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zugleich Organ des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP

Herausgegeben vonFrank Schulz-NieswandtThomas LenkHolger MühlenkampJohann Christian PielowDieter Kurt Tscheulin

Aus dem Inhalt

AbhandlungenMichael Zschille, Matthias Walter, Christian von HirschhausenIneffizienz und Strukturunterschiede in der deutschen Wasserversorgung

Peter DeschkanBetrachtung der Kostenfaktoren bei der Erdgasversorgung im liberalisierten Markt Österreichs aus der Sicht des Vertriebs als Energiedienstleister für Wien

DokumentationGünter Püttner unter Mitwirkung von Wolf LeetzKurzgefasste Geschichte der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. und ihres Wissenschaftlichen Beirats

201033. Jahrgang Seite 179–310 ISSN 0344-9777

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ZögU Zeitschrift Unternehmenfür öffentliche und gemeinwirtschaftliche

Journal for Public and Nonprofit Services

Konkrete Antworten und Entscheidungshilfen

Handbuch Unternehmen der öffentlichen HandHerausgegeben von RAin Dr. Beatrice Fabry und Stb Ursula Augsten2. Aufl age 2010, ca. 700 S., brosch., ca. 89,– €, ISBN 978-3-8329-1660-2Erscheint ca. September 2010

Die aktuelle Neuaufl age des für seine Informationsfülle und als wertvolle Hilfe für Praktiker gelobten Werkes zeigt die ganze Bandbreite der zur Verfügung stehenden Rechtsformen für öff entliche Unternehmen auf.

Unterstützt durch Gestaltungshinweise, Checklisten und Übersichten werden wesentliche Fragenstellungen wie

■ Steuerrechtliche Behandlung

■ Finanzierungsmöglichkeiten

■ Wirtschaftsführung, Rechnungswesen, Prüfung

■ Beteiligungscontrolling und -management

■ Vergaberecht und öff entliches Preisrecht

von Autoren mit großer Erfahrung in der Beratungs-praxis beantwortet. Darüber hinaus zeigt das Werk die aktuellen Entwicklungen in wichtigen Themenfeldern rund um Stadtwerke, Abwasserbeseitigung, Wasser-versorgung, kommunale Verkehrsunternehmen und Krankenhäuser auf. Auch Public Private Partnerships und die Privatisierung öff entlicher Einrichtungen einschließlich des Börsengangs kommunaler Unter-nehmen werden praxisbezogen beschrieben. Die Unternehmensteuerreform ist berücksichtigt.

Die Herausgeberinnen sind auf die Beratung der öff ent-lichen Hand und ihrer Unternehmen spezialisiert.

Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter www.nomos-shop.de

Inhalt

AbhandlungenMarc Gnädinger und Dennis HilgersDeutsche Schuldenbremse(n) – Etablierte Modelle und ökonomisch begründeterFortentwicklungsbedarfGerman debt brake(s) – Current models and economic need for further development . . . . . . . . . 181

Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von HirschhausenIneffizienz und Strukturunterschiede in der deutschen WasserversorgungInefficiency and Structural Differences in German Water Supply . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Peter DeschkanBetrachtung der Kostenfaktoren bei der Erdgasversorgung im liberalisierten MarktÖsterreichs aus der Sicht des Vertriebs als Energiedienstleister für WienConsideration of the relevant cost components in the liberalized Austrian natural gas marketsfrom the perspective of a Viennese energy service provider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota PedrosaInnovationsmanagement in gemeinwohlorientierten öffentlichen Unternehmen-Herausforderungen und Chancen am Beispiel der Deutschen Sparkassenorganisa-tionInnovation management in public welfare companies – challenges and chances. The exampleof the German Savings Banks Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

ZögUOrgan des BundesverbandesÖffentliche Dienstleistungen

– Deutsche Sektiondes CEEP

3 201033. JahrgangSeite 179–310

Gegründet von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn | Dr. Achim v. LoeschHerausgegeben vonProf. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität zu Köln (geschäftsführend)Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität LeipzigProf. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften SpeyerProf. Dr. Johann Christian Pielow, Ruhr-Universität BochumProf. Dr. Dieter Kurt Tscheulin, Albert-Ludwigs-Universität FreiburgHerausgeberbeirat: Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen | Prof. Dr. Dietmar Bräunig, Justus-Liebig-Universität Gießen | Wilhelm Georg Hanss, Vorsitzender der Geschäftsführung der LeipzigerVerkehrsbetriebe (LVB) GmbH | Reiner Metz, Geschäftsführer ÖPNV des Verbandes Deutscher Ver-kehrsunternehmen e.V., Köln | Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunalerUnternehmen e.V. (VKU), Köln | Inge Reichert, Geschäftsführerin des Bundesverbandes ÖffentlicheDienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (BVÖD), Berlin | Prof. Dr. Christina Schaefer, Fach-hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin | Dr. Dieter Steinkamp, Vertriebsvorstand Rheinenergie AG,Köln | Dr. Patrick Steinpaß, Direktor des Deutschen Sparkassen-Giroverbandes, Berlin | Prof. Dr. LudwigTheuvsen, Georg-August-Universität GöttingenRedaktionsteam: Dipl.-Ges.-Ök. Saskia Alich | Dipl.-Volksw. Elisabeth Bünnagel | Benjamin Haas | MiriamHeins

DokumentationGünter Püttner unter Mitwirkung von Wolf LeetzKurzgefasste Geschichte der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. und ihresWissenschaftlichen Beirats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

MitteilungenPeter EichhornIn memoriam Karl Oettle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Hilmar Sturm und Dieter WittKarl Oettle 1926–2009Gemeinwirtschaft mit Ethos und Pragmatik – Dem Wirtschaftsdenker und Lehrerzum Gedenken – . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

BuchbesprechungenSebastian Bolay, Einführung von Energiemanagement und erneuerbaren Energien –Eine Untersuchung von Erfolgsfaktoren in deutschen Kommunen (LudwigTheuvsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Thierry Jeantet, Economie Sociale – eine Alternative zum Kapitalismus (Werner W.Engelhardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Thomas Müller-Marqués Berger und Uwe Krebs (Hrsg.), Der kommunale Gesamtab-schluss – Zielsetzung, Grundlagen und Erstellung (Michael Poullie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

Craig N. Murphy und JoAnne Yates, The International Organization for Standardiza-tion (ISO) – Global governance through voluntary consensus (Julia Maier-Rigaud) . . . 305

Marina Schur, Der Wasserversorgungsvertrag – Verbraucherschutz bei der Privati-sierung von Wasserversorgungsunternehmen (Ludwig Theuvsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Autoren des Hefts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Abhandlungen

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

Deutsche Schuldenbremse(n) – Etablierte Modelle undökonomisch begründeter Fortentwicklungsbedarf

Öffentliche Verschuldung, Öffentliches Haushaltswesen, Rechnungsabgrenzung, Schuldenbrem-se

Angesichts der in den vergangenen Jahren wachsenden Verschuldung von Bund und Ländern inDeutschland stand die bis dato gültige Schuldenbremse, die in wirtschaftlichen Normalzeiten eineBegrenzung der Verschuldung in Höhe der Investitionsausgaben vorsah, in der Kritik. In derFöderalismuskommission II wurden daher Ansätze zu einer Überarbeitung des Regelwerks fürdie staatliche Ebene vorgelegt. Diese sind letztlich und insbesondere aufgrund des mit der Finanz-und Wirtschaftskrise zunehmenden Problemdrucks, für die Staatsebene in geltendes Recht über-führt worden. Für die Gemeinden und Gemeindeverbände kam es ebenfalls zu einer Novellierungder Verschuldungsregeln. Hier war der Auslöser die Erneuerung des kommunalen Haushalts-und Rechnungswesens auf Grundlage des kaufmännischen Rechnungswesens, womit auch ein vonder Staatsebene abweichender Schuldenbegriff verbunden ist. Wir gehen im Folgenden auf dieFrage ein, worin sich die Ansätze auf Staatsebene und bei den Kommunen inhaltlich unterscheidenund ob diese aus ökonomischer Perspektive weiter zu entwickeln sind.

Ausgangssituation der öffentlichen Verschuldung in Deutschland

Seit rund 35 Jahren wächst die öffentliche Gesamtschuldenlast in Deutschland. Bedingt durch dieaktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird die öffentliche Verschuldung noch einmal deutlichansteigen und dies, obwohl die reale Verschuldung schon vor der Krise wesentlich höher gewesenist, als gemeinhin kommuniziert.1 Zwei Umstände zeigen sich dafür verantwortlich: Zum einenhaben Bund, Länder und Kommunen teilweise in großem Maßstab Schulden aus ihren Kern-haushalten auf öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEUs) ausgelagert. DieseVerbindlichkeiten in Gestalt von „Schattenhaushalten“ tauchen in der Mehrzahl der publiziertenBeiträge2 zu diesem Thema nicht auf. Zum zweiten wird auf Ebene des Bundes, der Mehrzahl der

I.

1 Vgl. dazu exemplarisch die Angaben des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. (2009).2 Eine Aufbereitung der Verschuldungsdaten unter Rückgriff auf die FEUs bedarf allein für die kommunale Ebene

eines Zugriffes auf zwei Statistiken: Die Schuldenstatistik der Gemeinden und Gemeindeverbände gibt die Schul-den der Gemeinden, Gemeindeverbände und Zweckverbände wieder. Die Statistik der öffentlich bestimmtenFonds, Einrichtungen und Unternehmen gibt die gesamten Kreditmarktverbindlichkeiten der Auslagerungen derGemeinden, Gemeindeverbände und Zweckverbände in rechtlich selbständigen sowie rechtlich unselbständigen

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Länder und auch bei zahlreichen Kommunen noch immer rein zahlungsstromorientiert (kamera-listisch) mit Einnahmen und Ausgaben gerechnet. Das bedeutet, dass wesentliche Verbindlich-keiten, die nach dem Grundsatz vorsichtiger, kaufmännischer Rechnungslegung insbesonderedurch die Bildung von Rückstellungen auszuweisen wären, nicht abgebildet werden.3 So arbeitetbis heute auch die deutsche Finanzstatistik ausschließlich mit kameralistischen Daten, die nur diereinen Einnahmen und Ausgaben umfassen. Eine vollständige Abbildung des Ressourcenver-brauchs findet de facto nicht statt. Dennoch ist die Existenz impliziter Schulden zumindest auchThema der politischen Debatte. So wird auch in der Drucksache zum Entwurf der neuen Schul-denbremse für die Staatsebene in der Begründung zu den Änderungen des Artikels 115 Grund-gesetz (GG) zwischen „der expliziten und impliziten Staatsverschuldung“4 differenziert, wobeies für die implizite Staatverschuldung (z. B. Pensionsverpflichtungen) keine statistisch aufberei-teten Informationen gibt.5

Während sich das aus der Unzulänglichkeit des heute praktizierten Haushalts- und Rechnungs-wesens resultierende Informationsproblem der Nicht-Berücksichtigung von Ressourcenverzehrund Schulden besonderer Kategorie (z. B. Rückstellungen)6 kurzfristig nicht beseitigen lässt,müssen, um ein einheitliches (zumindest vollständigeres) Bild der Verschuldungssituation zu er-zielen, die Verbindlichkeiten der öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen untersuchtwerden.7 Hieraus geht hervor, dass bereits Ende 2008 der aufsummierte Schuldenstand von Bund,Ländern und Kommunen unter Integration der aus dem Kernhaushalt ausgelagerten Kreditschul-den8 eine Höhe von 26.834 Euro je Einwohner erreichte. Einschließlich der Auslagerungen warenBund und Länder Ende 2008 je Einwohner mit rund 17.268 bzw. 6.414 Euro verschuldet. UnterEinbeziehung der Gesamtverschuldung von Städten, Gemeinden und Gemeindeverbänden, dieEnde 2008 durchschnittlich 3.152 Euro je Einwohner betragen hat, ergibt sich so die durch-schnittliche Pro-Kopf-Verschuldung von 26.834 Euro.9 Der Vergleich dieser Zahlen mit denWerten, die Ende des Jahres 2000 erreicht wurden, zeigt, dass die Gesamtverschuldung in denvergangenen acht Jahren über alle Ebenen hinweg deutlich angestiegen ist: Der Bund war Endedes Jahres 2000 noch mit 13.348 Euro und die Länder mit 5.300 Euro je Einwohner verschuldet.

Einrichtungen wieder, sofern diese Einrichtungen zu 50 und mehr Prozent in öffentlichem Eigentum sind. Vgl.dazu Junkernheinrich/Micosatt 2009, S. 63.

3 Zum Teil wird die Beibehaltung der Kameralistik auch als Erklärung für die derzeitige Verschuldungssituationangeführt: Vgl. Berens u. a. 2007, insb. These 6.

4 BT-Drs. 16/12410.5 Sieht man von den Versorgungsberichten von Bund und einzelnen Ländern einmal ab. Mit Hessen hat nun das

erste Flächenbundesland eine doppische Eröffnungsbilanz auf den 1.1.2009 vorgelegt. Aus dieser geht hervor,dass das Land einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 58 Mrd. Euro ausweist, wobei aufder Passivseite allein die Rückstellungen für Pensionen etc. mit rund 38,5 Mrd. Euro aufgeführt werden: Vgl.Hessisches Ministerium der Finanzen 2009, S. 78 f.

6 Zu einzelnen Positionen gibt es inzwischen erste Berechnungen, z. B. zu den Pensionslasten der Länder: Vgl.Besendorfer u. a. 2005.

7 Zur Methodik derartiger Berechnungen und Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der kommunalenEbene bis einschließlich des Jahres 2007 vgl. Junkernheinrich/Micosatt 2008, S. 24 ff.

8 Bei der Berechnung der Pro-Kopf-Werte für die Jahre 2000 und 2008 sind nachfolgende Hinweise zu beachten:Für den Bund und die Länder wurde die Gesamtverschuldung durch die Einwohnerzahlen der gesamten Bundes-republik dividiert. Das waren für das Jahr 2000 in der Summe 82.259.540 Einwohner und für Ende 2008 insgesamt82.002.356 Einwohner. Für die Kommunen wurde die Gesamtverschuldung der Kommunen in den dreizehnFlächenländern herangezogen. Diese Werte wurden dann durch deren Bevölkerungszahl (76.501.754 für das Jahr2000 und 76.136.751 für Ende 2008) dividiert.

9 Bei den Zahlen von Ländern und Kommunen handelt es sich um Durchschnittswerte, die je nach Bundesland bzw.Kommune schwanken. Vgl. dazu speziell für die kommunale Ebene Junkernheinrich/Micosatt 2008.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

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Bei den Kommunen lag die Pro-Kopf-Verschuldung zum gleichen Zeitpunkt bei 2.588 Euro. Ausdiesen Zahlen ergibt sich eine Gesamtverschuldung von 21.236 Euro je Einwohner Ende desJahres 2000. Das bedeutet, dass die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Kommunenallein in den vergangenen acht Jahren um 5.598 Euro (26%) je Einwohner angestiegen ist. Indiesen Zahlen sind z. B. Rückstellungen, die nach vernünftigem kaufmännischem Ermessenebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen sind, nicht enthalten. Deren Berücksichtigung wäreaber für ein lückenloses Bild notwendig, was für eine alle Ebenen erfassende Umstellung desHaushalts- und Rechnungswesens unter Abbildung dieser Positionen spricht. Sofern diese Um-stellung gewährleistet ist, kann auch die Statistik auf diese Daten zurückgreifen und dann voll-ständige Informationen zur Verschuldung der öffentlichen Gebietskörperschaften bereitstellen.10

Neues öffentliches Haushalts- und Rechnungswesen undSchuldenbegrenzungsregeln

Von der Kameralistik zur Integrierten Verbundrechnung

Im deutschen öffentlichen Rechnungswesen ist zwischen den kameralen Systemen (KlassischeKameralistik und Erweiterte Kameralistik) und jenen Konzepten, die unterschiedliche Rech-nungsmodule auf Basis der Doppik zu einem Gesamtsystem integrieren (Drei-Komponenten-Rechnung und Integrierte Verbundrechnung – IVR), zu unterscheiden (vgl. Abb. 1). Bei der Er-weiterten Kameralistik bleibt die Einnahmen- und Ausgabenrechnung als führendes System er-halten, wird aber additiv um eine Kosten- und Leistungsrechnung ergänzt (Lüder 2001). Es handeltsich somit um ein aus einer Geldverbrauchs- und einer Ressourcenverbrauchsrechnung beste-hendes System. Die Probleme liegen allerdings darin, dass beide Rechenmodule bisher weitge-hend isoliert nebeneinander stehen und die KLR eine Reihe eigenständiger Zusatzrechnungenerfordert.11 Außerdem kommt sie häufig nicht flächendeckend, sondern nur in „geeigneten Be-reichen“ zur Anwendung und besitzt damit vor allem keine institutionelle Verbindlichkeit.12 Ob,wann, zu welchem Zweck und von wem die Informationen der KLR tatsächlich genutzt werden,stellt sich in diesem System bisher relativ beliebig dar. Von daher ist auch nicht zu erwarten, dasssich unter Beibehaltung der klassischen Kameralistik trotz ergänzender Kosten- und auch Leis-tungsinformationen das bisherige Denken und Handeln in Kategorien von Einnahmen und Aus-gaben grundsätzlich ändert. Hinzu kommen ganz erhebliche Schnittstellen- und Abgrenzungs-probleme der Einzelrechnungen im Rahmen der KLR.

II.

1.

10 Ausführlich zu Problemen der Finanzstatistik, die aus der heutigen Heterogenität von staatlichem und kommu-nalem Haushalts- und Rechnungswesen resultieren: Vgl. Gnädinger/Grieger 2009 a, S. 191 ff.

11 Das Modell der Erweiterten Kameralistik sieht in Reinform die Beibehaltung der Kameralistik vor, allerdingsergänzt um eine flächendeckende Kostenrechnung. Das setzt ebenso eine umfassende Vermögensbewertungvoraus, weshalb die Umstellungskosten auf die Doppik bzw. die Erweiterte Kameralistik nahezu identisch seinsollten. Allerdings verursacht letztere den gleichen Bewertungsaufwand bei einer größeren Fehleranfälligkeit:Vgl. Mühlenkamp/Glöckner2009 a, S. 21.

12 Zu den Regelungen zur Kosten- und Leistungsrechnung auf Ebene von Bund und Ländern vgl. Gnädinger 2009,S. 242.

Deutsche Schuldenbremse

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Klassische Kameralistik• Erfassung von Einnahmen und Ausgaben

• Fokus auf Geldschulden

→ Reines Geldverbrauchskonzept

Erweiterte Kameralistik• Ergänzung der Kameralistik um

Kosten- und Leistungsrechnung/Produkte

→ Additive Ergänzung des Geldverbrauchsum Ressourcenverbrauch

3-Komponentenrechnungauf Basis der Doppik

• Vermögensrechnung• Finanzrechnung

• Ergebnisrechnung• KLR als Ergänzung

→ Integrative Abbildung desvollständigen Ressourcenverbrauchs

Integrierte Verbundrechnungauf Basis der Doppik

• Rechnungslegungsverbund und• Budgetierung / Planungsverbund

→ Integrative Abbildung und Planung desvollständigen Ressourcenverbrauchs

Dominanz der Planung

Dominanz der Planung

Dominanz der Rechnungslegung

Integrierte Planungs- und Istrechnung

Abb. 1: Öffentliche RechnungssystemeQuelle: Budäus/Hilgers (2009)

Die von Lüder als Neues Kommunales Rechnungswesen (NKR) entwickelte Drei-Komponenten-Rechnung basiert auf der Doppik und besteht aus drei integrierten Modulen, die durch ein viertesModul, die KLR, ergänzt werden.13 Dieser Ansatz stellt ein integriertes System von Vermögens-,Finanz- und Ergebnisrechnung dar, wobei die Vermögensrechnung formal das grundlegendeRechnungsmodul ist.14 Das Vermögen sollte in Verwaltungsvermögen und realisierbares Ver-mögen unterteilt werden, wobei dieser auf Lüder zurückgehende Ansatz der Transparenz vonSchuldendeckungspotenzial und zukünftiger strategischer Optionen dient.15

Der Ressourcenverbrauch einer Haushaltsperiode kann mithilfe eines statisch-komparativen Ver-gleichs zwischen zwei Zeitpunkten (Zeitpunktrechnung) ermittelt werden. Eine Vermögensmin-derung bedeutet eine Minderung des Eigenkapitals einer Gebietskörperschaft, eine Vermögens-mehrung bedeutet entsprechend eine Eigenkapitalmehrung (Budäus 2006, S. 187 ff).Das zweite Modul ist die Finanzrechnung. Sie entspricht vereinfacht der klassischen kameralenRechnung und bildet die Einzahlungen bzw. Auszahlungen ab, ist allerdings nicht mehr die füh-rende Rechnung, sondern in das Ressourcenverbrauchskonzept integriert. Sie ist faktisch als Un-terkonto der liquiden Mittel (Kasse und Bankguthaben) in der Vermögensrechnung und als Ka-

13 Die von Lüder vorgeschlagene 3-Komponentenrechnung auf Basis der Doppik umfasste bereits Ansätze zurHaushaltsplanung und Budgetierung und wies damit den Weg zur Integrierten Verbundrechnung gem. Abb. 1.

14 Grundsätzlich zeigt ein positives EK zum Stichtag der Eröffnungsbilanz, wie viel Vermögen nicht über Schulden,sondern durch eigene Mittel im Vorfeld finanziert wurde. Nicht berücksichtigt wird allerdings, dass ein Teil derVermögenswerte niemals durch die Kommune gekauft wurde (z. B. Flüsse, Seen oder Wälder), sondern ander-weitig in den Besitz der Kommune kam: Vgl. Magin 2007.

15 Er wird allerdings bisher ganz überwiegend von Politik und Verwaltungspraxis abgelehnt und weist das Problemder Praktikabilität auf.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

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pitalflussrechnung zu interpretieren. Von daher wird die bisherige kamerale Rechnung durch dieDrei-Komponenten-Rechnung auf Basis der Doppik keineswegs vernachlässigt, geschweige dennausgeklammert, sondern systematisch in das neue Rechnungssystem integriert.16 Denn währenddie Kapitalflussrechnung im kaufmännischen Rechnungswesen indirekt aus der GuV (Ergebnis-rechnung) und der Bilanz abgeleitet wird (indirekte Methode), ist sie in der Drei-Komponenten-Rechnung integraler Bestandteil des Rechnungssystems (Lüder 2001, S. 53 f.). Sie wird laufendgeführt, d. h. alle laufenden Ein- und Auszahlungen während einer Haushaltsperiode werden direktin der Finanzrechnung erfasst (direkte Methode). Sie stellt somit als integriertes Modul des Ge-samtsystems eine systematische und vollständige Dokumentation der Liquiditätsänderungendar.17

Das dritte zentrale Modul ist die Ergebnisrechnung. Sie stellt eine Zeitraumrechnung dar underfasst den Ressourcenverbrauch als Aufwendungen und alle Ressourcenmehrungen als Erträge.Bei den (ordentlichen) Aufwendungen handelt es sich typischerweise um periodisierte Ausgaben,d. h. über die Ergebnisrechnung werden unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung alle Zahlungenjenen Perioden zugerechnet, in denen der Ressourcenverbrauch auch tatsächlich anfällt. Entspre-chend wird bei den Erträgen verfahren. Die Ergebnisrechnung stellt ein Unterkonto des Eigen-kapitalkontos dar. Jeder Aufwand mindert das Eigenkapital, jeder Ertrag erhöht dieses. Von daherzeigt die Ergebnisrechnung auf, durch welche Maßnahmen (Geschäftsvorfälle) in einer Gebiets-körperschaft und den damit verbundenen Aufwendungen und Erträgen sich das Eigenkapitalwährend einer Haushaltsperiode verändert hat. Das Ergebnis setzt sich aus dem ordentlichen unddem außerordentlichen Ergebnis zusammen, wobei das außerordentliche Ergebnis wiederum inrealisiertes außerordentliches Ergebnis und Bewertungsergebnis zu unterteilen ist. Letzteres dientdazu, möglichen Wertschwankungen bei dem realisierbaren Vermögen Rechnung zu tragen undtransparent zu machen. Im Falle eines negativen ordentlichen Ergebnisses (Verlust) bedarf eseiner verbindlichen, transparenten Verfahrensregel, wie dieser Verlust im Zeitablauf auszuglei-chen ist (Einbeziehung des außerordentlichen Ergebnisses, Verlustvortrag, Sanierungskonzept fürdie Folgeperioden).18

Der sich im zeitlichen Ablauf verändernde Saldo der Vermögensrechnung (Differenz der Aktiv-und Passivseite), d. h. die Veränderung des Eigenkapitals und der Saldo der Ergebnisrechnung(Differenz von Aufwendungen und Erträgen) müssen sich in diesem System immer entsprechen.In dieser systematischen doppelten Ergebnisermittlung liegt das Besondere der Doppik bzw. deskaufmännischen Rechnungswesens (Vogelpoth/Poullie 2007, S. 517 ff; Schuster 2007; Raupach/Stangenberg 2009).Die Konsequenzen dieses Ansatzes für die öffentlichen Haushalte sind gravierend. So ist in derVermögensrechnung und in der Ergebnisrechnung auch jener Ressourcenverbrauch auszuweisen,der zwar in einer bestimmten Haushaltsperiode nicht mit Zahlungen verbunden ist, gleichwohl

16 In der Reformpraxis wird die Finanzrechnung allerdings teilweise nicht integriert, sondern als gesonderte Rech-nung geführt, ein Problem, das in der Regel aus der jeweils verwendeten Software resultiert.

17 Dabei bedarf es (wie in der klassischen Kameralistik auch) für die tägliche kassenmäßige Zahlungsfähigkeitzusätzlicher Instrumente der kurzfristigen Liquiditätsplanung. Die Finanzrechnung ist dabei für die Verwal-tungsrationalität von besonderer Bedeutung während die Ergebnisrechnung auch das politische System adres-siert.

18 Zur intergenerativen Ausgestaltung von Stufenkonzepten auf Grundlage der Regeln für die Kommunen in dendreizehn Flächenländern, falls der Haushaltsausgleich nicht gelingt vgl. Beutel/Witte 2008, S. 44 f.

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 185

als Aufwand bzw. Vermögensverbrauch anfällt. Hierzu zählen insbesondere Abschreibungen undPensionsverpflichtungen, die damit auch die auszuweisende Verschuldung beeinflussen. Schul-den beschränken sich nicht mehr auf die Geldschulden (Kapitalmarktschulden), sondern umfassendarüber hinausgehende zukünftige Verbindlichkeiten in Form von Rückstellungen. Als Schuldensind also auch solche Verpflichtungen der öffentlichen Hand auszuweisen, die diese in einer be-stimmten Periode eingegangen ist, ohne dass hierfür klassische Geldschulden durch Aufnahmevon Krediten entstanden sind.19 Das Eigenkapital von Gebietskörperschaften ist bei einer derar-tigen vollständigen Erfassung der tatsächlichen Verschuldung erheblich geringer im Vergleichzur – fälschlicherweise – vorherrschenden Beschränkung der Schulden auf die Geldschulden.Zahlreiche Gebietskörperschaften dürften bei dieser, den tatsächlichen Verhältnissen entspre-chenden Ermittlung der Verschuldung ein negatives Eigenkapital ausweisen,20 ein Sachverhalt,der möglicherweise ganz wesentlich die nach wie vor verbreiteten Vorbehalte gegen ein derartigesRechnungssystem erklärt.21

Inzwischen ist die zunächst auf die ex post Betrachtung ausgerichtete Mehrkomponentenrechnungkonzeptionell zur Integrierten Verbundrechnung (IVR) entwickelt worden. Diese integriert diePlanung (Haushalt/Budgetierung) und die Ist-Rechnung (Rechnungswesen). Beide Ebenen müs-sen sich konzeptionell und inhaltlich entsprechen und miteinander verzahnt sein (Berens u. a.2008). Dies bedeutet, dass der Vermögens-, Finanz- und Ergebnisrechnung als Ist-Rechnung aufder Planungsebene eine Planbilanz,22 ein Finanz- und ein Ergebnishaushalt gegenüber stehenmüssen.23 Der Rechnungsstil ist die Doppik (doppischer Verbund). Die Verknüpfung zwischendem Ergebnishaushalt und der Ergebnisrechnung erfolgt durch die Kosten- und Leistungsrech-nung (Rieder/Schedler 2004; Buchholtz 2001).Die isolierte Betrachtung einer Ebene ist weder sinnvoll noch konzeptionell vertretbar, da in einerGebietskörperschaft im Vergleich zum privaten Unternehmen der Fokus auf der Planung liegt,einschließlich deren Öffentlichkeit. Nur in der Mitwirkung bei der Planung, d. h. bei der Verab-schiedung des Ergebnis- und Finanzhaushalts durch die Legislative, kann sich das Budgetrechtdes Parlaments manifestieren. Dabei wird mit der Ergebnisrechnung durch die Einbeziehung derin der Haushaltsperiode nicht zahlungswirksamen Aufwendungen der systemimmanenten Ten-denz des kameralen Systems zur Ausweitung des Steuerstaates und öffentlicher Verschuldungentgegengewirkt und darüber informiert, inwieweit der intergenerativen Gerechtigkeit Rechnunggetragen wurde. Ist der Haushalt ausgeglichen, d. h. sind die Aufwendungen durch die Erträgeabgedeckt, werden die folgenden Generationen (Perioden) durch die jetzige Generation (Periode)nicht belastet. Dass bei diesem System in der Praxis nicht alle Elemente gleichzeitig implementiert

19 So hat sich bei der Freien und Hansestadt Hamburg der kameral ausgewiesene Schuldenstand (Geldschulden)in Höhe von 24,0 Mrd. Euro mit Umstellung auf die Doppik auf 44,0 Mrd. Euro in der Eröffnungsbilanz zum1.1.2006 fast verdoppelt.

20 Negatives Eigenkapital bedeutet die Ausweisung eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages auf derAktivseite der Bilanz wie ihn z. B. die Stadt Oberhausen in Nordrhein-Westfalen direkt mit der Eröffnungsbi-lanzierung feststellen musste. Ebenso das Bundesland Hessen, das mit der ersten Eröffnungsbilanz eines Flä-chenbundeslandes (zum 1.1.2009) ein negatives Eigenkapital von rund 2/3 der Bilanzsumme ausgewiesen hat.

21 Siehe dazu auch Thieme 2008, S. 433 ff.; Sarrazin 2008, S. 3.22 In den Regelungen zur kommunalen Doppik in den 13 Flächenländern ist bislang keine Planbilanz oder ein

Planvermögenshaushalt vorgesehen.23 Dabei ist der Planvermögensrechnung unter Transparenz- und Steuerungsgesichtpunkten lediglich eine nach-

geordnete Bedeutung beizumessen.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

186 ZögU 33. Jg. 3/2010

werden können, rechtfertigt lediglich eine sukzessive Vorgehensweise und ein entsprechendeskonzeptionelles Vorgehensmodell, nicht aber den Verzicht auf die Festlegung des anzustrebendenGesamtsystems in Form der IVR (vgl. Abb. 2) (Budäus/Hilgers 2009).

Finanzrechnung

Einzahlungen./. Auszahlungen

VerwaltungstätigkeitInvestitionstätigkeitFinanzierungstätigkeit

Veränderung liquider Mittel

BilanzAktiva PassivaAnlageverm ögen „Eigenkapital “

- Sachanlagen - Rücklagen- Jahresergebnis

Sonderposten

Umlaufverm ögen Fremdkapital

- Vorräte - Verbindlichkeiten- Liquide Mittel - Rückstellungen

Ergebnisrechnung

Verwaltungserträge./. Verwaltungsaufwendungen= Verwaltungs -(Betriebs-)ergebnis

Finanzerträge./. Finanzaufwendungen= Finanzergebnis

= ordentliches Ergebnis

a.o. Erträgea.o. Aufwendungen= a.o. Ergebnis

Jahresergebnis

Kostenarten

PersonalkostenSach- und Dienst -leistungskosten

Kosten für Transfer -leistungen

etc.

Kostenstellen

FeuerwacheStandesamt

Schwimmbadetc.

Kostenträger

BauantragFeuerwehreinsatzBürgerberatung

etc.

Einzelkosten

PRODUKT -KATALOG

Bestimmung derProdukte

(Leistungen)der

Verwaltung

Gemein-kosten

Wirkungen

Produkte

Aufwand/Kosten (Ertrag)

REFO

RM

IERTER

S REC

HN

UN

GSW

ESENREFO

RM

IERTER

S HAU

SHALT

SWESEN

Ergebnishaushalt(Geplante Aufwendungen /Geplante Ertr äge)

Planverm ögens-rechnung

geplanter Ertraggeplanter Aufwand

Finanzhaushalt(Geplante Finanzrechnung)

(Zahlungswirksame Erträge/Aufwendungen; Des-/ Investitionen; Aufnahme/Tilgung von Krediten etc.)

geplante Ausgabengeplante Einnahmen

Kostenverrechnung Kostenerfassung

Neue Informationen f ür die PolitikTatsächliche Schulden und Vermögen

Ziele (Outcome)Leistungen (Output/Produkte)RessourcenverbrauchIntergenerative Gerechtigkeit

Für geplante Leistungen/Produkte/ Produkt - und Verantwortungsbereiche

Kosten- und Leistungsrechnung

globale/output-/ressourcenorientierte Budgetierung

- Finanzanlagen

Abb. 2: Integrierte Verbundrechnung (3-Komponentenrechnung + KLR + Planungsebene)Quelle: Eigene Darstellung

Die derzeitigen Bestrebungen in Deutschland zeigen, dass der Reformbedarf für das öffentlicheHaushalts- und Rechnungswesen inzwischen auf allen drei Ebenen des föderalen Systems weit-gehend als notwendig angesehen und akzeptiert wird.24 Auch ist die Entwicklung in Richtung derIVR als doppischer Verbund zumindest in der Fachwelt weitgehend unstrittig. Allerdings hat sichauf staatlicher Ebene neben dem Bund auch die überwiegende Zahl der Länder bisher gegen einen

24 Gleichwohl finden sich immer wieder maßgebende Vertreter, die die klassische Kameralistik für hinreichendgeeignet halten und zum Status quo ex ante zurückehren wollen: Vgl. etwa Thieme (2008), Sarrazin (2008).

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 187

grundlegenden Wechsel des Rechnungssystems entschieden. Auf kommunaler Ebene haben dieBundesländer inzwischen ganz überwiegend die Doppik als zukünftiges Rechnungssystem für dieKommunen gesetzlich festgelegt (vgl. Tab. 1).

Länderebene Kommunalebene

Baden-Württemberg Erweiterte Kameralistik(vollständige Umsetzung seit 2005/06)

Doppik. Umstellung von 2009 bis 2012

Bayern Kameralistik Kameralistik/Doppikoption ab 2007

Berlin Erweiterte Kameralistik

Brandenburg Erweiterte Kameralistik Doppik, Modellprojekte bis 30.9.2007Übergangszeitraum bis 1.1.2012Konsolidierte Bilanz ab 2013

Bremen Doppisches Rechnungswesen wird implementiert. Regelbetrieb geplant ab 2008

Hamburg Doppisches Rechnungswesen seit 2006 eingeführt. Konsolidierung 2007Doppisches Haushaltswesen mit exemplarischer Anwendung in 15 (von 100)

Aufgabenbereichen im Doppelhaushalt 2009/2010. Komplett bis 2013

Hessen Doppisches Rechnungs- und Haushaltswe-sen wird implementiert. Regelbetrieb geplantab 2008

Optionslösung bis 2011 zwischenerweiterter Kameralistik / Doppik

Mecklenburg-Vorpommern Erweiterte Kameralistik Doppik, Umstellung von 2008 bis 2012

Niedersachsen Erweiterte Kameralistik seit 2005 Doppik, Umstellung bis 1.1.2012

Nordrhein-Westfalen Einführung der IVR (Doppisches Haushalts-und Rechnungswesen) vom Kabinett am27.6.2006 beschlossen. Vollständige Um-stellung bis 2015

Doppik, Umstellung seit 1.1.2009

Rheinland-Pfalz Erweiterte Kameralistik seit 2002 Doppik, Umstellung seit 1.1.2009

Saarland Kameralistik Doppik, Umstellung seit 1.1.2009

Sachsen Erweiterte Kameralistik Doppik, ab 2008 bis Ende 2012

Sachsen-Anhalt Kameralistik Doppik, Umstellung bis 1.1.2011

Schleswig-Holstein Erweiterte Kameralistik Optionslösung ab 2007 zwischenerweiterter Kameralistik / Doppik

Thüringen Kameralistik Optionslösung seit 1.1.2009 zwischentraditioneller Kameralistik / Doppik

Tab. 1: Praktizierte Rechnungssysteme in Deutschland [Stand 2009]

Quelle: Eigene Erhebung.

Die kommunale Schuldenbremse

Mit der Empfehlung der Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) hat für die kommu-nale Ebene im Jahr 2003 die Einführung eines am vollständigen Ressourcenverbrauch orientiertenHaushalts- und Rechnungswesens begonnen. Derweil haben alle Landesgesetzgeber der 13 Flä-chenländer diese Anregung aufgegriffen und das in ihrer Zuständigkeit befindliche Haushaltsrechtder Kommunen novelliert. Während in der Mehrzahl der Länder die Einführung des kaufmänni-schen Rechnungswesens als alleiniges System vorgegeben ist, gibt es in Hessen und Schleswig-Holstein für die dortigen Kommunen ein Wahlrecht zwischen Etablierung der Erweiterten Ka-meralistik (Kameralistik inklusive flächendeckender Kostenrechnung) und Einführung der Dop-pik. Bayern und Thüringen haben sich nicht an die IMK-Empfehlungen gehalten. Beide lassenweiterhin neben der Doppik auch die Kameralistik zu. Daneben unterscheiden sich gegenwärtig

2.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

188 ZögU 33. Jg. 3/2010

die Umstellungsfristen zur Erneuerung der Haushaltswirtschaft zwischen den einzelnen Ländern(Vgl. Tab. 1).25

Mit Etablierung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens wird eine ausführlichere Betrach-tung der Haushaltsinformationen möglich. Das betrifft auch die Überlegungen zur Verschuldung.Mit der Doppik erweitert sich der Schuldenbegriff. So findet sich z. B. in § 52 der Kommunal-haushaltsverordnung des Saarlands eine kurze und gleichsam präzise Definition von Schulden.Hier wird der Terminus Schulden mit „Verbindlichkeiten und Rückstellungen für ungewisseVerbindlichkeiten“ erklärt. Verbindlichkeiten sind als Verpflichtungen gegenüber Dritten defi-niert, die dem Grunde und der Höhe nach feststehen. Bei Rückstellungen handelt es sich hingegenum ungewisse Verbindlichkeiten, die im Haushaltsjahr wirtschaftlich verursacht werden und derFälligkeit bzw. der Höhe nach ungewiss sind. Im kameralen Haushaltsrecht blieben Rückstellun-gen unberücksichtigt. Gleichzeitig werden in einem doppischen System mit Aufstellung einesGesamtabschlusses künftig Schulden des Kernhaushaltes und der ausgelagerten Organisations-einheiten einsehbar, womit sich das Schuldenbild abermals erweitert.

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Mit Etablierung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens wird eine ausführlichere Be-

trachtung der Haushaltsinformationen möglich. Das betrifft auch die Überlegungen zur Ver-

schuldung. Mit der Doppik erweitert sich der Schuldenbegriff. So findet sich z.B. in § 52 der

Kommunalhaushaltsverordnung des Saarlands eine kurze und gleichsam präzise Definition

von Schulden. Hier wird der Terminus Schulden mit „Verbindlichkeiten und Rückstellungen

für ungewisse Verbindlichkeiten“ erklärt. Verbindlichkeiten sind als Verpflichtungen gegen-

über Dritten definiert, die dem Grunde und der Höhe nach feststehen. Bei Rückstellungen

handelt es sich hingegen um ungewisse Verbindlichkeiten, die im Haushaltsjahr wirtschaftlich

verursacht werden und der Fälligkeit bzw. der Höhe nach ungewiss sind. Im kameralen Haus-

haltsrecht blieben Rückstellungen unberücksichtigt. Gleichzeitig werden in einem doppischen

System mit Aufstellung eines Gesamtabschlusses künftig Schulden des Kernhaushaltes und

der ausgelagerten Organisationseinheiten einsehbar, womit sich das Schuldenbild abermals

erweitert.

