ist si¬

cher richtig, aber sie schließt ein Diphthongsta¬dium in keiner Weise aus. Daß das untere Gader-

tal (mit Enneberg) - im Gegensatz zu Kuens

Meinung - auch geschlossenes é aus vulgärlat. of¬

fenem gekannt hat, könnte meines Erachtens

z.B. aus einem Vergleich von AP bornk/SM + h\

burnék »Bruneck«<mhd.-éce« mit AP+SM + LI

pék »Bäcker« hervorgehen. Da einerseits die

Gründung der Burg um 1250 erfolgte, und an¬

dererseits die ersten Bäcker im Tale 1741, 1780,

1781 erwähnt werden (B. Richter-Santifaller: Die

Ortsnamen von Ladinien, Schiernschriften 36,

Innsbruck 1937, S. 96/77, 105/139, 132/8), müßte

der Wandel von *é> irgendwann zwischen dem

XIII. und XVIII. Jh. stattgefunden haben.

27) In der Redewendung dé a Spjéta »auf Kredit ver¬

kaufen«, ansonsten haben die stammbetonten

Formen von EXPECTARE - zumindest heute -

keinen Diphthong.

28) Für den Übergang //'- > c- vgl. AP cöbe< TEPIDU, deSmoncé < *-tjé »vergessen«, bacé< *-tjé »taufen«, usw.

81

3. cza < CASAIona < *lüna < LUNApöres < *püles < PULICEnda < vorröm.*NITA

kóda < CODAazra < *HAEDIOLA

sera < SERA

cöbe < *tjébe < TEPIDU

mdo < *méde < *mjédek < MEDICU

stfo < *stéfo < *stjéfuh < STEPHANU

nora < ANITRA

dlzena (29) < gali. GLASINA

smena < SEMITA

1. lat. offene Silbe2. kein romanisches Oxyton3. mit kurzem Tonvokal odersteigendem Diphthong (zumindestrekonstruierbar).

4. mü:r < MURUpé:s < PACEmé < *m: < *m:l < MALEdies < DECElü < *lüek < LOCUz <*z: < *dzowf< IUGUkr.s <*krows < CRUCEné] < *nejf < NI VE

1. lat. offene Silbe2. romanisches Oxyton3. mit langem Tonvokal (wenn unge¬

deckt, nachträglich verkürzt)oder fallendem Diphthong (inbestimmten Fällen nur mehrrekonstruierbar).

5. pah < PANEfin < FINE

féh < FENUbh < BONUóm < HOMUlöm <*lüm < LUME

1. lat. offene Silbe2. romanisches Oxyton, auf Nasalendend

3. mit kurzem Tonvokal.

6. ü:re < UBRE (für UBER)pi: re < *piere < *pjédre < PETRUpé.re < *p:re < PATRE

p.rt <*p:rt < PARTE, PARTU

b.rba < langob. BARBASd.rmena < DALMATAt.rmo < TERMENn.rf < NERVU

ó.rcena < althochdt. ORDENAblhk »weiß« - bl:héa - bl. hé;snt »heilig« - santa - s. hc;lhk »lang« - l.riga - l.nc;

.lca »Gans« -al-:lda »er hört«-al s.lta »er läuft« - al-:ltsa »er hebt«, usw.

1. lateinische oder romanische schwacheKonsonantengruppe (Verbindungenmit Kons.+r, r+Kons., l+Kons.,

Nasal+c/g)

2. beliebige romanische Tonstellung3. langer Tonvokal oder fallender

Diphthong mit nachfolgenderMonophthongierung.

29) Es gibt weder glsenes im Ennebergischen noch

glésenies im Badiotischen, wie C. Battisti irrtüm¬

lich angibt (in: Popoli e lingue nell'Alto Adige,

cit ., S. 24) und daraus schließt, es handle sich um

eine jüngere Entlehnung.

82

Die angeführten Beispiele zeigen:

a) daß lateinische Tonvokale in offener Silbe und in romanischer Oxytonstellung ursprüng¬

lich fallende Diphthonge oder lange Vokale ergeben; eine nachträgliche Kürzung des lan¬

gen Vokals ist dort eingetreten, wo dieser ungedeckt geblieben ist. Nicht dieser Regel fol¬gen auf Nasal endende romanische Oxytone, die nur einen kurzen Tonvokal aufweisen.

b) daß lateinische Tonvokale in geschlossener Silbe und lateinische Tonvokale in offenerSilbe - jedoch nicht in romanischer Oxytonstellung! - kurze Vokale oder steigende Diph¬

thonge ergeben; letztere sind jedoch heute zum Teil nur mehr rekonstruierbar;

c) daß als Randerscheinungen auch andere Faktoren den Vokalismus beeinflußt haben, wie

schwache lateinische und romanische Konsonantengruppen (vgl. oben Punkt 6) sowie

u.a.:

- die Motion beim Eigenschafts- und Hauptwort:

m. c:r »teuer« - w. c:ra (statt cara)

m. bü:s »Loch« - w. bü:za »Grube«, usw.

- Gefühlsbetontheit:

kit »still« (= regungslos) gegenüber ki:t »still« (z.B. Charakter) (30); beide leiten sich

aus QUETU ab; regelmäßig ist die Form mit langem /V (die im oberen Gadertal noch

immer die einzig bekannte ist); durch den straffen und gefühlsgeladenen Befehlston,

der in bestimmten Sprechsituationen dieses Wort begleitete, kam es zu einer sprach¬

lich relevanten Vokalverkürzung und gleichzeitig zu einer Bedeutungsdifferenzierung

(31).

- spätere Entlehnungen:

zcv.fa »Seife« (32) < geiselsbergerisch sa:fe, Unna »Feile«, ri:ma »Gedicht«, usw.

- Monophthongierungen:

c:sa »Vieh« < *cwsa < CAUSA; -AREA > -aira (dokumentiert) > -:ra\ usw.

Da aber dieser Punkt c) nur Randerscheinungen betrifft, braucht er bei der Auf¬

stellung der Grundformel nicht näher berücksichtigt zu werden.

Aus a) und b) ersehen wir somit,

1. daß hier nicht nur die Stellung des Vokals im Lateinischen eine Rolle spielt, sondern

auch die im romanischen Wort (33). Eine historische Studie, die diese Tatsache nicht voll

30) z.B. sta kit! »gib Ruh!«, skta kit! »halt den

Mund!«; heute jedoch auch: I-wto St kit »das

Auto hält«, al n-e na bh da sté kit »er kann keine

Ruhe geben«. Hingegen al eh möt k:t »er ist ein

Knabe mit einem ruhigen Charakter«, tan ki:t k-al

ehsnet »wie still ist es heute abend«.

31) Vgl. auch skta »sei still! halt den Mund!« heute

auch »höre!« <*skowta, das normal langes :

haben müßte wie d.ts »süß« usw. Siehe S. 91.Fer¬

ner LI stlf »Klaps«, tots »Klaps«, die beide, wie

weiter unten (s.S. 93) erklärt wird, einen langen

Vokal haben müßten.

Für ähnliche Phänomene siehe O.v. Essen: Allge¬

meine und angewandte Phonetik, Berlin 1966,

S. 168f.; Hoffmann-Krayer: Grundsätzliches über

Ursprung und Wirkungen des dynamischen Ak¬

zents, in Fs. Behagel 1924, S. 35ff.

32) In La Val/Wengen hat sich das Wort gänzlich den

Systemregeln angepaßt: zfa.

33) Bevor G.Francescato für das Friaulische klar

83

berücksichtigt, wird u.a. die Kürze des Vokals in der Verbindung -VKV # (z.B. -da

<-ATA, cza < CASA usw.) kaum befriedigend erklären können;

2. daß die typischen Elemente des ennebergischen Systems im Bereich der Tonvokale in der

Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen zu finden sind, bzw. in den kor¬

relativen Merkmalen dieser Unterscheidung, nämlich den steigenden Diphthongen der

»kurzen Vokale« und den fallenden Diphthongen der »langen Vokale«.

3.4. Diese Formel habe ich bereits in meiner 1971/72 in Padua vorgelegten Dissertation (34)

für die diachronische Beschreibung der Mundarten von AP, SM und LI im Gadertal ange¬

wandt. Da die Arbeit im Druck erscheinen wird, erübrigt es sich, an dieser Stelle die diachro¬

nische Entwicklung und die aufeinander folgenden synchronischen Ebenen der Vokalstruk¬

tur von AP (von einem ursprünglichen Vokalinventar von 2+2+1x2 auf heutiges 3 + 3+1x2)

aufzuzeigen.

Bei der Anwendung der oben skizzierten Methode in der erwähnten Studie habe ich dieselbe

Erfahrung'gemacht wie G. Francescato in seinen Arbeiten über das Friaulische, nämlich daßsich der Übergang vom vulgärlateinischen zum romanischen Vokalismus überzeugender,einfacher und klarer erklären läßt (35); viele scheinbare Schwierigkeiten, denen man bisher

beim Studium unseres Vokalismus begegnet ist, finden dadurch eine einfache Erklärung, was

zweifelsohne für das Verfahren spricht.

3.5. Eine weitere Feststellung - die wichtigste in diesem Artikel -, die wir auf Grund obiger

Ausführungen machen können, ist folgende: das ennebergische Diasystem unterscheidet sich

in keiner Weise vom friaulischen, so wie dieses von G. Francescato in mehreren Arbeiten be¬

schrieben worden ist (36). Um alle Zweifel zu beseitigen, sei ganz kurz die Mundart von

Nert/Erto mit der von AP verglichen, nachdem von Francescato eindeutig bewiesen worden

sieht, scheint sich bereits C. Battisti für die Sella-

mundarten einer korrekten Sicht zu nähern, wenn

er schreibt: »L'evoluzione di d in é del ladino cen¬

trale connessa coll'allungamento della vocale, e

perci subentra solo in determinati casi, quando

cio questa tendenza non fu ostacolata.« (Le pre¬

messe, cit. , S. 51). »... evoluzione dell'd in é , che

manca nell'ossitono alle variet gaderane e li-

vinallunghesi. Questa diversa distribuzione della

lunga e della breve dunque non solo anteriore

allo sviluppo di in é. ma anche alla dittongazione

ladino-centrale in quanto essa dipende dalla mede¬

sima causa.« (cit., S. 52). Oder S. 81: »L'evolu¬

zione di in é nel ladino centrale si connette nel

modo pi evidente colla legge di quantit della to¬

nica, la quale ebbe ripercussioni anche sullo

sviluppo delle altre vocali venute a trovarsi nelle

identiche condizioni. In questa legge vedo, e ho

sempre veduto, la condizione necessaria al manife¬

starsi del fenomeno: solo presupponendo l'allun¬

gamento della tonica in determinate condizioni,

noi riusciamo a spiegarci per qual via da a si ve¬

nisse ad é e le evoluzioni parallele delle vocali

tniche di elevazione media (é, , ó, ).«

Aber auch G. Marchetti (Lineamenti di gramma¬

tica friulana, Udine 1952, S. 48) kommt den tat¬

sächlichen Gegebenheiten sehr nahe, wenn er in

bezug auf das Friaulische schreibt: »La tonica dipenultima sillaba, se libera o in posizione debole,

si allunga in friulano ogniqualvolta, per il dileguo

della finale etimologica, viene a trovarsi in mono¬

sillabo o in sillaba finale: (...) (Lo stesso avviene

anche delle altre vocali nelle medesime condi¬

zioni).«

34) L. Craffonara: Le parlate di San Vigilio di Ma-

rebbe, di San Martino e di La Villa in Val Badia,

hektographiert.

35) G. Francescato: Struttura linguistica e dialetto, in:

Actes du 9 e Congrs International de Linguisti-

que et Philologie Romane. Bd. 3 (1965), S. 1013.

36) G. Francescato: La dittongazione friulana, in ID

23 (1959). S. 43-54; id.: Il dialetto di Erto, cit.; id.:

Dialettologia friulana, cit., usw. Ergänzend zu

dem, was Francescato ausgearbeitet hat, erlaube

ich mir hier die These zu vertreten, daß das soge¬

nannte Zentralfriaul (G. Francescato: Dialettolo¬

gia friulana, cit., S. lOOff.) ursprünglich auch die

fallende Diphthongierung von é und ó hatte.

Während es klar ist, daß die Ergebnisse mit i: und

u: die auf oder zurückgehen und in ganz Ost-friaul - einschließlich eines großen Teiles von Kar-

nien (vgl. G. Francescato: Dialettologia friulana,

cit.,S. 27) - sich nur aus ie ( < * jé) und wo

84

ist, daß das »friaulische« Diasystem auch für das Ertanische Geltung hat (37). Die Ma¬

terialien für Erto, die ich bei Frau Ines und Rachele Martinelli (38) kontrolliert und teilweise

ergänzt habe, sowie die Einteilung der folgenden Kapitel übernehme ich aus der bereits zi¬

tierten Dialettologia friulana von G. Francescato, S. 265-269. Die jeweils angeführte deut¬

sche Bedeutung ist nur für AP gedacht, gilt jedoch meistens auch für das Ertanische.

1. [a latino, breve o lungo]:

1.1. [in posizione forte (39)] , z.B. mi/AP mé ( < */?7.7)»Schmerz«, pel/AP p ( < *p:l)

(da s) »Zaunpfahl«, kél/AP ké ( < *k:l) »wer?«, l/AP sé ( < *s:f) »Salz«, ns/AP

né:s »Nase«, lek/AP lé ( < *l:k) »See«, ps/AP pé:s »Friede«, bombs/AP bambé:s»Baumwolle«, al pjsfAP al plé.s »er gefällt«, usw. Ebenso die Nennform und die Mit¬

telwörter der Vergangenheit auf -, z.B. iole/AP zoré »fliegen«, »geflogen« <-ARE,

-ATUM.

So wie in AP haben wir auch in Erto einige Wörter mit abgefallenem Endkonsonanten

(40): alte/AP alté »Altar«, pré/AP pré »Wiese«, /AP é »Biene«, xe/AP cé »Kopf«,

usw.

Erto hat heute keine langen Vokale mehr, aber gerade die Entwicklung von a > e istder Beweis für das Vorhandensein einer früheren Vokallänge. AP hat mittlerweile den

langen Vokal in jenen Fällen verkürzt, in denen der Endkonsonant geschwunden ist,

behält die Länge aber bei gegebener Deckung bei: pré »Wiese« - pré.s (PI.), cé »Kopf« -

cé:s (PI.), mé »Schmerz« - mé:s (PI.), usw.

Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, daß hierin in Erto und AP ursprünglich die glei¬

chen Voraussetzungen gegeben waren. Dasselbe zeigen auch die unter 1.2. bis 1.5. ange¬

führten Beispiele.

1.2. [in posizione forte prima di nasale finale] , z.B. fh/AP fh »Flunger«, rh/AP rm

»Ast«, usw.

1.3. [in posizione debole (39), sillaba libera] , z.B. xciza/AP éza »Haus«, ia/AP ra

( < *y) ableiten lassen, gehen meiner Meinungnach auch die Ergebnisse mit e: und o: Zentral-

friauls auf ej und ow zurück. In diesem Punkt wäre

also Zentralfriaul weniger archaisch als Westfriaul

und Karnien (das untere Degano-Tal und einige

andere Inseln ausgenommen; vgl. G. Francescato:

Dittongazione friulana, cit., S. 27, 30 und 32). 37)

Diese These, die natürlich noch verifiziert werden

muß, stützt sich auf folgende Überlegungen: a) inallen übrigen gemeinhin als »ladinisch« bezeichne- 38)ten Gebieten läßt sich das Vorhandensein von ej-

und ow-Diphthongen nachweisen, die sich aus é

und ó ableiten und teils erhalten, teils phonetisch 39)

modifiziert, teils monophthongiert sind, und es ist

nicht einzusehen, warum Zentralfriaul sich in alter

Zeit anders verhalten haben sollte; b) betrachtet

man die zentralfriaulischen Ergebnisse e:, o:, i:, u:,

fällt auf, daß sie alle den betonten Vokal der ar¬

chaischesten Diphthongformen éj, ów, e f < *j I

und o ( < *y> in gedehnter Form behalten;

c) slowenische Mundarten wie die von Brdo/ Lu-

severa usw., die an das zentralfriaulische Gebiet

grenzen, weisen in Entlehnungen die Diphthon¬

gierung von e: und 0: in éj und ów auf (vgl. G.B.

Pellegrini: Introduzione all'Atlante Storico-

Linguistico-Etnografico Friulano, Udine 1972, S.

87). Letzteres erscheint mir ein deutlicher Hinweis,

vorausgesetzt, daß es sich nicht einfach um eine

unabhängige Entwicklung handelt, die erst erklärt

werden müßte.G. Francescato: Il dialetto di Erto, cit. Man be¬

achte den Unterschied in der Formulierung und

vgl. S. 109.

Ines Martinelli, geb. 1916, und Rachele Martinelli,

geb. 1913 in Nert, seit 40 Jahren in Bruneck; spre¬

chen in der Familie nur Ertanisch.

Der Leser wird merken, daß bei der Verwendung

der Ausdrücke in posizione fortejin posizione

debole vor allem den Gegebenheiten im Romani¬

schen Rechnung getragen wird. Francescato

spricht ferner vom semisistema delle forti bzw.

delle deboli. Mit Rücksichtnahme auf den Leser¬

kreis dieser Zeitschrift, der nicht nur aus Fachleu¬

ten besteht, gebrauche ich die Bezeichnungen

Teilsystem der langen bzw. der kurzen Vokale, weil

sich der Laie darunter leichter etwas vorstellen

kann.

Der Fall der Lenis am Wortende in AP (und -

85

»Flügel«, pla/AP pra »Ofenschaufel«, lana/AP lna »Wolle«, usw. AP z.fia »Seife«ist - wie erwähnt - relativ spät entlehnt worden.

