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mykosen 16 (6) : 211-213 (1973) Eingegangen am 2. April 1973

XVIII. lnternationales Hygiene-Kolloquium der Th. Goldschmidt AG, Essen am 20. Marz 1973

(Fortsetzung)

H. EDELMEYER

Mit den ingenieurtechnischen Fragen der

,,Klimatechnik und Asepsis im Operationssaal"

beschaftigte sich Dr.-Ing. H. H. SCHICHT, Winterthur.

Er hob hervor, dai3 die aus hygienischer Sicht in jungster Zeit mehrfach in Frage gestellte Klimatisierung der Krankenhauser als eine hygienische Gefahrenquelle vor allem zwei Ursachen hat: Die hygienisch unzureichende Bauausfuhrung und die mangelnde regel- mai3ige sachkundige Wartung der Anlagen. Wahrend der konventionellen Klimatechnik bezuglich des erreichbaren Reinheitsgrades der Luft Grenzen gesetzt sind, kann durch die Reinraumtechnik eine hohere Luftreinheit im chirurgischen Bereich geschaff en werden. Ermoglicht wird dies durch eine Lufifiihrung nach dem Prinzip der turbulenzarmen Verdrangungsstromung. Wie sich jedoch der Einsatz der Reinraumtechnik auf die Haufig- keit von Wundinfektionen auswirkt, kann heute noch nicht beantwortet werden. Wahrend in einem konventionell klimatisierten Operationssaal bei 50 % der Abstriche Eitererreger gefunden wurden, waren in einer Operationskabine nur in 3 % der Abstriche Problem- keime nachweisbar. Diese Feststellung berechtigt zu Hoff nungen bezuglich der Ausrau- mung von Wundinfektionen durch eine verbesserte Klimatechnik.

Uber Jnfektionsgefahren durch das Wasser der Wischerkammern von Klimaanlagen und ihre Beherrschung durch TEGO-diocto"

informierten Professor Dr. med. L. GRUN und Dr. med. N. PITZ, Diisseldorf. Als sym- ptomatisch fur den Zustand vieler Wascherkasten wurde der hohe Verkeimungsgrad bezeichnet. Keimzahlen bis zu 100 Millionen pro ml wurden nicht selten angetroffen. Dabei uberwiegen die als Erreger verschiedenster Infektionskrankheiten in Betracht kommenden Pseudomonaden und Klebsiellen. Sind den Wascherkammern keine Luftfilter nachgeordnet, so werden die verspruhten Bakterien direkt mit dem Luftstrom auf Stationen oder in Operationssale eingeblasen. Dann wiirden uber 1.500 Pseudomonaden pro qm Luft nachgewiesen. Aber auch das Nachschalten von Filtern bietet keine absolute Sicherheit vor einer Kontaminierung der Krankenhausluft mit Keimen aus der Wascher- kammer. Versuche in der Klimaanlage eines Krankenhauses mit 0,5 % TEGO-diocto ergaben iiber einen Beobachtungszeitraum von 4 Wochen hinweg einen Keimgehalt von maximal 10 Pseudomonaden pro ml. Die meisten Wasserproben erwiesen si& als steril.

I n einer unbehandelten Kontrollanlage stieg dagegen die Keimzahl auf Werte um 20 Millionen pro ml an. Aufgrund der erfreulichen Versuchsergebnisse werden weitere Untersuchungen zur Ermittlung der minimalen Konzentration an TEGO-diocto im prak- tischen Betrieb vorgenommen.

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Professor Dr. phil. habil. W. TREUE, Gottingen, behandelte in sehr interessanter Weise Fragen der

,Zusammenarbeit des Sozialhistorikers mit dem Medizinhistoriker im Interesse der modernen Gesellschaftsgeschichte"

Er unterstrich den Wert der Kooperation dieser beiden Disziplinen zum Wohle der verbesserten Gesundheitsvorsorge fur unsere moderne Massengesellschafi.

Dozent Dr. med. M. SHIMOHIRA, Mr. Ph., Osaka, referierte uber den

,,Desinfektionswert verschiedener Tensidgruppen"

Aufgrund der in eigenen systematischen Untersuchungen von Tensiden ermittelten Gesetzmafligkeiten unterscheidet der Referent zwischen

- mikrobiziden Amphotensiden (2 . B. TEGO 51) - nichtmikrobiziden Amphotensiden

(die beispielsweise bei der Behandlung von Leberkrankheiten oder Kreis- laufstorungen eingesetzt werden konnen)

und

Tensiden.

- bakteriziden Quats

- den als Labilisatoren biologischer Membranen wirkenden nichtionogenen

Der Vortragende beschrieb die Systeme und Ergebnisse seiner vergleichenden Unter-

- Die mikrobizide Wirkung der Tenside auf zuvor ungeschadigte E. coli K 12-

- Die biologische Wirkung auf Spharoplastmembranen von E. coli (die unter

suchungen:

Bakterien

Einwirkung von Penicillin gebildet worden waren) sowie

- die molekularbiologische Wirkung auf praparierte 70-S-RNS-Partikel. Die unterschiedlichen Angriff s- und Wirkungsweisen der Tenside wurden ausfuhrlich

behandelt. Zusammenfassend wurde ausgesagt, dal3 mikrobizid wirkende Tenside einen Strukturwandel bei 70-S-Ribosom bewirken konnen. TEGO 5 1 zeichnete sich hier durch die starkste Aktivitat aus. Die Wirkungsweise der verschiedenen Tenside gegenuber Zellmembranen ist nicht gleich. Sie differiert mit dem hemischen Aufbau.

