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weiterschreiten und wciterbauen k6nnen. Aber auch schon dutch die Vornahme ahnlicher kryoskopischer Versuche an anderen Organen wird vielleicht fiber die £nderung der molecularen Konzentration durch die physiologische Arbeitsleistung des be- treffenden Organs, z.B. des Muskels -- , atff experimentellem Wege Aufschlul] zu gewinnen sein. Es w~irde nns schon genfigen, hierzu die Anregung durch die vorliegendenVersuche gegeben zu haben. 1)

Es m~ge uns gestattet sein, Herrn Geheimrat Professor Sena to r ffir die bereitwillige Erlaubnis, in dem Laboratorium seiner Klinik unsere Versuche anstellen zu dfirfen, wie ins- besondere Herrn Privatdozenten Dr. P. F. R ich te r und Herrn Professor Dr. A. Loewy ffir die vielfache Anregung und Unter- stfitzung bei der Ausffihrung derselben unseren ganz verbind- lichen Dank auszusprechen.

Die Zuckerausscheidung nach Adrenalin- Injektionen und ihreBeeinflussung dnrch kiinst-

lich erzeugtes Fieber. Von

Dr. Ed. Aronsohn , Ems-Nizza.

(Nach einem in tier Sekfion ffir innere Medizin des XIV. internationalen Kongresses in Madrid am 29. April 1903 gehaltenen Vortrag.)

In frfiheren Arbeiten habe ich -~) gezeigt, dal~ nach dem Zuckerstich am vierten Ventrikel die Temperatur im Rectum, in der Leber und in den )'[uskeln f~llt, aber nach einem Stich

1) Nachtrag bei tier Correktur: F i l e h n e hat ebenfalls versucht, dutch Experimente an Nieren (Pfifigers Archly Bd. 91), die nach der yon Loeb (Pflfigers Archiv Bd. 69, siehe auch oben) angegebenen Me- thode vorgenommen wurden, einen Einblick in die osmotischen Druck- verh~ltnisse des arbeitenden Organs zu gewinnen. Nach seinen Vel-- suchsresultaten hat er keinen Grund, eine ,specifische" Beeinflussung der Nierenzellen dutch die yon ibm geprfiften Diuretica, Purinderi- rate uad Salze, anzunehmen.

2) Ed. A r o n s o h n , DerEinfluB des Zuckerstichs auf dieW~irmedesKSrper- innern und insbesondere der Leber. Deutsche med, Woche 1884, Nr.46.

Virchows Archly f. pai~hol. Anat. Bd, 174. Hit. 2. 2 5

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an der dem Seitenventrikel zugewendeten Seite des corpus stria- turn, die KSrperw~irme anstei~ 1) und dab ferner dieser Anstieg der Temperatur nach dem Wiirmestich, d. h. dieses durch keine weitere Organerkrankung komplizierte Fieber die Folge einer Reizung jener Gehirnstelle ist. 2) Fieber geht also mit einer Er- regung der ftir die WiirmeSkonomie in Betracht kommenden Kri~fte einher: wahrend die Zuckerausscheidung durch eine Depression oder Relaxation der Zucker verarbeitenden Organe zustande kommt.

Es ist nun yon weitgehendem Interesse, die Frage zu stu- dieren, wie die Zuckerausscheidung beim echten Diabetes melli- tus dutch Fieber beeinflu~t wird.