1.4. [in posizione debole (39), sillaba chiusa] , z.B. vxa/AP vaca »Kuh«, gamba/AP jma

( < *gamba) »Bein«, gi/AP jl ( < *gl) »Hahn«, xavl/AP cavai »Pferd«, tnt/AP

tnt »so viel«, al xnta/AP al cuta »er singt«, gt/AP jt »Katze«, bS/bs »nieder«,

brth/AP brtS »Arm«,///APfit »Tat«, »gemacht«, usw. Eine Längung jüngeren Da¬

tums ist in AP bei 1+Kons. oder Nasal+c/g eingetreten, wie bereits erwähnt wurde:

bla:nca, bla:ne, (jedoch blhk »weiß«), St:riga »Stange«, c.it »warm«, usw.

a wird zu e z.B. in ega/AP é:ga »Wasser« oder wenn der Vokal von r+Konsonant ge¬

folgt wird (schwache Konsonantengruppe, siehe oben!), z.B. brba/AP b.rba »Onkel«,

erde/AP v.rde »brennen«, pert/AP pe:rt, lrk/AP l.rk »breit«, usw.

1.5. [avanti gruppo consonantico (etimologico) debole conservato o ridotto] z.B. pere/AP

pé.re »Vater«, megre/AP mé.ger »mager«, usw.

1.6. [nei suffissi] z.B. -ARIU > -er/AP -, PI. -:s; -ARIA > -ra/AP -:ra. Das Ausblei¬

ben der Palatalisierung des : in AP erklärt sich durch den dokumentierten und relativ

spät erfolgten Übergang von -jr(a) zu -:r(a ), zu einer Zeit, als der erwähnte Lautwan¬del scheinbar bereits abgeschlossen war (41).

2. [/ latino, lungo]:

2.1. [in posizione forte] z, z.B.////APfi »Faden«, radiS/AP rai.S »Wurzel«, al vf/AValv:(r }

»er lebt«, al diS/AP al di:S »er sagt«; außerdem die Nennformen auf -z'/AP -z.

Auch hier wird in AP die Länge des Vokals wieder hergestellt, wenn er gedeckt ist, wie

z.B. im PL: fi »Faden«, Pi.fi.s. Hingegen ist der kurze Tonvokal im Mittelwort der Ver¬

gangenheit der IV. Konjugation auf die Unbeständigkeit des Endkonsonanten -t

zurückzuführen, der häufig weggelassen wird: AP z dorm — i dormii »ich habe ge¬schlafen« .

2.2. [in posizione forte, prima di nasale finale] /, z.B. fin/APßh, lih/AP Uh, ph/A P pihk(mit homorganer Epithesis), vih/AP vzVz, usw.

2.3. [in posizione debole, sillaba libera] z, z.B. dendva/AP zohzia »Zahnfleisch«, Spina/AP

Spina , Impf, -iva/AP -ia, beSiga/AP veSia »Blase«, fadiga/K? fadia , usw. Ausnahmen

bilden AP l.ma »Feile«, ri:ma »Gedicht«, Sti:ga »Stiege«, ri:sa »Strich« als relativ spät

eingedrungene Entlehnungen.

2.4. [in posizione debole, sillaba chiusa] z, z.B. Skrit /AP Skrit »geschrieben«, dt /AP dt »ge¬

sagt«, fa/AP ßa »Tochter«, novith/AP nü.tS ( < *nuitS) »Bräutigam«, thihk/AP tsihk»fünf«, VZ/Z //AP vint »zwanzig«, kwindeS/AP kineS »fünfzehn«, usw.

wenn auch etwas weniger häufig - im übrigen Ga-

dertal) sowie in Erto ist - wie die Beispiele zeigen -nach der Bildung der Opposition zwischen langen

und kurzen Vokalen eingetreten. Analoge Fälle

für Friaul finden wir beispielsweise in Pau-

lär/Paularo, im oberen Cellina-Tal (Claut. Barcis,

Cimolis, und auf -t beschränkt auch in Giais,

Montreal /Montreale-Cellina und San Linärt/

San Leonardo-Cellina). Vgl. G. Francescato:

Dialettologia friulana, cit., S. 25-26, 389.

41) Außer in Frto haben wir in folgenden friaulischen

Orten den Übergang von a: zu e: - der teilweise zu¬gunsten des a: Zentralfriauls schon in Rückbil¬

dung begriffen ist: Luvie/Lova, Dimpónz/Im-

ponzo, Dartigne/Artegna, Magnan/Magnano in

Riviera, Reclüs/Racchiuso und Sezze/Sezza. Vgl.

G. Francescato: Dialettologia friulana, cit., S.

386ff., 347ff., 346f„ 342ff.; G. Marchetti: Linea¬

menti di grammatica friulana, cit., S. 47. C. Batti¬

sti: Appunti sul friulano alpino, in RSFF V

(1924), S. 11 (Sonderdruck); L. Gortani: La par¬

lata friulana, in G. Marinelli: Guida della Carnia

e del Canal del Ferro, Tolmezzo 1924-25, S. 76.

86

3. [ latino, lungo]:

3.0 Lat. langes U setzt sich in AP - wie auch im übrigen Gadertal - als ü (bzw. daraus ent¬standenes ö) fort. Für C. Battisti und J. Kramer (42) ist dieses ü erst eine relativ jungeErscheinung, die - nach Meinung Battistis - von der deutschen Mundart des Pustertalesausgegangen sein soll. Ich glaube hingegen eindeutig beweisen zu können, daß das ü ur¬sprünglich in allen Sellatälern vorhanden war, sich jedoch nur mehr im Gadertal erhal¬ten hat, und zwar dank der Monophthongierung des Diphthonges ow zu w, die die Pho-nologisierung des ü zur Folge hatte:

I. Phase:

/ i / ~ / [ ü 7 / + / ow /

AP / rai:s / / [mü:r] / / krows /

II. Phase:

/ i / ~ / ü / ~ / u /

AP / rai:s / / mü:r / / krü:s /

Aber auch in Friaul und im Cadore glaube ich das Vorhandensein eines früheren [ü] an¬nehmen zu müssen; nur so können gewisse Erscheinungen in der Lautentwicklung inbefriedigender Weise erklärt werden. Es ist jedoch in diesem Rahmen nicht möglich, nä¬her darauf einzugehen.

3.1. [in posizione forte] , z.B. dr/AP dü:r »hart«, miir/AP mü:r »Mauer«, segr/AP segü( < *segü:r) »sicher«, skr/A? skü.r »finster«, kl/AP kü ( < *kü:lj »Gesäß«, krfAPkrü ( < *krü:t ) »roh«, beln/AP endesnü ( < *ehdeSnü:t) »nackt«, palk m./AP parü m.( < *palü:k ) »Sumpf«, Mittelwörter der Vergangenheit auf -/AP -ü.

3.2. [in posizione forte, prima di nasale finale] , z.B. h/AP ön ( < * ün),fim/AP föm(< *füm) »Rauch«, »Seil«, grhfAP gröm ( < *grüm) »Menge«, lh m./AP löm f.( < *lüm) »Licht«, usw.

3.3. [in posizione debole, sillaba libera] , z.B. s/AP sö ( < *sü) »auf«, »hinauf«, t/AP tö»du«, una/AP öna, kna/AP köna »Wiege«, luna/AP löna »Mond«, a/AP öa»Weintraube«, 1" isda/AP aiSöda »Frühling«, al stda/AP al destöda »er löscht aus«,al starnda/AP al Stranüda »er niest«, usw.

3.4. [in posizione forte, sillaba chiusa] , z.B. djh/AP zun »Juni«, ndeS/AP önes( < *ündes) »elf«, frt/AP früt »Frucht«, St/AP asöt »trocken«, usw.

4. [e latino, breve ( del latino volgare)] :

4.1. [in posizione forte] , z.B. ml/AP mi ( < *mel) »Honig«, diäsfAP dies »zehn«,intriäk/AP entier »ganz«, thiäl/AP tsi ( < *tsiel) »Himmel«, siä/AP si:s ( < *sies)»sechs«, usw.

42) Vgl. Note 21.

87

Unregelmäßig ist in AP der Sg. pe »Fuß« (Erto piä); der PI. ist hingegen wieder regel¬

mäßig: AP pi:s ( < *pies% Erto piä.

4.2. [in posizione forte davanti nasale finale] ej , z.B. bejh/AP bh »gewiß? schon?«, al

tjh/AP al téh »er hält«, al vjh/AP al véh »er kommt«, usw. Der Diphthong von Erto

muß jüngeren Datums sein, »in quanto tocca tutte le e davanti nasale, di qualsiasi ori¬gine« (43). AP jedenfalls weist zur Gänze die typischen Merkmale des oben beschriebe¬

nen Diasystems auf.

4.3 [in posizione debole, sillaba libera] é, , z.B. médekjAP mdo (<*méde <*mjédek)

»Arzt«, stfeh/AP Stfo ( < *Stjéfuh) »Stephan«, usw. Die vorhandene Kürze des Vokals

würde an sich genügen, aber aus den in Note 26) angedeuteten Gründen glaube ich, die

Formen zusätzlich noch von einem steigenden Diphthong ableiten zu dürfen.

4.4. [in posizione debole, sillaba chiusa] iä, z.B. piäteh ( < *pjéteh)/AP pjéto ( < *pjteh)

»Kamm«, pt/AP pjét »Brust«, al spiäta/AP (dé a) spjéta »auf Kredit verkaufen«, usw.;

ferner mit in AP: fiäSta/AP fsta »Fest«, piätha/AP petsa »Tuch«, u.a.m. Daß er-

tanisch iä aus jé entstanden ist, beweist u.a. das Ergebnis von PLENU > piäh, f. piäna.

Hingegen haben wir in beiden Ortschaften: bi/AP bi »schön«, pel/AP pel »Haut«,

set/ AP set »sieben« (44), bspa/AP spa »Wespe«, ihfr/AP lohfr »Hölle«, usw.

Die nun folgenden Beispiele von AP verdanken die Länge des Vokals der schwachen

Konsonantengruppe (s. oben!): ihvr/AP dihv.rn »Winter«, rba/AP e:rba »Gras«,

nrf/AP n.rf »Nerv«, thrf/AP tfe.rf »Hirsch«, mrda/AP m.rda »Kot«, prde/AP

p.rde »verlieren« usw.

Vor primär oder sekundär gedecktem Nasal:

a) bei einem in AP geschwundenen primären Deckkonsonanten oder bei erhaltenem

sekundärem Deckkonsonanten; djndre/AP 1~ fender »Schwiegersohn«, tjndre/APtnder »weich«, vjndre/AP véndres »Freitag«, tjnde/AP tne »aufhängen« (Wäsche),

merjnda/AP marna »Mittagessen«, usw.

b) bei erhaltenem primärem Deckkonsonanten: djnt/AP znt »Leute«, thjnt /AP tSdnt

»hundert«, ardjnt/AP ariönt »Silber«, vjnt/AP ont »Wind«, kontjnt/AP ehkontnt»zufrieden«, al devjnta/AP al dnta »es geschieht«, al pjnSa/AP al pusa »er denkt«,djnS/AP dóni »Zahn«, -MENTU > -mjnt/AP -mnt, -MENTE > -mjntre/AP-mónter, usw.

AP spiegelt genauestens die Eigenheiten des für Friaul geltenden Diasystems wider.

Erto hingegen zeigt fallenden Diphthong, was aber - da es sich um eine stellungsbe¬

dingte Diphthongierung (vor Nasal) handelt - nicht schwer ins Gewicht fällt; es Findetübrigens eine Parallele im mittleren und oberen Gadertal bei Vorhandensein einessekundären Deckkonsonanten: SM zjnder/L\ zjnder, SM tjnder/ LI tjnder, SM

vjndres/ LI vjndres. Vgl. auch 5.4. und Note 45!

4.5. [davanti gruppo consonantico debole]: Wir haben bereits die Beispiele von ihvr/AP

dihv.rn »Winter« usw. gesehen. Man vgl. auch liägre/AP li.ger ( < *lieger) »frohge¬

mut«.

43) G. Francescato: Il dialetto di Erto, cit., S. 505. 44) Vgl. Note 26.

Vgl. hier 4.4, 5.2 und 5.4.

88

i

Christian Schneller (1831-1908), der bereits 1870 mit Entschieden¬

heit behauptet: »Wir haben somit einen eigenen friaulisch-ladi-

nisch-churwälschen Kreis als selbständiges, wenn auch nie zu einereigenen Schriftsprache gelangtes, ja nicht einmal vom Bewußtseineines inneren Zusammenhanges charakterisiertes Hauptgebiet der

romanischen Sprachen vor uns.« f»Die romanischen Volksmundar¬

ten in Südtirol«, S. 9).

89

5. [ ed 7 lat. (é del latino volgare)]

5.1. [in posizione forte] éj, j, z.B. fejf/AP séj »Talg«, vjr/AP véj »wahr«, njf/AP néj»Schnee«, al vjk/AP al véjk (neben häufigerem al véjga) »er sieht«, pjs/AP péjs »Ge¬wicht«, azéj/AP azéj »Essig«, al krj/AP al kréj »er glaubt«, rj/AP réj »Netz«,podéjfAP podéj »dürfen«, mjs/AP mens »Monat« (wegen Erhaltung des Nasals; imübrigen Gadertal hingegen SM mjs, LI mjs).

5.2. [in posizione forte, prima di nasale] j, z.B. ljh/AP léh »Holz«, pjh/AP péhk (mit ho-morganer Epithesis) »Pfand«, Sarjh/AP saréhk (Epithesis) »heiter«, tarjh/AP taréhk»aper, schneefrei«, usw. AP respektiert genau das »friaulische« Diasystem. Auch SMund LI haben den Zwielaut in pjhk/pjhk. Über den ertanischen Diphthong vgl. 4.2.und 4.4.!

5.3. [in posizione debole, sillaba libera] é, z.B. Séra/AP sera »Abend«, téla/AP tra»Webe«, xandéla/AP candra »Kerze«, beStéma/AP blaStma »Fluch«, théna/AP tSna»Abendessen«, xadéna/AP cadna »Kette zum Aufhängen der Pfannen«, SédeS/APsdeS »sechzehn«, séda/AP seda »Seide«, monéda/AP monda »Münze«, fémena/APfómena (-Ó- wegen des Einflusses des Labiodentals) »Frau«, usw.

5.4. [in posizione debole, sillaba chiusa] é, z.B. vért/AP vrt »grün«, marevéa/AP morvéja»Wunder«, théa/AP tséja »Augenbraue», SpéS/AF Sps »dicht«, théSt/AP tSSt »Korb«,drét/AP drt »richtig«, kél/AP kl »jener«, Sorége/AP sorédl »Sonne«, réga/AP orédla»Ohr«. Vor gedecktem Nasal haben wir in Erto wieder den Diphthong, in AP immerden kurzen Vokal, z.B. sfejnde/AP Sfene »spalten«, vjnde/AP véne »verkaufen«,defejnde/AP defrte »verteidigen«, usw.; ferner bei auch in AP erhaltenem Deckkonso¬nanten: Strjnde/AP Strnie »zusammendrücken«, Strjnt/AP Strnt »eng«, usw.; hinge¬gen trénta/AP trnta »dreißig« und ljhga/AP léhga »Zunge« (45).

5.5. [davanti gruppo consonantico debole] j, z.B. denjvre/AP iener »Wacholder«, pj-gre/AP p.ger »langsam« (46).

6. [ö breve lat. ( del latino volgare)] :

6.1. [in posizione forte] w, z.B. a) bei -k, -f : fwk/AP fü ( < *füek) »Feuer«,lwk/AP lü ( < *lüek) »Ort«, nwf/AP nö ( < *nü < *nüef) »neu«, al piwf/AP al pio:»es regnet«; PI. in AP fü:s, lü:$, nö:s.b) bei -r : kwr/AP kö:r ( < *küer) »Herz«, al wwr/AP al mö:r ( < *müer) »er stirbt«,usw. c) bei -/ : -wl/AP -ó < -EOLU, pi. -ó:s; al dwl/AP al dó: »es schmerzt«, alvwl/AP al ó: »er will«, usw.Beim Zeitwort erhält sich in AP die ursprüngliche Vokallänge, auch wenn die Lenis amWortende gefallen ist.

6.2. [in posizione forte, prima di nasale finale] a, ó, z.B. ah/AP óm »Ehemann«, toh/APtön »Donner«, bóh/AP bh »gut«, usw.

6.3. [in posizione debole, sillaba libera] , ó, z.B. a) vor Nasal: al Sona/AP al sona »er läu¬tet«, al tona/AP al tona »es donnert«, usw.b) in allen anderen Fällen: fora/AP fora »hinaus«, ndra/AP T nra »Schwiegertoch¬ter«, roda/AP roda »Rad«, kdla/AP kla »Leim«, usw.

45) Bei diesem Beispiel finden wir auch im mittleren 46) Im unteren (Enneberg-Pfarre und AP ausgenom-und oberen Gadertal den Zwielaut: SM ljhga, LI men), mittleren und oberen Gadertal mit Diph-ljhga. thong, z.B. SM péjger, LI pjger.

90

6.4. [in posizione debole, sillaba chiusa]: z.B. a) vor -/c+Kons.: nat/AP net ( <

* nöt < *nwét) »Nacht«, kaSa/AP ksa ( < *kösa < *kwésa) »Schenkel«, kat/AP köt

( < *kwét) »gesotten«, wage/AP ( < *o*// < *wégl) »Auge«, pedage/AP pjédl »Laus«,

usw. Hingegen atfAP r »acht«. b) vor -/7'-: faja/AP féja ( < *föja <*fwéja) »Blatt«,aja/AP véja ( <*vöja <*vwéja) »Lust«, strafj/AP traféj »Klee«, ali/A?

