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Page 1: Das Vorkommen von Kolbenhaaren und die Veränderungen derselben beim Haarwiederersatz

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(Physiolcgisches Institut der Universitat Berlin. Abtheilung yon Professor Dr. Fritsch.)

Das V o r k o m m e n von Kolbenhaaren und die V e r a n d e r u n g e n derse lben beim Haarwieder -

ersatz.

Yon

Dr. Gaston Auburt in l ) .

Hierzu Tafel XXIV und XXV.

An dem regen Stoffwechsel, der fortw~hrend im mensch- lichen Kfirper walter, wie auch an den StSrungen dieses Stoff- wechsels nimmt kein anderer Bestandtheil des K~rpers einen so lebhaften Antheil, wie seine Behaarung, besonders diejenige der Kopfhaut. Befindet sich dieselbe doch vom Beg'inn ihrer Anlage bis znm Ende ihres Bestehens in einem stetigen Wechsel, der zu gewissen Zeiten ein allgemeiner wird, z. B. nach der Geburt und im Kin- desalter, und macht sich doeh als Zeichen beg'innender Senescenz, als Folffe ausschweifenderLebensweise und schwerer Ern/thrungs- stfirung'en zuerst ein Erffrauen und Dtlnnerwerden der Haare, schliesslich der Ausfall derselben bemerkbar. Rechnet man hier- zu noch die Versehiedenheit der Haarfarbe, der Haarst~rke und des Reichthums an Behaarung', so kann man sieh ungef~,~hr ein Bild machen yon der Mannig'faltigkeit, die eine Untersuchung verschiedener Haarbfiden dem mit dem Mikroskop bewaffneten Auge darbieten muss, wie auch schon die Betrachtung" eines ein- zelnen Haarbodens ein buntes Bild entrollt dutch die Verschieden- heit der Gruppirung, vor allem aber der Entwicklunffsstadien, in denen sich die einzelnen Haare befinden. Da finder man neben normalstarken Haaren schw~chere und ganz feine Lanu- goh~rchen, Kolbenhaare in grfisserer oder geringerer Menge,

1) Ygl. die Inauguraldissertation des Verfassers, Berlin, Juli 1895. Die nachfolgende Mittheilung ist eine Erganzung und Erweiterung des in der Dissertation behandelten Gegenstandes, und vervoUstitndigt ein demnachst erscheinendes Werk des Herrn Geh.-Rath G. F rit s e h: ,Ueber Rassenunterschiede des Haares%

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zuweilen nur vereinzelt, ver(idete und zusammengeschrumpfte Bitlge u. s. w.

Und doeh ist dieses Dureheinander kein unentwirrbares, and es li'~sst sieh feststellen, dass alle Versehiedenheiten aufganz bestimmteEinflasse zurriekzuftthren sind. Wenn man aueh nicht eine Krankheit lediglieh aus tier Bctraehtung einiger ttaare dia- gnostiziren kann, so bietet doeh der Haarboden einen ziemlieh zuverliissigen Spiegel yon dem Allgemeinzustand des K(irpers nnd yon etwa vorhandenen sehadliehen Einwirkungen auf denselben. Inwieweit diese Ursachen speziell auf die Anzahl der Kolben- haare einefi Einfluss haben, dal'aber fehlen noeh heute genauere Angaben, und deswcg'en sammelte ich auf Veranlassung des Herrn Geh. Rath G. F r i t s c h , dem ieh arch noch an diesel" Stelle meinen ehrerbietigsten Dank frir seine fi'eundliche Unter- sttitzung ausspreche, eine grSssere Anzahl yon Hautstiieken aus der Seheitelgegend des Mcnschen. Das Material, das ich der Gate dcs Herrn Dr. B e n d a verdankc, welchem icb cbenfalls meinen cr- gcbensten Dank wiederhole, wurde racist yon Leichen der im Krankenhaus am Urban Verstorbenen m(iglichst frisch entnommcn ; hierzu kamen ein unmittelbar nach dem Todc exstirpirtes Strick Haut eines 3ji~hrigen verungltiekten Knaben, ein bet ciner Ope- ration gewonnenes Stack Barthaut und als besonders werthvolle Beig'abe 3 Stricke friseh eingelegter Augenlider, yon denen eines ebenfalls einer Operation entstammte. Das Material umfasste mithin 43 Staeke Kopfhaut, 1 Stack Barthaut, 3 Augenlider. Jede Erkrankung des Haarbodens selbst ,~urde vermieden, da- gegen eine grSsstm0gliche Variation in Bezug auf Al ter , Ge- schlecht und Todesursache angestrebt. Als Fixirungsfiassigkeit waren 4 Mischungen genommen, far fi'isehe Sttteke danne Chrom- essigsiiur6 (0,5 ~ , 3 Tage), 10 ~ Salpetersi~ure mit naehfol- gender Kalibiehromatbehandlung und Alkohol absolutus, frir die abrigen M it 11 e r'sche L0sung (4--5 Tage auch bet Stricken yon 3--4 qcm Fli~che). Es folgte, wenn n(ithig, Nachhiirtung in steigen- dem Alkohol, dann Einbettung in Celloidin. Ein Theiljedes Stackes wurde nun mit Halfe des Mikrotoms und des Kollodiumaufklebe- verfahrens 1) in Serien yon Flaehsehnitten zerlegt, auf deren

1) Das dabei angewand~e und wohl bisher, wenigstens in dieser Modifikation unbekannte Verfahren, lohnt sich seiner Einfachheit und

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hohe Bedeutung ftir Untersuchungen des Haarbodens im Gegen- satz zu frtiheren Arbeiten, die sich fast nur auf Querschnitte sttltzten, zuerst Herr Geh. Rath F r i t sc h hingewiesen hat. Der Rest jedes Sttlckes wurde in gleicher Weise in Serien yon Quer- schnitten zerlegt, miiglichst in der Richtung" des HaarveHaufs. Fi~rbung mit B (i h m e r s Hiimatoxylin (ftir M ti 1 1 e r und Alkohol abs.) oder nach B e n d a mit vorhergehender Eisenbeizung, Ein- schluss in Canadabalsam.

Es liess sich an der Hand dieses reichen Materials mit Leichtigkeit feststellen, dass das V e r h ii 1 t n i s s d e r K o 1 b e n- h a a r e zu d e n P a p i l l e n h a a r e n yon ganz best immten Faktoren beeinflusst wird. Die Bestimmung dieses Verh/tltnisses geschah in der Weise, dass auf einer g'leichen Fl~tche (ich benutzte ein Deckglas, beklebt mit Papier, aus dem ein Quadrat yon bekannter Griissc entfernt war, und dessen Oberfliiche behufs genauerer Ziihlung durchRitzung mit dem Diamanten in kleinere Quadrate eingetheilt war), sowohl in den obersten Schnitten, also in der Gegend der feineren Haarkolben, als auch in den ticferen Schnitten, und zwar in der unteren Talgdrtlsengegend (lie Zahl der Papillen- und Kolbenhaare aufgeschrieben, und da- raus das Verhaltniss bcrechnet wurde.

Unter n o r m a l e n V e r h ~ t l t n i s s e n findet man nun bci Kindem einen sehr hohen Procentsatz yon Kolbenhaaren, bei dem verungltickten Knaben 53 ~ , weniger bei Erwachsenen, wo dis Zahl bei 2 pliitzlich Verstorbenen (Apoplexie) 23 und 26 betrug, also im Mittel 24 ~

Anders, wenn dem Tode eine l i t n g e r e , s c h w e r e E r k r a n k u n g vorangegangen w a s wobei yon Infektionskrank-

Sicherheit wegen zur weiteren Empfehlung: Anordnung der aus 80~ Spiritus genommenen Schnitte auf dem Objekttr~ger (der Bequemlich- keit halber ur~d um ein Austrocknen zu meiden, bringt man sie vom Messer in eine grosse, flache, mit ganz wenig Spiritus versehene Schale und legt sie der Reihe nach an den Rand). Vorsichtiges Entfernen des Spiritus durch Auflegen yon Fliesspapier, Auf~essen einiger Tropfen absoluten Alkohols, abermaliges .Entfernen desselben mit Fliesspapier, Auftropfen einer ganz diinnen Collodiumliisung, Verdunsten des Aethers, Abziehen der Haut in 80O/oigem Alkohol, Wasser, F~trben. Zum Zweck des Einlegens bringt man die Hau~ in 95O/oigen Alkohol, dann fiir einige Augenblicke in Alc. abs, dann in Carbol-Xylol und Xylol bis zur viilligen Aufhellung. Balsam oben und unten!

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heiten vorliiuflg Abstand genommen werden solI, da diese naeh- her ftir sich besprochen werden. Bei 8 Individuen, yon denen 3 an chronischer Nephritis, 4 an Krebsleiden, 1 an Lebcrcirr- hose gestorben waren, betrug der Procentsatz:

20, 23, 23, 28, 33, 45, 46, 46, also im Mittel 33 ~ Immerhin halten sich yon diesen 8 Fallen noch 50 ~ in der Nithe der normalen Grenze.

Eine fast allgemeine und bedeutende Steigeru,g des Pro- centsatzes der Kolbenhaarc tritt dagegen ein, wenn das betl'ef- fende Individuum an einer I n t e k t i o n s k 1' a n k h e i t gelitten hat. Nur Kinder scheinen hiervon eine Ausnahme zu machen. Denn bei 5 Kindern yon 7 Monaten, 5, 51/2, 7 und 10 Jahren, die an Pneumonie, Scharlach, Diphtheric, Diphtherie und Tuberculose ge- storben waren, win'de die normale Grenze, mit einer Ausnahme, kaum tiberschritten. Die Zahlen betragen niimlich:

87, 56, 40 , 45, 44. Um so erheblicher ist die Steigerung" beim Erwaehsenen,

wo sie die Norm hiiufig um alas 21/2 fache tibcrstcigt. Dcr Pro- centsatz betr~tgt namlieh: bei 10 Fallen yon Phthisis: 18, 27, 30, 39, 40, 46, 47, 53, 64, 65, ,, 2 , , Pneumonie: 38, 42, , 1 Fall , akuter Leuk:tmie: 57,

also bei akuten sowie chronischen Infektionskrankheiten im Mittel 440]0, und yon allen 13 Fiil]en hleiben nut 1 5 % in dcr Niihe tier normalen Grenze.