Zun~tchst wird man aus den angefiihrten Tatsaehen den Sehh~ ziehen dtirfen, daB, wenn zu einem bestehenden Diabetes eine Fieberkrankheit auftritt~ die Zuckerausscheidung sich ver- mindern wird. In der Tat bestittigt die Klinik die theoretischen Deduktionen; denn nach iNaunyn "~) ist bei akuter fieberhafter Infection das Zurfickgehen der Glykosurie oft geradezu erstaun- lieh". Allerdings wird ja die GrOi~e der Zuckerverminderung iln Urin davon abh~ingen, ob selbst unter den einfachsten Ver- h~iltnissen der Entstehung der 5Ielliturie und des fieberhaften Prozesses die erregenden Momente im Fieber st~h-ker sind, als die diabetische Depression, sodann welche Form yon Zucker- krankheit fiberhaupt vorliegt, d.h. ob die Zuckerausscheidung nut aliment~trer 5Iatur ist oder dutch einfache neuropatbolo- gische Ver~inderungen. oder dutch schwere; fortschreitende, gar verheerende Erkrankungen lebenswichtiger Organe, des Pankreas. der Leber, der Nerven etc. bedingt ist, und schlieBlich aueh dementsprechend, ob die Fieberhitze als solche schon das Wesen der Krankheit ausmacht oder vielmehr die Schwere der fieber- haften Erkrankung weniger im Fieber als in der nebenhergehen- den Organerkrankung und allgemeiner KSrperinfektion liegt. Kein Zweifel, daB~ wenn z. B. zu einem Pankreas- oder Leber-

1) Ed. Aronsohn und J. Sachs, Ein W~trmezentrum im Grol]him. Deutsche meal. Woche 1884, Nr. 51.

2) Dieselben, Die Beziehung des Gehirns zur KSrl)el~vSrme und zum Fieber. Pfliigers Archly Bd. ~hLS:VII.

s) Naunyn, Der Diabetes mellitus. Wien 1898.

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diabetes ausgebreitete typhSse Geschwiire im Darmtraktus oder septische Infektionen hinzukommen, die Zuckerauscheidung durch die Fieberhitze nicht immer wesentlieh beeinflul3t werden wird. Wollte man also schematisieren, so kSnnte man vielerlei Skalen fiir die Grade der Beeinflussung der Zuckerausscheidung dutch das Fieber je nach dem Charakter und dem huftreten dieser beiden Krankheiten aufstellen und in klinischen Befunden reich- liehe Belege fiir die einzelnen Kategorien finden.

Jedenfalls kann die Frage tiber die Einwirkung des Fiebers auf die Melliturie am ehesten durch das Studium der einfachsten in Betraeht kommenden Verh~tltnisse gefSrdert werden. Als solehe kann man abet weder die Arbeit von May 1) ansehen, der auch vorwiegend das Verhaltnis des 5Iuskelglykogens gegen- fiber dem Leberglykogen im Fieber ins Auge gefal3t hat: und zwar bei Kaninchen, die schon 4 Tage gehungert hatten, noch auch jene Arbeiten yon H. 1)ohl, 2) E. g e r g e n h a h n 3) und J. 5 layer , 4) de C a m p a g n o l l e 5) und J. Straul~, 6) da alle diese Autoren ja nur die alimenti~re Glykosurie bei fieberhaften Infektionskrankheiten untersucht haben. Es konnten tibrigens keine eindeutigen Resultate erzielt werdem insofern als n~mlieh bei fiebernden Kaninchen nach reichlieher Ffitterung mit Kohlen- hydraten weder alimenti~re Glykosurie auftrat, noeh auch das Kohlenhydrat in Form yon Glykogen an den bekannten Glyko- genlagerstatten zu finden war; dagegen nun konstatirten Poh t und die anderen Autoren bei fiebernden Menschen sehr haufig bedeutende Glykosurie. Anzuffihren wiire noch. da~ H e r g e n h a h n bei gut mit Glykogenbildnern geffitterten und noeh per os mit Rohrzucker gen~hrten Kaninehen naeh der

1) R. May, Der Stoffwechsel im Fieber. Zeitsch~ift flit Biologie 1894. 2) H. P o hl, Uber a]imentgre Glykosurie bei fieberhaften Iafectionskrank-

heiten. Arbeit aus dem sti~dt. Krankenhause in Fran]durt a.M. 1896. s) E. Hergenhahn, Uber die Ansammlung des Glykogens in tier Leber

trod in tier wi]kfirlichen Muskulatur nach Unterbindung des Duct. choledochus, sowie unter dem Einflu~ des Fiebers. Arbeiten aus dem s~gdtischen Krankenhause in Frankfurt a. 3I. 1896.