( <*öle < *wéle) »öl«, usw. (47). c) vor Nasal + stimmhaftem Kons.: (a)respónde/APrespóne ( < *respójnde, ansonsten ließe sich der palatale Nasal nicht erklären!) »antworten«,usw. Der fallende ;Diphthong in AP war kombinatorischer Natur (vgl. auch AP askóne »ver¬

stecken«) und stellt somit unser Diasystem nicht in Frage. d) vor Nasal + stimmlosem

Kons.: kontra/AP kntra »gegen«, mónt/AP mnt f. »Alm«, pónt/A? pnt »Brücke«,ljhk/AP lhk »lang«, usw. Vielleicht erklärt sich auch das u durch einen früheren Diph¬

thong wie unter c). e) vor r + Kons, (schwache Konsonantengruppe!): frfes/AP fó:rfes»Schere«, krffAP k:rf »Rabe«, mrde/AP mó:rde »beißen«, kwatrdes/AP kató:rdes

»vierzehn«, prta/AP pó:rta »Tür«, mrt/AP mó.rt »Tod«, »tot«, trt/AP tó.rt »Unrecht«,stört/AP stó.rt »schief«, rdi/AP ó.rde »Gerste«, frtha/AP fö:rtsa »Kraft«, skrtha/APskó.rtsa »Rinde«, usw. Hingegen krp/AP krp »Körper«. f) vor -/ (< -LL!): kl/AP

k:l »Hals«, »Hügel«, ml/AP m:l »naß«, al tl/AP al t:l »er nimmt«,/*-)//AP/0.7 »Leder¬sack«, »Blasebalg«, usw. g) in den anderen Fällen: ksta/AVksta »Bergrücken«, S/AP

s »Knochen«, gros/AP gros »umfangreich«, scópa/AP Slop »Gewehr«, usw. AP respektiert

wieder genau die Normen des Diasystems. Sogar nach erfolgter Monophthongierung ist der

Vokal kurz: vgl. a), b), c)! Die Länge bei e) ist normal (s. oben!). Die einzige Ausnahme

scheinen die unter f) angeführten Beispiele darzustellen; da es sich in diesem Falle aber um

eine kombinatorische Länge handelt, fällt sie nicht ins Gewicht.

7. [ö e ü lat. (0 del latino volgare)]:

7.1. [in posizione forte] w, z.B. -wr/AP - ( < *-wr) < -ORE, fjwr/Jl ( < *flowr)

»Blüte«, wr/AP :r »Rand«, kwl m./AP k ( < *kowl) »Milchseihtrichter«, /w//AP

Ii) »Wolf«, kwl f./AP k ( < *kwt) »Wetzstein«, dwf/AP z »Joch«, ws/AP :s

(<*ßowsj »Stimme«, krwS/AP kr:s »Kreuz«, usw.

Der PI. in AP: -:s, fl:s, k:s, l:s, z:s.

7.2. [in posizione forte prima di nasale finale] ó, z.B. -o7z/AP -h < -ONE, ph/AP póm»Apfel«, paóh/AP paóm »Pfau«, usw.

7.3. [in posizione debole, sillaba libera] 0, z.B. al skóa/AP al skóa »er kehrt«, al larafAP allaóra »er arbeitet«, kóda/AP kóda »Schwanz«, kóa/AY> kóa »Nest«, flg. »Bett«, belato¬la/AP sóra »allein« f., dódeS/AP dódes »zwölf«, usw.

7.4. [in posizione debole, sillaba chiusa]: a) vor Nasal + (auch in AP erhaltenem) Kons.:

ónt/AP nt »Fett«, ónga/AP andla »Nagel«, Sonda/AP shza »Schmer«, usw.b) vor Nasal + (in AP geschwundenem) Dental: ónda/AP óna »Welle«, mónt/AP món»Welt«, usw. c) vor r + Kons, (schwache Konsonantengruppe!): fórxa/AP f:rca»Mistgabel«, órS/AP la.rs f. »Bär«, A:ó^/AP k:rt »Hof«, ort/AP :rt »Garten«( < *HÖRTU),/or/APf:rn »Ofen«, usw. Hingegen fórma/AP fórma »Form« (zumin¬dest in AP eine Entlehnung). d) vor / + Kons, (schwache Konsonantengruppe!):

deskólth/AP desk:lts »barfuß«, dólth/AP d:ts »süß«, mólde/AP m:ze »melken«, al

47) G. Francescato schreibt in: Il dialetto di Erto, cit.,

S. 506, von einem »notevole gruppo di parole« mit

a, bringt jedoch keine Beispiele in seiner Dialet¬

tologia friulana, cit., S. 266. Meine Sujets hinge¬

gen (siehe Note 38) kennen nur Beispiele mit Beto¬

nung auf dem ersten Bestandteil.

91

skólta/AP al skta »er hat zu reden aufgehört«, usw. Für die Kürze des Vokals im letz¬ten Fall vgl. Note 31! e) in den übrigen Fällen ó, z.B. rós/AP rós »braun«, tos/AP tós»Husten«, boxa/AP bóca »Mund«, al móstra /AP al móstra »erzeigt«, sót /AP sót »un¬ter«, bólp/AP ólp »Fuchs«, mósa/AP mósa »Fliege«, usw.

Wiederum befolgt AP genau den vom Diasystem vorgezeichneten Weg. Die unter c) und d)angeführten Beispiele stellen wegen ihrer Vokallänge nichts Außergewöhnliches dar (schwa¬che Konsonantengruppe).

4.1. Die Mundarten der übrigen Sellatäler und das Friaulische

Aus dem bisher Dargelegten ist also klar ersichtlich, daß die Mundart von AP dasselbe Dia¬system aufweist wie das Ertanische und die übrigen friaulischen Mundarten. WennG. Francescato trotzdem zu den oben zitierten irrigen Feststellungen gekommen ist, dannwohl aus folgenden Gründen: 1. wegen der nicht sehr zuverlässigen Materialien, die ihm zurVerfügung gestanden sind (48); 2. wegen der Falle, die durch den Übergang von langem : zu: in Groden, Fassa und Buchenstein gegeben ist und die z.B. in den auch auf S. 77 unter a)angegebenen Formen deutlich zutage tritt. Vergleicht man vor allem die Ergebnisse vonCASA und -ATA,könnte man auf den ersten Blick tatsächlich zu dem Schluß kommen, daßdie Entwicklung des Vokalismus in den genannten drei Tälern - mit einer kleinen Einschrän¬kung für Buchenstein - einfach nach lateinischer offener und geschlossener Silbe vor sich ge¬gangen sei und nicht nach der Formel, die sowohl für Friaul als auch für Erto und EnnebergGeltung hat. Daß es sich aber dabei um eine Täuschung handelt, wird besser verständlich,wenn man zunächst einmal die Lage in SM und LI in die Betrachtung miteinbezieht.

4.2. Bereits an den Ergebnissen von CASA und -ATA ist aufgefallen, daß das a von APbezüglich der Vokalquantität nicht immer mit dem von SM und LI übereinstimmt.Hier aber noch kurz der Beweis für die Relevanz der Vokalquantität in beiden Ortschaften:

SM:

/~:/ óra »sie« (unbetont) ~ :ra »Flügel«, »Tenne«; usw.

/ / ist nicht als phonologisch relevante Länge realisiert.

/~:/ t »dich« (betont) ~ t: »Tee«; »Biene ~ al-e: »er war«; usw.

/é~é: / hier gilt, was bereits für AP gesagt worden ist; kurz ausgesprochen werden z.B.pé »Fuß«, pédja »Fußstapfe«, usw.; lang: é:ga »Wasser«, sé.gra »Kirchtag«,usw.

mra »Negerin» ~ mö.ra »Mühlstein«, usw.

/w~w;/ ks (Ruf zum Antreiben der Kühe) ~ al k:S »er näht«; usw. Im übrigen gilthier, was bereits oben für AP gesagt worden ist.

/ó~ó:/ rós »braun« ~ ró:s »Rohre«; al tSóla »er bindet« ~ la tSó:la »Zwiebel«; usw.

/m~w:/ müs »Esel« ~ mü:S »Gesichter«; usw.

/ö~ö:/ köc »gekochte« (m. PI.) ~ T kö:c (49) »Köche«. Im übrigen siehe oben AP!

/ /—/.*/ piS »Harn« ~ pi:S »Füße«; usw.

48) Vgl. Note 18! 49) Vgl. Note 22!

92

LI:

/a ~ a: / al mt »er stellt« ~ m:t »dumm«; sk »dürr« ~ s:k »Sack«; usw. Alle unter SM

angeführten Minimalpaare und Wortbeispiele für / ~:, é~é:, ~:, ~:, ó~ó:, ü~ü:, ö~ö:,~: / haben auch für LI Geltung. Allerdings darf nicht vergessen werden, daß sich die Quan¬

titätsverteilung beim Phonem /d/ sehr oft von der in SM unterscheidet; es gibt wirklich nur

ganz wenige Wörter in LI, die kurzes /0/ bewahrt haben, wie z.B. mra »Negerin«, tts

»Klaps«, t »dein«.

Im allgemeinen kann man feststellen - natürlich nicht auf Grund der obigen knappen Dar¬

stellung -, daß die Quantitäten des a von AP immer häufiger abweichen, je weiter man ins

Gadertal hinaufkommt. Dasselbe tritt auch beim offenen und ein, die im Gegensatz zu

der uns bekannten Formel sehr oft (wie in SM) oder fast ausschließlich (wie in LI) lang sind,

also :, ():. Man vergleiche dazu folgende - zum Teil bereits bekannte - Beispiele:

/a/ SABBATA ANNU FACTU CABALLU MANU MANDIUAP sbeda ein ft cav mh mnts PI. mnts

SM s:b(e)da :n ft cav:l mh mnts V\. mnts

LI s:b(ejda :n f:t cav.I mh mnts PI. mnts

Im Oberbadiotischen ist der Längungsprozeß des // bereits ganz vollzogen; nur die Stellung

am Wortende (z.B. m »Mai«) oder bestimmte Konsonanten oder Konsonantengruppen (-h,

-nts, -nts) (50) erlauben keine Längung; auch im Affekt verwendete Ausdrücke können von

der Längung ausgenommen sein, z.B. stlf »Klaps« (51). SM gleicht sich allmählich LI an,während AP nicht davon berührt wird.

Von dieser Längung ausgenommen ist nur das offene am Wortende: SM und LI t < TA¬LE, usw.

3. /o/ OCTO COSTA SCLOPPU SORTE BROCCA CORPUSAP dt ksta slp srt brca krpSM t k:sta stlp s.rt brca k:rp

LI :t k:sta stl:p s.rt br:ca k.rp

Auch in diesem Fall hat sich in LI der Längungsprozeß durchgesetzt; nur die Stellung am

Wortende (t »dein«, kil »hier«), verhältnismäßig junge Entlehnungen (mra »Negerin«)

und im Affekt verwendete Ausdrücke (tts »Klaps«) (51) können wiederum von der Längungausgenommen sein. In SM bahnt sich der Wandel, ähnlich wie bei a, erst allmählich an, wäh¬

rend AP von dieser Neuerung wiederum nicht berührt wird.

50) Langes a: vor nts kann nur eintreten, wenn die Af- bl:fic>bl:nts. Vgl. Note 17.

frikata - wie das bei einzelnen Sprechern bereits 51) Vgl. Note 31!

der Fall ist - aus c entstanden ist, z.B.

93

Die zwei oberen Vokalordnungen hingegen

folgen - abgesehen von vereinzelt auftretenden Ausnahmen - auch in SM und LI genau

der AP-Formel für die Quantität. Hier nur einige Beispiele:

Da also in SM und LI (und auch in allen anderen benachbarten Ortschaften des Tales) nur

bei den unteren Vokalen eine Unregelmäßigkeit eintritt, liegt es auf der Hand, daß in diesemTeilsystem ein störendes Element war bzw. dort, wo der neue Prozeß erst langsam angeht,

wie in SM, noch sein muß. Dieses störende Element ist meiner Meinung nach im Phonem //gegeben, das heute noch in SM ein fester Bestandteil des Vokalsystems ist (SM stra »Stern«~ stara »starr« (f.); tra »Webe« ~ te.ra »Erde«; almt »er stellt« ~ möt »Knabe«; tt »Dach«~ tt »Pate«; usw.) und sich folgendermaßen ins System einordnet:

u u i: u: u:

ö ó é: ö: o:\

e

+ Diphthonge : : + Diphthonge

a:

Dabei ist zu bemerken, daß /e/ im Gegensatz zu allen übrigen Phonemen, die lang oder kurz

sein können, wie bereits erwähnt, immer nur kurz ist.Nun können fünf Phoneme in einer Vokalserie wegen des verhältnismäßig kleinen Sicher¬

heitsabstandes (52) zu einer kritischen Situation führen, vor allem, wenn zusätzlich eine dop¬

pelte Asymmetrie vorliegt: 1. das Fehlen eines langen /e/ und 2. das Fehlen eines entspre¬

chenden Phonems in der velaren Serie.

52) Über den Sicherheitsabstand vgl. A. Martinet: S. 40f. (§2.11-13), 42 (§2.15), 44 (§2.17), 46 (§2.20),

Economia dei mutamenti fonetici, Torino 1968, 51 (§2.27-28).

94

In AP ist früheres zu und teilweise auch zu bzw. übergegangen: *stla > Stra»Stern« ,*sgla > sdia »Eimer« ,*vnt > <)nt »Wind«, usw. (53).

In LI hingegen wurden scheinbar in einer ersten Phase die Phoneme /, , o/ des Teilsystemsder kurzen Vokale gelängt, damit sie sich vom immer nur kurz vorkommenden /ej besser

unterschieden. In einer zweiten Phase rückte dann /'/ in die fast gänzlich frei gewordeneLücke des kurzen /f nach; dieser Prozeß ließe sich etwas vereinfacht folgendermaßen dar¬stellen:

I. II. III.

e

oo \ o o oo

\e e

\(<)

(früher) (heute in SM) (heute in LI)

Man vergleiche dazu die folgenden Beispiele:

ILLA SERA *STELA VENTU -ETU

séra stra nt -éj

sera stra vnt -j

sra stra vnt -j

Abweichungen von dieser Regel sind mir nur bei besonders affektbetonten Ausdrücken be¬kannt, z.B. LI al st d:r ri: »er ist sehr böse gewesen«; normal würde man hier nur dar

( < DIRECTU) erwarten (54).

Innerhalb dieses Prozesses befindet sich SM hingegen erst am Anfang der für LI festgestell¬ten ersten Phase: es hat einzelne Längungen bereits durchgeführt, das Phonem /é'/ ist jedochnoch unversehrt (55).

53) Man lasse sich nicht von der seit 1970 offiziellen

Schreibweise irreführen, die aus Gründen der Ein¬

heitlichkeit auch für Enneberg das Graphem vor¬

schreibt. Vgl. L. Craffonara: Regoles de grafa,

Porsen 1970.

54) Vgl. Note 31!

55) Ganz anders wird der gadertalische Vokalismus in

G. Plangg: Sprachgestalt als Folge und Fügung,

cit., dargestellt. Plangg hält sich, wie er auf S. 1

schreibt, hauptsächlich an den Wortschatz einer

Familie in LI; auf den ersten 25 Seiten sind aber

allein schon hinsichtlich der Qualität und Quanti¬

tät der Vokale über 30% der Transkriptionen

falsch. Da sich die Behandlung des Vokalismus in

erster Linie auf die Vokalquantitäten konzentriert,

müßte zunächst einmal die Ausgangsbasis revi¬

diert werden.

95

4.3. Auf Grund obiger Ausführungen kann nun meiner Meinung nach auch jenes Haupthin¬

dernis beseitigt werden, das sich der Sicht einer diasystematischen Einheit zwischen der

friaulisch-ennebergischen Gruppe und den Varianten der Sellatäler in den Weg gestellt hat:nämlich die scheinbar mit unserer Diasystemformel nicht übereinstimmende Behandlung derin der Zwischenzeit verlorengegangenen, aber noch immer am Wandel von a > e erkennba¬ren einstigen Vokallänge in den Tälern Groden (56), Fassa und Buchenstein. Am gadertali-schen Vokalismus ist ersichtlich, daß der durch das Zusammentreffen von fünf Phonemen inder vorderen Vokalserie bewirkte zu geringe Sicherheitsabstand eine Entwicklung ins Rollengebracht hat, die in der unteren Vokalgruppe zu Quantitätsunterschieden gegenüber dem

Ennebergischen geführt hat.Dieselbe Entwicklung, die sich in LI und Umgebung erst nach dem Wandel von : zu : voll¬

zogen hat und sich gegenwärtig in SM und Umgebung zu vollziehen beginnt, muß zur Zeitder Palatalisierung des a: im oberen Fassatal fast abgeschlossen, in Groden und in Buchen¬

stein bereits im Gange gewesen sein. Dies wird an der angeführten Auswahl von Beispielen

klar (man vergleiche dabei vor allem CC mit LI!):

Auf S. 15 werden phonologisch relevante

Vokallängen nachgewiesen, die dagegen später

weitgehend als Ersatzdehnung u.a.m. erklärt wer¬

den.

Konkret schaut das z.B. folgendermaßen aus:

S. 19: lüneX (richtig!) »Montag« würde zu lü:nS

(falsch!), kóne »Keil« zu kó:n (falsch!), pere

(falsch!) »Vater« zu p:r, tiSre (falsch!) »Weber«

zu tife:r, usw. Folgerichtig abgeleitet - aber falsch

- auch gadertal. dlizia »Kirche« (es gibt nur dli.fja.

ausgenommen Calfósch/Colfuschg dl.fa), mar.

hingegen dli.fa (richtig: dli.zja!), usw.

Planggs Quantitäten stimmen wohl fast immer

mit seiner Theorie überein, aber sehr oft nicht mit

den tatsächlichen sprachlichen Gegebenheiten.

Dazu kommt noch, daß Plangg nicht selten wider¬

sprüchliche Transkriptionen bringt (bei einer

Druckerei wie Niemeyer/Tübingen sind wohl

Druckfehler auszuschließen), z.B. S. 15 ró: - S. 52

ró\ S. 22 kö.sa - zwei Zeilen später kösa; S. 22

obad. liö.za - S. 24 liöza; S. 24 zia - S. 45 l.zia),

wobei das in Klammer gesetzte und richtig tran¬

skribierte Wort scheinbar als Ausnahme interpre¬

tiert wird: S. 10 éga - S. 52 é:ga; S. 31 k:l (richtig)

- hingegen S. 8 fünfmal mit geschlossenem Vokal;

S.46 pra »Wiesen« (richtig) - S. 52 pra: (falsch!); S.

18 bu:r lmp - S. 13 bur tätnp; das Phonem // in

LI scheint bei Plangg bald als ä, bald als , bald als

auf (z.B. S.18 lmp. S. 13 tämp, S. 19 doménia

und dumra); /e/ taucht sogar in Enneberg auf,

wo es längst verschwunden ist (z.B. S. 19 mar. do¬

ménia; richtig doméra), was übrigens Plangg z.B.

auf S. 34 bekannt zu sein scheint.

Die einzige mir bekannte Besprechung aus der Fe¬

der von J. Kramer (in »Der Schiern« 47/1973, S.

