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Neue Soziale Bewegungen II J. Gutenberg-Universität Mainz Institut für Politikwissenschaft Seminar Soziale Bewegungen Leitung: Prof. Dr. Arzheimer WiSe 2012/2013 Franziska Oppermann

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Studentische Präsentation Neue Soziale Bewegungen Teil 2

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Neue Soziale Bewegungen II

J. Gutenberg-Universität MainzInstitut für PolitikwissenschaftSeminar Soziale BewegungenLeitung: Prof. Dr. ArzheimerWiSe 2012/2013Franziska Oppermann

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Gliederung

1. Rückblick

2. Die Anti-Atom-Bewegung

3. Startbahn West

4. Fazit

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Koopmans' Ansatz

● Deutschland in den 60ern: Aufstieg neuer Mittelklasse, Bildungsexpansion, international angespannte Lage

● Unter Brandt partielle Integration der APO, dennoch sehr geschlossenes System

● Unter Schmidt innerparteiliche Radikalisierung, Erfolge der NSB bringen Protest in die Mitte der Gesellschaft

● Unter Kohl “neue Politik”, Grüne ziehen in Bundestag ein

→ etablierten Parteien fehlt das Interesse an NSB

● Theoretische Ansätze:

– Karstadt-Henke: Counter-Strategies of Authorities

– Tarrow: Competition among Organizations

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“Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv”

Die Anti-Atom-Bewegung von 1975-1989

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Entwicklung des Anti-Atom-Protest

● Proteste gelangen aus den USA nach Frankreich ('71: Fessenheim), von dort aus nach Deutschland

● Gründung französisch-deutscher Bürgerinitiativen gegen das Bleichemiewerk Marckolsheim '74 → Besetzung etc.

● Mobilisierung der lokalen Mittelklasse

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Der institutionelle Rahmen in Deutschland

● Versorgungsunternehmen entscheiden über Bau von Anlagen → marktabhängig

● Gesetzgebung sehr detailliert, verschiedene Lizenzen nötig→ Ansatzpunkt für Klagen von Umweltschutzorganisationen

● Rolle der politischen Elite:

– SPD auf Länderebene häufig gegen Atomenergie, auf Bundesebene dafür

– Nahm 1976 “Entsorgungsnachweis” ins Parteiprogramm auf

– FDP solange gegen Atomenergie, wie sie sich Wählerzustimmung davon erhoffte

→ Föderalismus brachte der Anti-Atom-Bewegung maximale Möglichkeiten

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Das Beispiel Wyhl

● Nähe zur Uni-Stadt Freiburg → Verbindung lokaler Aktivisten und nationaler Protestszene

● Baustellenbesetzung am 18.2.1975: spontane Reaktion von wütenden Anwohnern, unterstützt von Aktivisten aus Freiburg → Zwangsräumung und Festnahmen

● Demonstration am 23.2. mit 28.000 Personen und erneute Besetzung

● Warum so erfolgreich?

– “untypische Protestierende”: radikal genug für die Städter, aber nicht zu radikal für die Landbevölkerung

– Inkonsistente und unwirksame Reaktionen der Autoritäten (Verhandlungen vs. Drohungen)

– Trägheit der Justiz

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Das (Negativ-) Beispiel Brokdorf

● Gründung der Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe, Versuch Wyhl zu wiederholen

● Aber: die Autoritäten hatten gelernt

● Folgen:

– gewaltsame Konfrontationen und Miss-trauen bei Bevölkerung

– Beteiligung von K-Gruppen führte zu Spaltung der Bewegung→ gemäßigte Gruppen (BBU) stiegen aus, Bewegung wurde radikaler

– Repression und Ereignisse des deutschen Herbstes erstickten die Bewegung

– Protest verlagert sich nach Gorleben

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Tschernobyl – die Wiederbelebung des Anti-Atom-Protests

● “suddenly imposed grievances” (nach Welsh) → viele Länder in ähnlicher Weise zum gleichen Zeitpunkt betroffen

● Warum gab es in Deutschland einen so spektakulären Anstieg der Bewegung und in anderen europäischen Ländern nicht?

