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technische universität dortmund Fakultät Kulturwissenschaften Institut für Journalistik Dipl.-Journ. Tobias Eberwein | Dortmund, 18. Juni 2010 Medienselbstkontrolle im Wandel Oder: Brauchen wir einen Presserat für den Online-Journalismus – und wenn ja, wie viele?

Medienselbstkontrolle im Wandel

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Fakultät KulturwissenschaftenInstitut für Journalistik

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Medienselbstkontrolle im WandelOder: Brauchen wir einen Presserat für den Online-Journalismus – und wenn ja, wie viele?

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Agenda

Hintergrund:

Seit dem 1.1.2009 ist der Deutsche Presserat auch für journalistisch-redaktionelle Beiträge im Internet zuständig, sofern es sich dabei nicht um Rundfunk handelt.

Hypothese:

Auf die neuen berufsethischen Problemdimensionen eines digitalen Journalismus ist die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats bislang nur bedingt vorbereitet.

Vorgehen:

Bestandsaufnahme: Journalistische Ethik in einer digitalen Welt Überblick: Die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats im

Jahr 2009 Fallbeispiele: „Alte“ vs. „neue“ Ethik Schlussfolgerung: Auf dem Weg zu einem Netzwerk der Media

Accountability?

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Bestandsaufnahme: Journalistische Ethik in einer digitalen Welt

Ethik des Online-Journalismus als Teilbereich der Medienethik „Viele Konflikte des Onlinejournalismus sind … den spezifischen Medieneigenschaften und der

Medienlogik des Hybridmediums Internet geschuldet“ (Debatin 2004: 80)

Ethik der Internetkommunikation

1. Informationelle Ungerechtigkeit: Digital Divide

2. Auswahl, Verbreitung und Veränderung von Informationen: Digital Content

Ethik des Online-Journalismus

1. Informationsauswahl

2. Produktion von Inhalten

3. Präsentation und Distribution von Inhalten

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Bestandsaufnahme: Journalistische Ethik in einer digitalen Welt

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Gatekeeper Ethics Relationship Ethics (Singer 2010)

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Bestandsaufnahme: Journalistische Ethik in einer digitalen Welt

Inhaltliche Schwerpunkte bleiben konstant: Persönlichkeitsrechte, Diskriminierung, Richtigkeit, Wahrhaftigkeit, Recherche etc.

Themen der journalistischen Online-Kommunikation bleiben die Ausnahme

Fazit: "it seems that journalistic ethics has not yet reached the internet era" (Heinonen 2010: 20)

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Spiegeln sich die gegenwärtigen Veränderungen der journalistischen Ethik in den (europäischen) Ethik-Kodizes wider? Aktuelle Inhaltsanalysen (vgl. Karilainen 2008; Heinonen 2010) belegen: Nein!

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Der Deutsche Presserat als Freiwillige Selbstkontrolle im Online-Journalismus

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Überblick:Die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats 2009

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(Quelle: presserat.de)

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Überblick: Die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats 2009

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(Quelle: presserat.de)

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Überblick: Die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats 2009

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(Quelle: presserat.de)

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Überblick: Die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats 2009

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(Quelle: presserat.de)

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Fallbeispiel:Internet-Umfragen

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Eine Regionalzeitung veröffentlicht in ihrer Online-Ausgabe regelmäßig Umfragen. Ein Beispiel ist die „Frage des Tages“. Dabei wird dem Leser mitgeteilt, wie viel Prozent für Ja und wie viel Prozent für Nein gestimmt haben. Ein Leser kritisiert die Darstellung der Ergebnisse des so genannten Internet-Votings. Er vermisst einen Hinweis der Redaktion, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ seien.

Richtlinie 2.1 – UmfrageergebnisseBei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen teilt die Presse die Zahl der Befragten, den Zeitpunkt der Befragung, den Auftraggeber sowie die Fragestellung mit. Zugleich muss mitgeteilt werden, ob die Ergebnisse repräsentativ sind.

Verstoß gegen Ziffer 2: Hinweis

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Fallbeispiel:Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen

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Eine Aktion des Sportartikelherstellers „Nike“ mit dem Bayern-Star Franck Ribéry ist Thema des Online-Auftritts einer Sportzeitschrift. Im Mittelpunkt steht ein neuer Fußball-Schuh, der vorgestellt und abgebildet wird. Die Bildzeile lautet: „Verteidiger: Jetzt heißt‘s zittern: Der neue Mercurial Vapor V ist da!“ Am Ende des Artikels steht ein Hinweis auf die Hersteller-Website, auf der weitere Hinweise auf die Aktion zu finden sind.

Ziffer 7 – Trennung von Werbung und RedaktionDie Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.

Verstoß gegen Ziffer 7: Beschwerde begründet; keine Maßnahme

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Fallbeispiel:Fotostrecken

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„Gaza: Israel forciert Bodenoffensive“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins eine Fotostrecke mit 16 Bildern. Eines davon zeigt eine blutüberströmte Frau. In der Bildunterschrift heißt es: „Diese palästinensische Frau wurde bei einem Angriff der israelischen Armee schwer verletzt: Internationale Rufe nach einem Waffenstillstand werden immer lauter“. Zentrales Thema des Beitrages sind Gefechte zwischen Israelis und Palästinensern im Norden des Gaza-Streifens.

