Jahreskongress SGV, Fribourg 05./06. April 2017
Peter Zangger
Facharzt für Neurologie + Rehabilitation / FRAGILE Suisse und
Neurologie Universitätsspital Zürich
Neurorehabilitation
ein update
ICF: International Classification of FunctioningBio-psycho-soziales Modell
Gesundheitsstörung / Krankheit (ICD)
Körperfunktionen Partizipation
und –strukturen (Teilhabe)
AKTIVITÄTEN
Umweltfaktoren: personenbezogene Faktoren:
Technologie, Umwelt
(Arbeitsplatz)
Beziehungen
Handlungsgrundsätze
Alter, Ausbildung
Lebensstil
Komorbidität
Motivation
ICF: International Classification of FunctioningBio-psycho-soziales Modell
Partizipation, Teilhabe: verschiedene Domänen:
(nach C Pott, update Neurorehabilitation 2016)
Lernen und Wissensanwendung (bewusste Wahrnehmung, einfaches Lernen)
Kommunikation
Mobilität (Haltung, etwas tragen, handhaben; sich bewegen
mit Transportmitteln)
Selbstversorgung (ADL – Essen, Toilette, etc.)
Interpersonelle Beziehungen
Bedeutende Lebensbereiche (Arbeit, Beschäftigung, …)
Soziales und staatsbürgerliches Leben (Freizeit, …)
Rehabilitation = (Definition der WHO)
kombinierter Einsatz
• medizinischer
• sozialer
• beruflicher
• technischer Massnahmen
zur
• Funktionsverbesserung
• Schulung / Umschulung
• Anpassung der Betroffenen
und der Umgebung
mit dem Ziel
• bestmögliche Funktionstüchtigkeit
• angemessener Platz in der Gesellschaft
= Reintegration !
Reintegration braucht Zielvereinbarung
«Wer nicht weiss, wohin er will, darf sich nicht wundern,
wenn er ganz woanders ankommt» (Mark Twain)
Gut definierte Ziele stärken die Arbeitsbeziehung zwischen Therapeuten und Patienten
und sorgen für messbare Fortschritte. Zielsetzung = Kernkompetenz jedes Reha-Team-
Mitglieds(Wade, Clin Rehabil 2009)
Wichtige Rolle des Primärtherapeuten (je nach dominanter Fähigkeitsstörung) als
Koordinator und Ansprechpartner(Fries et al., Thieme 2007)
Erfolgreiche Integration einer gelernten Fähigkeit im Alltag besser, wenn diese
ausreichend häufig, supervidiert und im realen Leben trainiert wird
(Fries et al., Neurol Rehabil 2005)
FRAGILE
SUISSE
RehaklinikBellikon
FIM(Funcional
Independency
Measure)
selbständig
Hilfsperson
nötig
Körper
Bewegung
Hirnleistung
FRAGILE
SUISSE
RehaklinikBellikon
Neurorehabilitation Plastizität als Grundlage(Facts vor allem von Tierversuchen)
Plastizität = Grundlage jedes Lernens
Postläsionell erhöhte Plastizität !
(bei Nagern ca. 4 Wochen,
beim Menschen evtl. 3-4 Monate)(Krakauer et al. 2012)
Neubildung von Nervenzellen, besonders Hippocampus, etabliert(Nogueira et al. 2014)
(aber zerstörtes Gewebe wird nicht ersetzt, keine Restitution möglich!)
Stimulierende Umgebung (enriched environment) fördert die teils spontane
Erholung / Regeneration (B Johansson 2004)
Motorisches Lernen, Restitution der Funktionsdefizite
Re-learning nach Hirnläsion viel aufwändiger als «gesundes Lernen»: braucht viel
mehr Aufmerksamkeitsressourcen Dual tasking, etc. erschwert
Falls Funktionsdefizite therapeutisch nicht genügend behebbar sind:
Kompensation durch Alternativen, techn. Hilfsmittel
(z.B. Orthesen)
Adaptation:
• Anpassung der Umwelt (z.B. Arbeitsplatz)
• Optimierung der Effektoren (z.B. intakten Arm trainieren)
Automatisierung:
Beim Gesunden wird gelernter Bewegungsablauf
z.B. Autofahren) automatisiert (unbewusster Ablauf):
Neuronale Aktivität wird von neokortikalen Strukturen
verlagert in Basalganglien, Thalamus und Cerebellum!