Abbildung 3: Verschuldung im doppischen System

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Beutel, R. C. u.a. (2009).

2.3 | Flexible Schuldenbremse durch Haushaltsausgleichregelung auf kommu-naler Ebene Eine explizit als Schuldenbremse titulierte Regelung gibt es auf kommunaler Ebene heute

nicht. Gleichwohl gibt es auch bei Gemeinden und Gemeindeverbänden Rechtsregelungen,

die einer grenzenlosen Verschuldung entgegenstehen. Die neuen doppischen Regelungen zum

Haushaltsausgleich wirken hier wie eine flexible Schranke zur Schuldenbegrenzung. Die fi-

Kommunale Schulden

Verbindlichkeiten

Rückstellungen

Schulden Auslagerungen

Schulden Kernhaushalt

Kredite

Liquiditätskredite

… für Investitionen

… für Investitionsförderungs-maßnahmen

… zur Umschuldung

Abb. 3: Verschuldung im doppischen SystemQuelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Beutel u. a. (2009).

Flexible Schuldenbremse durch Haushaltsausgleichregelung auf kommunaler Ebene

Eine explizit als Schuldenbremse titulierte Regelung gibt es auf kommunaler Ebene heute nicht.Gleichwohl gibt es auch bei Gemeinden und Gemeindeverbänden Rechtsregelungen, die einergrenzenlosen Verschuldung entgegenstehen. Die neuen doppischen Regelungen zum Haushalts-ausgleich wirken hier wie eine flexible Schranke zur Schuldenbegrenzung. Die finanzwissen-

3.

25 Zu den etablierten Systemen und Umstellungsfristen im Detail vgl. Beutel u. a. 2009.

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 189

schaftliche Schutzfunktion26 erlangt hierbei eine zentrale Rolle. Ein Teilziel dieser Budgetfunk-tion ist der Schutz kommender Generationen vor Ausbeutung durch die jetzige Generation (in-tergenerative Gerechtigkeit). Die Verwirklichung dieses Leitbildes wird in der kommunalen dop-pischen Haushaltswirtschaft zur Aufgabe des Ergebnisausgleiches. Hier wird mit Erträgen undAufwendungen gerechnet, wobei das Ziel der intergenerativen Gerechtigkeit auf die einzelneHaushaltsperiode transformiert und damit zur interperiodischen Gerechtigkeit „weiterentwickelt“wird. Nach sich durchsetzender Einschätzung27 ist der interperiodische Gerechtigkeitsanspruchbewirkt, wenn die ordentlichen Erträge einer Periode zur Deckung der ordentlichen Aufwendun-gen ausreichen, wobei Erträge aus der Veräußerung von Vermögen (Realisierung stiller Reserven)unberücksichtigt bleiben.28 Auch wenn heute nicht alle Länder Regelungen erarbeitet haben, diediesem Anspruch vollends genügen, so beziehen zumindest alle29 die Ergebnisebene bei ihrenRegelungen mit ein.

Land Ausgleich ordentli-ches Ergebnis

Ausgleichaußerordentliches Ergebnis

Ausgleich Gesamt-saldo*

Ausgleich Finanz-haushalt

Baden-Württemberg, Sachsen Vorgesehen - – - - – - - – -

Brandenburg,Sachsen-Anhalt Vorgesehen Vorgesehen - – - - – -

Schleswig-Holstein - – - - – - Vorgesehen

Bayern, Mecklenburg-Vorpom-mern, Nordrhein-Westfalen,Rheinland-Pfalz, Saarland, Thü-ringen

- – - - – - Vorgesehen Vor-gesehen

Niedersachsen Vorgesehen Vorgesehen - – - Vor-gesehen

Hessen Vorgesehen - – - - – - Vor-gesehen

Tab. 2: Haushaltsausgleichsregelungen nach Ländern * Keine Unterscheidung in ordentlichesund außerordentliches Ergebnis

Quelle: In Anlehnung an Glöckner u. a. (2008), S. 6.

Auf den ersten Blick spielt die Aufnahme von Investitions- oder Liquiditätskrediten für den aufder Ergebnisebene angestrebten Haushaltsausgleich zwar keine direkte Rolle. Kredite werdenausschließlich auf der Finanz- sowie Vermögensebene relevant. Gleichwohl kommt es auf denzweiten Blick sehr wohl zu einer indirekten Begrenzung der Verbindlichkeiten. Da der ordentlicheErgebnisausgleich erreicht werden muss, ist eine Kreditaufnahme nur so lange möglich, bis diedaraus resultierenden Zinsaufwendungen gerade noch durch Erträge gedeckt werden können.Damit ergibt sich eine flexible Grenze für die Kreditaufnahme, die mit dem Prinzip der Perio-dengerechtigkeit in Einklang steht. Rückstellungen, als weitere Verschuldungsart neben den Ver-bindlichkeiten werden ebenfalls für die Ergebnisebene relevant. Sie werden als Aufwand verbuchtund müssen entsprechend durch Erträge für das Erreichen des Haushaltsausgleiches gedeckt wer-den.

26 Zur Bedeutung der Schutzfunktion: Vgl. exemplarisch Budäus 2009, S. 16.27 Vgl. exemplarisch Mühlenkamp/Glöckner 2009, Kapitel 3 und Budäus 2009, S. 16.28 In Abweichung zu den anderen zwölf Flächenländern werden in Nordrhein-Westfalen Erträge aus Vermögens-

veräußerungen im ordentlichen Ergebnis und nicht im außerordentlichen Ergebnis erfasst.29 Je nach Regelung des Haushaltsausgleiches verändert sich die Möglichkeit zur Aufnahme von Verbindlichkeiten

der Höhe nach. Zu den etablierten Regeln im Detail: Vgl. Glöckner u. a. 2008, S. 4 ff.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

190 ZögU 33. Jg. 3/2010

Zusätzliche Schranken für Investitions- und Liquiditätskredite auf kommunaler Ebene

Obwohl auf kommunaler Ebene mit Einführung der Doppik in Kombination mit dem ordentlichenErgebnisausgleich eine alle Schuldenarten berücksichtigende Schuldenbremse geschaffen wurde,gibt es darüber hinaus weitere Schranken für Investitions- und Liquiditätskredite des Kernhaus-haltes. Investitionskredite sind ein Zweig der Verbindlichkeiten, der sich von anderen Verbind-lichkeiten (z. B. aus Lieferungen und Leistungen) eindeutig abgrenzen lässt. Es handelt sich beidiesen Krediten um das unter der Verpflichtung zur Rückzahlung von Dritten oder von Sonder-vermögen aufgenommene Kapital. Daneben sind Kredite in ihrem Verwendungszweck definiert.Hiernach wird für Kredite bestimmt, dass sie nur für Investitionen, Investitionsförderungsmaß-nahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden dürfen. Einige Länder, namentlich Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein30, nehmen zu-sätzlich eine negative Definition vor, indem sie Liquiditätskredite bewusst von den Krediten ab-grenzen.31

Grundsätzlich können sich Kommunen in hohem Maße durch Investitionskredite verschulden.Ein rigoroses Verbot der Kreditaufnahme, wie für die staatliche Ebene vorgesehen, gibt es für dieKommunen nicht. Gleichwohl ist bei denjenigen Fällen, bei denen die Leistungsfähigkeit derKommune gefährdet ist, mit Restriktionen durch die Kommunalaufsicht zu rechnen. So bedarfder Gesamtbetrag der Kreditaufnahme im Rahmen der Haushaltssatzung der Genehmigung derKommunalaufsicht (Gesamtgenehmigung). An diese Bewilligung sind Bedingungen geknüpft:Die Zustimmung ist unter dem Gesichtspunkt einer geordneten Haushaltswirtschaft zu erteilenund kann versagt werden, wenn die Kreditverpflichtungen mit der dauernden Leistungsfähigkeitder Kommune nicht in Einklang stehen. Die Termini „geordnete Haushaltswirtschaft“ und „dau-ernde Leistungsfähigkeit“ können unter Beachtung der Schutzfunktion konkret nur bedeuten, dasseine permanente Verfehlung des ordentlichen Ergebnisausgleiches und damit eine Reduktion desEigenkapitals nicht legitim sind. Neben der Gesamtgenehmigung kennen die Rechtsregelungendas Institut der Einzelgenehmigung. In allen Ländern bedarf die Aufnahme einzelner Kredite derGenehmigung, sobald nach § 19 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstumsder Wirtschaft (StabG) die Kreditaufnahmen beschränkt wurden. Die Vorschrift besagt, dass zurAbwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die Bundesregierung durchRechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen kann, „dass die Beschaffung vonGeldmitteln im Wege des Kredits im Rahmen der in den Haushaltsgesetzen oder Haushaltssat-zungen ausgewiesenen Kreditermächtigungen durch den Bund, die Länder, die Gemeinden undGemeindeverbände sowie die öffentlichen Sondervermögen und Zweckverbände beschränktwird.“Neben Beschränkungen zur Investitionskreditaufnahme sieht das kommunale Haushaltsrechtauch separate Schranken bei den Liquiditätskrediten vor. In nahezu allen Ländern dürfen dieKommunen Liquiditätskredite nur bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag

4.

30 Vgl. § 61 Gemeindehaushaltsverordnung (Entwurf Baden-Württemberg), § 98 KommunalhaushaltsverordnungDoppik Bayern, § 2 Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung Brandenburg, § 58 Gemeindehaushaltsver-ordnung Doppik Hessen, § 59 Kommunalhaushaltsverordnung Doppik Sachsen (Arbeitsentwurf), § 59 Gemein-dehaushaltsverordnung Doppik Schleswig-Holstein.

31 Vgl. zu den Schuldengrenzen der Kommunen im Detail: Gnädinger/Grieger 2009.

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 191

aufnehmen. Weiterhin dürfen sie nur dann bis zu dieser Höhe aufgenommen werden, wenn keineanderen Mittel zur Verfügung stehen. Im Kern ist die Beschränkung der Liquiditätskredite durchdie Festlegung in der Haushaltssatzung nur eine sehr schwache Schranke. Letztendlich hängt dieEntscheidung zur Formulierung des Höchstbetrages von der Entscheidung der Verantwortlichenvor Ort in den Kommunen selbst ab. Als weitergehende Schranke sehen einige Länder eine Ge-nehmigung der Rechts- bzw. Kommunalaufsichtsbehörde vor, wenn der Höchstbetrag der Liqui-ditätskredite gewisse Grenzen übersteigt. Die Grenzen bzw. ihre Bemessung unterscheiden sichallerdings zwischen den einzelnen Ländern. Sie knüpfen teils am Volumen der Liquiditätskredite,am Ergebnishaushalt oder in anderen Ländern am anteiligen Volumen am Finanzhaushalt an32.

Schuldenbegrenzung auf staatlicher Ebene

Staatliche Schuldenbremse

Die Unwirksamkeit der bislang gültigen Staatschuldenbremse nach Artikel 109 GG a. F. in Ver-bindung mit Artikel 115 GG a. F. und die zugehörigen Gründe für diese Untauglichkeit sind bereitshinreichend dargestellt worden, so dass an dieser Stelle nur skizzenhaft die wesentlichsten Ursa-chen dargelegt werden sollen.33 Der faktische Schuldenstand von Bund und Ländern ist in ersterAnnäherung Beweis genug, dass die etablierte Schuldenbremse ein Anwachsen der Staatsver-schuldung zumindest nicht verhindern konnte. Die bisher bestehende Regelung einer Schulden-bremse hat besagt, dass sofern keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes fest-gestellt worden ist, für die staatliche Ebene eine Begrenzung der Kreditaufnahme auf die Höheder Investitionen bestanden hat. Im Zentrum der Debatte um diese Verschuldungsbegrenzung hatinsbesondere immer wieder die etwaige Schwäche des Investitionsbegriffes gestanden, der allein der Bundes- oder jeweiligen Landeshaushaltsordnung34 unter diesem Begriff zusammenge-fassten Ausgaben umfasst hat.35 Desinvestitionen und Abschreibungen sind im Sinne dieser Ab-grenzung in keinster Weise berücksichtigt worden. Auf Grundlage des praktizierten kameralisti-schen Haushalts- und Rechnungswesens auf Bundesebene und in der Mehrzahl der Länder ist diesauch technisch nicht möglich gewesen. Das Vermögen ist unvollständig bzw. gar nicht bewertetund folglich gibt es auch keine Rationalität, den Ressourcenverbrauch z. B. durch Abschreibungenzu erfassen.Bei Feststellung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes konnte nach der altenRegelung die Kreditaufnahme auch über das Niveau der Investitionen hinaus erhöht werden. Derhinter dieser Regelung stehende Wunsch, die Haushaltspolitik im Sinne einer antizyklischenKonjunkturbeeinflussung in den Dienst der Wirtschaftspolitik zu stellen, ist allerdings nur inGrenzen realisiert worden. Zwar wurde tatsächlich bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen

III.

1.

32 Vgl. Gnädinger/Grieger (2009).33 Eine kurze und prägnante Auflistung wesentlicher Gründe findet sich z. B. im Bericht des LRH Hamburg zur

Haushaltslage des Stadtstaates 2008: Vgl. Rechnungshof Freie und Hansestadt Hamburg (2008), S. 22 f. Einewissenschaftliche Auseinandersetzung mit der bestehenden Schuldenbremse und einzelnen Modellen einer er-neuerten staatlichen Schuldenbremse findet sich z. B. bei Scheller 2007, S. 67 ff.

34 Vgl. exemplarisch für den Bund § 13 (3) Bundeshaushaltsordnung, sowie Lenk/Kuntze (2010).35 Vgl. zum grundsätzlichen Problem der institutionellen Regelungen ohne Sanktionsmöglichkeiten Finger (2001).

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

192 ZögU 33. Jg. 3/2010

Gleichgewichtes die Verschuldung von Bund und Ländern als Finanzierungsinstrument für aus-gabenwirksame Programme eingesetzt. Gleichzeitig ist die Schuldenlast aber nicht, wie in deridealtypischen Lehrbuchvorstellung, in wirtschaftlich guten Jahren wieder abgetragen worden.Auch in Jahren, in denen die Wirtschaft prosperierte durften weiter Kredite bis zur Höhe derInvestitionsausgaben aufgenommen werden. Eine gesetzliche Tilgungspflicht hat es nach Artikel109 GG a. F. in Verbindung mit Artikel 115 GG a. F. nicht gegeben.

Kritik an der neuen Schuldenbremse für Bund und Länder

Auf Initiative der Föderalismuskommission II (Kommission von Bundestag und Bundesrat mitdem Titel „Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“) ist am29. Mai 2009 eine neue Schuldenbremse im Grundgesetz verankert worden,36 womit die alteSchuldenbegrenzungsregel ihre Gültigkeit verliert. Inhaltlich zielt die neue Vorschrift auf eineBegrenzung der Neuverschuldung, nicht auf ein Abtragen der bereits angehäuften Schulden ab.Das Zustandekommen der als politischem Kompromiss zu charakterisierenden Regelung warwohl vor allem deshalb möglich, weil die Verschuldungsproblematik unter dem Eindruck derFinanz- und Wirtschaftskrise an Brisanz zugenommen hat. Wichtige Inhalte der neuen Schul-denbremse37 sind:● Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten aus-

zugleichen, wobei für den Bund eine strukturelle Verschuldung von bis zu 0,35 Prozent desBIP zulässig bleibt. Die Regeln gelten für den Bund ab dem Jahr 2016, für die Länder ab demJahr 2020.

● Als Ausnahme von der Verschuldungsregel ist eine höhere Verschuldung bei Naturkatastro-phen und Notsituationen (wie z. B. die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise) zulässig. Indiesem Fall sind allerdings Regeln für die Tilgung festzulegen.

● Als konjunkturelle Komponente ist im Abschwung eine Kreditaufnahme in Grenzen zulässig,die im Aufschwung wieder zu tilgen ist.

Vor und nach Verabschiedung der neuen staatlichen Schuldenbremse war ihre Ausgestaltungumstritten. Heute konzentriert sich die Kritik an der neu geschaffenen Schuldenbremse vorrangigauf die verteilungspolitischen Wirkungen, z. B. eine etwaige Reduktion der Finanzmittel für dieKommunen als landespolitische Reaktion auf das einzuhaltende Schuldenverbot auf Landesebene.Neben den verteilungspolitisch begründeten Kritikpunkten wird daneben insbesondere über dieZulässigkeit der staatlichen Schuldenbremse unter dem Blickpunkt der grundgesetzlich manifes-tierten Haushaltsautonomie diskutiert.38 Hier regelt Artikel 109 (1) GG, dass der Bund und die

2.

36 Vgl. BR-Drs. 510/09.37 Zu den Inhalten siehe insb. das Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 GG: Vgl. BT-Drs 16/12400, S. 6 f. und

S. 19 ff.38 Zu den Ansichten der Oppositionsfraktionen im Hinblick auf das Gesetz zur Schuldenbremse: Vgl. BT-Drs.

16/13231, BT-Drs. 16/13230, BT-Drs. 16/13232.

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 193

Länder in ihrer Haushaltswirtschaft voneinander unabhängig sind, was nicht grundsätzlich39 inEinklang mit der neuen staatlichen Schuldenbremse steht. Abgesehen von den verteilungspoliti-schen und rechtlichen Bedenken, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll,sprechen insbesondere auch ökonomische Argumente für eine Weiterentwicklung der etabliertenSchuldenbremse.Denn im kameralistischen Haushalts- und Rechnungswesen von Bund und Ländern werden nurEinnahmen und Ausgaben erfasst. Rückstellungen, z. B. für Pensionsverpflichtungen gegenüberaktiven Beamten40 oder Abschreibungen bleiben weitgehend unberücksichtigt. Dieser Mangelkann nur dann behoben werden, wenn die öffentliche Haushaltswirtschaft von der Kameralistikauf ein am vollständigen Ressourcenverbrauch orientiertes System umgestellt wird. Die Unzu-länglichkeit des heutigen Haushalts- und Rechnungswesens führt hingegen dazu, dass wesentliche„Schuldenarten“ von dem neu etablierten Schuldenverbot überhaupt nicht erfasst werden kön-nen.41 Es handelt sich somit um ein unechtes (da unvollständiges) Schuldenverbot. Die implizitenSchulden, die sich bspw. aus den Pensionsansprüchen der aktiven Beamten ergeben und die eineBildung von Rückstellungen nach kaufmännischer Rationalität erfordern, werden nicht im Rah-men des Schuldenverbotes berücksichtigt, da sie in der gegenwärtigen Haushaltswirtschaft desBundes (und der meisten Länder) gar nicht erfasst werden. Prekär daran ist, dass mit Ausblendungeinzelner bedeutsamer Schuldenarten ein Anreiz zur Nutzung von Umgehungsstrategien verstärktwird: Finanzielle Belastungen kommender Generationen (schuldenfinanzierte Investitionen) kön-nen zwar künftig nur noch im Rahmen der bestehenden Verschuldungsregel beschlossen werden.Gleiches gilt für andere Schuldenarten aber nicht. Denkbar ist z. B. auf der Landesebene dieForderung nach dem Einsatz zusätzlicher Lehrer oder Polizisten, für deren berechtigte Pensions-ansprüche keine Rückstellungen gebildet werden. Eine Pflicht zum Ausgleich dieser Aufwands-positionen durch Erträge gibt es heute nicht. Das bestehende Haushalts- und Rechnungswesenbildet diese Aufwandspositionen nicht ab42.Dass ein derartiges Vorgehen Eingang in die politische Debatte gefunden hat, zeigt die Bericht-erstattung zu den Koalitionsgesprächen auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 2009. Hierist nach Medienberichten diskutiert worden, ob Ausgaben nebst zugehörigen Krediten in ein Son-dervermögen ausgelagert werden sollen43.44 Damit sollen im Kernhaushalt Spielräume geschaffen

39 Siehe dazu exemplarisch die anvisierte Klage des schleswig-holsteinischen Landtages beim Bundesverfas-sungsgericht. Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP in Schleswig-Holstein wird diese Klage gegen die Schul-denbremse angekündigt: „Sobald wir ein Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung verankert haben,wird die vorbereitete Klage des Landtages gegen die Schuldenregel im Grundgesetz eingereicht werden, um denEingriff des Bundes in die Haushaltshoheit des Landes abzuwehren.“: CDU Schleswig-Holstein/FDP Schleswig-Holstein (2009), S. 3 und vgl. weiterhin BT-Drs. 16/13221, S. 6.

40 Vgl. exemplarisch zur Bedeutung der Pensionslasten für die Länder: Besendorfer/Puiong Dang/Raffelhüschen2005.

41 So sinngemäß auch Hausner und Simon, die bemängeln, dass mit der Schuldenbremse ausschließlich die ex-plizite Staatsschuld erfasst wird: Vgl. Hausner/Simon 2009, S. 271.

42 Vgl. Fischer/Gnädinger (2009).43 Vgl. Hulverscheidt (2009).44 Grundsätzlich hat es die Bildung derartiger Sondervermögen bereits in der jüngsten Vergangenheit immer wieder

gegeben, z. B. mit dem Investitions- und Tilgungsfonds oder dem Sondervermögen SoFFin zur Bankenrettung.Insofern sind derartige Schattenhaushalte keine „neue Erfindung“.

Marc Gnädinger und Dennis Hilgers

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werden, ohne in Konflikt mit der neu geschaffenen Staatsschuldenbremse zu kommen.45 Zwarkann mit der beschlossenen Streichung des bisherigen Artikels 115 (2) GG die Schuldenregelnicht mehr durch die Einrichtung von Sondervermögen46 überschritten werden, aber die restlichenausgelagerten Kreditschulden bzw. die Möglichkeiten ihrer künftigen Erhöhung sind von demSchuldenverbot nicht betroffen. Die neue Regel soll daneben erst ab dem Jahr 2011 gelten.Selbst mit der neuen Regelung wird aber der Anreiz zur „Flucht aus dem Budget“ und damit zurweiteren Fragmentierung der Staatshaushalte nicht vollends beseitigt. So nimmt Art. 115 (2) GGn. F. „finanzielle Transaktionen“ von der Schuldenbremse explizit aus.47 Dies bedeutet u. a., dassBund und Länder durch die Verselbständigung von Einrichtungen/Gründung öffentlicher Unter-nehmen die Schuldenbremse umgehen können, was (selbstständige) öffentliche Unternehmen inZukunft deutlich attraktiver machen könnte. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit der Einrichtungspezifischer Formen von Public-Private-Partnerships (PPP).Neben den beschriebenen Verzerrungen und möglichen Umgehungsstrategien sind auf Grundlageder neuen staatlichen Schuldenbremse weiterhin Verstöße gegen das Grundprinzip der interge-nerativen Gerechtigkeit zu erwarten. 48 Eine generationengerechte Haushaltspolitik im Sinne desAusgleichs des ordentlichen Ergebnisses49 wird durch die Neuregelung nicht zwangsläufig er-reicht. Wesentliche Aufwandpositionen werden nicht durch das kamerale Haushalts- und Rech-nungswesen erfasst. Dazu zählen neben den Rückstellungen insbesondere auch Abschreibungen.Weiterhin gibt es keine Regel, die den vollständigen Ausgleich der Aufwendungen durch Erträge,z. B. in Gestalt einer in diese Richtung überarbeiteten Haushaltsausgleichsregelung, einfordert.Bei einem derart gestalteten System ist es sogar denkbar, dass bei einem negativen Cashflow (inAbhängigkeit der Netto-Investitionszuschüsse) Desinvestitionen die Investitionen übersteigenmüssten, damit der Zahlungsausgleichsregelung Genüge getan wird (Lüder 2009, S. 573).

Genereller Fortentwicklungsbedarf

Mit Einführung der Doppik ist grundsätzlich eine alle Schuldenarten umfassende Schuldenbremseunter Berücksichtigung der Periodengerechtigkeitsprämisse etablierbar. Die Kommunen sind mitihren Regelwerken hier Vorreiter im föderalen System, weshalb eine Fortentwicklung des Re-gelwerkes mit Gültigkeit für Bund, Länder und Kommunen auf Basis des kommunalen Haus-

IV.

45 Mittlerweile wurden die politischen Pläne zur Bildung des Schattenhaushaltes – wohl aus verfassungsrechtlichenBedenken, die mit der bis 2010 gültigen alten Schuldenbremse nach Artikel 115 GG zusammenhängen – kor-rigiert. Nach dieser alten Regel dürfen zwar in Krisenzeiten bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts Schulden, die über dem Niveau der Investitionsausgaben liegen, aufgenommen werden. Aller-dings muss die Regierung dann begründen, dass die zusätzlichen Schulden helfen, die Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts zu beseitigen. Das wäre bei dem geplanten Schattenhaushalt kaum zu begründengewesen, weil die Gelder für die Arbeitslosenversicherung und die Krankenkassen erst in den kommenden Jahresgeflossen wären: Vgl. dazu die Berichterstattung von Sievers (2009). Zu den jetzigen Planungen der neuenBundesregierung im Kontext der Aufstellung eines Sondervermögens vgl. CDU Deutschland u. a. (2009), S. 12.

46 Zur Definition des Terminus Sondervermögen vgl. Staneder 2004, S. 376 ff.47 Vgl. näher § 3 des Ausführungsgesetzes zu Art. 115 GG sowie Tappe 2009, S. 881-890.48 Hier ist insbesondere die in der ökonomischen Schutzfunktion aufgehende Forderung angesprochen, dass die

heutige Generation nicht auf Kosten der kommenden Generationen haushalten soll.49 Auf das Prinzip des ordentlichen Ergebnisausgleiches in Verbindung mit der Debatte um die Generationenge-

rechtigkeit wird im Detail in den Teilen 3.2 und 3.3 eingegangen.

Deutsche Schuldenbremse

ZögU 33. Jg. 3/2010 195

haltsrechts als zweckmäßig erscheint. Diese Weiterentwicklung ist notwendig, weil auch diekommunalen Regelungen Schwachstellen aufweisen, die der Korrektur bedürfen – auch die Dop-pik in Kombination mit einem institutionalisierten, ordentlichen Ergebnisausgleich ist kein Garantdafür, dass die heutige Politikergeneration Entscheidungen mit nachteiligen Auswirkungen aufdie finanziellen Möglichkeiten kommender Generationen trifft. Daher ist eine sinnvolle Schul-denbremse auch in einem doppischen System von Relevanz, wobei hier unter Installation bzw.Beibehaltung des ordentlichen Ergebnisausgleiches zwischen verschiedenen Schuldenarten zudifferenzieren sein wird.

Schuldenart Entwurf einer geeigneten Schuldenbremse (getrennt nach Schuldenarten)

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Rückstellungen werden für künftige Verpflichtungen gebildet, deren Höhe ungewiss ist. Mit einer Regel zum ordentlichenErgebnisausgleich ist gesichert, dass ihnen Erträge gegenüberstehen. Das heißt allerdings noch nicht notwendigerweise,dass die Verpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit bedient werden können. Dazu reicht es nicht aus, dass auf derAktivseite der Bilanz den Rückstellungen Vermögen gegenübersteht. Das Vermögen ist zum Teil unveräußerbar.Eine künftige Schuldenbremse könnte hier so aussehen, dass ein angemessener Kapitalstock von liquiden Mitteln oderleicht veräußerbaren Vermögenswerten auf der Aktivseite anzusparen ist, z. B. in Gestalt einer „Kapitalversicherung fürBeamte.“ Damit sollen liquide Mittel zur Bedienung der Pensionsverpflichtungen der Verfügungsgewalt der Politik ent-zogen werden, d. h. die Parlamentarier oder Räte können diese Mittel nicht erfolgsneutral im Rahmen eines Aktivtauschesin unveräußerbares Vermögen umwandeln.

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Im doppischen System spielen Investitions- und Liquiditätskredite für einen auf der Ergebnisebene angestrebten Haus-haltsausgleich keine direkte Rolle. Einzig die daraus resultierenden Zinsaufwendungen und die im Rahmen des Schul-denmanagements anfallenden anteiligen Personal- und Sachaufwendungen fließen in die Ergebnisebene des aktuellenHaushaltes ein. Unbestritten bleibt aber, dass schuldenfinanzierte (Investitions-)Maßnahmen über Zins und Abschreibungneben dem aktuellen Haushalt auch kommende Ergebnishaushalte und -rechnungen belasten. Daher ist eine Begrenzungdieser Schuldenart auch im doppischen System sinnvoll. Das ist durch die Regel zum ordentlichen Ergebnisausgleichgewährleistet.Darüber hinaus ist eine Erlaubnis zur Aufnahme von Investitionskrediten bei denjenigen Fällen denkbar, in denen dieErträge aus der damit getätigten Investition den mit der Investition und der Kreditaufnahme erzeugten Folgeaufwandübersteigen. Bei diesen Fällen müsste bei politischer Beschlussfassung eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zwingend vorge-legt werden.

Tab. 3: Entwurf einer doppischen Schuldenbremse nach Schuldenarten

Quelle: Eigene Darstellung

Neben der Begrenzung der Aufnahme einzelner Schuldenarten im Sinne des Periodengerechtig-keitsgrundsatzes steht im Kontext einer Schuldenbremse insbesondere auch die Frage nach demEinsatz des Verschuldungsinstruments zwecks antizyklischer Konjunktursteuerung. Eine grund-sätzliche Zulassung von Investitionskreditaufnahmen zur Abfederung von Wirtschaftskrisen odersonstigen Notsituationen unter Berücksichtigung des Generationengerechtigkeitsleitbildes istnicht trivial. Generell ist eine antizyklische öffentliche Investitionspolitik zur Abfederung vonKrisen sinnvoll. Fest steht, dass Krisen in jedem Fall nicht von ungeborenen Kindern erzeugtwerden. Insofern müssen in einem intergenerativ gerechten System im Sinne des Verursacher-prinzips der heutigen Generation die „Kosten“ einer Krise angelastet werden. Hierfür ist es not-wendig, sich die Folgen einer Krise auf die öffentlichen Finanzen zu vergegenwärtigen. Vorrangigsind hier Wirtschaftskrisen angesprochen, wobei durchaus auch andere Szenarien denkbar sind:Ein Beispiel ist hier die Zerstörung von Vermögen, z. B. durch Naturkatastrophen wie Hochwas-ser, Sturmschäden an Waldbeständen etc. Größtenteils sind diese Krisen lokal begrenzt. Wirt-schaftskrisen tangieren indes die öffentlichen Haushalte meist flächendeckend. In der Regel ver-laufen diese alle nach dem gleichen Muster, wenngleich sich die Intensität unterscheidet: Dieordentlichen Erträge (z. B. Steuern) sinken während die Aufwendungen (z. B. Sozialaufwendun-

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gen als Folge der zunehmenden Arbeitslosigkeit)50 steigen, womit der Ergebnisausgleich er-schwert wird. Gleichzeitig wird von Staat und Kommunen erwartet, dass die öffentlichen Inves-titionen erhöht werden. Hier wird die Schwäche einer rein am ordentlichen Ergebnisausgleichorientierten Schuldenbremse deutlich.51 Bei strenger Auslegung dieses Prinzips würde sie sogarzyklisch und nicht antizyklisch wirken, weil in Zeiten geringer Erträge und hoher Aufwendungender Spielraum für Zinsaufwendungen schwindet. Daher bedarf es hier einer Korrektur.Da die Erhöhung von Steuern oder die Reduzierung von Aufwand in Zeiten einer Krise diese nochverstärken kann, ist ein anderes Vorgehen notwendig. Die Lösung kann nur darin bestehen, dassin wirtschaftlich guten Jahren Überschüsse im ordentlichen Ergebnis realisiert werden müssen.In Zeiten der Krise kann dieses Eigenkapital dann wieder aufgezehrt werden.52 Ein analogesErgebnis wird erzielt, wenn für wirtschaftlich gute Jahre den Gebietskörperschaften eine Pflichtzur Bildung von so genannten Krisenrückstellungen auferlegt wird, die durch ordentliche Erträgezu decken sind. Auf der Aktivseite der Bilanz wäre in Höhe dieser Rückstellungen Finanzver-mögen aufzubauen, auf das die Politik in wirtschaftlichen Normalzeiten keinen Zugriff hat. ImFall einer Krise kann dieses Vermögen dann zu Gunsten von Investitionen im Rahmen einesAktivtausches aufgelöst werden. Es kann antizyklisch investiert werden.53 Mit einer derartigenRegelung wäre sowohl der Wunsch nach periodengerechter Haushaltspolitik, als auch der An-spruch erfüllt, die Haushaltspolitik in den Dienst der Wirtschaftspolitik zu stellen. Eine derartigeRegel wäre zugegebenermaßen ein spektakuläres Novum in Deutschland. Gleichwohl folgt siesimplen Regeln der Prävention. Seit Jahrhunderten ist es gängige Praxis gegen HungernsnöteLebensmittelvorräte anzulegen und mit dem technischen Fortschritt im Gesundheitsbereich wer-den auch Impfstoffe für etwaige Erkrankungen vorgehalten. Warum dieses bewährte Prinzip derVorsorge ausgerechnet bei den öffentlichen Finanzen (die in regelmäßigen Intervallen Krisenaugesetzt sind) nicht angewendet wird, erschließt sich nicht.

Fazit

In Anknüpfung an die aufgestellte Frage nach den Ungleichheiten der auf staatlicher und kom-munaler Ebene etablierten Schuldenbremse konnten einige Unterschiede herausgearbeitet wer-den:54 Die Staatsschuldenbremse orientiert sich an den Verbindlichkeiten und will deren Auf-nahme in wirtschaftlichen Normalzeiten gänzlich unterbinden. Aufgrund der Unzulänglichkeitender staatlichen Haushaltswirtschaft bleiben dabei einige Schuldenarten wie Rückstellungen un-

V.

50 Siehe dazu auch die Diskussion um automatische Stabilisatoren: vgl. exemplarisch Bräuninger 2009, S. 29 f.51 So auch Goldbach, der in Krisensituationen Abweichungen vom Grundsatz des ordentlichen Ergebnisausglei-

ches fordert: Vgl. Goldbach 2009, S. 21.52 Eine ähnliche Strategie benannte Meyer-Rix im Vorfeld der Verabschiedung der neuen staatlichen Schulden-

bremse für den Kontext eines kameralistischen Systems: vgl. Meyer-Rix 2007, S. 93.53 Gerade für die deutschen Kommunen bemängelte nach Medienberichten jüngst auch die Deutsche Bundesbank,

dass hier bis dato prozyklisch investiert wurde. In wirtschaftlich guten Jahren vereinnahmen die Kommunenhohe Gewerbesteuererträge und Zuweisungen der Länder. In wirtschaftlich schlechten Jahren bricht die Er-tragsbasis ein, was über die Konjunkturabhängigkeit eine prozyklische kommunale Investitionspolitik begüns-tigt: vgl. Beyerle 2009.

54 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein dritter Typ von Schuldenbremse von Bedeutung ist, nämlichdie Verpflichtung Deutschlands zur Wahrung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der europäischen Stabilitäts-gemeinschaft, gemäß Art. 126 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

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berücksichtigt. Dadurch kommt es zu verzerrenden Effekten. Insbesondere gibt aber die Staats-schuldenbremse keine Gewähr, dass im Sinne der ökonomischen Schutzfunktion nicht eine Aus-beutung kommender Generationen praktiziert wird. Auf kommunaler Ebene wirken die Vorgabenzum Ausgleich des Ergebnisses, obgleich sich die diesbezüglichen Rechtsvorgaben im Detailunterscheiden, ebenfalls wie eine Schuldenbremse. Im Gegensatz zur Staatsschuldenbremse ver-bietet diese die Aufnahme von Verbindlichkeiten auch in wirtschaftlich guten Zeiten nicht grund-sätzlich. Es handelt sich um eine flexible Regelung. Prinzipiell können grundsätzlich alle Schul-denarten Berücksichtigung finden und auch die Ausrichtung am Grundsatz der Periodengerech-tigkeit ist möglich. Trotzdem haben auch die kommunalen Regelungen Schwächen, z. B. im Be-reich der Behandlung von Pensionsrückstellungen. Daneben sind insbesondere zur Gewährleis-tung einer antizyklischen kommunalen Haushaltspolitik weitere Mechanismen verbindlich zuetablieren: In wirtschaftlich guten Zeiten muss eine Rücklage angelegt werden, von der in Kri-senzeiten gezehrt werden kann. Abstract Marc Gnädinger and Dennis Hilgers; German debt brake(s) – Current models and economic needfor further development Debt Brake, Public Debt, Accrual Accounting, Public Budgeting In view of growing indebtedness of the federal and state governments in Germany in recent years,the current debt brake, which provided a limitation of debt in the amount of capital expenditureduring normal times of the economy, has received much criticism. Therefore, a new approach torevise the set of rules on the state level was presented to the Commission on Federalism (Föde-ralsimuskommission II). This approach has been transferred into applicable law, particularly dueto the increasing problems and pressure on the state, deriving from the current financial andeconomic crisis. Municipalities and local authorities have also received amendments to their rulesof indebtedness. In this case, the trigger was the renewal of the municipal budgeting and accoun-ting system, based on an accrual accounting regime, which also incorporates a differing conceptof indebtedness from the state level. In the following, we will present the conceptual differencesof the approaches on the different levels and discuss their limitations.

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Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

Ineffizienz und Strukturunterschiede in der deutschenWasserversorgung

Dateneinhüllungsanalyse; Effizienzanalyse; Preissenkungspotential; Regressionsanalyse; Regu-lierung; Technische Effizienz; Wasserversorgung

Die deutsche Wasserversorgung ist durch eine starke Fragmentierung sowie durch hohe Unter-schiede in den Wasserentgelten gekennzeichnet. Unabhängig von einer möglichen zukünftigenEntgeltkontrolle sind transparente Effizienzanalysen eine notwendige Voraussetzung zur Ab-schätzung von Preis- und Kostensenkungspotentialen. Der vorliegende Beitrag analysiert hierfürverschiedene Ansätze der Effizienzanalyse bezüglich ihrer Eignung für die deutsche Wasserwirt-schaft und stellt anschließend die Ergebnisse einer Dateneinhüllungsanalyse für das Jahr 2006dar. Die Ergebnisse offenbaren einen deutlichen Handlungsbedarf.

Einleitung

Seit mehreren Jahren wird in der Wasserwirtschaft und in der Öffentlichkeit über das Themaangemessener und gerechtfertigter Entgelte für die Versorgung mit Trinkwasser diskutiert. Un-terstützt wird diese Debatte nicht zuletzt auch durch die Kartellverfahren gegen hessische Was-serversorger (Hirschhausen u. a. 2009) und das diese Verfahren unterstützende Urteil des Bun-desgerichtshofs vom Februar dieses Jahres (KVR 66/08) sowie Forderungen der Monopolkom-mission nach einer Regulierung der deutschen Wasserversorgung (Europäischer Wirtschafts-dienst 2009). Eine mögliche Regulierung mit Anreizen zur Kostensenkung setzt eine fundierteEffizienzanalyse voraus. Ein reiner Kennzahlenvergleich, wie er von einzelnen Unternehmen derWasserversorgung bereits heute praktiziert wird, ist für Zwecke der Regulierung nicht geeignet,da die Aussagekraft beschränkt ist und keine Kostensenkungspotentiale ausgewiesen werden.Vielmehr sind fortgeschrittene wissenschaftliche Effizienzanalysen notwendig, welche die ganz-heitliche Betrachtung von Unternehmen ermöglichen und damit einem reinen Kennzahlenver-gleich gegenüber zu bevorzugen sind, da dieser verschiedene Zusammenhänge im Unternehmenund auch mögliche Kosten-Interaktionen missachtet. Für eine wissenschaftliche Effizienzanalysesind verschiedene Ansätze möglich, im Allgemeinen unterscheidet man zwischen parametrischenund nicht-parametrischen Ansätzen (Hirschhausen/Walter/Zschille 2009).Im Bereich der nicht-parametrischen Ansätze kommt zumeist eine Dateneinhüllungsanalyse(engl. Data Envelopment Analysis, DEA) in Kombination mit Regressionsanalysen zur Anwen-dung, um zusätzliche statistische Rückschlüsse zur Auswirkung struktureller Einflüsse auf dieEffizienz der Wasserversorgung ziehen zu können. Bei der Nutzung parametrischer Methoden istdie stochastische Effizienzgrenzenanalyse (engl. Stochastic Frontier Analysis, SFA) verbreitet,welche die Schätzung von Produktions- und Kostenfunktionen ermöglicht. Es können beispiels-

I.

