Symptommanagement bei exulzerierenden Tumoren
Doris von Siebenthal, APN Leiterin Wundberatung Kantonsspital Baden AG Co-Präsidentin SAfW 20. 10.2015, Wundfachgruppe Zürich
Interessenkonflikte
• Aktuell kein Sponsoring durch die Industrie • Letzte: 2011 Übernahme Weiterbildungskosten 3 Tage
durch FA Coloplast
• Honorare im Rahmen von Referaten
Agenda
• Allgemeine Übersicht Patienten mit onkologischen Wunden • Spezifische Herausforderungen exulzerierende Tumoren
• Zielgerichtete-Therapie
– Neue Therapie-Ansätze; neue Nebenwirkungen
…denk daran!
Bei chronischen, nicht heilenden Wunden an Karzinom denken! Hier Plattenepithelkarzinome
Bild
quel
le: h
ttp://
ww
w.d
erm
is.n
et/
Übersicht Exulzerierende Tumore
• Primäre Hautkarzinome (Spinaliom, Basaliom, Melanom)
• Direkte Tumorinfiltration (durch direkt unter der Haut liegenden Tumor) z.B. Mammakarzinom)
• Hautmetastasen (durch Streuung eines primären Tumors)
Hautveränderungen bei Tumoren
• Tumorbedingte Ursachen
• Therapiebedingte Ursachen
• Infektionsbedingte Ursachen
• Auswirkungen von Tumorerkrankung
Symptomprävalenz bei Pat. mit nicht heilbarem Krebs
Teunissen S, Wesker W., Kruitwagen C. et al. (2007) Symptom Prevalence in Patients with Incurable Cancer: A Systematic Review Journal of Pain and Symptom Management Vol. 34 No. 1
Exulzerierende Hauttumore: Probleme
– Ulcerationen – Geruch – Starke Exsudation – Akute / chronische Blutungen – Schmerz – Infektion – Wundumgebung – Lymphödeme – Emotionaler Stress – Körperliche Integrität – Soziale Beziehungen
Im Referat wurde hier anhand von Bildern Themen in Bezug zu exulzerierenden Tumoren besprochen. Zielsetzungen: • Lokale pflegerische Strategien • Wahrnehmen der Patientensituation
• Bilder in dieser Präsentation sind reduziert auf Bilder, die bereits veröffentlicht wurden.
Hinweis zur Evidenz-Lage
• Die meisten pflegerischen Interventionen beruhen auf Empfehlungen aufgrund klinischer Erfahrung von Experten und Expertinnen. Es liegen ihnen keine RCTs zugrunde.
(Margulies, 2011, Haut und -Nagelveränderungen in Margulies et al. Onkologische Krankenpflege)
• Die Patientenpräferenz und die Lebensqualität der Betroffenen ist ein wesentlicher Teil der Entscheidungsgrundlage zur Intervention.
Blutung
Patient über Blutungsrisiko informieren, um Panik vorzubeugen Sicherheit geben durch Handlungsmöglichkeiten
Blutung (Risiko) Quantifizieren
Besprechen Team, Patient,
Angehörige
Hospitalisation? Sedation? Ambulanz?
Hochrisiko Moderat
Labor +/-
(Transfusion?)
Gering
Lokale Wundversorgung
Therapie? (Chirurgie, Radiologie)
Fromantin I., Copel L., 2009
kapillär
Blutung
• Debridement / Wundreinigung anpassen • Leichter Druck • Hämostatische Auflagen
– Alginate / Kollagene – Tabotamp ® / Spongostan ® – Belassen dieser blutstillenden Produkte beim nächsten VW
• Topisches Adrenalin cave: ischämische Nekrosen durch Vasokonstriktion • Kauterisation oder Ligatur • Orale Antifibrinolytika Tranexamsäure (Cyklokapron®) lokal verwenden* • Thrombozyten-Kontrolle (http://www.ons.org/Research/PEP/Topics) • Patient / Angehörige Schulen / Informieren! • Dunkle Wäsche, Licht dimmen, Notfallset bereitgestellt
Koscielny Jürgen et al. (2008) 1 Tbl à 500mg Cykrokapron in mind 10 ml NaCl 0,9% auflösen bei nicht chir Blutungen im Mund, bei Mucosablutungen bei Thrombopenie, Vascular care 2/2008 Zernikow B: (2008) 5%Lsg 10ml für 2 Min Mund spülen (4tgl), Palliativversorgung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, 2008, Springer Wannenmacher M. (2006) Zervikale Blutung Tamponade die mit Fibrinolysehemmer (Cyclocapron, Anvitoff, Ugurol) getränkt sind einlegen (auch bei Bestrahlen möglich) Strahlentherapie, Springer
Einschätzen der Geruchsintensität
Limbisches System = Emotionen Wer krank ist riecht übel / Ekel / Erinnerung Im Team (Patient/Angehörige) definieren Einschätzung nach Haughton W, Young T (1995)
Stark: Geruch merkbar beim Eintreten in den Raum (2-3m Patientenentfernung) bei intaktem Verband
Moderat: Geruch merkbar beim Eintreten in den Raum (2-3m Patientenentfernung) ohne
Verband Leicht: Geruch merkbar nahe am Patienten ohne Verband Kein Geruch: Kein Geruch merkbar nahe am Patienten und ohne Verband.
