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Page 1: Therapie der Psoriasis mit Fumarsäureestern (Fumaderm®)

716 Leitlinien DOI: 10.1111/j.1610-0387.2007.06346x

JDDG | 8˙2007 (Band 5) © Deutsche Dermatologische Gesellschaft • Journal compilation © Blackwell Verlag, Berlin • JDDG • 1610-0379/2007/0508-0716

DefinitionDie systemische Therapie mit Fumarsäu-reestern ist seit 1995 in Deutschland fürdie schwere Psoriasis zugelassen. Die kli-nische Wirkung bei der Psoriasis istdurch Studien dokumentiert. Die Präpa-rate Fumaderm® und Fumaderm® initialstehen als standardisierte Fertigarznei-mittel zur Behandlung der Psoriasis zurVerfügung.Die systemische Therapie der mittel-schweren und schweren Psoriasis mit Fu-maderm® erfolgt nach einem etabliertenDosierungsschema, welches individuellvariierbar ist. Eine deutliche Verbesse-rung des Hautzustandes wird im Verlaufvon etwa drei Monaten Therapiedauererreicht. Einige Patienten mit Psoriasissprechen nicht auf die Fumaderm®-Be-handlung in der empfohlenen Dosierungan. Fumarsäureester und Fumarsäuresind zur topischen Therapie nicht geeignet.Die im Folgenden aufgeführten Leitli-nien erfassen die Aspekte der Psoriasis-Therapie mit Fumarsäureestern. Sie sindnach den aktuellen Erkenntnissen derwissenschaftlichen Forschung und denbisherigen therapeutischen Erfahrungengestaltet.

TherapieAusreichende Erfahrungen liegen bei Pa-tienten > 18 Jahre mit schwerer Psoriasisvulgaris (Befall > 25 % der Körperfläche,hohe Rezidivneigung oder Therapieresis-tenz) vor. Therapeutische Erfahrungenliegen ebenfalls bei pustulöser Psoriasisund exsudativen Psoriasisformen sowiebei Psoriasis-Arthritis, Psoriasis capitis

und Psoriasis inversa und bei Kindernzumeist kasuistisch vor.Bei Patienten mit bekanntem Alkoholab-usus und normwertigen oder leicht er-höhten Leberwerten (GOT, GPT, �-GTbis zum 2fachen oberen Grenzwert)kann eine Fumaderm®-Therapie erwo-gen werden.Kinder und Jugendliche sollten im Ein-zelfall unter strenger Indikationsstellungbehandelt werden, da noch keine ausrei-chenden Erfahrungen vorliegen.Die wöchentliche Dosissteigerung nachdem etablierten Dosierungsschema giltals Standard für die Behandlung [8].Eine schnellere Dosissteigerung ist unterengmaschigen Laborkontrollen möglichund kann individuell angepasst werden.Eine Therapie mit niedrigerer Dosierungoder einer langsameren Dosissteigerungist bei Patienten mit starken gastroin-testinalen Irritationen möglich.In jedem Falle ist eine individuelle Dosis-anpassung in Abhängigkeit vom thera-peutischen Ansprechen und unerwünsch-ten Arzneimittelwirkungen erforderlich.Die empfohlene Höchstdosis beträgt 1,2g täglich = 6 Tabletten Fumaderm®.

Nicht mit Fumarsäureestern solltenbehandelt werden:Patienten mit schweren Allgemeiner-krankungen, chronischen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und/oder derNieren sowie chronischen Erkrankungen,die mit einer Beeinträchtigung der Leuko-zytenzahlen oder -funktionen einhergehen.Patienten mit malignen Erkrankungen.Schwangere oder stillende Patientinnen.

Regelmäßige dermatologischeVerlaufskontrollenBestimmung folgender Laborparametervor der Therapie und in regelmäßigenAbständen (anfangs alle vier Wochen,nach sechs Monaten alle acht Wochen):Serum-KreatininTransaminasen/�-GTrotes Blutbild und weißes Blutbildeinschließlich Differential-BlutbildUrinstatus