Beschwerde unbegründet

Richtlinie 11.1 – Unangemessene DarstellungUnangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

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Fallbeispiel:Webvideos

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„Kopfschuss, Gelächter, Genickschuss“ titelt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Im Beitrag geht es um ein Video, das Kriegsverbrechen in Sri Lanka beweisen soll. Der von einem Soldaten der Regierungsarmee mit Handy aufgenommene Film zeigt die Tötung von nackten Gefangenen. … Die Redaktion zeigt Ausschnitte aus dem Video. Darin ist zu sehen, wie mehrere gefesselte und nackte Männer von Uniformierten mit Waffen bedroht werden und andere verletzt am Boden liegen. Die Redaktion vermutet, dass es sich bei den Uniformträgern um Regierungssoldaten handeln könnte.

Beschwerde unbegründet

Ziffer 11 – SensationsberichterstattungDie Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid.

Ziffer 2 – SorgfaltRecherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.

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Fallbeispiel:Recherche im Social Web

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Die Diskussion auf der Internet-Plattform „waffen-online.de“ ist Thema einer Diskussion in einer Lokalzeitung. Es geht um die Verschärfung des Waffengesetzes. Die Zeitung zitiert Stimmen von Nutzern, die sich unter Pseudonymen an der Debatte beteiligen. Einer von ihnen bezieht sich auf einen früheren Bericht der Zeitung zum Waffenrecht. Er schreibt: „Diese Texte hätten ‚neidkomplexierte linke Arschlöcher‘ verfasst – bei solchen Artikeln hat man richtig Lust, sich bis an die Zähne zu bewaffnen, um sich gegen solche Möchtegern-Gestapo-Heinis verteidigen zu können. Es ist auch interessant, wie diese Schreiberlinge meinen, dass ein äußerer Druck uns dazu bewegen könnte, die Waffen abzugeben. Wir haben genug Waffen für die nächsten 300 Jahre und diese NIRGENDWO REGISTRIERT“.

Ziffer 2 – SorgfaltRecherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Verstoß gegen Ziffer 2: Hinweis

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Fallbeispiel:Nutzerkommentare

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Die Online-Ausgabe einer regional verbreiteten Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Diese drei Sextäter lassen uns erschaudern“ über drei Straftaten, die in einer Großstadt begangen wurden. Es geht unter anderem um die Festnahme eines Mannes, der in der Damentoilette eines U-Bahnhofes eine Frau überfallen und vergewaltigt hatte. In einem Forum beschäftigen sich mehrere Leser mit dem Artikel.

Verstoß gegen Ziffer 2: Hinweis

Richtlinie 2.6 – Leserbriefe(1) Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen sind die Publizistischen Grundsätze zu beachten. …

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Schlussfolgerung:Konsequenzen für den Deutschen Presserat

Der Wandel des Journalismus in einer digitalen Welt konfrontiert auch den Deutschen Presserat mit veränderten berufsethischen Problemen.

Nicht alle Problemfelder des Online-Journalismus sind vollständig neu: In vielen Fällen halten die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) grundlegende Handlungsempfehlungen bereit, um ihnen angemessen zu begegnen.

Vor allem der Umgang mit Nutzerkommentaren und sonstigem User Generated Content stellt die Beschwerdearbeit des Presserats jedoch vor Herausforderungen, die eine Neuausrichtung der journalistischen (Presse-)Selbstkontrolle notwendig machen.

Der Presserat ist damit gezwungen, sich verstärkt mit der Digitalisierung des Journalismus auseinanderzusetzen und auch den Pressekodex entsprechend anzupassen.

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Schlussfolgerung:Auf dem Weg zu einem Netzwerk der Media Accountability?

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Correction box Media reporter In-house critic Disciplinary committee

Media page/program Internal memo Code of ethics Ethical audit

Ethics coach Ombudsman Opinion survey Company of journalists

Journalism review Alternative media Critical book/report Public statements Media-related NGO or Foundation Media observatory

Non-profit research Higher education Media at school Consumer group

Association of militant citizens Company of users Public broadcasting Regulatory agency Letters to the editor Public access Paid-for opinion page Accuracy and fairness questionnaire Consulting with users Liaison committee

Local press council National/regional news council

Continuous education Movie or TV series Online comment by users

Media blog Online platform for user complaints Online Ombudsman Citizen website

(nach Bertrand 2000: 111ff.)

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Medienselbstkontrolle im WandelOder: Brauchen wir einen Presserat für den Online-Journalismus – und wenn ja, wie viele?

Kontakt:

Dipl.-Journ. Tobias EberweinInstitut für Journalistik /Erich-Brost-Institut für internationalen JournalismusTechnische Universität DortmundEmil-Figge-Str. 50D-44227 Dortmund

Tel.: +49 231/755-4195Fax: +49 231/755-5583

[email protected]

http://www.journalistik-dortmund.dehttp://www.brost.orghttp://www.mediaact.eu http://www.coolepark.de

Fotos: Lutz Kampert (2), Peter Kirchhoff/pixelio.de (2), Günther Schad/pixelio.de, picalena/photocase.com, pylonautin/photocase.com, presserat.de, froodmat/photocase.com

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