~) J. Mayer, Uber alimentgre Glykosurie. Wfirzburg 189~:. 5) R. de Campagnolle, D. Arch. fiir klin. Mediziu 1898. 6) j. Straul3, Berl. ldin. Woche 1899, Nr. 13.

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mit virulentem Schweinerotlauf-Bouilloncultur vorgenommenen Infektion einen g e r i n g e n Gehalt yon Leberglykogen - - 0,922 bis 1,795 und einen sehr g e r i n g e n yon ~[uskelglykogen 0,011 bis 0,095 p.c. gefunden hat.

Zur L0sung der Frage fiber die Einwirkung des Fiebers auf den Diabetes mellitus ierschien mir die alimentare Glyko- surie wenig aussichtsreich und beweisend; als daher F. Blum 1) auf das prompte Erscheinen yon gucker im Harn nach subcu- tanen Einspritzungen yon Adrenalin bei Hunden and Kaninchen aufmerksam gemacht hatte, begann ich zu prfifen, wie weit diese Zuckerausscheidung durch das beim Warmestich auf- tretende Fieber beeinfiu~t wird. )Iit dankenswerter Beihilfe des Herrn Dr. chem. M. Adle r , Besitzer eines diagnostischen La- boratoriums in Nizza und in Karlsbad stellte ich Oktober und November 1902 zun~ichst fest, dal~ nach dem W~trmestich, wie schon Richter'-') bemerkt hatte, niemals Zucker im Harn er- schien. Sodann unternahm ich eine Reihe yon Versuchen fiber die Art yon Zuckerausscheidung nach Einverleibung yon Adre- nalin bei Kaninchen, die in ihrem gewohnten Ernahnmgsmodus gelassen wurden. Der Urin wurde stets dutch Katheter ent= leert und uach der 0sazonprobe, Fehling und Polarisation unter- sucht. Die you mir tiber die Zuckerausscheidung nach Adre- nalin-Injektionen gefundenen Resultate sind Mlrz folgende:

1. Subkutane Injektionen in einer Dosis 0,01 : 1,5 kg be- wirkt regelm~tl~ig - - mit seltenen Ausnahmen - - eine Zuckeraus- scheidung yon 0,5--5,5 p.c.

2. Bei intraven6sen Einspritzungen genfigen noch kleinere Dosen umSIelliturie hervorzurufen, und zwar auchin solchen Fallen, w.o nach subkutauen Einspritzungen nur geriuge Erfolge waren.

3. Nach Eing'iefien des hiittels in die Blase, ins Rektum, in die Subduralr~tume, nach Bestreichen der Hals- und ~[und- schleimhaut wurde kein Zucker ausgeschieden.

5. Der Anstieg der Zuckerausscheidung vollzieht sich oft rapid, schon 30 Minuten nach der Injektion wurde 3,6 p. c.

1) F. Blum, Uber Nebennierendiabetes. D. Arch. f. ]din. Med. Bd. 71. Oktob. 1901. Pfliigers Arch. Bd. 90.

2) p. F. Richter, Fortschritte der Nedizin.

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Zucker gefunden, der Gipfel des Aufstiegs ist 4--6 Stunden hack der Injektion und der Abfall erfolgt auch rapid.

6. Der Abfall wird durch weitere Einspritzungen unmerk- lich beeinflttl~t. Z.B. zwei Stunden nach der Einspritzung yon 0,001 Adrenalin erscheint 5,2 p.c. Zucker im Urin; es wird nun noch eine Spritze injiziert in der Hoffnung, eine noch grSl~ere Zuckerausscheidung hervorzurufen, abet der 4 Stunden sparer entnommene Urin enthielt nur 2,95 p.c. Zucker.