(Nach Hirnläsion nur noch beschränkt möglich)(Floyer-Lea et al., J Neurophysiol 2004)
Koma: keine Kontaktfähigkeit, keine Reaktion auf externe Stimuli (auch nicht auf Trigeminus-Reize)
Syndrom reaktionsloser Wachheit (Augen offen); früher Wachkoma, Apallisches Syndrom.
(englisch: unresponsive wakefulness syndrome, teils noch «vegetative state»)
Syndrom minimalen Bewusstseins
(englisch: minimal responsive syndrom oder minimally conscious state)
Blickfixation, Blick-Folgereaktion und Befolgen einfacher verbaler Befehle möglich.
Akinetischer Mutismus = Antriebsstörung, bei Läsionen bilateral frontal, Gyrus cinguli, Diencephalon.
Locked-in Syndrom nur Augenbewegungen möglich, Läsion Hirnstamm, Pons (A. basilaris)
ACHTUNG: Kognition intakt !
Neurorehabilitation bei schwerer BewusstseinsstörungDefinitionen und Facts
Bewusstsein: geschieht im Kortex, setzt intaktes ARAS voraus
(= aufsteigendes Aktivierungssystem, Formatio reticularis, Hirnstamm)
Fehldiagnosen bei schweren Bewusstseinsstörungen nach diversen Studien um 40 % !
Deshalb erhalten rund die Hälfte eine falsche Diagnose «apallisch» und werden nur palliativ
behandelt.(Schnakers et al., 2009)
Verbesserte Diagnostik zu erwarten durch quantitative EEG-Analyse, Event related potentials.
Neurorehabilitation bei schwerer BewusstseinsstörungDiagnostik
Beste Skala: CRS-R (coma Recovery Scale) auditorische, visuelle, motorische, oromotorische, kommunikative und arousal-Funktionen
Giacino et al., Arch Phys Med Rehab 2004
Korrekte Diagnostik nur mit Verlaufsbeobachtung des Verhaltens möglich
(Insgesamt noch relativ wenig Daten, grössere Studien im Gang)
Langzeitverlauf bei schwerer Bewusstseinsstörung (Syndrom reaktionsloser Wachheit):
Erholung des Bewusstseins nach 12 (oder mehr) Monaten
• bei 33 % mit traumatischen Hirnverletzungen
• bei 21 % mit hypoxämischer Hirnschädigung
• bei 5 % mit hämorrhagischer Hirnschädigung (Estraneo et al., Neurology 2010)
Bei hypoxämischer Enzephalopathie: schlechte Prognose, wenn nach mindestens 3 Tagen
• keine Hirnstammreflexe
• keine kortikalen Reaktionen im SSEP (somatosensible evozierte Potentiale)
• Burst Suppression im EEG, initiale NSE-Erhöhung (neuronenspezifische Enolase)
(Hamann et al., Aktuelle Neurologie 2012)
Neurorehabilitation bei schwerer BewusstseinsstörungPrognosen
(klassische Neurorehabilitative Ansätze mit (willkürlichen)
Lernprozessen nicht möglich)
im Prinzip taktile und propriozeptive Stimulation
nach diversen Ansätzen (z.B. Affolter)
Frühes, häufiges Aufrichten wichtig gegen Atelektasen,
Muskel-Atrophien, Osteoporose
fördert auch Wachheit (Krewer et al. 2015)
Schlucktherapie: FOTT nach K. Coombes (bei schwerer Bewusstseinsstörung Wirksamkeit noch umstritten)
(Schluckstörungen / Dysphagie bei Stroke initial sehr häufig, > 50 %)
Frühe intensive Therapie 5 mal pro Woche signifikant besser als Standardtherapie mit 3 Behandlungen pro Woche
(Carnaby et al., 2006)
Medikamente: als (mässig) wirksam erprobt einzig Amantadin 200-400 mg /Tag (funktionelle Erholung)
(Giacino et al. 2012)
Neurorehabilitation bei schwerer BewusstseinsstörungTherapiemöglichkeiten
Leichte Armlähmungen: verlangsamt und ungeschickt
Schwere Lähmungen: einzelne Abschnitte des Arms nicht selektiv bewegbar
Therapie: grundsätzlich Physiotherapie + Ergotherapie; Überlegenheit einer bestimmten Schule
(Bobath, FBL, etc.) nach Studien nicht vorhanden.
