Ausgabe Frühlingssession 2010
Bekämpfung des Missbrauchs statt VerbotCURAVIVA Schweiz begrüsst die vom Bundesrat vorgeschlagenen Regeln – soweit diese der Missbrauchsbekämpfung dienen und die geltenden Grundrechte nicht einschränken.
Ein Verbot der organisierten Sterbehilfe ist für CURAVIVA Schweiz keine Option, da sich die gültige Gesetzgebung – die den freien Willen von schwer leidenden Menschen in den Vordergrund stellt – ethisch und praktisch bewährt hat. Nebst dem freien Willen gilt es für CURAVIVA Schweiz jedoch gleichermassen das Leben zu schützen, was sich in der folgenden Haltung ausdrückt:
1. Der Tod ist nicht umkehrbar.2. Die Bedeutung einer Lebenssituation kann sich
in allen Alterslagen ändern.3. Kostenüberlegungen sind kein Kriterium.4. Suizid ist nicht nur Privatsache.
VERNEHMLASSUNG ZUR NEUREGELUNG DER ORGANISIERTEN SUIZIDHILFE
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Da in den Nachbarländern die Suizidhilfe strafbar ist, haben Sterbehilfeorganisationen ihre Tätigkeit ausgedehnt. Die damit drohende Verkommerzialisierung der Sterbehilfe ist für die Mitglieder von CURAVIVA Schweiz inakzeptabel. Weil heute einfachste Regeln fehlen, befürwortet CURAVIVA Schweiz, dass alle Sterbehelfenden verpflichtet werden:
1. Alternativen zum Suizid mit der suizidwilligen Person eingehend zu prüfen (z.B. Palliative Care),
2. die Suizidbehandlung mit einem ärztlich verschriebenen Mittel auszuführen,
3. keinen Erwerbszweck zu verfolgen,4. eine vollständige Dokumentation zu erstellen.
Ob ein zweites Arztzeugnis benötigt wird, wie es der Bundesrat vorschlägt, wird unter den Mitgliedern von CURAVIVA Schweiz zurzeit noch unterschiedlich beurteilt. Auf das diskriminieren de Kriterium, der Tod müsse unmittelbar bevorstehen, ist jedoch zu verzichten, da diese Bedingung nicht festlegbar ist.
Stefan Sutter
Weitere Informationen zur Vernehmlassung der Branchenverbände INSOS Schweiz und CURAVIVA Schweiz und zur interdisziplinären Arbeitgruppe: [email protected].
INFORMATIONSBLATT FÜR DIE EIDGENÖSSISCHEN RÄTEZU SOZIAL- UND GESUNDHEITSPOLITISCHEN VORLAGEN
Stefan Sutter, Leiter Fachbereich Erwachsene Behinderte, CURAVIVA Schweiz
Hinweis: PRO SENECTUTE Schweiz wird ebenfalls eine Vernehmlassungsantwort zur Neuregelung der organisierten Suizidhilfe abgeben.
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evaluieren. Es muss auch die entsprechende Effizienz in Betracht gezogen werden. Wenn gemäss einem Bericht von INFRAS die Programme, welche die Prävention von Risiken wie Osteoporose, Diabetes oder kardiovaskulären Krankheiten anvisieren, in der Schweiz umgesetzt würden (wie es in anderen Ländern der Fall ist), würde dies vollumfänglich diesem Effizienzkriterium entsprechen.
Gemäss anderen Gegnern reicht eine verstärkte Unterstützung für Jugend und Sportvereine aus, um die vom Gesetz definierten Ziele zu erreichen. Das ist falsch. Zahlreiche Gesellschaftsgruppen, darunter die Seniorinnen und Senioren, sind von den Aktivitäten dieser Vereine weitgehend ausgeschlossen. Dieser Vorschlag zeigt, dass das Erfordernis, Programme auf Risikogruppen auszurichten, ignoriert wird. Der Kampf gegen Übergewicht zum Beispiel beschränkt sich nicht nur auf die Anregung, Kalorien durch physische Aktivitäten zu verbrennen. Er fordert von den betroffenen Personen auch, dass sie auf Basis von gesundheitsfördernden Programmen geeignete Ernährungsgewohnheiten übernehmen.