ZögU 33. Jg. 3/2010 201

weise Größen-, Dichte- und Verbundvorteile geschätzt werden, was im Bereich der Wasserver-sorgung von hohem Interesse ist. Falls Größenvorteile vorliegen, können die Fusionspotenzialemit Effizienzanalysen unternehmensindividuell abgeschätzt werden (siehe etwa Walter/Cullmann(2008) für eine Anwendung auf den deutschen ÖPNV). Moderne Weiterentwicklungen wie bei-spielsweise der Ansatz der latent classes (Kumbhakar/Orea 2004) ermöglichen zudem die simul-tane Schätzung unterschiedlicher Kostenfunktionen, um zwischen mehreren Gruppen von Un-ternehmen mit verschiedenen zugrunde liegenden Technologien zu unterscheiden. Im Bereich derWasserversorgung wäre eine Unterscheidung der Unternehmen anhand der Unternehmensgrößedenkbar, um beispielsweise einen Vergleich eines ländlichen Wasserversorgers mit einem Groß-konzern zu vermeiden.Eine umfangreiche Datenbasis ist die notwendige Voraussetzung für wissenschaftliche Effizi-enzanalysen, um korrekte Rückschlüsse zu ziehen. In der praktischen Anwendung allerdingsmangelt es zumeist an eben dieser umfangreichen Datenbasis. Demzufolge sind Bemühungennotwendig, eine umfangreiche und auf einheitlichen Angaben beruhende Datenbasis zu schaffen.Auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten aus dem Jahr 2006 soll im folgenden Beitrag imDetail eine nicht-parametrische Effizienzanalyse deutscher Wasserversorger dargestellt werden,wie sie unter methodischen Gesichtspunkten auch für eine mögliche zukünftige Effizienzanalysezu Regulierungszwecken anwendbar wäre.

Methodik der Dateneinhüllungsanalyse

Der DEA-Ansatz beruht auf einem linearen Optimierungsansatz, aus welchem ein Maß für dietechnische Effizienz jedes Unternehmens gewonnen werden kann (Hirschhausen/Walter/Zschille2009).1 Hierbei wird eine Effizienzgrenze, bestehend aus einer oder mehreren Beobachtungen mitInputs und Outputs berechnet, welche die vorhandenen Beobachtungen einhüllt. Die Effizienz-werte, welche letztlich von Interesse sind, können durch den Abstand einer Beobachtung von derEffizienzgrenze gemessen werden. Die Effizienzgrenze repräsentiert die Menge an effizientenUnternehmen, welche entsprechend einen Effizienzwert von 1 (100 Prozent) aufweisen und dieineffizienten Beobachtungen einhüllen. Die vollständig effizienten Unternehmen mit maximalemEffizienzwert zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich mit anderen Unternehmen dengleichen Output unter minimalem Inputeinsatz erzeugen, falls eine Inputorientierung angenom-men wird. Im Gegensatz dazu steht die Outputorientierung, bei welcher betrachtet wird, um wieviel der Output eines Unternehmens bei gegebenen Inputmengen erhöht werden könnte. UnterInputorientierung wird beispielsweise die technische Effizienz des Punktes P in Abbildung 1 alsLänge der Strecke a geteilt durch die Länge der Strecke b berechnet.

II.

1 Die technische Effizienz ist das Effizienzmaß, das man ohne Berücksichtigung verschiedener Faktorpreise erhält,welche sicherlich mit die Rahmenbedingungen des Unternehmens diktieren.

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202 ZögU 33. Jg. 3/2010

Input x

Output q

Effizienzgrenze unter variablen Skalenerträgen (VRS)

Effizienzgrenze unter konstanten Skalenerträgen (CRS)

Effizienz (Inputorientierung) = a/bP

b

0

a

Abb. 1: DEA Input-Output-StreudiagrammQuelle: Eigene Darstellung

Die Effizienzgrenze kann weiterhin unter konstanten (CRS) und variablen Skalenerträgen (VRS)konstruiert werden. Bei Verwendung von variablen Skalenerträgen, welche die Betrachtung un-terschiedlicher Unternehmensgrößen ermöglicht, wird eine konvexe Grenze konstruiert, welchedie Datenpunkte einhüllt. Entsprechend werden nur Unternehmen miteinander verglichen, welcheeine ähnliche Größe aufweisen. Bei Verwendung konstanter Skalenerträge werden hingegen alleUnternehmen mit dem oder den effizientesten Unternehmen verglichen, ohne jedoch möglicheGrößenunterschiede zu berücksichtigen.

Vorgehensweise

In der folgenden Analyse soll eine so genannte Dateneinhüllungsanalyse (DEA) durchgeführtwerden. Diese weist unter anderem den Vorteil auf, dass im Falle mehrerer Outputs bereits einim Vergleich zu den anderen Beobachtungen optimaler Wert bei einem Output ausreichend ist,um vollständig effizient zu sein. Speziell in der Wasserversorgung werden somit Unternehmennicht diskriminiert, die in Gegenden mit geringem durchschnittlichen Wassergebrauch tätig sind,während sie eine umfangreiche Netzausdehnung oder eine hohe Anschlussquote aufweisen. Derdurchschnittliche Effizienzwert ist bei der DEA aber nicht grundsätzlich höher als bei anderenMethoden.Zusätzlich bietet sich die nicht-parametrische DEA an, da für die vorliegende Analyse lediglichDaten aus dem Jahr 2006 vorliegen und somit keine Analyse mit Panel Daten (Daten mehrerer

III.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 203

Wasserversorger über mehrere Jahre) möglich ist, wie es für fortgeschrittene parametrische Ver-fahren empfehlenswert wäre. Zudem wird im Rahmen einer DEA ein Unternehmen nur mit struk-turell ähnlichen Unternehmen verglichen, während es bei einem parametrischen Verfahren mitallen anderen betrachteten Unternehmen verglichen würde.Durch die Verwendung variabler Skalenerträge wird verhindert, dass kleine kommunale Versor-ger mit großstädtischen Unternehmen verglichen werden. Da im Bereich der Wasserversorgungdie Abgabemenge als exogen angesehen werden kann, ist weiterhin die Verwendung einer Inpu-torientierung zu bevorzugen.Zur Bestimmung valider Effizienzwerte kommt ein dreistufiger Ansatz zur Anwendung (sieheFlussdiagramm in Abbildung 2). Die erste Stufe der Analyse besteht aus der Entfernung vonDatenausreißern und der Berechnung erster Effizienzwerte. Ausreißeranalysen sind insbesonderedann durchzuführen, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Daten Fehler beinhalten. Zuerstwerden die Unternehmen aus dem Datensatz entfernt, die bei der einfachen Kennzahl Umsatzer-löse pro Gesamtabgabemenge starke Abweichungen von der mittleren Spannweite aufweisen.Zudem wird der Supereffizienz-Ansatz (Banker/Gifford 1988) in einer vorgelagerten Analysegenutzt. Dieser Ansatz berechnet die Effizienz eines Unternehmens nur durch Vergleich mit allenanderen Unternehmen, nicht aber mit sich selbst. Dadurch können einzelne Beobachtungen Ef-fizienzwerte von größer als 1 erreichen und damit über der Effizienzgrenze liegen. Für die hierdargestellte Analyse wurden alle Unternehmen aus dem Datensatz entfernt, die einen Effizienz-wert von größer als 1,2 erreichen, da die Ergebnisse bis zu diesem Wert dicht verteilt sind, darüberhinaus allerdings nur noch vereinzelt auftreten. Somit werden von 373 Unternehmen 33 als Aus-reißer identifiziert und vom weiteren Vorgehen ausgeschlossen.2

2 Es gilt zu beachten, dass die Eliminierung von Ausreißern zumeist zur Verbesserung der Effizienzwerte derverbliebenen Unternehmen führt, da mögliche „Überperformer“ nicht mehr berücksichtigt werden. Bei Wahlhöherer kritischer Werte von 1,3, 1,4 und 1,5 sinkt die Anzahl der eliminierten Unternehmen um jeweils etwa 4und die mittlere Effizienz von Stufe 1 sinkt um 2,03, 3,98 bzw. 8,83 Prozentpunkte.

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Super-effizienz-analyse: Werte > 1,2?

373 Beobachtungen

Eliminierung von Beobachtungen mit ungewöhnlichen Umsatzerlösen pro

Gesamtabgabemenge

Ausreißeranalyse

Eliminierung der Beobachtungen

> 1,2

Bestimmung von Effizienzwerten für die verbleibenden 340 Beobachtungen

Bootstrapped truncatedregression der Ineffizienzwerte

auf Strukturvariablen

Inputanpassung zur Bereinigung struktureller Unterschiede

Bestimmung von Effizienzwerten robust gegenüber strukturellen

Unterschieden

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3

Schattierungslegende:

Abb. 2: Schematischer Ablauf der AnalyseQuelle: Eigene Darstellung

In der ersten Stufe werden nach der Ausreißeranalyse Effizienzwerte bestimmt, die aber nochnicht um strukturelle Einflüsse außerhalb der Kontrolle des Unternehmens bereinigt sind unddemnach zu verzerrten Ergebnissen führen. Regressionsanalysen können angewandt werden, umzu bestimmen, welche dieser Strukturvariablen einen signifikanten Einfluss auf die Effizienzwertehaben.Daher werden in Stufe 2 des Ansatzes die Ineffizienzwerte3 aus Stufe 1 auf verschiedene Struk-turvariablen regressiert.4 Hierbei wird in der Literatur zumeist eine Tobit Regression verwendet,bei der die abhängige Variable auf einen bestimmten Wertebereich begrenzt ist (hier zwischen 0und 1). Einem Vorschlag von Simar und Wilson (Simar/Wilson 2007) folgend, wird hier jedocheine bootstrapped truncated regression angewendet.5 Die bootstrapped truncated regression ba-

3 Berechnung als 1 minus des Effizienzwertes.4 Aufgrund des im Folgenden noch beschriebenen Ansatzes der „Input-Anpassung“ werden hier die Ineffizienz-

werte anstatt der eigentlichen Effizienzwerte auf Strukturvariablen regressiert.5 Bei Anwendung einer truncated regression (trunkierte Regression) werden die abhängigen Variablen innerhalb

der Regression erst ab einem bestimmten Wert berücksichtigt, um die Verzerrungen einer Wahrscheinlichkeits-masse zu reduzieren. Beispielsweise tritt bei Anwendung einer DEA eine Wahrscheinlichkeitsmasse beim Effi-zienzwert 1 auf, da selbst Unternehmen, welche möglicherweise Effizienzwerte höher als 1 erreichen könnten(vgl. Supereffizienz-Ansatz) einen Effizienzwert von 1 erhalten und somit bei der „Obergrenze“ eine Wahr-scheinlichkeitsmasse entsteht.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 205

siert auf einer Monte-Carlo Simulation, bei welcher durch 2000 Wiederholungen Pseudo-Daten-sätze auf Basis des vorhandenen Datenmaterials erzeugt werden. Mittels dieser generierten Da-tensätze werden bereinigte Effizienzwerte bestimmt, auf welche dann eine truncated regressionangewandt wird. Damit wird die Qualität statistischer Rückschlüsse erhöht.Die Ergebnisse der Regressionsanalyse werden anschließend für eine Anpassung der Inputs anstrukturelle Einflüsse verwendet, wie es von Fried u. a. (Fried/Schmidt/Yaisawarng 1999) vor-geschlagen wurde. Dabei wird für alle Unternehmen eine einheitliche Vergleichsbasis geschaffen,indem die Inputs aller Unternehmen entsprechend der schlechtesten strukturellen Umgebung an-gepasst werden. Hierbei werden um den Fehlerterm bereinigte Ineffizienzwerte zur prozentualenAnpassung der Inputs jedes Unternehmens verwendet.6 Gemäß Fried/Schmidt/Yaisawarng (1999)lautet die formale Darstellung

Unbenannt2

x^{adj}_{j} = x_{j} + [Max lbrace I{hat T}S_{j} rbrace - I{hat T}S_{j}]

x jadj=x j[Max {I T S j}−I T S j ], (2)

wobei

Unbenannt2

I{hat T}S_{j}

I T S j die um den Fehlerterm bereinigten Ineffizienzen darstellt. Für alle Beobachtungenj = 1,...,N wird der Input x proportional um die Differenz zwischen der maximalen IneffizienzMax{

Unbenannt2

I{hat T}S_{j}

I T S j} aller Unternehmen und der Ineffizienz

Unbenannt2

I{hat T}S_{j}

I T S j des jeweils betrachteten Unternehmensangepasst. Demnach erfolgt ein prozentualer Aufschlag auf die Inputmengen in Höhe der Diffe-renz des Klammerausdrucks. Dies bedeutet, dass die Inputmengen desjenigen Unternehmens,welches den höchsten Ineffizienzwert aufweist und demnach per Annahme unter den schlechtes-ten Bedingungen tätig ist, nicht erhöht werden, da der Klammerausdruck den Wert 0 annimmt.Hingegen steigen die Inputs aller anderen Unternehmen prozentual an, da der Klammerausdruckeinen Wert größer 0 annimmt und somit ein Aufschlag auf die ursprünglichen Inputmengen er-folgt. Aufgrund der angewandten Inputorientierung (Minimierung der Inputmengen bei gegebe-nem Output) werden somit Unternehmen mit schlechten strukturellen Gegebenheiten im Ver-gleich zu anderen besser gestellt, da deren Inputmengen nicht oder nur marginal steigen, währenddie Inputmengen von Unternehmen mit geringer Ineffizienz prozentual stärker ansteigen. Somitwerden die Effizienzwerte um strukturelle Einflüsse, welche nicht vom Unternehmen beeinfluss-bar sind, bereinigt. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass durch die Bereinigung hohe Ineffizi-enzen nicht mehr auf strukturelle Nachteile zurückgeführt werden können, da hierfür dem Un-ternehmen ein Sicherheitsabschlag gewährt wurde. Auf Basis der angepassten Inputs können dannin der dritten und letzten Stufe Effizienzwerte bestimmt werden, welche frei von den Einflüssenvon Datenausreißern, Messfehlern und strukturellen Unterschieden sind.

6 Strukturelle Nachteile der Wasserversorgung spiegeln sich per Annahme in einer erhöhten Ineffizienz bzw. einementsprechend niedrigen Effizienzwert wider. Daher werden dem Vorschlag von Fried u. a. (Fried/Schmidt/Yaisa-warng 1999) folgend die Ineffizienzwerte für eine Anpassung der Inputmengen verwendet. Dafür werden dieIneffizienzwerte auf Basis der Regressionsergebnisse noch um den Fehler- bzw. Störterm aus der Regressionbereinigt, um den Einfluss von Messfehlern oder statistischen Fehlern zu minimieren.

Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

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Datengrundlage

Die Analyse beruht auf der 118. Wasserstatistik für die Bundesrepublik Deutschland (Bundes-verband der Energie- und Wasserwirtschaft 2008) für das Jahr 2006. Der Originaldatensatz um-fasste 1096 Unternehmen. Leider wurde die genannte Statistik nicht jedes Jahr veröffentlicht, sodass keine Panel-Analyse möglich ist. Dies würde die Interpretationsmöglichkeiten der Analysebeträchtlich erhöhen, da dann Abschreibungs- und Investitionsaspekte, deren rechtlicher Rahmenund die verbundene Pfadabhängigkeit der Infrastrukturanlagen besser abgebildet werden könnten.Zusätzlich wurden die Umsatzerlöse für das Jahr 2006 aus den Jahresabschlüssen und Geschäfts-berichten der Wasserversorger entnommen. Für insgesamt 373 Unternehmen waren die Datenvollständig verfügbar. Höhendifferenzen wurden aus topographischem Kartenmaterial entnom-men.Die deskriptive Statistik für den Datensatz kann Tabelle 1 entnommen werden. Die Korrelationzwischen den einzelnen Variablen ist in Tabelle 2 dargestellt. Insgesamt liefern die im Datensatzaufgeführten Versorger Trinkwasser an mehr als 32 Millionen Menschen in Deutschland, wasetwa 39 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands entspricht.

Variable Abk. Klassifizierung Summe Min. Mittelwert Median Max. Std. Abw.

Umsatzerlöse[1000 €]

cost Input 3.563.312 466 9.843 3.382 424.000 27.878

Wasserzähler [An-zahl]

meters Output 6.850.857 1.653 18.925 9.073 1.008.732 57.151

Wasserabgabe anHuK [1000 m³]

wdelhh Output 1.490.046 199 4.116 1.520 142.700 10.872

Wasserabgabe ansonstige Abnehmer[1000 m³]

wdelnh Output 487.598 0,00 1.346 353 58.800 4.000

Rohrnetzlänge [km] net -* 156.834 39 433 224 7.858 675Einwohner im Ver-sorgungsgebiet[1000]

pop -** 32.373 5 89 35 3.400 233

Metermengenwert[1000 m³ pro kmRohrnetzlänge]

dens Strukturvar. - 1,02 10,46 9,25 52,94 5,61

Verlustquote leak Strukturvar. - 0,01 0,10 0,09 0,30 0,06Grundwasseranteil ground Strukturvar. - 0,00 0,57 0,71 1,00 0,42Höhendifferenz [m] elev Strukturvar. - 0,00 53,82 40,00 240,00 47,36Dummy für Ost-deutschland

deast Strukturvar. 65 0,00 0,18 0,00 1,00 0,38

*Zur Berechnung des Metermengenwertes verwendet. **Wird aufgrund der hohen Korrelation mit der Wasserabgabe an HuK nicht weiterbetrachtet (siehe Korrelationsmatrix).

Tab. 1: Deskriptive Statistik der betrachteten Variablen

Quelle: Eigene Darstellung

Die Umsatzerlöse der Wasserversorger werden als Input-Variable definiert und als deckungs-gleich mit den Gesamtkosten der Wasserversorgung angenommen. Mit diesem Ansatz wird demKostendeckungsprinzip Rechnung getragen, wie es in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie

IV.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 207

(Art. 9) sowie den Kommunalabgabengesetzen der einzelnen Bundesländer verankert ist.7 Ent-sprechend sollten die Wasserentgelte und damit auch die Umsatzerlöse derart kalkuliert werden,dass sämtliche Kosten und Aufwendungen für Material, Personaleinsatz und Abschreibungengedeckt werden. Mittels dieser Annahme ist es demnach möglich, sämtliche Kosten der Wasser-versorgung in die Analyse einzubeziehen. Dieser Ansatz wurde in der Literatur u. a. bereits vonBrunner und Riechmann (Brunner/Riechmann 2004) empfohlen.8 Des Weiteren ist es zudemmöglich, Effizienz anhand der seitens der Konsumenten für die Versorgung mit Trinkwasser not-wendigen Ausgaben zu messen. Ziel der Effizienzanalyse ist die Ermittlung von Kosten- undsomit Preissenkungspotentialen zum Vorteil des Verbrauchers. Dies lässt sich am Besten durchdie Umsatzerlöse, welche auch die Entgelte widerspiegeln, messen. Der Verbraucher ist entspre-chend weniger an den Kosten eines Wasserversorgers interessiert und an dessen Kapitalstruktur,sondern nur an den zu zahlenden Entgelten. Daher ist die Betrachtung von Umsatzerlösen alsInputparameter in der Analyse in erster Näherung sicherlich sinnvoll. Bei weiterführenden Ana-lysen sollten die Umsatzerlöse jedoch um Abgaben wie das Wasserentnahmeentgelt oder Kon-zessionsabgaben vermindert werden, was hier aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit nichtmöglich war. In den Wasserentgelten sind auch länderspezifisch unterschiedliche Gewinnmargenenthalten, zudem bestehen differente Kalkulationsverfahren. Weiterhin wäre bei einer transpa-renteren Datenverfügbarkeit zu problematisieren, welche Erträge aus dem Unternehmen entnom-men werden, welche Umsatzerlöse durch Drittleistungen erzielt werden und welche Subventionenund Zuschüsse die Unternehmen zusätzlich erhalten.Als Outputs werden die nutzbare Wasserabgabe an Haushalts- und Kleingewerbekunden (HuK-Kunden) sowie die nutzbare Abgabe an sonstige Abnehmer definiert. Zusätzlich wird die Anzahlder Hausanschlüsse als Output in die Betrachtungen einbezogen. Somit wird dem anzunehmendenZiel der Wasserversorgung, einen möglichst hohen Anteil der Bevölkerung an die öffentlicheWasserversorgung anzuschließen, Rechnung getragen. Das Verhältnis von Gesamtwasserabgabezu Wasserzähleranzahl könnte alternativ auch als Strukturvariable in die Analyse eingehen, eben-so das Verhältnis der Wasserabgabe an Haushalte zu sonstigen Abnehmern. Dabei würde manaber die zu Beginn der Beschreibung der Vorgehensweise erwähnten technischen Eigenschaftender DEA nicht für die Analyse ausnutzen. Die Rohrnetzlänge wird bei der Berechnung der Struk-turvariable Versorgungsdichte (bzw. Metermengenwert) indirekt in die Betrachtung miteinbezo-gen.Innerhalb der zweiten und dritten Stufe der Analyse werden unterschiedliche Strukturvariablen,wie beispielsweise die Versorgungsdichte, betrachtet. Bei der Betrachtung der Versorgungsdich-te9 wird erwartet, dass sich eine höhere Dichte positiv auf die Effizienz eines Versorgers auswirkt,

7 Auch wenn die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union bislang noch nicht umgesetzt wurde, solltenWasserversorgungsunternehmen bereits frühzeitig ihre Tarifkalkulationen anpassen, um den neuen Anforderun-gen künftig gerecht werden zu können. Das Kostendeckungsprinzip wird zudem verbindlich in allen Kommu-nalabgabengesetzen der einzelnen Bundesländer aufgeführt und ist zumindest für öffentlich-rechtliche Unter-nehmen bindend. Bei Unter- oder Überdeckung von Kosten ist in der Regel ein Ausgleich innerhalb der folgendendrei bis fünf Jahre anzustreben. Bei privatrechtlich organisierten Unternehmen kann von der Erhebung kosten-deckender Preise ausgegangen werden.

8 Erheben einzelne Unternehmen keine kostendeckenden Entgelte, werden für diese also niedrigere als die tat-sächlichen Gesamtkosten angenommen. Daher werden solche Unternehmen bei der hier vorgenommenen Analysetendenziell begünstigt.

9 Im deutschen Raum ist die Bezeichnung der Versorgungsdichte als Metermengenwert (MMW) gebräuchlich.

Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

208 ZögU 33. Jg. 3/2010

da mit einem geringeren Kapitaleinsatz in Form von Versorgungsleitungen eine höhere Abgabeerzielt wird. Diese Erwartung wurde bereits in der internationalen Literatur bestätigt (Renzetti/Dupont 2008, García-Sánchez 2006). Die Anzahl der versorgten Einwohner wird nicht in dieBetrachtung einbezogen, da diese, wie in Tabelle 2 dargestellt, eine sehr hohe Korrelation mit derabgegebenen Menge an Wasser aufweist und somit bereits ausreichend Berücksichtigung findet.

cost meters net wdelhh wdelnh pop dens leak ground elev deast

cost 1,000 meters 0,644 1,000 net 0,883 0,704 1,000 wdelhh 0,976 0,753 0,883 1,000 wdelnh 0,907 0,456 0,812 0,845 1,000 pop 0,991 0,716 0,900 0,988 0,875 1,000 dens 0,410 0,247 0,246 0,435 0,438 0,393 1,000 leak 0,000 -0,011 0,069 -0,018 -0,045 -0,002 -0,210 1,000 ground -0,050 0,011 -0,027 -0,041 -0,012 -0,038 -0,187 -0,030 1,000 elev 0,178 0,134 0,188 0,178 0,148 0,169 0,216 0,260 -0,324 1,000 deast -0,017 -0,013 0,107 -0,044 -0,004 -0,004 -0,217 0,235 -0,015 -0,031 1,000

Tab. 2: Korrelationsmatrix der betrachteten Variablen

Quelle: Eigene Darstellung

Zusätzlich wird die Verlustquote als Strukturvariable definiert. Diese berechnet sich aus der Dif-ferenz zwischen dem gesamten Wasseraufkommen und der gesamten nutzbaren Abgabe, dividiertdurch das gesamte Wasseraufkommen. Außerdem wird der Anteil an Grundwasser am gesamtenWasseraufkommen betrachtet. Es wird erwartet, dass Wasserversorger mit einem hohen Grund-wasseranteil eine höhere Effizienz aufweisen, da der Aufbereitungsaufwand hier zumeist geringerist.Interessant ist zudem die Betrachtung von Höhendifferenzen im Versorgungsgebiet. Einerseitskönnen diese einen höheren Pumpaufwand zur Wasserverteilung sowie die Einrichtung verschie-dener Druckzonen notwendig machen. Andererseits kann die Wasserverteilung begünstigt wer-den, wenn höher gelegene Gewinnungsanlagen einen natürlichen Vordruck erzeugen und somitden Pumpaufwand verringern. Die Variable Höhendifferenz misst den Abstand zwischen demniedrigsten und dem höchsten Punkt innerhalb eines Versorgungsgebietes.10

Neben diesen strukturellen Einflüssen soll zudem noch der Unterschied zwischen Wasserversor-gern in Ost- und Westdeutschland abgebildet werden. Da nach der deutschen Wiedervereinigungsehr hohe Investitionen in die Wasserversorgung Ostdeutschlands getätigt wurden, die Anlagenaufgrund von Abwanderung und demographischem Wandel heute allerdings zumeist schwachausgelastet sind, sollte dieser Unterschied in die Betrachtungen einbezogen werden. Daher wirdeine Dummy-Variable eingeführt, welche den Wert 1 annimmt, falls das betrachtete Unternehmenin Ostdeutschland tätig ist, anderenfalls den Wert 0.

10 Bei Nutzung dieser Variablendefinition kann nicht sichergestellt werden, dass am höchsten oder tiefsten Punkteines Versorgungsgebietes auch wirklich die Einrichtung von Anlagen zur Wasserversorgung notwendig ist,allerdings sollte sie zumindest eine gute Näherung darstellen.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 209

Ergebnisse

Die deskriptive Statistik der Effizienzwerte aus Stufe 1 ist Tabelle 3 zu entnehmen. Die Effizi-enzwerte weisen mit 64,24 Prozent ein relativ niedriges Niveau auf. Dies könnte allerdings auchauf strukturelle Einflüsse zurückgeführt werden, welche nicht vom Unternehmen selbst beein-flussbar sind. Zusätzlich sind die Ineffizienzen angegeben, welche multipliziert mit den Gesamt-kosten eines Unternehmens direkt als Kostensenkungspotenzial angesehen werden können.

Mittelwert Median Std. Abw. Min. Max.

Stufe 1 Effizienz 0.6424 0.6050 0.1834 0.2983 1.0000 Ineffizienz 0.3576 0.3950 0.1834 0.0000 0.7017

Stufe 3 Effizienz 0.6459 0.6094 0.1836 0.2909 1.0000 Ineffizienz 0.3541 0.3906 0.1836 0.0000 0.7091

Tab. 3: Deskriptive Statistik der Effizienzwerte

Quelle: Eigene Darstellung

Zur Bereinigung um strukturelle Einflüsse werden die vorliegenden Ineffizienzwerte auf ver-schiedene exogene Variablen regressiert, um deren Einfluss auf die Effizienz der Wasserversor-gungsunternehmen zu bestimmen. Die geschätzten Koeffizienten sind in Tabelle 4, Spalte Re-gression #1 aufgeführt. Anhand der Vorzeichen der Koeffizienten ist erkennbar, dass eine höhereVersorgungsdichte,11 ein höherer Grundwasseranteil und die Lage in Ostdeutschland tendenzielleinen negativen Einfluss auf die Ineffizienzen und somit einen positiven Einfluss auf die Effizienzhaben. Höhere Verlustquoten und stärkere Höhendifferenzen hingegen haben tendenziell einennegativen Einfluss auf die Effizienz.12

Variable Regression #1 Regression #2 Regression #3

dens -0.0085** (0.0022) -0,0096** (0,0022) -0,0088** (0,0022)leak 0.3220* (0.1677) - -ground -0.0796** (0.0254) -0,0775** (0,0253) -0,0827** (0,0254)deast -0.0379 (0.0273) -0,0276 (0,0264) -elev 0.0001 (0.0002) 0,0002 (0,0001) -constant 0.4746** (0.0378) 0,5084** (0,0353) 0,5106** (0,0312)Log-Likelihood 145,3659 143,6198 142,4733

* signifikant bei 5%, ** signifikant bei 1%. Standardabweichungen werden in Klammern angegeben.

Tab. 4: Geschätzte Koeffizienten der Regressionsanalysen

Quelle: Eigene Darstellung

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse werden im Folgenden für eine Anpassung der Inputs ge-nutzt, um die Effizienzwerte um strukturelle Einflüsse zu bereinigen. Die bisherigen Regressi-onsergebnisse sind hierfür allerdings nicht geeignet, da die Effizienzwerte lediglich um exogene

V.

11 In Bartsch (Bartsch 2007) hingegen wird die Aussagekraft des Metermengenwertes widerlegt. Bei der Analyseniedersächsischer Wasserversorger konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Metermengenwertund Durchschnittspreisen bestimmt werden.

12 Die Variable Höhendifferenz und die Dummy-Variable für ostdeutsche Wasserversorger sind innerhalb dieserRegressionsanalyse allerdings nicht signifikant verschieden vom Wert 0 und bedürfen daher einer vorsichtigenInterpretation.

Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

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Gegebenheiten bereinigt werden sollen. Die Verlustquote kann allerdings sowohl als endogen undvom Unternehmen selbst beeinflussbar angesehen werden, allerdings in Zusammenhang mitbspw. schlechten Bodenverhältnissen auch als exogen. Zwar erschiene es relevant die Verlust-quote im Weiteren einzubeziehen, da das Aufrechterhalten einer niedrigen Verlustquote und einerhohen Zuverlässigkeit Geld kostet. Um aber die statistische Korrektheit der Regressionen nichtzu gefährden, wird im Folgenden auf die weitere Betrachtung der Verlustquote verzichtet.13

Es werden zwei weitere Regressionen durchgeführt, welche unterschiedliche Modellspezifika-tionen aufweisen. Das Modell mit der besten Spezifikation wird im Anschluss weiterverwendet.Innerhalb der zweiten Regressionsanalyse werden alle vorhandenen Variablen außer der Verlust-quote verwendet. Die Ergebnisse der Regression sind Tabelle 4, Spalte Regression #2 zu entneh-men. Hierbei wird deutlich, dass die Höhendifferenzen und die Dummyvariable für Ostdeutsch-land insignifikante Koeffizienten aufweisen. Da sich hier nunmehr die Frage stellt, ob lediglichsignifikante Ergebnisse oder aber alle Koeffizientenschätzungen für eine Anpassung der Input-mengen genutzt werden sollten, wird eine weitere Regressionsanalyse durchgeführt, welche le-diglich die in Regression 2 signifikanten Variablen enthält. Die geschätzten Koeffizienten sindwiederum Tabelle 4, Spalte Regression #3 zu entnehmen.Für die Auswahl der besten Modellspezifikation werden Likelihood-Ratio-Tests (LR-Tests) ver-wendet. Der Likelihood-Ratio-Test legt eine Verwendung von Regression 3 nahe, bei welchemlediglich die signifikanten Strukturvariablen verwendet werden (der LR-Wert von 2,29 ist nied-riger als der zugehörige χ² Wert von 5,99). Demnach werden diese Koeffizientenschätzungen fürdie Anpassung der Inputmengen genutzt.Auf Basis der adjustierten Inputmengen werden in Stufe 3 finale Effizienzwerte berechnet. DieErgebnisse hierfür sind Tabelle 3 zu entnehmen. Die Effizienzwerte weisen weiterhin ein geringesNiveau auf, die mittlere Effizienz steigt nur leicht von 64,24 Prozent auf 64,59 Prozent. Derminimale Effizienzwert ist nach der Berücksichtigung exogener Einflüsse niedriger als vor derAnpassung.14

Interpretation

Auf Basis dieser Ergebnisse bestehen somit sehr hohe Kostensenkungspotentiale in der deutschenWasserwirtschaft. Im Mittel könnten etwa 35 Prozent der Gesamtkosten eingespart werden, ohnedie hier definierten Outputmengen zu verringern. Dies spiegelt das erhebliche Kostensenkungs-potential auf Seiten der Versorger und letztlich auch auf Seiten der Konsumenten in Form nied-rigerer Entgelte wider.Neben der lediglich geringen Veränderung der mittleren Effizienzwerte nach Berücksichtigungvon strukturellen Gegebenheiten ändert sich auch die Reihenfolge der Unternehmen kaum. Dieslässt sich aus der Korrelation der Effizienzwerte aus Stufe 1 mit den Effizienzwerten aus Stufe 3

VI.

13 Auch bei weiterführender Betrachtung der Verlustquote in den folgenden Berechnungen ändern sich die Er-gebnisse nur marginal.

14 Bei der Verwendung der DEA kann es zu solch ähnlichen Durchschnittseffizienzen kommen, da die vormalsgut gestellten Unternehmen durch die Anpassung der Inputs an das Niveau strukturell benachteiligter Unter-nehmen schlechter abschneiden als zuvor. Es kommt also zur Aufhebung zweier gegensätzlicher Effekte.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 211

ableiten. Der Spearman Korrelationskoeffizient nimmt einen hohen Wert von 0,98 an, ebenso wieder Pearson Rang-Korrelationskoeffizient einen Wert von 0,98 annimmt. Damit wird ersichtlich,dass die Effizienzwerte durch die Anpassung um strukturelle Gegebenheiten des Versorgungs-gebietes nahezu unverändert bleiben und sich die Reihenfolge der Unternehmen insgesamt le-diglich marginal ändert. Dies unterstreicht die Robustheit der berechneten Effizienzwerte gegen-über strukturellen Einflüssen.Im Salter-Diagramm in Abbildung 3 sind die Effizienzwerte aus Stufe 3 grafisch dargestellt. DieUnternehmen sind entsprechend ihrer Effizienzwerte in aufsteigender Reihenfolge aufgeführt.Entlang der x-Achse ist die Unternehmensgröße, gemessen durch das gesamte Wasseraufkommendes jeweiligen Unternehmens, durch die Breite der zugehörigen Säule dargestellt. Es ist zu er-kennen, dass vor allem kleinere Versorger die niedrigsten Effizienzwerte aufweisen (links), wäh-rend die höchsten Effizienzwerte (rechts) sowohl von kleineren als auch größeren Versorgernerreicht werden. Das schlechte Abschneiden vor allem kleiner Versorger kann aufgrund der An-nahme variabler Skalenerträge allerdings nicht durch Größennachteile kleiner Unternehmen er-klärt werden. Jedoch existieren bei kleineren Wasserversorgern größere Effizienzunterschiede,d. h. man erhält eine breitere Streuung der Effizienzwerte für diesen Unternehmenstyp und eineBallung ineffizienter Kleinunternehmen am unteren Rand. Dies kann eventuell auch an weiterenstrukturellen Unterschieden, beispielsweise der Wasserqualität, liegen.

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212 ZögU 33. Jg. 3/2010

Unternehmensgröße [Wasseraufkommen in 1000m³]

0 500000 1000000 1500000

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

Effi

zien

zwer

te

Abb. 3: Salter-Diagramm für die Effizienzwerte aus Stufe 3Quelle: Eigene Darstellung

Abschließend soll noch auf mögliche Unterschiede in der Effizienz von ost- und westdeutschenWasserversorgern eingegangen werden. Während die Dummy-Variable in der Regressionsana-lyse keine signifikanten Ergebnisse aufweist, sind die Effizienzen im Mittel doch verschieden,die mittlere Effizienz sowie der Median liegen für Ostdeutschland jeweils höher als in West-deutschland. Dieses Ergebnis ist überraschend, da sich die ostdeutschen Wasserversorger in An-betracht hoher Investitionen, Überkapazitäten und demographischem Wandel unvorteilhaftenUmständen gegenüber sehen. Allerdings ist die Streuung der Effizienzwerte für den Osten undden Westen nahezu identisch. Die leicht positive Korrelation der Verlustquote mit der Lage desVersorgers in Ostdeutschland spricht nicht dafür, dass die errechnete höhere Effizienz mit imMittel neueren Anlagen zusammenhängt, sondern lässt vermuten, dass die höhere Effizienz aufFördertatbestände bei einem großen Teil der Versorger zurückzuführen ist, welche vom zugrundegelegten Datensatz nicht abgedeckt werden können.

Deutsche Wasserversorgung

ZögU 33. Jg. 3/2010 213

Grenzen der eigenen Effizienzanalyse

Der vorliegende Beitrag stellt eine umfangreiche Effizienzanalyse deutscher Wasserversorger dar.Basierend auf Daten von 373 Wasserversorgern aus dem Jahr 2006 wurden um strukturelle Ein-flüsse bereinigte Effizienzwerte bestimmt, die vielfältige Interpretationen zulassen. Aufgrund derthematisierten begrenzten Datenverfügbarkeit liegt der Hauptbeitrag des Artikels in der aktuellenDiskussion in der Einführung einer neuen Methodik. Die Ergebnisse sollten zukünftig zumindestim internationalen Vergleich auf Robustheit geprüft werden. Bemerkenswert an der schlechtenDatenlage ist, dass selbst traditionell intransparente Sektoren wie der deutsche ÖPNV eine bessereDatenzusammenstellung erlauben (siehe beispielsweise Walter 2010) und detaillierte Kostenpo-sitionen in ihren Jahresabschlüssen veröffentlichen.Die hohe Ineffizienz kleinerer Wasserversorger ist auffallend. Hier stellt sich die Frage nachangemessenen Versorgungsstrukturen und möglichen Effizienzgewinnen aus dem Zusammen-schluss oder der Kooperation einzelner Unternehmen unter der Ausnutzung von Synergieeffekten.Die vorgestellte Methodik ist weniger geeignet auch hierfür Antworten zu geben. Dazu bedarf esdes Einsatzes von Paneldaten und der stochastischen Effizienzgrenzenanalyse. Dabei können dannauch nach Unternehmensgrößen differenzierte Vorschläge zur Effizienzverbesserung gegebenwerden. Weiterhin kann die SFA auch eingesetzt werden, um die errechneten Effizienzwerte aufRobustheit zu prüfen.Weiterhin ist eine öffentliche Diskussion zwischen Versorgern, Wissenschaft und weiteren Ex-perten vonnöten, um relevante und allgemein akzeptierte Outputs zu definieren. Hierfür kann dievorangegangene Erörterung eine gute Grundlage geben.

Schlussfolgerungen

Die Regressionsanalysen zeigen, dass die Effizienz der Wasserversorgung maßgeblich von derVersorgungsdichte (Metermengenwert), dem Grundwasseranteil am gesamten Wasseraufkom-men und den Wasserverlusten beeinflusst wird. Während die Versorgungsdichte und der Grund-wasseranteil vom Unternehmen nicht unmittelbar beeinflussbar sind, können die Wasserverlustezumindest teilweise durch Erneuerungsinvestitionen und verbesserte Instandhaltung des Netzesseitens des Unternehmens verringert werden und somit Effizienzsteigerungspotentiale erschlos-sen werden. Jedoch haben auch exogene Einflüsse wie bspw. die Bodenart einen Einfluss auf dieWasserverluste. Die hohe Korrelation zwischen den Effizienzwerten aus Stufe 1, welche keinestrukturellen Einflüsse berücksichtigen, sowie den um strukturelle Gegebenheiten angepasstenEffizienzwerten aus dem letzten Schritt der Analyse unterstreicht die Validität des gewähltenAnsatzes und die Robustheit der Ergebnisse gegenüber exogenen Einflüssen.Trotz der Berücksichtigung struktureller Einflüsse verbleiben im Mittel hohe Ineffizienzen. Die-ses schlechte Abschneiden verdeutlicht den Handlungsbedarf zur Sicherstellung einer effizientenund preiswürdigen Wasserversorgung. Während nur geringe Effizienzunterschiede beim Ver-gleich ost- und westdeutscher Wasserversorger bestimmt werden konnten und Versorger in den

VII.

