Problemfall Männlichkeit
Männliche Jugendliche
zwischenOrientierungslosigkeit,Ohnmacht und„alten“ Männlichkeitsklischees
Mag. Manfred Brandfellner
Univ. Lektor für Geschlechtersensibles
Unterrichten – Schwerpunkt Männerforschung, Bubenarbeit
Geschlechtersensibles Leiten von Organisationen
„Burschen fallen auf!“
LehrerInnen: Burschen sind: Lauter und unruhiger als
Mädchen Gewalttätiger als Mädchen Stören häufiger den
Unterricht Lernschwächer als Mädchen
SHELL Jugendstudie 2006
Häufiger die „Problemkinder“ Mehr „Schulschwänzer“ und
Schulabbrecher 12% mehr Maturantinnen als
Maturanten (D) Frühkriminelle und jugendliche
Gewalttäter mehrheitlich Burschen
Bildung und berufl. Erfolg 63% Studentinnen, nur 10%
Professorinnen Aufsichtsräte: 91% Männer, 9%
Frauen Norwegen: 40% Frauen
(Quotengesetz) Ö: 60% Männer: NEIN zu Quoten,
30% Frauen NEIN zu Quoten Ö: 55% Männer NEIN zu Offenlegung
der Gehälter, 38% der Frauen
ÄNGSTE
Haben Männer Angst?
Wenn ja, wovor?
Warmduscher, Weichei...
Quenzel/Hurrelmann Universität Bielefeld 2010 Häufig trad. Männerbild verhindert
selbstverantwortliche Leistungen Fleißige Schüler gelten als Streber
und unmännlich Mädchen sind flexibler, ehrgeiziger Haben mehr Selbstkontrolle und
Selbstdisziplin Aber: Unterliegen den 3S (früher 3K)
Schön, sexy, schlank, shoppen
Typische Frauenproblemfelder
20% weniger Lohn bei gleicher Arbeit
Berufliches Vorankommen weit schwerer als Männer wegen fehlender Kinder- betreuungseinrichtungen, unlösbare Dreifachbelastungen (Kinder, Haushalt Beruf)
Ständige Überbelastung führt zu:
Typische Frauenproblemfelder
Burn-out, Depressionen, Psychopharmaka
Teilzeitarbeit – Armutsfalle Besonders
Alleinerzieherinnen mit schlechter Ausbildung
Selbstwert Frauen trauen sich bei gleicher
Kompetenz weniger zu als Männer
Führt häufig zu Beschäftigung in eher schlecht bezahlten Gesundheits- und Sozialberufen
Bei Frauen Kinder Karrierehindernis, bei Männern karriereförderlich
Buben sind in der Krise Perspektivenwechsel in der
Genderforschung In der öffentl. Diskussion Männer
weiterhin „starkes Geschlecht“ und Profiteure
Wirklichkeit: Buben und Männer vielfach bereits Opfer ihres Rollendrucks und ihrer vermeintlichen Vorteile
Hollstein 2008 (Berlin)Was vom Manne übrigblieb. Krise und Zukunft des starken Geschlechts
Während der Pubertät begehen 6x so viele Burschen Selbstmord wie Mädchen
Männer- und Jungenforschung
Im Gegensatz zur Frauenforschung sehr jung (Wieck 1986)
Am Beginn auf Druck der Frauen Später: Männer erkennen
zunehmend die Notwendigkeit Stichwörter: Männer sterben
früher, „Halbierter Mann“, Alkoholismus, Vaterabwesenheit, Männergewalt
Österr. Männerstudie 2002
17
18
42
23 Traditionelle
Pragmatische
Unbestimmte
Moderne
Österr. Männerstudie 2002
18
16
29
37 Traditionelle
Pragmatische
Unbestimmte
Moderne
Männer: Aussenwelt
TRADITIONELL Beruf (Primärsinn) Frau: Kinder und
Haushalt Konkurrenzieren
stark (90%) Gewaltbereit
(65%) Tendenziell
„freiheitsflüchtig“
NEU Aktive Vaterrolle
als Bereicherung Am Besten:
beide arbeiten halbtags
konkurrenzieren weniger (25%)
Wenig gewaltbereit (9%)
Vaterkarenz?