Dauer der Behandlung/LangzeittherapieDie Dauer der Therapie erstreckt sichmindestens bis zum Abklingen derHautveränderungen oder bis zur weitge-henden Erscheinungsfreiheit, je nachAkzeptanz des Patienten. Das Präparatkann zur Vermeidung von Erkrankungs-schüben langfristig auch bis zu Jahreneingesetzt werden. Berichte hierüber lie-gen in der wissenschaftlichen Literaturvor. Aufgrund des günstigen Nutzen-Ri-siko-Profils ist Fumaderm® für eineLangzeitbehandlung geeignet. Zur Fin-dung einer erforderlichen Erhaltungsdo-sis ist es sinnvoll, unter langsamer Re-duktion der täglichen Einzeldosis undBeobachtung des klinischen Verlaufs,insbesondere bei schweren Verlaufsfor-men, die individuelle Erhaltungsdosisdes Patienten zu bestimmen. Bleibt derPatient unter einer Dosisreduktion er-scheinungsfrei, so ist ein Auslassversuchangezeigt.

Dosisreduktion/TherapieabbruchEine Dosisreduktion sollte bei den imFolgenden aufgeführten Situationen

Leitlinie

Therapie der Psoriasis mit Fumarsäureestern

(Fumaderm®)

Treatment of psoriasis with fumaric acid esters (Fumaderm®)

Ulrich Mrowietz, Peter Altmeyer,Thomas Bieber, Martin Röcken, Rudolf E. Schopf, Wolfram Sterry

RedaktionProf. Dr. Hans Christian Korting,

München

English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg

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durchgeführt werden. Bessert sich einveränderter Parameter unter reduzierterDosis, kann die Therapie entsprechendfortgeführt werden. Bleibt der verän-derte Parameter auch unter reduzierterDosis bestehen, muss die Therapie abge-brochen werden.Bei einem Absinken der Leukozyten <3000/µlBei einem Absinken der Lymphozyten <500/µlBei einem Anstieg des Serum-Kreatininsum über 30 % des Ausgangswertes (bei Be-handlungsbeginn) oder einer ProteinurieBei einer persistierenden Eosinophilie >25 % Bei einem Anstieg von GOT, GPT oder�-GT über den 3fachen oberen Grenzwert.Die Therapie kann ohne Probleme ab-rupt abgebrochen werden. Reboundphä-nomene wurden bisher nicht beobachtet.Bei erneutem Therapieeinsatz kann dieDosis rascher erhöht werden. Ein Thera-pieabbruch ist bei fehlendem oder un-genügendem Ansprechen auf die Thera-pie angezeigt. Gleichfalls beim Auftretenunerwünschter Arzneimittelwirkungen,die bei Dosisreduktion persistieren.Eine während der Fumaderm®-Behand-lung eingetretene Schwangerschaft erfor-dert den Abbruch der Therapie. Gleichesgilt für neu entdeckte maligne Erkran-kungen (Ausnahme: Basalzellkarzinom).

Unerwünschte ArzneimittelwirkungenGastrointestinale Beschwerden (Diarrhö,Koliken, starker Stuhldrang, erhöhteStuhlfrequenz, Tenesmen). Mit gastroin-testinalen Beschwerden ist bei bis zu60 % der Patienten besonders in den ers-ten Wochen nach Therapiebeginn zurechnen. Im Einzelfall können diese sostark sein, dass eine Dosisreduktion oderein Therapieabbruch angezeigt sind.Flush-Symptomatik (anfallartig auftre-tende Rötungen der Haut, Hitzegefühl,Druckgefühl, selten Kopfschmerzen).Eine Flush-Symptomatik wird von 30–50 % der Patienten bemerkt, sie kannmitunter so stark ausgeprägt sein, dass eszu einer stärkeren Beeinträchtigung desPatienten kommt.Leukozytopenie, Lymphozytopenie, Eo-sinophilie (siehe Abschnitt Dosisreduk-tion/Therapieversuch).Sehr selten kann es zu einem isoliertenAnstieg der ALT (GPT) besonders zuTherapiebeginn kommen. Sehr seltenwurde eine Erhöhung des Bilirubins be-obachtet. Nach Beendigung der Fuma-

derm®-Therapie kommt es schnell zu ei-ner Normalisierung dieser Parameter.Unter dem empfohlenen Dosierungs-schema sind Auswirkungen auf die Nie-renfunktion extrem selten und bilden sichnach heutigen Erkenntnissen nach Dosie-rungsreduzierung bzw. Absetzen zurück.Bislang sind opportunistische Infektio-nen bzw. eine erhöhte Infektionsneigungnicht beobachtet worden.