Arm-Basis-Training: bei schweren Lähmungen:
alle Bewegungen von Schulter bis Fingern einzeln und systematisch wiederholt und an der Leistungsgrenze
trainieren (wichtig zum Erhalt Gelenksmobilität und Verminderung Spastik- Komplikationen)
Arm-Robot-Therapie: bei schweren Lähmungen als Ergänzung, Roboter übernimmt Armgewicht.
Arm-Fähigkeit-Training: bei leichter Armparese: Geschicklichkeit üben.Evt. auch adaptiertes tägliches Eigentraining 60 Minuten plus eine therapeutische Supervision pro Woche.
Behandlung einer allfälligen Spastik
(bis 40 % der Patienten): Physio, Botox
Neurorehabilitation der Armfunktion (Th. Platz)
Neurorehabilitation Arm, sensomotorische FunktionenErfolgreich erprobte Therapieformen:
CIMT-Training (constrained induced movement
therapie): erzwungener Nichtgebrauch der gesunden Extremität.
(Kwakkel et al., Lancet 2015, Wolf et.al., JAMA 2016)
Therapeutische Pflege: orientiert sich an aktuellen Therapien, Umsetzung in Alltag/ADL
(wichtig für Erfolg!)
gesunde Hand
Bewegungsvorstellung (motor imagery):
(auch erfolgreich im Sporttraining)
(Jeannerod et al., Curr Opin Neurobiol1995)
Spiegeltherapie: (Bewegung gesunde Hand
im Spiegel für gelähmte Hand): Zusatztherapie
Gelähmte Hand
Entscheidend:
spezifisches, intensives, repetitives Training mit Alltagsrelevanz
(Platz, Neurol Rehabil 2009; Winstein et.al.,JAMA 2016)
Neurorehabilitation Arm Biomarker für funktionelle Prognose(zentrale Armparesen)
Gute Prognose Armfunktion, wenn durch Cortex-Stimulation in ersten 5 Tagen motorisch
evoziertes Potential (am Handgelenk) auslösbar.(PREP-Studie, Stinear et al. 2012)
MRI für frühe Prognose nicht verwertbar, auch fMRI nicht!
Im chronischen Stadium: kaum Verbesserung wenn Integrität cortikospinaler Fasern gestört
(Tests vor allem elektrophysiologisch).
Wichtig sind – für gute Funktionen - auch intakte cortikocerebelläre Verbindungen
(dentato-thalamo-cortikal)
(Schulz 2015)
Assessment: besonders Kraft, aktive Bewegung / Alltagsfunktion / Spastik
• Fugl Meyer Test. Aspekte Motorik, Sensibilität, passives Bewegungsausmass
• Action Research Arm Test: Greifen, transportieren, loslassen
• Box and Block Test: viele Holzwürfel 25 mm über Trennwand transportieren: Zeitmessung
• Nine hole Peg Test: dicke Holzstäbli in Brett einstecken: Zeitmessung
Funktionelle Verbesserungen (sowie Verschlechterungen nach Absetzen der Therapie) sollen dokumentierbar sein.