Lionel Ricou, Ressortleiter Politik im Fachbereich Alter, CURAVIVA Schweiz
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Ethik statt Bürokratie
Sterbehilfe ist eine delikate Problematik. Es ist unbestritten, dass sie nicht Teil des «harten Kerns» der medizinischen Tätigkeitsbereiche ist. Es ist jedoch eine Realität, dass – unter Vorbehalt der Gewissensklausel eines Arztes – die medizinische Verantwortung ein wesentlicher Teil dieses Prozesses ist.
Aus ethischer Sicht beinhaltet diese Verantwortung ohne Frage eine Absicherung der Urteilsfähigkeit der Person sowie die detaillierte Kenntnisnahme des Dossiers, das aufzeigt, dass die Person schwer krank und die Situation unumkehrbar ist.
Eine Verwässerung der Verantwortlichkeiten muss unbedingt vermieden werden. Es gibt zwei Hauptakteure – den Patienten, der wiederholt seinen Suizid wunsch äussert, und den verschreibenden Arzt. Im Gegensatz zum komplizierten Modell des Bundesrates, ist der Einsatz eines einzigen Arztes adäquat. Führt man, mit dem Risiko einer administrativen Banalisierung, zusätzliche Verifikationen ein, enthebt man Letzteren seiner Verantwortung.
Grundsätzlich muss die Ethik des Arztes wieder aufgewertet werden. Es gehört zum Beruf des Arztes, Entscheidungen zu treffen, die Einfluss auf das Leben und den Tod nehmen. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass jede Art von Suizid ein unnatürlicher Tod ist und bereits heute die Herbeiziehung eines Untersuchungsrichters erfordert, der verifizieren muss, dass es sich bei den Todesumständen um einen gewollten und reflektierten Suizid handelt.
Dr. Jean Martin
EDITORIAL
Dr. Jean Martin, Vorstandsmitglied von CURAVIVA Schweiz und Mitglied der nationalen Ethikkommission
Parlamentarische Gruppe für Altersfragen lädt ein
Notwendige Anpassungen bei den Ergänzungsleistungen sowie eine bessere Verankerung des Seniorensports im neuen Sportförderungsgesetz: Das sind die beiden Themen des nächsten Treffens der Parlamentarischen Gruppe für Altersfragen, zu dem PRO SENECTUTE Schweiz und CURAVIVA Schweiz alle interessierten Parlamentarierinnen und Parlamentarier ganz herzlich einladen!
Dienstag, 16. März 2010, 12.30 – 14.30 Uhr, Kulturcasino, Salon Rose, Herrengasse 25, Bern
Zum aktuellen Zeitpunkt behandelt die SGK-N den Gesetzesentwurf zur Prävention und Gesundheitsförderung. Mit der Absicht, diese not-wendige Reform zu begraben, beginnen Kritiker, schweres Geschütz aufzufahren.
09.076 GESETZ ZUR PRÄVENTION UND GESUNDHEITSFÖRDERUNG (PRÄVG)
Einbezug von Risikogruppen ins Präventionsgesetz
Gewisse Kritiker werfen vor, die Präventionsmassnahmen seien zu teuer, und befürchten ein Wachstum der Ausgaben. Mit 2 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben für die Gesundheitsförderung – verglichen mit einem Durchschnitt von 2,7 Prozent für die Entwicklungsländer – scheint die Schweiz ein eher schlechter Schüler zu sein. Des Weiteren reicht das Kostenkriterium nicht aus, um ein Programm zu
Gesundheit – nicht nur eine Frage der physischen Aktivitäten, sondern auch der Ernährungsgewohn-heiten.
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Das neue Sportförderungsgesetz (SpoFöGe) weist Lücken auf: Leistungs-verträge in der Sportförderung scheinen Sportvereinen vorbehalten. Beiträge an die Ausbildung von Experten und Leitern fehlen vollständig. PRO SENECTUTE Schweiz plädiert für eine Anpassung.
09.082 BERATUNG SPORTFÖRDERUNGSGESETZ IM PARLAMENT
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Private Organisationen beim Erwachsenensport benachteiligt
Das vom Bundesrat verabschiedete neue SpoFöGe wird ab Februar in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBKNR) beraten. Als wichtigster Anbieter von Seniorensport ist es PRO SENECTUTE Schweiz ein Anliegen, dass das Gesetz der Rolle privater Organisationen bei der Kaderbildung besser Rechnung trägt.