Wenn nun auch dcr Durchschnitt bei allen genannten Er- krankungen ein hoher ist, so muss doch auffallen, dass die Gren- zen, innerhalb deren dcr Procentsatz schwankt, ziemlich weitc sind. Doch auch das hat seine Grtinde, die aber hier nicht in iinsseren Einfltissen liegen, sondern individuellcrNatur sind, n~im- lich auf Alter, Geschlecht und die Behaarung selbst zurtlckzu- ftihren sind.

Was zunRchst das A I t e r anbetrifft, so kommen bei Kin- dern an und fUr sich reichlich Kolbenhaare vor, aber. bei Er- wachsenen oft ebensoviele, wahrend in hohem Alter yon 70--80 Jahren stets ein hiiherer Procentsatz vorhanden zu sein scheint (40--50). Deutlicher schon ist der Einfluss des G e s c h l e e h t e s , indem bei Miinnern unter gleichen Verhiiltnissen (Haarreichthum, -stiirke, -farbe) mehr Kolbcnhaare vorkommen wie bei Frauen~

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wie tlberhaupt die hohen Zahlen yon 64 und 65 ~ o dem miinn- lichen Gesehlecht angeh(iren.

Eine ganz besondere Einwirkung" ist abel" der H a a r fa r b e zuzusehreiben, indem bei blonden Individuen unter sonst gleichen Umst/inden der Procentsatz der Kolbenhaare ein vial h0herer ist, wie bei Dunkelhaarigen. Das ist aueh der Fall, wenn die Haarst~rke gleieh ist, worauf noeh besonders aufmerksam ge- macht werden muss, da man ja bei Blonden schon deswegen mehr Kolbenhaare erwarten wird, well ihre Haare gew~ihnlich sehr fein und zart sind. Es kommen bei Blonden, die lange schwer krank gewesen waren, dnrchschnittlich 41 ~ , bei Dunkcl- haarigen 24~ Kolbenhaare vor, t~rner bei Blonden, die Infek- tionskrankheiten erlegen waren, 4 7 % , bei Dunkclhaarigcll in demselben Fall nur 30 ~ Das stimmt fibcrcin mit den Bercch- nungen, die P i n c u s ~) nach monatelangen, miihevollen Zahhmgen an gesunden Leutcn tiber den ti~glichen Haarausfall anstelltc. Um nur einige Beispiele aus seinen Tabellen herauszugreifen:

t/iglicher Ausfall 19j. Mann, Haar schwarz, dight, stark: 44 18j. , , blond, , , ~ : 74 19j. ,, ,, schwarz, ,, , , : 44 18j. , ,, blond, , , , : 96.

Wie soil man sich nun das spitrlichcrc oder rcichlichcre Vorkommen yon Kolbenhaaren erklaren? U n n a~) hat friiher behauptet, die Kolbenhaare wiircn eine dem Papillenhaar gleich- werthige Form, aus letzterem hervorgegang'en, der Untersehied witre nut ausserlieh, and sic wtiehsen weiter. Diese Anschaunng ist einem vielseitigen Widersprueh (K 511 i k e r, R a n v i e r, R e i n k e , F r i t s c h , v. E b n e r , G i o v a n n i n i u. a.) begegnet. Es muss auch weiterhin darauf aufmerksam gemacht werden, dass das reiehliche Vorkommen yon Kolbenhaaren eimnal bei erschtipfenden Krankheitcn, andererseits bei Infektionskrankheiten sehr zu. Gunsten derer spricht, die die Kolbenhaare ftir ausfal- lende Haare ansehen. Ist doch ein reiehlieher Ausfall als Sym- ptom verschiedener Infektionskrankheiten (Pneumonie, Phthisis,

1) P i u c u s , V i r c h o w ' s A r c h l y 1866, Bd. 37. 2) U n n a , Z i e m s s e n ' s Lehrbuch Bd. 14, 1.

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Typhus, Seharlach) bekannt unter dem Namen Alopeeia sym- ptomatiea.

Es ist aber nieht immer gesagt, dass, wenn ein Haar in alas Stadium des Kolbenhaares g'etreten ist, sein Ausfall unmittel- bar bevorsteht. Vielmehr k~)nnen die Kolbenhaare bekanntlieh sehr lang'e fortbestehen, wie die Entdeekung" yon L a ng'e r be- weist, dass die Winterhaare yon Gemse, Hirsch und Reh wah- rend des ganzen Winters Kolbenhaare sind. Allmahliel! abet, nattirlieh unter gUnstigen Ernahrungsverhii, ltnissen, entwiekelt sieh ein junges Ersatzhaar, und zwar, wie mit wenigen Ausnahmen allgemein angenommen wird, im alten Balge. Dieses junge Haar erreieht spater normaler Weise annahernd oder ganz die- selbe Starke wie sein Vorgang'er. Bei St•rungen der ganzen K(irperkonstitution abet bleibt dieses junge Haar entweder ganz aus, und man wird dementsprechend bei Leuten, die an einem schweren Leiden erkrankt und g'estorhen sin(l, fast hie jung'e I-Iaaranlagen finden, oder aber der Wiederersatz ist insofern g'e- st()rt, als die neue Generation bedeutend sehwaeher ist.

Es ist daraus ersiehtlieh, dass die versehiedenen Kolben- haare auch oft verschiedene Bilder zeigen. Auf die dabei auf- tretenden versehiedenen Erseheinungen ausfahrlieher einzug'ehen, soll der Zweek tier folgenden Abhandlung" sein. Da mir dazu das reiehe Material eine willkommene Gelegenheit bot, so legte ich mir eine Tabelle an, in der yon fast allen Individuen mehr oder weniger, im Ganzen fast 200 KolSenhaare genau be- sehrieben wurden, wovon fast 60 auf ein Individuum entfallen, das einen fast allgemeinen H a a r w e e h s e l aufwies. Es wurde zu- naehst die anatomisehe Struktur des zwischen Papille und Haar- kolben zurtiekbleibenden Epithelstrang'es beschrieben, dann die Di- mensionen des Haares, des Epithelstrang'es, der Papille u. s. w. mit Halle des Okularmikrometers gemessen. Eine Wiedergabe dieser umfang'reiehen Tabelle dtirfte wohl nieht vonn()then sein, wes- wegen die $inzelnen Besehreibungen im Folgenden dureh m~)g- lichst viele Beispiele erlautert werden sollen.

Wenn nun weiterhin nur yon dem Wiederersatz im alten Balge gesproehen wird, ohne dass dabei auf die yon U n n a ftir Barthaare und yon S t i e da besehriebene Art yon Wiederersatz Rtieksieht genommen wird, wobei das junge Haar sieh einen neuen Weg in die Cutis bahnt, so finder das seinen Grund da-

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rin, dass weder Herr Geh. Rath F r i t s c h in seinem reichen Material, noch ieh in der Kopfhaut je eine andere Art yon Wiederersatz finden konnte, als die im alten Balge.

A. Der normale Haarwiederersa tz bei den Kopfhaaren.

Am meisten muss uns bei der Beschreibung des Haarwieder- ersatzes der Epithelstrang zwischen Papille und Haarkolben inter- essiren, und dementsprechend soll den in diesem Gebilde vor sieh gehenden Ver~tnderungen auch besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, zumal die betreffenden Vorg~ng'e einer ein- gehenden Beschreibung bisher entbehren. Ehe aber damit be- gonnen wird, will ieh in Ktirze die versehiedenen auf dieses Thema sieh beziehenden Ansiehten anfiihren, v. E b n e r ~) zu- n,,tehst, dem sieh dann aueh K a p o s i ansehliesst, glaubt, bei AblSsung des Kolbens blieben auf der Papille und dem bindeg6- webigen Haarbalg eine zusammenh,angende Lage yon Matrixzeilen (Fusszellen) zurtlek, so class man also an den Seiten der Papille zwei, sonst immer nut eine Lage yon Epithelien erh~tlt, die im Innern indifferente Zellen einsehl0ssen. Die Fusszellen tiber derPapille enthielten oft Pigment. Wenn nun bei ihrem weiteren Emporsteigen die Papille atrophire, so h~ttten nicht mehr alle Epithelien auf ihr Platz, wllrden zum Theil losgestossen und l~igen dann fl'ei im Epithelstrang. W a l d e y e r 2) und U n n a , welch letzterer allerdings seine Beschreibung auf Pr~tparate yon den Augenlidern sttitzt, lassen den Epithelstrang aus indifferenten Elementen bestehen, wie W a l d e y e r sagt: ,,es seheint mir am riehtigsten, zu sagen, dass mit dem Abheben des alten Haares die besonderen Charaktere der unten im Haarbalge befindliehen Zellen verloren gehen, und dass man es mit indifferenten Epithel- zellen zu thun babe." G a r e i a 8) endlieh gibt die erste genauere Besehreibung, die allerdings nut Pr~iparaten vom F0tus und New geborenen entnominen ist, indem er sagt, noeh naeh Able,sung" des Haares Wtirden im Epithelstrang Zellen produzirt, bald abet bore die Neubildung auf, die Zellen vergr0sserten sich noeh

1) Sitzungsberichte d. Kaiserl. Akad. d. Wissensch. Wien 1876, Bd. 73.

2) W a l d e y e r, Atlas d. thier, u. menschl. Haare. 3) G a r c i a, Der Haarwechsel bei Embryoucn und Neugeborenen.

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etwas, wodurch der Epithelstrang noch verl/ingert wlirdc. Dann aber schrumpften die Zellen, die Atrophic des epithelialen Cylin- ders schritte fort, die Papillc mit sich nach oben fortreissend, bis das untere Ende der produktivenRegion crreicht ware. Nun umg~,tbe die /~ussere Wurzelseheidc die Kuppe der Papille mit aktiven Cylindcrzellen.