7. Manche Tiere scheiden in allen, in grol~en Zeitinter- vallen entnommenen Urinproben dieselbe Zuckermenge aus.

8. L~nger als 24 Stunden hatte kein einziges Tier Zucker im Ham.

9. In einem Falle wurde Aceton im Urin gefunden, in kei- nero aber Eiweil~.

10. Auch wit beobachten wie L6pine 1) nach subcutanen Injektionen Temperatursteigung yon 0,3--1,2, im Durchschnitt 0,4 p. c. Poeh l e) und auch Blum hat nach subeutanen In- jektionen keine Temperatursteigung gesehen; doch auch in unser Versuchsreihe fiel die Temperatur bei 3 Kaninchen, bei dem einen yon 39,7 auf 39,2, bei dem andem yon 40,25 auf 39,0 (Urin: Osazonprobe positiv), um am andern Tage wieder auf 40A5 zu steigen, und bei dem dritten naeh subcutanen Injektionen yon 0,0008 Adrenalin yon 39,3 auf 37,4 in 2 Stunden, nm dann nach weiteren 4 Stunden auf 38,4 anzusteigen. Tod am andern Tage.

Der Anstieg der Temperatur in L6pines und meinen Ver- suchen rflhrt offenbar daher, dal~ wir nicht mit frischem und selbstzubereiteten Nebennierenextrakt, sondern mit Fabrikpr~pa- raten gearbeitet haben. Erg~nzend zu diesen gewonnen Resultaten mSchte ich noeh hinzufiigen, dal~ H e r t e r und W a k e r m a n n 8) den Blutzucker regelmal3ig vermehrt fanden, der aber schon mit

1) L~pine, Medizinische Gesellschaft in Lyon 1902. s) Poehl, Verein f. innere Medizin in Berlin, 24. Nov. 1902. 3) Herter und Wakermann, Amer. joar. of the medic Sciences

Janr. 1902. a) Fr. Samberger, Uber die Wirkung wiederholter Injektionen yon

Nebennierenextrakt. "~Vien. klin. Rundschau. 20. Juli 1902~ Nr. 29.

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dem Heruntergehen des Urinzuckers fiel. S a m b e r g e r ~) konnte bei einem Hunde am n~tchsten Tage nach der Injektion~ wenn die durch die Injektion hervorgerufene Zuckerreaktion verschwunden

war, aliment~re Glykosurie konstatiren, sobald er ein gewisses Quantum yon Zucker per os genommen hatte.

Was nun die W i r k u n g d e s k f i n s t l i c h e n F i e b e r s a u f

die ~ [ e l ] i t u r i e betrifft, so konnte man unter Berticksichtigung des unter blr. 8 registrierten Resultates ein einwandfreies Re- sultat fiber die Einwirkung des Warmestichs auf die ~lelliturie nur dann erwarten, wenn eldatante Unterschiede in der GrSl~e der Zuckerausscheidung hervortraten. ~ i t Ausnahme yon zwei F~dlen haben nun s~tmtliche diesbezfigliche Versuche das Re- su]tat ergeben: DaB d u t c h den W ~ r m e s t i c h die Z u c k e r - a u s s c h e i d u n g im U r i n g e h e m m t w u r d e , und zwar so stark~ dal~ iiberhaupt kein Zucker mehr im Urin nachweisbar wurde.

Ich ffihre als Beispiele zwei an gleichem Tage, in gleicher Art~ und mit gleicher Flfissigkeit behandelte F~ille an:

Beispiel 1. Am 7. Oktober wird um 10;50 einem Kanincheu yon 1650 gr 1 Spritze Adrenalin gegeben; der um 12.25 entnommene Urin ent- hielt 2,6 p. c. Zucker, um 4.25 enthielt tier Urin 4,4 p. c, urn 9 Uhr abends 1,2 p. c. Zucker. Demselben Tiere wird am 10. November um 10.55 gleich- zeitig ein Einstich ins rechte Corpus striatum und subcutan eine Spritze Adrenalin gegeben; um 12.30 is~ die Temper~tur 40,55 p. c. und der Urin zuckeffrei. Um 3.30 Temperatur 41,05 p.c.. Urin zuckerfrei: um 8.47 Temperatur 40,25. Urin zuckerfrei. Auch am 11. November bleibt der Urin z~lckerfrei.