VIII.

Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

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neuen Bundesländern leicht besser abschneiden, bleibt die hohe Ineffizienz kleiner Wasserver-sorger auffallend. Abstract Michael Zschille, Matthias Walter and Christian von Hirschhausen; Inefficiency and StructuralDifferences in German Water Supply Cost Decreasing Potential; Data Envelopment Analysis; Efficiency Analysis; Regression Analy-sis; Regulation; Technical Efficiency; Water Supply The German water supply industry is characterized by a high fragmentation and high differencesin prices for water delivery. Currently the form of an adequate price regulation is discussed. Apossible future price regulation requires a profound efficiency analysis in order to create incen-tives to minimize cost and corresponding prices. This article analyzes different approaches forefficiency analysis and presents the results of a Data Envelopment Analysis for Germany withdata from the year 2006, considering 373 water utilities. The results underline the necessity of anactive price regulation in order to use potentials for cost savings.

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Michael Zschille, Matthias Walter und Christian von Hirschhausen

216 ZögU 33. Jg. 3/2010

Peter Deschkan

Betrachtung der Kostenfaktoren bei derErdgasversorgung im liberalisierten Markt Österreichsaus der Sicht des Vertriebs als Energiedienstleister fürWien

Bilanzgruppensystem; Energiedienstleister; Entflechtung; Erdgasmarkt; Erdgasvertrieb; Kos-tenbetrachtung; Liberalisierung

Die Umwälzungen im österreichischen Erdgasmarkt in den Jahren nach der völligen Öffnung derMärkte im Oktober 2002 führten zu einer inzwischen sehr starken Entflechtung der Vertriebs- undNetzfunktion. Dies bedeutet auch für den Erdgasvertrieb in öffentlicher Hand eine Neuorientie-rung bei der Betrachtung der relevanten Kostensituation und der davon beeinflussten Marktpo-sition nicht nur gegenüber anderen Erdgasanbietern, sondern vorwiegend auch mit Blick auf dieklassischen Konkurrenzenergien, wie Erdöl, Fernwärme oder erneuerbare Energieträger. Trotzder Auftrennung der zuvor integrierten Versorgungsfunktionen muss der Vertrieb als Energie-dienstleister nach wie vor den Blick auf die für den Endkunden anfallenden Gesamtkosten wahren,um im Markt erfolgreich bleiben zu können.

Allgemein

Der österreichische Erdgasmarkt erlebte in den Jahren seit der 100%igen Marktöffnung im Jahr2002 einen massiven Umwälzungsprozess. Die traditionellen Strukturen, die von integriertenErdgasversorgern in den einzelnen Bundesländern gekennzeichnet waren, wurden aufgebrochenund somit ein neues, wettbewerbs- und kundenorientiertes System unter Aufsicht einer Regula-tionsbehörde geschaffen. Ausschlaggebend für diese Entwicklungen waren die Liberalisierungs-bestrebungen der EU, deren erklärtes Ziel die Auflösung nationaler oder regionaler Monopolewar (und ist). Im Oktober 2002 kam es mit der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien inder Form des österreichischen Gaswirtschaftsgesetzes (GWG, BGBl. I Nr. 121/2000, zuletzt ge-ändert durch BGBl. I Nr. 148/2002) zur Trennung von Netzbetrieb (=natürliches Monopol) undVertriebsaktivitäten (Markt). Dieser Umstand bedingt auch im Bereich des Erdgasvertriebs anEndkunden eine völlig neue Sichtweise, die eine tiefer gehende Analyse – insbesondere aus en-ergiewirtschaftlicher Perspektive – erforderlich macht, wobei hier Crastan folgend der Vertriebals Energiedienstleister und Motor des liberalisierten Marktes verstanden wird (Crastan 2009,S. 125 ff. und insbesondere S. 131ff.). Anders als der Vertrieb im Elektrizitätsmarkt hat der Erd-gasvertrieb allerdings das Augenmerk besonders auf übergreifende Betrachtungen zu legen, dader Energieträger Erdgas nach wie vor im intensiven Wettbewerb mit Konkurrenzenergieträgern,wie Erdöl, Fernwärme oder erneuerbaren Energien steht. Vertraut man den offiziellen Daten zumWechselverhalten im österreichischen Erdgasmarkt (AGGM 2009), die sehr geringe Kunden-

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wechselzahlen und damit Wettbewerbsaktivität zeigen (die Bedeutung der Wechselbereitschaftvon Endkunden für den Erdgasvertrieb wurde in der wissenschaftlichen Diskussion bereits un-tersucht (Wiedmann/Hennings/Kilian 2005, S. 44ff.)), so ist gerade die Position im Vergleich zuanderen Energieformen für den wirtschaftlichen Erfolg von Erdgas ausschlaggebend. Aus derSicht des Energiedienstleisters sollen in dieser Betrachtung sowohl die netz- als auch die ener-gieseitigen Einflussfaktoren auf die Erdgasbeschaffung, die Beschaffungskosten und damit aufdie gegenüber dem Endkunden darstellbaren Gesamtabgabepreise aus der Sicht eines typischengroßstädtischen Energievertriebs (hier am konkreten Beispiel des Wiener Versorgers) einge-schlossen werden. Um eine möglichst umfassende Übersicht bieten zu können, werden auch diesonstigen Beeinflussungen der Gesamtkostensituation, wie vor allem Steuern, Abgaben oderMesspreise, berücksichtigt. Der Fokus soll aber vorwiegend auf der (energiewirtschaftlichen)Kostenseite liegen; die bei Versorgern naturgemäß angestellten Überlegungen zur Festlegung vonMarketing- und Vertriebskosten, Personalkosten oder Margen in den einzelnen Kundensegmentenwerden hier nur in der Form von geschätzten Zuschlägen berücksichtigt, um eine durchgängigeDarstellung bieten zu können.

Das österreichische Marktmodell

Mit der vollständigen Marktöffnung zum 1.10.2002 wurde der österreichische Gasmarkt in dreiRegelzonen eingeteilt (Ost, Tirol und Vorarlberg). In jeder dieser Regelzonen sorgt der Regel-zonenführer für die technische Stabilität des Transportleitungssystems und die Verwaltung be-stehender Transportkapazitäten im Leitungsnetz (Abbildung 1).

II.

Peter Deschkan

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Abb. 1: Die drei Regelzonen des österreichischen ErdgasmarktsQuelle: Eigene Darstellung

In den einzelnen Regelzonen sind die verschiedenen Marktteilnehmer, wie Versorger, Händlerund Kunden zu Gruppen („Bilanzgruppen“) zusammengeschlossen, die für den Ausgleich zwi-schen Aufbringung und Entnahme von Erdgas verantwortlich sind. Das Bilanzgruppenmodell istdie Voraussetzung für eine erfolgreiche Trennung von monopolistischem Netzbereich und demHandelsbereich. Diese Trennung ist erforderlich, um den Wettbewerb zwischen Versorgern zuermöglichen und den vormals an ihren Gebietsversorger gebundenen Kunden die Chance zu bie-ten, Energie auch bei anderen Anbietern zu beziehen. Durch die Netzbereiche übergreifendenBilanzgruppen können neue Versorger Kunden aus allen Bereichen der Regelzone zusammen-fassen und beliefern (Abbildung 2).

Erdgasversorgung in Österreich

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Abb. 2: Beziehung der Marktteilnehmer im österreichischen ErdgasmarktQuelle: Eigene Darstellung

Erklärung:● Netzbetreiber sind Betreiber von Fern- und Verteilungsnetzen.● Regelzonenführer sind verantwortlich für die Systemstabilität der Regelzone.● Clearingstelle (Bilanzgruppenkoordinator oder Market Operator): ermittelt anhand der von

den Netzbetreibern und Marktteilnehmern zur Verfügung gestellten Daten die Differenzenzwischen Ein- und Ausspeisung (das entspricht der Ausgleichsenergiemenge), den Preis fürdie Ausgleichsenergie und verwaltet die einzelnen Marktteilnehmer in organisatorischer undabrechnungstechnischer Hinsicht.

● ZPT steht für die einzelnen Verbrauchsstellen (Zählpunkte), also die Endkunden.● Der Zweck von Bilanzgruppen besteht hauptsächlich in der Sicherstellung des Ausgleichs von

Verbrauch und Beschaffung von Erdgas in der Bilanzgruppe. Die Bilanzgruppe plant den Be-darf der Bilanzgruppenmitglieder für jede Stunde und gemeinsam mit den Versorgern dieDeckung der Nachfrage. Weichen die benötigten Mengen vom prognostizierten Volumen ab,muss dafür Ausgleichsenergie vom Regelzonenführer abgerufen werden, die über einen eigensdafür geschaffenen Ausgleichsenergiemarkt gehandelt wird. Die Bilanzgruppen bzw. die inihrem Rahmen tätigen Lieferanten sind für die Energiebeschaffung und die Versorgung derEndkunden mit Erdgas verantwortlich.

Peter Deschkan

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Beschreibung des Wiener Versorgungsbereichs – Ausgangsdatenfür die Berechnungen1

Die folgende Analyse bezieht sich auf den Kleinkunden-, Gewerbe- und Kleinindustriesektor, dergesamte Strom- und Wärmeerzeugungsbereich sowie industrielle Großkunden werden nicht be-rücksichtigt. Der grundlegende Aufbau der Kundensegmentierung folgt den Vorgaben der Gas-Systemnutzungstarife-Verordnung (Gas-Systemnutzungstarife-Verordnung, zuletzt geändertdurch GSNT-VO 2008-Novelle 2009), die eine mengen- bzw. verbrauchsabhängige Staffelungbei der Ermittlung von Netzentgelten vorsieht – ein auch im Energiebereich sinnvoller Ansatz(Abbildung 3).

Abb. 3: Kundenanalyse WienQuelle: Eigene Darstellung

Erläuterungen:● Anzahl bezeichnet die Anzahl der Zählpunkte in den einzelnen Staffeln; ein Zählpunkt be-

zeichnet jede Einspeise- und/oder Entnahmestelle, an der eine Gasmenge messtechnisch erfasstund registriert wird.

● Verbrauch ist die jährliche Abgabemenge an alle Zählpunkte.● Das Sommer-/Winterverhältnis ist ein Indikator für die Verteilung der Last über das Jahr,

wobei hier nur der Winteranteil angegeben wurde. Ein Verhältnis von 50:50 charakterisiertbeispielsweise einen Kunden mit bandförmiger Abnahme, üblicherweise einen industriellen

III.

1 Die hier angeführten Daten wurden aus Gründen der Geheimhaltung verändert und dienen lediglich als Modellbzw. Annäherung an die Realität.

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Beschreibung des Wiener Versorgungsbereichs – Ausgangsdatenfür die Berechnungen1

Die folgende Analyse bezieht sich auf den Kleinkunden-, Gewerbe- und Kleinindustriesektor, dergesamte Strom- und Wärmeerzeugungsbereich sowie industrielle Großkunden werden nicht be-rücksichtigt. Der grundlegende Aufbau der Kundensegmentierung folgt den Vorgaben der Gas-Systemnutzungstarife-Verordnung (Gas-Systemnutzungstarife-Verordnung, zuletzt geändertdurch GSNT-VO 2008-Novelle 2009), die eine mengen- bzw. verbrauchsabhängige Staffelungbei der Ermittlung von Netzentgelten vorsieht – ein auch im Energiebereich sinnvoller Ansatz(Abbildung 3).

Abb. 3: Kundenanalyse WienQuelle: Eigene Darstellung

Erläuterungen:● Anzahl bezeichnet die Anzahl der Zählpunkte in den einzelnen Staffeln; ein Zählpunkt be-

zeichnet jede Einspeise- und/oder Entnahmestelle, an der eine Gasmenge messtechnisch erfasstund registriert wird.

● Verbrauch ist die jährliche Abgabemenge an alle Zählpunkte.● Das Sommer-/Winterverhältnis ist ein Indikator für die Verteilung der Last über das Jahr,

wobei hier nur der Winteranteil angegeben wurde. Ein Verhältnis von 50:50 charakterisiertbeispielsweise einen Kunden mit bandförmiger Abnahme, üblicherweise einen industriellen

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1 Die hier angeführten Daten wurden aus Gründen der Geheimhaltung verändert und dienen lediglich als Modellbzw. Annäherung an die Realität.

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Kunden mit kontinuierlicher Produktion. Der in Wien vorherrschende Typ ist hingegen we-sentlich stärker heizlastig – ein großer Teil der Jahresmenge wird im Winter bezogen.

● Der Anschlusswert bezeichnet die technisch mögliche Maximalleistung.● Die angeführten Gaszählergrößen geben nur typische Größenklassen in der jeweiligen Staffel

an; selbstverständlich kommen auch noch größere Zähler zum Einsatz, wie auch im Punkt„Messkosten“ noch ausführlicher behandelt wird.

Die Kenngrößen für Energie und Netz werden in den entsprechenden Unterpunkten näher be-handelt.

Transportkosten – Netz

Neben der Trennung von Netz- und Energiebereich ist die Einführung eines durch Verordnungfestgesetzten Tarifs, der an die Stelle der früher in den Erdgasbezugs- oder separaten Transport-verträgen vereinbarten Entgelte getreten ist, die wesentlichste Neuerung in der Beschaffungs-landschaft für Erdgas. Der Transportkunde (d. h. Netznutzer) zahlt für die von ihm benötigteDienstleistung ein Entgelt an den Netzbetreiber, an dessen Netz seine Anlage(n) angeschlossenist bzw. sind. Dieses beinhaltet alle Transportkosten vom Eintrittspunkt (Entry-Point) in dasösterreichische Netz über die Fern- und Verteilerleitungsebene bis zum Hausanschluss. Andersals z. B. in Deutschland wurde in Österreich für die Festlegung von Tarifen auf das Briefmar-kensystem gesetzt. Das bedeutet, dass weder ein Entry-Exit-Modell, noch eine transaktionskos-tenorientierte Entgeltermittlung erfolgt. Einerseits fallen also für die Buchung von Kapazitätenan den Eintrittspunkten in das österreichische Netz keine Kosten an, andererseits spielt auch dieEntfernung des Verbrauchspunktes zu diesen Punkten keine Rolle. Die gesamten Kosten desübergeordneten Fernleitungssystems (Ebene 1) werden zusammengefasst und entsprechend derleistungs- und arbeitsmäßigen Belastung auf die einzelnen Netzbereiche verteilt. Auf diese Weisewird das gedankliche Modell eines „Gassees“ in die Realität umgesetzt, was im Gegensatz zudistanzabhängigen Tarifmodellen aber naturgemäß zu deutlichen Verzerrungen und Benachtei-ligungen von nahe an den Einspeisepunkten gelegenen und leistungsstarken Netzbereichen führt.Aus diesem Grund werden die endgültig den Netzen zugeordneten Kosten noch mit Ausgleichs-faktoren korrigiert, die sich am Anteil der Fernleitungskosten an den gesamten Leistungskostendes Verteilnetzbetreibers und der Entfernung von den Entry Points orientieren. Diese Faktorensollen dafür Sorge tragen, dass die Veränderungen zum System vor der Liberalisierung (und damitdie Widerstände gegen die Neuregelung) nicht zu groß werden. Die Kosten der Fernleitungsebenewerden den originären Kosten der Verteilernetze hinzugerechnet und somit Bestandteil der Ver-teilerbriefmarke der einzelnen Netzbereiche. Die gesamten Kosten des Netzbereiches inklusiveder vorgelagerten Fernleitungsebene, der Systemsteuerung und der Regulation werden in einemverordneten Briefmarkentarif abgebildet – das Ergebnis ist ein 100% Exittarif in Form eines ein-heitlichen Entgelts für jeden Kunden (Abbildung 4).

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Peter Deschkan

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Abb. 4: Netzentgelt Ebene 3 im Netzbereich WienQuelle: GSNT-VO 2008-Novelle 2009

Kunden werden auf Grund ihrer Größe und der davon abgeleiteten Pflicht zur Leistungsmessungunterschieden. Ab einem Jahresverbrauch von 400.000 kWh ist es verpflichtend, einen Lastpro-filzähler zu verwenden, und den betreffenden Kunden in der Zone A-D zu verrechnen (§ 3 (2)Verordnung betreffend Zuordnung, Erstellung und Anpassung von standardisierten Lastprofilenvom 20.12.06, zuletzt geändert am 25.1.08). Er bezahlt die verbrauchte Arbeit und die gemesseneLeistung, deren Basis das arithmetische Mittel der im Abrechnungszeitraum (1 Jahr) monatlichgemessenen höchsten stündlichen Durchschnittsbelastung (12-Monats-Mittel) ist. Die 12-Mo-nats-Mittelleistung ist die durch das Gesetz normierte Verrechnungseinheit, die allerdings in derRealität bei der Dimensionierung von Netzen keine Bedeutung hat, wo vielmehr die Maximal-leistung entscheidend ist. Auch der im Gesetz angeführte Grundsatz der Kostenorientierung imRahmen der Tariffestlegung wird nur schlecht erreicht, da die monatliche Durchschnittsbelastungdazu tendiert, Kunden mit schlechter Auslastung (z. B. hohen Winterspitzen und geringem Som-merverbrauch) im Vergleich zu Kunden mit günstiger Fahrweise (d. h. geringen Leistungsspitzendurch kontinuierliche Bandfahrweise) zu bevorzugen. Alle Kunden, die nicht in diese Kategorie„Kunden mit Leistungsmessung“ fallen, werden in der Zone 1-7 verrechnet (nicht-leistungsge-messene Kunden) und zahlen neben dem Arbeitsentgelt einen Pauschalbetrag, der neben fixenKostenbestandteilen, wie der Verrechnung oder dem Störungsdienst in geringem Maße das Äqui-valent des Leistungspreises der Zone A-F darstellt. Bei der Berechnung des Arbeitspreises wirdder Grundsatz des Einkommenssteuertarifs angewendet. Dies bedeutet, dass bei einem Verbrauchvon beispielsweise 17.000 kWh die ersten 8.000 kWh mit dem Tarif der Zone 1 zu multiplizierensind, die nächsten 7.000 kWh mit dem der Zone 2 und die restlichen 2.000 kWh mit dem Entgeltder Zone 3. Gleiches gilt für die leistungsgemessenen Kunden in den Zonen A-F. Da kein direkterKundenanschluss an die Fernleitungsebene (Ebene 1) erfolgen kann, befinden sich die Kunden

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Abb. 4: Netzentgelt Ebene 3 im Netzbereich WienQuelle: GSNT-VO 2008-Novelle 2009

Kunden werden auf Grund ihrer Größe und der davon abgeleiteten Pflicht zur Leistungsmessungunterschieden. Ab einem Jahresverbrauch von 400.000 kWh ist es verpflichtend, einen Lastpro-filzähler zu verwenden, und den betreffenden Kunden in der Zone A-D zu verrechnen (§ 3 (2)Verordnung betreffend Zuordnung, Erstellung und Anpassung von standardisierten Lastprofilenvom 20.12.06, zuletzt geändert am 25.1.08). Er bezahlt die verbrauchte Arbeit und die gemesseneLeistung, deren Basis das arithmetische Mittel der im Abrechnungszeitraum (1 Jahr) monatlichgemessenen höchsten stündlichen Durchschnittsbelastung (12-Monats-Mittel) ist. Die 12-Mo-nats-Mittelleistung ist die durch das Gesetz normierte Verrechnungseinheit, die allerdings in derRealität bei der Dimensionierung von Netzen keine Bedeutung hat, wo vielmehr die Maximal-leistung entscheidend ist. Auch der im Gesetz angeführte Grundsatz der Kostenorientierung imRahmen der Tariffestlegung wird nur schlecht erreicht, da die monatliche Durchschnittsbelastungdazu tendiert, Kunden mit schlechter Auslastung (z. B. hohen Winterspitzen und geringem Som-merverbrauch) im Vergleich zu Kunden mit günstiger Fahrweise (d. h. geringen Leistungsspitzendurch kontinuierliche Bandfahrweise) zu bevorzugen. Alle Kunden, die nicht in diese Kategorie„Kunden mit Leistungsmessung“ fallen, werden in der Zone 1-7 verrechnet (nicht-leistungsge-messene Kunden) und zahlen neben dem Arbeitsentgelt einen Pauschalbetrag, der neben fixenKostenbestandteilen, wie der Verrechnung oder dem Störungsdienst in geringem Maße das Äqui-valent des Leistungspreises der Zone A-F darstellt. Bei der Berechnung des Arbeitspreises wirdder Grundsatz des Einkommenssteuertarifs angewendet. Dies bedeutet, dass bei einem Verbrauchvon beispielsweise 17.000 kWh die ersten 8.000 kWh mit dem Tarif der Zone 1 zu multiplizierensind, die nächsten 7.000 kWh mit dem der Zone 2 und die restlichen 2.000 kWh mit dem Entgeltder Zone 3. Gleiches gilt für die leistungsgemessenen Kunden in den Zonen A-F. Da kein direkterKundenanschluss an die Fernleitungsebene (Ebene 1) erfolgen kann, befinden sich die Kunden

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des Großversorgers ausschließlich in den Ebenen 2 und 3, im betrachteten Wiener Fall sind dieausgewählten Kundensegmente sogar nur in der Druckstufe < 6 bar (Ebene 3).Für die angeführte Kundenstruktur (siehe Abbildung 3) ergeben sich folgende Netzkosten imWiener Netzgebiet: Das Gesamtentgelt beträgt rund 186 Mio. Euro, wobei der größte Anteil mitetwa 155 Mio. Euro dabei auf den Tarif für Arbeit entfällt (ein typisches Charakteristikum einesvon Kleinkunden dominierten Netzgebiets).

Energiebeschaffung

Um Erdgaskunden das ganze Jahr hindurch zuverlässig versorgen zu können, müssen nicht nurGaslieferverträge mit den großen Lieferanten (wie Gazprom oder Statoil) geschlossen werden,sondern darüber hinaus auch so genannte Speicher- oder Strukturierungsverträge mit Anbietern,die üblicherweise verbrauchsnah im Abnahmegebiet der Kunden angesiedelt sind. Dies ist des-wegen bedeutsam, da das Gas von den Produktionsfeldern in einem mehr oder weniger konstantenStrom gefördert und transportiert wird, wohingegen der tatsächliche Verbrauch sehr stark tem-peraturabhängig ist und dementsprechend starken Schwankungen unterliegt. Ein üblicher band-förmiger Liefervertrag könnte mit den dort vereinbarten Bezugsflexibilitäten (zumeist nur wenigeProzent) niemals diese saisonalen Bedarfsänderungen abdecken. Der Lastgang des Versorgersüber den Betrachtungszeitraum (in unserem Fall 8760 Stunden) wird durch die verbrauchte En-ergie („Arbeit“), die maximal benötigte Leistung sowie das erforderliche Speichervolumen be-schrieben.

Arbeit

Die benötigte Energie, d. h. die von der Summe aller Einzelkunden im Jahr verbrauchte Gasmenge,muss in Form von Bezugsverträgen eingekauft werden; die benötigte Jahresenergiemenge wirdim Falle Österreichs gewöhnlich zum überwiegenden Teil über Vollversorgungsverträge mitVorlieferanten abgedeckt, die bei Kunden dieser Größe relativ flexible Bezugsmöglichkeiten beischwankender Abgabe ermöglichen, d. h. großzügige Schwankungsbreiten bei den Jahresbezugs-mengen bieten. Dies ist insbesondere bei großen Versorgern von entscheidender Bedeutung, dadie jeweilige Abgabe in Abhängigkeit von den herrschenden Wetterbedingungen enorme Ab-weichungen von den Regel- bzw. Planwerten erreichen kann. Im besonders milden Jahr 2006/2007kam es in Wien zu einem Einbruch der Abgabe um etwa 25 Prozent. Die Wahl der erforderlichenBezugsmenge ist die grundlegende und wird in der Praxis oft in Anlehnung an den Bedarf einestemperaturbereinigten Regeljahres getroffen. Abbildung 3 entnehmen wir die Planabgabemengeunseres Versorgers von rund 13.100 GWh, die er beschaffungsseitig sichern muss, um seineKunden versorgen zu können. Als Basis für die Verrechnung soll der durchschnittliche Import-gaspreis (Statistik Austria 2009) für die letztverfügbaren zwölf Monate von April 2008 bis März2009 herangezogen werden. Dies bedeutet bei einem Preis von circa 300 Euro/1000m³ bzw. 30Cent/m³ oder 2,7 Cent/kWh und einem angenommenen Gewinnaufschlag des Vorlieferanten von

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0,1 Cent/kWh einen durchschnittlichen Jahresenergiepreis von 2,8 Cent/kWh. Daraus ergebensich variable Energiebeschaffungskosten von rund 366,7 Mio. Euro.

Speichervolumen

Zudem ist die für die effektive Versorgung der Kunden erforderliche Strukturdienstleistung si-cherzustellen: Da der Bezug des Erdgases großteils bandförmig erfolgt, der Verbrauch allerdingssaisonal verteilt ist, muss Speichervolumen in geologischen Speicheranlagen angekauft werden,um Kunden bedarfsgerecht versorgen zu können. Nicht benötigte Bezugsmengen werden imSommer eingespeist und in den starken Abnahmezeiten des Winters wieder entnommen. DasSpeichervolumen erlaubt die Versorgung der in Wien besonders heizlastigen Kunden auch wäh-rend der Hochlastzeiten bei gleichzeitig geringer Bandanlieferung. Die genaue Berechnung kannvertraglich auf unterschiedliche Weise erfolgen, hier soll das erforderliche Speichervolumen überdie den Bandbezug übersteigende Menge errechnet werden. Diese Methode geht von der Über-legung aus, dass ein reiner Bandkunde mit einem Sommer-/ Winterverhältnis von 50:50 keinSpeichervolumen benötigt, da sein gesamter Jahresverbrauch durch die eigentliche Gaslieferungabgedeckt werden kann. Sobald der Verbrauch im Winter höher wird, steigt der Volumenbedarf,um das Ungleichgewicht zwischen Sommer und Winter wieder ausgleichen zu können. Abbildung3 zeigt den Volumenbedarf unterschiedlicher Kundensegmente. Im Bereich bis 8000 kWh findensich verhältnismäßig viele Kunden mit relativ ausgeglichenem Sommer-/Winterverhältnis, wiedie in Wien besonders zahlreichen Kochgaskunden oder Warmwassernutzer. In den folgendenStufen erkennt man das typische Heizverhalten mit deutlichem Überhang der Abnahmemenge imWinter und dementsprechend hohem benötigten Speichervolumen. Erst im (sehr kleinen) Bereichder Wiener Großkunden beginnt der Winteranteil wieder zu sinken, da Gas in diesem Segmentverstärkt für die Produktion eingesetzt wird, die zumeist eine geringere Temperaturabhängigkeitaufweist. Die Berechnung des Entgelts für das Speichervolumen erfolgt in Anlehnung an jenesfür die Speicherleistung und wird aus diesem Grund im nächsten Punkt „Speicherleistung“ be-handelt.

Speicherleistung

Neben dem Ausgleich saisonaler Schwankungen müssen allerdings auch die stark schwankendentäglichen bzw. stündlichen Abgaben abgedeckt werden. Der Versorger muss insbesondere in derLage sein, seine maximale stündliche Höchstlast („stärkste Stunde“ – diese fällt üblicherweise inden Morgenstunden rund um 7-9 Uhr an den abgabestärksten Wintertagen an) abzudecken, wasauf zwei Arten erfolgen kann: einerseits inkludiert der Einkauf der Energiemenge selbst einezugehörige Grundleistung (Bandleistung – also die Leistung, die durch den Energiebezug selbstabgedeckt werden kann), die sich aus der Gesamtmenge/8760 Jahresstunden (inkl. etwaig vor-handener Flexibilitäten der Energiebezugsverträge) errechnet, darüber hinaus kann Speicherleis-tung in geologischen oder oberirdischen Anlagen zugekauft werden. Im Normalfall wird dieBandleistung alleine nicht ausreichen und der Zukauf von Speicherleistung nötig sein. Die Fest-

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Erdgasversorgung in Österreich

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legung dieser Gesamtleistung (Band- + Speicherleistung) ist von besonderer Bedeutung, da –abhängig vom jeweiligen Vertragsmodell – bis zu 75 Prozent der gesamten Strukturkosten aufdiesen Bereich entfallen.In der Praxis sind verschiedene Methoden der Leistungsermittlung zu finden:● Durchschnittsbildung: Mittels einfacher Methoden (wie etwa Durchschnittsbildung auf Basis

der letzten verfügbaren Ist-Daten vergangener Jahre) erfolgt die Errechnung maximaler Stun-denabgaben.

● Ableitung von technischen Norm-Auslegungsbedingungen bei der Berechnung der Heizlastvon Gebäuden ausgehend von allgemein gültigen Richtlinien (ÖNORM H 7500 Verfahren zurBerechnung der Norm-Heizlast): Diese legen für die verschiedenen Bundesländer Norm-Aus-legungstemperaturen fest (in Wien etwas weniger als -13°C). Auf Basis dieser Normtemperaturerfolgt die Festlegung der zu erwartenden maximalen Stundenabgabe.

● Regelabgabenschätzungen: Wiederum ausgehend von vorhandenen Ist-Daten erfolgt eine en-ergiewirtschaftliche Bereinigung der Heizlast sowie die Berücksichtigung etwaiger Verlustean Konkurrenzenergien (im Raum Wien vor allem Fernwärme). Aus dieser Bewertung lassensich Schlüsse auf die Maximalleistung ziehen.

● Risikoabschätzungen: Hier wird von bereits gegebenen, längerfristig stabilen, Nominierungs-niveaus ausgegangen. In diesen Fällen werden die Auswirkungen von Leistungsniveauände-rungen auf die Beschaffungskostensituation geschätzt, d. h. eine Verringerung der maximaleingekauften Spitzenleistung führt zu einem höheren Anfall zusätzlich benötigter variablerEnergiemengen.

Oft kommt es zu Kombinationen dieser Vorgehensweisen, hier wird aus Gründen der Einfachheitdie maximal nötige Speicherleistung aus der Betrachtung der vergangenen Jahre ermittelt und ausdiesen vorhandenen Ist-Werten mittels einfacher Schätzung die bei -12,4° Celsius benötigte Leis-tung berechnet (Variante 1). Von dieser wird dann die Bandleistung subtrahiert, die sich aus derGesamtbezugsmenge ableitet. Die Berechnung des für die Speicherleistung anzusetzenden Ent-gelts geht vom marktüblichen Preis für ein typisches Speicherprodukt aus. Als Richtwert soll hierder Tarif für Standarddienstleistungen, d. h. „bundled services“, also Speicherleistung in Kom-bination mit Speichervolumen gewählt werden (OMV 2009). Im konkreten Beispiel wird alsbestmöglicher Vergleichswert der fixe Tarif (10-Jahres-Kontrakt) gewählt, der an fixe Zeiträumefür die Einpressung (üblicherweise Sommer) bzw. Entnahme (Winter) gebunden ist. Als ange-nommener Jahresleistungspreis ergibt sich somit ungefähr 128 EURO/m³/h auf der Basis desJahres 2009. Die genaue Gewichtung der Speicherleistungs- und Speichervolumenanteile desGesamtentgelts ist nicht eindeutig ermittelbar; ausgehend von den praktischen Erfahrungen ausder Zeit vor der Liberalisierung des Gasmarkts wird der Leistungsanteil vereinfachend mit 75Prozent vom Gesamtentgelt angesetzt, das bedeutet 96 EUR/m³/h – umgerechnet 8,6 EUR/kWh/h. Bei der schon zuvor erwähnten Speicherleistung von 3.300 MW errechnen sich Energieleis-tungskosten von ungefähr 28,6 Mio. Euro.Bei der Berechnung des Volumenentgelts wird der grundsätzlichen Vorgehensweise gefolgt, diesoeben bei der Berechnung des Leistungsentgelts angewendet wurde – es werden also 25 Prozentdes OMV-Tarifs für Standarddienstleistungen als Volumenpreis angesetzt, das bedeutet 32 EUR/

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m³/h – oder umgerechnet 2,9 EUR/kWh/h.2 Die Kosten für das Volumen werden also über dieLeistung angenähert, was in der Praxis auch sinnvoll ist, da nur ein verfügbares Volumen in derSpeicheranlage auch die nachfolgende Ausspeicherung ermöglicht. Der Wert des gesamten Ein-lagerungsvolumens für die Wiener Kunden von etwa 3.400 GWh wird über die benötigte Spei-cherleistung von 3.300 MW hergeleitet, das sind somit 9,5 Mio. Euro.

Energiebezugsnebenkosten

Neben den soeben beschriebenen Hauptelementen bei der Beschaffung von Erdgas müssen auchnoch Kosten abgedeckt werden, die sich mit der Etablierung des Bilanzgruppensystems im ös-terreichischen Markt ergeben haben. Alle Kostenansätze sind in den Marktregeln für den Erd-gasmarkt zu finden (E-Control 2009):● Bilanzgruppenmitgliedschaft: Im Marktsystem muss jeder Zählpunkt Mitglied einer Bilanz-

gruppe sein, um zu gewährleisten, dass auch alle eingespeisten und entnommenen Mengensystemtechnisch bilanziert werden können. Während Kraftwerke oder andere Großkundenüblicherweise ihre Mengenprognosen eigenständig erstellen und somit unmittelbare Mitglie-der einer Bilanzgruppe sein können, wird die große Zahl der Kleinkunden von Versorgernzusammengefasst und gegenüber der Bilanzgruppe „vertreten“ (mittelbare Bilanzgruppenmit-gliedschaft). Die Abrechnung erfolgt über die verbrauchte Arbeit, das Entgelt beträgt: 2,12 ct/MWh bzw. 280.000 Euro.

● Fahrplanerstellung (Mengennominierung) und die damit zusammenhängende Abdeckung desAusgleichsenergierisikos: Im Bilanzgruppensystem erfolgt die kurzfristige Mengennominie-rung auf Basis von Fahrplänen, die am Vortag (day-ahead) und nach Bedarf mit zwei StundenVorlaufzeit am eigentlichen Verbrauchstag (intra-day) gesendet werden müssen. Abweichun-gen der angemeldeten Fahrplanmengen zu den tatsächlichen Ist-Mengen der einzelnen Stundenwerden mit Ausgleichsenergie glattgestellt und die angefallenen Ausgleichsenergiekosten denVerursachern verrechnet (im Fall von Überlieferungen gutgeschrieben). Öffentlich verfügbareMarktpreise sind auf Grund der geringen Anbieterzahl derzeit noch nicht vorhanden. Ausge-hend von praktischen Erfahrungen wird ein verbrauchsabhängiges Entgelt von 12,5 ct/MWhangenommen, was 1.650.000 Euro entspricht.

● Clearinggebühren: Für die gesamte im Jahr verbrauchte Energiemenge des Versorgers sind alsEntgelt für die Ausgleichsenergieermittlung und -verwaltung an die Verrechnungsstelle (Bi-lanzgruppenkoordinator) Clearinggebühren zu entrichten. Der aktuell gültige Entgeltsatz be-trägt 3,99 ct/MWh oder rund 525.000 Euro.

● Messentgelt für die Einspeisung von Erdgas aus dem Import, aus Produktion sowie aus denSpeicheranlagen: Neben den direkt dem Endverbraucher verrechneten Messkosten, fallen auchbei der Messung eingespeister Mengen in die Regelzone Kosten an, die von den Bilanzgrup-penverantwortlichen nach verbrauchter Menge an die Versorger weitergegeben werden. DasMessentgelt beträgt: 2,88 ct/MWh oder ca. 380.000 Euro.

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2 1m³ entspricht hier 11,14 kWh.

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● Sicherheitsleistungen: Um als Teilnehmer im Erdgasmarkt tatsächlich zugelassen zu werden,sind die Bilanzgruppenverantwortlichen zur Stellung von Sicherheiten verpflichtet, die zurDeckung etwaiger finanzieller Folgen aus Zahlungsverzug dienen. Die Höhe der Sicherheitenrichtet sich neben der Bonitätsbewertung vor allem nach dem Monatsumsatz, der ja den ma-ximal möglichen finanziellen Ausfall hauptsächlich beeinflusst. Auf die genaue Herleitungsoll in diesem Rahmen verzichtet werden; bei einem Versorger dieser Größe kann von einemJahresbeitrag von etwa 25.000 Euro ausgegangen werden.

Sonstige Kosteneinflussfaktoren

Messkosten

Für die Beistellung der zur Gasmengenmessung erforderlichen Messeinrichtungen durch denVerteilernetzbetreiber hat der Kunde ein Entgelt zu entrichten. Dieses umfasst neben der eigent-lichen Zurverfügungstellung des Zählers auch den Betrieb, die Eichung und die Zählerdatenaus-lesung, somit auch die Verwaltung und Verrechnung aller zählerrelevanten Daten und Auswer-tungen. Wie Abbildung 5 zeigt, ist auf Grund des klein strukturierten Wiener Erdgaskunden-marktes eine massive Häufung von kleinen Gaszählern der Größen G4 und G6 zu finden. Dieleicht unterschiedliche Anzahl der eingesetzten Gaszähler und der Kunden im Versorgungsbe-reich erklärt sich dadurch, dass insbesondere Großkunden auch mehrere Zähler im Einsatz habenkönnen. Zu den Messkosten gehören im weiteren Sinne auch die Kosten für die Ablesung, dieallerdings getrennt auszuweisen sind. Für den jährlich abzulesenden Kleinkunden betragen diesevier Euro je Jahr, während bei den monatlich verrechneten, größeren Kunden acht Euro pro Monatanfallen (Abbildung 5).

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Abb. 5: Berechnung der Mess- und AblesekostenQuelle: Eigene Darstellung

Aus Sicht des Versorgers ist also für den gesamten Kundenstock mit Mess- und Ablesekosten vonrund 17,4 Mio. Euro zu rechnen.

Steuern und Abgaben

Um alle Einflussfaktoren auf die Gesamtkostensituation darstellen zu können, müssen auch Steu-ern und Abgaben berücksichtigt werden, die neben der Umsatzsteuer, die Erdgasabgabe und imBereich Wien zusätzlich die Gebrauchsabgabe beinhalten. Die Erdgasabgabe ist die bundesge-setzlich vorgesehene Besteuerung der Lieferung und des Verbrauchs von Erdgas (§ 5 (2) Erdgas-abgabegesetz, BGBl Nr. 201/1996 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2003). Sie ist je ver-brauchtem Kubikmeter Erdgas zu verrechnen und beträgt 6,6 Cent/m³, was umgerechnet 0,5925Cent/kWh bedeutet. An Erdgasabgabe fallen bei einem Gesamtverbrauch von 13,136 TWh somit77,8 Mio. Euro an. Bei der Gebrauchsabgabe (§ 10 Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl 1966/20zuletzt geändert durch LGBl 2003/42) handelt es sich um eine Abgabe der Gemeinde Wien, diefür die Nutzung von öffentlichem Grund und Boden durch Gasversorgungsleitungen (aber auchStrom- oder Fernwärmeleitungen) zu entrichten ist. Alle bislang errechneten Kostenkomponentenunterliegen der Gebrauchsabgabe, wobei es sich aus Sicht des Gesetzes natürlich um Entgeltehandelt, die letztendlich der Kunde zu zahlen hat. Ausgehend von der Berechnungsbasis im Sinnedes Tarifs C des Gebrauchsabgabegesetzes, die Entgelt und Gebrauchsabgabe enthält, sind 6 Pro-

2.