Neurorehabilitation der ArmfunktionDokumentation (Th. Platz)
Neurorehabilitation von Stand und Gang
Nach Stroke sind ¾ aller Patienten nur im Wohnbereich gehfähig,
70 % erreichen keine normale Gehgeschwindigkeit (Bonita et al. Stroke 1997)
Balance: Fähigkeit, das Körpergewicht (Schwerpunkt) im Verhältnis zur Unterstützungsfläche zu
kontrollieren. (Zahllose Assessments für Balance in der Literatur)
Posturale Stabilität: Fähigkeit, eine Position im Raum beizubehalten, antizipatorisch.
Beispiel: Ausgleichbewegungen zur Sicherung der Balance beim Ausweichen bei
entgegenkommenden Personen
Gehtraining: repetitiver Ansatz wirksam, möglichst
Aufgaben-spezifisch. Bei schwerer Gehstörung
elektromechanisch assistiertes Training wirksam,
besonders auch bei schweren Patienten mit noch
fehlender Balance! Lokomat etc.
Balancetrainings (Sitzen, Aufstehen, Stehen ohne Feedback)
allein kaum wirksam, nur Stehen mit Feedback (zum Beispiel
Monitor) wirksam. Gehtraining übt die Balance mit.
(Kirker et al. 2000)
Evtl. spezifische Therapie einer Spastik (ähnlich wie bei Arm)
Funktion der Sprache: entscheidend sind funktionierende Netzwerke, (weniger «Zentren»):
Dorsaler Netzwerkanteil (stärker lateralisiert): vorderer und hinterer superiorer temporaler Cortex, inferiorer
Parietallappen, prämotorischer Cortex, opercularer Anteil Gyrus frontalis inferior): Umsetzen akust. Signale; Artikulation.
Ventraler Netzwerkanteil (bilateral organisiert) : Mittlerer Temporallappen, ventrolateraler präfrontaler Kortex,
Orbitalanteil Gyrus frontalis inferior: semantische und kombinatorische Anteil der Sprache. (Friederici, 2015)
Spracherholung in verbliebenen Netzwerkanteilen (Sauer et al. 2012)
Diagnostik: Standart = AAT (Aachener Aphasietest)
Neurorehabilitation der Sprache (Aphasien)Basics
Kommunikation = Verständigung zwischen
Menschen mithilfe von Sprache oder Zeichen
bei 30 % der Schlaganfälle initial Aphasie
(Engelter et al. 2006)
• Rest durchschnittlich 9 Stunden Therapie pro Woche, insgesamt rund 100 Stunden:
positiver Effekt, anhaltend für mindestens 6 Monate nach Therapieende. (Bhogal et al. 2003)
Sehr sinnvoll und wirksam sind auch: (Th Platz)
• Angehörige in kommunikativen Verhaltensweisen trainieren
• Aphasie – Selbsthilfegruppen: u.a. zur Vermeidungn sozialer Isolation
Ergänzende Behandlungen: Inhibitorische Magnetstimulation rTMS
der Gegenseite (10 Tage, 20 Minuten) besser als Sprachtherapie allein(Thiel et al. 2013)
Neurorehabilitation der Sprache (Aphasien)Therapien
Grundprinzip: = Fördern aller Möglichkeiten der Kommunikation
Effizienz / Wirksamkeit ?
10 randomisierte, kontrollierte Studien, insgesamt fast 900
Stroke – Aphasiepatienten (Vergleich mit Spontanverlauf)
• die Hälfte durchschnittlich 2 Stunden Therapie pro
Woche, total 44 Stunden: kein Effekt
Zentrale visuelle Störungen werden sehr oft vernachlässigt, übersehen !
Häufigkeit: vaskulär 40-60 %, traumatisch 50 %, degenerativ 40 %
(Schaadt und Kerkhoff 2016)
Oft Störung Sehschärfe durch postchiasmatische Läsionen (occip. Cortex,..)
Bildschirmlesegeräte, etc.
Gestörtes Kontrastsehen = (unterschiedliche Helligkeit und Streifenbreite unterscheiden):
bei 80 % vaskulärer Patienten akut vorhanden, permanent noch 20 %.
Homonyme Gesichtsfeldsdefekte: bei 20-50 % aller Stroke-Patienten
Lesestörung, wenn zentraler Gesichtsfeldsbereich (parafoveal 5°) betroffen.