Vaterkarenz 2010 Bis 2009: 3% Männer, 97% Frauen A: NEU: 30+6 (436.- €), 20+4 (624.- €), 15+3 (800.- €) B: NEU: 12+2 (80% des Lohn,
max.2000.- €) 65% wählen 12 (Frauen allein) 10% wählen 12+2 (mit Vaterkarenz) 25% wählen A (davon 5% Väter in
Karenz)
„Maternal Gatekeeping“
Maternal Gatekeeping
20% der Mütter halten Väter von Kinderbetreuung ab:
„Bevor du es 2x falsch machst, mach ichs gleich selbst“
Folge: Männer weichen in Beruf aus
Eher selbstwertschwache Mütter, hohe Selbstwertidentifikation mit Mutterrolle
Zeitverwendungsstudie 20108000 Berufstätige Statistik Austria
Kinder pflegen 26%Putzen 26%Wäsche waschen 15%Bügeln
11%63 Arbeitsstunden25% unbezahlt
Kinder pflegen 74%Putzen 74%Wäsche waschen 85%Bügeln
89%66 Arbeitsstunden41% unbezahlt
„Halbe – Halbe“ JA: ist ohnehin bereits meiste
Realität: 48% Männer, 21% Frauen NEIN: ist dringend umzusetzen: 28% Männer, 47% Frauen ehrenamtl. Altenpflege: 85% Frauen Rollen sind wider Erwarten häufig
noch/oder wieder traditionell „Männerseilschaften und –
netzwerke“
„Halbe – Halbe“
Teilzeit Frauen: erwerbstätig gesamt 67% davon 41 % Teilzeit mit Kindern unter 15: 67%
Männer: erwerbstätig gesamt 76% davon 8% Teilzeit mit Kindern unter 15: 5%
Männer: Innenwelt Schlechter Zugang
zu Gefühlen 74% Eher autoritär 69% Psychische Krisen:
„zsammreißen“: 90%, reden: 7% Vorsorgebereit: Männer 21% Frauen 40% Homophobie 45%
Schlechter Zugang zu Gefühlen 21%
Eher autoritär 28% Psychische Krisen:
„zsammreißen“: 79%, reden 16% Vorsorgebereit: Männer: 19% Frauen: 39% Homophobie 13%
Männer: Innenwelt Solidarität ist
eher angstbesetzt
Schwächen gerne zugeben (1%)
Halten „gefühlvoll“ für eine eher weibl. Eigenschaft
Solidarischer mit Schwächeren
Schwächen gerne zugeben (7%)
Halten „gefühlvoll“ nicht für eine rein weibl. Eigenschaft
Ist Empathie, Zuhören-Können unmännlich?
