Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte | Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
Prof. Dr. Karl Broich
„Russisch Roulette“ auf Rezept? Vom verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimittelnebenwirkungen
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte | Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
• Aktuelle und neue Zulassungswege / early Access
• Rolle der Pharmakovigilanz
• Forschung am BfArM zu Pharmakovigilanzthemen
Gliederung
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Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte | Das BfArM ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
Das BfArM prüft anhand der Zulassungsunterlagen und gemäß dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, ob das zur Zulassung beantragte Arzneimittel
• die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit besitzt,
• die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene pharmazeutische Qualität aufweist,
• in seiner Anwendung gemäß den Maßgaben der erteilten Zulassung unbedenklich ist, und
• der Nutzen dieser Anwendung die mit ihr verbundenen Risiken überwiegt (positives Nutzen-Risiko-verhältnis).
Aufgaben der Zulassung laut AMG
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EU- weite
Harmonisierung
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• Art der Behandlung
• kurativ, präventiv oder symptomatisch
• Klinische Bedeutung
• Häufigkeit und Schwere der zu behandelnden Erkrankung
• Nutzen für besondere Patientengruppen
• Erwartete Anzahl der Patienten
• Vergleich mit therapeutischen Alternativen
Aspekte der Nutzenbewertung bei Zulassung und auch danach
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Warum Pharmakovigilanz?
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Kenntnisse zur Sicherheit
relativ gering, insbesondere
zu seltenen UAW
• kontrollierte klin. Prüfung
• eng definierte
Patientengruppe,
• eher kleine Fallzahlen
Pharmakovigilanz
vor Zulassung nach Zulassung
und Markteinführung
• breite Anwendung in der
Allgemeinbevölkerung
• keine eng umschriebene
Patientengruppe
• höhere Fallzahl
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Pharmakovigilanz
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Gegenläufige Tendenzen
arzneimitteltherapeutische Möglichkeiten unzureichend
kurzer Zeitraum: Erkenntnisstand u. U.
nicht ausreichend
umfangreichere Studien und Prüfung:
verzögerter Marktzugang
Patienten: möglichst früher Zugang zu neuen Arzneimitteln
Medien/Öffentlichkeit:
größtmögliche Arzneimittelsicherheit
Überangebot vergleichbarer Arzneimittel
Leistungsträger:
HTA und vergleichende Bewertungen
Industrie:
innovationsfördernde
Rahmenbedingungen
Zeitverlauf bis zur Zulassung/Vermarktung
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From RCT to toolkit for evidence generation
Current scenario:
Post-licensing treatment
experience of many patients does
not contribute to evidence
generation
Adaptive Licensing:
After initial license, patient
experience is captured to
contribute to real-world
information
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Von der „breiten“ zur „engen“ Indikation
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Final target indication in blue, patient group with highest need in red. Both strategies are acceptable from a regulatory point of view
Blockbuster strategy
Real-world monitoring; RCTs
Adaptive pathway
’Differentiation’; variation of license
Slide modified from Tomas Salmonson
?
Real-world monitoring
Welche Studien können behördlich zu welchem
Zeitpunkt angeordnet werden?
• Unbedenklichkeitsprüfungen (PASS)
• Wirksamkeitsprüfungen (PAES)
bei Zulassung
• Unbedenklichkeitsprüfungen (PASS)
• Wirksamkeitsprüfungen (PAES)
nach Zulassung
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PRAC: Beratungsgremium
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Weitere Informationsquellen zu Nutzen und Risiken • Datenbanken zu Nebenwirkungen
• national und EudraVigilance
• Signaldetektion
• Periodic Safety Update Reports (PSUR)
• Post-Authorisation Safety Studies (PASS)
• Aktive Überwachungsprogramme
• Daten aus der wissenschaftlichen Literatur
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• …. umfasst auch solche bei
• Off-label-Anwendung
• Fehlgebrauch
• Medikationsfehlern, d.h. unabsichtliche Fehlanwendung, z.B.
• Nicht-Beachtung von Kontraindikationen
• Dosierungsfehlern
• Verwechslungen
• Missbrauch im Sinne von absichtlicher Überdosierung
• Seltene Nebenwirkungen, die aufgrund geringer Fallzahl bei klinischen Prüfungen nicht entdeckt werden können Spontanerfassung
Spektrum berichteter Nebenwirkungen nach der Zulassung ….