Beispiel 2: 7. November. Kaninchcn 1600 Gramm. 11.30 Injekt. subkatan 1 Spritze Adrenalin. 12.5 Urin 3.6 p. c. Zucker, 4.6 ,, 4,8 p.c. ., 8.50 ,, 4 p.c. ,,

Am 10. November Einstich 1.; Injek~on einer Spritze Adrenalin. 12.10 Temperatur yon 39,3 auf 39.9 p. c. gestiegen, Urin 0.0 p. e. Zucker.

3.37 Temp. 41,15 p. c., Urin 0,0 p. c. Zucker, 8.25 , 40.35 p.c., :, 0,0 p.c. ,,

Es ist unn interessant zu sehen, dal~, wenn der Reiz des Warmestichs durch irgend eine extraordin~re Entkr~ftung des KSrpers z. B. durch eine heftige Nutritionsst~rung abgeschw~cht wird. die Adrenalinglykosurie wieder hervortritt. So hatte Kanin-

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chen Nr. 8 bevor der entscheidende Versuch am 3. November ge- macht wurde, schon vielerlei zu erdulden gehabt. Am 31. Oktober war ein W~irmestich, am 1. November sogar zwei Einstiche im rechten Corpus striatnm mit gleichzeitigen snbkntanen Ach-ena- linjektionen gemacht worden, immer mit folgendem hohen Fie- ber und zuckerfreien Urin. Am 3. November wollte ich nun sehen, was flit Folge eine neue heftige Reizung dieser Fieber- stelle ~md gleichzeitige Adrenalininjektion haben wird. Um 10.45 subkutane In]ektion einer Spritze Adrenalin und gteich darauf zwei Einstiche in derselben TrepanSffnung. Um 12.30 ist die Temperatur von 39,1 auf 40,1 gestiegen, Urin 5,2 p. c. Zucker. Ich injiciere jetzt noch eine Spritze Adrenalin und finde um 4 h 25' Temperatur 41,2 und im Urin nur 2,95 Zucker. Am andern 5'Iorgen wird das Kaninchen vollkommen entkri~ftet nnd dem Tode nahe vorgefunden; es stirbt nachmittags 4 Uhr. Der Grand der Katastrophe war eine Blutnng in den Seitenventrikel.

Vom experimentellen, wie vom klinischen Standpunkte lehrreich ist das Verhalten des Kaninchens Nr. 10 (sehwarz) yon 1550 gr KSpergewicht, welches ein sehr lebhaftes, ]eieht erregbares Tier war, und das schon die subkutane Injektion selbst mit einer Temperatursteigerang yon 0,7 p. c. beantwor- tete. Zun~chst am 3. November folgt auf die subkutane Ein- spritzung yon einer Spritze Adrenalin eine Zuckerauscheidung yon nur 0,5 p. c. ; am 4. November bei gleicher Gabe iiberhaupt kein Zucker im Urin; am 5. November raft die Injektion mit halber Spritze in die Ohrenvenen eine Glykosurie yon 4,5 p e. hervor. Am 6. November 12.36 werden 1 1/2 Spritzen subkn- tan eingespritzt und der W~rmestieh gemacht, um 3.40 Tem- peratur 41,90 und im Urin 4,95 p. c. Zucker; um 6 Uhr Tem- peratur 41,5 und im Urin 5,5 p.c. Zueker und um 9 Uhr abends 41,0 p. c. und im Urin gar kein Zucker. Am andern Tage bringen 1 1/o Spritzen keine ~¢Ie]liturie hervor (drei Urin- proben untersucht); am 10. November versuchte iehs gleich mit drei Spritzen snbkutan, aber aueh vergeblich. Das Tier seheint seinen ganzen verfiigbaren Zuekervorrat am 6. November inner- halb yon etwa 3--5 Stunden ausgeschfittet zu haben und diese Ausgabe ging mit einer solchen P15tzlichkeit vor sich~ dal]

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selbst der Anstieg der Temperatur dieselbe nicht aufhalten konnte. Diese Beobachtung hat grol~e Xhnlichkeit mit jenem klinischen, Fall gesteigerter Glykosurie bei eingetretenem Vari- cetlenfieber, den N a u n y n auf S. 142 seines bekannten Lehr- buches fiber den Diabetes mellitus ausftihrlich beschreibt.