Alter, politische Einstellung
TRADITIONELL ca.35% Über 55: ca. 50% 30 – 45: ca. 20 % Um und unter 30: Stark zunehmend Korrespondiert mit
Wahlverhalten: eher rechts (FPÖ,ÖVP, aber auch SPÖ)
NEU ca. 23% Über 55: ca. 20% 30 – 45: ca. 50% Um und unter 30: Abnehmend Korrespondiert mit
Wahlverhalten: eher links (GRÜN,LIF, tw. auch ÖVP und SPÖ)
Exkurs: Hirnforschung Mann als
Testosteronbomber ist ein Mythos des Biologismus
Handlungskontrolle über Cortex
Rollen sind sozial „konstruiert“
Beispiel IQ sozial stark geprägt:
120 auf 140 120 auf 100
Gründe für „Rückwärtstendenz“
„Neue“ Rollen sind anstrengender Hohe Kommunikationsbereitschaft
nötig Suche nach einfachen Antworten Überforderung durch Vielzahl
divergierender Lebensentwürfe und Differenziertheit der Wirklichkeit
Mehrfachbelastung in neuen Rollen Rückwärtsgewandter „Zeitgeist“ Ökonom. Druck und Wirtschaftskrise
Mehrfachbelastung in neuen Rollen
Gründe für „Rückwärtstendenz“ Diskontinuität von
Erwerbsbiographien (z.B. tw. Arbeitslosigkeit): Beruf als stärkerer Identitätsfaktor als bei durchgängigen Erwerbsbiographien
Männerprobleme werden politisch wenig thematisiert – Frauenrechte stärker im Blick
„Emma 2/86“: „Wenn wir es unseren Mädchen leichter machen wollen, müssen wir es unseren Buben schwerer machen“
Feministische Forschung
„Öffnung“ für Männerthemen
Gründe für „Rückwärtstendenz“
Rechtsruck junger Männer? Sozialdemokratie
unattraktiv: „Kümmern sich nur um Rechte der Frauen, unsere Probleme werden nicht ernst genommen!“
„Antworten“ wo Andere keine haben
„Männlich“?
„Je weniger Schlaf ich benötige, je weniger ich mich um meine Gesundheit kümmere, je mehr Alkohol ich vertrage, je weniger ich jemanden um Hilfe bitte – desto männlicher bin ich“ (nach Herb Goldberg)
Männer und die ökonom. Krise
Karriere zählt mehr denn je (männlich)
„Männlichkeit“ erheblicher Anteil an der Wirtschaftskrise (Durchsetzen, „Siegen“, erfolgreich sein)
z.B. Rollenklischees im Tourismus
Beispiel Sextourismus: Zweifel an eigener Männlichkeit, erhöhter Wettkampf, Existenzängste
Suche ergebene, brave Frau (in Thailand), ohne „Emanzipationsgerede“
Latin Lover: Unzufriedenheit mit unaufmerksamen, nicht emotionalen, verunsicherten Männern, die zu sehr nur mit ihrer Karriere beschäftigt sind
Männliche Jugendliche Orientieren sich
wieder zunehmend an alten Männlichkeits-klischees
Angst, Schwäche, Unsicherheit, Versagen soll verdrängt werden
Männliche Jugendliche Gruppendruck, sich „richtig“ männlich zu
geben Resultiert aus Zugehörigkeitsbedürfnis Wer aber dazu gehören will, muss sich
dem starren Männlichkeitsbild der Gruppe unterwerfen (z.B. „hart sein“)
Um dies zu erreichen, muss der Bursche einen „Panzer“ entwickeln und „weiche“ Gefühle verbergen (z.B. Angst, Unsicherheit, Empathie, Weinen…)
Studie deutscher Augenärzte
Folgen der „Halbierung“ Mangel an Selbstbezug und
„Stummheit“, weil Innenkontakt fehlt („Der spürt sich nicht“)
Instrumentalisierung der Umwelt als Objekte (z.B.„Kaltblütigkeit“, Frauen als „Objekte der Begierde“…)
Diffamierung von Schwäche: „Schwuchtl“, „Warmduscher“als eigene Identitätskrücke
Beispiele
„Lieber sterbe ich, als dass ich mir von einer Frau meinen Rucksack tragen lasse“
„Von einer Lehrerin nehme ich kein Geld“
Erwartungsdruck der Umwelt Was ist ein
richtiger Bursche? „Er soll sich schon durchsetzen können und erfolgreich sein!“
Frauenwunsch: „Fürsorglicher, emotionaler, sensibler Mann mit Charisma eines George Clooney“
Pädagogik: Frauendominanz Bis zum 10.Lebensjahr fast nur Frauen Ich bin „nicht weiblich“, aber was ist
„männlich“? Vater beruflich abwesend Fehlen von emotionalen, einfühlsamen
Kontakten von Vätern zu ihren Söhnen Suche nach „Ersatzvätern“ Häufig „Helden“ aus Kino, TV oder ältere
vermeintlich besonders „männliche“ Burschen
Nach konflikthaften Trennungen gehen Väter häufig als Identifikationsmodell verloren
z.B. Extremsport (Messner) „Wie weit musste
ich gehen, bis ich endlich auseinander-
gebrochen bin……alle meine Gefühle liegen offen…….ich bin endlich durchsichtig geworden…..“
Burschengewalt Demonstration von Männlichkeit,
die mit Härte, Macht, Kontrolle, Dominanz über Frauen assoziiert wird.