– Politische Umstände: Föderalismus trug zu unterschiedlichen Informationen bei, Parteien besetzten unterschiedliche Positionen

– seit 1985 neue Kampagne der Bewegung gegen Wiederaufbereitungs-anlage in Bayern (große nationale Aufmerksamkeit und Demo mit ca. 80.000 Menschen)

→ Katalysator, nicht Ursache

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Der “WAAhnsinn” von Wackersdorf

● Suche nach geeignetem Ort: traditionell konservativ und wirtschaftlich rückständig → Wackersdorf

● Studien zeigten, dass Endlager effektiver wäre als Wiederauf-bereitungsanlage, Regierung will Prestigeprojekt aber durchsetzen

● Bewohner der Gegend hielten den Bau für eine Beleidigung

● Erfolg des Protests:

– Erfolg an den vorigen 10 geplanten Orten

– Unterstützung lokaler Politiker aller Parteien und SPD und Grünen auf Bundesebene

– Umdenken nach Tschernobyl

– Kosten durch Verzögerung des Baus

→ Vertrag mit La Hague (Frankreich) bedeutete das Aus

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Fazit für die Anti-Atom-Bewegung

● Faktoren, die die Bewegung beeinflussten:

– Institutionalisiertes Setting bei Entscheidungsprozessen:

● Trägheit der Justiz verantwortlich für die Erfolge der Bewegung und ihr Fortbestehen

● Föderalismus● Schwäche der Regierungen, die Vorhaben durchzusetzen und Rivalitäten

zwischen Länder- und Bundesebene

– Intensität der Reaktionen auf Tschernobyl

– Unterstützung der Parteien und Gewerkschaften

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“Wenn die Bäume fallen, stehen die Menschen auf ”

Protest gegen die Startbahn West

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Hessen in den 70ern

● Traditionell SPD-regiert, bis '82 Koalition SPD-FDP

● Südhessen als Hochburg des linken Flügels der SPD, Mörfelden geprägt von der DKP

● 1965: Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms→ verhinderte Umsetzung der Baupläne bis 1980

● 1978: Parteiengemeinschaft Mörfelden-Walldorf (von CDU bis DKP)

● 1979: Bürgerinitiative gegen die Flughafenerweiterung Frankfurt/Main→ erste unkonventionelle Aktionsformen → Medienaufmerksamkeit

● Oktober 1980: Verwaltungsgericht Hessen erlaubt den Bau → Hoffnungen auf juristische Lösung erloschen, Radikalisierung

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Widerstand gegen die Startbahn West

● Errichtung Hüttendorf, besetzt vorwiegend von lokalen Akademikern und Jugendlichen aus Frankfurt

● Initiierung eines Volksbegehrens, hessische Regierung wollte das prüfen lassen, aber: kein Baustopp

● Räumung des Hüttendorfes gelang erst im zweiten Anlauf, Bilder und Berichte von Polizeigewalt erreichten auch die moderaten Teile der Bewegung

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Massendemos

● 14.11.1981: 150.000 Menschen legen 220.000 Unterschriften in Wiesbaden vor

● Alexander Schubart (Magistratsdirektor Frankfurt) rief eigenmächtig zu Blockade des Frankfurter Flughafens am Folgetag auf

● 5000 Menschen blockierten den Flughafen, Polizei und Bundesgrenzschutz trugen zu Eskalation bei, aber Autoritäten und Medien schoben Schuld auf Protestierende

● Schubart bekam gesamte staatliche Repression ab

● Moderater Teil der Bewegung in Schockstarre, radikaler Flügel dominierte die Bewegung (unterstützt von Hausbesetzerbewegung und “revolutionären Zellen”)