Die intimeren Vorgtinge, die sich im Organismus abspielen, wenn bei Znckerharnruhr der K(irper zu fiebern beginnt, kann man sich in folgender Weise vorstellen. Die W~trmebildung im Fieber geht, wie ich 1) jfingst nachgewiesen habe, vomehmlich im M u s k e l g e w e b e vor sich, bei gesteigerter ~uskeltlitigkeit abet, wie sie zur Bildung yon ]?ieberhitze notwendig ist, tlitt wie bekannt ein gesteigerter Zuckerverbrauch auf, welcher schnell zur Verarmung der 5[uskeln und Leber an Glykogen ffihrt.

Aber auch die Umsetzung der Eiweil~kSrper in Glykogen, die im normalen Stof~wechsel nicht unbedeutend und im Dia- betes nachgewiesenermal~en trotz der yon T. Rump f ~) erhobenen Einwendungen, recht betr~ichtlich ist, mull, wenn Fieber auf- tritt, cessieren, well das Eiweil3 berufen wird, durch st;trkere Yerbrennung den KSrper vor Gefahren zu schfitzen. Welche grol~e Bedeutung das Eiweil~molektil in dieser Frage hat, geht auch schon daraus hervor, dal~ Blnm bei 14 Tage lang hungern- den Handen, wo die Leber also sicher keine Spur yon Glyko- gen mehr enthielt, noch eine, wenn anch geringe Glykosurie nach Adrenalin-Injection auftreten sah, und andererseits ich die Erfahrung gemacht habe, dal~ bei stark ausgehungerten Kanin- chen dutch den W~rmestieh wenig oder gar kein Fieber zu- stande kommt. Da die Fieberursache in meiner Studie fiber den Einflul~ des Fiebers auf die ~Ielliturie keine bakterielle In- fection ist~ sondern ein Stich ins W~irmecentrum, so ist auch der yon ~[ inkowski 3) gemachten Annahme, ,,dal~ mSglicher- weise unter dem Einflul~ yon Bakterien in dem Gewebe Fermen- tationsprozesse aufkommen, bei welchem Zueker verbraucht wird,:' der Boden entzogen. Es bleibt nach den obigen Aus-

i) Ed. Aronsohn, Uber den Oft der W~rmebildung in dem durch den \Viirmesfich erzeugten Fieber. Dieses Archly. Bd. 169.

-") T. Rumpf, Zeitschrift fiir ]din. MedizinX. Bd. V, 3--4. ~) i~Iinkowski. Arch. f. exper. Pa~hologie 1893. S. 188.

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ffihrnngen gewiB nur seine zweite Erklgrung bestehen, dab ngmlieh die gesteigerte Eiwei~zersetzung ,,im Infecte", wie er sa~, abnorm verl~tuft, die Zuckerbildung aus dem EiweiB auf- hSrt, so dab also yon dieser Seite die Versorgung des Stoff- weehsels mit Kohlenhydrat ausbleibt.

Auf die Rolle, welche das Pankreas in der Adrenalin-l~[elli- turie spielt, ' will ich nicht eingehen, da die yon Metzger 1) und H e r t e r ~') behauptete besondere Aktion dieser Drtise yon L@pine s) und Boulud in Abrede gestellt wird; nut soviel ist sicher gestellt, dab der Adrenalin-Diabetes kein renaler Diabetes ist, da yon allen Autoren eine Hyperglykitmie konstatiert ist.