Was ändert sich mit dem neuen Gesetz? Bis anhin gewährt der Bund gemäss Verordnung über Bundesleistungen im Seniorensport vom 15.12.1998 (SR 415.32) Beiträge an die Experten und Leiterbildung. Im neuen SpoFöGe fehlt aus Sicht von PRO SENECTUTE Schweiz die rechtliche Grundlage, um die Förderung der Ausbildung weiterzuführen. Denn beim Erwachsenensport, wozu auch der Seniorensport gehört, werden nur Sportvereine als Partner für Leistungsverträge erwähnt (Art. 4). Weder private Organi
sationen noch Beiträge an die Kaderbildung sind aufgeführt. Im Bereich Jugend und Sport (Art. 11) sind diese Punkte jedoch integriert.
Kurse für Sport und Bewegung tragen viel zur Gesundheit und sozialen Integration von Seniorinnen und Senioren bei. In der Kaderbildung von PRO SENECTUTE Schweiz wird ein auf diese Altersgruppe zugeschnittenes Wissen vermittelt, das die fachkundige Betreuung der jährlich 90’000 Teilnehmenden in den Kursen für Seniorensport garantiert.
PRO SENECTUTE Schweiz schlägt dem Parlament vor, Artikel 4 des SpoFöGe anzupassen, damit Erwachsenen und Jugendsport bei der Kaderbildung gleichgestellt sind.
Werner Schärer, Direktor PRO SENECTUTE Schweiz
Sport- und Bewegungskurse tragen viel zur Gesundheit und sozialen Integration von Seniorinnen und Senioren bei.
Die Kantone haben nach Art. 25a Abs. 5 der Pflegefinanzierung die Pflicht, die Restfinanzierung zu regeln. Das bedeutet nicht, dass sie diese beschränken, normativ festlegen oder mit Kostendächern begrenzen dürfen. Welche Kantone steuern gegen die Tarifschutzverletzung? CURAVIVA Schweiz wird dies klar darstellen, sobald die Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen sind.
Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Kantone eigene Berechnungsmodelle für die Evaluation der Pflegekosten entwickeln, obwohl es hierfür seit beinahe zehn Jahren anerkannte betriebswirtschaftliche Instrumente gibt. CURAVIVA Schweiz prüft zurzeit, ob sie diese Arbeitsinstrumente allen Kantonen zur Verfügung stellen soll (Kontenrahmen, Anlagebuchhaltung, Kostenrechnung), damit ein noch grösseres Chaos bei den unterschiedlichen kantonalen Regelungen verhindert werden kann.
Es ist ein massgebliches Ziel der neuen Pflegefinanzierung und ein expliziter Auftrag an die Kantone, für die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner die Restfinanzierung vollumfänglich zu regeln. Vernünftige Lösungen, die machbar sind und dem politischen Willen und den Zielen der neuen Pflegefinanzierung Rechnung tragen, müssen jetzt in dieser entscheidenden Phase mit aller Kraft angestrebt werden.
Daniel Domeisen, Leiter Ressort Betriebswirtschaft und Recht, CURAVIVA Schweiz
Neue Pflege- finanzierung
Höchste Qualität und Wirtschaft-lichkeit in der Pflege sind erklärte Zielsetzungen von CURAVIVA Schweiz. Vor diesem Hintergrund setzt sich CURAVIVA Schweiz dafür ein, dass die neue Pflegefi-nanzierung nicht auf dem Rücken der Bewohnerinnen von Heimen und Pflegeinstitutionen umge-setzt wird.
IM BLICKPUNKT
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Stossrichtung begrüsst – Überregulierung kritisiert. So fasst das EJPD die Rückmeldungen der über 120 Vernehmlassungsantworten zur Kinderbetreuungsverordnung zusammen. Im Zentrum der Kritik stand im Bereich Tagesbetreuung die vorgeschlagene Bewilligungspflicht für ausserfamiliäre Betreuung durch Freunde, Nachbarn oder Bekannte, die ein Kind während mehr als 20 Stunden pro Woche betreuen.
Das EJPD berücksichtigt diese Kritik für den endgültigen Entwurf, indem nur noch entgeltliche Betreuungsleistungen einer Bewilligungspflicht unterstellt werden sollen. Bewilligungsfrei wären zudem sämtliche Betreuungsleistungen, die Verwandte und weitere den Eltern nahe stehenden Personen erbringen, sowie die Betreuung im Haushalt der Eltern (z.B. Nannies). Gleichzeitig entfällt für diesen sehr weit und unklar definierten Personenkreis auch die behördliche Aufsicht und die Pflicht zur Weiterbildung.
CURAVIVA Schweiz nimmt diese vehemente Kehrtwende des EJPD bei der Tagesbetreuung mit grosser Skepsis zur Kenntnis. Bei der Vernehmlassung zum endgültigen Gesetzesentwurf wird sich CURAVIVA Schweiz aber in erster Linie auf die Vollzeiteinrichtungen fokussieren, welche die Mehrheit der CURAVIVAMitglieder darstellen.
Markus Eisenring, Leiter Fachbereich Kinder und Jugendliche mit besonderen
Bedürfnissen, CURAVIVA Schweiz
Skepsis zur Kehrtwende
PERSÖNLICH
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Point de vue liefert den eidgenössischen Räten Hintergrundinformationen zu aktuellen politischen Geschäften. Datum: 17. Februar 2010Herausgeber: CURAVIVA ver tritt die Interessen von 2100 Institutionen in den drei Berei chen Menschen im Alter, Erwachsene Menschen mit Behinderung und Kinder und Jugendliche mit beson deren Bedürfnissen. PRO SENECTUTE Schweiz ist das Kompetenz und Dienstleis tungszentrum in den Bereichen Alter, Altern und Generationenbeziehungen. Die
IMPRESSUMStiftung setzt sich für das Wohl, die Würde und die Rechte älterer Menschen in der Schweiz ein.Adressen: CURAVIVA Schweiz, 3007 Bern, 031 385 33 33, [email protected], www.curaviva.chPRO SENECTUTE Schweiz, 8027 Zürich, 044 283 89 89, info@prosenectute.ch, www.prosenectute.chRedaktion: Dominik Lehmann, CURAVIVA SchweizGestaltung: Schneider Communications AGDruck: Stämpfli Publikationen AG, BernAuflage: Deutsch 1600, Französisch 800
passungen der kantonalen Steuertarife erfolgen. Dabei ist die Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen mit tiefen Einkommen zu gewährleisten.
Der Stiftungsrat von PRO SENECTUTE Schweiz schlägt deshalb den PROSENECTUTEOrganisationen vor, entsprechende Vorstösse in den kantonalen Parlamenten anzuregen. Eine bundesrechtliche Regelung im Rahmen der Steuerharmonisierung wäre frühestens dann zu prüfen, wenn die Deckung des Lebensbedarfs älterer Menschen auf kantonaler Ebene nicht angemessen gesichert werden kann.
Zudem hält das ELSystem mit den steigenden Kosten für das Wohnen nicht Schritt. Deshalb fordert der Stiftungsrat von PRO SENECTUTE Schweiz eine Änderung des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, damit neben der periodischen Anpassung des Lebensbedarfs auch die anrechenbaren Wohnkosten den veränderten Verhältnissen angeglichen werden. Damit soll die zentrale Funktion der Ergänzungsleistungen zur Vermeidung von Altersarmut längerfristig gewährleistet bleiben.
Kurt Seifert, Bereichsleiter Forschung & Grundlagenarbeit, PRO SENECTUTE Schweiz
SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DER STUDIE ÜBER ALTERSARMUT
Die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV stellen ein bewährtes Instrument zur gezielten Bekämpfung der Altersarmut in unserem Land dar. Das ergibt sich auch aus der Studie «Leben mit wenig Spielraum. Altersarmut in der Schweiz», die PRO SENECTUTE Schweiz 2009 veröffentlicht hat. In der Praxis der Sozialberatung zeigt sich allerdings, dass das System der Ergänzungsleistungen unter Druck steht.
Anpassungsbedarf besteht beim Steuerrecht. Die Steuern stellen gemäss den Erfahrungen aus der Sozialberatung für ältere Personen mit kleinen Einkommen eine besonders starke Belastung dar. Bei einer früh einsetzenden Progression verfügen jene Steuerpflichtigen, welche die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) knapp nicht erfüllen, vielfach über weniger finanzielle Mittel als Personen, die EL beziehen. Ein solcher Schwelleneffekt wird durch die vom steuerbaren Einkommen abhängige Prämienverbilligung noch verstärkt.
Diese unerwünschten Schwelleneffekte sind die Folge einer ungenügenden Koordination der Steuertarife mit den bedarfsabhängigen Leistungen. Aufgrund der primären Steuerhoheit der Kantone müssen Korrekturen durch gezielte An
Stärkung der Ergänzungsleistungen
Im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgren-zung soll auch die Schweiz aktiv werden. Für PRO SENECTUTE Schweiz steht die Stärkung der Ergänzungsleistungen im Vordergrund.