Geruchsverminderung
Allgemein • Intervall der Wundreinigung verkürzen (alle 6-8 Std.)
• Verbandmaterial sofort luftdicht verschliessen / entsorgen (zB Windel-Abfall-System verwenden)
• Zimmer lüften, Ventilator verwenden • Aktivkohlefilter aufstellen • Rasierschaum, Gefriergetrockneter Kaffee • Katzenstreu (Katsan)
• Wattetupfer mit desodorierenden Mitteln tränken und im Zimmer aufstellen (Zitrusdüfte, Teebaum, Pfefferminz, Zedernholz, Eukaliptusblätter, „Südwind“ von Farfalla)
• Glycin (Apparative Geruchsneutralisation) Airomex®
Geruchsverminderung Lokal • Wundreinigung • Umschläge mit Ringer Lsg. / NaCl 0,9% oder Trink-Wasser • Antiseptika lokal verwenden • Naszierende Sauerstoff, Steralyte • Aktivkohle in den Verband integrieren • Metronidazol verabreichen oder applizieren z.B. Rozex Gel
– anaerobe Keime, resp. deren Stoffwechselprodukte sind verantwortlich für einen Teil der Gerüche, der andere Teil wird durch Dimethyl Trisulfide (DMTS) verursacht (Metronidazol wirkt nicht gegen DMTS!).
• Fetthaltige, imprägnierte Gazen vermeiden
• Evtl. Ph-neutrales Seifenwasser um Exsudat abzuwaschen • Evtl. Reinigung mit H2O2 1-3%, (cave Granulationsgewebe) • Evt. Proteolytische Enzyme, (cave Blutung) • Evtl. frisches nature Joghurt
(nur bei oberfl. Wunden und muss abgewaschen werden können)
Exsudation
• Wunde • Blutung • Fisteln • Ödeme • Infekt
• Quantität • Qualität
Erysipelas Carcinomatosum vs Infektion
• Im Zusammenhang mit einem Tumor kann es zu einem erysipel-ähnlichen Bild kommen: Abgegrenzte Rötung, Überwärmung, Schwellung, Schmerzen.
Infekt Port à Cath
• Wichtig ist ein sorgfältiger Umgang mit dem Port
• Dieser ist sozusagen die Nabelschnur für die Therapie für den Patienten. Ein Infekt kann nehmen schwerwiegenden Gewebeschädigungen auch den Unterbruch der Therapie bedeuten.
Therapie Nebenwirkung
• zB Taxotere: Nagelablösungen an Fingern und Zehen • zB Extravasation: Reizung, Nekrose des umliegenden
Gewebes
Früh und Spätkomplikationen zB. Sklerodermiforme GvH
Graft versus Host Disease Nach Knochenmarktransplantat
Dermatologische Symptome unter Behandlung mit EGFR-Inhibitoren
A Typische Beteiligung der seborrhoischen Areale des oberen Stammes (3. Therapiewoche, Erlotinib).
B Erythematöse Plaques mit follikulären Papeln nach Involution der pustulösen Komponente (3. Therapiewoche, Erlotinib).
C Erosive Dermatitis im oberen Thoraxbereich, 4. Behandlungswoche unter Cetuximab.
D Hypergranulierende EGFR-Paronychie mit dem Bilde eines Granuloma pyogenicum (20. Behandlungswoche, Erlotinib)
E Trichomegalie der Zilien in der 12. Behandlungswoche mit Erlotinib Quelle: Dermatologica 5/2009
A B C D E
Zielgerichtete-Therapie
– Neue Therapie-Ansätze; neue Nebenwirkungen
Nebenwirkung als Biomarker
• Nebenwirkungen (dokumentiert bei Sunitinib) als Hinweis auf effektive Wirkung des Medikamentes. (Schmidinger M., Lerkin J., Ravaud A. (2012) Experience with sunitinib in the treatment of metastatic renal cell carcinoma, Therapeutic Advances in Urology 4 (5), 253-265.
• Vor Therapie vorhandene Hyperkeratose = Prädisposition für HandFussSyndrom (Schmerzen und Funktion) Kollmannnsberger C., Soulieres D., Wong R., Scalera A., Gaspo G., Bjarnason G. (2007) Sunitinib therapy for metastatic renal cell carcinoma: recommendations for management of side effects, Canacian Urological Association Journal CUAj 1, 2 suppl, S41-S54.
Imag
es c
ourte
sy o
f Lau
ra W
ood
RN
and
Ron
ald
Buk
owsk
i MD
, C
leve
land
Clin
ic T
auss
ig C
ance
r Cen
ter.
Kutane Nebenwirkungen von neuen Therapieansätzen
Targeted Therapies
• Viele Patienten mit medikamentösen, zielgerichteten Therapien entwickeln kutane Nebenwirkungen
• Wichtig sind Aufklärung, gezielte Prophylaxe und eine engmaschige dermatologische Begleitung.