Ueber die weiteren Ver/~nderungen, die sieh im Epithel- strang bci Beginu der Ncubildung des Ersatzhaares abspielen, ist man im allgemeinen einig. W a l d e y e r z. B. sagt: ,Dieser Epithclzapfen, in welchem h/~ufig gr6sscre Pigmentanh/~ufungen zu sehen sind, vergrSssert sich~ seine Zellen vermehren sich dutch Theilung, nehmen einc st~trkere Tingirung bei Farbstoffpr/~paraten an, und der gauze Zapfen w/~chst nach abw/irts auf demWege des stengel- artigenFortsatzcs, der soeben beschrieben wurdc (es ist die Rede yon dem bei den moisten Kolbenhaarcn vorkommenden unterhalb der Papille zurtickbleibendeu Rest des bindegewebigen Balges), d.h. in den alten Haarbalg, der wiedcr wegsam wurde, hincin. Er schicbt dabei die alte Papille, die sich nun ebcnialls wieder vergr6ssert und bald zu ihrem fr~iheren Umfitng wieder hcran- w~tchst, vor sich her. Das junge Haar legt sieh dann anf der Papille gcnau in derselben Weise aus den Zellen des Epithel- zapfens an, wie dies vorhin f~|r das erste Bild des Haares be- schrieben wurde. ~

Ebcnso 1/isst K i} 11 i k e r 1) cinc Anschwellung" und Vergri}ssc- rung im Epithelstrang auftreten, wodurch l/ingcrc Forts~ttze cnt- stehen, in denen sich dann das junge Haar anlegt. S t 6 h r endlich spricht yon einer Entscndung eines Haarkeimes nach embryonalem Muster.

Verfolgen wir nun an der Hand der beigegebencn Figuren die Schicksalc eines Kolbenhaares yore Beginn seiner Bildung his zu seiner Ausstossung, so ist das e r s t e S t a d i u m, welches man, wenn aucti nicht oft, finden kann, so gestaltet, wie es Fig. la vcranschaulicht. Das t taar sitzt nieht mehr unmittelbar auf der Papille, sondem ist abgehoben, unten etwas aufgefasert. Aber es ist noch kein typischcr Kolben gebildet. Die Papille hat ihren alten Standpunkt noch inne, befindet sich also bei Haaren yon 0,05 mm St~trke in der Richtnng des Haares ge-

1) KSll iker , Handbuch der Gewebelehre. A r e l * i v f. m i k r o s k . A n a t . r id . 47 31

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messen, noeh 2,7--3,5 mm yon der 0berfl~ehe aus. Diese Ent- fernungen sind der Genauigkeit halber yon einem einzigen Indi- viduum genommen, das einen lebhaften, fast allgemeinen, Haar- wechsel aufwies, und yon dem eine grosse Schnittserie (70 Schnitte) zur Verftigung stand. Bei andcren Individuen sind die Maasse annahernd gleich. Wenn auch weiterhin yon einer verschiedenen Tiefe der Papille in den eiuzelnen Stadien die Rede ist, so sind die Maasse ebenfalls dem einen Individuum entnommen, und be- ziehen sich auch immer auf Haare yon 0,05 mm Starke, welche am meisten vorkommen. Die Papille hat nun in diesem Stadium noch eine L/inge yon 0,165 ram, eine grSsste Breite yon 0,105 mm, eine kleinste yon 0,051 ram. Die F/irbbarkeit der Kerne ist gut. Der kurze Epithelstrang besteht aus einem Durcheinander ver- schiedener, ungleich grosser und gestalteter Epithelien, welche w e d e r t i b e r d e r P a p i l l e n o c h n a c h d e m b i n d e g e - w e b i g e n H a a r b a l g zu i r g e n d e i n e A n o r d n u n g er- k e n n e n l a s s e n . In der h'ahe der Papille finder man zuwei- len grfissere Mengen yon Pigment. Dicser Strang enthitlt aber noch Leben, wie das Vorkommen yon Kerntheilungsfiguren in ihm be- weist ( F r i t s c h , G a r c i a ) , was aueh ich an den Barthaaren und Cilien bestatigen konnte.

Das n a c h s t e S t a d i u m , das dem eben beschriebenen sowohl dem anatomischen Ban als auch der Entfernung der Pa- pille yon ihrem alten Standort nach in schwacherer Vergr0sserung Fig. ist dadurch ausgezeichnet, dass der L ~ n g e erreieht hat, der Kolben

am ahnlichsten ist, zeigt uns lb, in starkerer Fig. 2. Es Epithelstrang eine bedeutende �9 fertig ist, und die Papille,

wenn aueh nur wenig, in die HOhe gestiegen ist. 'Die L~nge des Stranges erkl~rt G a r c i a so, dass durch Vermehrung seiner Elemente und eine darauffolgende Vergr~sserung derselben der Kolben in die H~he getrieben wtirde. Es fragt sich aber zu- n~ichst, ob denn alle Zellen des Stranges nur auf die wenigen anfangs zuriiekbleibenden zuriickzufUhren sind. Zum Theil siCher. Aber, wenn die Zellen der Wu~elseheiden beim Emporsteigen des Kolbens nieht aueh zum Theil zurttckblieben und an der Bildung des Stranges theiln~hmen, so mtisste der Kolben allmah- lich in einem grossen Conglomerat yon Zellen stecken, w~hrend doch in der That nur eine m~ssige Anschwellung vorhanden ist. Dieser Ansehwellung, die U n n a Haarbeet nannte, soll im folgen-

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den der g.enauerc Beiname K o 1 b e n 1 a g. e r g.eg.eben werden. Weiterhin kann man doeh kaum einem aus wenig.en Zellen be- stehenden schmalen Strange eine so starke mechanische Kraft zutrauen~ um so mehr~ als, wie wir spiiter erkennen werden, derselbe Strang., viel dicker g.eworden und lebhaft wuchernd, weder aufKolben noeh auf Papille einen Einfiuss austibt, sondern nur eine leiehte Krtimmung. seiner selbst erleidet. Nach den Anschauung.en yon K • 11 i k e r u. a. dag.eg.en wird der Kolben dadureh in die Hiihe getrieben, dass der bindeg.ewebige Balg', untersttitzt entweder durch in ihm enthaltene Muskelfasern oder dutch den Druek der umgebenden Gewebe, sieh unmittelbar hin- ter dem Kolben zusammenzieht, wahrend ein Strang. yon Epithe- lien als Verbindung. mit der Papille zurtickbleibt. Dieser Strang. nun muss sehr lang" werden, wenn die Papille ihren Platz g.ar nicht oder kaum verliisst. Und dieses ist in der That der Fall. Wiihrend sich niimlich der Haarkolben jetzt in einer H~he yon 1,7 mm durehschnittlieh befindet, also einen fast ebenso lang.en Weg zuriiekgelegt hat, befindet sich die Papille noch in einer Tiefe yon 2~2 ram, hat also erst 0,8 mm zuriickg.eleg.tl). Hier einig.e Beispiele dieses Stadiums:

Liinge des Tiefe der Haar- Li~nge der Gr5sste 1 Kleinste

Papille stengels Papille Breite der Papille.

2,42 2,38 2,38 2,04 1,80 1,70

0,17 0,25 0,25 0,32 0,59 0,59

0,150 0,145 0,150 0,145 0,150 0,150

0,100 0,090 0,099 0,090 0,050 0,050

0,075 0,075 0,060 0,050 0,040 0,040

Es steht da an 2. Stelle ein Gebilde, das bisher noch nicht erwiihnt wurde, der t I a a r s t e n g e l . So nannte W e r t h e i m ~) den unterhalb der Papille sichtbaren Rest des bindeg.ewebig.en

1) Wenn es auch bereits durch v. Eb n e r festgestellt ist, dass die Papille hSher steigt und kleiner wird, so ist doch die Angabe der genaueren Maasse hier unerlasslich, da dieselben zur Charakterisirung der einzelnen Stadien wesentlich beitragen.

2) Sitzungsberichte d. Kaiserl. Akad. d. Wissensch. Wien 1864, Bd. 50.

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Haarbalges, und dieser Ausdruek soll, wenn We r t h e i m ihn auch anders verstand, wegen seiner Ktirze beibehalten werden. Ueber das Zustandekommen dieses Gebildes war man bisher im allgemeinen irriger Meinung. U n n a , K 0 1 1 i k e r , .Wer the im behaupteten, er entsttinde dadurch, dass dcr bindegewebige Haarbalg hinter der Papille zusammenfalle, U n n a machte dann noch auf die dabei in ihm auftretende Verdiekung und reichliche Gefiissbildung aufmerksam. Erst }Icrr Geh. Rath G. F r i t s c h hat in jtingster Zeit darau[ hingewiesen, dass die Papille doch mit diesem Bindegewebe lest zusammenhiinge und bei ihrem Emporsteigen den ihr anhaftenden Theil des Balges mit sich nehmen, und so den ganzen Balg e i n s t U 1 p e n mtisse, dass es sich also nicht nur um ein Zusammenfallen handele. Diese An- schauung ist die einzig'c richtigc, und das lasst sich auch be- weisen, und zwar dutch eine cinfache Berechnung. Findet that- si~chlieh eine Einsttilpung statt, dann muss man, um den frtihe- ten Standort der Papille zu erhaltcn, zu ihrer Tiefe noch das Doppelte tier Litnge des Haal'stengels hinzurechnen, der also nun wieder ausgesttilpt wi~rc. Wenden wir das auf unsere letzte Tabelle und vorausgreifend aut die folgende an, so erhalten wit als Tiefe der Papille:

2 ,42+2 2 ,38+2 2 ,38+2 2 ,04+2 1, ' /0+2 1 ,80+2

0,17 =2,76 0,25 = 2,88 0,25=2,88 0,32 =2,68 0,59=2,88 0,59=2,98

1,61+2 . 80=3,21 1 , 6 0 + 2 . 8 5 = 3 , 3 0 1,53+2 . 70----2,93 1,51 + 2 . 51 ----2,53

Und das sind j a alles Tiefen, in denen man die Papillen yon 0,05 mm dicken Haaren finder. Nun finder auch die yon U n n a erws Verdiekung- und der griissere Gefiissreichthum seine Erklarung, indem ja der Strang verdoppelt wird. Die unten vorhandene Umbiegung der Gefiisse liisst sieh aueh zuwei- len dentlieh feststellen.