Ohnmächtiger Versuch, vorangegangene Selbsterniedrigung auszugleichen (Gewaltkreislauf).
Öffentliche Gewalt gesellschaftlich männlich codiert (z.B. Militär, Polizei)
Was ist „Burschenarbeit“? Burschenarbeit
will bei Burschen ein erweitertes „Männlichkeits-bild“ fördern
Freiraum bieten, Unsicherheiten zuzulassen
Was ist neu?
„Ein Indianer kennt seinen Schmerz und spricht darüber!“
Entlastung beginnt dort, wo Burschen zu ihren Stärken UND Schwächen stehen und dadurch beginnen, sich selbst wieder zu „spüren“
Burschengruppe
Durch g-sensible Arbeit kann erreicht werden, dass der Burschen merkt, dass er mit seinen Themen nicht allein ist
Die Erfahrung, dass die Anderen auch Schwächen und Ängste haben, ist für viele Burschen hilfreich und neu.
Ziele der Burschenarbeit
Empathie für sich und Andere Schwächen zulassen und positiv
bewerten Ich mag mich (Selbstwert
stärken) Nicht konkurrenzierende
Verhaltensweisen einüben Ich bin stark und ohne Gewalt
Ziele der Burschenarbeit Über eigene Gefühle, Bedürfnisse und
Befindlichkeiten reden lernen Sexitisches Verhalten aufspüren und
eigenes Frauenbild kritisch prüfen Achtsamen Umgang mit Mädchen Klischeehafte Verknüpfung von
Schwäche und Homosexualität aufdecken
Umgang mit Risiko kritisch bewerten
Ziele der Burschenarbeit Kritische Distanz
zu Männlichkeits-idealen und –idolen finden
Regeln im Miteinander finden (Rituale, Redestabrunden etc.)
Exkurs: Koedukation Nicht mehr aktueller
Forschungsstand Polare Geschlechterstereotype
werden eher verstärkt als abgebaut
Burschen ziehen zu viel Aufmerksamkeit auf sich
„Undoing Gender“ noch schwerer wegen „Imponierdruck“, „Balzen“
Exkurs: Koedukation Nur unter bestimmten Paradigmen: Bsple: „Redezeitendokumentation“!
„Quotenregelung“ Mädchen prestigeträchtige Aufgaben
geben und besonders „wahrnehmen“ Mädchenbeiträge nicht durch Burschen
stören lassen Sukzessiv Geschlechterfrage zum
Thema machen ACHTUNG: Lehrerinnen von Burschen
als „Emanzen“abgewertet, leichter für männl. Lehrer
Ziele der Burschenarbeit (Sport)
Erkennen von männl. Leistungsidealen (im Sport) und ihren Zusammenhang mit gesell. Leistungsidealen aufdecken (Augenmerk auf das, was sich im Körper tut statt auf Leistung)
Gesundheitsorientiertes Verhalten fördern
„sanfte“ sportliche Inhalte forcieren
Zusammenfassung „Pointiert gesagt sollen die
Mädchen also Stärke entwickeln, sich von fremden Maßstäben lösen, sich an Grenzen heranwagen und ihre Interessen durchsetzen lernen, währen die Jungen Sensibilität, Empathie und Gemeinschaftsgefühl erwerben sollen“
Schmerbitz, H./Seidensticker, G. (2001). Jungenarbeit-eine Chance für die Koedukation. Schorndorf
Neue Männer braucht das Land
Danke für die
Aufmerk-samkeit!