NB: Fingerperimetrisch deckt man nur die Hälfte aller Gesichtsfeldsdefekte auf!
Störungen der binokularen Fusion und Stereopsis: bei 20 % - 30 % der Patienten.
Verschwommensehen oder Diplopie nach kurzem Lesen etc. (Schaadt et al. 2013).
Störungen foveale Hell-/Dunkel-Adaptation (kein nächtliches Autofahren)
Visual Disconfort (Flimmererscheinungen)
Visuelle Bewegungswahrnehmungsdefizite: eher selten, Probleme bei Einschätzung von Geschwindigkeiten und Positionsänderungen von Fahrzeugen etc. Nur durch Fragen eruierbar.
Neurovisuelle Neurorehabilitation, Basics(Schaadt, Bur, Kerkhoff, in: update Neurorehabilitation 2016)
Homonyme Gesichtsfeldsdefekte:
Therapie: Kompensatorisches Gesichtsfeldstraining führt zu signifikanter langfristiger Verbesserung.
Visuelles Explorationstraining: Einüben systematischer visueller Suchstrategien, grossflächig.
(Kerkhoff 1999, Zihl 2011)
Störungen der konvergenten binokularen Fusion und Stereopsis
Therapie: Ortoptisches Trainingsmaterial, signifikante langfristige Verbesserung
(Schaadt et al. 2013, 2014,2015).
Neglekt: häufig nach ausgedehnten rechtsseitigen Läsionen, teils schwer behandelbar.
Erschwerte visueller Überblick, nicht Beachten kontraläsionaler Reize bei simultaner Reiz-Präsentation
ipsilateral.
Zahlreiche evidenzbasierte Therapieverfahren, unter anderem Nackenmuskelvibration, Neuromodulation
mit TMS, visuelles Explorationstraining.
Neurovisuelle Neurorehabilitation: Basics, Therapie
Hirnorganisch verursachte Störungen der kognitiven Funktionen, des emotionalen
Erlebens und Verhaltens, inklusive Krankheitsverarbeitung, Anpassung,
psychosoziale Beziehungen werden häufig unterschätzt !
Bei Stroke - Population:
• 64 % Aufmerksamkeitsstörungen
• 33 % Gedächtnisstörungen und exekutive Funktionsstörungen (Koordination versch. Suprozesse)
• Zudem die Hälfte der Patienten mit depressiven Verstimmungen und Angststörungen,
Aggressionen; Depressionen häufig auch bei Angehörigen.(Prosiegel und Erhardt 1990).
Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensauffälligkeiten
Meist mit beeinträchtigtem Störungsbewusstsein; emotionale Indifferenz, Antriebsminderung,
Impulskontrollstörung.
Neuropsychologische Funktionsstörungen (Th Guthke)
• oft computergestützte Therapieverfahren, Training alltagsähnlicher Situationen (Wirksamkeit erwiesen für vaskuläre, traumatische und MS Patienten).
(Sohlberg et al. 2000, Sturm et al. 2003, Barcer-Collo et al. 2009, Plohmann 1998, Flavia et al. 2010)
• Ausgleich der Funktionsdefizite (Einsatz der intakten Fähigkeiten), vor allem bei chronischen Störungen, Training emotionaler Umgang.
• Gruppentherapien besonders bei inadäquaten Sozialverhalten, Impulskontrollstörungen Publikationsstörungen Antriebsminderung etc. sinnvoll und wirksam (Schellhorn et al. 2008).
• Anpassung von beruflichen Anforderungsprofilen.
• Einsatz von Mnemotechniken und externen Hilfen (Gedächtnistagebuch, elektronische Hilfsmittel, Erlernen aber oft erschwert !)
NB: Reduzierte Dauerbelastbarkeit oft belastungsabhängige Kopfschmerzen!