498f.) bemängelt lediglich den schwer verständli¬

chen Stil, die relative Kürze im Verhältnis zum be¬

handelten Thema sowie den »dramatischen« Titel.

Ansonsten eröffne uns Planggs Buch - immer laut

Krämer - »in einer gut dokumentierten Art zahl¬

reiche Einblicke in das System des gadertalischen

Dialekts«.

Auf Grund der genaueren Durchsicht muß jedoch

gesagt werden, daß eine wissenschaftliche Aus¬

einandersetzung mit genanntem Werk in eine

Sackgasse führen muß.

56) Im Gegensatz zu G. Planggs Meinung in: Sprach¬

gestalt. cit., S. 15, Note 22, der E. Urzi kritisiert,

wenn sie in ihrem Artikel: Analisi fonematica della

parlata di Ortisei (in »Quaderni«, Bologna VI,

1961, S. 69-87) mit Recht keine relevanten Vokal¬

quantitäten für UR angibt. Auf S. 52 derselben

Arbeit bringt Plangg für Groden la bela c.zas mit

langem a: ; richtig heißt es aber la bela tSzes!

96

Der Umstand, daß hauptsächlich in der ladinisch-venezianischen Amphizone (56a) die Pala-talisierung des früheren langen *: mehr oder weniger nur in Umgebung von Palatallautenerfolgt ist, findet ihre Erklärung in der Tatsache, daß sich ein Lautwandel im Anfangssta¬dium oft nur als kombinatorischer oder stellungsbedingter Lautwandel vollzieht und sicherst allmählich allgemein durchsetzt (57).

Zusammenfassend können wir also sagen, daß Enneberg, wo das Phonem bereits sehr frühin , é bzw. o verwandelt worden war, zur Zeit der Palatalisierung des langen : (spätestensim 14. Jh. (58)) keine Störung in der unteren Vokalgruppe aufwies; aus diesem Grunde hat esdieselben Quantitätsverhältnisse, wie sie heute in den meisten friaulischen Ortschaften gege¬ben sind bzw. sich für Erto und andere friaulische Ortschaften rekonstruieren lassen. Nachdem Ende der Palatalisierungsperiode des langen : sind in Enneberg nur mehr einige kom-binationsbedinste Längungen entstanden und Verkürzungen in absoluter Endstellung einge¬treten: vgl. S. 78ff.Aber auch im mittleren und oberen Gadertal herrschten zur Zeit des Wandels von : zu :noch dieselben Verhältnisse wie in Enneberg und Friaul. Erst nach dem Ende dieser Lautver¬schiebung begann dann auch im Gadertal der sekundäre Längungsprozeß; ansonsten müßtenwir heute z.B. im oberen Gadertal ähnliche Ergebnisse finden wie im oberen Fassatal.Ungefähr eineinhalb bis zwei Jahrhunderte später als in Enneberg und im Gadertal setztedann der Wandel von c): zu : in den anderen Tälern ein (59); in diesem Zeitraum - wennnicht sogar schon früher - konnte sich das ursprünglich kurze verlängern (in einzelnenFällen in Groden und Buchenstein: vgl. heute SM im mittleren Gadertal; oder in vielenFällen im oberen Fassatal: vgl. dazu das heutige obere Gadertal) und schließlich zu : wer¬den. In der Folgezeit ging in diesen drei Tälern die relevante Vokalquantität verloren. DasPhonem // jedoch hat sich in Groden (60) und Buchenstein (61) bis heute erhalten. Im Fas¬satal hingegen ist es mittlerweile zu // übergegangen, obgleich es - zumindest in Oberfassa,wo ähnliche Verhältnisse wie im heutigen Obergadertal gegeben waren (siehe oben!) - die fastgänzlich frei gewordene Lücke des kurzen // hätte ausfüllen können. Wenn es - im Gegen¬satz zum oberen Gadertal - nicht dazu gekommen ist, dann wohl wegen des Schwundes derrelevanten Vokalquantität, womit automatisch die Leerstelle des kurzen / / verloren ging.Bei diesen veränderten Verhältnissen lag dann ein Zusammenfall mit dem // am nächsten:vgl. S. 92ff.Abschließend sei nochmals betont: Es stimmt nicht, daß im Sellaladinischen die Palatali¬sierung des a schlechthin »in freier Silbe« stattgefunden hat, wie immer wieder geschriebenworden ist und noch wird (62). Die Vokallänge, die die Palatalisierung des a ermöglicht hat,ist - wie am Beispiel des Gadertales ersichtlich ist - in bestimmten Fällen gar nicht als Ergeb-

56a) G.I. Ascoli: Saggi ladini, cit., S. 400. G.B. Pelle¬grini in Saggi, cit., S. 60, Note 23.

57) So entwickelte sich z.B. im Gadertal gl zu dl zu¬nächst nur am Wortende und im Wortinnern, underst anfangs des vorigen Jahrhunderts auch amWortanfang. Vgl. Helga Dorsch: LadinischesSchrifttum in Enneberg von den Anfängen bis zurJahrhundertwende, Diss, Innsbruck 1967, S. 355f.

58) L. Craffonara: Le Parlate, cit., S. 132ff.

59) H. kuen: Zur Chronologie des Übergangs vona > c im Grödnischen, in ZRPh 43 (1923), S. 67-77.

60) Vgl. UR gram »verzagt« ~ grm »Schoß«, pS»Friede« ~ pés »Fisch«, usw.

61) Man vgl. in der lokalen Graphie ala »Flügel« ~

ia »sie«, »Frau« (zit. aus A. Pellegrini: Gramma¬tica ladino-fodoma, Bolzano 1974, S. 5).

62) Z.B. G.B. Pellegrini in Saggi, cit., S. 60: »... una

isofona tipicamente ladina dolomitica quale il vol¬ger di a ad in sillaba libera ...«; G. Francescato:Il dialetto di Erto, cit., S. 502ff.; A. Pellegrini:Grammatica ladino-fodoma, cit., S. 9, u.a.m. Ab¬gesehen von der immer wieder strapazierten»freien Silbe« ist es in meinen Augen auch falsch,mit Th. Elwert z.B. im Falle von CC cer ( < CAR-

RU) »Wagen« usw. von »Überentäußerung«, jasogar von »Überselbstbehauptung« gegen das Un-terfassanische und die trentinischen Mundarten zu

sprechen (vgl. Die Mundart des Fassa-Tals, cit., S.

33).

97

nis einer freien Silbe eingetreten; ja sie war bei Erreichung einer bestimmten synchronischen

Ebene gar nicht mehr von der Natur der Silbe abhängig, sondern konnte von anderen Struk¬

turgegebenheiten bewirkt werden.

4.4.1. Überhaupt keine Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man die Diphthongierung in denSellatälern mit der friaulischen Diphthongierung vergleicht, die von G. Francescato meister¬haft erklärt worden ist (63). Unter Diphthongen verstehen wir in diesem Falle Kombinatio¬nen von Halb-Voll- bzw. Voll-Halbvokalen, die nur auf die Entwicklung eines etymologi¬

schen Tonvokals oder auf die Erhaltung eines etymologischen Diphthonges zurückgehen

(AP pjét »Brust« < PECTU, néj »Schnee« < NIVE, twr »Hengst« < TAURU), und nicht

»Vokalgruppen« [»vowel Clusters«] anderer Herkunft (wie etwa AP sjé »mähen« < SE¬

CARE, pajé »zahlen« < PACARE, jt »Katze« ( < *gt) < *GATTU; SM cwra »Zie¬

ge« < CAPRA; SM + LI Jewr »Schmied« < FABRU; AP véja , SM véja, LI vöja »Lust«,»Vor¬abend« < VOLIA, VIGILIA; usw.), auch wenn diese formal mit den »echten« Diphthon¬

gen identisch sein können. Unter Ausschluß von lateinisch AU, das sich in den Sellatälern

teils erhalten (SM, LI cwsa »Viehbestand« < CAUSA), teils zu : (AP c.sa < CAUSA)

oder :l (AP, SM, LI al l.lda »er lobt« < LAUDAT) entwickelt hat, beschäftigen wir unsim Folgenden hauptsächlich mit den Diphthongierungen der mittleren Vokalphoneme des

Vulgärlateins.

Aus den folgenden Ausführungen ist ersichtlich, daß alle Sellamundarten ursprünglich dieErgebnisse von vulgärlat. und bzw. von é und ó sorgfältig auseinandergehalten haben. Es

handelt sich also - wie im Friaulischen (64) - um zwei verschiedene Erscheinungen, die somit

gesondert betrachtet werden müssen.

4.4.2. Untersuchen wir zunächst die Diphthonge des Teilsystems der kurzen Vokale:

a) Wenn wir auf Tabelle I die Ergebnisse von vulgärlat. betrachten, fällt auf, daß vor allem

in UR und RE, aber gelegentlich auch in den anderen Ortschaften der steigende Diphthongvorhanden oder manchmal für die Rekonstruktion der den heutigen Formen vorausgehen¬

den Stadien (z.B. Plural des Suffixes -ELLU) erforderlich ist. CC scheint am wenigsten da¬

von berührt zu sein; es gibt jedoch auch hier - neben den Ergebnissen von -ELLI - vereinzelteBeispiele, die noch darauf hinweisen, etwa géver < *ljéver »Hase«, jétrja »Leiter«,agéger < *aljéger »frohgemut«, kjuértek < *kujértek »Deckel« < COOPERTICU (65),fjóra < *fjewra »Fieber« < FEBRE, moenesisch elgézer < *ljézer »lesen«.

Vor sekundär gedecktem Nasal finden wir in SM und LI - genau so wie in Nert/Erto - einenfallenden Diphthong, der jedoch unser Diasystem nicht in Frage stellen kann, da er kom¬binatorischer Natur ist.

Eine weitere Besonderheit, nämlich die Akzentverschiebung, die vor allem in Groden bei ein¬zelnen Diphthongen eintritt, erinnert an das Ertanische (vgl. Erto piäteh, Spiäta, theriäza,piätha, miäth, usw.).Das lange : bei FERRU und TERRA in SM und LI wurde bereits auf den Seiten 93ff.

erklärt. Nichts Außergewöhnliches stellen die langen gadertalischen Vokale bei NERVU,HERBA, STERNERE, PETRA, ALECRU usw. dar, denn sie stehen vor schwacher Konso¬

nantengruppe.

In allen anderen Fällen haben wir im gadertalischen Bereich, wo die Vokalquantität noch

63) G. Francesnato: La dittongazione friulana, cit. 65) Th. Elwert: Die Mundart des Fassa-Tals, cit.,

S 4164) G. Francescato: La dittongazione friulana, cit.,

S. 53.

98

TABELLE I

Etymologie CC UR RE LI SM AP

nicht mehr relevante Vokalquantitäten relevante Vokalquantitäten

(a) LI céw, wobei w aus -b- entstanden ist.(b) CC stérder, UR stjerder.

(c) entstanden aus *je(+i).

immer phonologisch relevant ist, entweder steigenden Diphthong oder kurzen Vokal, also

genaue Übereinstimmung mit den Charakteristika unseres Diasystems.Es ist bezeichnend, daß sogar althochdeutsche <?y'-Diphthonge diasystemgemäß in steigendeDiphthonge verwandelt wurden: ahd. hleitra > CC jétrja; grödn. vai da lietres ( < *ljetres)

99

»Leitertal« (66); AP+SM + LI l:tra < *letra < *ljétra; ahd. seifa > UR zjefa »Seife« (67).

b) Wenden wir uns nun den Ergebnissen von vulgärlat. auf Tabelle II zu. Dabei müssen wireigentliche von uneigentlichen Diphthongen (etwa RE kwósa »Schenkel« < COXA gegen¬über fója »Blatt« < FOLJA) unterscheiden. Außerdem werden durch die Motion übertra¬

gene Längen (etwa AP m. ö:t (normal) < *fiwéji »leer« < VOCITU - f. ö:ta\ m. T kö:k (nor¬mal) »Koch« - f. kö:ga »Köchin«) sowie kombinatorisch bedingte Längen (wie in diesemFalle vor -/ < -LL: AP+SM + LI k:l »Hügel«, »Hals«, m:I »naß«) nicht beachtet.

Daß vor schwacher Konsonantengruppe eine Vokallänge eintritt, ist normal (AP+SM + LIpó:rta, fó:rfes, mó. rde, fó.rtsa usw.).Die Längung des offenen in LI + SM gr.s, k:sta, r.da, sowie LI f.ra u.a.m. ist bereits aufden Seiten 93ff. erklärt worden.

Es fällt uns wieder auf, daß das Gadertal (mit AP) vor früher gedecktem Nasal einen fallen¬den Diphthong aufwies, der sich heute im palatalisierten Nasal widerspiegelt: re-spóiie < *respojnde; UR hat diesen Diphthong bis heute erhalten. Erwähnenswert ist, daß

nach der Monophthongierung diasystemgemäß eine Kürzung des Vokals eingetreten ist (68).

Es ergibt sich die Frage, ob nicht auch zumindest die gadertalischen und fassanischen Ergeb¬nisse von PONTE, LONGU u.ä. über *oj entstanden sind (69).Bei den Ergebnissen von NOCTE, COXA usw. gehen ö von SM + LI bzw. ejé von AP und

CC auf den steigenden Diphthong *wé < *wo zurück. Das unerwartete lange ö: in LI undSM rö:za (in AP hingegen kurzes ei) läßt sich zumindest auf ein diasystemgemäßes *wé zu¬

rückführen.In Groden finden wiederum - ähnlich wie oben bei den Ergebnissen von - mehrere Akzent¬verschiebungen statt, die jedoch auch in Nert/Erto ifaja »Blatt«, age »Auge(n)«, nat»Nacht« usw.) eintreten (70). Mit Ausnahme dieser auf Groden (und Erto) beschränkten Be¬sonderheit spricht also auch bei den Resultaten von nichts gegen die Zugehörigkeit unserer

Mundarten zum beschriebenen Diasystem.

66) H. Kuen: Methode kontra Zufall, in »Romanisti¬

sche Aufsätze«, cit., S. 63.

67) AP+SM + LI z.fa (La Val hat diasystemgemäß

iiija) wurde später entlehnt. Vgl. J. Krämer: Ety¬

mologisches Wörterbuch des Gadertalischen,

Fasz. 8, Köln 1975, S. 15.

68) In Friaul ist der ursprünglich fallende Diphthong

in bezeichnender Weise an die diasystemalen Ge¬

gebenheiten angepaßt, indem er in einen steigen¬den Diphthong verwandelt worden ist: *ri.<pojn-

di > riSpwndi, skwndi, pwint usw.

69) Wenn Th. Elwert in: Die Mundart des Fassa-Tals,

cit.. S. 48, mit Bezug auf C. Tagliavini: Il dialetto

del Livinallongo, Bolzano 1934, unter abt (eiisch)

Formen wie dalonC und poni bringt, so gelten diese

nur für Calfosch/Colfuschg, das lange sowohl ver¬

waltungsmäßig wie auch kirchlich mit Groden ver¬

bunden war. Vgl. A. Vittur: Enneberg in Ge¬

schichte und Sage, Lana 1912, S. 253.

70) Vgl. Note 47! Zwar konnte ich auch in UR bei ein¬

zelnen Gewährsleuten in Nichtübereinstimmung

mit den hier gebrachten Transkriptionen noch er¬

haltene oder wiederhergestellte steigende Diph¬

thonge feststellen: etwa nwét, pjéleh. Ich habe

mich jedoch in diesem Artikel an Th. Gärtners

Transkriptionen in: Die Gredner Mundart, Linz

1879, gehalten, die mir mit der gängigsten Aus¬

sprache übereinzustimmen scheinen.

In einem nun im Druck befindlichen Lesebuch für

die Grödner Mittelschule hat man versucht, zu¬

mindest in der Schreibweise eine gewisse »Ord¬

nung« einzuführen, wobei man so weit als möglich

(ein sehr relativer Begriff) die ältere Aussprache

berücksichtigen wollte, also nwét, pjteh, usw. Es

wird ferner gut sein, den Außenstehenden darauf

aufmerksam zu machen, daß das Graphem , wie

es bis heute in den grödnischen Beiträgen in La

Use di Ladins oder auch in privaten Veröffentli¬

chungen verwendet worden ist, meistens nichts

über die Betonung des Diphthonges auszusagen

hat (dagegen sehr wohl im Calénder de Gherdéina,

wenigstens in den Nummern der letzten Jahre: ie,

ue mit Betonung auf dem ersten, i und u mit Be¬

tonung auf dem zweiten Bestandteil).

100

TABELLE II

c) Was die Ergebnisse von vulgärlat. é betrifft, haben wir - wie übrigens auch in Friaul (71)-im Teilsystem der kurzen Vokale keine Diphthongierungen., abgesehen von etlichen uner¬

warteten fallenden ey-Diphthongen in Groden (72) und Fassa - Soraga ausgenommen (73) -,die die Zugehörigkeit zu unserem Diasystem nicht in Frage stellen, weil sie bloß kombinato¬rischer Natur sind, wie aus Tabelle III klar hervorgeht. Ganz vereinzelt auftretende Ausnah-

71) Vgl. G. Francescato: Dialettologia friulana, cit.,

die §§ 5.3 und 5.4 ab S. 198.

72) Vgl. Th. Gärtner: Die Gredner Mundart, cit.,

S. 41 f.

73) Vgl. Th. Elwert: Die Mundart des Fassa-Tals, cit.,

S. 44ff. Meiner Meinung nach hat Elwert nicht

recht, wenn er meint, daß der Zwielaut in séra,

t.séra,véra »unter dem Einfluß der Verkehrssprache

zurückgebildet« worden sei. Vielmehr erachte ich

den vor Dental, Sibilant und -/- sich befindenden

Diphthong des Fassanischen als spätere Bildung.

Dasselbe gilt für die Fälle im Grödnischen, wo

sich der Diphthong vor mehreren Konsonanten

gebildet hat.

101

TABELLE III

Etymologie UR CC RE LI SM AP

nicht mehr relevante Vokalquantitäten relevante Vokalquantitäten

aj ej

e:

:

éj

(a) Vor lat. -m- nur , z.B. l sna »er sät«, la fna »die Frau«.(b) Das é könnte früher lang gewesen sein.

men wie die Ergebnisse von EXPENSA in allen Tälern, oder jene von LINGUA in SM und

LI (wie auch AP m.za »Tisch«, came:za »Hemd« mit langem Vokal) rütteln nicht an derGültigkeit obiger Aussagen und finden - wie LINGUA - eine Parallele im Ertanischen.