● “Sonntagsspaziergänge” und kleinere Versuche, die Mauern zu sabotieren

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Das endgültige Auseinanderbrechen der Bewegung

● 2.11.1987: Jahrestag der Räumung des Hüttendorfes

– “Jubiläumsprotest”, schon im Vorfeld Warnung vor Gewalt

– Kleine Gruppe Protestierender errichtete Barrikaden und warf Molotowcocktails

– Hundertschaften und Wasserwerfer von Seiten der Polizei

– Ein Demonstrant erschoss 2 Polizisten und verletzte 7 weitere

● Protestbewegung brach auseinander

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Fazit für die Startbahn West

● Frühe Phase des Protests: konventionelle Methoden → kaum Erfolg, dann Radikalisierung, gewaltlose unkonventionelle Aktionen

● Größe der Bewegung: ländliche und städtische Protestierende, neue Elemente, Unterstützung von etablierten Organisationen, Involvierung von professionellen Akteuren (BUND,...)

● Autoritäten wollten Prestigeprojekt durchdrücken, auch weil Zukunft der hessischen (und Bundes-) Regierung davon abhing

● These Oberschalls: Bewegungen sind wenig erfolgreich, wenn sie zu großen Druck auf die Autoritäten ausüben → scheint bestätigt

● Folgen:

– Weitere Radikalisierung → Frankfurter Autonome

– Viele Aktivisten wurden Anhänger der Grünen, 1985 erste SPD-Grüne-Koalition

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Fazit

● Bewegungen hatten ähnlichen Verlauf:

→ konventionelle Strategien → Radikalisierung→ mediale Aufmerksamkeit → externe Verbündete→ breitere öffentliche Unterstützung→ Bewegung wurde moderater→ Radikale Gruppierungen spalten sich ab→ Autoritäten versuchen Bewegung zu schwächen

● Einzelne Bewegungen waren geformt von Position innerhalb größerer Protestwelle

● Unterstützt durch Diffusionsprozesse innerhalb der Gesellschaft

● Konfrontative Aktionen werden zu Gewalt oder Parlamentarischen Aktionen und Lobbyismus

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Fazit

● Bewegungen hatten ähnlichen Verlauf:

→ konventionelle Strategien → Radikalisierung→ mediale Aufmerksamkeit → externe Verbündete→ breitere öffentliche Unterstützung→ Bewegung wurde moderater→ Radikale Gruppierungen spalten sich ab→ Autoritäten versuchen Bewegung zu schwächen

● Einzelne Bewegungen waren geformt von Position innerhalb größerer Protestwelle

● Unterstützt durch Diffusionsprozesse innerhalb der Gesellschaft

● Konfrontative Aktionen werden zu Gewalt oder Parlamentarischen Aktionen und Lobbyismus

Stimmt Tarrows Theorie?

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Quellen

Koopmans, Ruud (1995). Democracy from Below. New Social Movements and the Political System in West Germany. Boulder, San Francisco, Oxford: Westview. 157-227.

Bilder:

http://www.bild.bundesarchiv.de/cross-search/search/_1355738736/?search[view]=detail&search[focus]=6

http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/images/upload/akw-wyhl-nai-gsait-gross.jpg

http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/europawahl-bauplatzbesetzung-marckolsheim.html

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Brokdorfdemo.jpg&filetimestamp=20110401091201

http://www.dingamdeich.de/6-0-Bilder-.html

http://www.stern.de/politik/geschichte/wackersdorf-blutige-schlachten-gegen-den-waahnsinn-513246.html?eid=513206

http://www.cinema.de/bilder/waahnsinn-der-wackersdorf-film,1319069.html?page=4

http://www.hr-online.de/website/radio/hr1/index.jsp?rubrik=71965&key=mediathek_33268874&gallery=1&mMediaKey=mediathek_33268874&b=4

http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground/a1770/l9/l0/F.html#featuredEntry

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