Gehen wir nun an der Hand yon Fig. 2 und dem ill Fig. 3 wiedergegebenen Quersehnitte anf die S t r u k t u r des betreffen- den Epithelstranges ein, so ist zuniiehst fiber seine Form zu be- merken, dass dieselbe unregelmassig, oft zaekig ist, dass nach aussen keine seharfe Abrandung vorhanden ist, vielmehr die

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einzelnen Zellen oft etwas vorspringen. Aueh sonst sind die Elemente im allgemeinen regellos aneinander gelagert, zeigen vor allem tiber der Papille und an der Aussenseite des Cylinders keine Anordnung'. Nur im Inneren sieht man eine gr~ssere oder geringere Anzahl l a n g l i e h e r K e r n e in d e r L a n g s - r i e h t u n g verlaufen und oben um den Kolben, unten um die Papille herum auseinander strahlen. DieseKerne sind oft sehmal und intensiv gefarbt, und das ihnen zugehSrige Protoplasma zeigt zuweilen (an Praparaten aus Alkokol absolutus oder 3{filler. seher Flttssig-keit) eine eigenthtimliehe homogene, gelbbraune Farbe, wie sie der Hornsubstanz zukommt. G a r e t a sagt tiber diese langen Strange, dass keine Zellproduktion mehr stattf~nde, vielmehr deutliche Anzeiehen yon Atrophic sieh bemerkbar maeh- ten. In der That finder man in einem solehen Strange keine Kerntheilungsfiguren mehr, die Kerne f~rben sieh nieht sehr in- tensiv, was vor allem daran erkenntlieh ist, dass sie sich gegen die dunkelgef~rbten Kerne der Papille abheben, zuweilen er- seheinen sie aueh wie zerfallen. An Chromsaurepr@araten ver- misst man fast g'anz die sonst in der Cylinderzellenschieht reich- lieh vorhandeneu Zellen mit sehmale.n, fast sehwarz gef~rbteu Kernen. Diese kommen zwischen den normalen Cylinderzellen in kleinen, regelmassigen Abstitnden vor, und sind naeh tier Er- klarung des Herrn Geh. Rath G. F r i t s e h als die Folge eines einseitigen Chromatinniedersehlages dutch die Fixirungsfltissigkeit anzusehen. Allein eine richtige Atrophie, wie sie uns Fig. 14 darstellt, kommt bet gesundem Haarwuehs nicht vor und ist wohl immer als eine Folge yon ausseren seh~dliehen Einflttssen, also Allg'emeinerkrankungen, anzusehen (s. u.). Vielmehr handelt es sieh wohl um ein S t i l l s t e h e n t i e r T h a t i g k e i t , um e i n R u h e n l e b e n s f i t h i g e r E l e m e n t e , bet dem vielleieht einige atrophiren. Noch eine Eigenthtimlichkeit dieses Stadiums muss angeffihrt werden, ni~mlich das bisweilen bemerkbare Vor- kommen kleiner Perlkugeln im unteren Absehnitt des Stranges (Fig. 14 u. 16). Diese Perlk~irner sind meist pigmentreich, scheinen auch nur bet starker Atrophie im Strange bemerkbar zu sein.

Alle diese eben beschriebenen Strukturverhitltnisse stimmen aber wenig mit dem fiberein, was v. E b n e r fiber die Vorgi~nge beim Beginn der Kolbenhaarbildung schreibt. Es ist yon einem

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Zurtlekbleiben yen geordnetenFusszellen weder tiber derPapille, noeh naeh dem bindegewebigen Balge zu etwas bemerkbar. - - Andererseits daft es keinem Zweifel begegnen, class ttberhaupt Reste der iiusseren Wurzelseheide, sowie tier inneren und der Keimsehieht des Haares zurtiekbleiben (Fig. 10). Aber weiter- hin ist aueh das Pigment des Stranges nieht immer an die der Papille anliegenden Epithelzellen gebunden, liegt vielmehr naeh neueren Untersuehungen zwisehen ihnen und bildet ein feines Netzwerk (K (i I 1 i k e r, F r i t s e h). Und wenn aueh einmal tiber der Papille und im Strange pigmenthaltige Zellen liegen, so daft man die Herkunft derselben in letzterem Falle nicht dadurch erklitren, (lass bei Atrophie der Papille nieht mehr alle pigment- haltigen Zellen auf ihr Platz f',tnden, daher zum Theil losge- stossen wtlrden und nun frei im Strange litgen; denn man finder hitufig im Strange Zellen mit Pigment, wenn die der Papille un- mittelbar anliegenden Epithelien vollstandig frei yon Pigment sind.

Aber haben wit denn hier auch wirklieh ein Anfangssta- dium vor uns ? Diese Frage kann entsehieden bejahend be- antwol'tet werden. Denn einmal ist dieses Stadium anatomiseh am meisten demjenigen unithnlieh, welches wir spitter mit Sieher- heit als das Endstadium erkennen werden, liisst sieh aber dutch Uebergangsformen zu dem letzteren aberleiten. Dann findet man in solehen Stritngen nie Spuren einer Haaranlage. Endlieh ist die Papille hier ihrem frtiheren Standort noeh am naehsten. Ob wit aber bier eine besondere Art yon Kolbenhaaren vor uns haben, die neben anderen besteht, das wird noeh sp~tter besproehen werden, woraus klar werden wird, dass aueh dieser Einwand bei Seite gesehoben werden muss.

S o w i e a b e t d i e P a p i l l e b e g i n n t , w e i t e r em- p o r g e t r i e b e n zu w e r d e n , so b e g i n n t a u e h i n d e n Z e l l e n d e s S t r a n g e s s i e h n e u e s L e b e n zu r e g e n . Von der Cylinderzellensehieht des Kolbenlagers aus naeh unten bildet sieh namlieh allmithlieh aueh im Strang eine denselben umkleidende Cylinderzellensehieht, welehe immer tiefer greift und endlieh sieh bis an den Hals der Papille erstreekt, die all- mahlieh aueh einen gr6sseren Weg zurtiekgelegt hat. Sie ist namlieh jetzt nieht mehr welt entfernt yon dem Standpunkt, den im vorigen Stadium der Kolben eingenommen hatte, weleher inzwisehen noeh h6her gerttekt ist, wie aus folgenden Beispielen hervorgeht:

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Li~n ~.'e des Tiefe der Haar- L~tng'e der GrSsste Kleinste Papillc steng'els PapiIle Breite der Papille

1,72 ? 0,075 0,060 I ? 1,61 0,80 0,105 0,090 i 0,045 1,60 0,85 0,120 0,075 i 0,030 1,53 0,70 0,120 0,090 ] 0,045 1,51 0,51 0,090 0,081 i 0,060

DiG Papille ist ausserdem etwas kfirzer geworden, dcr Haar- stengel liinger. Diescs Stadium der R e g e n e r a t i o n des S t r a n g e s ist in 2 verschiedenen Stadien in Figur 1 c und l d (4 )ve ran- schaulicht. Figur l c (cf. Fig. 11, (lie das entsprechende Sta- dium einer Cilie zeigt) zun~tchst zcigt tin nicht sehr hiiufig zu be- obachtendes Bild. Man sieht als Fortsetzung der Cylinderzellen- schicht des Kolbenlagers nach unten einen Mantel lebhaft fi~rb- barer Cylinderzellen um den Strang vcrlaufen, deren Kerne in den oberen Partien senkrecht zur Axe desselben stehen, dana abcr immer mehr nach unten geneigt erscheincn und allal~ihlich in die regellos aufeinander gelagerten Zcllen der untcren Partie iibcrgehen. Diesen allmiihlichen Uebergang kann man schoa an dem vorigen Stadium zaweilen wahrnehmcn, wenn die Papille nieht mehr sehr tier sitzt~ wo dana dig erst senkrecht stehenden Cylinderzellcn des Kolbenlagers allmahlich in dig Zellen des Stranges verlaufen. Welter vorgeschrittea sehen wir den Process in Figur 4d (bei stiirkerer VergrSsserung). Hier finder man die Cylinderzellen in der ganzen Li~nge des Stranges vom Kolben- lager bis zum Hals der Papille, welche allmithlich ihre frfihere, lebhafte Fiirbung eingebfisst hat, aber dureh einige langliche Zellen mit schmalen, dunklen Kernen abgesiiumt wird. Diese liegen ihr aber nicht unmittelbar an, sondern lassen unter sich oft noch einige Epithelzellen erkennen. Es ist wohl denkbar, dass die Bildung dieser Elemente yon den oben besehriebenen in der L~tngsrichtung des Stranges verlaufenden Spindelzellen ausgeht, denen sit ihrer Stnmtur nach sehr iihnlich sehen.

Wie aber hat man die Bildung des Cylinderepithels zu ver- stehen ? Handelt es sieh am eine Produktion ganz neuer Elemente, die fiber den alten Strang gewissermaassen wie ein Handsehuh fiber die Hand gezogen werden, oder bilden sic sieh aus den Zellen des Stranges. Ein Theil ist sicher dureh Zellproduktion

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neugebildet, aber im allgemeinen scbeint das Cylinderepithel sieh doch aus vorhandenen Elementen umzubilden. Denn, wUrde wirklich eine ganz neue Umkleidung geschaffen, so mtisste man anfangs in den oberen Partieen senkrecht zur Axe stehende Cylinderzellen finden, die mit einer scharfen Grenzc aufh6rcn und auf cincm Strung regcllos zusammengeh~tufter Epithelzellen aufsitzen, der sieh noch welter nach unten fortsetzt. Allein es fehlt eine schroffe Grenze, und ist vielmehr ein ganz allm~h- licher Ucbergang gegeben.

Anders sehildert G a r c i a die Vorgange in diesem Stadium. W~hrend n~mlich bier mit dem Beginn des Emporsteigens der Papillc anch die Regeneration des Stranges beginnt, l~isst G a r c i a mit demselben Zeitpunkt cine immcr grSssere Atrophic im Strange Platz greifen. Es ist diescs ein direkter Widerspruch, aber doch nur anschcinend, insofcrn als beidc Formen, wie wit sp~tcr sehen werden, vorkommen. Allein diese Form ist fiir die Kopf- haarc des Erwachsenen als dic normale anzusehen.