Die Ergebnisse meiner Untersuchungen stehen nun zwar im Gegensatz zu den Beobachtungen fiber das Auftreten yon alimentgrer Glykosurie bei Fiebernden. Jedoch ist dieser Gegen- satz ein leicht ertdgrlicher. Die Schtiler des Herrn v. Noorden und die andern Autoren berfichsichtigten nur die Frage, wieviel Zucker im Urin erscheint, wenn man fiebernden Kranken ca. 100--150 gr Kohlenhydrate eingibt. Dabei stellt sich eine Insufficienz der Leber heraus, d. h. in der Leber wurde wenig oder gar keine Glykogen mehr gefunden und der Urin ent- h ie l t Zucker , wenn auch meist in recht tdeinen Quantitii~en, ~dele i~fale itberhaupt nicht und nur einige ]~[ale fiber 1 p. c. DaB aber die Leber, wi~hrend der KSrper fiebert, in ihrer Leistnng insuffizient wird, ist nicbt zu verwundern, da ]a alle Drfisen des Digestionstraktus in ihren Leistungen nachlassen und somit den bekannten Appetitmangel der Fiebernden ver- schulden. Die Leber hat auch gar keine VeranIassung nach Einffihrung yon 100--200 gr Traubenzucker in den Darmtrak- tus eines Fiebernden in eine grOSere Action zn treten, da sie ja anch, wie ich nachgewiesen habe, beim Diabetes nach Piqnf i re weniger arbeitet. Andererseits geht im Fieber mit

1) L. Metzger, Zur Lehre vom Nebennierendiabetes Mtinch. meal. Woche 1902, Nr. 12.

2) Herter und Wackermann, Americ. join:, of the reed. Sciences. Jam:. 1902; Meal. News, 25. Okt, 1902.

s) R. L@pine, Sur l'action de l'estrait de capsules surr@nales. La Semaine m~d. 1903, Nr. 7.

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der 3[ehrzersetzung yon Eiweil3 (Senator , L i l i enfe ld , Aron- sohn, Sachs, May u. A.) auch ein rascher Schwund des Glykogens einher (May); abet diese Vorgiinge spielen sich hanpts~tchlich im ~[uskelsystem ab.

Das E r s e h e i n e n des Zuckers im F ieber durch re i ch l i che Zufuhr yon K o h l e n h y d r a t e n ist also ein ebenso le icht erkl~trlicher, fast m(iehte man sagen s e l b s t v e r s t ~ n d l i c h e r Vorgang, wie das Ver schwinden des Zuckers aus dem Urin bei e i n t r e t endem Fieber im Verlaufe eines ech ten Diabe tes mel l i tus .

Meine Untersuchungen ergaben folgende Resultate: 1. Nach dem W~trmestich er folgt n iemals Zucker-

aussche idung . 2. A d re n a l i n erzeugt Z u c k e r a u s s c h e i d u n g nur

nach s u b k u t a n e n und i n t r avenSsen In j ek t i onen . 3. Die durch Adrena l in h e r v o r g e r u f e n e h[el l i tur ie

wird durch e in t r e t endes F ieber aufgehoben. 4. Wenn die 5Iel l i tur ie mit ande ren schweren Er-

k r a n k u n g e n des Organ ismus e i n h e r g e h t , so kann die z u c k e r h e m m e n d e Wi rkung des F iebers ausbleiben.

Kleinere }Iitteilungen.

1.

Eine vierfingerige rechte Hand als congenitale ~iBbildung. Von

Dr. reed. R ichard Hadl ich , Cassel.

(Mit 3 Figllren im Text).

Nachstehende Mitteilung betriff~ einen sehr seltenen Fall yon Mil~- bildung an der Hand, der vor einiger Zeit zuf~]]ig zu meiner Beobachtlmgkam.

Der 6Uaj~ihr. Knabe stammt yon dm'chaus gesunden Eltern. Der Vater is~ Gutsbesitzer und yon sehr kr~tffiger Konstitution, ebenso wie die Mutter. Weder bei den ]~ltern noch in der Verwandschaft sollen sich irgendwelche Mi~bildungen finden. Von den Geschwistern des Knaben leidet ein 20j:,'thr. ]]ruder an einer erworbenen Hernie.


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