Neuropsychologische Therapiekonzepte
Neurorehabilitation: instruktives Beispiel 1
Herr A, 73 j (Software-Ingenieur)
Vor 18 Jahren nach Septumplastik in Unispital schwere, primär verkannte pulmonale Dekompensation mit
Hypoxie und ARDS Schwere hypoxämische Hirnschädigung:
• schwere tetraspastische Parese, lange praktisch tetraplegisch)
• schwerste Dysarthrie und Dysphagie
• schwere zentrale Sehstörung
• neuropsychologische Störungen mit unbekanntem Ausmass
Haftpflichtfall des Spitals (Anerkennung nach 7 Jahren !)
1 Jahr INTENSIVE Neurorehabilitation in Bellikon, in Endphase mehrmonatige, primär
erfolglose Suche nach Pflegeheim («zu schwerer Fall, überfordert uns»)
Verschiedene Re-Rehabilitationen zur (erfolgreichen) Kompensation von Verschlechterungen,
zuletzt 2012.
Seither in versch. Pflegeheimen, seit 4 Jahren in sehr gutem Pflegeheim in Zürich
(jeden Sonntag zu Hause bei Gattin)
Neurorehabilitation instruktives Beispiel 2
Herr A, 73 j
Aktueller Zustand (nach 18 Jahren):
• Schwere spastische Tetraparese (tägliches Gehen einige Meter mit 1 Hilfsperson)
• Sehr langsame Fortbewegung im Rollstuhl
• Minimale Armmotorik (Becher halten, grosse Tasten für Tel. TV, etc. drücken)
• Schwerste Dysarthrie/ Dysphagie (wird von Referenzpersonen knapp verstanden)
• Ernährung 2/3 über PEG-Sonde, Rest peroral (Kompromiss, zugunsten Lebensqualität)
• Visus bds. unter 0.1
• (meist gute Stimmung, zufrieden)
Erhaltungstherapie:
Wöchentlich 2 x Physiotherapie und 1-2 x Ergotherapie, 1-2 x Logopädie/Schlucktherapie).
Bei Absetzen mehrmals klare Verschlechterungen!
Neurorehabilitation update
Gute, kritische neue
Übersicht:
Hirnverletzung: finanzielle FolgenKostenfolgen für sehr schwere Hirnverletzung (Stand 2002):
FRAGILE
SUISSE
RehaklinikBellikon
Annahme: 25Jähriger, verheiratet, versicherter Lohn: 5000 Fr., lebt noch
50 Jahre, davon 30 Jahre im Pflegeheim
Heilkosten Akutspital: Fr. 180'000.-
Rehabilitationskosten (inkl. spätere Re-Rehab): Fr. 420'000.-
Therapien amb. + Hausarzt + Medikamente: Fr. 100'000.-
Spitex (6 h / Wo): Fr. 370'000.-
Pflegeheim-Kosten: Fr. 3'800'000.-
Renten (Deckungskapital UVG + IV): Fr. 1'330'000.-
Total (OHNE indirekte Kosten !): Fr. 6'200'000.-
NeurorehabilitationSynopsis, Botschaften / Wünsche an Versicherungsmediziner
Für die wichtigsten Funktionsstörungen gibt es wirksame, evidenzbasierte
Therapie. Eine «Schnellbleiche» ist in der Neurorehabilitation nicht möglich.
Störungen des visuellen Systems werden oft übersehen oder unterschätzt. Sie
können meist durch adäquate Therapien verbessert werden.
Praktisch keine Hirnläsion ohne neuropsychologische (kognitive, etc.) Defizite.
Die meisten / wichtigsten Probleme der hirnverletzten Menschen sind
UNSICHTBAR, oder werden übersehen.
Hirnverletzte Menschen unterschätzen ihre Funktionsdefizite praktisch immer !
Fremdanamnese wichtig
Hirnverletzte Menschen sind ohne Ausnahme reduziert belastbar (vermehrter
Erholungs- / Schlafbedarf, etc. reduzierte Leistungs- und Arbeitsfähigkeit)
Regelmässige Maintenance-Therapie ist oft nötig / sinnvoll (vergl. Fall-Beispiel)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit