Wirtschaft ohne Wachstum –Das gute Leben für Alle?
?
Was ist Wachstum?• Wachstum als
Funktion des Lebens• Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts(BIP)
Das exponentielle Wachstum des BIP
Was ist das BIP?
• Maß der Produktion von Waren undDienstleistungen im Inland nach Abzug allerVorleistungen.
• Nicht: unbezahlte Tätigkeiten, Subsistenz,Selbstversorgung, Hausarbeit, Ehrenamt
• Nur finanziell messbare Werte
Die Grenzen des Wachstums
„Wachstum selbst ist zumdestabilisierenden Faktor
geworden“
(Ulrich Brand)
Ökologische Grenzen
Quelle: Azote Images/Stockholm Resilience Centre 2015
Ökonomische Grenzen
• Trotz aller Versuche, das Wachstumanzukurbeln, zeigen gesättigteVolkswirtschaften rückgängigeWachstumsraten.
Soziale Grenzen
• Viele soziale Errungenschaften fallen demKonkurrenz- und Wachstumsdruck zum Opfer
• Umweltbelastungen durch Wachstumverschärfen soziale Probleme(Umweltrassismus)
• Indigenen Völkern und traditionellenSubsistenzbauern wird die Lebensgrundlageentzogen
Soziale Ungleichheit weltweit
• Seit 2015 hatten die reichsten 1% mehr Vermögen alsder Rest der Welt
• 8 Personen haben inzwischen soviel Vermögen wiedie halbe Weltbevölkerung (2010 waren es 388)
• 2010-2015: Anstieg des Vermögens der reichsten 62um 44%
• Rückgang des Vermögens der ärmeren Hälfte um41%
• Das durchschnittliche Jahreseinkommen der ärmsten10% stieg in ca. 15 Jahren weniger als 3 Dollar; dasder reichsten 1% wuchs 182 mal soviel.
Psychologische Grenzen
• Zunehmender Konsum bei begrenztenzeitlichen Ressourcen
• Immer schnellere Innovationszyklen derKonsumgüter
• Höhere Leistungsdruck bei der Arbeit und inder Gesellschaft
Stress, Depression, Burnout
Warum Wachstum nicht einfach stoppen?
Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystemist auf Wachstum angewiesen
Wachstumstreiber
• Wirtschaftlicher Wettbewerb• Innovationsdruck• Geldsystem (Zins, Geldschöpfung,
Gewinnerwartung)• Positioneller Wettbewerb• Industrielle Arbeitsteilung• Verzichtsangst
Wachstumsabhängigkeiten
• Soziale Sicherungssysteme• Staatshaushalte• Arbeitsplatzschaffung als Ausgleich für
Rationalisierung• Angst vor einer Umverteilungsdebatte• Mentale Infrastrukturen• Angst vor Rezession und Destabilisierung
Resultat:
• Verharren im Status Quo, den zu erhalten immerschwieriger wird (Paradoxon)
• Entmachtung der Politik• Demokratiedefizit• Ohnmacht und Hilflosigkeit der Einzelnen• Fortschreitende Kommerzialisierung
Entkopplung von Wachstum undUmweltschäden: Die Lösung?
• Der zentrale Streitpunkt im Wachstumsdiskurs• Bekannt als „Green Growth“• Der Versuch, das Wirtschafts- und
Gesellschaftssystem zu erhalten• Fokus auf technischen Lösungen• Energie- und Ressourceneffizienz
CO2 Emissionen und BIP-Wachstum
Quelle: IEA
Globaler Ressourcen-Abbau1980-2010
(Quelle: materialflows.net)
Der Rebound-Effekt:das Paradox der Effizienz
• Finanzielle Rebound-Effekte(Einkommen, Re-Investition, Marktpreis)
• Materielle Rebound-Effekte(Embodied Energy, neue Märkte, Konsum-
Akkumulation)
• Psychologische Rebound-Effekte(Moral Hazard, Moral Leaking, Moral Licensing)
• Cross-Factor Rebound-Effekte• „Zeitliche“ Rebound-Effekte
Das Beispiel Klimawandel
Quelle: https://www.flickr.com/photos/yukonblizzard/
Soziale Verteilung von Emissionen
Quelle: Oxfam 2015 https://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf
Science oder Science Fiction?
• 2 Grad-Ziel: 731 Mrd. Tonnen CO2 bis 2O50• Industriestaaten müssen jährlich 8-10 % ihrer Emissionen
reduzieren• Entspricht jährlichen Pro-Kopf-Emissionen von ca. 2,7
Tonnen CO2 (wie ein Hin-und Rückflug nach Dubai)• 2015 lagen Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland bei 11,4
Tonnen
Nicht allein durch Entkopplung zu erreichen
Die “Lösung” liegt immer in derZukunft
• Klimarahmenkonvention seit 1994 in Kraft• Seitdem steigen die Emissionen bzw. scheinen auf
sehr hohem Niveau zum Stillstand gekommen zusein
• Massive Reduktionen werden stetig die Zukunftverlagert
• Basieren vor allem auf unfertigen technischenLösungen nach 2050. KomplexeWechselwirklungen werden ausgeklammert.
Quelle: https://pixabay.com/de/photos/?q=Elephant&hp=&image_type=&cat=&min_width=&min_height=
Der Elefant im Raum:
• Wachstum• Kapitalismus• Imperiale Lebensweise• Ungleiche Verteilung von Ressourcen
und Vermögen
Was ist ?
• Eine Bewegung aus dem globalen Norden für denglobalen Norden (akademisch und praktisch)
• Der Versuch, den Begriff „Nachhaltigkeit“ zupolitisieren
• Ein gemeinsamer Suchprozess nach vielfältigen,ganzheitlichen Lösungen
• Vereint Wissenschaft und Aktivismus
Was will Degrowth?• Das Gute Leben für Alle innerhalb der ökologischen
Grenzen• Verringerung von Produktion und Konsum im globalen
Norden• Regionale, aber offene und miteinander vernetzte
Wirtschaftskreisläufe• Befreiung vom westlichen Entwicklungsparadigma zum
Ermöglichen von Selbstbestimmung im globalen Süden• Die „Entkolonialisierung“ unserer Vorstellungswelt
• Durch wissenschaftliche Analysen der Wachstumsfrage• Den Ausbau demokratischer Entscheidungsformen• Soziale Innovationen• Gemeinschaftliche Orientierung an Suffizienz• Das Herausarbeiten von Degrowth-tauglichen
Institutionen und Praktiken• Das Erarbeiten von Transformationsstrategien• Zunehmende Vernetzung und Zusammenarbeitrelevanter
Akteure
Wie?
Seit 2008: Intern. Konferenzen• 2014 in Leipzig: 3000 Teilnehmende; großes
Medienecho
Seit 2015: Die Degrowth-Sommerschulen auf dem Klimacamp
2016/17: Degrowth in Bewegung(en)
• Schreib-, Multimedia- und Vernetzungsprojekt• 32 Soz. Bewegungen / Transformationsansätze
Weitere Veranstaltungen
• MOVE UTOPIA für eine Welt nachBedürfnissen und Fähigkeiten
• Konferenz „Selbstbestimmt und Solidarisch“:zur Schnittstelle Migration, Entwicklung undökologischer Krise
• Für den Wandel Sorgen: Mitmachkonferenzzur Care-Ökonomie
• Bildungsarbeit aller Art
Ein Beispiel für Politikvorschläge
1. Schuldenschnitte für Bürger*innen2. Arbeitszeitreduktion3. Grund- und Maximaleinkommen4. Grüne Steuerreform5. Stop von umweltschädlichen Subventionen und
Investitionen6. Unterstützung von Alternativprojekten7. Optimierung von Gebäudenutzung8. Reduktion von Werbung9. Absolute ökologische Obergrenzen10. Ersetzen des BIP als Wohlstandsindikator
Verwandte Bewegungen aus demglobalen Süden
• Vielfältige lokale Bewegungen fürUmweltgerechtigkeit (www.ejolt.org)
• Radical Ecological Democracy (Indien)• Ubuntu (Afrika)• Buen Vivir (Lateinamerika)• Bewegungen für kleinbäuerliche Landwirtschaft
und Saatgutvielfalt (z.B. La Via Campesina)• Indigene Widerstandsbewegungen gegen
Zerstörung natürlicher Lebensräume
Lösungsvorschläge aus demSüden
• Forderung an den globalen Norden, dieVerantwortung für seine Ökologische Schuldenbzw. Klimaschulden zu übernehmen
• Mehr lokale Selbstbestimmung, z.B.:• Ernährungssouveränität• Energiesouveränität• Wahrung der Eigenrechte der Natur• Mehr Rechte für indigene Lebensformen• Erweiterte Definition von „Armut“ und „Reichtum
Welche Geschichte will icherzählen?
• Weiter so wie bisher• Die Zerstörung ist Unaufhaltsam• Der Wandel ist möglich und er ist bereits im
Gange
Selbstermächtigung / Ein neuesVerständnis von Macht
• Die Zukunft ist nicht linear• Das Verhalten komplexer Systeme ist nicht
vorhersehbar• Wenn die Bedingungen stimmen, können
kleine Dinge plötzlich Großes bewirken• Ein „geht nicht“ haben wir schon• „Utopisch“ ist das neue Realistisch“
Die Ebenen des Wandels
• Widerstand gegen zerstörerische Handlungen• Analysen des Ist-Zustands• Aufbau von Alternativen• Bewusstseins- und Kulturwandel
„Die alte Ordnung ist jetzt offiziell in Auflösung begriffen, was immerstärker spürbar wird. Das stellt uns zugleich vor gigantischeMöglichkeiten und ungeheure Gefahren, denn wenn die Normalitätauseinander bricht, saugt das darauf folgende Vakuum vorherundenkbare Ideen aus den Rändern an. (…) Alles wird möglich,wenn die vorherrschenden Institutionen zusammenbrechen. WennHass oder Angst die Kräfte sind, die diese neuen Ideen zum Lebenerwecken, können alle möglichen faschistischen oder totalitärenAlpträume wahr werden (…). Daher ist es so wichtig, dass wir amÜbergang in eine Phase der immer größer werdenden Unordnungeine andere Kraft ins Spiel bringen.“ (Charles Eisenstein)
Mitmachen, Weiterlesen, Vernetzen• www.degrowth.info
• www.wachstumswende.de
• www.postwachstum.de
• www.tiefenoekologie.de
• www.bonn-im-wandel.de
Danke für EureAufmerksamkeit
Christiane Kliemann, Oktober 2017
QuellenAnderson, Kevin; Bows, Alice: Beyond ‘dangerous’ climate change: emission scenarios for a
new world http://rsta.royalsocietypublishing.org/content/roypta/369/1934/20.full.pdfBrand, Ulrich: Sozial-ökologische Transformation: Projekt eines rot-rot-grünen Crossover?
http://www.degrowth.de/de/2014/05/sozial-okologische-transformation-projekt-eines-rot-rot-grunen-crossover/
Eisenstein, Charles: Die Wahl: Über Hass, Trauer und eine Neue Geschichte, Nov.2016https://charleseisenstein.net/essays/die-wahl-uber-hass-trauer-und-eine-neue-
geschichte/International Energy Agency: Redrawing the Energy Climate Map
www.worldenergyoutlook.org/energyclimatemapJackson, Tim: Prosperity without Growth, London, 2009Material Flows http://www.materialflows.net/home/Macy, Joanna u. Young-Brown, Molly: Die Reise ins Lebendige Leben, Paderborn, 2003OECD: Growing unequal? Income inequality and poverty in OECD countries, Paris. 2008:
http://www.oecd.org/els/soc/incomeinequalityandpovertyrisinginmostoecdcountries.htm
OECD: Shifting Gear: Policy challenges for the next 50 yearshttp://www.oecd.org/eco/growth/Shifting%20gear.pdf
Oxfam Briefing Paper (2016): An Economy for the 1%https://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/bp210-economy-one-percent-tax-havens-180116-en_0.pdf
Oxfam Media Briefing (2015): Extreme Carbon Inequalityhttps://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf
Oxfam 2017: An Economy for the 99%https://www.oxfam.org/sites/www.oxfam.org/files/file_attachments/bp-economy-for-99-percent-160117-en.pdf
Paech, Niko: Nach dem Wachstumsrausch: Eine zeitökonomische Theorie der Suffizienz:http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-166-167_Paech.pdf
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