Erganzt wurden diese Ausfuhrungen durch den Vortrag von Dr.-Ing. U. SLEYTR, Wien

,,Einige Aspekte bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung von Mikroorganismen"

Anhand zahlreicher Diapositive, bei deren Anfertigung im wesentlichen zwei Prapara- tionstechniken verwendet wurden, namlich die Ultradiinnschichttechnik und die Gefrier- atztechnik, wurde dem Auditorium das elektronenmikroskopische Bild intakter wie auch durch Chemikalien geschadigter Bakterienzellen sichtbar gemacht. Der Vortragende erlau- terte die Feinstruktur der Mikroorganismen und ging dabei vor allem auf die Eigenheiten der Zellwand, Zytoplasma-Membran und des Zytoplasmas ein.

Im Vergleich zur Gefrieratztechnik vermittelt die Ultradunnschichttehnik einen bedeu- tend tieferen Einblidr in die molekulare Struktur von Membranen und Zellwanden. Da im Zellwand- und Membranbereich die Abtotungsvorgange durch Noxen, wie beispiels- weise Desinfektionsmittel, augenscheinlich gemacht werden konnen, sind dank der Gefrier- atztechnik weitere Erkenntnisse zu erwarten.

mykosen 16, Heft 6 (1973)

XVIII. Intcrnationalcs Hygiene-Kolloquium 213

Anhand des vorgestellten Bildmaterials konnte in iiberzeugender Weise die mikrobizide Wirkung von Amphotensiden demonstriert werden. Damit ist die Behauptung widerlegt, dad tensidhaltige Desinfektionsmittel lediglich bakteriostatisch wirkten.

Probleme der

,Virusinaktivierung mit chemischen Mitteln"

behandelte Professor Dr. med. vet. B. LIESS, Hannover, der ausfuhrte, dai3 unter Virus- inaktivierung die Aufhebung der Infektiositat von Virusteilchen verstanden wird.

Allerdings darf der Verlust der Infektiositat nicht als absolut aufgefadt werden; er ist vielmehr nur an der Reduktion des Virustiters erkennbar. Molekulare Veranderungen lassen sich an einzelnen Virusteilchen bislang no& nicht nachweisen. Aus der prinzipiellen Moglichkeit einer chemischen Reaktion mit einer der Viruskomponenten kann nicht auf einen Lethaleff ekt (Inaktivierung) geschlossen werden.

Inaktivierungskurven lassen auf den Mechanismus der Inaktivierung schlieaen. Aus der Art des Kurvenverlaufs kann die Dosis kalkuliert werden, die zur Erreichung eines bestimmten Inaktivierungsgrades erforderlich ist. Inaktivierungskurven konnen nie den Nullpunkt erreichen, weil log 0 negativ im Unendlichen liegt. Darum ladt sich nicht kon- statieren, ob eine Viruspopulation vollig inaktiviert ist. Dennoch kann unter Kalkulation des Risikos eine sichere Inaktivierung erzielt werden, sofern sich dieses Risiko in Groden- ordnungen bewegt, die, abhangig vom Zweck der Virusinaktivierung, akzeptabel erschei- nen. An einigen Beispielen belegte der Vortragende besonders die Inaktivierung von Virus durch amphotere Desinfektionsmittel.

Ober "Hygienemahahmen in der Gefliigelindustrie"

trug Mr. F. PARRY, Norwich, Norfolk, vor. Die hygienische Behandlung des Schlacht- gefliigels in modernen Geflugelschlachtereien gewinnt insofern an Bedeutung, als es heute bereits Betriebe gibt, in denen bis zu 10.000 Tiere pro Stunde geschlachtet werden. Sind die Hygienemadnahmen in diesen Betrieben unzureichend, so konnen sich Millionen von Bakterien an der Haut dieser Tiere ansiedeln. Dabei kann es sich sowohl um lebensmittel- vergiftende wie Faulnis-Bakterien handeln. Zu den Lebensmittelvergiftern am Geflugel zahlen vornehmlich Salmonellen, Clostridien und Staphylokokken. Unter den Faulnis- Bakterien nehmen Pseudomonaden einen bevorzugten Platz ein. Aber auch Hefen und Schimmelpilze konnen Fleischfiulnis auslosen. Der Vortragende behandelte die Techno- logie der Geflugelschlachtung und -verarbeitung sowie dabei auftretende mikrobiologische Fragen. Briihkessel, Rupfmaschinen und der Spin-chiller sind die in mikrobiologischer Hinsicht besonders kritischen Platze der Gefliigelschlachtbetriebe. Das Kuhlen der Schlacht- tiere im Spin-chiller durfte nach dem 1. Januar 1976 in den EG-Landern verboten werden; hygienischere Kiihlverfahren wie die Spruh- oder Luflkuhlung haben bereits ihre Bewah- rungsprobe bestanden.

Als ein wesentlicher Bestandteil betriebshygienischer Madnahmen in Gefliigelschlacht- betrieben Grodbritanniens bezeichnete der Vortragende das Chlorieren des Brauchwassers mit 5 bis 20 ppm Chlor. Bereits hierdurch liei3e sich ein groi3er Teil der ,,cross-contamina- tion" (Schmierinfektion) unterbinden. Daneben musse der Sauberung und Desinfektion der gesamten Betriebseinrichtunug (Arbeitstische, Messer, Forderbander usw.) sowie der personlichen Hygiene gebuhrende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Wirksamkeit solcher Prozeduren sollte durch einen Betriebsbakteriologen uberpriifi werden.

(Schlud folgt)

mykosen 16, HeR 6 (1973)