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Nationale und internationale Informationswege Spontanmeldesystem
pharmazeutische Unternehmer, Sponsoren
Arzneimittelkommissionen der Heilberufe
Arzt, Apotheker, Patient, Anwälte, Landesbehörden, BMG
WHO EMA Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
§63c AMG, §13 GCP-VO Stufenplan
IFG
§62 Abs. 3 AMG
Vertrag
BerufsO. f. Ärzte, Apotheker
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• keine systematische Datenerfassung
• Freiwilligkeit
• Ausmaß des „underreportings“ oder „overreportings“ unklar
• Zähler und Nenner unbekannt
• d.h. Exposition unbekannt, Anzahl der Fälle unklar
• daher keine quantitativen oder vergleichenden Häufigkeitsabschätzungen durchführbar
• Ergänzung des Kenntnisstandes durch Studien notwendig
• z.B. Sicherheitsstudien nach der Zulassung (sogenannte Post-authorisation safety studies) zur quantitativen Abschätzung des anwendungsbezogenen Risikos
• kontrollierte klinische Prüfungen
• epidemiologische Studien wie Fall-Kontroll- und Kohortenstudien
• Register
Spontanmeldesystem: Limitierungen
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Nebenwirkungsmeldungen in Deutschland 2014 27050 Berichte/55565 Eingänge
16
85,270%
5,467%
3,763%
0,179% 1,629%
2,633%
0,591%
14,730%
Pharm. Unternehmer Ak der deutschen ÄrzteschaftAMK Ak der deutschen ZahnärzteIntensiv. Monitoring HeilberufeAndere Ak: Arzneimittelkommission
Meldequellen:
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Nebenwirkungen (ATC code basiert) in unserem
Spontanmeldesystem
Nebenwirkungen (%) von Antidepressiva
Metaanalysis from 36 trials
in acute MDD (Gartlehner et al. 2009)
Webbased Monitoring for 6 months (Härmark et al. 2013)
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• Bekanntheit des Wirkstoffes/ der Wirkstoffklasse
• Höhere Aufmerksamkeit bei neuen Wirkstoffen
• Mediale Aufmerksamkeit
• Wissenschaftliche Literatur
• Digitale Medien
• (Fach-)Öffentlichkeit
• Schwere und Bedeutung der Nebenwirkung
• Verordnungszahlen
Viele Meldungen = schlechtes Arzneimittel? Einflussgrößen des Meldeverhaltens
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Behandlung
Xarelto
Ereignisrate
(100 Patientenjahre)
Warfarin
Ereignisrate
(100 Patientenjahre)
Hazard
Ratio
(95 %
KI)
p-Wert Ereignis
Schlaganfall und
systemische Embolie
ohne Beteiligung des ZNS
269 (2,12)
306 (2,42)
0,88 (0,74 – 1,03)
0,117
Schlaganfall, systemische
Embolie ohne Beteiligung
des ZNS und vaskulärer
Tod
572 (4,51)
609 (4,81)
0,94 (0,84 – 1,05)
0,265
Schlaganfall, systemische
Embolie ohne Beteiligung
des ZNS, vaskulärer Tod
und Myokardinfarkt
659 (5,24)
709 (5,65)
0,93 (0,83 – 1,03)
0,158
Schlaganfall
253 (1,99)
281 (2,22)
0,90 (0,76 – 1,07)
0,221
systemische Embolie
ohne Beteiligung des ZNS
20 (0,16)
27 (0,21)
0,74 (0,42 – 1,32)
0,308
Myokardinfarkt
130 (1,02)
142 (1,11)
0,91 (0,72 – 1,16)
0,464
Ergebnisse zur Wirksamkeit Phase III ROCKET AF Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern
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Behandlung
Xarelto
Ereignisrate
(100 Patientenjahre)
Warfarin
Ereignisrate
(100 Patientenjahre)
Hazard Ratio
(95 % KI)
p-Wert
Ereignis
Schwere Blutungen
395 (3,60)
386 (3,45)
1,04 (0,90 - 1,20)
0,576
Tod durch Blutungen*
27 (0,24)
55 (0,48)
0,50 (0,31 - 0,79)
0,003
Kritische
Organblutung*
91 (0,82)
133 (1,18)
0,69 (0,53 - 0,91)
0,007
Intrakranielle Blutung*
55 (0,49)
84 (0,74)
0,67 (0,47 - 0,93)
0,019
Hämoglobin-Abfall*
305 (2,77)
254 (2,26)
1,22 (1,03 - 1,44)