Z u l e t z t b e t r i f f t n u n d i e R e g e n e r a t i o n im S t r a n g e d i e E l e m e n t e t i b e r d e r P a p i l l c , und m a n m u s s w o h l a n n e h m e n , d a s s d i e s e r B o d e n d e s E r s a t z h a a r e s , s e ine K e i m s c h i c h t , neu g e s c h a f f c n w i r d , da ja kein Material zu ihrer Bildung aus alten Elementen vorhanden ist, wic man aus Fig. 4 entnehmen kann. So entsteht das typische Bild, das uns Fig. 1 e und 5 bieten. Diescs St's dinm, wo also die Regeneration des Strangcs vollendet ist~ findet man bei einer Title der Papille yon durchschnittlich 1,45 ram, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Tiefe der L~tnge des Also ur- Haar- spriingliche L'.i.nge der Gr~sste f Kleinste Tiefe der L Papille stengels Papille Papille Breite der Papille

1,58 1,53 1,48 1,41 1,40 1,32

0,75 0,75 0,70

? 0,70 0,80

3,08 3,03 2,88

2,80 2,92

0,090 0,093 0,066 0,066 0,98I

?

0,075 0,075 0,075 0,063 0,066

?

0,060 0,060

Die Breite der Papille am Hals ist jetzt die grSsstc ge- worden, da der eigentliche Hals verstrichcn ist (Fig. 5). Zu-

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gleieh ist der Liingsdurehmesser ktirzer geworden. Mehr aber muss uns der Bau des Stranges interessiren, der einen charak- teristischen, stets wiederkehrenden Befund ergiebt. Wir haben zun~tchst eine nach aassen fiberall mit Cylinderepithel umgebene Zellmasse, welehe unten eine Einsttilpung" zur Aufnahme der Papille aufweist. Ueber dem Cylinderepithel der Papille zeigen sigh die allerersten Vorboten der Entwieklung des Ersatzhaares, bestehend in einer 2--3 fachen Sehicht liinglicher Zellen mit grossen Kernen, die der Oberfiache der Papille parallel verlaufen, und, wenigstens die unterste Lage, sich durch eine gewisse HeIligkeit auszeichnen. Diese Zellen stehen zweifellos in irgend einer Beziehung zu den beim vorigcu Stadium erwiihnten Spindel- zellen tiber der Papille. Aber der ganze Strang bietet noch eine andere Eigenthfimlichkeit. Es macht niimlieh dan Eindruck, als ob seine ffanze Axe etwas gegen die des Haares s e i t l i c h v e r s e h o b e n ware. Zugleich erschciut el" etwas geknickt oder besser gebogen und zwar so, dass dic konvexe Seite dahin zu liegen kommt, wohin die Vcrschiebung stattgefunden (Fig. 5). FUr diese Verschiebung kann es nut folgende Erkliirung" geben. Wenn niimlich, was man an dem Vorhandensein yon Kerntheilungs- figuren erkennt, die Cylinderzellen des Stranges sieh vermehren, so wird der Strang das Bestreben haben, den Kolben empor- oder die Papille herabzudriingen. Dazu ist abet nicht g'entigend Kraft vorhanden. :Nun sehneiden sich abet die Axen yon Haar und Strang stets unter einem allerdings sehr stumpfen Winkel. Diejenigen Zellen nun, welehe an der Innenseite dieses Winkels liegen, sind dutch den unmittelbar fiber ihnen liegenden Kolben in ihrer Entwieklung sehr beschriinkt, werden also bei einer weiteren Vermehrung bewirken, das~ der Strang sich biegt und zwar naeh der anderen Seite, wo der Widerstand geringer ist. Dadureh werden die Axen yon Haar und Strang etwas ver- sehoben, und dieses ist sehr zweekmiissig. Denn ohne eine solehe Verschiebung wtirde sich das feine Hiirehen, alas sieh allmiihlieh bildet, an dem Kolben stossen und umbiegen, wahrend ihm so der Weg dureh die weichere iiussere Wurzelseheide often steht. Andererseits liefert uns diese Erscheinung den sieheren Beweis daftir, dass thatsaehlich auf die Papille yon unten her ein Druck ausgeilbt wird, und nicht yon oben ein Zug.

Die so entstandene Abgrenzung zwisehen Kolbenlager und

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Strang wird noeh dadureh verseh~trft, dass sieh die Elemente des letzteren, lebhaft vegetirend, intensiv fitrben, die des ersteren dagegen, atrophircnd, nur wenige gut gefarbte Kerne aufweisen.

Allein zuweilen scheint diese Absetzung zu fehlen. Verfolgt man aber dann den Strung in die benachbarten Schnitte, so wird man dicsc Erscheinung stets dadurch erklitrt finden, dass der yon Haar und Stl'ang gcbildete Winkel sich nicht nach rechts oder links, sondern nach oben oder unten 0ffnet (Fig. lg).

So ist nun der Boden fi|r den N a c h w u c h s geebnet, der sieh denn aueh allmithlieh zu enffalten beginnt, indem sich tiber der Papillc eine helle Kappa bildet, Figur l f , bestchend aus grossen, polygonalcn Zellen mit grosscn, blitsclmnfiirnligen Kcrnen, und abgegrenzt yon den bekauntcn dunklen Kernen. Diese Kappa wiiehst in die Lii, nge u n d e s entsteht eine kegelf0rmige, an den Seiten etwas eingesunkene Haaranlage (Unna, v. Ebner ) . Es ist abel" wohl bisher noeh unbekannt, dass die Spitze dieser Kappe einen fe i n c n F o r t s a t z yon spindelf6rmig'cn Zellen mit zuwcilen dunklen Kcrnen in dcn Epithelstrang entscndet Fig. 7 u. 8. We stammt diescr Fortsatz her? Es ist wohl kaum denkbar, dass er yon den dunkelkernigen Zelleu, die die Haaranlage libcl'decken, prodncirt wird. Oder h:,tngt er mit den spindelfSrmigcn, seinen Elementen verwandten Zellen zusammen, die in dem Anthngsstadium des Kolbenhaares im Innern des Strangcs verlaufen? Verfolgen wit diese Zellen dutch die anderen, folgenden Entwicklungsstadien des Stranges, so f~tllt zuniiehst auf, dass wir sie im Stadium der Regeneration oft vermissen. Allein, bet den Krfimmungen, die dabei im Strang auftreten, ist das schon denkbar. 5~un treten bet Vollendung der Regeneration fiber dem Epithel der Papille ebenfalls dunkle Kerne auf, die wohl yon den ersteren herriihren kiinnen. Wiichst nun aber dic Haaranlage mit dieser Bedeckung wetter, wird dieselbe oben spitz zulaufend und legen sich die durch den ganzen Strung yon Anfang an verlaufenden (vielleieht eine feine, zusammenhiingende Membran bildenden) Spindelzellen dieser spitzen Anlage an, so kann allerdings ein feiner Fortsatz vorgetiiuscht werden. Und so ist es in der That, wie uns Fig. 8 zeigt, die uns die junge Haaranlage einer Cilie, genau naehgezeichnet, vor- ftihrt. Wir ersehen aus dieser Figur, dass die betr. Zellen n e b e n der Haaranlage verlaufen und nieht yon ihrer Spitze ausgehen.

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Ueber den Zweck dieses feincn Gebildes daft man sich nut in Muthmaassungen erg'ehen. Es wiire zweierlei mtiglieh : ent- weder diese Zellen wtirden zu den Zellen der sogenannten Henle- schen Schicht, wogeg'en allerdings Figur 8 spricht, aus welcher hervorzugehen scheint, dass letztere aus den obersten Zellen des Kegels gebildet wird, oder sie wlirden zu einem Oberhiiutchcn der inneren Wurzelscheide.

Betrachten wit uns nun die Maasse eines Kolbenhaares in diesem Stadium wie tiberhaupt beim Beginn der Haaranlage, so fiuden wir die Papille in einer Tiefe yon durchschnittlich 1,36 min, wie folgende Beispicle zeigen:

Tiefe der Papille

1,44 1,44 1,36 1,19

L~inge des Urspriing- Haar- liche Tiefe

stengcls dcr Papillc

0,085 3,14 0,086 3,16 0,085 3,06 0,096 3,11

f

Litng'c der ~ GrSsste i Kleinste Papille ! Breitc dcr Papille

0,120 0,075 0,105 0,120

0,075 0,057 0,075 0,045 0,090 0,060 0,066 0,045

Also: D i e A n l a g e d e s H a a r e s e r f o l g t b e i d e m h 6 c h s t e n , m i n d e s t e n s e i n e m sehr h o h e n S t a n d - p u n k t d e r P a p i l l e . Dass dies richtig ist und zwar ftir alle FMle, liess sich auch an den Cilien erkenncn, wie folgende Tabelle beweist :

. . . . . . . . . TTe-fe- de-rP~-~-l 1-e-l~-e i- . . . . . . . . . . Haar- Papillen- beginnender! vollendeter I

Reffenerati~ I Regenerati~ I Haar- st~trke haaren des Stranges [ des Stranffes q anlage

I. 0,I mm 2,83 I 2,05 I 2,15, 2,15 1,15 -- 1,0 ~ 1,02 [ndivid. 0,026 mml)i t0,93,0,93,0,80

I

II. [2,38-2,89 2,21 u. 2,04 1,70 1,61 O, l mm I n d i v i d . . I

Daraus l~sst sich mit Bestimmtheit ersehen, dass weder erst ein Fortsatz in die Tiefe w~chst, wo dann das junge Haar sich nach embryonalem Muster anlegt oder (S t ~ h r) ein Haar-

1) Es handelt sich urn die feineren H~rchen, die auf der 0ber- flache der Augenlider (oberen) sitzen.

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keim in die Tiefe entsandt wird. Erst, wenn das junge Haar eine betraehtliche Liinge erreicht hat, wobei es seine Feinheit Anfangs noch bewahrt, erreicht cs die Tiefe seines Vorgitngcrs, was man bei den Cilicn, wo das Kolbenhaar erst spirt ausge- stosscn wird, schr oft beobachten kann. Auch an den Kopf'- haaren findet man Gelegenheit, sich yon dieser Thatsache zu tibevheugen, wo man auch nach Ausstossung des Kolbenhaares noch das jungc Haar an tinct allseitigen starken Hcrvorwtilbung" der is Wurzelschcide in tier Gegend des frtiheren Kolben- lagers erkennen kann. Selbst, wenn das jungc Haar die Tiefc seines Vorg~tngcrs ganz erreicht hat, was man an dem Fehlen des Haarstengels crkcnnt, hat es noch eine sehr geringc Dicke, wenigstens in seinen oberen Partien, und entwickelt sich erst allm~thlich zu seiner normalen Stitrke (v. E b n e r, U n n a u. A.)