Erdgasversorgung in Österreich

ZögU 33. Jg. 3/2010 229

Abb. 5: Berechnung der Mess- und AblesekostenQuelle: Eigene Darstellung

Aus Sicht des Versorgers ist also für den gesamten Kundenstock mit Mess- und Ablesekosten vonrund 17,4 Mio. Euro zu rechnen.

Steuern und Abgaben

Um alle Einflussfaktoren auf die Gesamtkostensituation darstellen zu können, müssen auch Steu-ern und Abgaben berücksichtigt werden, die neben der Umsatzsteuer, die Erdgasabgabe und imBereich Wien zusätzlich die Gebrauchsabgabe beinhalten. Die Erdgasabgabe ist die bundesge-setzlich vorgesehene Besteuerung der Lieferung und des Verbrauchs von Erdgas (§ 5 (2) Erdgas-abgabegesetz, BGBl Nr. 201/1996 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/2003). Sie ist je ver-brauchtem Kubikmeter Erdgas zu verrechnen und beträgt 6,6 Cent/m³, was umgerechnet 0,5925Cent/kWh bedeutet. An Erdgasabgabe fallen bei einem Gesamtverbrauch von 13,136 TWh somit77,8 Mio. Euro an. Bei der Gebrauchsabgabe (§ 10 Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl 1966/20zuletzt geändert durch LGBl 2003/42) handelt es sich um eine Abgabe der Gemeinde Wien, diefür die Nutzung von öffentlichem Grund und Boden durch Gasversorgungsleitungen (aber auchStrom- oder Fernwärmeleitungen) zu entrichten ist. Alle bislang errechneten Kostenkomponentenunterliegen der Gebrauchsabgabe, wobei es sich aus Sicht des Gesetzes natürlich um Entgeltehandelt, die letztendlich der Kunde zu zahlen hat. Ausgehend von der Berechnungsbasis im Sinnedes Tarifs C des Gebrauchsabgabegesetzes, die Entgelt und Gebrauchsabgabe enthält, sind 6 Pro-

2.

Erdgasversorgung in Österreich

ZögU 33. Jg. 3/2010 229

zent Abgabe an die Gemeinde Wien zu entrichten. Dies bedeutet im konkreten Fall also etwa43 Mio. Euro. Die Umsatzsteuer in Österreich beträgt 20 Prozent und ist auf alle Komponentenanzuwenden – somit auch auf Erdgasabgabe und Gebrauchsabgabe. Die USt-Belastung im ge-gebenen Beispiel beträgt etwa 158,9 Mio. Euro.

Überblick über die Gesamtkostensituation

Die zuvor errechneten Teilkostenkomponenten (inklusive des Gewinnzuschlages des Energie-versorgers) sollen überblicksmäßig nochmals dargestellt und zusammengefasst werden (in Mio.Euro). Wie bereits oben angeführt, wurden die Positionen Marge (10 Prozent auf die Summe alleranfallenden Kosten), sowie Marketing, Personal etc. (Fixbetrag 20 Mio. Euro) auf Grund ihrergeringen Bedeutung in dieser vorwiegend energiewirtschaftlichen Betrachtung nur mit grobenSchätzungen berücksichtigt (Abbildungen 6 und 7).

Abb. 6: GesamtkostenübersichtQuelle: Eigene Darstellung

VII.

Peter Deschkan

230 ZögU 33. Jg. 3/2010

zent Abgabe an die Gemeinde Wien zu entrichten. Dies bedeutet im konkreten Fall also etwa43 Mio. Euro. Die Umsatzsteuer in Österreich beträgt 20 Prozent und ist auf alle Komponentenanzuwenden – somit auch auf Erdgasabgabe und Gebrauchsabgabe. Die USt-Belastung im ge-gebenen Beispiel beträgt etwa 158,9 Mio. Euro.

Überblick über die Gesamtkostensituation

Die zuvor errechneten Teilkostenkomponenten (inklusive des Gewinnzuschlages des Energie-versorgers) sollen überblicksmäßig nochmals dargestellt und zusammengefasst werden (in Mio.Euro). Wie bereits oben angeführt, wurden die Positionen Marge (10 Prozent auf die Summe alleranfallenden Kosten), sowie Marketing, Personal etc. (Fixbetrag 20 Mio. Euro) auf Grund ihrergeringen Bedeutung in dieser vorwiegend energiewirtschaftlichen Betrachtung nur mit grobenSchätzungen berücksichtigt (Abbildungen 6 und 7).

Abb. 6: GesamtkostenübersichtQuelle: Eigene Darstellung

VII.

Peter Deschkan

230 ZögU 33. Jg. 3/2010

Abb. 7: Aufteilung der Netz-, Energie- und SteueranteileQuelle: Eigene Darstellung

Erdgasversorgung in Österreich

ZögU 33. Jg. 3/2010 231

Schlussfolgerung

Die Liberalisierung des Erdgasmarktes in Österreich hat zu einer weitreichenden Auftrennung derVertriebs- und Netzaufgaben geführt. Trotz dieser Teilung der früher in einer Hand gelegenenAufgaben kann sich der Vertrieb dem Kunden gegenüber nicht auf die Rolle des reinen Energie-lieferanten zurückziehen. Zwar sind neben den Steuern und Abgaben auch die Kostenkompo-nenten für die Netznutzung und die Messdienstleistung aus seiner Sicht unbeeinflussbar, dennochsteht er aus Sicht des Kunden – anders als der monopolistische Netzbetreiber – oftmals stellver-tretend für die gesamte Erdgaslieferung. Aus diesem Grund muss der Vertrieb als Energiedienst-leister stets den Blick auf die, für die Kunden relevanten, Gesamtkosten wahren, um gegenüberanderen Erdgasanbietern, aber auch den klassischen Konkurrenzenergien, erfolgreich zu bleiben.Dieser Umstand ist jedenfalls aus kommunikationspolitischer Hinsicht entsprechend zu berück-sichtigen, da die meisten Kunden nach wie vor die Auswirkungen der Liberalisierung und derdamit einhergehenden Funktionsteilung kaum zur Kenntnis genommen haben. Zu diesem grund-legenden Verständniswechsel gehört auch ein verstärktes Engagement im Bereich innovativerNeuentwicklungen im Gasbereich (beispielsweise Smart Metering). Diese werden üblicherweisevordringlich vom Netzbetreiber betreut, was zwar aus dem Blickwinkel technologischer Umsetz-barkeit sinnvoll ist, die Formulierung kundenorientierter Produktideen sollte allerdings in derVerantwortlichkeit des Energievertriebs liegen. Abstract Peter Deschkan; Consideration of the relevant cost components in the liberalized Austrian naturalgas markets from the perspective of a Viennese energy service provider Balancing group system; Cost analysis; Natural gas market; Natural gas supplier; Liberalizedmarket; Unbundling Following the complete opening of the Austrian natural gas markets in October 2002 the formerlydominating local incumbents had to split up to meet the stringent unbundling requirements. Du-ring the last few years this process has effectively led to separated gas grid operating and energysupply companies. This newly won autonomy requires a changed view on the relevant cost com-ponents and the market position as compared with competitors in the natural gas market andsubstitute energies, like oil, district heating or alternative energy sources. To remain successfulin the liberalized market the focus of the supplier still has to lie on the total price for the final

VIII.

Peter Deschkan

232 ZögU 33. Jg. 3/2010

customer, although he is no longer capable to influence all of its components. In the followingarticle all cost components will be shown for the specific case of the Viennese natural gas supply.

Literaturverzeichnis

AGGM (2009), Statistik Netzzugang, http://www.aggm.at/jart/prj3/aggm/main.jart?rel=de&content-id=1170174614305 (Zugriff: 1.1.2010).

Crastan, Valentin (2009), Elektrische Energieversorgung 2, 2.Auflage, Berlin–Heidelberg.E-Control (2009), Marktregeln für den österreichischen Erdgasmarkt, http://www.e-control.at/de/marktteilnehmer/

gas/marktregeln (Zugriff 1.1.2010).OMV (2009), Tarif für Speicherdienstleistung, http://www.omv.com (Zugriff 1.1.2010).Wiedmann, Klaus-Peter, Jörg Hennings und Thomas Kilian (2005), Wechselbereitschaft privater Endkunden als

zentrale Herausforderung im Erdgasmarketing, in: Der Markt, Vol. 44, Nr. 1, März 2005, S. 44-54.

Erdgasversorgung in Österreich

ZögU 33. Jg. 3/2010 233

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

Innovationsmanagement in gemeinwohlorientiertenöffentlichen Unternehmen

Herausforderungen und Chancen am Beispiel der DeutschenSparkassenorganisation

Deutsche Sparkassen; Innovationsmanagement; Innovationskultur; Top-Management-Support;Kundenorientierung; Wissensmanagement; Kreativitätstechniken; Diskriminanzanalyse

Die zunehmende Bedeutung eines Innovationsmanagement in Finanzinstituten wird anhand derDeutschen Sparkassenorganisation belegt. Die vorgelegte Vollerhebung beschreibt erstmals dieInnovationskultur in den deutschen Sparkassen. Die Ergebnisse wurden durch deskriptive undmultivariate statistische Analysen ermittelt. Hierbei lassen sich die deutschen Sparkassen in in-novative, teilweise innovative und nicht innovative Institute aufteilen. Sparkassen sind umso in-novativer, je mehr ihre Leitungsgremien Innovationsaktivitäten unterstützen (Top-Management-Support) und je kundenorientierter sie agieren. Die praktischen Handlungsempfehlungen an dieSparkassenorganisation lassen sich auf eine Vielzahl weiterer gemeinwohlorientierter Unter-nehmen des öffentlichen Sektors übertragen.

Einleitung: Deutsche Sparkassen als exemplarischesUntersuchungsfeld

Die deutschen Sparkassen stehen trotz ihrer gegenwärtigen Stabilisierungsfunktion für das deut-sche Finanzdienstleistungsgewerbe im Rahmen der Weltfinanzmarktkrise vor anspruchsvollenHerausforderungen hinsichtlich ihrer langfristigen Existenzsicherung. Die zu beobachtende Um-feldentwicklung erfordert künftig auch in den deutschen Sparkassen einen strengeren ertrags- undpotenzialorientierten Ressourceneinsatz als bislang. Tendenziell sinkende Nettomargen nach Ri-sikovorsorge bei gleichzeitig steigendem Ergebnisanspruch der Kapital gebenden Eigentümerbedeuten eine zwangsweise Senkung von Personal- und Sachkosten in den Sparkassen. Ansatz-punkte zur Gegensteuerung sind einerseits Erhöhung der Erträge durch gezielte, innovative Ver-triebssteuerung oder andererseits Rückführung von Ressourcen ohne hinreichende Ergebnispo-tenziale. Zu den Herausforderungen zählen im Wesentlichen zunehmende Erwartungen seitensder Kunden, verstärkter Wettbewerb, intensivierte Renditeforderungen der Anteilseigner, Re-Regulierungstendenzen und erhöhte administrative Anforderungen der Bankenaufsicht sowie dersoziodemografische Wandel.

I.

234 ZögU 33. Jg. 3/2010

Die deutsche Sparkassen-Finanzgruppe nimmt unter Größenaspekten mit einem Geschäftsvolu-men von ungefähr 3.600 Mrd. Euro im europäischen und globalen Kontext eine herausragendePosition unter den Sparkassenvereinigungen ein (DSGV 2008).1

Angesichts der genannten Herausforderungen hat die Deutsche Sparkassenorganisation im Jahr2009 das Erfordernis eines Innovationsmanagement für die Sparkassen erkannt und in ihrer ak-tuellen Geschäftsstrategie verankert. Zudem wurde zur Operationalisierung von Innovationsma-nagement-Strukturen in den Sparkassen zwischenzeitlich ein bundesweiter Innovationskreis im-plementiert (Schölzel 2009). Mit einem zeitlichen Vorlauf von einem Jahr haben die Autorendamit begonnen, die in der Deutschen Sparkassenorganisation bislang unreflektierte Thematikmit dem Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV) gemeinsam aufzuarbeiten. Das Projekt und diedamit verbundene empirische Befragung verfolgte insbesondere folgende Ziele: Zum einen sollteerstmalig der Status quo des Innovationsmanagement in deutschen Sparkassen beschrieben wer-den. Zum anderen werden aus den Befragungsergebnissen Handlungsempfehlungen zur Einfüh-rung von Innovationsmanagement-Strukturen für die Sparkassen abgeleitet.Der Artikel ist im weiteren Verlauf wie folgt aufgebaut: Kapitel II ist einem Literatur Reviewgewidmet. Kapitel III enthält das Forschungsdesign und die Befragungsmethodik. Kapitel IVveranschaulicht die Befragungsergebnisse. Die Abhandlung schließt in Kapitel V mit Handlungs-empfehlungen für ein spezifisches Innovationsmanagement in Sparkassen, die sich auf eine Viel-zahl vergleichbarer öffentlicher und gemeinwohlorientierter Unternehmen übertragen lassen.

Literatur-Review zu Innovation in Finanzserviceunternehmen

Die deutschen Sparkassen sind aufgrund föderaler Sparkassengesetzgebungen der Bundesländerals öffentliche und gemeinwohlorientierte Unternehmen einzustufen, gemäß einschlägiger auf-sichtsrechtlicher Vorschriften wie etwa dem Kreditwesengesetz gelten sie gleichsam als Banken(DSGV 2008). Der Literaturüberblick konzentriert sich daher auf Innovationsmanagement inServiceunternehmen und in der Bankenlandschaft.Hinsichtlich empirischer Forschung zum Innovationsmanagement in Sparkassen besteht bishereine Lücke in der Literatur.2 Bei den bislang verfügbaren Literaturquellen handelt es sich umpraxisorientierte Kommentierungen der aktuellen Geschäftsstrategie der Sparkassen durch Re-präsentanten der Deutschen Sparkassenorganisation.3 Die vorliegende Studie leistet einen Beitragzur Schließung dieser Forschungslücke. Allerdings existieren auch im deutschsprachigen Raumeinige Studien, die sich mit dem Innovationsmanagement in Banken allgemein beschäftigen. DieLangzeitbeobachtung bankspezifischer Innovationstrends durch das Fraunhofer Institut für Ar-beitsorganisation (IAO) Stuttgart bildet hier den Schwerpunkt. Das IAO untersucht in dem Ver-bundforschungsprojekt „Innovationsforum Bank & Zukunft“ in jährlichen Trendstudien Filial-konzepte, die „Industrialisierung“ von Banken und Bewertungen strategischer Investitionsfelder

II.

1 Der deutsche Sparkassensektor umfasst ca. 620 Einzelinstitute und befindet sich überwiegend noch in kommunalerTrägerschaft. Im Jahr 2009 wurden ca. 50 Mio. Kunden von ca. 377.000 Mitarbeitern in ca. 22.200 Geschäfts-stellen betreut (DSGV 2008).

2 Vgl. Gerstlberger/Kreuzkamp/Schölzel 2010, S. 40 ff.3 Vgl. stellvertretend Hilse 2009, Haasis 2009.

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 235

durch das Top-Management (Spath u. a. 2009; Spath/Bauer/Engstler 2008; Engstler 2009).4 Da-rüber hinaus behandelt die Arbeit von Widmer (1986) zum Innovationsmanagement in Bankenneben Bankprodukt-Fallstudien für den deutschsprachigen Raum (Schweiz, Deutschland) auchBankprodukte in den USA, Belgien sowie Italien. Die Deutsche Sparkassenorganisation wurdein der Arbeit von Widmer allerdings nur am Rande einbezogen.5 Obwohl der Servicesektor, demauch Banken und Sparkassen zuzurechnen sind, insbesondere in den westlichen Industrienationenim vergangenen Jahrzehnt eine immer höhere Bedeutung erfahren hat, reflektiert die bislang ver-fügbare Empirie diesen Wandel bisher nur in Ansätzen. In der Literatur zum Innovationsmanage-ment spielen Serviceunternehmen nach wie vor eine deutlich kleinere Rolle als produzierendeUnternehmen (Menor et al. 2002). Trotz dieses Ungleichgewichtes haben zwischenzeitlich mehrund mehr Autoren damit begonnen, Dienstleistungsinnovationen in den Fokus ihres Forschungs-interesses zu stellen. Die Identifikation zentraler Differenzierungsmerkmale eines Managementsvon Serviceinnovationen gegenüber dem Management von Produktinnovationen stellt den Aus-gangspunkt dieser neueren Literaturquellen dar.6 Die internationale Literatur zum spezifischenInnovationsmanagement in Finanzserviceunternehmen identifiziert mehrere Schlüsselaktivitätenin Zusammenhang mit der Realisierung sowie der Vor- und Nachbereitung von Finanzservice-Innovationen. Diese lassen sich in personelle und soziale sowie organisationale Faktoren unter-teilen (de Jong/Vermeulen 2003, S. 850). Aus den in der genannten Literatur diskutierten Er-folgsfaktoren für Innovationsaktivitäten im Servicesektor kristallisieren sich unter Berücksichti-gung der bisherigen Praxisliteratur zum Innovationsmanagement in Sparkassen insbesondere fol-gende Schlüsselfaktoren heraus: (i) „Top-Management-Support“, (ii) „Kundenorientierung“, (iii)„Wissensmanagement“ sowie (iv) „Kreativitätstechniken und Anreizsysteme“. Diese Schlüssel-faktoren werden im Folgenden kurz diskutiert (Abbildung 1).7

Personelle und soziale Faktoren

Personelle Faktoren umfassen die Einbeziehung von Vertriebsmitarbeitern (Atuahene-Gima1996; de Brentani 2001) und die Integration des Top-Managements sowie die Verfügbarkeit aus-reichender personeller Ressourcen (Martin/Horne 1993; Breene/Nunes/Shill 2008). Letzteres be-deutet vor allem die Beauftragung projektbezogener interdisziplinärer und abteilungsübergrei-fender Innovationsteams (Avlonitis/Papastathopoulou/Gounaris 2001; Edgett/Parkinson 1994).

1.

4 Hinsichtlich des letztgenannten Trends wurde durch den European Retail Banking Survey 2007 ermittelt (Engstler2009, S. 22), dass (i) lediglich in 3 % der deutschen und 10 % der europäischen Banken ein spezifischer Kern-prozess für das Innovationsmanagement komplett definiert und eingeführt ist, (ii) in 13 % der deutschen und 24%der europäischen Banken einzelne Prozesselemente für den zukünftigen Aufbau eines systematischen Innovati-onsmanagement etabliert sind, und dass (iii) in 72 % der deutschen und 62 % der europäischen Institute einzelneInnovationen gezielt stattfinden, jedoch noch kein systematischer Ansatz für das Innovationsmanagement imple-mentiert ist.

5 Vgl. Widmer 1986.6 Vgl. Hipp 2000; Metcalfe/Miles 2000; Küpper 2001; Teboul 2006; Küpper erachtet aufgrund einer Metaanalyse

neuerer empirischer Studien einen hohen Immaterialitätsgrad, das Phänomen der Speicherunfähigkeit und dasErfordernis eines direkten, synchronen Kontakts zwischen Kunde und Service-Anbieter sowie die Zeitgleichheitvon ‚Produktion und Konsum’ als zentrale Differenzierungsmerkmale der Servicedienstleistung gegenüber einerProduktinnovation (sogenanntes ‚uno-acto-Prinzip’), vgl. Küpper 2001.

7 Vgl. de Jong/Vermeulen 2003; Gerstlberger/Kreuzkamp/Schölzel 2010.

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

236 ZögU 33. Jg. 3/2010

Soziale Faktoren umfassen informelle Beziehungen von Mitarbeitern zu Kunden, Lieferanten,Wettbewerbern und weiteren Kooperationspartnern (Sundbo 1997; Alam/Perry 2002), die Pflegeeiner offenen Kommunikationskultur (Lievens/Moenaert/S’Jegers 1999; Vermeulen/Dankbaar2002) sowie hohe Freiheitsgrade für die innovierenden Mitarbeiter (de Jong/Vermeulen 2003,S. 852).

Organisationale Faktoren

Erfolgsrelevante organisationale Faktoren umfassen den systematischen Einsatz von Problemlö-sungs-, Kreativitäts- und Planungstechniken (Meyer/de Tore 2001; de Jong/Kemp 2001), die ge-zielte Freistellung von Mitarbeitern mit Schlüsselkompetenzen (Vermeulen 2001) sowie dieMarktbeobachtung, den Pretest vor Markteinführung durch antizipative Kundenintegration undeine sorgfältig geplante Produktplatzierung am Markt (z. B. Edgett 1994; de Brentani 2001). Alsorganisationale Faktoren im Bereich der Unternehmenskultur gelten die schriftliche Formulierungund Implementierung einer Innovationsstrategie im Rahmen der Gesamtstrategie des Unterneh-mens (z. B. Edgett 1993; de Jong/Kemp 2001), eine kontinuierliche Mitarbeiterqualifikation undinnovationsbezogene Trainings (Drew 1995 a; de Jong/Vermeulen 2003, S. 852) sowie die Auf-bau- und Ablauforganisation des Innovationsmanagement (Drew 1995 b). Das Spektrum der ein-gesetzten Instrumente reicht hier von Job- und Aufgaben-Rotation bis zu speziellen Innovations-abteilungen (de Jong/Kemp 2001; Sundbo 1997; Scarbrough/Lannon 1989).Das Fazit des Literatur Review besteht in der Erkenntnis, dass die Thematik Innovationsmanage-ment im Finanzdienstleistungssektor zwar zunehmende Beachtung findet, allerdings in der deut-schen Sparkassenlandschaft bislang nahezu unreflektiert ist. Die relevante Literatur identifiziert„Top-Management-Support“, „Kundenorientierung“, „Wissensmanagement“ sowie „Kreativi-tätstechniken und Anreizsysteme“ als wichtige Dimensionen für den Innovationserfolg von Spar-kassen.8

Forschungsdesign und Befragungsmethodik

In einer quantitativen Befragung wurden alle deutschen Sparkassen in Zusammenarbeit mit demOstdeutschen Sparkassenverband (OSV) im Zeitraum zwischen dem 14. November 2008 unddem 31. Januar 2009 zu ihrem Innovationsverhalten bzw. dem Status quo des Innovationsma-nagement in der Sparkassenorganisation befragt. Bei der Vorbereitung des Untersuchungsdesignswurde unterstellt, dass sich die Innovationsmanagementaktivitäten der deutschen Sparkassen mo-dellhaft abbilden lassen und deren Innovationsfähigkeit bzw. der Innovationsreifegrad gemessenund empirisch evaluiert werden kann. Basis für die Untersuchung bildet ein Innovations-Frage-bogen, dessen Inhalt und Konzeption wesentlich auf den Fragen des EFQM-Modells (EFQM1999) sowie den im theoretischen Modell von de Jong und Vermeulen (de Jong/Vermeulen 2003)

2.

III.

8 Vgl. Gerstlberger/Kreuzkamp/Schölzel 2010.

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 237

identifizierten Erfolgsfaktoren für Innovationsaktivitäten im Service-Sektor fußt. Es wurde einweitgehend standardisierter zwölfseitiger Fragebogen mit 29 geschlossenen Fragen eingesetzt.Durch die Vollerhebung wurde der Implementierungs- und Umsetzungsgrad der BetrieblichenInnovationssysteme in den deutschen Sparkassen überprüft. Darüber hinaus wurde die bisherigesektorale Unterstützungsleistung der Sparkassen-Finanzgruppe für die Einzelinstitute analysiert.Die Datenauswertung erfolgte dabei sowohl deskriptiv als auch multivariat.Eine erste Version des Fragebogens wurde basierend auf einem umfassenden Literatur Reviewund Gesprächen zunächst mit 25 Managern aus dem Finanz- sowie Beratungssektor erstellt undim Anschluss einem Pretest unterzogen. Dabei wurden gezielt Manager solcher Sparkassen fürdas Pretesting ausgesucht, die sich bereits mit der Entwicklung neuer Finanzservices beschäftigthaben. Hierbei wurden die Manager darum gebeten, Feedback zu den einzelnen Fragen und zumAufbau des Fragebogens zu geben. Dieses Ergebnis ist im Anschluss nochmals mit fünf Wissen-schaftlern aus dem Bereich Innovationsmanagement diskutiert. Im Nachgang des Pretest wurdenauf diese Weise einige Fragen eliminiert bzw. modifiziert, und es wurden zusätzliche Fragenaufgenommen. Basierend auf dem Feedback der befragten Sparkassenmanager wurde das Inno-vationsergebnis der Sparkassen als zentrale Output-Variable bei der Auswertung des finalen Fra-gebogen daran gemessen, ob und in welchem Ausmaß die befragte Sparkasse in den vergangenenfünf Jahren Dienstleistungs- und/oder Prozessinnovationen realisieren konnte. Die Spezifikationdieses Aspekts wurde den Autoren aufgrund der bislang nur rudimentär vorhandenen Umgangs-routine mit der Output-Variable Innovationsergebnis von den Pretestern empfohlen. Im Ergebnisverbesserten die vorbezeichneten Näherungsschritte den Validitätsgrad des Bogens zunehmend.Die Vorgehensweise folgt damit dem in der Literatur vorgeschlagenen gängigen Verfahren desPretesting (Hunt/Sparkman/Wilcox 1982). Abbildung 1 verdeutlicht die untersuchten For-schungsfragen und die Analysemethodik auf Basis des Einflussfaktoren-Modells von de Jong/Vermeulen (2003).

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

238 ZögU 33. Jg. 3/2010

Innovation und Wissensmanagement (IuK)?

Theoretische Basis, Forschungsfragen und Untersuchungsmethodik des Innovations-Survey der Sparkassen

Innovation und gesellsch. Verantwortung?

Innovation und Kundenorientierung?

Innovation und Prozessmanagement?

Innovationsstrategie und Zukunftspolitik?

Innovation und Mitarbeiterorientierung?

Innovationskultur und Innovationsbereitschaft?

Innovation und Topmanagement-Support?

Innovationsressourcen- und Netzwerkmanagement?

Innovationscontrolling und -–entwicklung?

Bewertung bisheriger Innovationsleistung?

Innovation, Kreativitäts-techniken und Anreizsysteme

Bestimmung des

‚Ausgangs-klimas für

Innovations-managementin deutschen Sparkassen‘im Rahmen

einer Vollerhe-

bung durch Häufigkeits-verteilung, Faktoren-analyse, Varianz-analyse,

Diskrimi-nanzanalyse;

Basis: 12seitiger

Fragebogen mit 142

Variablen in 29 Fragen

Ableitung von

Handlungs-empfeh-

lungen aus den

Befragungs-ergebnissen

für die deutschen

Sparkassen

Darstellung der

wesentlichen Analyse-

ergebnissedes

Innovations-Survey

Bereitstellung personeller Innovationsressourcen

Organisation interner Innovationsstrukturen und

Task Rotation

Einsatz von Innovationstools und Kreativitätstechniken

Innovationsvisions- und -strategiesystem

Netzwerkbeziehungen/Kundenintegration

Promotoreneinfluss

Bereitstellung finanz. und zeitl. Innovationsressourcen

Informations- und Kulturmanagement

Sicherstellung Mitarbeiterautonomie und -

Involvement

Mitarbeiterqualifikation

Marktanalyse und Marktplatzierung

Innovationsförderliche IT

per

son

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Jon

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n(2

003)

EinflussfaktorenKategorien

von Einfluss-faktoren

Mod

ell abgebildet in

definierten Forschungsfragen und -kategorien

Analyse-methoden

Ergebnisse und

Ausblick

Innovation und Wissensmanagement (IuK)?

Theoretische Basis, Forschungsfragen und Untersuchungsmethodik des Innovations-Survey der Sparkassen

Innovation und gesellsch. Verantwortung?

Innovation und Kundenorientierung?

Innovation und Prozessmanagement?

Innovationsstrategie und Zukunftspolitik?

Innovation und Mitarbeiterorientierung?

Innovationskultur und Innovationsbereitschaft?

Innovation und Topmanagement-Support?

Innovationsressourcen- und Netzwerkmanagement?

Innovationscontrolling und -–entwicklung?

Bewertung bisheriger Innovationsleistung?

Innovation, Kreativitäts-techniken und Anreizsysteme

Bestimmung des

‚Ausgangs-klimas für

Innovations-managementin deutschen Sparkassen‘im Rahmen

einer Vollerhe-

bung durch Häufigkeits-verteilung, Faktoren-analyse, Varianz-analyse,

Diskrimi-nanzanalyse;

Basis: 12seitiger

Fragebogen mit 142

Variablen in 29 Fragen

Ableitung von

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Befragungs-ergebnissen

für die deutschen

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Darstellung der

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Innovations-Survey

Bereitstellung personeller Innovationsressourcen

Organisation interner Innovationsstrukturen und

Task Rotation

Einsatz von Innovationstools und Kreativitätstechniken

Innovationsvisions- und -strategiesystem

Netzwerkbeziehungen/Kundenintegration

Promotoreneinfluss

Bereitstellung finanz. und zeitl. Innovationsressourcen

Informations- und Kulturmanagement

Sicherstellung Mitarbeiterautonomie und -

Involvement

Mitarbeiterqualifikation

Marktanalyse und Marktplatzierung

Innovationsförderliche IT

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Analyse-methoden

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Ausblick

Abb. 1: Theoretische Basis, Forschungsfragen und Untersuchungsmethodik des Innovations-Survey der Sparkassen9

Befragungsergebnisse

Die Befragungsergebnisse lassen sich grundsätzlich in deskriptiv (vornehmlich durch Häufig-keitsauszählungen) ermittelte Befragungsergebnisse sowie multivariat ermittelte Befragungser-gebnisse einteilen.

Deskriptive Ergebnisse

Von 446 angeschriebenen Sparkassen nahmen 124 an der Befragung teil, was einer akzeptablenGesamt-Rücklaufquote von ca. 28 % entspricht. Alle 124 Fragebögen konnten für deskriptive

IV.

1.

9 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an de Jong/Vermeulen 2003.

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 239

Auswertungszwecke verwendet werden. Aufgrund einiger fehlender bzw. nicht verwertbarer An-gaben bzw. in Bezug auf wesentliche, für weiterführende multivariate Analysen erforderlicheFragen konnten hierzu lediglich 98 der 124 Bögen verwendet werden. Dies entspricht – bezogenauf den multivariaten Analyseteil – einer Verwertbarkeitsquote von 79 % bzw. einer ebenfallsakzeptablen Teilrücklaufquote von ca. 22 %. Bei 64,5 % der Antwortenden handelte es sich umTop-Führungskräfte (i. d. R. Vorstandsmitglieder) der befragten Sparkassen, bei den restlichen35,5 % um Angehörige der zweiten Führungsebene (i. d. R. Direktoren von Vorstandsstäben oderanderen innovationsrelevanten Abteilungen, wie z. B. Controlling/Unternehmens-/Gesamtbank-steuerung). Die Auswertung der gesammelten Daten erfolgte mit Hilfe des StatistikprogrammsSPSS 15.0.

Organisationale Einflussfaktoren

Die wesentlichen Befragungsergebnisse zur Selbstwahrnehmung bisheriger Innovationsleistungkönnen für die deutschen Sparkassen im Bereich der organisationalen Einflussfaktoren wie folgtzusammengefasst werden: Lediglich 22 % der Sparkassen vertreten die Auffassung, dass Inno-vationsmanagement infolge der Weltfinanzmarktkrise (eher) keine zunehmende Bedeutung er-langen wird, während 55,3 % die Wichtigkeit der Thematik erkennen und diese Einschätzung vonweiteren 22,7 % teilweise bestätigt wird. 76,2 % der Befragten erachten Innovationsmanagementals strategisch wichtig für Sparkassen, wenngleich lediglich 20,3 % die Auffassung vertreten, dassInnovationsmanagement ein etabliertes Thema in der Deutschen Sparkassenorganisation ist. Inihrer Selbsteinschätzung gehen die Sparkassen beim Umgang mit Innovationsprozessen eherstrukturiert vor, was Bereitschaft für ein systematisches Innovationsmanagement erkennen lässt.Dies lässt sich an einem diesbezüglichen Top-Box-Wert von 43,6 % und einer Teils-Teils-Posi-tionierung von 33,9 % für den Grad der Zustimmung erkennen. Die große Mehrheit der Institute(84,7 %) verfügt über ein schriftliches Strategiedokument, das für alle Mitarbeiter zugänglich ist,als Ansatzpunkt für die Formulierung einer Innovationsstrategie. Bisher hat allerdings erst dieMinderheit der Sparkassen begonnen, systematisch eine Innovationsstrategie zu formulieren (33,3%) und diese regelmäßig zu überarbeiten (36,4 %). Dies gilt auch für die Entwicklung einesspezifischen Innovations-Controlling: 82,9 % der Sparkassen geben an, keine speziellen Indika-toren für die Messung des Innovationserfolges in der Gesamtbanksteuerung zu kennen bzw. ein-zusetzen. Eine qualitativ hochwertige IuK-Technik (80,2 %) sowie turnusmäßig durchgeführteKundenbefragungen (68,5 %) als wichtige Voraussetzungen für ein Innovationsmanagement sindmehrheitlich gegeben.

Unternehmenskulturelle und personelle Einflussfaktoren

Im Bereich der unternehmenskulturellen und personellen Einflussfaktoren können darüber hinausfolgende wesentliche Befragungsergebnisse als Fazit festgehalten werden: Die Vorstände undweiteren Führungskräfte der Sparkasseninstitute messen dem Thema Innovationsmanagementwachsende Bedeutung zu. Dies lässt sich aus Top-Box-Werten von bis zu 76,2 % Zustimmungs-

a)

b)

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

240 ZögU 33. Jg. 3/2010

grad für die drei Fragen ableiten, die diesen Umstand abfragten. Regelmäßige innovationsbezo-gene Zusammenkünfte und Zusammenarbeit mit dem Personalrat als wichtige Voraussetzungenfür ein Innovationsmanagement sind mehrheitlich gegeben (Top-Box-Wert bzw. Zustimmungs-grad 60,5 %). Wichtigster Partner innovierender Teams in den Sparkassen bei Kooperationspro-jekten waren in den vergangenen Jahren externe Berater (47,6 %), gefolgt von den regionalenSparkassenverbänden (37,9 %), Dienstleistern (31,5 %), Verbundpartnern (25,8 %) und anderenSparkassen (24,2 %). Innovationskooperationen mit dem DSGV (17,7 %), Forschungseinrich-tungen (12,9 %) und Kunden (10,5 %) spielen für die Sparkassen bislang eine eher untergeordneteRolle. Mit Bezug auf die in der multivariaten Analyse für Innovationsmanagement in Sparkassenals wichtig herausgestellte Kundenorientierung besteht aus Sicht der Autoren an dieser Stelle dasgrößte Optimierungspotential bzw. der höchste „Nachholbedarf“ für die Sparkassen. Dieses Er-gebnis korrespondiert mit einem weiteren Befund der deskriptiven Analysen, wonach die Institutemehrheitlich noch nicht oder erst in Ansätzen mit der operativen Umsetzung des Innovationsma-nagement auf der Ebene personenzentrierter Kooperationen und Netzwerke, Zielvereinbarungen,Prozesse sowie Instrumente begonnen haben.

Innovationsergebnis und Systematisierungsgrad

Die zentralen Ergebnisse im Bereich der Forschungsgegenstände Innovationsergebnis und Sys-tematisierungsgrad des Innovationsmanagement lauten: Die deutschen Sparkassen verfügtendurchschnittlich zu 60 % über einen institutionalisierten Entwicklungsprozess für einen odermehrere unterschiedliche Innovationstypen. Sie führten insofern in den vergangenen fünf Jahrenmehrheitlich Produkt-/Dienstleistungs- und Prozess-/Technikinnovation durch und waren damitfaktisch innovationsaktiv. Nur eine Minderheit hat darüber hinaus allerdings bereits – unabhängigvom Innovationstyp – einen allgemeinen Innovationsentwicklungsprozess formuliert (19,0 %).Keine der befragten Sparkassen beschäftigt einen hauptberuflichen Innovationsmanager und le-diglich 6,6 % der deutschen Sparkassen sind prozessual an einem ISO-zertifizierten Manage-mentsystem ausgerichtet.Bezogen auf die Unterscheidung von einerseits organisationalen sowie andererseits unterneh-menskulturellen und personellen Einflussfaktoren zeigen die Analysen starke Entwicklungsun-terschiede eher innerhalb dieser beiden Faktoren-Bündel als zwischen ihnen. Die Gemeinsam-keit zwischen organisationalen sowie kulturellen und personellen Faktoren besteht darin, dass inbeiden Bereichen die notwendige Bereitschaft und die erforderlichen strategischen und techni-schen Rahmenbedingungen, Innovationsprozesse systematisch zu managen, in den Sparkassenund ihrem Verbund mehrheitlich existieren. Mit der materiellen Umsetzung der generellen Inno-vationsbereitschaft durch konkrete Innovationsstrategien sowie der Implementierung innovati-onsförderlicher Prozesse und Instrumente hat dagegen erst eine sehr geringe Minderheit der deut-schen Sparkassen begonnen. Die nachfolgende Abbildung 2 fasst wichtige deskriptive Ergebnissezum Ausgangsklima für Innovationsmanagement in Sparkassen zusammen.

c)

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 241

Ausgangsklima für Innovationsmanagement in Sparkassen

Entstehen den Sparkassen Wettbewerbsvorteile durch IM?

Ist IM ein etabliertes Thema in der Sparkassenorganisation?

Ist IM strategisch wichtig für Sparkassen?

Erlangt IM zunehmende Bedeutung in Sparkassen?

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Existiert für alle MA zugängliches Strategiedokument in der SPK?

Enthält das Strategiedokument auch Aussagen zu IM?

Erfolgt eine regelmäßige Überarbeitung der Innovationsstrategie?

55,3*

76,2

Werden Innovationserfolgsindikatoren im Controlling eingesetzt?

Ist eine qualitativ hochwertige IuK für IM gegeben?

20,3

84,7

36,4

33,3

9,9

80,2

* Top Box in %

Erfolgen regelmäßig Kundenzufriedenheitsbefragungen? 68,5

Regelmäßige Zusammenkünfte der Führung mit dem Personalrat? 60,5

Prozentualer Zustimmungsgrad Item

Hat die Sparkasse ein strukturiertes Vorgehen bei IM? 43,6

69,7

(eher) ja teils/teils (eher) nein weiß nicht

22,7 22,0

4,918,9

30,1 47,2

18,9 10,7

33,9 22,5

8,9 6,4

22,8

17,8

43,9

41,5 4,3

4,9 82,9

13,2 5,8

23,4 8,1

30,3 5,9

Ausgangsklima für Innovationsmanagement in Sparkassen

Entstehen den Sparkassen Wettbewerbsvorteile durch IM?

Ist IM ein etabliertes Thema in der Sparkassenorganisation?

Ist IM strategisch wichtig für Sparkassen?

Erlangt IM zunehmende Bedeutung in Sparkassen?

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Existiert für alle MA zugängliches Strategiedokument in der SPK?

Enthält das Strategiedokument auch Aussagen zu IM?

Erfolgt eine regelmäßige Überarbeitung der Innovationsstrategie?

55,3*

76,2

Werden Innovationserfolgsindikatoren im Controlling eingesetzt?

Ist eine qualitativ hochwertige IuK für IM gegeben?