Fallende Diphthonge (bzw. lange Vokale) sind jedoch bei schwachen Konsonantengruppen

(s. PIGRU und JENIP(E)RU) normal. Es sei noch daraufhingewiesen, daß im Bereich desGadertales, wo die Vokalquantität phonologisch relevant ist, gemäß unserem Diasystem -

die zuletzt erwähnten Längungen zählen nicht mit - praktisch nur kurze Vokale vorkommen,wobei Ausnahmen sehr spärlich auftreten.

102

TABELLE IV

Etymologie Ce UR RE LI SM AP

nicht mehr relevante Vokalquantitäten relevante Vokalquantitäten

DODECIM

CODA

GULA

RUPTU

MUSCA

BUCCA

UNDA

MUNDU

UNCTU

AXUNGIA

ow

ÓW

o

Ó

Ó

Ó

Ó

(Ó)Ó

Ó

0

Ó

Ó

Ó

Ó

Ó

Ó

(Ó)Ó

Ó

(a) Das ó könnte früher lang gewesen sein.

d) Auch im Falle der Ergebnisse von vulgärlat. ó - siehe Tabelle IV - haben wir im Teilsystem

der kurzen Vokale - ähnlich wie in Friaul (74) - keine Zwielaute, es sei denn vielleicht auf

einer älteren Sprachstufe vor gedeckten Nasalen, wie AP+SM+ LI nt <?*ojnt. Daß es sich indiesen Fällen um fallende Diphthonge gehandelt hätte, ist ohne Bedeutung, da sie kombina¬torischer Natur gewesen wären (75).

Sollte das gadertalische u in den erwähnten Fällen tatsächlich über *ój entstanden sein, wäre

erwähnenswert, daß nach der Monophthongierung diasystemgemäß eine Kürzung des Vo¬

kals eingetreten ist.

Ganz sporadisch auftretende fallende Diphthonge im Fassatal (CC dówdes »zwölf«, kówda

»Schweif« - kombinatorischer Art vor Dental?) stellen die Gültigkeit unseres Diasystems in

diesem Tale bestimmt nicht in Frage. Vor schwacher Konsonanz eintretende fallendeZwielaute und daraus entstandene lange Vokale gehören hingegen zu den Regelmäßigkeiten

unserer Mundarten, z.B. RE fówrca , UR fwrtsa, AP+SM + LI f:rca »Gabel«.Es ist klar, daß wir uneigentliche Diphthonge und daraus entstandene Vokallängen (z.B.

DULCE > CC+RE dówts/UR dwts, AP+SM+LI d:ts »süß«, CULTER > CC+RE ków-

ter/ UR kwter, AP+SM+ LI k.ter »Pflugmesser«, entstanden durch die Vokalisierung des

74) Vgl. G. Francescato: Dialettologia friulana, cit., 75) Vgl. oben, S. 99ff.

die §§ 7.3 und 7.4 ab S. 200.

103

-l oder solche, die der Motion zuzuschreiben sind (CC tóws »Knabe« -> tówza »Mädchen«,sówl »allein« -»f. sówla) nicht zu berücksichtigen brauchen.

4.4.3. Die Diphthonge des Teilsystems der kurzen Vokale sind also, wie wir gesehen haben,

in allen vier Tälern im großen und ganzen dieselben - wenn auch mit einer (übrigens mit er-tanischen Erscheinungen parallel laufenden) Neuerung, die im Grödnischen und Fassani¬

schen stärker hervortritt und als unbedeutende Randerscheinung auch im Gadertalisch-

Ennebergischen zu finden ist; demgegenüber weisen die Diphthonge des Teilsystems der lan¬

gen Vokale verschiedene lautliche Realisierungen auf; sie bleiben aber in ihrer charakteristi¬schen Grundstruktur als fallende Diphthonge oder nach eingetretener Monophthongierung,

dort wo sich relevante Vokalquantitäten bewahrt haben, als lange Vokale (die in ungedeckter

Stellung kurz werden) erhalten - ausgenommen eine Erscheinung jüngeren Datums in Fassa

und Buchenstein (und ganz vereinzelt sogar auch in Groden), die Infiltrationen aus dem Sü¬

den ausgesetzt sind.

Wegen der größeren Übersichtlichkeit beginne ich die Reihe der Beispiele mit Groden, weilsich hier im Vergleich zu den übrigen Tälern die typischen Diphthonge im Teilsystem der

langen Vokale in einer archaischeren Form erhalten haben. In UR haben wir (76):

a) für des Vulgärlateins ie, z.B. dies »zehn«, inier »gestern«, sie/ »Zaun«, la mei »Honig«,

tsiel »Himmel«, sies »sechs«, pies »Füße«, usw.

b) für des Vulgärlateins e, z.B. nef »neu«, ef »Ei«, lek »Ort«, »Bauernhof«, fiiek

»Feuer«, pek »wenig«, küer »Herz«, usw.

c) für é des Vulgärlateins ej, z.B. njf »Schnee«, sjf »Talg«, sjt »Durst«, pejl »Fell«, avj

»haben«, usw.

d) für ó des Vulgärlateins veraltet w, heute gewöhnlich éw, z.B. swl/sewl »allein«,

kwl/kéwl »Milchseihtrichter«, lwf/léwf »Wolf«, kwt/kwt »Wetzstein«, nwt/nwt»bekannt«, krwS/krwS »Kreuz«, ßowr/ßewr »Blüte«, mjwr/mjwr »besser«, usw. s

»Stimme« bildet eine Ausnahme, wohl erklärbar als eine durch den früher vorhandenen

frikativen Bilabiallaut (*ßo\vs) hervorgerufene Störung (77).

Man vergleiche dazu die bereits auf S. 87, 90, 91 unter 4.1, 5.1, 6.1, 7.1 angeführten Beispiele

aus Nert/Erto sowie beispielsweise folgende Wörter aus der westfriaulischen Ortschaft

Vit/Vito d'Asio, die trotz der verschiedenen lautlichen Realisierung immer den charakteristi¬

schen Akzent auf dem ersten Bestandteil des Zwielautes tragen:

a) intéjr »ganz«, séjs »sechs«, péjS »Füße«, usw.

b) nówf »neu«, lówk »Ort«, fówk »Feuer«, usw.

c) niaf »Schnee«, siaf »Talg«, piai »Fell«, usw.

d) ka(t) »Wetzstein«, kraS »Kreuz«, flar »Blume«, usw. (78).

76) Vgl. Th Gärtner: Die Gredner Mundart, cit.,

S. 41 ff. Allerdings konnte ich in UR bei einzelnen

Gewährspersonen im Falle der Ergebnisse vonund auch schwebende Diphthonge feststellen, ja

in einigen Fällen sogar steigende; in einer Ort¬

schaft wie UR. in der bereits seit mehreren Jahr¬

zehnten sehr viele Eltern mit ihren Kindern eine

andere Sprache (meist Deutsch) sprechen und die

Kinder das Ladinische erst später so schlecht und

recht erlernen, wird es nicht wunder nehmen,

wenn sich auch hier allmählich systemfremde

Merkmale einschleichen. Möglich, daß das z.T.

wenigstens der Grund ist für viele »falsche« Ak¬

zentsetzungen in G.S. Martini: Vocabolarietto

gardenese-italiano, Firenze 1953.

77) Geschichtlich gesehen hat die Diphthongierung

von vulgärlateinisch und ó nach der von e und

stattgefunden. Vgl. G.I. Ascoli: Saggi ladini, cit.,

S. 483.

78) Zitiert aus G. Francescato: Dialettologia friulana,

cit., S. 278ff.

104

2a6cHc ber flegenttmrtigeit rfjafo^romanifdjcn 9?unbar(cn.

ilnt'Jtjjätifdj.

iRomonfd).

(Obf rlänbifd;.)

SaMnifdi.

url>ififfdh

(Obert)atbft«inijrt), Siitmeiriid).)

^urfone.

(Suprci[t)!oanifrfj.)

$ifentifi|d). Olünjifd).

STatljotiirf). 9icrovmirt.

om!efd)gi(d). (Jitijurifd).

#einjenbergi[d). SdjamfM4.

2öeft;abiuWcf).

(tHbiUlfdj.lVjroWd).)

4)btrfn9ai>inifdj. Uitttrenaablnifd). ©röburrifd). Cnnfbnrgifd),(©atbcuijd).)

Strgiinildj. ^uldjlattifd). 2?liln|UrtIja!i!d). öobiotlfd;. yienSbtrgif®,

(lutnnifd).)

Dudjcuftnuifri;.

1) aut>t = $ia(cftr.

2) ^TfOcn • Pinf<Htf.

3) tjnnptuitttrmuiibnrtfn.

4) Unttrmuubacten.

Im selben Jahr wie Christian Schneller veröffentlichte auch Fried¬

lieb Rausch (1843-1916) in Frankfurt a.M. sein Buch »Geschichte

der Literatur des rhäto-romanischen Volkes mit einem Blick auf

Sprache und Charakter desselben« und kommt, was die ladinische

Einheit betrifft, zu denselben Ergebnissen wie Schneller. Seine

»rhäto-romanischen Mundarten« reichen somit vom Surselvischen

bis zum Friaulischen (=Furlano). Hier reproduzieren wir die

»Tabelle der gegenwärtigen rhäto-romanischen Mundarten«, die

Rausch seinem Werk beigegeben hat.

105

Nun zurück zu den anderen Sellatälern. Nach dem Grödnischen ein Blick auf den Bereich

Enneberg-Gadertal, wo jedoch einige Monophthongierungen eingetreten sind:

AP (wie z.T. schon auf den Seiten 87, 90 und 91 angeführt):

a) dies, ehner, s < *sef la mi < *mel, ts < *tsel, s:s < *ses (79), p:s < *pes, usw.b) nö < *nü: < *nüef, ü < *üef lü < *lüek, fü < *füek, pü:k < *püek, usw.; vor -r :

kö:r < *küer, al mö:r < *al müer, usw.

c) néj »Schnee«, tséj »Speise«, séj »Talg«, »Durst«, péj »Fell«, avéj »haben«, usw.

d) su < *su: < *sowl, ku < *kowl, lu < *lowf ku < *kowt, nu < *nowt, kru.s < *krow$,u:S < *ows, ßu < *ßowr, usw.

Die monophthongierten Formen haben die Länge des Vokals nur bewahrt, wenn die End¬konsonanz erhalten geblieben ist. Im Plural ist der gedeckte Vokal in voller Übereinstim¬mung mit den auf S. 83f. angegebenen Systemregeln wieder lang: a) si:s »Zäune«, usw. b)nö:s, ü:s, lü:s, fü:s usw. d) su:S, ku:s (PI. von la k und le k), lu:s, flu:s usw.

SM:

a) d:s < *des, in:r, s < *s:, la m:l, tS:l, s:s, pi:5, usw.b) mi < *nü: < *nüef, ü, pü:k, usw.; kö:r, al mö:r, usw. lük und fük mit erhaltenem End¬

konsonanten und kurzem Vokal bilden eine Ausnahme.

Die Mehrzahl wird nach derselben Regel gebildet wie in AP; lük und fük ergeben lü:s

und füc.

c) néj, tséj, séj, péj, avj, usw.

d) wie AP.

LI:

a) wie SM

b) wie SM, nur haben wir hier lü:k und fü:k regelmäßig entwickelt.

c) nj, tsj, sj, pj, avj, usw.

d) wie AP und SM.

Die Ausgangssituation war also auch hier dieselbe wie in Groden; in der Folge wurden aberöh' zu u: (80) und üe zu ü: monophthongiert; im Gadertal wurde ferner ie zu was in Enne-berg nur in wenigen Fällen eingetreten ist.

In Buchenstein haben sich die ursprünglich fallenden Diphthonge von a) und b) erst in un¬serem Jahrhundert in steigende verwandelt, während jene von c) und d) sich als fallende er¬halten haben; wir haben also heute in RE:

a) djés < dieS, hnjér < hnier, sjé < sie, la mjél < mei, tsjél < tsel, sjék < sek, pjés< peS, usw.

b) nwóf < nof, vwóf < vof Iwók < lok,fwók < fiiok, pwók < pok, kwór < kor, usw.

jedoch:

c) néj, séj »Talg«, »Durst«, avéj, usw.

d) kówl »Milchseihtrichter«, lówf ków, nów, krówS, ów$, flów, usw.

Theodor Gärtner, der die Diphthonge sehr sorgfältig transkribiert, bringt in seinem

79) Die Form ses ist noch in La Val/Wengen erhal- 80) Vgl. S. 87 und 91.

ten.

106

Handbuch 1910 - die Transkriptionen (81) gehen jedoch auf die 80er-Jahre des 19. Jh. zurück -

für a) und b) wohl für Col/Colle Santa Lucia steigende Diphthonge, jedoch noch nicht für

das übrige Buchenstein (82). Es dürfte auf der Hand liegen, daß es sich bei dieser Neuerung

um einen italienischen Einfluß handelt: Pive neben La Plie, nuvo neben nof, usw. haben

sich schließlich bei der Aussprache des Zwielautes durchsetzen können, um so mehr, als indiesem Tale das Ladinische bis heute in der Schule keinen Zutritt gefunden hat. Die Diph¬

thonge éj und ów hingegen, die im Italienischen auf keine andersbetonte äquivalente Laut¬verbindung stoßen, haben den Akzent auf dem ersten Bestandteil weiterhin bewahrt.

Im Fassatal hat sich derselbe Prozeß, jedoch nur beschränkt auf den Zwielaut ie, bereits frü¬

her vollzogen, wie aus Gärtners Grammatik von 1883 eindeutig hervorgeht (83). Nur ganz

wenige Fälle sind von dieser Entwicklung nicht berührt worden, üe (84) muß dann schon vor¬

her - wahrscheinlich über *ü: > *ö: - zu é geworden sein.

Die fallenden Diphthonge ej und ow sind - außer vor -r - wiederum intakt geblieben. Somithaben wir in CC (85):

a) mit alter Betonung: dies »zehn«, intriek »ganz« < *INTREGU für INTEGRU, sie

»sechs«. Hingegen sjéf »Zaun«, la mjél »Honig«, tsjél »Himmel«, pjés »Füße«, grjéf

»schwer«, él el kjér »er sucht«, usw.

(a)hgérn »gestern« scheidet wegen der Epithesis von -n aus dieser Gruppe aus und

schließt sich jener von ihfém »Hölle«, ihvérn »Winter«, usw. an.

b) néf éf lek, fék, pék, kér, usw. sind wahrscheinlich - wie bereits gesagt - über

*üe > *ü: > *ö: entstanden.

c) njf, sjf sjt, pjl, usw.; hingegen vor -r : aér »haben«, saér »wissen«, usw., jedoch pjr

»Birne«.

d) swl, kwl, lwf krws, usw. Vor -r ist der Diphthong wieder reduziert (oder unterblie¬

ben?): seadór »Schnitter«, sartór »Schneider«, usw.

Auch die Diphthonge im Teilsystem der langen Vokaleweisen also in den Sellatälern die glei¬

che Beschaffenheit auf wie in Friaul, selbst wenn sich in neuester Zeit in Buchenstein und in

Fassa, ja bei einzelnen Idiolekten sogar in UR, teilweise der italienische Einfluß bemerkbar

gemacht hat.

4.5. Wenn auch in Groden, Fassa und Buchenstein keine relevanten Quantitätsunterschiede

mehr vorhanden sind und bei einzelnen Diphthongen auch Akzentverschiebungen stattge¬

funden haben - Phänomene, die mehr oder weniger alle auch in Randgebieten Friauls zu fin¬

den sind - läßt sich heute trotzdem noch eindeutig beweisen, daß der gegenwärtige Stand der

Dinge die Vereinfachung eines Systems darstellt, das dem ennebergisch-gadertalischen und

dem friaulischen entspricht. Wir können also sagen - auch wenn im Rahmen dieses Artikels

der Konsonantismus noch nicht berücksichtigt werden konnte -, daß es keine Trennung zwi¬

schen den friaulischen und den Sellamundarten gibt.

Die Behauptung G.B. Pellegrinis, daß »indizi di profonde differenze originarie tra parlate

friulane e dialetti dolomitici« (86) bestünden, ist somit meiner Meinung nach nicht gerecht-

81) Th. Gärtner: Viaggi ladini, Linz 1882.

82) Vgl. Th. Gärtner: Handbuch, cit., S. 151, 159, 193

usw.

83) Raetoromanische Grammatik, cit., S. 41: ngern

<IN + HERI, usw.

84) Für ü vgl. S. 87.

85) Vgl. Th. Elwert: Die Mundart des Fassa-Tals, cit.,

S. 39ff., 44f., 48, 52.

86) In: Saggi, cit., S. 307. Ähnlich auch im Artikel:Carnia e Cadore, in »Forni di Sopra«, Udine 1967,

S. 4: »io continuo infatti a dubitare dei presunti

107

fertigt. Allerdings läßt G.B. Pellegrini die Frage im Grunde noch offen, was man hingegen

von J. Kramer nicht mehr sagen kann. In seinem bereits zitierten Artikel »Gibt es eine Räto¬

romanische Sprache?« schreibt er u.a.: »Zusammenfassend können wir konstatieren, daß alleangeführten lautlichen Charakteristika auch im Entferntesten nicht genügen, die »rätoro¬

manischen« Mundarten zu einer Sprache zusammenzufassen. Äußerstenfalls kann man sa¬gen, daß die angeführten lautlichen Charakteristika besonders oft in den »rätoromanischen«Mundarten auftauchen; sie sind aber keineswegs auf sie beschränkt und treten z.T. im Nord¬

italienischen häufiger auf« (87). Zu dieser kompromißlosen Schlußfolgerung kommt Kra¬

mer allerdings bereits nach zwei (!) Seiten Überlegungen, so daß man wohl sagen kann, daßer ein großes Wort gelassen ausspricht. G. Francescato hat bereits zu diesem wohl unter

vielen Aspekten mißglückten Artikel Kramers klar Stellung genommen (88), weshalb hiernicht mehr näher darauf eingegangen zu werden braucht.