• Als obsolet geltende Therapieformen werden wieder von internationalen Expertengremien empfohlen für diese Patientengruppe.
Gutzmer R., Hassel J.C., Kähler K.C., Loquai C., Mössner R., Ugurel., Zimmer L.: 2014, Kutane Nebenwirkungen der medikamentösen Tumortherapie mit BRAF- und MEK-Inhibitoren, Der Hautarzt65, 582- 589
Kutane Nebenwirkungen zielgerichteter Therapien
Gut
zmer
, R.,
Wol
lenb
erg,
A.,
Ugu
rel,
S.,
Hom
ey, B
., G
anse
r, A
., K
app,
A. 2
012,
Kut
ane
Neb
enw
irkun
gen
vo
n ne
uen
med
ikam
entö
sen
Tum
orth
erap
ien,
deu
tsch
es Ä
rzte
blat
t, 10
9, 8
, 133
-140
Chronologischer Verlauf – Hautveränderungen Kutane Nebenwirkung der EGFR-Inhibitoren
Chronologischer verlauf bezüglich dem Auftreten von Hautveränderungen
Quelle: Van Cutsem, 2006
Bild: Gutzmer et al. 2012
http://www.oncology.tv/SymptomManagement/tabid/67/articleType/ArticleView/articleId/7/Cutaneous-Side-Effects-Associated-With-Targeted-Therapy.aspx
Gutzmer, R., Wollenberg, A., Ugurel, S., Homey, B., Ganser, A., Kapp, A. 2012, Kutane Nebenwirkungen von neuen medikamentösen Tumortherapien, deutsches Ärzteblatt, 109, 8, 133-140
Zielgerichtete Therapien
Behlendorf T., Lange D., Jordan K.: Sicherung des onkologischen Therapieerfolgs durch Supporttivtherapie, Im Fokus Onkologie, 2012,15, 1-2 http://www.onkosupport.de/e974/e1743/e2190/e3804/ifo1201_56.pdf
http://www.aerzteblatt.de/archiv/123454/Kutane-Nebenwirkungen-von-neuen-medikamentoesen-Tumortherapien-Klinik-und-Management?src=search
Hautpflege / prävention bei Zielgerichteten Therapien
Interdisciplinary management of EGFR-inhibitorinduced skin reactions: a German expert opinion (2011) K. Potthoff, R. Hofheinz, J. C. Hassel, M. Volkenandt, F. Lordick, J. T. Hartmann, M. Karthaus, H. Riess, H. P. Lipp, A. Hauschild, T. Trarbach & A. Wollenberg, Annals of Oncology 22, 524-535
Fazit
• Ohne wirksame Tumortherapie ist auch bei optimaler Wund-Pflege die Heilung eines malignen Hautinfiltrates nicht zu erwarten. (Margulies, 2011, Haut und -Nagelveränderungen in Margulies et al. Onkologische Krankenpflege)
• Hautveränderungen und exulzerierende Tumoren bedeuten unterschiedliche Problemstellungen und bedingen individuelle Therapieansätze.
• Die neuen zielgerichteten onkologischen Therapien haben teilweise massive kutane Nebenwirkungen, die spezielle und interdisziplinäre /interprofesionelle Therapieansätze verlangen.
Schlussgedanke
Auf Grund der sich neu etablierenden Therapiekonzepte
wird „Krebs“ auch zu einer chronischen Erkrankung. Wie bei anderen chronischen Erkrankungen sind hier
Chronic-Care-Ansätze nötig um den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein.
Literaturhinweise
Evidenz der Hautpflege bei Zielgerichteten Therapien: https://www.ons.org/practice-resources/pep/skin-reactions
K. Potthoff, R. Hofheinz, J. C. Hassel, M. Volkenandt, F. Lordick, J. T. Hartmann, M. Karthaus, H. Riess, H. P. Lipp, A. Hauschild, T. Trarbach & A. Wollenberg, (2011) Interdisciplinary management of EGFR-inhibitorinduced skin reactions: a German expert opinion, Annals of Oncology 22, 524-535
Wiedmer S. (2011) Hautreaktionen und Pflegehinweise bei biologischen Antitumortherapie: http://www.onkologiepflege.ch/fileadmin/onkologiepflege/onkologiepflege_user/pdf/tagungen/DGHO/Hautreaktionen_bei_biologischen_Antitumortherapien_DGHO_def..pdf
Gutzmer, R., Wollenberg, A., Ugurel, S., Homey, B., Ganser, A., Kapp, A. 2012, Kutane Nebenwirkungen von neuen medikamentösen Tumortherapien, deutsches Ärzteblatt, 109, 8, 133-140
J. Lübbe, M. Anliker, J. Bernier, M. Borner, R. Dummer, D. Helbling, D. Hohl, T. Hunziker, P. Itin, D. Köberle, B. Pestalozzi, D. Rauch, C. Surber (2009) Konsensusbericht, Kutane Nebenwirkungen der Therapie mit EGFR-Inhibitoren Klinische Einteilung und Behandlung, Update