20,3

84,7

36,4

33,3

9,9

80,2

* Top Box in %

Erfolgen regelmäßig Kundenzufriedenheitsbefragungen? 68,5

Regelmäßige Zusammenkünfte der Führung mit dem Personalrat? 60,5

Prozentualer Zustimmungsgrad Item

Hat die Sparkasse ein strukturiertes Vorgehen bei IM? 43,6

69,7

(eher) ja teils/teils (eher) nein weiß nicht

22,7 22,0

4,918,9

30,1 47,2

18,9 10,7

33,9 22,5

8,9 6,4

22,8

17,8

43,9

41,5 4,3

4,9 82,9

13,2 5,8

23,4 8,1

30,3 5,9

Abb. 2: Ausgangsklima für Innovationsmanagement in Sparkassen

Die deskriptive Analyse ergab weiterhin, dass die deutschen Sparkassen, die an der Befragungteilgenommen haben, anhand ihres Antwortverhaltens auf die Frage nach der Unterscheidbarkeitin Bezug auf ihre Innovationsaktivität drei verschiedenen Gruppen zugeordnet werden können:(i) „innovative“ Institute (36 % der Sparkassen realisierten in den vergangenen fünf JahrenDienstleistungs- und Prozessinnovationen), (ii) „teilweise innovative“ Sparkassen (31 % der In-stitute setzten entweder Dienstleistungs- oder Prozessinnovationen um) sowie (iii) „nicht inno-vative“ Häuser (33 % der Sparkassen erzielten weder Dienstleistungs- noch Prozessinnovationen).Die multivariaten Analysen sollen also diesbezüglich auch Auskunft darüber geben, was inno-vative Sparkassen von teilweise resp. nicht innovativen Sparkassen unterscheidet.

Befragungsergebnisse auf Basis von Faktoren- und Varianzanalysen

Der zentrale Befund der multivariaten Analyse lautet: Sparkassen sind umso innovativer, je mehrihre Leitungsgremien Innovationsaktivitäten unterstützen (Top-Management-Support) und jekundenorientierter sie insgesamt agieren.Ein χ²-Test ergibt nicht-signifikante Ergebnisse (0,388; df = 2; p = 0,824) für den Datensatzbezogen auf die Gleichverteilung der drei Gruppen. Daher verwenden die Autoren im Folgendendiese aus der deskriptiven Analyse erhaltene Gruppeneinteilung auch für die multivariate Analyse.Im ersten Schritt der Auswertung wurde durch Vorselektierung der Autoren eine explorativeFaktorenanalyse mit 18 hierzu inhaltlich relevanten von 29 Fragen des Fragebogens durchgeführt.Bevor die Faktorenanalyse realisiert wurde, sind die Daten auf ihre Eignung bezüglich dieses

2.

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

242 ZögU 33. Jg. 3/2010

Verfahrens hin überprüft worden.10 Es konnten durch die Faktorenanalyse sechs Faktoren iden-tifiziert werden, die einen Eigenwert > 1 aufweisen und insgesamt 64,8 % der beobachteten Va-rianz abdecken. Bei einer genaueren Analyse der identifizierten Faktoren wurde festgestellt, dassdie beiden letzten Faktoren lediglich durch eine Frage definiert waren. Darüber hinaus zeigte sich,dass einige Fragen nur eine Faktorladung < 0,5 aufweisen. Um eine klarere Abgrenzung derFaktoren zu erzielen, entschieden die Autoren, diejenigen Faktoren, die lediglich durch eine Fragerepräsentiert sind, für die weitere Analyse nicht mehr einzubeziehen. Zusätzlich sind für eineschärfere Trennung der Faktoren diejenigen Fragen aus der Analyse entfernt worden, die Faktor-ladungen < 0.5 aufweisen (Backhaus u. a. 2008 S. 335 ff., Hair u. a. 2010, S. 103 f.). Das endgültigeErgebnis der Faktorenanalyse bezieht sich insofern auf elf Fragen (KMO = 0,708; χ² = 332.872;df = 55; p < 0,001). Tabelle 1 zeigt die Stärke der Ladungen für die endgültig ermittelte Fakto-renlösung einschließlich der Mittelwerte aller Faktoren für die drei unterschiedenen Gruppen vonSparkassen. Durch die Faktorenanalyse konnten insgesamt 69,86 % der Varianz in den unter-suchten Daten erklärt werden. Die vier identifizierten Faktoren (in Abbildung 2 schwarz unterlegt)haben Eigenwerte zwischen 1,254 und 3,315. Zur Ermittlung der Differenz zwischen den dreiGruppen innovative, teilweise innovative und nicht innovative Sparkassen wurde eine einseitigeunivariate Varianzanalyse (ANOVA) vorgenommen (Backhaus et al. 2008, Hair et al. 2010).

Ergebniszusammenfassung der rotierten Komponenten-Matrix der Faktorenanalyse

Faktorenla-dung

Mittelwertefür drei Gruppen von SparkassenFünfstufige Likert-Skala von (1) „Aussage trifft gar nichtzu“ bis (5) „Aussage trifft völlig zu“

Gruppe 3nicht innovativ

Gruppe 2teilweiseinnovativ

Gruppe 1innovativ

1. Top-Management-Support

Die Innovationsstrategie der Sparkasse wird regelmäßig nachden Vorgaben des Vorstands überarbeitet.

0,888 2,533 2,909 3,257

Der Vorstand der Sparkasse verfügt über geeignete Methoden,um Überarbeitungsbedarf hinsichtlich der Innovationsstrategiezu erkennen.

0,907 2,367 2,455 2,857

Die Innovationsstrategie spiegelt sich in Entscheidungen desVorstands der Sparkasse über den Einsatz von Ressourcen wi-der.

0,833 2,600 2,667 3,286

Der Vorstand wirkt persönlich an der Kommunikation der In-novationsstrategie der Sparkasse innerhalb des Instituts mit.

0,661 3,267 3,273 4,000

2. Kundenorientierung

Die Sparkasse führt regelmäßig Kundenzufriedenheits-Befra-gungen durch.

0,828 3,867 3,697 4,000

Die Sparkasse verfügt über ein institutionalisiertes Kunden-und Beschwerde-Management.

0,664 3,400 3,121 3,857

Die Ergebnisse der Kundenzufriedenheits-Befragungen flie-ßen in die mittelfristige Unternehmensplanung der Sparkasseein.

0,774 3,500 3,212 3,686

10 Der Wert des Kaiser-Meyer-Olkin-Kriteriums (KMO) beträgt 0,699 für den gesamten Sparkassen-Datensatz.Dieser Wert bestätigt, dass die Daten für eine Faktorenanalyse angemessen sind. Der Bartlett’s Test ergab einχ² = 549.148; df = 153; p < 0,001. Diese Werte zeigen ebenfalls, dass die erhobenen Daten für eine Faktoren-analyse geeignet sind.

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 243

Ergebniszusammenfassung der rotierten Komponenten-Matrix der Faktorenanalyse

Faktorenla-dung

Mittelwertefür drei Gruppen von SparkassenFünfstufige Likert-Skala von (1) „Aussage trifft gar nichtzu“ bis (5) „Aussage trifft völlig zu“

Gruppe 3nicht innovativ

Gruppe 2teilweiseinnovativ

Gruppe 1innovativ

3. Wissensmanagement

In der Sparkasse wird geeignete IuK für den internen Informa-tionsaustausch eingesetzt.

0,864 3,933 4,091 4,171

In der Sparkasse wird geeignete IuK für den externen Infor-mationsaustausch eingesetzt.

0,857 3,933 4,152 4,057

4. Kreativitätstechniken und Anreizsysteme

In der Sparkasse werden geeignete Anreizsysteme zur Gene-rierung neuer Ideen eingesetzt.

0,818 2,600 2,788 2,543

In der Sparkasse werden geeignete Kreativitätstechniken zurGenerierung neuer Ideen eingesetzt.

0,776 3,267 3,394 2,971

Tab. 1: Rotierte Komponenten-Matrix der Faktorenanalyse

Als erstes wurde ein Test auf Varianzhomogenität durchgeführt. Der Levene’s Test ergab nichtsignifikante Ergebnisse für die drei Faktoren Top-Management-Support (p = 0,084), Kundenori-entierung (p = 0,844) und Wissensmanagement (p = 0,053).11 Damit konnten der Top-Manage-ment-Support, die Kundenorientierung sowie das Wissensmanagement in der ANOVA verwendetwerden. Für die Bewertung des Einsatzes von Kreativitätstechniken und Anreizsystemen wurdeein signifikantes Ergebnis (p = 0,048) festgestellt. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Er-gebnisse des Welch’s Tests (Backhaus u. a. 2008, S. 177, weiterführend Field 2009, S. 379 ff.;Hair u. a. 2010, S. 439 ff.), der einen nicht-signifikanten Wert von p = 0,097 aufweist, konnte derFaktor Kreativitätstechniken und Anreizsysteme demzufolge nicht in die ANOVA einbezogenwerden.

Top-Management-Support

Das erste Ergebnis der Faktorenanalyse besteht darin, dass Führung bzw. Top-Management-Sup-port ca. 30 % der gesamten Varianz der Daten ausmacht. Wird dieser erste und in der Faktoren-anlyse wichtigste Faktor näher betrachtet, kann unter Berücksichtigung der ANOVA-Ergebnissefestgestellt werden, dass sich die Relevanz des Top-Management-Supports signifikant (LSD p =0,003) zwischen der ersten und der dritten Gruppe unterscheidet (vgl. Tabelle 1). Des Weiterenkonnten ein signifikanter Unterschied (LSD p = 0,014) für den Faktor Top-Management-Supportsowie die Sparkassen der ersten und zweiten Gruppe festgestellt werden.Die in Tabelle 1 angegeben Mittelwerte illustrieren diese faktorbezogenen Unterschiede für diein die Faktorenanalyse einbezogenen Fragen. Die Mittelwerte aller Variablen, die dem FaktorTop-Management-Support zugeordnet sind, liegen für die innovativen Sparkassen durchgehendüber den Vergleichswerten für die teilweise innovativen und insbesondere die nicht innovativen

a)

11 Nicht signifikante Ergebnisse des Levene’s Test zeigen, dass die Varianzen zwischen den untersuchten Gruppenähnlich sind.

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

244 ZögU 33. Jg. 3/2010

Institute. Am deutlichsten zeigt sich dieser Unterschied für die Variable „Der Vorstand der Spar-kasse wirkt persönlich an der Kommunikation der Innovationsstrategie mit.“. Der Mittelwert fürdie Sparkassen der Gruppe 1 liegt hier deutlich im positiven Bereich. Die nur leicht positiv aus-fallenden Vergleichswerte für die Institute der Gruppe 2 und Gruppe 3 liegen jeweils deutlichnäher an der Skalenmitte. In diesem Fall befinden sich die nicht und teilweise innovativen Spar-kassen nahe beieinander. In anderen Fällen, vor allem für die Variable „Die Innovationsstrategieder Sparkasse wird regelmäßig nach den Vorgaben des Vorstands überarbeitet.“, liegen die teil-weise innovativen Institute näher bei den innovativen Sparkassen. Dies veranschaulicht, dasshinsichtlich der Unterstützung der Innovationsprozesse der Sparkassen durch das Top-Manage-ment die unternehmensinterne Kommunikation der Innovationsstrategie durch die Vorstände inder Einschätzung der befragten Institute verglichen mit anderen Maßnahmen derzeit am weitestenentwickelt ist. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Vorstände der Sparkassen „weiche“Kommunikationsmaßnahmen einfacher und rascher realisieren können als materielle, „harte“Veränderungen in den Bereichen strategische Unternehmensführung und Ressourceneinsatz.

Kundenorientierung

Als zweitwichtigster Faktor wird in der Faktorenanalyse Kundenorientierung identifiziert. 13 %der beobachteten Varianz werden durch den Faktor Kundenorientierung abgedeckt. Anhand derErgebnisse der ANOVA kann darüber hinaus festgestellt werden, dass in Bezug auf diesen Faktorein signifikanter Unterschied (LSD p = 0,005) zwischen den Sparkassen der zweiten und erstenGruppe existiert. Ein weiteres interessantes und auf den ersten Blick überraschendes Ergebnisbesteht darin, dass die Sparkassen der Gruppe 3 etwas stärker dazu tendieren kundenorientiert zusein als Institute der zweiten Gruppe (vgl. Tabelle 1). Eine Erklärung für dieses Ergebnis könntedarin liegen, dass ein größerer Teil der Sparkassen, die in dem untersuchten Zeitraum Dienstleis-tungs- oder Prozessinnovationen durchführten, sich auf Prozessinnovationen konzentrierte. Auf-grund dieses starken Fokus auf interne Erneuerungsprozesse ist das Thema Kundenorientierungmöglicherweise von relativ niedriger Priorität für die teilweise innovativen Institute (stellvertre-tend Harhoff 1999).

Wissensmanagement als Informations- und Kommunikationsmanagement

Mit Hilfe der Faktorenanalyse ist ermittelt worden, dass Wissensmanagement ca. 13 % der Va-rianz in den analysierten Daten ausmacht. Die ANOVA ergab, dass in Bezug auf den FaktorWissensmanagement keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei untersuchten Sparkas-sengruppen identifiziert werden konnten. Tabelle 1 lässt erkennen, dass alle Mittelwerte der Va-riablen, die unter dem Faktor Wissensmanagement zusammengefasst sind, relativ hoch ausfallen.Dies kann dem Umstand zugeschrieben werden, dass die untersuchten deutschen Sparkassen ge-nerell sehr gut mit Informations- und Kommunikationstechniken (IuK) ausgestattet sind. Allge-mein kann zudem interpretiert werden, dass sich die Sparkassen der ersten und zweiten Gruppebezüglich des Wissensmanagements kaum unterscheiden. Dies zeigen auch die Mittelwerte für

b)

c)

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 245

die beiden Variablen „In der Sparkasse wird geeignete IuK für den internen und externen Infor-mationsaustausch eingesetzt.“. Diese Mittelwerte liegen für alle drei Gruppen deutlich und mitsehr geringen Unterschieden zwischen den Gruppen im positiven Bereich (vgl. Tabelle 1). Einemögliche Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass die Einführung technologischer Werkzeuge imBereich des Wissensmanagements in allen deutschen Sparkassen grundsätzlich vergleichbarenbzw. ähnlichen Kriterien und Regeln unterliegt. Für diese Erklärung spricht, dass im Zuge derEinführung neuer IuK i.d.R. ein standardisiertes Schulungsverfahren in vergleichbarem Umfangund ähnlicher Form hinsichtlich der Nutzung neuer Wissensmanagement-Systeme in den Bankenund Sparkassen zum Einsatz kommt. Zudem kann die Ausstattung der Arbeitsplätze von Spar-kassen-Mitarbeitern mit IuK mittlerweile bundesweit als hochstandardisiert und in hohem Maßestörungsunauffällig betrachtet werden (Engstler 2009).

Kreativitätstechniken und Anreizsysteme

Lediglich ca. 11 % der Varianz in den erhobenen Sparkassen-Daten werden durch den FaktorKreativitätstechniken und Anreizsysteme abgedeckt. Die Analyse dieses Faktors ergibt allerdings,dass sich innovative, teilweise innovative sowie nicht innovative Sparkassen nicht signifikant imEinsatz von Kreativitätstechniken und Anreizsystemen unterscheiden. Daher lässt lediglich derVergleich der Mittelwerte zwischen den beiden Items, die den Faktor Kreativitätstechniken undAnreizsysteme begründen, die tendenzielle Interpretation zu, dass der Einsatz von Kreativitäts-techniken in Sparkassen in allen drei Gruppen aktuell deutlich erfolgreicher eingeschätzt wird alsder Einsatz von Anreizsystemen (vgl. Tabelle 1). Diese unterschiedliche Bewertung von Instru-menten durch die befragten Sparkassen, welche auf verschiedenartige Weise die Kreativität derMitarbeiter fördern sollen, kann damit erklärt werden, dass die existierenden Regeln für die Ge-währung von Anreizen in den Instituten als zu wenig transparent und fair eingeschätzt werden.Eine weitere Erklärung könnte darin bestehen, dass materielle Anreizsysteme bei bestimmtenstark intrinsisch motivierten Mitarbeitergruppen eher kreativitätshemmend als -fördernd wirken.Als Begründung für diese Beobachtung wird in der Literatur u. a. angeführt, dass die hohe in-trinsische Motivation dieser Beschäftigten durch die Ergebnisse der kreativen Tätigkeit als „Wertan sich“ aufgrund extern vorgegebener, standardisierter materieller Bewertungs- und Beloh-nungsmechanismen beeinträchtigt wird (stellvertretend Frey/Osterloh 2002).

Befragungsergebnisse auf Basis multipler Diskriminanzanalysen

Abschließend wurde eine multiple Diskriminanzanalyse durchgeführt. Die mindestens zwei Dis-kriminanzfunktionen, die in einer multivariaten Analyse geschätzt und einander gegenübergestelltwerden, basieren auf verschiedenartigen Kombinationen der unabhängigen Variablen. DieseFunktionen müssen immer im Zusammenhang und nicht separat interpretiert werden. Die Inno-vativität der befragten Sparkassen mit den drei Ausprägungen nicht innovativ, teilweise innovativund innovativ bildete in der realisierten Diskriminanzanalyse die abhängige Variable. Als unab-

d)

3.

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

246 ZögU 33. Jg. 3/2010

hängige Variablen wurden die vier Faktoren verwendet, die mit Hilfe der Faktorenanalyse ermit-telt worden sind.Ein Test auf Gleichheit der Gruppenmittelwerte für alle in die Analyse einbezogenen Faktorenauf Basis von Wilks’ Lambda zeigt, dass sich die Gruppenmittelwerte signifikant für die beidenFaktoren Top-Management-Support und Kundenorientierung unterscheiden (vgl. Tabelle 2; Mal-hotra 2007, S. 579 ff.; Backhaus u. a. 2008, S. 181 ff.). Die Faktoren Kreativitätstechniken undAnreizsysteme sowie Wissensmanagement zeigen keine signifikanten Unterschiede im Rahmendieses Tests.

Ergebniszusammenfassung des Tests auf Gleichheit der Gruppenmittelwerte

Faktor Wilk’s Lambda F-Ratio P

Top-Management- Support 0,897 5,459 0,006

Kundenorientierung 0,919 4,208 0,018

Kreativitätstechniken undAnreizsysteme

0,961 1,905 0,154

Wissensmanagement 0,982 0,864 0,425

Tab. 2: Ergebnisse des Tests auf Gleichheit der Gruppenmittelwerte

Die in Tabelle 3 zusammengefassten Ergebnisse der Diskriminanzanalyse zeigen, dass die ersteDiskriminanzfunktion (DF 1) ca. 82,5 % der beobachteten Varianz erklärt (Malhotra 2007,S. 591 f.; Backhaus u. a. 2008, S. 219 f.). Die Auswertung der Koeffizienten für die Schätzung derstandardisierten DF 1 belegt, dass der Faktor Top-Management-Support die wichtigste Variablefür die vorgenommene Unterscheidung der befragten Sparkassen in drei Gruppen darstellt.Es wird darüber hinaus gezeigt, dass sich die Institute der ersten Gruppe einerseits sowie dieje-nigen der zweiten und dritten Gruppe andererseits signifikant hinsichtlich des Faktors Top-Ma-nagement-Support unterscheiden (die beiden letztgenannten Gruppen weisen jeweils einen ne-gativen Korrelationskoeffizienten in Tabelle 3 auf). Hieraus kann geschlussfolgert werden, dassSparkassen, deren Innovationsaktivitäten vom Vorstand bzw. der zweiten Führungsebene intensivunterstützt werden, innovativer sind als Sparkassen mit schwächerem Top-Management-Support.Der zweitwichtigste Faktor Kundenorientierung ist mit der DF 1 ebenfalls positiv korreliert. DieSparkassen der Gruppe 1 (innovativ) sind durch ein stark kundenorientiertes Innovationsmanage-ment gekennzeichnet. Die Sparkassen der Gruppen 2 und 3 unterscheiden sich signifikant von derersten Gruppe, wodurch zum Ausdruck kommt, dass Sparkassen, die hohen Wert auf Kunden-orientierung legen, innovativer sind als solche, die Kundenorientierung keine hohe Priorität ein-räumen. Darüber hinaus ist der drittwichtigste Faktor Kreativitätstechniken und Anreizsystemeebenfalls mit der ersten Diskriminanzfunktion positiv korreliert. Allerdings fällt die Korrelati-onsstärke im Verhältnis zu den beiden erstgenannten Faktoren deutlich schwächer aus. Weitere17,5 % der Varianz werden durch die zweite Diskriminanzfunktion (DF 2) erklärt, die statistischnicht signifikant ist. Die zentrale Variable für die Differenzierung der drei Sparkassen-Gruppendurch DF 2 ist der Faktor Wissensmanagement. Kundenorientierung ist negativ mit der zweitenDiskriminanzfunktion korreliert. Darüber hinaus ist die Ladung für die dritte Gruppe der nichtinnovativen Sparkassen auf DF 2 besonders deutlich ausgeprägt. Einerseits unterstützt dies diezentrale Aussage der ersten Diskriminanzfunktion, dass nicht innovative und teilweise innovativeSparkassen Kundenorientierung bisher nicht in ausreichendem Maße in ihrer Unternehmensstra-

Innovationsmanagement

ZögU 33. Jg. 3/2010 247

tegie sowie ihren Organisationstrukturen und ihren Prozessen verankert haben. Andererseits wirdhierdurch auf die wichtige Rolle des Top Managments für die Innovationsförderung hingewiesen.Das Top Management muss die Initiative ergreifen, um effektives und effizientes Innovations-management institutionell in den Sparkassen zu verankern. Die nachfolgende Tabelle 3 fasst denSachverhalt zusammen:

Ergebniszusammenfassung der Diskriminanzfunktionen

Diskriminanzfunktion 1 Diskriminanzfunktion 2

Eigenwert 0,239 0,051

Signifikanzniveau (p <) 0,005 0,202

% Varianz 82,5 17,5

% kumulierte Varianz 82,5 100

Struktur-Matrix

Top-Management-Support 0,643* 0,562

Kundenorientierung 0,583* -0,382

Einsatz von Kreativitätstechniken und Anreizsystemen 0,394* 0,243

Wissensmanagement 0,079 0,574*

Funktionen als Gruppenzentroide

Gruppe 3: nicht innovative Sparkassen -0,231 0,316

Gruppe 2: teilweise innovative Sparkassen -0,463 0,227

Gruppe 1: innovative Sparkassen 0,634 0,057

* = signifikanter Wert

Tab. 3: Ergebniszusammenfassung der Diskriminanzfunktionen

Das zentrale Ergebnis der durchgeführten multivariaten Analysen ist, dass die Innovativität deut-scher Sparkassen eng mit der Verknüpfung von Top-Management-Support und Kundenorientie-rung verbunden ist. Sparkassen sind daher um so innovativer, je kundenorientierter sie agierenund je mehr die Leitungsorgane Innovationsaktivitäten unterstützen.Insgesamt generiert die vorgelegte Studie empirische Evidenz für das von de Jong und Vermeulen(2003) entwickelte theoretische Modell. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell geeignet ist, dieEntwicklung und Entstehung von Service-Innovationen aus einer holistischen Perspektive zu er-klären. Darüber hinaus ermöglicht die Studie, die Wichtigkeit der beiden Modellkomponenten12

sowie vier der hierauf bezogenen wesentlichen Einflussfaktoren, die das Modell beschreibt,13

empirisch zu testen. Schließlich konnten die Autoren belegen, warum manche Service-Unterneh-men innovativer sind als andere. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die Rolle desKunden als wichtigster externer Stakeholder im Rahmen von Innovationsaktivitäten in der Fi-nanzdienstleistungsindustrie künftig noch stärker als bislang in den Fokus zu stellen und zu unter-suchen sein wird. Die multivariaten Analysen bringen deutlich zum Ausdruck, dass Unternehmenin der Finanzservice-Industrie sowohl Top-Management-Support als auch Kundenorientierungim gleichen Ausmaß zu forcieren haben, sofern sie die Performanz ihrer Innovationsentwicklungverbessern wollen. Darüber hinaus wurde herausgestellt, dass IuK eine in Betracht zu ziehende

12 Diese lauten managing key activities und creating a positive climate for innovation; de Jong/Vermeulen 2003.13 Top-Management-Support, Kundenorientierung, Wissensmanagement sowie Kreativitätstechniken und An-

reizsysteme.

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

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relevante, allerdings keine hinreichende Voraussetzung für Innovationsmanagement in Finanz-service-Unternehmen darstellt. Daneben zeigen die Daten der Analyse ebenso, dass kein statis-tisch signifikanter Unterschied zwischen den drei Gruppen von Sparkassen, bezogen auf die bei-den Faktoren Wissensmanagement sowie Kreativitätstechniken und Anreizsysteme existiert.

Handlungsempfehlungen

In einer Gesamtbetrachtung bleibt festzuhalten, dass die Befragungsergebnisse das grundsätzlicheVorhaben des DSGV unterstützen, dem Thema Innovationsmanagement in der Deutschen Spar-kassenorganisation durch Überlegungen für ein sektorweites Innovationszentrum Nachdruck zuverleihen. Ebenso wird die Installation hierfür speziell ausgebildeter Innovationsmanager in denSparkassen nach Meinung der Autoren in Zukunft eine hohe Bedeutung erhalten.14 Zu den viel-fältigen Herausforderungen zählen zunächst die Schaffung sektoraler und betrieblicher Innova-tionskulturen und Innovationsmanagementstrukturen in den Mitgliedsinstituten der DeutschenSparkassenorganisation durch Organisation einer bundesweiten Vernetzung der Ideenmanage-ment-Strukturen aller Sparkassen als Initialzündung und Best-Practice-Ansatz. Des Weiteren istin diesem Zusammenhang die managementseitige Unterstützung von betrieblichen Innovations-aktivitäten in den Sparkassen (Top-Management-Support) von ebenso besonderer Wichtigkeitwie die unbedingte Ausrichtung von Innovationsaktivitäten an den Bedürfnissen des Kunden.Diese könnte bspw. durch Implementierung sogenannter Open-Innovation-Konzepte sicherge-stellt werden.Ebenfalls im Fokus sollten eine effiziente Organisation von Information und Kommunikation imRahmen des betrieblichen Wissensmanagements sowie der Einsatz von Kreativitätstechniken undAnreizsystemen stehen. Hinsichtlich der gezielten Kanalisation von Ideen, die zunächst in denEinzelinstituten generiert, an den DSGV gemeldet, dort gebündelt, aufbereitet und an die Einzel-sparkassen zurückgegeben werden, empfehlen sich u. a. nachstehende Vorüberlegungen (alsEmpfehlungen an den Innovationskreis): Klärung der erforderlichen Ressourcenbereitstellung,Festlegung des bundesweiten Prozessablaufs, Definition der Kommunikationskanäle und derFeedbackschleife gegenüber den Ideengebern zur Aufrechterhaltung der künftigen Teilnahme-motivation, Verständigung über das Property-Rights-Management des Verbandes gegenüber derideengebenden Einzelsparkasse, Verabschiedung eines wirkungsmächtigen Incentivierungssys-tems und Benennung einer prominenten Jury zur Preis-Verleihung für herausragende Ideen. Da-neben wird es erforderlich sein, Rollenverteilungen für Promotorenfunktionen festzulegen undeine sektorale Verständigung zur Implementierung von Innovationsmanagement-Strukturen her-beizuführen. Diese sollten geeignet sein, eine Innovationskultur zu begründen. Hierzu ist eineVerzahnung bisheriger Innovationsaktivitäten der regionalen Sparkassenverbände mit den bun-desweiten Überlegungen des DSGV und des Innovationskreises der Sparkassen empfehlenswert.Das grundsätzlich in Frage kommende Interaktionsspektrum der Deutschen Sparkassenorganisa-tion für Innovationsleistungen ist vielfältig und vollzieht sich zwischen inkrementeller (niedrige

V.

14 Zur Diskussion hinsichtlich der Fragestellung ‚Innovationsmanager als Beruf?’ stellvertretend Hauschildt/Sa-lomo 2007, S. 96 ff..

Innovationsmanagement

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Innovationsstufe) und radikaler Innovation (hohe Innovationsstufe). Inkrementelle Innovations-aktivität kann bspw. in technologischem Fortschritt wie der Verwendung von Biometrie in derPersonenerkennung, aber auch etwa im Einsatz neuer Informations- und Kommunikationsmedien(Einsatz von Web-2.0-Konzepten im Social Media etc.) gesehen werden. Inkrementelle Innova-tionsaktivität kann darüber hinaus bspw. in der verbundweiten Zusammenführung der Aktivitätenzum Innovations-, Qualitäts-, Prozess-, Projekt-, Ideen-, Beschwerde- und Nachhaltigkeitsma-nagement gesehen werden. Eine derartige Verzahnung zentraler Managementkonzepte würde ausSicht der Sparkassen-Finanzgruppe zur Vermeidung von Doppelarbeiten und zur Vermeidungthematischer Schnittmengen und Redundanzen führen. Diese Handlungsempfehlung kann imVerständnis der Autoren auf eine Vielzahl weiterer gemeinwohlorientierter öffentlicher Unter-nehmen und ihrer Verbände übertragen werden. Im Zusammenhang mit der Entwicklung einesProdukt- und Dienstleistungsangebotes, dass den Erwartungen des Kunden noch stärker als bis-lang gerecht wird, sollten zunehmend auch ‚radikale’ Überlegungen hin zu sogenannten must-have-products und Lebensberatungskonzepten eine zentrale Rolle einnehmen.Ein attraktives haptisches Produkt wie etwa das Apple-iPhone-Mobiltelefon oder das Apple iPadfehlt aktuell dem Sparkassensektor. Ebenso könnte organisationsweit darüber hinaus als korre-spondierende Dienstleistungsinnovation über eine Erweiterung des bisherigen Beratungskonzep-tes der Deutschen Sparkassenorganisation (Sparkassen-Finanzkonzept; Hilse 2009) hin zu PrivateLife Wealth and -Balance-Konstrukten nachgedacht werden. Konkret bedeutet dies die Erweite-rung der finanziellen Kundenberatung auf zusätzliche sparkassenseitige Unterstützung in (allen)wichtigen Lebensfragen. Die Sparkassen-Finanzgruppe könnte im o. g. Innovationszentrum der-artige Produkte und Dienstleistungen in Innovationskooperationen mit der produzierenden In-dustrie entwickeln und im Erfolgsfall dadurch zum Trendsetter und Marktführer im Bankensektorreifen. Zur Umsetzung dieser ambitionierten Strategie bedarf es einer innovationsoffenen Beleg-schaft. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit regelmäßiger Abstimmungen zwischen Vorstand undPersonalvertretungsorganen hinsichtlich der Einführung von Innovationsstrukturen in Sparkas-sen. Abstract Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp and Alex da Mota Pedrosa; Innovation managementin public welfare companies – challenges and chances. The example of the German Savings BanksAssociation. German savings banks; innovation management; innovation climate; top-management-support;customer orientation, creativity techniques; knowledge management, discriminant analysis Evidence is presented relating the growing need for innovation management in financial institu-tions by the example of the German Savings Banks Association. The survey describes the startingbasis for innovation activities in the German savings banks for the first time. The central resultof the empirical study highlights that highly innovative German savings banks differ from lessinnovative German savings banks in the way top management supports the innovation develop-

Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

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ment activities and how customer focused the companies are. The presented findings are basedon descriptive and multivariate statistical analyses. The recommended procedures can be trans-ferred to several other public welfare companies.

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Wolfgang Gerstlberger, Michael Kreuzkamp und Alex da Mota Pedrosa

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Dokumentation

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

Kurzgefasste Geschichte der Gesellschaft für öffentlicheWirtschaft e.V. und ihres Wissenschaftlichen Beirats1

Die Gründung der Gesellschaft

Die Gesellschaft wurde am 11. Juli 1951 in einer Versammlung in Berlin-Schöneberg gegründetals „Gesellschaft zur Förderung der öffentlichen Wirtschaft e.V.“ In § 1 der dort beschlossenenSatzung wurde als Zweck der Gesellschaft festgelegt:

„Die Gesellschaft zur Förderung der öffentlichen Wirtschaft e.V. bezweckt die wissen-schaftliche und praktische Unterstützung und den weiteren Ausbau aller Zweige der öf-fentlichen Wirtschaft. Sie ist überzeugt, dass die öffentliche Wirtschaft in den kommendenJahren einen stetig sich steigernden Beitrag zur Erhöhung der Produktivität der Gesamt-wirtschaft und zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung zu leisten hat.“

Als Mitglieder sollten nach § 2 der Satzung Einzelpersonen, öffentliche, gemeinnützige und pri-vate Unternehmen sowie Vereinigungen, Gewerkschaften und Behörden in Betracht kommen.Neben den üblichen Vereinsorganen war von vornherein ein Wissenschaftlicher Beirat vorgese-hen; § 3 Abs. 6 der Satzung bestimmte:

„Zur wissenschaftlichen Beratung der Gesellschaft beruft der Vorstand einen wissen-schaftlichen Beirat. Seine Mitglieder sollen möglichst Wissenschaftler oder anerkanntePersönlichkeiten der Wirtschaftspraxis sein. Er umfasst höchstens 20 Personen und tagtunter dem Vorsitz des Präsidenten der Gesellschaft. Der Präsident kann den Vorsitz einemanderen Mitglied des Vorstandes übertragen. Die Beisitzer des Vorstandes haben zu denVeranstaltungen des wissenschaftlichen Beirats Zutritt.“

Nach § 3 Abs. 7 der Satzung waren außerdem Fachausschüsse vorgesehen. Zur Tätigkeit der Ge-sellschaft bestimmte § 5 der Satzung:

„(1) Die Ergebnisse der Ausschussberatungen und die Probleme, die der wissenschaftlicheBeirat behandelt, werden in regelmäßigen Mitgliederversammlungen zur Aussprachegestellt.

I.

1 Gekürzte Fassung von: Püttner, Günter (2008), Kurzgefasste Geschichte der Gesellschaft für öffentlicheWirtschaft, in: Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft, Sonderheft, hrsg. vom Bundesverband ÖffentlicheDienstleistungen, Berlin.

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(2) Die Gesellschaft wird sich im besonderen der Förderung des Nachwuchses für Wirt-schaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis annehmen. Sie erstattet Gutachten überwirtschaftswissenschaftliche Fragen, arbeitet Wirtschaftspläne aus, die der allgemei-nen wirtschaftlichen Entwicklung dienen und unterbreitet Vorschläge, die die Ver-vollkommnung des öffentlichen Betriebes und die weitere Ausgestaltung der öffentli-chen Wirtschaft zum Ziele haben. Die Arbeit der Gesellschaft dient nicht eigenemgewerblichem Nutzen und erfolgt unentgeltlich.“

Zum ersten Präsidenten der Gesellschaft wurde Dr. Ernst Strassmann, Vorstandsmitglied derBerliner Kraft- und Licht (Bewag)-AG, gewählt. Im Jahre 1952 wurde in der Bleibtreustraße 24in Berlin (nahe dem Kurfürstendamm) die Geschäftsstelle der Gesellschaft etabliert. In einer erstenGeschäftsanweisung legte Dr. Strassmann das Schwergewicht auf die wissenschaftliche Arbeit,die umfassen sollte:2

1. Fachausschüsse, die mindestens alle vier Wochen zusammentreten und ihre Ergebnisse demWissenschaftlichen Beirat zuleiten;

2. den Wissenschaftlichen Beirat, der mindestens einmal im Vierteljahr tagt und über die Er-gebnisse der Arbeiten der Fachausschüsse entscheidet;

3. die Verbindung mit Hochschulen und Universitäten;4. den Erfahrungsaustausch mit Mitgliedsunternehmen;5. die Beratung der Sozialpartner der öffentlichen Unternehmen;6. die öffentlichen Aussprachen über wirtschaftswissenschaftliche Probleme;7. die Einrichtung eines Archivs und einer Bibliothek.Dieser sehr weit gesteckte Rahmen konnte allerdings in den nachfolgenden Jahren nicht ganzausgefüllt werden. Immerhin wurde alsbald der vorgesehene Wissenschaftliche Beirat gebildetund Prof. Dr. Gert von Eynern, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, zum Vor-sitzenden berufen, der dieses Amt bis April 1959 ausübte.Noch in die Gründungsphase gehört die Verleihung des Ehrenpräsidiums an den RegierendenBürgermeister von Berlin, Prof. Dr. Ernst Reuter, in Würdigung von dessen Verdiensten um dieGründung der Gesellschaft. Dieser hatte allerdings verlangt, die Gesellschaft, um sie nicht alsInteressenverband erscheinen zu lassen, in „Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft“ umzubenen-nen, ein Schritt, der im Januar 1955 vollzogen wurde.

Die erste Arbeitsphase 1952-1961

Schon in der Anfangsphase der Arbeit der Gesellschaft lässt sich deutlich unterscheiden zwischenden Aktivitäten der Gesellschaft als solcher und der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats. Al-lerdings gab es immer wieder Überschneidungen und verwandte Themen.Soweit ersichtlich, beschränkten sich Vorstand und Mitgliederversammlung der Gesellschaft füröffentliche Wirtschaft (GÖW) damals wie später darauf, die Regularien abzuwickeln, die Finan-

II.

2 Diese Angaben und die folgende Darstellung sind gestützt auf den Bericht von Willy Bukow im Tätigkeitsberichtder GÖW 1959-1961 sowie auf den Bericht von Gert von Eynern im Archiv für öffentliche und freigemeinwirt-schaftliche Unternehmen, Bd. 1, H. 3, Göttingen 1954, S. 276 ff.

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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zierung zu sichern und den Rahmen der Arbeit abzustecken. Die Vorstandsmitglieder, aus denMitgliedsunternehmen und -organisationen kommend, konnten als ehrenamtlich Tätige nur be-grenzte Zeit und Mühe in die GÖW investieren. In der Geschäftsstelle wirkte Georg Reichenauvon 1951 bis März 1958 als erster Geschäftsführer der GÖW. Bis April 1957 gab es neben ihmeinen „wissenschaftlichen Geschäftsführer“; dies war anfangs Kurt Hirche und ab April 1953 Dr.Wilhelm Rexrodt.Sukzessive konnten eine Bibliothek (immer im Umfang begrenzt) und das Archiv eingerichtetwerden. Wissenschaftliche Kontakte wurden besonders gepflegt, insbesondere auch ins Ausland.In diesen Zusammenhang gehört die Übernahme der Geschäftsführung der deutschen Sektion derInternationalen Forschungs- und Informationsstelle für Gemeinwirtschaft (IFIG, französisch: CI-RIEC) im Jahre 1960.Zu den wichtigsten die Öffentlichkeit erreichenden Aktivitäten der GÖW gehörten in dieser erstenPhase die über 30 Vortragsabende, die zum Teil in Verbindung mit den Mitgliederversammlungenstattfanden. Als die wichtigsten nennt der Tätigkeitsbericht von 1961:● Senator Dr. Hausmann, Berlin

Investitionsbedarf in der öffentlichen Wirtschaft Berlins● Prof. Dr. Fritz Karl Mann, Universität Washington

Der Stand der öffentlichen Wirtschaft in den USA● Dr. Hans Robinsohn, Kopenhagen

Öffentliche Wirtschaft und soziale Sicherheit● Generaldirektor Dr. Heinrich Kaun, Stuttgart

Die Existenzsicherung der privaten Wirtschaft durch die öffentliche Energie- und Wasserver-sorgung

● Prof. Dr. H. M. Oeftering, BonnDer Bund als Unternehmer

● Dr. Ernst Strassmann, BerlinÖffentliche Wirtschaft heute

● Prof. Dr. Fritz Sternberg, New YorkDer Staat in der Wirtschaft Asiens

● Prof. Dr. Hans Ritschl, HamburgDie öffentliche Hand in der Wirtschaft

● Prof. Dr. Richard Barkeley, LondonDie Nationalisierung und ihre Lehren in England

● Prof. Dr. Andreas Paulsen, BerlinDer moderne Staat in der Wirtschaft

● Bundesminister Dr. Siegfried Balke, BonnEntwicklungstendenzen bei der Deutschen Bundespost

● Prof. Dr. Gert von Eynern, BerlinDie öffentliche Wirtschaft im Kartellgesetz.