Es ist verwunderlich und eigenartig, daß den Gegnern der »unit ladina« die kleine Hürde

z.B. zwischen dem Friaulischen und dem Ennebergischen groß genug erscheint, um die la-dinische Einheit zu leugnen, während die viel größere Schwierigkeit zwischen demEnnebergisch-Gadertalischen einerseits und den Mundarten Grodens, Fassas und Buchen¬

steins andererseits für sie überhaupt kein Problem darstellt bzw. dargestellt hat.

Zwar gehen, was den Wortschatz betrifft, die Sellamundarten und das Friaulische des öf-

stretti legami tra friulano e dialetti dolomitici ate¬

sini.« Ferner würde man es kaum für möglich hal¬

ten. daß Linguisten von Format ihre Zuordnungen

auch nach dem höchst subjektiven Kriterium des

gegenseitigen Verstehens treffen, wie z.B. G.B.

Pellegrini in Saggi, cit., S. 125, und P. Bec in:

Manuel pratique de philologie romane, Paris

1970-71, S. 316, der schreibt: »nous dirons avec

G.B. Pellegrini que, d'un point de vue synchro-

nique, le rhéto-frioulan ne présente pas de réelle

unité: l'intercompréhension, par exemple, entre

»Gardenesi« et »Friulani« étant quasi impossible,

a fortiori entre Romanches et Frioulans«. Es er¬

hebt sich dabei die Frage, wie weit z.B. ein wasch¬

echter Wiener einen Zürcher versteht. Ja wir brau¬

chen gar nicht so weit zu gehen: mehrmals habe

ich die Erfahrung gemacht, daß beispielsweise ein

Ladiner aus Moena Schwierigkeiten haben kann,

das Badiotische zu verstehen. Sollte man dagegen

das Italienische dem Spanischen - oder umgekehrt

- zuordnen, wenn Angehörige beider Sprachen

sich relativ gut verständigen können? Sehr auf¬

schlußreich war für mich folgendes Experiment:

Ich habe mehreren gadertalischen Freunden, die

nie Friaulisch gehört oder gelesen hatten, probe¬

weise die von der SFF herausgegebenen Schall¬

platten Flabis Furlanis Nr. 1 und 2 vorgespielt. Die

Skala des Verstehens reichte dabei je nach Indivi¬

duum von einem kaum genügenden Erfassen der

Haupthandlung bis zur Wiedergabe sogar unbe¬

deutender Einzelheiten. Man darf deshalb nicht

die eigene Fähigkeit des Verstehens als allgemein¬gültigen Maßstab betrachten.

Um die Relativität obigen Kriteriums zu veran¬

schaulichen. sei noch eine weitere Einzelheit ange¬

führt: In der von der SFF herausgegebenen Zeit¬

schrift »Sot la nape« 1971/3, S. 98, ist im Elenco

dei libri acquistati folgendes zu lesen: B(attista) Al¬

tan: Rimes ladines in pert con traduzion taliana, mit

der vielsagenden, von der Schriftleitung beigefüg¬

ten Erklärung: »Solecismi nella parlata goriziana«.

In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein

Buch von Jambatista Alton ( "f 1900), geschrie¬ben in der Mundart von Calfosch/Colfuschg im

Gadertalü!

Für die Zuordnung von Mundarten zu einem

Sprachraum ist also die Struktur in erster Linie

maßgebend. Vgl. auch L. Hjelmslev: Il linguaggio,

Torino 1970. S. 42: »E dunque la struttura dellalingua, e soltanto essa, che condiziona l'identit e

la costanza di una lingua. Finché avremo la stessa

struttura della lingua avremo il diritto di dire che

abbiamo la stessa lingua. Senza questo criterio, si

osserverebbe che la lingua si modifica senza tre¬

gua: svegliandoci alla mattina troveremmo una

lingua diversa dalla sera prima: sul giornale incon¬

treremmo ad ogni passo qualche segno che

nuovo in italiano, o almeno nuovo per noi. Per di

pi, senza questo criterio non potremmo mai dire,

con ragione, che possediamo una lingua: non esi¬

ste nessuno che sappia e capisca tutti i segni che

sono stati adoperati in italiano, e che sono usati

tutti i giorni nei vari mestieri, nelle varie regioni o

nei vari ambienti. La struttura della lingua, che ne

condiziona l'identit, anche alla base della dif¬

ferenza fra le lingue.«

87) Zitat auf S. 192.

88) In: -propos de l'unité du »rhétoroman«, in RRL17 (1972), S. 273-282.

108

teren verschiedene Wege (89), aber bekanntlich eignet sich dieser beweglichste Teil der Spra¬che, der von vielen außersprachlichen Gegebenheiten abhängig ist - im Gegensatz zur vielstabileren Phonem-Struktur (90) - weniger dazu, die Zuteilung sprachlicher Ausdrucksfor¬men zu einer übergeordneten Größe in ausschlaggebendem Maße zu bestimmen.

4.6. Zurückkommend auf den Artikel von G. Francescato »II dialetto di Erto«, in dem imGegensatz zu G.I. Ascoli (91 ) und Th. Gärtner (92) behauptet wird, daß die erwähnte Mund¬art nicht mit dem Dolomitenladinischen näher verwandt sei, sondern zum Friaulischen ge¬höre, können wir zunächst sagen: sie gehört insofern zu beiden, als sie dasselbe - nennen wires »ladinische« - Diasystem aufweist.Ob Nert/Erto dann innerhalb der »Ladinia« (wie wir unsere Gebiete nennen wollen) mehrgegen Osten, d.h. zum Ladinischen Friauls, oder mehr gegen Westen, d.h. zum Ladinischendes Sellagebietes, tendiert, läßt sich nicht mehr auf Grund des Diasystems sagen, so wieFrancescato dieses definiert hat, sondern muß auf der Basis von anderen, zweitrangigenMerkmalen festgestellt werden (z.B. Anzahl der Lautveränderungen, Beschaffenheit desWortschatzes, usw.).

Francescato hat also mit den Mitteln einer neuen Methode wohl eindeutig bewiesen, daßNert/Erto zum selben Diasystem gehört wie die friaulischen Mundarten, ist jedoch in seinereffektiven Aussage nicht so weit gekommen wie Ascoli und Gärtner, die sich beide - über¬zeugt von der Zugehörigkeit des Ertanischen zur »Ladinia« im weiten Sinne - für sein Ten¬dieren zum Sellaladinischen im engeren Sinne ausgesprochen haben. Eine Antwort auf dieseFrage ist uns Francescato nach meiner Meinung noch schuldig geblieben (93).

5. Substrat, Adstrat und mögliche Kontakte.

5.1. Aus dem bisher Dargelegten geht hervor, daß im Ladinischen Friauls und im Dolomi¬tenladinischen in erster Linie typisch westromanische (galloromanische) Merkmale zusam¬mentreffen, auch wenn - sofern wir die Morphologie, die Syntax und vor allem den Wort¬schatz mit in Betracht ziehen - Bindungen mit der Ostromania gewiß nicht gänzlich fehlen.Es liegt auf der Hand, daß die dolomitisch-friaulische Konvergenz auf entsprechende ge¬schichtliche Gegebenheiten zurückgeht, die wir beim heutigen Stand der Forschung nochnicht klar aufzeigen können. Das einzige, was wir, glaube ich, mit Sicherheit sagen können,ist, daß das sprachliche Substrat, auf dem sich das Friaulische und das Dolomitenladinische

89) Vgl. in diesem Heft H. Goebl: Rätoromanisch ver¬

sus Hochitalienisch versus Oberitalienisch, cit.

90) Vgl. L. Hjelmslev: Il linguaggio, cit., S. 45.

91) In: Saggi ladini, cit., S. 388f.: »... il dialetto di

Erto, se pur si risente dell'attiguit del friulano, al¬tro in fondo non se non una variet del ladinocentrale, strettamente connessa con le due estreme

variet ladine dell'alto bellunese, che son quelle diRocca d'Agordo (...) e del Comelico (...); ma spe¬

cialmente con la prima, pur trovandosi oggi sepa¬

rata da entrambe pei dialetti ladino-veneti che si

frappongono (...). É come un ultimo germoglio delladino centrale, che rispunta alla sinistra del Piave;

ma chi, sulla riva destra dello stesso fiume, si

ponga pel bacino del Ma, riesce ancora a scoprire

qualche traccia di quella particolar continuit,

dalla quale dipendea questa propaggine, che orasta cos divulsa.«

92) In: Die Mundart von Erto, in ZRPh 16 (1892), S.183-209 und 308-371. AufS. 360 lesen wir: »Wenn

nun trotzdem die Gredner Mundart ebensovielelautliche und flexivische Ähnlichkeiten mit Ertogezeigt hat (...), so muß [das Grednische] mit Ertosehr nahe verwandt sein, ja einmal sprachlich einsgewesen sein.«

Vgl. auch C. Battisti in AAA XLI (1946-47),S. 40ff.

93) Francescato ist jedoch meiner Meinung nach derWirklichkeit etwas näher gekommen, wenn er

1959 in seinem bereits zitierten Artikel »La ditton¬gazione friulana« noch vom »carattere linguistica¬mente isolato di Erto - intermedio tra il ladinoorientale e il ladino centrale« spricht (S. 49).

109

entwickelt haben, im großen und ganzen als einheitlich angesehen werden muß.Auf Grund der Hauptmerkmale des Diasystems denkt man automatisch an keltischen Ein¬fluß, was auf einer anderen methodischen Grundlage auch von G.I. Ascoli vertreten, vonC. Battisti jedoch und auch von Th. Elwert und J. Kramer (94) nicht angenommen wird - zu¬mindest nicht für das Sellaladinische. Es stimmt, daß Relikte aus dem keltischen Wortschatzin den Dolomiten nicht sehr häufig zu sein scheinen, aber sie sind da, und zwar nicht nur sol¬che, die mit aller Wahrscheinlichkeit bereits ins Vulgärlatein Eingang gefunden hatten undsomit für eine Charakterisierung unserer Zone nicht geeignet wären; ich erinnere z.B. an diefolgenden Wörter im Bereich der Sellamundarten, die diese zum Teil auch mit dem Friauli-schen. dem Bündnerischen, manchen deutschen Mundarten auf beiden Alpenseiten wie auchmit größeren oder kleineren Sprachgebieten Oberitaliens gemeinsam haben: GLASINA(REW 3779a) (95); BENNA (REW 1035); DRAGIU (REW 2762a); TEGIA (REW 8616a);BILIA (REW 1104) (96);*DAGISIA > *DAXIA (97);*CANIPA (REW 1591);*RUSCA(REW 7456) (98); *CRAMA (REW 2294), das sich mit BRUMA (nicht gallisch) kreuzteund brama ergab (99); TSIGROS hingegen ist über das Deutsche zu uns-gekommen (100).Aussagekräftiger als ein paar mehr oder weniger durch Zufall überlebende Ausdrücke einerfrüheren Sprache sind jedoch meiner Meinung nach die Eigenheiten eines Diasystems.

5.2. Was das unmittelbar vorrömische Friaul betrifft, sind sich wohl die allermeisten For¬scher darüber einig, daß das Gebiet - wenn auch nicht ausschließlich, so doch vorwiegend -von den gallischen (keltischen) Karniern bewohnt war: vgl. Ptolomäus, III, 1, 28-29, nachdem nicht bloß Forum Julii, sondern auch Concordia - und Strabon VII, 5, 2, nach dem auchTriest - karnische Städte waren. Auch die Archäologen leugnen z.B. für viele vorgeschicht¬liche Siedlungen nicht den keltischen Einfluß. Und schließlich gibt es auch Toponyme, die insKeltische weisen (101).

Bis zu diesem Punkt herrscht in der Wissenschaft mehr oder weniger Einigkeit. Nicht im kla¬ren ist man sich jedoch darüber, wie weit die bereits von Th. Gärtner vertretene Theorie derEmigration aus nördlicheren Regionen Geltung hat: »Die einbeziehung des Friaulischenendlich ist nicht nur durch die sprachlichen merkmale gerechtfertigt, sondern auch von ge¬schichtlicher seite gestützt; denn Friaul soll nach der entvölkerung durch die Hunnen und dieGoten sich zur Longobardenzeit vorwiegend dadurch bevölkert haben, daß die von denDeutschen verdrängten Rätoromanen Tirols allmählich über die Piave hin ins land rückten(A. Budinszky, Die ausbreitung der lat. spräche über Italien und die provinzen des röm. rei-

94) Vgl. C. Battisti: Popoli e lingue, cit., S. 22ff.; id.:Le Valli Ladine dell'Alto Adige e il pensiero deilinguisti italiani sulla unit dei dialetti ladini, cit.,S. 47 ff. Th. Elwert: Die Mundart des Fassa-Tals,cit., S. 212; J. Krämer in RRL XVI (1971), S. 197,sowie in: Etymologisches Wörterbuch des Gader-talischen, cit., Fasz. 2, S.24.

95) Vgl. Note 29.

96) H. Kuen: Auf den Spuren verschwundener ladini-scher Wörter, in diesem Heft, S. 121 ff.

97) E. Kühebacher: Zur vorgermanischen Siedlungs¬geschichte Tirols, in Festschrift für K. Finsterwal-der. Innsbruck 1971, S. 61 ff., S. 70.

98) Vgl. AP rSé »kratzen, reiben«, SM + LI ride. DasZeitwort ist meiner Meinung nach vom Haupt¬

wort *RUSCA »Baumrinde« abgeleitet worden,mit der ursprünglichen Bedeutung »die Baum¬rinde abkratzen, abschälen». In dieser Bedeutungwird rüska noch im Veltlin verwendet (vgl. REW).Vom »Abkratzen der Baumrinde« zu »kratzen,

reiben« dürfte der Schritt nicht allzu groß gewesensein. Phonetisch gesehen ist die Entwicklung re¬gelmäßig: -SCA > -.fa, z.B. AP Salde < EXCAL-DARE, tod'csa < THEOTISCA, usw.

99) Vgl. REW 2294; ferner C. Tagliavini: Il dialettodel Livinallongo, cit., S. 85: Th. Elwert: DieMundart des Fassa-Tals, cit., S. 212.

100) E. Schneider: Romanische Entlehnungen in denMundarten Tirols, Innsbruck 1963, S. 102.

101) Vgl. G.B. Pellegrini: Friuli preromano e romano,

in Saggi, cit., S. 269-307.

110

Graziadio Isaia Ascoli (1829-1907) beginnt seine meisterhaften

»Saggi ladini« (1873) mit folgenden Worten:

»Comprendo sotto la denominazione generica di favella ladina, odialetti ladini, quella serie d'idiomi romanzi, stretti fra di loro pervincoli di affinit peculiare, la quale, seguendo la curva delle Alpi, vadalle sorgenti del Reno-anteriore in sino al mare Adriatico; echiamo zona ladina il territorio da questi idiomi occupato.« (S. 1 ).Und auf S. 537 lesen wir: »Quanto all'intento e al metodo generale

di questi Saggi, e in ispecie della parte ora compita, l'assunto (...)era principalmente di ricomporre, nello spazio e nel tempo, una dellegrandi unit del mondo romano, accennando insieme come questa sicontessa con altre grandi unit romane che le sono attigue .«

111

ches, 1881, s. 158f.; C.v. Czoernig, Die alten Völker Oberitaliens, 1885, S. 53f.; Mommsen,Rom. Gesch. V, 14f.)« (102). Auf Th. Gärtner folgte zunächst M. Bartoli, der die Land¬

nahme nach der Karolingerzeit ansetzt (103), und dann schließlich E. Gamillscheg, der mitdieser Theorie meistens in Verbindung gebracht wird (104). Nach ihm soll die neue Bevöl¬

kerung Friauls in erster Linie aus Noricum gekommen sein, wo die Slaweninvasion ungefährab dem 7. Jh. die Romanen zur Auswanderung gezwungen habe. Diese These stützt Gamill¬scheg durch folgende Überlegung: Nachdem uns für das alte Friaul eine blühende Kultur derLangobarden geschichtlich bezeugt ist, würde man in Sprache und Toponomastik viel deut¬lichere Spuren einer langobardischen Nachwirkung erwarten. Das spärliche Auftreten vonlangobardischen Elementen (105) läßt jedoch indirekt den Schluß zu, daß die alte romanischeSprache Friauls, - die damals den Nachbarsprachen im übrigen Oberitalien ähnlich war -und mit ihr auch die langobardischen Einflüsse vom Neulatein Noricums verdrängt worden

sei.Entschieden für die These einer Emigration aus Noricum spricht sich auch J. Hubschmid in

einem Artikel »Friaulische Wörter aus Collina« (106) aus: »Die speziell friaulisch-

zentralladinischen Wortgleichungen lassen sich oft eher begreifen, wenn das Friaul, wie einTeil Zentralladiniens, im früheren Mittelalter von Noricum aus, d.h. dem Nurichgau, neu ro-manisiert wurde (...), nicht ausschließlich von Aquileja aus (...). Daß sich gewisse sprachliche

Neuerungen vom Westladinischen aus über das Zentralladinische bis ins Ostladinische ver¬breiteten, zeigt die Neubildung rom *artuculu [(107)]. Wenn heute im Zentralladinischen

Vertreter von rom *artuculu fehlen, so ist diese Neuerung dort schon früh durch das sozusa¬

gen synonyme rom. ungula wieder verdrängt worden, wie im größten Teil des ostladinischen(friaulischen) Sprachgebietes. Gegen die These Battistis, wonach das Friaulische einzig auf

der Latinität Aquilejas beruhe, spricht auch die Tatsache, daß eine Neubildung wierom *solicu/um 'Sonne' (fr. soleil) sich im West-, Zentral- und Ostladinischen findet (surselv.

sulegl, grödn. surédl, friul. soréli), während das Alpinlombardische bloß Vertreter von rom.

sol und das Alpinvenezianische solche von rom *soluculu kennen (ampezz. soroio , auronz.

saroio, auch comel. suroiu) [(108)]. Gewiß gibt es viele, dem Friaulischen (oder Zentralladini¬

schen) und benachbarten alpinvenezianischen Mundarten gemeinsame Wörter. Aber dane¬

ben finden wir nicht nur für das Ost- und Zentralladinische charakteristische altertümliche

Wörter, die im Venezianischen in der Regel durch neuere Bildungen ersetzt worden sind,

sondern auch dem Ost- und Zentralladinischen gemeinsame sprachliche Neuerungen, die niealpinvenezianisch waren (rom. soliculu). Solche Neuerungen bleiben unverständlich, wenn

sie von zwei miteinander nicht zusammenhängenden Zentren, Aquileja und Brixen-Säben,

ausgestrahlt sind.« Es ist uns auch eine geschichtliche Quelle bekannt, die die Annahme einer

102) In Handbuch, cit., S. 8.