Welche dermatologischeBegleittherapie/Kombinationstherapiesollte nicht durchgeführt werden?Da über eine Langzeitkombination vonFumarsäureestern mit einer Lichtthera-pie (UVA, UVB, besonders auch PUVA)keine ausreichenden Erfahrungen vorlie-gen, kann diese zurzeit für die Routine-anwendung nicht empfohlen werden.Eine kurzfristige Kombination von Fu-maderm® mit einer Lichttherapie (bis zu4 Wochen) ist möglich. Über die Entste-hung von epithelialen Neoplasien nachKombinationstherapie von Licht undFumarsäureestern liegen bislang keineausreichenden Erfahrungen vor.

Welche dermatologischeKombinationstherapie ist möglich?Topische Antipsoriatika wie z. B. Dithra-nol, Salizylsäure, Teerderivate, topischesVitamin-D3 und -Analoga (in kontrol-lierter Studie untersucht), topische Reti-noide, topische, Kortikosteroide, pfle-gende Externa können mit derFumaderm®-Therapie kombiniert werden.Immunsuppressiva sowie potentiellenephrotoxische Medikamente solltennur in Ausnahmefällen mit der Fuma-derm®-Therapie kombiniert werden.Bislang sind Wechselwirkungen mit an-deren Medikamenten nicht bekannt

Verfahren zur KonsensbildungErarbeitet im Rahmen einer Konsensus-Konferenz am 19.04.1997.Aktualisiert durch die Teilnehmer derKonsensus-Konferenz im schriftlichenUmlaufverfahren im Dezember 2006.Teilnehmer der Konferenz waren: Prof.Dr. med. Ulrich Mrowietz (federführend),Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr.med. Thomas Bieber, Prof. Dr. med. Mar-tin Röcken, Prof. Dr. med. Rudolf E.Schopf, Prof. Dr. med. Wolfram Sterry.Erstellungsdatum: 04/1997Letzte Überarbeitung: 12/2006Überprüfung geplant: 12/2008 Gültigkeitsdauer: 2 Jahre

ICD 10: L40.0Stufe: S1

KorrespondenzanschriftProf. Dr. U. Mrowietz Psoriasis ZentrumKlinik für Dermatologie, Venerologieund AllergologieUniversitätsklinikums Schleswig-HolsteinCampus KielSchittenhelmstr. 7D-24105 KielE-Mail: [email protected]

Literatur1 Altmeyer P, Hartwig R, Matthes U. Das

Wirkungs- und Sicherheitsprofil vonFumarsäureestern in der oralen Lang-zeittherapie bei schwerer therapieresis-tenter Psoriasis vulgaris. Hautarzt1996; 47:190–196.

2 Altmeyer P, Höxtermann S, Auer T. Ver-laufsbeobachtungen der Lymphozyten-subpopulationen bei Psoriasis-Patientenunter oraler Therapie mit Fumaraten.Akt Dermatol 1996; 22:272–277.

3 Altmeyer P, Matthes U, Pawlak F, Hoff-mann K, Frosch PJ, Ruppert P et al.Antipsoriatic effect of fumaric acid de-rivatives. Results of a multicenterdouble-blind study in 100 patients. JAm Acad Dermatol 1994; 30:977–981.

4 Hofnagel JJ, Thio HB, Willemze R,Bouwes Bavinck JN. Long-term safetyaspects of systemic therapy with fuma-ric acid esters in severe psoriasis. Br JDermatol 2003; 149:363–369.

5 Gollnick H, Altmeyer P, Kaufmann R,Ring J, Christophers E, Pavel S et al.Topical calcipotriol plus oral fumaricacid is more effective and faster actingthan oral fumaric acid monotherapy inthe treatment of severe chronic plaquepsoriasis vulgaris. Dermatology 2002;205:46–53.

6 Mrowietz U, Christophers E, AltmeyerP. Treatment of psoriasis with fumaricacid esters. Results of a prospectivemulticenter study. Br J Dermatol 1997;138:456–460.

7 Mrowietz U, Christophers E, AltmeyerP. Treatment of severe psoriasis with fu-maric acid esters: scientific backgroundand guidelines for therapeutic use. Br JDermatol 1999; 141:424–429.

8 Nast A, Kopp IB, Augustin M et al., S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris.J Dtsch Dermatol Ges 2006; 4:S1–S126.


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