Geschichte der GÖW

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Außerdem hat es größere Tagungen gegeben, nämlich:● den Tag der öffentlichen Wirtschaft in Berlin am 5. Juli 1952,● die „Königsteiner Tagung“ mit dem Thema „Die öffentlichen Unternehmen in der Marktwirt-

schaft“ in Königstein vom 16. bis 17. Oktober 1954,● die internationale Studientagung über die öffentliche Wirtschaft in der EWG in Brüssel am

7. und 8. Dezember 1961.Der alsbald nach der Gründung der Gesellschaft berufene Wissenschaftliche Beirat nahm 1953unter dem Vorsitz von Professor von Eynern seine Tätigkeit auf. Über die erste, konstituierendeSitzung ist lediglich bekannt, dass bereits damals die Entscheidung gefallen sein muss, statt derin der Satzung der GÖW vorgesehenen Fachausschüsse Unterausschüsse des WissenschaftlichenBeirats für besondere Themen je nach Bedarf zu bilden. Es wurden dort vier Arbeitskreise gebil-det: einer zur Klärung der Frage, was unter öffentliche Wirtschaft fallen solle (später „Termino-logie-Ausschuss“ genannt), unter Federführung von Prof. Dr. Gerhard Weisser, ein zweiter zurquantitativen Erfassung der vorhandenen öffentlichen Wirtschaft (als „Enquete“-Ausschuss be-zeichnet), unter Federführung von Prof Dr. Bruno Gleitze, ein dritter zur Behandlung der Frageder für öffentliche Unternehmen geeigneten Rechtsformen, unter Federführung von Dr. HermannBrügelmann (vom Verband kommunaler Unternehmen), und ein vierter zur Untersuchung vonFinanzverflechtungen in der öffentlichen Wirtschaft, unter Federführung von Dr. Hans Storck(vom Deutschen Städtetag). Am 29 Juni 1953 und damit vor der zweiten Sitzung des Plenums desBeirats hielt der Terminologie-Ausschuss seine erste Sitzung ab. Aber auch weitere Arbeitskreisehatten ihre Arbeit aufgenommen, was sich daraus ergibt, dass in der zweiten Plenums-Sitzungdarüber berichtet wurde.Die Berichte aus den Arbeitskreisen wurden auf der Tagung am 20. Oktober 1953 intensiv dis-kutiert. Im Übrigen besagt der Tätigkeitsbericht von 1961 für diese erste Arbeitsphase seit Grün-dung des Wissenschaftlichen Beirats, dass damals Folgendes zur stärkeren Berücksichtigung insAuge gefasst wurde:

„1. Der Beirat legt Wert darauf, sich laufend zu ergänzen und zu verjüngen. Die Ergän-zung wird vor allem dazu beitragen, den Beirat so allseitig abzurunden, daß der stetsunberechtigt gewesene, aber immer wieder erhobene Vorwurf, er bestehe zur Haupt-sache nur aus Persönlichkeiten einer bestimmten parteipolitischen Herkunft, nun auchäußerlich entkräftet wird. Die Verjüngung wird zwanglos durch planmäßige, zunächstgastweise Heranziehung jüngerer Dozenten und Assistenten erreicht.

2. Der Beirat in seiner Gesamtheit wird zwei- bis dreimal im Jahr zusammentreten.3. Viel stärker als bisher werden Unterausschüsse mit Sonderaufgaben betraut werden.

Hierfür werden aus dem Beirat jeweils nur wenige besonders fachkundige Mitgliederin Anspruch genommen, der Hauptteil aber aus dem Kreis von Wissenschaftlern undPraktikern hinzugebeten werden, die mit dem Thema befaßt sind, ohne der Gesell-schaft bzw. ihrem Beirat anzugehören.

4. Alle diese Maßnahmen wird der Beirat, entsprechend seiner von der Aufgabe hergebotenen Autonomie, nach Beratung mit dem Vorstand in eigener Verantwortungtreffen.“

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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Diese weitgesteckten Ziele konnten in der Folgezeit nur teilweise erreicht werden. Es gab perso-nelle Ergänzungen im Beirat, aber nur maßvoll und ohne deutliche Verjüngung, wie die Zusam-mensetzung des Beirats 1961 zeigt. Gearbeitet wurde aber – unter Wahrung der angesprochenenAutonomie – recht intensiv, besonders in den Arbeitskreisen.So trat der Terminologie-Arbeitskreis von 1953 bis 1957 unter dem Vorsitz von Professor Weisserzu mehreren, zum Teil zweitägigen Sitzungen zusammen. Es ging dabei nicht nur um reine Ter-minologie-Fragen, sondern in deren Gewande um inhaltliche Fragen, z.B. um die Einordnung undErfassung der freien Gemeinwirtschaft. Erste Ergebnisse wurden 1954 in dem von ProfessorWeisser herausgegebenen „Archiv für öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen“veröffentlicht.3

Der Arbeitskreis „Öffentliche Unternehmen / Unternehmensformen“ befasste sich in mehrerenSitzungen von 1953 bis 1957 vor allem mit der Frage der Schaffung einer besonderen Rechtsformfür öffentliche Unternehmen. Einen entsprechenden Entwurf legte Dr. Friedrich Zeiß (von derWibera) 1955 vor; er ist als Heft Nr. 3 der Schriftenreihe der GÖW erschienen. Das Vorhabenwurde dann aber nicht weiterverfolgt und erst 1960 wieder aufgegriffen.Der Enquete-Arbeitskreis tagte unter Vorsitz von Professor Gleitze im Oktober 1953, um eineBestandsaufnahme der bestehenden öffentlichen Unternehmen zu erarbeiten. Dieses Projekt wur-de weiterverfolgt von der Geschäftsstelle der GÖW, insbesondere von deren wissenschaftlichenMitarbeitern, darunter dem späteren Geschäftsführer Wolfgang Zetzschke in Zusammenarbeit mitder von Professor Weisser geleiteten Forschungsstätte für öffentliche Unternehmen. 1957 wurdeunter dem Titel „Die öffentlichen Unternehmen in der Bundesrepublik und in Berlin. Eine vor-läufige Übersicht“ ein Verzeichnis der Unternehmen des Bundes und der Länder sowie kommu-naler Gemeinschaftsunternehmen veröffentlicht,4 das im Vorwort des Werkes als erster Schrittzu einem umfassenden Verzeichnis aller öffentlichen Unternehmen, einschließlich der kommu-nalen, mit der Zukunftsperspektive sogar eines späteren Verzeichnisses nicht nur der öffentlichen,sondern auch der freigemeinwirtschaftlichen Unternehmen bezeichnet wird.Das Plenum des Wissenschaftlichen Beirats kam nach der erwähnten zweiten Sitzung regelmäßigzusammen, so am 17. Juli 1954 und dann am 1. April 1955. In der letzteren Sitzung ging es unteranderem um Fragen der Mitbestimmung in öffentlichen Unternehmen, der Rechtsform für dieseUnternehmen und der Privatisierung, wozu im Juni 1955 Material vorgelegt wurde. In einer wei-teren Sitzung des Beirats am 19. Juli 1955 in Köln stand ein Bericht von Professor von Eynernzum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und zu Monopolen zur Diskussion. In der Sit-zung am 20. April 1956 in Düsseldorf konnten Berichte der Forschungsstätte für öffentliche Un-ternehmen, die o.g. Bestandsaufnahme betreffend, zur Kenntnis genommen werden.

3 Bd. 1, H. 3, Göttingen 1954, S. 276 ff.4 Herausgeber: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V., Berlin; erschienen im Bund-Verlag Köln-Deutz. Die

Idee, ein Verzeichnis aller – zumindest größeren – mehrheitlich öffentlichen Unternehmen zu erstellen, und zwarnicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Gemeinschaft, wurde Anfangder 1970er Jahre von der Europäischen Zentrale der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) aufgegriffen. Die anlässlichder CEEP-Kongresse 1971 bis 1987 erschienenen CEEP-Jahrbücher enthielten neben Globalstatistiken über dieBedeutung der mehrheitlich öffentlichen Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten und in der EuropäischenGemeinschaft insgesamt solche Verzeichnisse mit Wirtschaftszahlen für die einzelnen Unternehmen. Wegen desimmensen Arbeitsaufwandes und zu geringer Nachfrage nach Einzelangaben über die öffentlichen Unternehmenbeschränkten sich die späteren Jahrbücher des CEEP auf die Globalstatistiken.

Geschichte der GÖW

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Diskutiert wurde ferner das weitere Arbeitsprogramm, wobei der Auseinandersetzung mit derKonjunkturpolitik besonderer Stellenwert zukam. Insgesamt gesehen gab es eine Verlagerung desSchwergewichts der Arbeit von den Ausschüssen auf das Plenum.Diese Tendenz setzte sich – mit einzelnen Unterbrechungen – auch in der Folgezeit fort. Am1./2. April 1957 behandelte der Beirat in Düsseldorf besondere Fragen des Haushaltsrechts, desEinsatzes der Kernenergie (die damals sehr positiv bewertet wurde, vgl. Heft Nr. 4 der Schrif-tenreihe) und der öffentlichen Bindung von Unternehmen. Ferner stand die Rechtsform einer„Mammut-AG“ als besondere Rechtsform für Großunternehmen in staatlicher Regie zur Debatte.Die nächste Sitzung am 29./30. November 1957 in Göttingen war vor allem Problemen derWahrnehmung des öffentlichen Interesses in der Marktwirtschaft gewidmet.Im Jahre 1958 trat der Beirat zunächst am 7./8. Februar zu einer Sitzung zusammen. Zur Diskus-sion standen die Rechtsform und der Zweck öffentlicher Unternehmen, ferner Fragen der Kon-trolle dieser Unternehmen. Einen besonderen Schwerpunkt bildete die damals umkämpfte(Teil-)Privatisierung des Volkswagenwerkes; der Beirat befasste sich dabei vorrangig mit ge-meinwirtschaftlichen Aufgaben des WV-Werkes. Diese Debatte wurde in der Sitzung22./23. April 1958 in Bonn weiter vertieft und um Überlegungen des Einflusses des Bundes aufseine Unternehmen ergänzt. Auch auf der Sitzung des Beirats am 28. November 1958 ging es umEinfluss und Kontrolle, aber auch um die Finanzierung und die Besteuerung öffentlicher Unter-nehmen, Themen die von da an immer mehr in den Vordergrund rückten.Die Sitzung des Beirats am 24./25. April 1959 in Hamburg war bestimmt vom Thema Willens-bildung in Nahverkehrsunternehmen. In dieser Sitzung legte Professor von Eynern das Amt desBeiratsvorsitzenden nieder; für die Nachfolge wurde Prof. Dr. Hans Ritschl gewonnen, und Prof.von Eynern wurde, neben dem (früher VKU-, dann Städtetags-)Beigeordneten Dr. Brügelmann,zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Bezüglich der öffentlichen Wirtschaft repräsentier-ten Professor von Eynern und Professor Ritschl wie auch der Vorsitzende des Terminologie-Ausschusses Professor Weisser unterschiedliche Richtungen (oder „Schulen“). Mehrere ihrerSchüler, insbesondere von Professor Weisser, wurden später in den Wissenschaftlichen Beirataufgenommen.In einer weiteren Tagung im Oktober 1959 wurde das künftige Arbeitsprogramm besprochen undbeschlossen, die Detailarbeit nach Möglichkeit (wieder) in Ausschüsse zu verlagern, was dann1959/1960 auch tatsächlich geschah.So befasste sich im Sommer 1959, im Herbst 1959 und im April 1960 ein neu gebildeter Arbeits-kreis/Ausschuss mit den Konzessionsabgaben, und zwar mit der rechtlichen Seite (Referent: WillyBukow), mit den volks-, betriebs- und finanzwirtschaftlichen Folgen (Referent: Bruno Frank) undmit den zugehörigen steuerlichen Fragen (Referent: Dr. Paul Münch). Die Ergebnisse sind austaktischen Gründen nicht publiziert worden.Im Jahre 1960 fand am 22./23.4 in Köln eine größere Sitzung des Beirats statt, unter anderem zuden Themen Privatisierung und Konzessionsabgaben. Im Übrigen wurde das Thema Rechtsfor-men wieder aufgegriffen, aber eine endgültige Stellungnahme im Hinblick auf die ins Haus ste-hende Reform des Aktienrechts verschoben. Eine weitere Sitzung fand am 15. Juli 1960 in Göt-tingen statt; es ging wiederum um die Privatisierung (zu der Professor Ritschl Thesen vorbereitethatte) und um die Preisgestaltung öffentlicher Unternehmen, insbesondere solcher mit Monopol.Auch wurde ein Bericht von Dr. Eberhard Witte über die Ergebnisse von Hearings zur „Willens-

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bildung in den öffentlichen Unternehmen“ entgegengenommen. Ferner tagte im Sommer 1960ein Ausschuss zur Thematik des öffentlichen Interesses unter erstmaliger Beteiligung von Dr.Theo Thiemeyer, dem späteren Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats.Die nächste Plenums-Sitzung fand am 20./21. Oktober 1961 in Köln statt. Es ging diesmal umdie Personalpolitik und die Personalwirtschaft in öffentlichen Unternehmen, namentlich bei Bahnund Post. Für die Zukunft wurde beschlossen, das Konzessionsabgabeproblem abschließend zubehandeln und die Ergebnisse zu veröffentlichen, eine Stellungnahme zur Wahrung des staatli-chen Einflusses auf öffentliche Aktiengesellschaften zu erarbeiten, einen Forschungsauftrag überArt und Umfang der Betätigung der öffentlichen Hand in der Kreditwirtschaft zu vergeben sowieschließlich die in Gang befindliche Untersuchung über Probleme der Personalwirtschaft in öf-fentlichen Unternehmen fortzuführen.Da mit dem Jahr 1961 eine Zäsur in der Arbeit der Gesellschaft und des Beirats gesetzt werdensoll, erscheint es angebracht, die zu diesem Zeitpunkt gegebene Zusammensetzung des Wissen-schaftlichen Beirats der GÖW aufzuführen:5

● Prof. Dr. Hans Ritschl, Universität Hamburg (Vorsitzender)● Dr. Hermann Brügelmann, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Köln-Marienburg (Stell-

vertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Gert von Eynern, Freie Universität Berlin (Stellvertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Dr. Hans Bayer, Sozialakademie Dortmund● Prof. Dr. Bruno Gleitze, Wirtschaftswissenschaftliches Institut der Gewerkschaften, Köln● Dr. Ernst Kaußmann, Verband kommunaler Unternehmen, Köln-Marienburg● Dr. Will Könemann, Erster Landesrat des Landschaftsverbandes Rheinland, Köln-Deutz● Dr. Karl Kühne, EWG Generaldirektion Verkehr, Brüssel● Rechtsanwalt Dr. Otto Kunze, Düsseldorf-Stockum● Dr. Bruno Molitor, Akademie für Wirtschaft und Politik, Hamburg● Dr. Paul Münch, Verband kommunaler Unternehmen, Köln-Marienburg● Dr. Erich Potthoff, Forschungsstelle für Konsumwirtschaft im Zentralverband Deutscher Kon-

sumgenossenschaften, Hamburg-Sasel● Staatssekretär Prof. Dr. Wilhelm Reuss, Hessisches Ministerium für Wirtschaft und Verkehr,

Wiesbaden● Prof. Dr. Gisbert Rittig, Universität Göttingen● Prof. Dr. Gerhard Weisser, Universität Köln● Dr. Eberhard Witte, Akademie für Wirtschaft und Politik, Hamburg● Dr. Friedrich Zeiß, Wirtschaftsberatung AG, DüsseldorfWie ersichtlich, sind einige Wissenschaftler der ersten Stunde (insbesondere die Professoren Rit-schl, von Eynern, Gleitze, Rittig und Weisser) weiter dabei, und sie prägten die Arbeit noch einweiteres Jahrzehnt. Hinzugekommen sind einige Persönlichkeiten aus der Praxis und verschie-dene, eher „individuelle“ Wissenschaftler. Trotz mancher wissenschaftlicher Unterschiede verliefdie Arbeit – jedenfalls im ganzen – sehr harmonisch.In der Folgezeit wurde die Anzahl der ordentlichen Mitglieder des Beirats auf höchstens 25 be-grenzt. Darüber hinaus gab und gibt es sogenannte korrespondierende Mitglieder, teils Praktiker,

5 GÖW-Tätigkeitsbericht 1959-1961, a.a.O, S. 27.

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die mitarbeiten, aber nicht den Status ordentlicher Mitglieder haben wollten, teils bisherige or-dentliche Mitglieder, die insbesondere altershalber nicht mehr zu voller Mitarbeit bereit oder inder Lage waren.Abschließend soll zur Außenwirkung der GÖW6 und des Beirats in dieser frühen Phase etwasgesagt werden. Es wurde bereits auf die vielen Vortragsveranstaltungen hingewiesen, deren Or-ganisation aber Schwierigkeiten bereitete. Im November 1959 referierte Dr. Fritz Georg Hooküber die öffentliche Wirtschaft in Berlin. Dann gab es eine Pause, bis im Mai 1961 der von derIFIG veranstaltete V. Internationale Kongress der Gemeinwirtschaft in Wien wieder für Publizitätsorgte.7 Doch dieses Ereignis gehört schon mehr in die nächste Phase der Arbeit von GÖW undBeirat.Für die Außenwirkung sorgten im Übrigen die Zeitschrift „Die öffentliche Wirtschaft“ (DöW),deren erstes Heft bereits im Juli 1952 erschien, und die 1954 eröffnete Schriftenreihe der Gesell-schaft. Im ersten Heft der DöW findet sich zu Beginn ein Aufsatz von Ernst Reuter zur öffentlichenVersorgungswirtschaft, und in der Folge gab es immer wieder auch Aufsätze von Praktikern zuihrem Unternehmensbereich. Im Übrigen veröffentlichte die DöW bis 1957 neben einigen Ta-gungsberichten fast ausschließlich größere wissenschaftliche Beiträge von Beiratsmitgliedern undanderen Wissenschaftlern; die Zeitschrift glich so mehr der heutigen „Zeitschrift für öffentlicheund gemeinwirtschaftliche Unternehmen“ (ZögU) als der DöW in ihrer späteren Phase (vieleHefte umfassten 80 oder mehr Seiten). In jedem Jahr gab es mehrere Hefte, sodass von einerreichhaltigen wissenschaftlichen Publizität gesprochen werden kann. Im Jahre 1957 übernahmWilly Bukow die Schriftführung der DöW von Georg Reichenau, der als Geschäftsführer derGÖW ab 1953 auch Schriftführer der Zeitschrift gewesen war; Schriftführer der ersten Ausgabeim Jahr 1952 war Kurt Hirche gewesen. Die DöW wurde wie bisher weitergeführt, aber um mehraktuelle Berichte, um persönliche Nachrichten und um Buchbesprechungen angereichert mit demZiel, die Manager in den öffentlichen Unternehmen besser anzusprechen.Zu nennen ist weiter die Schriftenreihe der GÖW, deren erste Nummer 1954 erschienen ist unddie bis heute fortgeführt wird; ein Verzeichnis der erschienenen Bände ist dem Original dieserGeschichtsdarstellung als Anhang 1 beigefügt. Den ersten, Materialien zur Besteuerung öffent-licher Unternehmen und eine Bibliographie enthaltenden Bänden, folgte 1955 der von Dr. Zeißerarbeitete Entwurf eines Gesetzes über öffentliche Unternehmen, der, wie dargelegt, im Wis-senschaftlichen Beirat längere Zeit erörtert wurde. Dann ging es um die seinerzeit fast schwär-merisch begrüßte friedliche Nutzung der Atomenergie. Heft Nr. 6 (1958) war der Frage der Pri-vatisierung des Volkswagenwerkes gewidmet und spiegelt die entsprechende Diskussion im Bei-rat. Gleiches gilt vom folgenden Band über die Besteuerung öffentlicher Unternehmen.Für die Herausgabe der DöW und der Schriftenreihe gründete die GÖW 1957 in Berlin, vor allemaus steuerlichen Gründen, einen eigenen Verlag mit dem Namen „A.V.G. Allgemeine Verlags-gesellschaft mbH“.

6 Lt. Tätigkeitsbericht 1959-1961, a.a.O.7 Vgl. den Bericht in der Zeitschrift „Die öffentliche Wirtschaft“, H. 2, Jg. X, April-Juni 1961, S. 74-77.

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Die Phase der Internationalisierung (1961-1968)

Die zu behandelnde Arbeitsphase der GÖW von 1961 bis 1968 kann nach allen Unterlagen ausdieser Zeit als Phase der Internationalisierung der GÖW einschließlich des WissenschaftlichenBeirats gekennzeichnet werden. Bereits Ende des Jahres 1960 wurde die GÖW Mitglied der In-ternationalen Forschungs- und Informationsstelle für Gemeinwirtschaft (IFIG), kurz darauf auchder Europäischen Zentrale der öffentlichen Wirtschaft (CEEP). Die GÖW engagierte sich starkauf der Tagung der IFIG 1962 in Rom und richtete ihre Aktivität auf die Ausrichtung des nächstenIFIG-Kongresses 1965 in Berlin, der dann auch erfolgreich vonstatten ging. In den Tätigkeitsbe-richten der GÖW für 1962-1963, für 1964-1965 und für 1966-1967 wird über die nationale Tä-tigkeit der GÖW nur wenig berichtet, ausführlich dagegen über die Mitarbeit in der IFIG und inder CEEP.Veranstaltungen der GÖW außerhalb der zweijährigen Mitgliederversammlungen gab es kaumnoch. Im Tätigkeitsbericht für 1962-1963 wird über ein zu geringes Echo solcher Veranstaltungengeklagt. Der internationale IFIG-Kongress 1965 in Berlin erreichte dagegen eine ganz anderepublizistische Wirkung als die nationalen Veranstaltungen.8

Präsidenten der GÖW waren von 1959 bis 1962 Dr. Julius Brecht von der gemeinnützigen Woh-nungswirtschaft und dann ab 1963 Oberstadtdirektor a.D. Dr. Bernhard Heun als Vertreter derkommunalen Wirtschaft. Alleiniger Geschäftsführer der GÖW war von 1958 bis 1965 WolfgangZetzschke (der 1966 nach seinem Wechsel zur Bewag in den Wissenschaftlichen Beirat aufge-nommen wurde, siehe unten) und von 1966 bis 1968 dann Folkmar Kath.Der Wissenschaftliche Beirat blieb von der Internationalisierung nicht unberührt. Im Tätigkeits-bericht der GÖW für 1964-1965 findet sich der Vermerk, dass die Arbeit des Beirats nicht imgewohnten Umfang habe weitergeführt werden können, weil alle Kräfte für den InternationalenKongress gebraucht wurden. Möglicherweise spielte aber auch eine Rolle, dass die Stamm-Mit-glieder des Beirats älter geworden waren und neue (jüngere) Mitglieder zunächst nicht hinzutraten.Untätig geblieben ist der Beirat indessen auch in dieser Periode nicht. Im Jahre 1962 gab es dreiSitzungen des Plenums. In der ersten am 9. März in Köln wurde die Forderung nach Mehrstimm-rechtsaktien für die öffentliche Wirtschaft zur Abwehr einer kalten Privatisierung besonders inder Energiewirtschaft aufgestellt. In den Sitzungen am 16. April in Köln und am 10. August inHamburg stand ein Begriffskatalog zur Diskussion. Ausschusssitzungen gab es im Jahre 1962nicht.Im Jahre 1963 fanden den Quellen zufolge mindestens zwei Plenumssitzungen des Beirats undmehrere Arbeitskreissitzungen zur Ausarbeitung einer Stellungnahme zu Art. 90 EGV (damaligerFassung) statt. Um die wettbewerbliche Stellung der öffentlichen Unternehmen im EuropäischenGemeinsamen Markt, also ein typisches Europathema, ging es auch in der ersten Plenumssitzung1963 am 14. Juni in Hamburg. Dort wurde eine Ausschusssitzung zur Formulierung der Stel-lungnahme für den 20. Juli angesetzt. Die zweite Plenumssitzung am 2. Dezember befasste sichmit Fragen der Umsatzsteuer; es waren Sachverständige zugezogen worden. – An der Zusam-

III.

8 Vgl. den Bericht von Willy Bukow, in: Die öffentliche Wirtschaft, H. 2, 1965, S. 120 ff.

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mensetzung des Beirats hatte sich nichts geändert, nur dass Prof. Dr. Erich Potthoff 1964 vomWissenschaftlichen Beirat in den Vorstand der GÖW wechselte.Im Jahre 1965 trat der Wissenschaftliche Beirat erst nach dem IFIG-Kongress am 15. Oktober zueiner Plenarsitzung zusammen, und zwar in Hamburg. Es ging um die Personalpolitik in öffent-lichen Unternehmen und um ein neues Arbeitsprogramm; die Arbeit sollte wieder intensiviertwerden. – Den Vorsitz führte nach wie vor Prof. Dr. Hans Ritschl; als Gast war Dr. Theo Thie-meyer zugegen. Die Geschäftsstelle war durch Wolfgang Zetzschke und Willy Bukow vertreten.Weitere Sitzungen fanden in diesem Jahr nicht statt.Im April 1966 kam der Beirat in Bonn zu seiner nächsten Plenarsitzung zusammen; Gäste warenDr. Rudolf Eiermann von der Bundesbahn, Dr. Georg Garbe vom Bundespostministerium undwiederum Dr. Thiemeyer. Themen waren Regionalforschung, Finanzierungsfragen und die Sta-bilitätspolitik. Ferner wurde beschlossen, den Beirat (endlich) um neue Mitglieder zu erweitern.Auf Vorschlag des Beirats berief alsbald der Vorstand der GÖW als neue Beiratsmitglieder Prof.Dr. Karl Oettle, Dr. Thiemeyer, Willy Bukow und, wie bereits erwähnt, Wolfgang Zetzschke, diebeiden letzteren als wissenschaftlich orientierte Praktiker. Man kann hierin bereits den Beginnder nächsten Arbeitsphase von GÖW und Beirat sehen, aber der Neubeginn brauchte etwas Zeit.Er wurde im Grunde erst eingeleitet durch die Mitgliederversammlung am 22. März 1968, aufder Professor Oettle über die Kriterien der Finanzierung öffentlicher Betriebe referierte und damitdie nächste Ära einläutete.Zunächst aber wurde 1967 die bisherige Arbeit unter dem Vorsitz von Professor Ritschl fortge-setzt. In den Plenarsitzungen am 10. März in Düsseldorf und am 1. Juli in Köln standen Fragender Finanzierung zur Debatte. Mit dieser Thematik befasste sich auch ein Ausschuss am28. August 1967 und erneut am 8. Juni 1968 unter dem Vorsitz von Dr. Karl Kühne.Zuvor war aber das Plenum des Beirats am 22. März 1968 in Berlin (dem Tag der Mitglieder-versammlung) zu einer weichenstellenden Sitzung zusammengekommen. Hier erklärten Profes-sor Ritschl und Professor von Eynern ihren Rücktritt als Vorsitzender und stellvertretender Vor-sitzender des Beirats. Zum neuen Vorsitzenden wurde Professor Oettle gewählt, und er übernahmsogleich diese Funktion; seine Stellvertreter wurden Prof. Dr. Bruno Molitor und Dr. Paul Münch,der 1962 in den Beirat berufen worden war. Es wurde beschlossen, ab sofort alle drei Jahre eineNeuwahl vorzunehmen. – Als Gäste waren anwesend Dr. Eiermann, Dr. Günter Püttner und vomVorstand Präsident Dr. Heun. In der Sache ging es hier wie auf einer weiteren Plenumstagung am15. Juni 1968 in Köln um Finanzierungsfragen, womit die bisherige Debatte fortgesetzt wurde.Unterstützt wurde der Beirat durch den Geschäftsführer Folkmar Kath und ab 1. Januar 1967durch die neu eingestellte wissenschaftliche Assistentin Helgart Potratz.Aber noch immer war die Tätigkeit der GÖW stark international ausgerichtet. Die Mitglieder-sammlung am 22. März 1968 stand ganz im Zeichen der Vorschau auf die beiden internationalenKongresse des Jahres. Zunächst gab es den CEEP-Kongress vom 25. bis 27. April in Paris, dannden IFIG-Kongress vom 14. bis 17. Oktober in Lüttich; an dem ursprünglich vorgesehenen Ta-gungsort Athen konnte der Kongress aus politischen Gründen nicht stattfinden.Auch die publizistische Aktivität der GÖW war besonders von internationaler Thematik geprägt.In der Schriftenreihe erschienen zwei Bände (Nr. 9 und Nr. 11) zu europäischen Themen.

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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Die Umbruchphase 1968-1973

Eigentlich sah es im Jahre 1968 weder in der Gesellschaft selbst noch im WissenschaftlichenBeirat nach einem Umbruch aus, trotz der erfolgten Wachablösung im Beirat. Die GÖW kon-zentrierte sich wieder mehr auf nationale Fragen. Der Tätigkeitsbericht von 1970 über die Jahre1968-1969 hebt besonders Maßnahmen zur Verteidigung der öffentlichen Wirtschaft gegen An-griffe in der Öffentlichkeit hervor, geht aber auch wie bisher auf die Mitarbeit bei CEEP und IFIGnäher ein.Die Mitgliederversammlung am 6. Mai 1970, auf der dieser Tätigkeitsbericht erstattet wurde, warzunächst durch ein beachtliches Maß an Öffentlichkeitswirkung gekennzeichnet. Es gab Gruß-worte von Bundeskanzler Willy Brandt, Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller sowie anderenPolitikern und einen repräsentativen Empfang durch den Regierenden Bürgermeister von BerlinKlaus Schütz. Zum neuen Präsidenten der GÖW wurde in dieser Mitgliederversammlung Dr. PaulBleiß von der Salzgitter AG gewählt.Als ein gewisser Umbruch kann die verstärkte Mitwirkung und Einflussnahme der einschlägigenGewerkschaften und ihrer gemeinwirtschaftlichen Unternehmen in der Gesellschaft bezeichnetwerden, die deshalb in „Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft“ (GÖWG)umbenannt wurde, und auch die Zeitschrift der Gesellschaft hieß statt „Die öffentliche Wirtschaft“fortan „ÖWG Öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft“. Man versprach sich von diesemverstärkten Zusammengehen eine Effektuierung der Arbeit, auch wegen des erheblichen finan-ziellen Beitrags der Gewerkschaften und ihrer Unternehmen für die Arbeit der Gesellschaft unddes Wissenschaftlichen Beirats. Wie wichtig diese Entwicklung genommen wurde, ergibt sichunter anderem daraus, dass auf der genannten Mitgliederversammlung 1970 der Hauptvortrag vonDr. Walter Hesselbach, dem Vorstandsvorsitzenden der gewerkschaftseigenen Bank für Gemein-wirtschaft, gehalten wurde, und zwar bezeichnenderweise zum Thema „Gemeinwohl und Ge-meinwirtschaft“. – Als Geschäftsführer der Gesellschaft fungierte seit November 1968 Dr. RolfSeeland.Was den Wissenschaftlichen Beirat betrifft, so setzte dieser zunächst seine Arbeit trotz des Ge-nerationenwechsels kontinuierlich fort; 1968 wurden vor allem die bisherigen Themen weiterbe-handelt. Dann aber sorgten Prof. Dr. Karl Oettle als Vorsitzender zusammen mit Dr. Theo Thie-meyer für einen Neuanfang. Sie legten gemeinsam Thesen über die Unterschiede zwischen pri-vatunternehmerischen und öffentlich-wirtschaftlichen Zielen (veröffentlicht in DöW, Heft1/1969), über die Unterschiede zwischen privater Absatzpolitik und öffentlicher Angebotspolitik(DöW, Heft 2/1969) und über Kriterien der Finanzierung öffentlicher und privater Unternehmen(DöW, Heft 3/1969) vor. Diese Thesen standen allerdings in der Plenarsitzung des Beirats am21. Dezember 1968 in Bonn noch nicht zur Debatte. Hier wurde unter Mitwirkung der neuenMitglieder Prof. Dr. Hans Hirsch und Dr. Günter Püttner in Anwesenheit des GeschäftsführersDr. Seeland über die Schwierigkeiten bei der Gewinnung von wissenschaftlichen Mitarbeiternund über die Aufgaben des Beirats beraten. Dabei ergab sich ein gewisser Gegensatz zwischender Auffassung der Beiratsmitglieder, die für die Unabhängigkeit des Gremiums plädierten, undder Position des Geschäftsführers, wonach der Beirat eher Zuarbeit für den Vorstand leisten sollte.Professor Oettle betonte, es könne nicht Aufgabe des Beirats sein, einer „reinen Lobbyistenor-

IV.

Geschichte der GÖW

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ganisation“ (der CEEP) zu dienen. Zu einer Konfrontation kam es aber in dieser Sitzung (noch)nicht.Die Diskussion über die Thesen von Professor Oettle und Dr. Thiemeyer begann in der Plenar-sitzung des Beirats am 22. Februar 1969 in Köln. Als neue Mitglieder waren neben ProfessorHirsch und Dr. Püttner auch Dr. Achim von Loesch von der Bank für Gemeinwirtschaft undDr. Georg Garbe vom Bundespostministerium anwesend, von der Geschäftstelle Dr. Seeland undder neue Wissenschaftliche Mitarbeiter Adolf Kraus. Man verständigte sich auf die Intensivierungder Arbeit und diskutierte die Namensänderung der Gesellschaft, wobei die Frage auftrat, wasdenn Gemeinwirtschaft genau sei. Die durchaus intensiven Diskussionen zu den Thesen gewannenmehr und mehr den Charakter eines internen Gedankenaustauschs ohne greifbare, nach außenvorzeigbare Ergebnisse. Im Beirat wurde dieser Klärungsprozess allgemein als nützlich einge-schätzt, der Geschäftsführer empfand aber die Debatten als eher akademisch und letztlich nutzlos.So kam es in den letzten Monaten des Jahres 1969 zu einem Vorschlag des Geschäftsführers anden Vorstand der Gesellschaft mit dem Ziel, korrigierend in die Arbeit des Beirats einzugreifen,insbesondere wieder Fachausschüsse zur Erarbeitung konkreter Stellungnahmen zu bilden. DieIdee, die an die erste Phase der Beiratsarbeit anknüpfte, stieß als solche auch bei vielen Beirats-mitgliedern auf Aufgeschlossenheit. Aber der Vorstoß der Geschäftsführung war offenbar kri-tisch-konfrontativ gegenüber dem Beirat abgefasst und mit diesem und dessen Vorsitzenden nichtabgestimmt. So fühlte sich Professor Oettle vor den Kopf gestoßen und legte den Vorsitz und dieMitgliedschaft im Beirat nieder.Deshalb fand die nächste Plenarsitzung des Beirats am 6. Dezember 1969 in Düsseldorf ohneProfessor Oettle statt; den Vorsitz übernahm sein Stellvertreter Dr. Paul Münch, im HauptamtBeigeordneter des Verbandes kommunaler Unternehmen. Von der Geschäftsstelle waren Dr.Seeland und Herr Kraus anwesend. Hauptthema war naturgemäß die neue Lage. Alle Beiratsmit-glieder vertraten die Auffassung, man solle Professor Oettle wieder für die Mitarbeit gewinnen;Professor Gleitze wurde beauftragt, mit ihm zu sprechen.Gespräche gab es in der Folgezeit viele, aber die Sacharbeit ruhte. In der Plenumssitzung am5. Mai 1970 in Berlin berichtete Professor Gleitze über seine Gespräche mit Professor Oettle;diese seien aber noch nicht abgeschlossen. Um die Sacharbeit wieder in Gang zu bringen, fassteman den Entschluss, vier Ausschüsse zu bilden. Dieses Vorhaben wurde in der Plenumssitzungam 19. September 1970 in Bad Godesberg in die Tat umgesetzt.Im Jahre 1971 fanden zahlreiche Sitzungen der Ausschüsse statt, beginnend mit dem Ausschuss„Öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen in der EWG“ am 23. Januar in Frankfurtunter dem Vorsitz von Dr. Karl Kühne. Es folgten Sitzungen des Ausschusses „Finanzierung“und des Ausschusses „Bundespost/Bundesholding“ (letzterer unter dem Vorsitz von ProfessorPüttner). Die Geschäftsführung war ab März 1971 durch den im Februar 1971 eingestellten wis-senschaftlichen Mitarbeiter Wolf Leetz vertreten, der von Anfang an wesentlich zu einem gutenArbeitsklima in den Ausschüssen beitrug.In der Plenumssitzung des Beirats am 11. Dezember 1971 in Frankfurt unter dem Vorsitz von Dr.Münch konnte Dr. Gerhard Zweig von der Deutschen Girozentrale – Deutsche Kommunalbankals neues Mitglied begrüßt werden. Es wurde über weitere Gespräche mit Professor Oettle be-richtet, aber auf die Zustimmung des Vorstandes als Problem hingewiesen. Über die Tätigkeit derArbeitskreise wurde berichtet.

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Vom 27.bis 29. März 1972 führte der Wissenschaftliche Beirat erstmals auf Einladung der Bankfür Gemeinwirtschaft, vermittelt durch Dr. von Loesch, eine Tagung in Emmershausen im Taunusdurch. Den Vorsitz führte Dr. Münch, die Geschäftsstelle war durch Dr. Seeland und Herrn Leetzvertreten, und Prof. Dr. Peter Eichhorn konnte als neues Beiratsmitglied begrüßt werden. EinGeneralthema gab es damals nicht, aber es wurden alle in den Arbeitskreisen vorberatenen The-men besprochen, ebenso bereits das gerade aufgekommene Thema der (Arbeitnehmer-)Mitbe-stimmung. Auch die Erfolgskriterien öffentlicher Unternehmen standen zur Debatte. Wiederumwurde eine Einladung an Professor Oettle zur Mitarbeit beschlossen.Im Übrigen fanden im Jahre 1972 zahlreiche Sitzungen der Arbeitskreise statt (insgesamt 7),darunter eine des Grundsatzausschusses unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Gerhard Weisser undeine des neu geschaffenen Arbeitskreises „Gemeinwirtschaftliche Erfolgsrechnung“ unter demVorsitz von Professor Eichhorn.Im Frühjahr 1973 (in dem es eine Tagung in Emmershausen nicht gab) wurden diese Aktivitätenfortgesetzt. Eine Plenumssitzung fand am 5. Mai 1973 in Berlin statt, in der aus einigen Arbeits-kreisen berichtet und über die weitere Arbeit befunden wurde. Zuvor hatte es am 4. Mai einegemeinsame Sitzung des Vorstandes mit Vertretern des Wissenschaftlichen Beirats gegeben, dieder besseren Verständigung beider Seiten diente und insoweit auch einigen Erfolg brachte. Aus-führlich wurde über die Frage von Veröffentlichungen des Beirats gesprochen und ein Kompro-miss erzielt, der als kennzeichnend für die Lage wiedergegeben werden soll (Formulierung vonDr. Bleiß):

„Grundsätzlich sind die Arbeitsergebnisse des WBR bzw. seiner Arbeitskreise dem Vor-stand vorzulegen, der die Möglichkeit hat, sie im Namen der GöWG zu veröffentlichen.Kann der Vorstand einer Vorlage des WBR nicht zustimmen, besteht für den WBR dieMöglichkeit, in eigenem Namen eine Veröffentlichung vorzunehmen. Es ist in diesem Falldarauf hinzuweisen, daß es sich nicht um eine Meinungsäußerung der GöWG handelt.Für den Fall, daß nicht alle Mitglieder des WBR gleicher Ansicht sind, sind Mehrheits- undMinderheitsmeinungen in die Stellungnahme des WBR aufzunehmen.Sollte der Vorstand erhebliche Bedenken gegen die Veröffentlichung einer Arbeit des WBRhaben, muß die Veröffentlichung unterbleiben.“

Zum Glück brauchte später auf diese Einigung nicht im Detail zurückgegriffen zu werden. ImÜbrigen öffnete die Sitzung offenbar den Weg für die Rückkehr Professor Oettles in den Beirat,und zwar nach einem Gespräch zwischen ihm, Prof. Dr. Eberhard Witte und Dr. Bleiß.Jedenfalls war Professor Oettle bei der Plenumssitzung am 16./17. November 1973 in Berlindabei, übernahm aber (wahrscheinlich absprachegemäß) nicht wieder den Vorsitz. Zum Vorsit-zenden, und zwar nun zum definitiven Vorsitzenden wurde Dr. Münch gewählt, der als einzigerkandidiert hatte; zu Stellvertretern wählte der Beirat Professor Thiemeyer und Prof. Dr. GisbertRittig. Als neue Kandidaten für die Aufnahme in den Beirat wurden vorgeschlagen: Prof. Dr. PeterFriedrich, Prof. Dr. Werner Noll, Dr. Heinz Bolsenkötter (von der Wibera), Prof. Dr. GerhardHimmelmann und Prof. Dr. Helmut Jenkis, die sämtlich einige Zeit später in den Beirat berufenwurden. Im Übrigen gab es Berichte aus den Arbeitskreisen und eine Würdigung der Schrift vonProfessor Witte und Dr. Jürgen Hauschildt über öffentliche Unternehmen im Interessenkonflikt.