103) In »Giornale storico della letteratura italiana« 69

(1917). S.389, und 72 (1918), S. 348.

104) In: Romanica Germanica, Berlin 1935, Bd. II.

S. 270.

105) Vgl. aber G. Frau: Contributo alla conoscenza

dell'elemento longobardo nella toponomastica

friulana, in »Atti del Convegno di Studi Longo¬

bardi", Udine 1969, S. 165-182. Was die von

G.B. Pellegrini angestellte Untersuchung von

Appellativen betrifft (in Saggi, cit., bes. S. 348ff.),

scheint mir jedoch - ohne auf Einzelheiten einge¬

hen zu wollen -, daß gewisse Ausdrücke allzu

schnell dem Langobardischen zugeordnet wur¬

den, wenngleich sie sich mit ebenso großer oder

noch größerer phonetischer Wahrscheinlichkeit

vom Althochdeutschen ableiten ließen.

106) In »Vox Romanica« 12 (1951-52), S. 333-356, Zi¬

tat S. 354-355.

107) Vgl. surselvisch und mittelbündnerisch artugl;

s. DRG 1, S. 433-34; FEW I, S. 150.

108) Das Ampezzanische und das Comelicanische

sind zwar schon sehr durch das Venezianische

unterminiert, aber ich glaube kaum, daß man

schon berechtigt ist. sie als »Alpinvenezianisch«

zu bezeichnen.

112

Emigration aus nördlichen Gebieten rechtfertigt: Eugippus, der Verfasser der Vita Severini,

schreibt, daß Odoaker im Jahre 488 einen Aufruf an die »Römer« (=die Romanen) an den

Ufern der Donau ergehen ließ, mit dem er sie aufforderte, sich nach Italien zurückzuziehen:

»...universos iussit ad Italiam migrare Romanos...« (109). Demgegenüber spricht sich C. Bat¬

tisti gegen eine zusätzliche Besiedlungswelle aus dem Norden aus (110). Für G. Devoto

genügt allein die Besonderheit des Aquilejesischen Latein, um die Originalität des Friauli-

schen zu erklären (111). In konzilianter Weise - wenn auch skeptisch - äußert sich G.B. Pelle¬

grini zur Emigrationstheorie: »In ogni caso mi sembra necessario supporre - nell'eventualit

che il friulano debba essere sostanzialmente considerato la continuazione di un latino pro¬vinciale noricense - che il centro propulsore della vita culturale e linguistica regionalenell'alto medioevo non debba pi identificarsi in Aquileia, ma che i moduli di particolare la¬

tinit siano stati propagati dal Nord: ipotesi per me, allo stato presente delle nostre cono¬scenze, piuttosto dubbia e sulla quale desidero che esprimano un loro parere anche gli storici

specialisti del medioevo friulano. Che tale latinit, poi, si ritrovi sostanzialmente identicanelle valli dolomitiche del Sella e sia da legare ai riflessi di una retrocessione di popolazioninoriche e retiche che evacuarono la provincia verso il secolo V d.C., pure una congettura

per noi molto interessante che intendiamo di verificare partitamente ed in primo luogo sul

piano linguistico (...) (112)«. Wir können uns in dieser noch offenen Frage nur dem Wunsch

von J. Hubschmid anschließen, nämlich daß das hier angeschnittene Problem auf breiter

Ebene und an Hand eines umfangreicheren Materials als bisher studiert (113) und einer ob¬

jektiven Lösung zugeführt wird.

5.3.1. Was die Dolomitenmundarten betrifft, haben meiner Meinung nach vor allem zweiUrsachen dazu beigetragen, die Erforschung des vorlateinischen Substrates etwas in die fal¬sche Richtung zu weisen:

a) der »Panillyrismus«, der sich im Laufe von drei Generationen allmählich in Tirolentwickelt hat (F. Stolz, A. Walde, J. Schatz u.a.), der heute jedoch durch die letzten Arbei¬ten von H. Krähe, H.M. ölberg u.a. bereits überholt zu sein scheint (114);

b) die falsch verstandene Bezeichnung »rätoromanisch«, die gewissermaßen zu einer Räter¬manie geführt hat, obleich der Ausdruck mit den Rätern des Altertums herzlich wenig zu tunhat. Wie W.Th. Elwert beim »Convegno Interdisciplinare sull'Entit Ladina« in Vieh de Fa¬scia (Vigo di Fassa, 10.-12. September 1976) dargelegt hat, darf man unter »Rätoromanisch«nicht die Sprache der romanisierten Räter verstehen, sondern die der Romanen von Alt fryRätien. Nach Elwerts neuer Interpretation ist der Ausdruck im 18. Jahrhundert anstelle des

grob empfundenen »Churwälsch« aufgekommen.

Wenn wir nun nach dem für das Dolomitenladinische maßgeblichen Substrat fragen, sohaben wir dieses nicht so sehr in den Sellatälern selbst zu suchen, die in vorrömischer Zeitzwar nicht total unbewohnt waren (115), aber erst im Laufe des Frühmittelalters den Haupt¬anteil ihrer Bevölkerung erhielten (116). Vielmehr sind das mittlere und untere Eisacktal so-

109) Vita Severini, 44,5; Zitat aus G.B. Pellegrini:

Saggi, cit., S. 338.

1 10) In: Storia della questione ladina, cit., S. 65-75.

Ili) In: Protostoria del Friuli, in: Scritti minori, Fi¬

renze 1958, S. 348-355.

1 12) In: Saggi, cit., S. 307. Vgl. auch E. Kühebacher:

Ladinisches Sprachgut in den Tiroler Mundar¬

ten, in »Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitu¬

tes«, Bozen 1963/64, S. 222ff.

113) In: Friaulische Wörter aus Collina, cit., S. 355.

114) Vgl. dazu H.M. ölberg: Illyrisch, Alteuropäisch,Breonisch, in Festschrift Karl Finsterwalder, cit.,

S. 47-59.

115) Vgl. in diesem Heft F. Ghetta: Die Weiheur¬

kunde der Heiligkreuz-Kirche im Abteital aus

'dem Jahre 1484, S. 144, Note 4.

116) Das können wir auf Grund der Toponomastik

behaupten, die zum allergrößten Teil lateinischen

113

wie die Gegend um St. Lorenzen (Sebalum) und Olang für diese Frage ausschlaggebend.

Dabei ist für uns nur das unmittelbar vorrömische Substrat dieser Gebiete von Interesse.

5.3.2. Nach einem 1965 veröffentlichten Artikel »Pustertaler Ortsnamen« (117) von

K. Finsterwalder ist Olang ( < AULOS+ACU) (118), von wo aus sich später über Fürcia/Furkel Bauern im Enneberger Tal ansiedeln konnten, ein keltischer Ortsname. Ebenfalls kel¬

tisch ist für Finsterwalder der Name des Tales Pustrissa ( < BUSTURUS+ISSA): »Diesen

Namen kann gut der Stammesfürst der Saevates im Brunecker Becken getragen und der Tal¬

schaft vererbt haben - Bustur-issa »Gau des Busturus« (119). Auch R. Heuberger hält die am

Eingang des Gadertales lebenden Saevates für Kelten (120).

Im oben erwähnten Artikel leitet Finsterwalder ferner noch folgende Ortsnamen im Bereichdes Pustertales vom Keltischen ab: Vinti, Luttach, Prags und Innichen, wobei die letztenzwei als Namenschöpfungen schon in die romanische Zeit zu setzen sind; ferner - mit Vorbe¬

halt - Toblach und Taisten (121). Wörtlich meint Finsterwalder: »Wenn Willvonseder da¬

mals [(122)] schon betonte, daß diese Namen und die archäologischen Spuren keine massen¬

hafte Ansiedlung von Kelten beweisen, daß dieses Eroberervolk von 400 v.Chr. mehr auf

Schwerpunktbildung, auf Stützpunkte an beherrschenden Stellen nach Besetzung des anders¬sprachigen Landes Wert gelegt hätte, so läßt sich das besonders im Hinblick aufs Pustertal

rechtfertigen, wo der Name des Tales und Namen bedeutender Orte zum Teil Keltisches we¬

nigstens enthalten, zum Teil vollkommen keltisch sind (Vindoialo-Vintl!)« (123).

Aber auch im Eisacktal finden sich nach Finsterwalder -ACU-Namen.

5.3.3. Im Zusammenhang mit dem Substratproblem sei noch die auf rein dilettantischer

Spielerei mit Ortsnamen gegründete Behauptung von J. Rungg (124) erwähnt, nämlich daß

die Bevölkerung unserer Gegend scheinbar seit den Markomannenkriegen (167-180) einen

starken ostgermanischen Anteil aufgewiesen und erst nach den Gotenkriegen (535-553) zu-

Ursprungs ist. Es fehlt jedoch auch nicht an

vorlateinischen Toponymen, die nachweislich

nicht von romanisierten Siedlern mit den lateini¬

schen Namen importiert worden sind, doch darü¬

ber bei anderer Gelegenheit. Theoretisch konn¬

ten die Sellatäler bis ins späte Mittelalter ladini-

sche Bevölkerung aus den angrenzenden, heute

deutschsprachigen Gebieten beziehen.

Vgl. K. Finsterwalder: Woher stammt das ladini-

sche Volkstum in den Dolomiten?, in »Jahrbuch

des Südtiroler Kulturinstitutes«, cit., S. 168-184.

117) In »Der Schiern« 39 (1965), S. 451-456.

118) Vgl. den ladinischen Ortsnamen Valdura aus

*val+da+wlak mit normalem enneberg.- gader-

talischem Abfall der Endungslenis und Rhotazis-

mus. sowie mit deutscher Akzentverschiebung

(was zweifelsohne für die frühe Eindeutschung

des Gebietes spricht). Im 8. Jh. findet dann im

Südbayrischen die Monophthongierung von

au > o: statt. (Die italienische Betonung Val-

dara entbehrt jeder Grundlage.) Man vgl. auch

die Ortsnamen auf -ACU in Friaul!

119) Cit., S.453: ferner in »Jahrbuch des Südtiroler

Kulturinstitutes«, cit., S. 180f.

120) In: Rätien im Altertum und Frühmittelalter,

Schlern-Schriften 20, 1932, S. 35. Vgl. auch E.

Kühebacher: Die Hofmark Innichen, Innichen

1969, S. 38; id.: Ladinisches Sprachgut in den Ti¬

roler Mundarten, cit., S. 223.

Auch die Archäologen haben für das alte Seba-

tum keltische Spuren gefunden, so ein achtecki¬

ges »Nymphäum«: vgl. K.M. Mayr in »Der

Schiern« 28 (1954), S. 20-23 (und H. Koethe über

derartige Tempel aus Gallien: Die keltischen

Rund- und Vielecktempel der Kaiserzeit, in »23.

Bericht der Römisch-Germanischen Kommis¬

sion«, Frankfurt 1934, S. 55-72).

121) Gegen Battistis Deutungen z.T. aus nicht-indo¬

germanischen Etymologien mediterraner Her¬

kunft schreibt Finsterwalder auf S. 451: »Dage¬

gen wäre doch zu bedenken, daß bloße Anklänge

ohne richtigen Nachweis der Sprachentwicklung

trügen können, ferner, daß seit Beginn der Bron¬

zezeit die Bevölkerung unserer Alpentäler nach

dem Urteil der Prähistoriker indogermanisch

oder indogermanisiert war.«

122) In seinem Aufsatz: Kelten in Tirol, in »Der

Schiern« 1942, S. 372ff.

123) Cit., S. 454.

124) In: Ortsnamen der Goten, Römer, Franken in

114

sammen mit den Franken »zu Romanisch gestrebt« hätte (125). Die heutigen Rätoromanen

der Schweiz und der Dolomiten seien die Nachkommen von Goten, Franken und Sachsen,die angeblich vor den Alemannen und den Bajuwaren ansässig gewesen sein sollen. Erst die

fränkische Herrschaft habe den Goten, Franken und Sachsen Rätiens und Noricums die ro¬manische Einheitssprache - entstanden aus dem Latein der Merowinger- und Karolingerver¬waltung - aufgedrängt.

Gegen Runggs tendenziöse und unsinnige Germanenthese haben bedeutende Forscher wie

E. Kranzmayer, G. Rohlfs, K. Finsterwalder (126) u.a. eindeutig und mit stichhaltigen Be¬

weisen Stellung genommen, und es wäre nicht mehr notwendig, darüber ein Wort zuverlieren, wenn Rungg nicht auch noch seine Anhänger gefunden hätte, z.B. A. Lechtaler, in

dessen »Geschichte Tirols« (127) wir im ersten Kapitel u.a. folgendes lesen: »Als die Ostgo¬

ten beim Kampf am Vesuv im Jahre 553 n.Chr. unterlagen, konnte der Rest des Volkes nachNorden abziehen und sich in den Alpentälern (Schnalser Tal, Passeier. Ulten-, Sarntal, Gro¬

den, Dolomiten, Osttirol, aber auch Kärnten) niederlassen« (128). Hier spukt wohl noch ein

verirrter Pangermanismus herum.

5.4. Wenn hinsichtlich des Substratproblems noch etliche Fragen zu klären sein werden, sind

uns die Adstrate Dolomitenladiniens und Friauls bekannt, auch wenn über deren Tragweite

unter den Gelehrten nicht volle Einigkeit herrscht. Für die ladinischen Sellatäler war der

deutsche Adstrat, der bis zum heutigen Tage besteht, zweifelsohne von nicht geringer Bedeu¬

tung (129), was bis zu einem gewissen Grade G.I. Ascolis Ausspruch von »materia romanza

con spirito tedesco« ( 130) rechtfertigt, vor allem für Groden, wo dieser deutsche Adstrat all¬mählich zum Superstrat zu werden droht. Auch in Friaul läßt sich ab 1000, besonders aber

im 12. und 13. Jahrhundert ein vielleicht nicht zu unterschätzender deutscher Einfluß fest¬stellen (131). 1420 wurde dann Friaul - mit Ausnahme der Grafschaft Görz, die von 1500 bis

Rütien, Noricum, besonders Tirol, Innsbruck

1963.

125) Cit., S. 166-167.

126) E. Kranzmayer: Zur Ortsnamenkunde Tirols, in

»Onoma« XI (1964/65), S. 237-351. G. Rohlfs im

»Archiv für das Studium der neueren Sprachen«,

200. Bd., CXV (1964), S. 472-474. K. Finsterwal¬

der in »Der Schiern« 1963, S. 321-323, ferner in

»Der Schiern« 1965, S. 455-456, und vor allem in

der Festschrift Karl Pivec zum 60. Geburtstag,

Innsbruck 1966, unter dem Titel: Romanische

Vulgärsprache in Rätien und Norikum von der

römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerepoche,

S. 33-64.

127) Innsbruck-Wien-München 1970.

128) Cit. S. 20. Man kann sich wohl fragen, aus wel¬

chem Grunde gerade Groden - obgleich von den

Dolomiten die Rede ist - noch eigens hervorgeho¬

ben wird.

129) Vgl. J. Mischi: Deutsche Worte im Ladinischen,

in »Programm des f.b. Gymnasiums Vin-

centinum«, Brixen 1882, S. 1-32; E. Schneider:

Einige Entlehnungen aus dem Alt- und Mittel¬

hochdeutschen ins Zentralladinische, in Fest¬

schrift für K. Finsterwalder, cit., S. 136-142. Vgl.

auch E. Valentini: Ladinische Kultur oder Kul¬

tur der Ladiner?, in diesem Heft, besonders ab

S. 11.

130) In: Saggi ladini, cit., S. 2.

131) Von 1019-1251 gab es in Friaul deutsche Patriar¬

chen mit ihrem ganzen deutschen Gefolge. U.a.

wissen wir, daß die Dichter Walther von der Vo¬

gelweide und Ulrich von Liechtenstein an der

Mur eine Zeitlang beim Patriarchen in Aquileja

zu Gast waren. Zu dieser Zeit lebte in Friaul auch

Thomasin von Zerclaere (wahrscheinlich Circla-

ria bei Palme/Palmanova), der für Fürsten und

Ritter ein moralphilosophisches Lehrbuch »Wäl-

scher Gast« in deutscher Sprache geschrieben hat

(neben einem verlorengegangenen Werk, »das ich

welschen hän gemocht«: ladinisch oder italie¬

nisch?).

Man vgl. zum deutschen Einfluß in Friaul P.

Londero: Penetrazione e diffusione del germane-

simo in Friuli nei secoli XII e XIII, in »Ce fastu?«

XXX (1954), S. 120-124; ferner A. Cremonesi:

L'eredit europea del Patriarcato di Aquileia,

Udine 2 1974, S. 117ff.; mit G.B. Pellegrini: In¬

troduzione all'Atlante Storico-Linguistico-Etno-

grafico Friulano, cit., S. 56ff.

115

1918 zum Hause Habsburg gehörte - von der Republik Venedig erobert (132). Von diesem

Zeitpunkt an macht sich vor allem der venezianische Einfluß bemerkbar, der übrigens auch

in den Sellatälern, besonders in Buchenstein und - in seiner trentinischen Variante - in Fassa

nie ganz gefehlt hat (133) und sich heute mehr zum Nach- als zum Vorteil des Ladinischen in

den beiden erwähnten Tälern auswirkt (134).

Seit der Schaffung des italienischen Staates gesellt sich zum Einfluß des Venezianischen noch

jener der italienischen Staatssprache.

Allein auf Friaul beschränkt ist der Einfluß des Slowenischen (135), dem gewöhnlich keineallzu große Bedeutung beigemessen wird. Über den langobardischen Einfluß wurde bereitsoben kurz gesprochen.

