Die Grounded Theory…
…(gegenstandsbezogene Theorie) ist eineForschungsmethode der qualitativenForschung,
…. die erstmals in den 1960er Jahren vonBarney G. Glaser und Anselm L.Strauss vorgestellt wurde.
Beeinflusst durch
Den „amerikanischen Pragmatismus“ Die Chicagoer Schule der Soziologie
(John Dewey, Robert E. Park undErnest W. Burgess)
Anwendungsbereiche
Pädagogik Ethnologie Gesundheitswissenschaften Politikwissenschaft Sozialarbeit Psychologie….
Unterschiedliche Materialien Interviews Transkriptionen von Gruppengesprächen Feldbeobachtungen Gerichtsverhandlungen Briefe Tagebücher Fragebögen Statistiken Zeitungsartikeln usw.
Was eine GT leisten muss
Die eigene Interpretation der Daten istsicher nicht die einzig mögliche…
…sie muss aber nachvollziehbar undsinnvoll sein, um weiterenAusarbeitungen und Überprüfungen ander Wirklichkeit standzuhalten.
Letztendlich wird sie an ihrer Dichte undGlaubwürdigkeit gemessen
Leitlinien und Faustregeln,keine Vorschriften
JedeR ForscherIn hat einen eigenenForschungsstil und individuelleBegabungen eine Standardisierung vonMethoden würde diese ersticken
Komplexität
Soziale Daten sind komplex und erforderndaher komplexe Analysemethoden einekomplexe GT ist konzeptionell dichtund erklärt daher sehr viele Aspekteder untersuchten Phänomene.
Kontextwissen
unterschiedlichsten Arten von Erfahrung theoretisches Kontextwissen Kenntnis der Fachliteratur „Theoretische Sensitivität“ (Art und Weise
über Daten in theoretischen Begriffen zureflektieren)
Begründung im Datenmaterial
Trias der analytischen Operationen:
Daten erheben – Kodieren – Memoschreiben
Stetige Wiederholung der drei Schritte während des gesamten Projekts!
Induktion: Handlungen, die zur Entwicklungeiner Hypothese führen; Vermutungen oderIdeen, die vorläufig in Hypothesen umgewandeltwerden. Diese stammen aus dem Erfahrungs-schatz, oder aus dem, was man sich an theoreti-schem Wissen aus der Literatur angeeignet hat.
Deduktion: Aus der Ausgangshypothesewerden Implikationen abgeleitet
Verifikation: Überprüfung der Hypothesen aufihre Richtigkeit
Konzept/Kategorie Konzepte und Kategorien werden aus
Ereignissen oder Begebenheiten und ausMustern identifiziert, die im Datenmaterialenthalten sind.
Eine Kategorie ist ein auf einer höherenEbene angesiedeltes bzw. einabstrakteres Konzept
Kodieren bedeutet :
a) Datenstücke auswählen b) die jeweils relevanten Bedeutungen bestimmen und diese c) mit einem Begriff bezeichnen d) UND: Dimensionen ausleuchten e) Fragen formulieren
d) und e) sind besonders wichtig und werden oftvernachlässigt!
Fragen, die während desKodierens gestellt werden: Wer? Was? Warum? Wo? Wie? Mit welchen Ergebnissen oder Folgen? Was ist das Grundproblem (Probleme), mit dem
die AkteurInnen konfrontiert sind? Wie lässt sich ihr Grundproblem (Probleme)
erklären ?
Kodiert werden auch
Bedingungen (Schlüsselwörter im Text:weil, da, wegen, auf Grund von)
Interaktionen zwischen den Akteuren Strategien der Akteure Die Konsequenzen (als Folge von,
deshalb, mit dem Ergebnis, folglich…)
Dimensionen
= Ausprägungsgrade, die innerhalb einerKategorie vorgefunden werden
Z.B. lautet die Kategorie: „KommunikationArzt mit Patient“
Mögliche Dimensionen: streng,freundlich, beiläufig, aufgeregt
Dimensionalisieren
Systematische Untersuchung derEigenschaften von Konzepten und ihrerdimensionalen Ausprägungen
Also: Suche nachMerkmalsausprägungen
Grundlage für spätere Vergleiche vonKategorien und Sub-Kategorien
Beispiel
In einer wissenschaftssoziologischenUntersuchung wird die Labortätigkeit vonWissenschaftlern untersucht.
Eine Kategorie sei die Tätigkeit derBeobachtung.
Theoretische Sensitivität Fähigkeit
gegenüber theoretischenZusammenhängen sensibel zu sein
Einsicht in Dinge zu gewinnen Daten eine Bedeutung zu geben Daten zu verstehen und zu trennen „was
wichtig ist und was nicht“ Eine aus den Daten hervorgehende
Theorie konzeptualisieren und formulierenzu können
Theoretical Sampling
Auswahl von Untersuchungseinheiten(erfolgt z.B. nach der Entwicklung der erstenKategorien)
Theoretical Sampling
Gezielt sampeln genau die Daten zuerheben, von denen man weiß, dass siewichtige Informationen für dieBeantwortung der Forschungsfrageenthalten
Besonders zu Beginn des Forschungs-Prozesses, aber auch begleitend im Sinneeiner Offenheit für neue "Entdeckungen"kann ein zufälliges Sampling sinnvoll sein.