Ftlhren wit uns noch einmal in aller Ktirze die Vcri~nde- rungen vor Augen, die im Kolbcnhaar yore Bcginn seiner Bil- dung bis zur Vollendun~ des Ersatzhaarcs vor sieh gehen: Nach Ahtrennung des Haares yon sciner Papillc bleibt zwisehen beiden cin Strang yon Epithelien zurtick, die im crsten Augenblick noch neue Elemcnte bilden, schr frtih abcr mit der Produktion auf- h(iren, und alsbald einen Cylinder yon rcgellos zusammenliegendcn Zellcn bilden. Dieser Strang crreicht einc ~-r(issere Litnge da- durch, dass der Kolben anfan~;s s c h n e l l c r e m p o r g c t r i e b e n w i r d als d ie P a p i l l e , welche ihren alten Standort nur wenig verliisst. Ein solcher Strang zeigt eine unregclmiissige Form, unebene Oberfliiche, D u r c h e i n a n d e r l i e g e n de r E lemen te , (lie nur im I n n c r e n e inc g e w i s s e A n o r d n u n g in Ges t a l t l i ings ver- l a u f e n d e r S p i n d c l z e l l e n a u f w e i s e n , und e ine gcr inge , nur w c n i g c Z c l l e n b c t r e f f e n d c At roph ic . B e g i n n t nun d ie P a p i l l e e m p o r z u s t e i g e n , so t r i t t im S t r a n g e inc Wieder- b e l e b u n g und R e g e n e r a t i o n d a d u r c h ein, dass d e r s e l b c an die C y l i n d e r z e l l e n s c h i c h t de s K o l b e n l a g e r s s ich an- s c h l i e s s e n d , e ine U m k l e i d u n g mit C y l i n d e r e p i t h e l er- h~tlt, d ie um so t i e f c r r e i e h t , j e ht iher dig Pap i l l e s teh t , und zu l e t z t a u c h die P a p i l l e se lbs t t lberzieht . D a r a u f e r f o l g t die H a a r a n l a g e bei e i n e m sehr hohen odc-r h( ich- s t en S tand de r P a p i l l e , n a c h d e m du rch Z e l l w u c h e r u n g de r S t r a n g t i n wen ig g c g e n das Kolbenlager ve r schoben , u n d so d e m w a c h s e n d e ~ n E r s a t z h a a r d c r W e g go-

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e b n e t w a r. Die Haaranlage wird von einigen Spindelzellen Uberzogen, welche yon dem oben erwiihnten im Strange ver- laufenden gebildet werden und mit diesen zusammen zur Bil- dung der Henle ' schen Schieht (?) oder eines Obcrhiiutchens der inneren Wurzelseheide (?) dienen. Mit dem weiteren Waehsthum des Ersatzhaares wird aueh die Papille alhnithlich in diesclbe oder ann~thernd dieselbe Tiefe gedrangt.

Dies ist also der Vorgang beim normalen Haarwcchsel der Kopfhaare. Dagegen kSnnte man abel" den Einwand erheben, dass zwei so verschiedene Formen yon Kolbenhaaren~ wie sie in Figur 1 d und 1 e dargestellt sin(l, fill" das Vorkommen yon zwei Arten yon Haarwiederersatz sprechen, zumal man Figur 3 b bei allen feineren Haaren und bci Cilien stets vermisst. Allein, alle diese Haare unterliegen ja g'anz andercn Druck- und Zug- verhiiltnissen~ die nach K 511 ik e r 's Beobachtungcn und nach neusren Untcrsuchungen dutch Herrn Geh.-Rat G. F r i t s e h einsn grossen Einfiuss auf die Kolbenhaare habcn, als die tief in das subeutane Fettffewebe reieheuden starken I(opfhaars; ferner wird man, wie wit spiiter sehen werden, aueh bei den andercn Haaren einen sicheren Unterschied zwisehen Auf~mg's- und End- stadium vorfinden, der eine gewisse Aehnlichkeit mit dcm Unter- schied bei Kopfhaaren aufweist. Und weitcrhin spricht das Vorkommen yon Uebergangsformcn , die sich der Vollkommen- heit niihern mit dem zunehmenden Steigen und Kleinerwerden der Papille entschieden ftir einen Zusamnmnhang der beiden Arten. Allein eine, wenn aueh grosse Anzahl yon Beispielen bsweist nieht die Allgemeinheit dieser Thatsache, yon der man sieh durch dis Betrachtung yon Flachschnitten tiberzeugen kann. In den tieferen Schnitten namlich, also im subcutancn Fcttgewebe findet man bei jedem Individuum ausnahmslos Querschnitte, wie sie in Figur 3 dargestellt sind, bei denen der Strang yon schwach fiirbbaren ungeordneten Elementen gebildet wird, einen zackigen, unregelmiissigen Rand aufweist, der oft weite Fortsiitze zeigt, die dann dem Gebilde Sternform geben (zuerst yon v. E b n e r beschrieben) und yon einer dicken Glashaut umgsben ist (s. Unna). Untersucht man aber Schnitte aus der unteren Gegend des Corium, bei Individuen mit gesundem, kr~tftigem Haarwuchs, so finder man fast nur Querschnitte yon Strangen, deren Rand glatt, h(ichstens gewellt erscheint, und die nach aussen sin lebhaft farbbares Cylinderepithel aufweisen (Figur 6). Die wenigen anderen Querschnitte gehSren dann, wie man durch Betrachtung

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der hiiheren Sehnitte erkennt, stets feineren Haaren an, deren Papille sich in h6heren Regionen aufhiilt.

B. Haarwiedere r sa tz bei diinneren Haaren und Cilien (Haarwiederersa tz bei sehnellem Haarweehsel) .

Es muss in dieser Uebersehrift auffallen, dass man gerade die feineren Haare neben den viel stitrkeren Cilien erw~thnt, und doch ist dies berechtigt. Allen diesen Haarformen niimlich ist das gemeinsam, dass die einzehmn Generationen eine ktirzere Lebensdauer haben als bei den starken Kopfhaaren, was man daran erkennt, dass unter den ersteren sehr viele Kolbenhaare I), und zwar auch bei gesunden Individuen, vorkommen, und dass diese Kolbenhaare alle m(igliehen Entwieklungsstadien aufweisen. Die Verktirzung der Lebensdauer hat abet aueh eine Verkiirzung der Dauer des Kolbenllaarstadiums, resp. eine schnellcre Ent- wieklung des Ersatzhaares zur Folge, wie wenigstens fiir die Cilien dureh Bereehnungen yon M a hly") sichergestellt ist. Letzterer bereehnete die Dauer des Papillenhaarstadiums auf 30, des Kolben- haamtadiums auf 105 Tage. Unge~,thr in die 5fitte dieser Zeit wtirde der Beginu der Haaranlage fallen, da man fast gleich viel Kolbenhaare mit und ohne Haaranlage oder junges Ersatzhaar findct, welehe demnaeh naeh ca. 50 Tagen sich einstellen wiirde. Anders bei den Kopfhaaren, wo auf 100 Haare 25 Kolbenhaare kommen. Dann ergiebt sieh ftir das Papillenhaar eine Lebensdauer yon ca. 1200 Tagen~ ftir das Kolbenhaar eine solehe yon 400. Dieses Resultat erhalten wir auf folgende Art: Nimmt man an~ dass die behaarte Kopfhaut einer Fl~tche yon 4 qdm entsprieht und

1) Z.B. bei den Kopfhaaren:

35j.ahr. Frau (vit. eordis) 47jahr. Frau (Apoplexie) 52j~thr. Mann 79j~thrige Frau (Alters-

schwache)

Starke Haare

385 224 217 245

pro qmm

mit Kolben- haaren Haare

77 84 49 112 35 119 42 105

schwache! mit Kolben- haaren

63

49

49

91

2) M li h ! y, Anatomie der Cilien. Rostoek 1879.

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dass auf den qdm. im Mittel 40000 Haare kommen, so erhalten wir eine Gesammtanzahl yon 160000 Haaren, wovon dann 40000 Kolbenhaare sind. Naeh den Bereehnungen yon P i n c u s fallen nun tfiglieh ca. 100 Kopfllaare aus (im Durchschnitt), d. h. es werden ti~glich 100 Kolbenhaare verloren. Findet man nun stets ca. 2 5 0 Kolbenhaare in der Haut, so mtissen auch ff, tg.lich wieder 100 Haare zu Kolbenhaaren geworden sein. Die 40000 Kolbenhaare, die an einem bestimmten Tage vorhanden sind, warden also nach 40000 : 100 ~ 40 0 Tag.en versehwunden sein, und natarlich die an dem betreffenden Tage entstandenen zuletzt. Also ergiebt sieh far die Kolbenhaare eine Lebensdauer yon 400 Tagen, ftir die Papillenhaare eine solche yon 1200 Tagen, also ftir die ganze Lebensdauer eines Haares eine Zeit yon 1600 Tagcnl). Bei den Kopfhaaren findet man nun unter 100 Kolbenhaaren immer nut 20 mit Haaranlag.e oder jung.cm Haar. Es wtirde somit die Haaranlag.e naeh ca. 300 Tagcn beffinnen, a l s o 6 m a l s p i i t e r a l s b e i d e n C i l i e n . Dann massen nattirlich die Veranderungen im Kolbenhaar bei den Cilien nicht so seharf ausg.eprggt sein, wie bei den Kopfhaaren, es wird keine Atrophie auftreten, und die Reg.eneration frflher beginnen. Aehnliehe Resultate werden wir bei allen feitmn Haaren erhalten, die ja ebenfalls oft weehseln. Es muss aber noch einmal darauf auf- merksam gemaeht werden, dass die Verschiedenheit g'eg.enaber den starken Kopfhaaren zum Theil aueh auf die Versehiedenheit der Druekverh~tltnisse zuraekgeftihrt werden muss. Wir erhalten nun folgendes Bild: K u r z e Z e i t n a e h d e m B e g . i n n d e s A n s t i e g e s d e s K o l b e n s w i r d a u e h d i e P a p i l l e em- p o r g . e t r i e b e n , so d a s s d e r E p i t h e l s t r a n g , n u r e i n e u n b e d e u t e n d e L~tng.e e r r e i e h t . A u c h z e i g . t e r s c h o n sehr frtih in s e i n e m o b e r e n A b s e h n i t t C y l i n d e r - e p i t h e 1. Der weitere Verlauf gleieht demjenig-en bei den stih'keren Kopfhaaren, nur e n t f e r n t s i e h d i e P a p i l l e b i e r n i e h t so w e i r y o n i h r e m f r t i h e r e n S t a n d o r t (siehe Fig.ur 8). Figur 9 zeig.t nns die versehiedenen Stadien des Verlaufs bei sehwaeher Vergr0sserung., Fig.. 10 (=9a) , 11 ( = 9 b ) und 8 ( = 9 d ) bei stiirkerer.