0,019
Transfusion von 2 oder
mehr Einheiten
Erythrozytenkonzentrat
oder Vollblut*
183 (1,65)
149 (1,32)
1,25 (1,01 - 1,55)
0,044
Nicht schwere klinisch
relevante Blutungen
1.185 (11,80)
1.151 (11,37)
1,04 (0,96 - 1,13)
0,345
Gesamtmortalität
208 (1,87)
250 (2,21)
0,85 (0,70 - 1,02)
0,073
Ergebnisse zur Sicherheit aus Phase III ROCKET AF Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern
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Quelle: Nebenwirkungsdatenbank des BfArM, Stand: 2.4.2015
Anzahl der Verdachtsfälle* mit Blutungen und tödlichem Verlauf (Deutschland) *Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht eindeutig belegt
22
0
20
40
60
80
100
120
140
160
2011 2012 2013 2014
Rivaroxaban(AM Xarelto)
Dabigatran(AM Pradaxa)
Apixaban(AM Eliquis)
N
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Verordnungszahlen: NOAK
24
Datenquelle: Arzneiverordnungsreport 2012, 2013, 2014, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
2011 2012 2013
Rivaroxaban(AM Xarelto)
Dabigatran-etexilatmesilat(AM Pradaxa )
Apixaban(AM Eliquis, ab 2013)
Mio. DDD
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NOAK-Register Dresden
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• Kennzeichnung („schwarzes Dreieck“)
• Textanpassung von Fach- und Gebrauchsinformation
• Durchführung von Studien
• Verschreibungspflicht
• Erarbeitung von Schulungsmaterial
• Anwendungsbeschränkungen
• Kontrollierte Abgabesysteme
• Marktrücknahme
Maßnahmenkatalog zur Risikominimierung als Auflage für den Zulassungsinhaber
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Bewertung durch den Wissenschaftsrat 2014:
• „Die aktuelle Einrichtung des Forschungsbereichs und die Besetzung der Forschungsdirektion im Jahr 2012 wird durch den WR ausdrücklich begrüßt.“
• Fundierung der regulatorischen und beratenden Tätigkeiten durch qualitativ hochwertige eigene Forschung
• Spitzenstellung weiter festigen, zukünftig sicherstellen und ausbauen
Forschung am BfArM
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Forschungsschwerpunkte
Pharmakogenetik, Individualisierte Medizin
Pharmakoepidemiologie
Klinische Implantatsicherheit
Sicherheit und Wirksamkeit bzw. Leistungsfähigkeit von
Arzneimitteln und Medizinprodukten
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Struktur der Forschung am BfArM
Pharmakogenetik Individualisierte Medizin
Pharmako-epidemiologie
Implantatsicherheit
Uni Bonn Zentrum für translationale Medizin Graduierten-schule
Arzneimittelzulassung
Pharmakovigilanz
Medizinprodukte
Legaler BTM-Verkehr
Aufgabenbegleitende Forschung
Forschungs-abteilung - Nachwuchs
-förderung
- Seminare, Weiter-bildung
- Integration ins Haus
DZIF
DZNE
Forschungs-schwerpunkte Regulation
Interner Forschungsrat
Wissenschaftlicher Beirat
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Risikokommunikation der BOB
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• BfArM ist „proaktiver“ Partner national und europäisch
• Zulassung und Vigilanz zunehmend verzahnt über den
Lifecycle
• Zentralisierung und Harmonisierung der Pharmakovigilanz in der
EU
• „early access“-Programme auf limitierter Datenbasis
zunehmend in Entwicklung
• Forschungsaktivitäten zur Pharmakovigilanz werden
ausgebaut
• Aktiverer Dialog mit Verbesserung der Transparenz und
Kommunikation
• „BfArM im Dialog“
• Bulletin zur Arzneimittelsicherheit
Zusammenfassung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
BfArM:
Wissenschaftliche und regulatorische Kompetenz