MEMOS werden ab Forschungsbeginn gesammelt,
können Kategorien, Ideen etc. enthalten dokumentieren den internen Dialog des
Forschers, notieren den Analyseverlauf helfen den Prozess zu strukturieren und
zu erinnern (Vorkommnisse) zeigen den Weg von den Daten zur
Theorie, werden theoretischer undkomplexer -> verleihen der Studie Dichte
MEMOS enthalten Bestandteile der Theorie und helfen,
sie zu formulieren besonders wichtig, während der Phase der
Theoriebildung, weil ständig mit in Entwicklungbegriffenen Konzepten und immer komplexerenIdeen gearbeitet wird
sind im Besitz des Forschers und müssen nichtstilistisch perfekt formuliert sein
Memo als Denkzeug: nötigt zu Festlegungen
Theoretische Sättigung
Stellt den (vorläufigen) Endpunkt derKonzept- und Theorieentwicklung dar
Kriterium: Neue Daten bringen keineneuen Einsichten mehr
Problem: Wann ist das Kriterium erfüllt?
Arbeitsschritte (Reihenfolgenicht linear) Stellen generativer Fragen Daten erheben Aus dem Datenmaterial Konzepte entwickeln
(kodieren) Herstellen vorläufiger Zusammenhänge
innerhalb der entwickelten Konzepte (axialkodieren)
Verifizieren der aufkeimenden Theorie indemder vorläufige Charakter der Zusammenhänge inden darauf folgenden Untersuchungsphasen anneuen Daten und neuerlichem Kodierenüberprüft wird.
Integration: Welche Dimensionen,Unterscheidungen, Kategorien,Zusammenhänge sind am Wichtigsten? Wo istder KERN der entstehenden Theorie? DieIntegration wird im Verlauf der Forschungsarbeitzunehmend kompakter, Schlüsselkategorienwerden herausgearbeitet (Selektives Kodieren)
Theoretical Sampling Schreiben von Theorie-Memos; diese werden
von Zeit zu Zeit hervorgeholt, untersucht,überprüft, zusammengefasst, neu angeordnet…
Rückkehr zu den alten Daten Erheben neuer Daten, füllen von Lücken im
erhobenen Material
Rückkehr zu den alten Daten -Warum?
Ein Interview, das zu Beginn derForschung ausgewertet wurde, kann imArbeitsprozess hinsichtlich der sichentwickelnden spezifischeren Forschungs-frage Erkenntnisse beinhalten, die sozuvor nicht wahrgenommen wurden.
Offenes Kodieren
Ziel ist (u.a.) von der reinen Beschreibung wegzu kommen und zu einer höherenAbstraktionsebene zu gelangen.
Kategorien und Subkategorien werden erkanntund benannt; Bezüge beginnen sichabzuzeichnen.
Fragen werden aufgeworfen – einige davonwerden für die Studie generativ sein, d.h.weitere Forschung nach sich ziehen
Optionen beim offenen Kodieren
Dimensionalisieren Vergleiche anstellen und diesen nachgehen Ein Thema weiterverfolgen… …oder es auf später verschieben (und die Idee in
einem Memo festhalten) Die Daten weiterhin mikroskopisch kodieren Eine Schlüsselkategorie herausgreifen und nach
dieser weiter kodieren Einige der Kategorien in Beziehung setzen Erste Hypothesen bilden (und diese in Memos
festhalten)
In diesem Stadium ist es unwichtig,welche Entscheidung „die beste“ ist.Fast jeder Weg bringt brauchbare
Ergebnisse!
Axiales Kodieren…
… soll Muster (= wiederholt auftauchendeBeziehungen zwischen Eigenschaften undDimensionen von Kategorien) aufdecken
Axiales Kodieren
Eine bestimmte Kategorie wird gezielt analysiert Wird bei potentiellen Schlüsselkategorien
angewendet Verhältnis der Kategorie zu andern Kategorien
und Sub-Kategorien wird untersucht. Sukzessive Zusammenhangsmodelle werden
entwickelt Schon kodierte Texte, aber auch neue Texte
werden systematisch daraufhin kodiert
Selektives Kodieren
Schließt ans axiale Kategorien an Die identifizierten Schlüsselkategorien werden
weiter untersucht Alle anderen Kodes werden diesen unter- bzw.
zugeordnet Selektives Neu- und Nachkodieren des Materials
im Hinblick auf das zentrale Konzept
Schematischer Ablauf einer Grounded Theory
persönliche Erfahrungen,Praxiserfahrungen, Literatur
globale Zielsetzung richtungweisende Fragen und
Konzepte methodische Überlegungen für
erste Forschungsschritte Vorbereitung und Feldzugang Sammeln offener Daten kodieren offener Daten Memos Entscheidung für ein oder
mehrere Konzepte
evtl. Veränderung und/oderEingrenzung der Zielsetzung
neue richtungweisendeFragestellungen
alte Daten analysieren undneue Daten erheben
axiales Kodieren (Arbeits-) Hypothesen theoretisches Sampling /
Kontrastieren Datensättigung Kernkategorie selektives Kodieren Grounded Theory oder
Vorstufe
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