1) Pincus nahm als Lebensdauer 2--4 Jahre an.

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4.94 G a s t o n A u b u r t l n :

Der Unterschied gegentiber den st~trkeren Kopfhaaren be- ruht also lediglich auf dem Fehlen der in Figur 1 b dargestellten langen, theilweise atrophirenden Str~tnge, sowie auf dem Eintreten der Regeneration des Stranges unmittclbar nach dem Beginn des Ansteigens des Kolbens. Die Vorg~tnge bei dieser Form yon Haarwiederersatz ~thneln am meisten der Beschreibung v. E b n e r 's, besonders unmittelbar nach der Trenmmg (Fig. 10). Allein eine als ein epithelialer UebeluUg zu denkende Lage yon Matrixzellen, besonders tiber der Papille, ist doch nieht wahrzunehmen, zumal wenn erst der Strang tin wenig l~tnger geworden ist.

Da gerade you den Cilien die Rede ist, so mfchte ich noch einige Worte an den Haarwiederersatz bei diescn Haaren kntipfen. Zun~tchst eine Eigenthiimlichkeit, die mir, wenn auch nicht so ausgepr~tgt, schon bei den Kopfbaaren aufliel, n/tmlicb das Vor- kommen desselben Stadiums der E~ttwicklung bei einzelnen Grup- pen yon Kolbenhaaren. Manclmml findet man in einer Reihe yon Schnitten nut Haare, die sich eben yon der Papille abgelSst haben, dann wieder neben einander 2--3 Bitlge mit jungen Hi~/trehen u. s. w. Es scheint somit, als ob dig [Iaare bestimmter Regio- hen fast gleichzeitig wechseln. Zweitens sind in der Tabelle (Fig. 12a--d) Kolbenhaare abgezeiclmet, bei denen yore Kolben- lager einmal sogar 2 Fortsittze mit jnugen Haaren ausgehen. Wenn diese Thatsache auch schon lange yon U n n a far die Cilien festgestellt ist, so balte ich es docb fitr der Mtihe werth, diese yon einigen Seiten angezweil'elte Erscheinung durch einige Beispiele zu illustriren. An den Kopfhaaren konnte ich diese Form yon Neubildung nicht beobachten.

C. Haarwiederersatz in der Kopfhaut bei Schw~chung des Haarwechsels.

Es ist bekannt, dass beim normalen Wiederersatz die neue Generation dicselbe Tiefe und Stiirke erreicht, wie der Vorgitn- ger, und dass erst ganz allm~thlich das Ersatzhaar immer feiner wird und weniger tief in die Haut binabreicht, um nach einem Verlauf yon Jahrzehnten zu einem Lanugoh~irchen zu werden, bei dessen AusfaU endlieh einmal der Wiederersatz ausbleibt und der Balg ver~det. So kommt es, .dass bei alten Individuen fast nur schwache Haare vorkommen (70--80 Jahre alte Personen haben z. B. 64--70o/o feiner Haare). Die wenigen tlbrig geblie-

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Das Vorkommen yon Kolbenhaaren und die Ver'~nderungen etc. 495

benen starken Haare muss man sieh dann so erklaren, dass sie entweder sehr wenig geweehselt haben, und dass es in der That Haare yon sehr langer Lebensdauer giebt, kann man an den ZSpfen der Frauen sehen, oder dass diese Haare erst sparer ge- bildet worden sind.

Derselbe Prozess nun kann aber bei Sehwaehung tier KSrper- konstitution aueh in einem sehnelleren Tempo erfolgen, so dass der definitive Ausfall eines Haares und die VerSdung des Balges innerhalb weniger Jahre eintritt. Diese Alopeeia praematura kSnnte auf 2 Arten vor sieh gehen, einmal dadurch, dass die Lebensdauer der einzelnen Generationen verkttrzt wird, dass sehnell weehselnd Haar auf Haar folgt, dabei Tiefe und Starke immer mehr abnimmt, endlich ein Lanugoharehen entsteht, und dann auch dieses verloren geht. 0der die Lebensdauer wird nur wenig oder garnieht beeintraehtigt, aber daftir tritt ein grosset Untersehied in der Starke ein; auf eiu starkes ttaar folgt unmittelbar ein mittelfeines, dann ein ganz feines, und dieses fallt endlieh aus. Diese beiden Formen mtissen nun ein ganz versehiedenes anatomisehes Bihl geben. Im ersterem Falle wird man viele Kolbenhaare in allen Stadien, mit und ohne Haaranlagen finden, die uns das Bild des oben besehriebenen sehnellen Weehsels darbieten, das Fehlen langer atrophirender Strange, das frtthe Eintreten der Regeneration. Ein solehes Bild konnte ieh bei meinen Fallen, wo doeh oft eine Sehwaehung des Haarwuchses zu erwarten war, nie vorfinden, und dieses stimmt ttberein mit der yon P i n e u s bewiesenen Thatsaehe, dass im Beginn tier Alopeeie die Summe der ausfallenden Haare nieht steigt, wie P i ne us mit den Worten ausdrtiekt: ,Die Durehschnitts- zahlen des t~igliehen Verlustes der Gesunden und der an Alopeeie Leidenden liegen innerhalb derselben Grenze ". In letzterem Falle hingegen wird dem ganzen Process der S t e m p e 1 d e r S e h w a e h e a u f g e d r t t e k t s e i n , s t a r k e A t r o p h i e , s p a t e i n t r e t e n d e R e g e n e r a t i o n u. s. w.

Diese letztere Erseheinung konnte ieh wiederholt beob- aehten in der Haut yon Individuen, die an sehweren, ehronisehen Krankheiten zu Grunde gegangen waren, wo nattirlich die Atrophie besonders ausgepragt war. Verfolgen wir die betreffen- den Vorgange an tier Hand der beigegebenen Fig. 13, so er- halten wit folgendes Bild: Wie gew6hnlieh bei den Kopfhaaren

Arehiv f. mikrosk. Anat. Bd. 47 32

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496 G a s t o n A u b u r t i n :

treten Anfangs die bekannten langen Strange auf, die sich yon den normalen aber dadurch unterscheiden, dass sic (Fig'. 13a, 14 cf. Fig. 2) nicht so solide, nur aus wenigen Elemcnten zu- sammengesetzt sind, die wie gelockert erscheinen und sich ge- wiihnlich nut schwach i~,irbcn. Die 0berfliiche des Stranges ist unebcn, sie zeigt Falten, ]ange, zackige Vorsprtinge. Die Dicke ist ganz verschieden in den einzelnen Partien, bald be- steht der Strang nur aus wenigen Zellen~ bald zeigt er An- schwellungen mit Peflkornbildung. Aber stets findet man in seiner Mitte die oben crwiihnten Spindelzellen, die ganz besondcrs widerstandsfi~hig erscheinen.

Wiihrend nun beim normalen Wiederersatz mit dem Empor- rtickcn der Papillc dic Rcgeneration des Stranges beginnt, h i i l t b i e r d i c A t r o p h i c a n , wird zuweilcn sogar noch ausgepriigtcr, die schon vorhin nachweisbare Knickung dcs Stranges gegcn die Papille wird so stark, dass die beiden Gc- bilde oft spitzwinklig zu einandcr stehen. Erst wcnn dic Papillc eincn sehr hohen Stand einnimmt, beginnt die Rcgcncration, dic vollendet ist, wcnn die Papillc schon ganz in dcr Niihe der Oberfli~che angelangt ist.

I-Iier einige Beispiele:

Haar- stiirke

. . . . T-i-e-fe- der---P-ap~-l~-e b e i

(Atrophie Papillen- im Strang

noch bei ein ] haaren I Tiefe yon)"

Beg'inn Vollen- dcr dung der

Regcnc- Regene- ration ration

!

16j~hr. Mann [[} 0,07 Phthisis

55jahr. Mann Magencareinom 67jahr. Mann 0,05 Lebercarcinom

3,2--3,4

2,0--2,15

1,6--1,5

1,0--0,95

l 1,0 1

0,8-0,75 0,7--0,55

Dass unter diesen Verhiiltnissen auch der junge Nachwuchs leidet, ist wohl zu erwal2en. Das kann man abet durch eine mikroskopische Untersuchung nicht beweisen, da ja auch bei gesundem Haarwuchs die Ersatzhaare anfangs nut schr schwach sind, man kann sich aber auf die maasssebenden Untersuchungen yon P i n c u s berufen, welcher das Vorwiirtsschreiten der Alopecie

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dadurch charakterisirt, dass der Haarboden sichtbar diinner wird, d. h. dass ein grosser Theil der Haare bctrachtlich an Durch- messer abgenommen hat. Wenn nun allmahlich nach mehrmaligem Wechsel das Haar zu einem feinen Lanugoharchen geworden ist, so bleibt einmal der Wiederersatz aus und der Ba]g ver(idet. Solche BMge finder man haufig, am meisten bei Kindern der ersten Lebensjahre. Sie sind ganz kurz und schmal, zeigen an den Seiten Langsfalten und Ausbuchtungen, haben kein Lumen oder hSchstens oben eine kurze trichterf0rmige Einsenkung, eine kleine Papille und einen deutlichen Haarstengel.