5.5.1. Über die näheren Kontakte zwischen Friaul und den Sellatälern bzw. den Vorfahrenihrer heutigen Bewohner, die - wie bereits erwähnt - früher bestimmt zum überwiegenden

Teil in den Haupttälern gewohnt haben, soll kurz folgendes gesagt werden: Bereits aus der

Römerzeit ist uns eine Bronzetafel aus Julium Carnicum, dem heutigen Zui/Giulio nördlich

von Tumiez/Tolmezzo bekannt, auf der die Bewohner von SebatUm (am Eingang des Gader-

tales) dem römischen Procurator der karnischen Ortschaft ihre Dankbarkeit zum Ausdruck

bringen (136).Weiters ist erwähnenswert, daß das alte Bistum Säben (später Brixen, heute Bozen-Brixen)

bis 798 zum Patriarchat Aquileja gehört hat (137). Im 13.Jahrhundert vollzog sich dann eine

Annäherung auf weltlicher Ebene: Die Bischöfe von Brixen ließen ihre vom Kaiser verliehene

Fürstengewalt vorwiegend durch Vögte ausüben, und so erhielt schließlich Meinhard IV. von

Görz (Comitatus et Dominium Goriciae) 1253 das Pustertal, das bis 1500 einen Teil der Vor¬

deren Grafschaft Görz bildete. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese politische Süd-Ost-

Orientierung auf das Ladinische des Gadertales und indirekt auf die anderen Täler abgefärbt

hat, denn sie konnte eine Begegnung zwischen Romanischsprechenden möglich machen

(138). Es wäre jedoch verfrüht, darüber etwas Definitives aussagen zu wollen, da bis jetztdiese mögliche Ost-West-Verbindung noch nicht näher untersucht worden ist.

132) Über die Geschichte Friauls vgl. G.C. Menis:Storia del Friuli, SFF, Udine 1974; P. Paschini:

Storia del Friuli, Udine 1975.

133) Vgl. C. Battisti: Storia linguistica e nazionale

delle valli dolomitiche atesine, Firenze 1941,

S. 128-174 und 175-212.

134) Vgl. auch L. Heilmann: Parliamo di ladino, in

»La Vis« V (1970), Nr. 9. S. 257-260. G.B. Pelle¬

grini scheint anderer Meinung zu sein; vgl. Saggi,

cit., S. 94-95. Mit obiger Bemerkung will ich je¬

doch nicht sagen, daß die Gefahren für die Sella-

mundarten nur aus dem Süden kommen.

135) Vgl. G. Francescato: Friulano e slavo, in »Com¬

munications et rapports du Premier Congrs In¬

ternational de Dialectologie Générale«, Troi-

sime partie, Louvain 1965, S. 157-161; ferner

G.B. Pellegrini: Introduzione all'Atlante, cit.,

S. 74ff.

Der in den Dolomiten gebräuchliche Ausdruck

AP britl, LI britula »Taschenmesser« vom slo-

wen. brilva ist über das Friaulische oder über das

Venezianische eingedrungen.

136) Vgl. CIL. V., 5708. Siehe auch G. Brusin in AAA

XXXVI (1941), S. 325-337, sowie G.B. Pellegrini

in Saggi, cit., S. 46ff.

137) Vgl. A. Sparber: Das Bistum Sabiona in seiner

geschichtlichen Entwicklung, Bressanone 1942.

Die Pfarre Albeins bei Brixen, eine der Urpfarren

Südtirols, mit den Schutzpatronen von Aquileja,

Hermagoras und Fortunatus als ihre Kirchenpa¬

trone, erinnert noch heute an jene Zeit. H. Fink

weist in »Der Schiern« 50 (1976), S. 582f. auf den

Terminus »die Agleier«, d.h. die Aquilejaner,

hin, der immer noch um Klausen herum anzu¬

treffen ist. Er erinnert ferner an bergmännisch¬

legendäre Zusammenhänge zwischen Friaul und

Südtirol, so in der Verehrung des Hl. Daniel, die

neben der des Hermagoras und des Canzian be¬

sonders in Friaul beheimatet war. (Ob es auch ein

Bistum St. Lorenzen gegeben hat, oder ob das

Gadertal mit dem Pustertal eine Zeitlang zum Bi¬

stum Aguntum gehört hat, ist für uns belanglos,

denn beide wären von Aquileja abhängig gewe¬

sen.)

138) Und das wahrscheinlich nicht nur auf dem von

116

Theodor Gärtner ( 1843-1925> schreibt auf S. 274 seines Werkes

»Handbuch der Rätoromanischen Sprache und Literatur« {1910):

»Bei den sprachlichen betrachtungen haben wir immer alle mundar-

ten vom S. Gotthard bis nach Görz und Aquileja zusammen zu über¬schauen gesucht und haben von kapitel zu kapitel ähnlichkeiten undzusammenhänge festgestellt, die der gewaltigen landschaftlichen

Zerklüftung und staatlichen Zerrissenheit des gebietes trotzen.«

117

5.5.2. Zum Agrum von Julium Carnicum gehörte dann auch das an unser Gebiet grenzende

Cadore (ennebergisch: Ciadüra (139)). G. Riehebuono hat sicher recht, wenn er schreibt: »I

romani, aggregando il Cadore al Friuli, non avranno certo fatto un'assegnazione cervello¬

tica, ma con tutta probabilit confermarono legami che c'erano gi prima« (140). Diese poli¬

tische Verbindung des Cadore mit Friaul dauerte bis 1420, und bis zu diesem Zeitpunkt

grenzte der friaulische Staat an Enneberger und Buchensteiner Gebiet. Auf kirchlicher Ebene

hingegen dauerte die Verbindung unseres östlichen Nachbarn mit Friaul noch länger an:

Cortina blieb bis 1752 bei der Diözese Üdin/Udine und kam dann zum BistumGurizze/Görz; 1787 wurde es dem Bistum Laibach zugeteilt und schließlich 1789 dem Bi¬

stum Brixen unterstellt; ab 1964 gehört es zu Belluno (141). Das Alto-Piave-Gebiet - Bla-

den/Sappada ausgenommen - das heute diözesanmäßig zu Belluno gehört, war sogar bis

1846 kirchlich mit Friaul verbunden (142).

Man kann natürlich über die Tragweite dieser geschichtlichen Fakten in Bezug auf die Sella-

mundarten diskutieren und verschiedener Meinung sein, aber es wäre falsch, sie gänzlich zu

ignorieren, wie es bisher in linguistischen Abhandlungen mehr oder weniger immer gesche¬

hen ist.

6. Ladinisch und Venezianisch

6.1. Während zwischen dem Diasystem der Sellamundarten und Friauls Übereinstimmungherrscht, besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem Diasystem der ladinischen und der

venezianischen Zonen, wenigstens auf der gegenwärtigen synchronischen Ebene (143).

Aber nicht nur das Venezianische der Gegenwart - und die ihm zugeordneten Mundarten im

allgemeinen - sondern auch das Venezianische des späten Mittelalters erscheint grundlegend

anders als die für jene Zeit rekonstruierbare Struktur des Ladinischen (144). Keineswegs

leugne ich damit jedoch etwa mögliche Ähnlichkeiten oder Ubereinstimmungen zwischendem Ladinischen und den Mundarten des venezianischen Gebietes noch weiter zurückliegen¬

der Zeitabschnitte - etwa bis um die Jahrtausendwende - aber ich bin nicht in der Lage, etwas

Gadertalern regelmäßig besuchten Sillianer Jahr¬

markt: »Le marcé da Jorian« [iorjh] < SILLI-GAN(A) (dokumentierte Form aus dem Jahre

1140). 1469 verlieh Graf Leonhard von Görz das

Recht für die Abhaltung des Jahrmarktes. Vgl. E.

Widmoser: Tirol A bis Z, Innsbruck 1970, S. 876.

139) Da - wie ich an anderer Stelle ausführen werde -

die Palatalisierungsperiode von CA- im Ladini¬

schen des Gadertales bereits um 1000 abgeschlos¬

sen war (im Gegensatz zur späten Datierung:

ausgehendes Mittelalter/angehende Neuzeit von

C. Battisti. G.B. Pellegrini, C. Tagliavini), ist der

Ausdruck cad.ra <*cadójvra <*cadóvrja ( <

? gali. CATU+ BRIGA: vgl. G. B. Pellegrini in

Saggi, cit., S. 290) - vorausgesetzt, daß er nicht

erst später bereits mit dem Palatal von Cortina

übernommen worden ist - ein Beweis für sehr alte

Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn.

Ferner sei hier an den Rhotazismus (-/- > -r-)

erinnert, der sowohl im Gadertal (vor allem in

AP) und im benachbarten Cortina sehr ausge¬

prägt ist: vgl. beispielsweise Cortina ara

( < ALA), se mar »erkranken«, mra »Mühl-

stein>< usw. =AP ara, se amare, mra usw.

140) In: Storia di Cortina d'Ampezzo, Milano 1974,

S. 18. Vgl. ferner: G.B. Pellegrini: Contributo

allo studio della romanizzazione della provincia

di Belluno, Padova (CEDAM) 1949, S. 12f.; id.:

Cadore preromano e romano, Feltre 1954; id.:

Carnia e Cadore, cit.; G. Fabbiani: Breve storia

del Cadore, Udine 1957.

141) Vgl. K. Wolfsgruber: Die Seelsorge in den ladini¬

schen Tälern, in »Jahrbuch des Südtiroler Kul¬

turinstitutes«, cit., S. 464f.; G. Riehebuono: Sto¬

ria di Cortina d'Ampezzo, cit.

142) G.B. Pellegrini: Carnia e Cadore, cit., S. 5; ferner

in Saggi, cit., S. 45.

143) Vgl. G. Lepschy: Fonematica veneziana, in ID

XXV, S. 1-21; id.: The Segmental Phonems of

Venetian and their Classification, in »Word« 19

(1963), S. 53-66.

144) Vgl. A. Stussi: Sui fonemi del dialetto veneziano

antico, in ID XXVIII, S. 126-141.

118

Derartiges an Hand der unvollständigen und nicht immer stichhaltigen Materialien, die mir

zur Verfügung stehen, zu beweisen (145).

6.2. Aber selbst wenn man eines Tages eine ehemalige Ladinität des alten Venedig und seiner

umliegenden Gebiete, die heute ohne Zweifel zum Italoromanischen gehören, einwandfrei

nachweisen könnte, bestünde deshalb noch kein Grund, die Mundarten der Sella und Friauls

als periphere Mundarten des italienischen Systems zu betrachten, wo doch unumstößlichfeststeht, daß das alte Padanien zur Galloromania (146) gehörte. Unsere ladinischen Mund¬

arten blieben also auch im Falle einer eventuell nachweisbaren ehemaligen Ladinität des ve¬

nezianischen Gebietes Reste einer früher weiter ausgedehnten, aber vom Italoromanischen

verschiedenen Romanität! (147).

Es ist also unlogisch und inkonsequent, wenn C. Battisti und seine Anhänger früher nicht be¬

stehende Unterschiede, die hingegen heute die ladinischen von den norditalienischen Mund¬

arten trennen, nicht gelten lassen (148), denn würde man, wie H. Kuen richtig bemerkt, »die

Sprache der Po-Ebene des 12. Jahrhunderts mit der von Frankreich einerseits und mit der

von Rom andererseits vergleichen, so würde die Po-Ebene sprachlich viel näher zu Frank-

145) Vgl. zu diesem Problem G.I. Ascoli: Saggi ladini,

cit., S. 448ff., aber auch S. 391 ff.

146) Vgl. G.I. Ascoli in AGI, VIII, S. 103: während erdas Venezianische zum Italienischen zählt, rech¬

net er das Galloitalische (Piemontesisch, Li-

gurisch, Emilianisch, Romagnolisch, Lombar¬

disch) zu »quei dialetti che si distaccano dal si¬

stema italiano vero e proprio«, und W.v. Wart¬

burg schreibt: »Norditalien marschierte mit Rä-

tien und Gallien.« (Die Ausgliederung der ro¬

manischen Sprachräume, Bern 1950, S. 116).

Selbst G.B. Pellegrini schreibt in Saggi, cit.,

S. 1 17: »La Romnia occidentale, come si sa, in¬

clude riberia, la Gallia, l'area alpina e l'Italia su¬

periore fino alla nota linea La Spezia - Rimini;

sotto questa demarcazione si stende il dominio

della Romnia orientale (cio l'italiano toscano,

centro-meridionale e il gruppo rumeno-balcani-

co). In seno alla Romnia occidentale, noi po¬

tremmo isolare una Romnia gallica o Galloro¬

mania, se a quel dominio sottraiamo le aree mar¬

ginali e cio riberia e una parte del Veneto

(quello meridionale e forse l'area istriana o

istriota) in cui il fermento celtico assai meno vi¬

tale.«

Siehe auch Saggi, cit., S. 198; sowie id.: La lingua

friulana, SFF, Udin 1974, S. 11: » assai sin¬golare osservare che anche la gente colta non si

rende ancor ragione che in origine le parlate

dell'Italia settentrionale nulla, o quasi nulla,

hanno in comune con la Toscana e con Firenze

donde s'irradia la lingua divenuta 'comune' dap¬

prima tra 'i literati' (in senso lato), specie a par¬

tire dal sec. XVI e, con lenta e via via incalzante

accelerazione, anche nell'uso orale a partire

dall'unit d'Italia.« Diesbezüglich bin ich ganz

der Meinung Pellegrinis. Mit um so größerer Ver¬

wunderung lese ich deshalb auf S. 146 seiner

Saggi: »pu darsi che »italianit« sia un concetto

politico, ma si conceder per lo meno che, se si

parla di uno spazio linguistico »italo-romanzo«

nel quale dovrebbe rientrare anche il »ladino«, si

potr per lo meno utilizzare il termine »italo« nel

significato storico, con allusione all'Italia storica

quale era concepita fin dall'epoca romana.« Oder

auf S. 167: »Si tratta in ogni caso di una Gallo-

romnia italiana dato che il concetto di una Italia

geografica era ben consolidato fin dai tempi di

Augusto.« Mit derselben »Logik« könnte man -

bezogen auf das Italien von 1918-45, das zur da¬

maligen Zeit auch »un concetto geografico ben

consolidato« war -, sogar noch das Istrorumäni-

sche (und mit ihm das Rumänische) zum Italoro¬

manischen rechnen! Die Heranziehung des augu-

stäischen Italien klingt ganz so, als wollte G.B.

Pellegrini in einer nunmehr verlorenen glottolo-

gischen Schlacht noch retten, was zu retten ist.

Ich habe den Eindruck, daß bei der »questione la¬

dina« kulturpolitische Vorurteile und Interessen

die geschichtlichen und glottologischen Tatsa¬

chen verschleiern. So endet C. Battistis Buch:

Storia della questione ladina nicht mit einer Fest¬

stellung, sondern mit folgender Aufforderung:

»I Retoromanici debbono usare come lingua di

cultura l'italiano!« (S. 78).

147) Vgl. V. Pisani: Si pu parlare di unit ladina? in

»Atti del Congresso Internazionale di Linguistica

e Tradizioni Popolari«, Gorizia-Udine-Tolmezzo

1969, S. 53-54.

148) C. Battisti: Storia della questione ladina, cit.,

S. 46.

119

reich gehören als zu Rom« (149). Es ist ebenso inkonsequent von Battisti und seiner Schule,wenn gegen die ladinische Einheit und Eigenständigkeit Argumente wie die angenommene,aber nie überzeugend bewiesene Verschiedenheit des vorlateinischen sprachlichen Substra¬tes, die zeitlich getrennten Momente der Romanisierung unserer Zonen oder das Fehleneines einzigen Kulturzentrums für unsere Gebiete ins Feld geführt werden (150). Geltenderartige Voraussetzungen für die italienischen Mundarten etwa weniger? Die Romani¬sierung der Halbinsel erfolgte nicht von heute auf morgen, noch gab es dort ein einheitlichesvorlateinisches Substrat oder ein einziges Kulturzentrum, das das ganze Gebiet erfaßt hätte.H. Kuen sagt mit Recht: »Wer also die Maßstäbe, die Battisti an die rätoromanische Einheitanlegt, auf die anderen romanischen Sprachen, insbesondere auf das Italienische anwendenwollte, der müßte folgenrichtig zur Leugnung der Einheit einer jeden romanischen Sprachekommen« (151).Abschließend muß noch gesagt werden, daß sich die Battisti-Schule scheinbar bis heute nieernsthaft gefragt hat, ob es nicht schon in der Vergangenheit durch positive Neuerungen ent¬standene Strukturgrenzen (= Sprachgrenzen) gegen die benachbarten venezianischen undlombardischen Mundarten gegeben hat; bisher hat man einfach mehr oder weniger alles inziemlich oberflächlicher Weise als »archaisch« abgetan. In Wirklichkeit haben wir es bei denladinischen Mundarten mit mehr als einer positiven Neuerung gegenüber den erwähnten ver¬wandten Nachbarmundarten zu tun. G. Francescato schreibt dazu: »Les traits typiques dufrioulan et du ladin des Dolomites (en accord ou non avec le ladin de la Suisse) ne peuventpas tre expliqués seulement par la conservation. Il y a dans ces parlers des faits d'innovationqui appartiennent sans doute leur couche la plus ancienne, et qui ne sont partagés par au-cun dialecte de la plaine du Po (...) Elles constituent, tant sur le plan synchronique que sur leplan diachronique, la preuve indubitable des divergences linguistiques entre les »dialectes«ladins et le »Lombardo-Venetisch«. Dans le Frioul et dans les Dolomites on trouve des con-servations et des innovations linguistiques, tout comme en Suisse: qui aurait pu en douter?«(152). Doch darüber ausführlicher in der nächsten Folge dieser Artikelserie, in der vom Kon¬sonantismus die Rede sein wird, und ich glaube kaum, daß solche positive Neuerungen reinzufällig entstanden sind.

149) In: Einheit und Mannigfaltigkeit des Rätoro¬manischen, in: »Romanistische Aufsätze«, cit.,S. 366.

150) C. Battisti: Storia della questione ladina, cit.,S. 73. J. Krämer: Gibt es eine rätoromanischeSprache?, cit., S. 201.

151) Cit., S. 367.

152) In: -propos de l'unité du »rhétoroman«, cit.,S. 278f.

J. B. Alton

L LADIN DLA VAL BADIAneu bearbeitet und ergänztvon F. Vittur unter Mitarbeit

von G. Plangg und A. Baidissera

Brixen 1968

120