Fassea wir noch einmal kurz zusammen, welche Verande- rungen sich im Kolbenhaar bei einer St0rung des Haarwechsels abspielen, so bietet sich folgender Verlauf dar. Nach der Tren- nung des Haarcs yon der Papille erreieht der zurtickbleibende Strang eine bedcutende Lange dadurch, dass der Kolben sehneller emporgetrieben wird als dic Papillc. In d iesem S t r a n g z e i g e n sieh d e u t l i c h e Anze i chen yon A t r o p h i c , die noch s c h a r f e r w e r d e n , w e a n aueh die Pap i l l e empors t e ig t . Erst bei einem hohen Stande der letzteren wcieht die Atrophie einer immer tiefer greifenden Regeneration, die erst voIlendet ist, wenn die PapiIIe nut noeh um 1/4 der urspriingliehcn Tiefe yon der Oberfiaehe entfernt ist. Das nun entstehende Haar ist schwacher als sein Vorganger.

Vergleichen wit diese Schilderung mit der Besehreibung', welche G a r e i a iiber den Haarweehsel beim F(itus und Neu- geborenen gibt~ so wird eine auffallende Uebereinstimmung~ die nur auf den letzten Satz nicht zutrifft~ auffallen. Denn, wie wir oben gesehen, aueh G a r e i a erwahat das Entstehen jener langen Strange im Anfangsstadium, spricht dann yon einer Atrophie in dcnselben, die mit dem Ansteigen der Papille beginnt und immer weiter fortsehreitet, urn, wenn die Papille die untere Grenze der produktiven Region erreieht hat, einer immer mehr zunehmenden Regeneration Platz zu maehen. So merkwtlrdig nun aueh diese Uebereinstimmung des Haarwiederersatzes bei F(itus und Neugeborenen einerseits and Stiirung des Haarwechsels an- dererseits erseheint, so erklarlich ist sie aueh. Handelt es sieh doch genau genommen um dieselbenBedingungen. Es war oben darauf aufmerksam gemaeht worden, dass wir die betreffenden Veranderungen im Kolbenhaar immer dana finden, wenn d e r

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498 G a s t o n A u b u r t i n :

d e f i n i t i v e A u s f a l l e i n e s t t a a r e s i n n e r h a l b e i n e r a b n o r m k u r z e n Z c i t zu e r w a r t e n is t .

D a s i s t a b e r a u c h b e i m F 6 t u s u n d K i n d e d e r F a l l , indem ein grosser Theil der im F6talleben gebildeten B~lge nach der GeburL ver5det, wie man aus dem reichlichen Vorkommen der oben beschriebenen leeren B~tlge ersehen kann. Es kSnnen auch unmSglich alle im Anfang angelegten Haare (oft tlber 800 pro qmm.) bestehen bleiben, um so mehr, da noch nach den Beobaehtungen W a 1 d e y e r s u. A. im Kindesalter neue Haare gebildet werden.

Nur bleibt es auff~tllig, dass bei dem zuerst yon W a l d e y c r festgestellten Wechsel des ,Kinderhaares" dieselben Erscheinungen am Kolbenhaar vor dem Beginn der Haaranlage auftreten und zwar auch bei den st~irkeren Haaren Gesunder. Auch bei ~tlteren Kindern (5--8 J.) tritt die Regeneration des Stranges erst bei hohem Stand der Papille ein. Es scheint, als ob aueh st;,'~rkere Haare im Kindesalter ganz verloren gehen kSnnen. Wenigstcns deutet eins darauf hin, dass der junge Nachwuchs zuweilen schw~tcher ist als das alte Haar, n~mlich der Haarstengel. W~thrend derselbe bei normalem Haarwechsel ~tltercr Personen ungemein reich an Gef~tssen, und sehr breit ist, muss zuweilen bei Kindern, fast immer bei geschw~tchtem Haarwuchs Erwaeh- sener, in ihm eine Atrophie aufgetreten sein. Solche Strange sind sehr diinn, enthalten hfchstens im oberen Abschnitte einige Gefi, tsse, bestehen im unteren Absehnitt dagegen nut a.us festem Bindegewebe. Man kann dies als eincn neuen Beweis ftir das lange Bestehen der Kolbenhaare ansehen.

E i n e i n h e i t l i e h e s S c h e m a f i i r d e n H a a r w e c h s e l daft man also n i e h t a u f ' s t e l l e n , und es ist als ein Fehl- griff anzusehen, wenn aus der Beobachtung einer einzelnen Form yon Haarwiederersatz eine allgemeingtlltige Regel gegeben wird. Nur yon einigen Punkten darf dieses gesehehen, einmal vom Wiederersatz im alten Balge und dann yon der Anlegung des Ersatzhaares beim hSehsten Stand der Papille, nicht nach Ent- sendung eines Fortsatzes nach embryonalem Muster. Der ersten Regel scheint allerdings das Beispiel der Cilien zu widersprechen,

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wo vom Kolbenlager aus Fortsiitze nach der Seite entsendet werden, in denen jung'e ttaare entstehen. Allein das ist ja kein Wiederersatz, sondern nur eine Neubildung, da, wie Fig. 12d zeigt, auch dcr alte Epithelstrang wieder ein Haar bildet.

Erkl~rung der Abbildungen auf Tafel XXIY und X X Y .

Haarwiederersatz bei s tarken Kopfhaaren. ( K ~ K o i b e n , K l ~

Kolbenlager, S ~--- Strang, P ~ Papille, I I s ~-- t Iaarstengel, B1 ~ binde- geweb. Balg-Liingsschicht, Br ~-- dto. Ringfaserschicht, G---- Glashaut, P i ~-- Pigment, P K - - - - Perlkorn. Fig. 1. Entwicklungsstadien eines Kolbenhaares: a unmittelbar nach

der Trennung; b langer Epithelstrang; c, d, e Regenerat ion desselben (aussen dunkel gezeichnct die Cylinderzellenschicht), bci e Vollendung der Regenerat ion und Absetzung" gegen das Kolbenlager, f erste H~taranlage, g fertiges jungcs t Iaar .

Fig. 2. Ein langcr Epithelstrang. ~t litngs verlaufende Spindelzellen. Fig'. 3. Querschnitt eines solchen. Fig. 4. Regenerat ion des Stranges. Ct Spindelzcllen. Fig. 5. Vollendete Regenerat ion, Absetzung vom Kolben. Fig. 6. Querschnitt eines Stranges withrend der Regeneration. Fig'. 7. Haaranlage mit Fortsatz yon Spindelzellen (f). Fig. 8. dto., bei einer Cilie: a Spindelzellen, b Anlage der H e n l e ' s e h e n

Schicht, c der t t u x l e y ' s c h e n . Haarwiederersatz bei Cilien.

Fig. 9. a Beginn der Trennung, b Beginn, c Vollendung der Rege- neration im Strang, d Haaranlage.

Fig. 10. Epithelstrang gleich nach der Trennung: a Cylinderzellen- schicht der iiusseren Wurzelscheide; b Matrix yon Haar und innerer Wurzelscheide.

Fig. l l . Cilie. Stadium entsprechend Fig. 9 b, im oberen Abschnitt CylinderzeUen, die unten allm~thlich in die anderen Epithelien i ibergehen.

Fig. 12. Haarneubi ldung bei Cilien. a yon einem Papi l lenhaar aus; b 2 Forts~itze, yon dem Kolbenlager eines Kolbenhaares; e yon einem jungen Ersatzhaar; d dto. aus 4: Schnitten kombinirt , da das neue H~irehen in der Richtung yon oben nach unten verlief.

t taarwiederersa tz bei gesehw~tehten Itaaren. Fig. 13. Ver~inderungen am Kolbenhaar vor Beginn der Haaranlag'e.

a Kolbenhaar mit langem, b m i t kurzem atrophischen Strang, e Regenerat io~ des Stranges. Atrophie des t taarstengels.

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500 G a s t o n A u b u r t i n : Das Vorkommen von Kolbenhaaren etc.

Fig. 14 = F i g . 13a. Aus der Haut einer an Leuk~imie ges torbenen 31jiihr. F rau (ef. normale Form in Fig. 2), Per lkornbi ldung.

Fig. 15 -g. Fig. 13 b. Aus der t t au t eines 16jahr. Phthisikers (cf. normale Form in Fig. 4).

Fig. 16. Per lkorn im St rang neben der Papille. Fig. 17, 18, 19. Schema der verschiedenen Formen yon Haarwieder-

ersatz. Fig. 17 bei s tarken Kopfhaaren: Auftreten der langen Striinge ohne Cylinderepithel (punktirt). Das sp:ctter auf- t retende Cylinderepithel ist durch die Linie (c) markirt . Fig. 18 bei Cilien und allen feineren t t aa ren : Fehlen der langen punktir ten Strange. Geringe ttShe der Kurven. Fig. 19 bci Schw~,tehung des Yiaarwechsels. Sehr hohe Kurve. Beginn der wieder durch die Linie angedeuteten Regenerat ion bei hohem Papillenstand. Schw~tche und gering'e Tiefe des Er- satzhaares.

Ueber die Structur der Kerne in den Spinn- driisen der Raupen.

Ein Beitrag zur Kenntniss vein feineren Bau des Zcllkerns.

Von

Profi E . ] [ K o r s e h e l t in Marburg i. H.

Hierzu Tafel XXVI, XXVII und XXVIII.

Die nachfolgenden Mittheilungen beziehen sich der Hauptsache nach aufjenen Bestandtheil des Zellkerns, den man gewiihnlich als Kernsaft zu bezeiehnen pfiegt. Naehdem bereits dureh friihere Arbeiten, so durch diejenigen yon F l e m m i n g u n d Carn oy, zwisehen den geformten und ehromatisehen Theilen des Kernes eine yon diesen abweichend und mit den gleichen Mitteln nut sehwach oder tiber- haupt nicht l~,trbbare Substanz yon feinF~tdiger oder k~rniger Be- sehaffenheit naehgewiesen wurde, hat man in neuester Zeit diesen bisher ziemlieh vernaehliissigten Bestandtheilen des Zellkelms eine grSssere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies tritt vor Allem in den neuel~en Arbeiten yon M. H e i d e n h a i n und Reinke hervor, welehe Forseher dutch besondere Fiirbungsmethoden die yon ihnen mit


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