Geschichte der GÖW

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Damit war die Arbeit der GÖWG und vor allem des Beirats wieder auf festen Grund gestellt unddie „Umbruchphase“, was den Beirat anbelangt, weitgehend beendet. Reibungen zwischen Vor-stand und Beirat gab es kaum noch. Die Betreuung des Beirats lag fortan allein in den Händendes Wissenschaftlichen Mitarbeiters Wolf Leetz, der Geschäftsführer Dr. Seeland zeigte sich nichtmehr.Für die Gesellschaft insgesamt war die Umbruchphase Ende 1973 insofern noch nicht abge-schlossen, als die Zeitschrift ÖWG, die bisher bei der GÖWG-eigenen A.V.G. Allgemeine Ver-lagsgesellschaft mbH erschien, Ende 1974 an den Hammonia Verlag in Hamburg zur verlegeri-schen, aber auch redaktionionellen Betreuung abgegeben wurde. Anstelle des bisherigen Schrift-leiters Willy Bukow benannte der Hammonia Verlag anfangs Dr. Gottfried Schneider aus Düs-seldorf und später Ude Jens Frerichs aus Hamburg zum Redakteur. Die ÖWG blieb aber Organder Gesellschaft, und ihr Geschäftsführer war zugleich die „Berliner Redaktion“ der Zeitschrift.Die ÖWG behielt auch ihren Charakter als Mitteilungsblatt für alle Beteiligten; wissenschaftlicheBeiträge veröffentlichte sie nur gelegentlich, und Beiratsmitglieder traten als Autoren selten inErscheinung.

Die Konsolidierungsphase unter dem Beiratsvorsitzvon Dr. Paul Münch 1973-1977

Über die Tätigkeit der Gesellschaft und des Wissenschaftlichen Beirats kann von nun an kurso-rischer als bisher berichtet werden, weil die Einzelheiten in den Tätigkeitsberichten der GÖWGalle zwei Jahre ausführlich dokumentiert sind. Das gilt insbesondere auch für die Arbeit des Bei-rats, über die seit dem Tätigkeitsbericht 1972-1973 jeweils über mehrere Seiten berichtet wurde(ab 1976-1977 durch den Vorsitzenden des Beirats).Die Tätigkeit der Gesellschaft selbst konzentrierte sich auch ab 1973 besonders auf die – meistsehr repräsentative – Mitgliederversammlung, auf der jeweils ein großer Vortrag gehalten wurde,sowie auf die Mitwirkung bei IFIG und CEEP. Auf der Jubiläumsveranstaltung zum 25jährigenBestehen der Gesellschaft am 14./15. Juni 1976 in Berlin hielt beispielsweise Karl Haehser, Par-lamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, den Festvortrag. Zu dieser Veran-staltung gab es auch ein Grußwort von Bundeskanzler Helmut Schmidt.Auf der nächsten Mitgliederversammlung am 6. Oktober 1978 in Berlin erstattete Dr. Paul Bleißals Präsident der Gesellschaft den Bericht für die Jahre 1976-1977. Der Bericht geht sogleich aufdie Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats ein und würdigt sie positiv; erst dann folgen Hinweiseauf die Zeitschrift und die internationalen Aktivitäten. Anschließend findet sich (erstmals) eingesonderter Bericht von 6 1/2 Seiten über die Arbeit des Beirats, in dem auch die Diskussionenund Arbeitsergebnisse der Arbeitskreise im einzelnen aufgeführt sind. Dass damit der Wissen-schaftliche Beirat als Kernstück der Arbeit der Gesellschaft hervorgetreten ist, war sicherlichbesonders dem Beiratsvorsitzenden Dr. Paul Münch zu danken, der über den Verband kommu-naler Unternehmen auch im Vorstand der Gesellschaft Einfluss besaß. Auf ihn ging auch zurück,dass seitdem der jeweilige Vorsitzende des Beirats satzungsgemäß als ordentliches Mitglied demVorstand angehörte. Vielleicht wurde diese Entwicklung auch dadurch erleichtert, dass der Ge-

V.

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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schäftsführer Dr. Seeland zum Jahresende 1976 ausschied und zu einer Fachhochschule wechselte.Zum Nachfolger wurde Wolf Leetz bestellt, der gleichzeitig seine Funktion als Betreuer des Wis-senschaftlichen Beirats beibehielt; auch damit war für eine gute Verzahnung der Arbeit im Vor-stand und im Beirat gesorgt. Die Entwicklung kann so ohne Abstriche als Konsolidierung gewertetwerden, auch wenn es seitdem keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Unterstützung des Ge-schäftsführers mehr gegeben hat.Im Wissenschaftlichen Beirat konnte seit Ende 1973 ganz die Sacharbeit im Vordergrund stehen.Zu Beginn des Jahres 1974 fanden drei Arbeitskreissitzungen statt, ehe der Beirat als Plenum vom25. bis 27. März (und fortan jährlich vom Aschermittwoch an) in Emmershausen zu einer inten-siven Tagung zusammentrat. Es ging um das damals hochaktuelle Thema der Mitbestimmung imöffentlichen Bereich. Die sehr offene und durchaus in die Tiefe gehende Aussprache verlief inmanchen Punkten kontrovers, zumal auch Vertreter der Gewerkschaften mitwirkten. Die Diskus-sion ist als Heft 12 der Schriftenreihe Anfang des Jahres 1976, versehen mit einem Vorwort vonDr. Münch, veröffentlicht. Damit erschien erstmals nach einer Pause von zehn Jahren wieder einBand der Schriftenreihe, die nun bevorzugter Ort der Präsentation der Arbeitsergebnisse des Bei-rats wurde.Der Beirat setzte sich1976 wie folgt zusammen:● Dr. Paul Münch, Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU), Köln-Marienburg (Vorsit-

zender)● Prof. Dr. Gisbert Rittig, Breitbrunn (Stellvertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Theo Thiemeyer, Ruhr-Universität Bochum (Stellvertretender Vorsitzender)● Dr. Heinz Bolsenkötter, WIBERA Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf● Ministerialrat a.D. Willy Bukow, Mettmann● Prof. Dr. Peter Eichhorn, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer● Ministerialrat Dr. Rudolf Eiermann, Deutsche Bundesbahn, Frankfurt/Main (korrespondie-

rendes Mitglied)● Prof. Dr. Gert von Eynern, Berlin (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Peter Friedrich, Universität Siegen● Ministerialrat a.D. Dr. Georg Garbe, Bonn-Bad Godesberg● Staatsminister a.D. Prof. Dr. Bruno Gleitze, Berlin● Dr. Gerhard Himmelmann, Pädagogische Hochschule Niedersachsen, Braunschweig● Prof. Dr. Hans Hirsch, Rheinisch-Westfälische Hochschule Aachen● Dr. Karl Kühne, EWG-Generaldirektion Verkehr, Brüssel● Dr. Achim von Loesch, Bank für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt/Main● Prof. Dr. Bruno Molitor, Universität Würzburg● Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg● Prof. Dr. Karl Oettle, Universität München● Prof. Dr. Günter Püttner, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer● Prof. Dr. Hans Ritschl, Universität Hamburg (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Gerhard Weisser, Göttingen● Prof. Dr. Eberhard Witte, Universität München● Dr. Friedrich Zeiß, Düsseldorf

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● Dipl.-Pol. Wolfgang Zetzschke, Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-AG, Berlin (korrespon-dierendes Mitglied)

● Dr. Gerhard Zweig, Deutsche Girozentrale – Deutsche Kommunalbank, Frankfurt/MainIn der betrachteten Periode sind außer den bereits genannten keine weiteren Wissenschaftler, wohlaber zwei Praktiker hinzugekommen: Dr. Wolf Dieter Becker (vom Verband öffentlicher Banken)und Dr. Fritz Knauss (vom Bundesfinanzministerium). Folgende Arbeitskreise waren tätig:● Arbeitskreis „Grundsatzfragen“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Gerhard Weisser, Göttingen● Arbeitskreis „Finanzierung und EWG-Fragen“ unter dem Vorsitz von Dr. Karl Kühne, Brüssel● Arbeitskreis „Bundessondervermögen – Bundesholding“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr.

Günter Püttner, Speyer● Arbeitskreis „Steuerreform“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hans Hirsch, Aachen● Arbeitskreis „Gemeinwirtschaftliche Erfolgsrechnung“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Peter

Eichhorn, Speyer● Arbeitskreis „Energiekrise“ unter dem Vorsitz von Dr. Paul Münch, Köln.Außerdem befasste sich eine Arbeitsgruppe mit der Förderung des Faches Öffentliche Betriebs-wirtschaftslehre an den Universitäten.Im Jahre 1975 gab es wiederum zahlreiche Sitzungen der Arbeitskreise. Das Plenum des Beiratstrat am 18./19. April in Berlin zusammen. Es standen nochmals die Mitbestimmung und dann dieFrage öffentlicher Investitionen zur Debatte. Neben der Vorbereitung der Emmershäuser Tagung1976 gab es weitere Vorschläge für die Gewinnung neuer Beiratsmitglieder, nämlich Prof. Dr.Carl Böhret, Prof. Dr. Albert von Mutius und Prof. Dr. Winfried Brohm; bis auf letzteren wurdendiese bald darauf in den Beirat berufen. Nach weiteren Arbeitskreissitzungen trat das Plenum nocheinmal am 28./29. November in Düsseldorf zusammen, um Berichte aus den Arbeitskreisen zudiskutieren und das Fach Öffentliche Betriebswirtschaftslehre voranzubringen.Anfang des Jahres 1976 tagten die neu gebildeten Arbeitskreise „Wirtschaftspolitische Fragen“unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Gisbert Rittig und „Aufgabenerfüllung“ unter dem Vorsitz vonProf. Dr. Peter Eichhorn, ehe das Plenum vom 3. bis 5. März in Emmershausen zusammentrat.Es ging auf dieser Tagung um das Thema „Die öffentlichen Unternehmen im Rahmen der Kon-junktur- und Strukturpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Finanzierungsprobleme“. Sieist dokumentiert in dem 1977 erschienenen Heft 14 der Schriftenreihe der Gesellschaft. Auf derTagung stand aber auch ein Entwurf von Professor Rittig mit dem Titel „Privatisierung öffentli-cher Unternehmen – kein Mittel zum Abbau von Haushaltsdefiziten“ zur Diskussion, der in eineentsprechende Stellungnahme des Beirats mündete. Diese wurde als Heft 13 der Schriftenreihe(noch 1976) veröffentlicht, wodurch für mehr Publizität der Beiratsarbeit gesorgt war.Die nächste Plenumssitzung am 15. Juni 1976 in Berlin diente der Diskussion der vorgetragenenBerichte aus den Arbeitskreisen und von Möglichkeiten der Förderung des Faches ÖffentlicheBetriebswirtschaftslehre an den Hochschulen. Die Plenumssitzung am 29. Oktober1976 in Frank-furt führte diese Aktivitäten weiter, war aber überschattet von finanziellen Engpässen in der Ge-sellschaft, die unter anderem eine Verkleinerung der Geschäftsstelle zur Folge hatte (und wohlauch das erwähnte Ausscheiden von Dr. Seeland). Im Beirat wurde die Forderung laut, jedenfallsdie geplanten Veröffentlichungen der Arbeitsergebnisse des Beirats angemessen zu finanzieren.In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Mitarbeit im Wissenschaftlichen Beirat im-mer eine ehrenamtliche war und auch für Veröffentlichungen zumeist keine Honorare gezahlt

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wurden. Lediglich die Reisekosten wurden und werden ersetzt. Wäre nicht jährlich in Emmers-hausen und zuletzt in Oberursel sowie bei zahlreichen Arbeitskreissitzungen in Frankfurt die Bankfür Gemeinwirtschaft als Sponsor aufgetreten, hätte vermutlich die Beiratsarbeit in den Jahrenvon 1974 bis 1987 nicht so ablaufen können, wie es geschehen ist.Der Klärung der Situation diente Anfang des Jahres 1977 eine Aussprache zwischen PräsidentDr. Bleiß und seinen Präsidiumskollegen mit dem Beiratsvorsitzenden Dr. Münch und seinenStellvertretern Professor Thiemeyer und Professor Eichhorn im Beisein des neuen Geschäftsfüh-rers Wolf Leetz. Hier wurde festgelegt, dass künftig der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Bei-rats dem Vorstand kraft Amtes angehören solle; es wurden weitere Maßnahmen zur Verzahnungvon Vorstands- und Beiratsarbeit besprochen. Auch die Pressearbeit, die Organisation von Sym-posien mit externen Wissenschaftlern, Honorarfragen und die CEEP-Mitarbeit standen auf derTagesordnung. Es kam durchweg zu Verständigungen.Die Beiratsarbeit selbst wurde 1977 mit zwei Arbeitskreissitzungen und dann vom 23.bis 25. Februar mit der Plenumssitzung und anschließenden Tagung zum Thema „Kosten undPreise öffentlicher Unternehmen“ (deren Referate in dem gleichnamigen Heft 16 der Schriften-reihe der Gesellschaft Anfang 1978 veröffentlicht wurden), in Emmershausen fortgesetzt. In derPlenarsitzung gab es wie bisher Berichte aus den Arbeitskreisen. Drei Arbeitskreise wurden neugebildet, einer zum Thema „Aufgabenverlagerung auf öffentliche Unternehmen“ (Vorsitz: Pro-fessor Püttner), einer zur Problematik „Gemeinwirtschaftlichkeit und Eigenwirtschaftlichkeit imSchienenverkehr“ (Vorsitz: Professor Eichhorn) und einer zum Themenkomplex „ÖffentlicheGüter und öffentliche Unternehmen“ (Vorsitz: Professor Oettle). Im Übrigen berichtete Dr. vonLoesch über das Ende der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift des IFIG „Annalen derGemeinwirtschaft“ und der von Prof. Dr. Gerhard Weisser herausgegebenen Zeitschrift „Archivfür öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Unternehmen“; er forderte als Ersatz die Schaffungeiner neuen deutschsprachigen wissenschaftlichen Fachzeitschrift für den Sektor der öffentlichenund gemeinwirtschaftlichen Unternehmen, die dann auch (siehe unten) ab 1978 erschienen ist.Auf der Sitzung standen im Übrigen Neuwahlen an. Dr. Münch hatte sich immer als Übergangs-vorsitzender verstanden und die Meinung vertreten, es müsse so bald wie möglich wieder einUniversitätsprofessor den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat übernehmen. Der Zeitpunktschien jetzt gekommen; Dr. Münch kandidierte nicht wieder, sondern machte Theo Thiemeyer,inzwischen Professor in Bochum, als neuem Vorsitzenden Platz. Die Wahl erfolgte einstimmigohne Gegenkandidaten, ein Zeichen für das Ansehen, das sich Professor Thiemeyer erworbenhatte. Zu Stellvertretern wurden Dr. Münch und Professor Eichhorn gewählt. Damit, so lässt sichrückschauend sagen, war die Konsolidierungsphase abgeschossen.

Die Zeit unter dem Beiratsvorsitz von Theo Thiemeyer1977-1991

Über die lange Zeitspanne, in der Prof. Dr. Theo Thiemeyer den Vorsitz im Beirat führte, soll nurkursorisch berichtet werden. Insgesamt stand in dieser Zeit im Beirat die Sacharbeit ganz im

VI.

Geschichte der GÖW

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Vordergrund; Querelen gab es praktisch nicht. In der Gesellschaft selbst gab es einige Entwick-lungen, die zunächst behandelt werden sollen.Anfangs allerdings änderte sich nichts wesentlich. Das Amt des Präsidenten der Gesellschaft hatteschon im Oktober 1978 Dr. Walter Kliemt von der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AGvon Dr. Paul Bleiß übernommen; Stellvertreter waren seitdem Franz Eichinger von der DeutschenBundesbahn und Dr. Diether H. Hoffmann von der Bank für Gemeinwirtschaft. Die kommunaleWirtschaft war, obwohl schon damals im Vordringen, im Präsidium (noch) nicht vertreten. In demvon Dr. Kliemt erstatteten Tätigkeitsbericht für 1978-1979 wurde über Veranstaltungen und Ver-öffentlichungen berichtet, und Professor Thiemeyer referierte ausführlich über die Arbeit desBeirats (über 5 Seiten). Der auf der Mitgliederversammlung am 4. November 1982 in Berlinvorgetragene Tätigkeitsbericht für 1980-1981 war vom Aufbau her seinem Vorgänger ganz ähn-lich; Sensationen gab es nicht. Zu erwähnen ist allerdings, dass Ende 1979 die Auflösung deseigenen Verlages, der A.V.G. Allgemeine Verlagsgesellschaft mbH, beschlossen und anschlie-ßend durchgeführt wurde. Mit der Nomos Verlagsgesellschaft wurde Anfang 1980 ein Vertragüber die verlegerische Betreuung der Schriftenreihe der GÖWG durch Nomos abgeschlossen, derder GÖWG volle Entscheidungsfreiheit über die zu erscheinenden Bände, deren Themen, Inhalteund Autoren belässt. Ab Heft 17 der Schriftenreihe sind dann fortan alle Bände bei Nomos er-schienen.Im nächsten Tätigkeitsbericht für 1982-1984 zeichnete sich eine neue Entwicklung ab. Das Amtdes Präsidenten der Gesellschaft übernahm Hans-Georg v. Koester von der bundeseigenen In-dustrieverwaltungsgesellschaft. Vizepräsident wurde nun der Beigeordnete des Verbandes kom-munaler Unternehmen Dr. Wolfgang Ludwig, Schatzmeister blieb Dr. Hoffmann. Geklagt wurdeüber die schlechte finanzielle Situation der Gesellschaft. Darin lag vielleicht einer der Gründedafür, dass die Einstellung der eigenen Zeitschrift ÖWG zum Jahresende 1984 bekannt gegebenwurde; die offizielle Begründung lautete, dass es ja seit 1978 die von Prof. Dr. Peter Eichhornund Dr. Achim von Loesch gegründete und von ihnen seitdem herausgegebene Zeitschrift füröffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen (ZögU) gebe. Der Bericht von ProfessorThiemeyer über die Beiratsarbeit im Tätigkeitsbericht für 1982-1984 fiel wieder sehr umfassendaus. In dem von Präsident v. Koester erstatteten Bericht für die Jahre 1984-1986 auf der Mitglie-derversammlung am 13. Oktober 1986 in Berlin wurde auf die ZögU als Organ der Gesellschaftund auf die neue Reihe „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft“ hingewiesen,die die GÖWG ab 1986 im Eigenverlag herausbringt und unentgeltlich an Interessenten abgibt.Den Festvortrag auf dieser Mitgliederversammlung hielt der Generaldirektor für Wettbewerb derEG-Kommission Dr. Manfred Caspari.Die folgende Mitgliederversammlung am 4. November 1988 stand im Zeichen wichtiger Verän-derungen. Der Präsident, nach wie vor Hans-Georg v. Koester, hatte vom Rückzug der meistenGewerkschaften und der Gewerkschaftsunternehmen (soweit noch vorhanden) aus der Gesell-schaft mit den entsprechenden finanziellen Folgen zu berichten. Zum Ausgleich, aber natürlichauch aus grundsätzlichen Erwägungen, wurde die Sparkassenorganisation für die Gesellschaftgewonnen. So wählte man statt Dr. Hoffmann nun Dr. Jürgen Miethke aus der Sparkassenorga-nisation zum Schatzmeister der Gesellschaft. Dr. Helmut Geiger, Präsident des Deutschen Spar-kassen- und Giroverbandes (DSGV), hielt den Festvortrag in der Mitgliederversammlung. DieGesellschaft wurde wieder in „Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft“ (GÖW), entsprechend

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auch die Schriftenreihe in „Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft“, umbe-nannt. Man kann sagen, dass für die Gesellschaft eine neue Epoche angebrochen war, Die Bei-ratsarbeit, über die wiederum Professor Thiemeyer berichtete, blieb zunächst von dieser Ent-wicklung nur wenig berührt.Die Veränderungen in der Gesellschaft gingen weiter. Der Tätigkeitsbericht für 1988-1990, er-stattet auf der Mitgliederversammlung am 24. Oktober 1990, enthält einen ersten Bericht des neugewählten Präsidenten Felix Zimmermann, früher Oberbürgermeister von Trier, dann Hauptge-schäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen. Den Hauptbericht erstattete allerdingsder scheidende Präsident v. Koester. Die Wahl Felix Zimmermanns zum Präsidenten kennzeichnetdie neue Situation. Hauptstütze der GÖW war nunmehr der Verband kommunaler Unternehmen,und dessen Hauptgeschäftsführer wurde seitdem mehr oder weniger automatisch zum Präsidentender GÖW gewählt. Denn Bundesunternehmen als Mitglieder der GÖW gab es praktisch nichtmehr. Vizepräsident wurde Dr. Günter Nastelski (von der Industrieverwaltungsgesellschaft, letzt-mals ein Vertreter eines Bundesunternehmens), und Dr. Hannes Rehm vom Deutschen Sparkas-sen- und Giroverband übernahm das Amt des Schatzmeisters der Gesellschaft.Den Bericht über die Jahre 1990-1992 erstattete auf der Mitgliederversammlung am 30. Septem-ber 1992 in Berlin der nunmehrige Präsident Felix Zimmermann, den Bericht über die Beirats-arbeit Professor Eichhorn. Zu beklagen war das Ableben gleich mehrerer Beiratsmitglieder, näm-lich Prof. Dr. Theo Thiemeyer, Dr. Georg Garbe, Dr. Karl Kühne und Wolfgang Zetzschke. Da-durch und durch die (noch zu behandelnden) Neuaufnahmen änderte sich die Zusammensetzungdes Beirats beträchtlich; allerdings setzte sich die Arbeit eher kontinuierlich fort.Was den Wissenschaftlichen Beirat betrifft, so tagten im Jahre 1977 nach der Wahl ProfessorThiemeyers zum Vorsitzenden zunächst mehrere Arbeitskreise, ehe das Plenum in Sitzungen am14./15. Oktober in Bad Godesberg und am 9. Dezember in Frankfurt die vorhandenen Vorlagenaufgriff und die weitere Arbeit vorplante. Eine ausführliche Diskussion der anstehenden Themengab es auf der nächsten Zusammenkunft in Emmershausen vom 8. bis 10. Februar 1978. DasThema der an die Plenarsitzung anschließenden Tagung war „Finanzierung öffentlicher Unter-nehmen“. Die Referate und Diskussionen dieser Tagung bildeten den Grundstock für die 1979erschienene, von Professor Eichhorn und Professor Thiemeyer herausgegebene gleichnamigeFestschrift für Dr. Paul Münch zu seinem 65. Geburtstag.9 Als Gast der Tagung und neuer Kan-didat für die Mitgliedschaft im Beirat konnte Prof. Dr. Albert von Mutius begrüßt werden, dessenEinbeziehung in die Beiratsarbeiten schon vor einiger Zeit vorgeschlagen worden war. Auf deranderen Seite wurde in der Plenarsitzung angeregt, solchen Beiratsmitgliedern, die mehr als zweiJahre nicht mehr an der Arbeit des Beirats teilgenommen hatten (so Prof. Dr. Bruno Molitor undProf. Dr. Eberhard Witte) den Wechsel zur korrespondierenden Mitgliedschaft nahezulegen, wasteilweise auch geschah, im Falle von Prof. Dr. Bruno Gleitze aus eigenem Antrieb.Mit diesen Maßnahmen sollte eine möglichst effiziente Arbeit des Beirats gewährleistet werden;daran lag Professor Thiemeyer ebenso wie Dr. Münch (und natürlich dem Geschäftsführer WolfLeetz im Interesse der Gesellschaft). Diesem Ziel diente auch die von Dr. Münch eingeleitete undvon Professor Thiemeyer konsequent fortgesetzte Publikationspolitik. Die Arbeitsergebnisse oder

9 Peter Eichhorn und Theo Thiemeyer (Hrsg.), Finanzierung öffentlicher Unternehmen, Festschrift für Paul Münch,Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, Bd. 50, Baden-Baden 1979.

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Diskussionen wurden in der 1976 wiederbelebten Schriftenreihe veröffentlicht. An sich hätte auchdie Möglichkeit bestanden, auf die damals noch bestehende eigene Zeitschrift ÖWG zurückzu-greifen, aber der oben geschilderte Charakter der Zeitschrift lud dazu nicht ein. Im Übrigen er-schien Anfang 1978 das erste Heft der von Professor Eichhorn und Dr. von Loesch neu begrün-deten „Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen“ (ZögU), und zwar imNomos-Verlag in gediegener Aufmachung.10 Im Geleitwort zum ersten Heft heben die Heraus-geber hervor, dass es im deutschsprachigen Raum keine wissenschaftliche Zeitschrift für dasGebiet der öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen (mehr) gebe und diese Lückegeschlossen werden solle. Über das Verhältnis der neuen Zeitschrift zur GÖW gibt es in demGeleitwort keine Aussage; Organ der GÖWG wurde die ZögU erst 1985 nach dem Wegfall derGÖWG-eigenen Zeitschrift. In der ZögU waren besonders anfangs Mitglieder des Wissenschaft-lichen Beirats stark vertreten, und es wäre denkbar gewesen, die Ergebnisse der Beiratsarbeit dortzu publizieren. Aber in der GÖWG herrschte die Absicht vor, diese Ergebnisse als Leistung derGÖWG und ihres Wissenschaftlichen Beirats in der eigenen Schriftenreihe zu veröffentlichen,und dabei ist es geblieben. Die äußere Aufmachung der Schriftenreihe war allerdings zunächstsehr bescheiden; die bei der GÖWG-eigenen A.V.G. Allgemeine Verlagsgesellschaft mbH her-ausgegebenen Hefte 14 bis 16 erschienen noch in einem Kopierverfahren in Schreibmaschinen-schrift. Erst ab 1980, seit die Reihe bei der Nomos Verlagsgesellschaft erscheint (ab Heft 17),werden die Bände (wie den Jahren bis 1965) ordentlich gedruckt. Soweit sie nicht umfangreichereStellungnahmen des Beirats enthalten, sind die Hefte bis heute durchweg als Sammelbände ge-staltet, die namentlich gekennzeichnete und verantwortete Beiträge zusammenfassen. Um auchverlegerisch nicht so interessante Arbeitsergebnisse zu veröffentlichen, wurde ab 1986 die bereitserwähnte Reihe „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ im Eigenverlag der GÖWG (und späterder GÖW) begründet, die bis heute besteht. Sie wird auch als „Kleine Reihe“ bezeichnet.Soviel zur Publizistik. Der Wissenschaftliche Beirat setzte 1978 nach der Tagung in Emmers-hausen seine Tätigkeit mit mehreren Arbeitskreissitzungen und einer Tagung des Plenums am7. Oktober in Berlin fort. Die Tagungen des Plenums vom 28. Februar bis 1. März 1979 und vom20. bis 22. Februar 1980 waren fast ganz dem Thema „Kontrolle öffentlicher Unternehmen“ ge-widmet, das heute unter „Public Corporate Governance“ einzuordnen ist.11 Auslöser der Debattewaren damals wirtschaftliche Einbrüche bei verschiedenen öffentlichen Unternehmen und aucheinige „Skandale“. Im Beirat herrschte das Bestreben vor, den Dingen grundsätzlich nachzugehen,wie die beiden 1980 und 1982 erschienenen Bände „Kontrolle öffentlicher Unternehmen“ (Hefte17 und 20 der Schriftenreihe) belegen. Im Übrigen setzte sich 1979 die Diskussion in den Ar-beitskreisen fort. Eine Plenumssitzung am 5. April in Frankfurt befasste sich mit der Situation derDeutschen Bundespost.Im Jahre 1980 fand am 10. Januar eine Plenumssitzung in Köln statt, in der die neue Kooperationmit dem Nomos Verlag und das Thema Entstaatlichung besprochen wurden. Man beschloss, als

10 Schon zuvor hatten Professor Eichhorn und Prof. Dr. Peter Friedrich im Nomos Verlag die „Schriften zur öf-fentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft“ begründet, in denen auch immer wieder Mitglieder desWissenschaftlichen Beirats der GÖWG bzw. GÖW publiziert haben.

11 Vgl. den Beitrag des Verfassers „Alter Wein in neuen Schläuchen“ in: Christina Schaefer u. Ludwig Theuvsen(Hrsg.), Public Corporate Governance – Rahmenbedingungen, Instrumente, Wirkungen, Zeitschrift für öffent-liche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Beiheft 36, Baden-Baden 2008.

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Kandidaten für die Aufnahme in den Beirat Prof. Dr. Carl Böhret, Prof. Dr. Helmut Brede undProf. Dr. Werner Wilhelm Engelhardt nach Emmershausen einzuladen. Die dortige Tagung vom20. zum 22. Februar diente der weiteren Behandlung des Kontrollthemas, und es gab einen Vor-trag von Dr. Hartmut Tofaute vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deut-schen Gewerkschaftsbundes zur Mitbestimmung. Dem Kontrollthema waren auch noch zwei Ar-beitskreissitzungen im Sommer des Jahres gewidmet. Höhepunkt der Plenumssitzung am21. Oktober 1980 in Berlin war die Wiederwahl von Professor Thiemeyer, Professor Eichhornund Dr. Münch für weitere drei Jahre.Auch die nächsten Jahre waren durch eine rege Tätigkeit der Arbeitskreise gekennzeichnet. DieTagung vom 4. bis 6. März 1981 in Emmershausen diente vor allem der Fortsetzung und Fertig-stellung seit längerem vom Beirat verfolgter Projekte, so des zweiten der o.g. Kontrollbände, einesThesenpapiers zur Privatisierung und des dann 1983 erschienenen Heftes 24 der Schriftenreihemit dem Titel „Aufgaben öffentlicher und gemeinwirtschaftlicher Unternehmen im Wandel". Eineweitere Plenarsitzung fand 1981 am 14. September in Bonn (beim Verband öffentlicher Banken)statt. In dieser Sitzung wurde als Hauptthema für die Emmershäuser Tagung vom24. bis 26. Februar 1982 die öffentliche Bindung von (privaten) Unternehmen, also das aktuellgewordene Regulierungsthema, beschlossen und die Diskussion hierzu begonnen. Das Ergebnisder Arbeiten des Beirats zu dieser Thematik war der 1983 als Heft 22 der Schriftenreihe erschie-nene Band „Öffentliche Bindung von Unternehmen. Beiträge zur Regulierungsdebatte“, den derWissenschaftliche Beirat seinem ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Gert von Eynern zum 80. Ge-burtstag widmete.Die begonnenen Projekte des Plenums und der Arbeitskreise wurden in einer Plenarsitzung am5. November 1982 in Berlin fortgesetzt. Ausweislich des Protokolls dieser Sitzung bestanden1982/83 die folgenden fünf Arbeitskreise, deren Aktivitäten zum Teil bereits angesprochen wur-den:● Arbeitskreis „Aufgabenwandel“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Peter Eichhorn,● Arbeitskreis „Öffentliche Güter“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Karl Oettle,● Arbeitskreis „Aufgabenverlagerung“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Günter Püttner,● Arbeitskreis „Managerverhalten“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Erich Potthoff,● Arbeitskreis „EG-Transparenz-Richtlinie“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Albert von Mutius.Auf der Plenumssitzung vom 16. bis 18. Februar 1983 in Emmershausen stand eine Vielzahl vonThemen auf der Tagesordnung. Primär ging es um die Diskussion der Ergebnisse des von Pro-fessor Eichhorn geleiteten Arbeitskreises „Öffentliche Aufgaben und ihre Entwicklung (Aufga-benwandel)“, ein Thema, das geradewegs auf die Frage der Privatisierung zulief, die dann langeJahre den Beirat beschäftigte. Es wurde ein Arbeitskreis „Privatisierung“ unter dem Vorsitz vonProfessor Brede gebildet, ferner ein Arbeitskreis unter der Leitung von Dr. von Loesch zur Vor-bereitung eines Handbuchs der Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft in der BundesrepublikDeutschland. Die Fertigstellung dieses Kompendiums, dessen Herausgeber neben Dr. von LoeschProfessor Brede war und an dem 14 Mitglieder des Beirats mitgewirkt hatten, nahm längere Zeitin Anspruch und erschien 1986.Zum Thema Privatisierung öffentlicher Unternehmen verfasste Dr. von Loesch mit Unterstützungvon Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats ein Kompendium, das 1983 als Monografie in

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der Schriftenreihe der GÖWG erschien (Heft 23). Diese Sammlung der einschlägigen Argumentefand weite Verbreitung und erlebte eine 2. Auflage 1987.Die nächste Plenumssitzung am 15. September 1983 in Düsseldorf befasste sich erneut mit demThema Privatisierung unter Zugrundelegung der Vorlagen des einschlägigen Arbeitskreises, prä-sentiert von Professor Brede. In dieser Sitzung wurden Professor Thiemeyer, Professor Eichhornund Dr. Münch in ihren Ämtern bestätigt.Im Beirat war schon längere Zeit der Wunsch laut geworden, nicht immer nur intern („im eigenenSaft“) zu tagen, sondern die Aussprache mit anderen Wissenschaftlern, aber auch Praktikern ausPolitik und öffentlicher Wirtschaft zu suchen. Ende 1983 (am 27. Oktober) gelang es, in Bonnzusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung eine solche Veranstaltung mit großer Beteiligungdurchzuführen unter dem Titel: „Öffentliche Unternehmen in der sozialen Marktwirtschaft heute“.Die recht erfolgreiche Tagung wurde 1984 in Heft 26 der Schriftenreihe der GÖWG dokumentiert.Ebenfalls 1984 gelangten die Ergebnisse des von Professor Oettle geleiteten Arbeitskreises „Öf-fentliche Güter“ zur Veröffentlichung (Heft 25 der Schriftenreihe). Der Band wurde Prof. Dr.Gisbert Rittig zum 80. Geburtstag gewidmet.Nach verschiedenen Arbeitskreis-Sitzungen trat auch das Plenum des Beirats vom 7. bis 9. März1984 in Emmershausen wieder zusammen. Auf der Grundlage von Berichten aus den Arbeits-kreisen standen erneut unterschiedliche Themen zur Debatte; das Schwergewicht lag weiterhinauf der Privatisierungsfrage. Man beschloss auf dieser Tagung, als Kandidaten für eine Aufnahmein den Beirat Prof. Dr. Helmut Cox, Prof. Dr. Dietrich Budäus und Prof. Dr. Bert Rürup zurnächsten Plenumssitzung einzuladen, die am 5. Oktober 1984 in Frankfurt stattfand. Es kam zuderen Teilnahme, und im Anschluss an die Sitzung wurde beschlossen, dem Vorstand vorzu-schlagen, die drei Wissenschaftler in den Beirat zu berufen (was dann auch in der nächsten Vor-standssitzung geschah).Auch auf der Plenumssitzung am 1. November 1984 standen wieder Fragen der Privatisierung imVordergrund, und es wurde eine weitere Tagung mit auswärtigen Wissenschaftlern vorbereitet.Ferner setzte das Plenum einen neuen Arbeitskreis „Unternehmenstheorie“ unter dem Vorsitz vonProf. Dr. Peter Friedrich ein. Die Arbeiten des von Professor Püttner geleiteten Arbeitskreises„Aufgabenverlagerung“ führten 1984 zur Veröffentlichung eines Gutachtens des Wissenschaft-lichen Beirats mit dem Titel „Zum Problem der Aufgabenverlagerung auf öffentliche Unterneh-men“, das als Heft 27 in der Schriftenreihe der GÖWG erschien. Thema dieses Gutachtens wardie Ausgliederung von Aufgaben aus der öffentlichen Verwaltung in öffentliche Unternehmen.Wiederum nach zahlreichen Arbeitskreissitzungen trat das Plenum des Beirats vom 20.bis 22. Februar 1985 in Emmershausen zusammen, um sich mit weiteren Fragen der Privatisierungauseinanderzusetzen, diesmal besonders bezüglich Bahn, Post und Flughäfen. Auch von einerAnnäherung an die Sparkassenorganisation war die Rede, die seinerzeit der GÖWG noch nichtangehörte. Im Übrigen gab es im Jahre 1985 außer etwa zehn Arbeitskreissitzungen noch eineweitere Zusammenkunft des Plenums des Beirats am 21. Juni in Frankfurt, in der neben Ta-gungsvorbereitungen die Bildung von zwei neuen Arbeitskreisen auf der Tagesordnung stand,nämlich eines Arbeitskreises „Deutsche Bundespost“ unter dem Vorsitz von Professor Cox undeines Arbeitskreises „Finanzierung“ unter dem Vorsitz von Professor Eichhorn, die dann auchbald ihre Arbeit aufnahmen.

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Die nächste Tagung des Beiratsplenums fand vom 24. bis 26. März 1986 statt, diesmal in derneuen Fortbildungsstätte der Bank für Gemeinwirtschaft in Oberursel bei Frankfurt. Die Ta-gungsstätte in Emmershausen war nämlich von der BfG aufgegeben worden. Es zeichnete sichaber damals bereits das Ende der Gastgeberschaft in Folge der in die Krise geratenen gewerk-schaftlichen Gemeinwirtschaft ab; letztmals kam eine Einladung für 1987 nach Oberursel. DieKrise der Gewerkschaftsunternehmen, insbesondere der Neuen Heimat, hatte im Beirat Betrof-fenheit ausgelöst; man hatte aber bereits zu Beginn der Krise 1882 im Beirat beschlossen, dazukeine offizielle Stellungnahme abzugeben, und dabei blieb es. – Die Tagung selbst war dem Thema„Unternehmenstheorie“ gewidmet; es referierten Professor Thiemeyer, Professor Budäus, Pro-fessor Friedrich und Professor Eichhorn. Neu dabei waren die Praktiker Dr. Gottschalk und Prof.Dr. Helmut Jenkis. Weitere Mitglieder aus der Wissenschaft wurden erst auf der nächsten Ple-numssitzung am 4. Juli 1986 in Frankfurt vorgeschlagen, nämlich Dr. Gerold Ambrosius, der imJuni 1988 in den Beirat berufen wurde, und Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert. Im Übrigen wurdenauf dieser Sitzung die Vorbereitungen getroffen für ein geplantes Kolloquium über „ÖffentlicheUnternehmen und ökonomische Theorie“ sowie für die nächste Tagung in Oberursel. Es gabansonsten 1986 außer vielen Arbeitskreissitzungen noch eine Sitzung des Plenums am 12. Sep-tember in Frankfurt, in der Professor Thiemeyer, Professor Eichhorn und Dr. Münch in ihrenÄmtern für drei weitere Jahre bestätigt wurden.Anschließend fand am 2./3. Oktober 1986 in Mannheim das lange gewünschte Kolloquium desWissenschaftlichen Beirats mit eingeladenen Wissenschaftlern statt, deren Tätigkeit den Bereichder öffentlichen Unternehmen umfasst. Es waren immerhin rund 70 Wissenschaftler der Einla-dung gefolgt. Das Generalthema lautete: „Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie“.Im Einzelnen erstatteten Referate: Professor Friedrich zum Thema „Ordnungspolitische Rah-menbedingungen und öffentliche Unternehmenstätigkeit“, Prof. Dr. Charles B. Blankert zumgleichen Thema mit dem Zusatz „Soll der Staat industrielles Beteiligungskapital halten?“, Prof.Dr. Carl Christian von Weizsäcker und Professor Thiemeyer zu „Öffentlicher Bindung – Dere-gulierung – Privatisierung“ sowie Prof. Dr. Klaus Chmielewicz und Professor Budäus zur Pro-blematik einzelwirtschaftlicher Effizienzkriterien bei öffentlichen Unternehmen, ferner ProfessorEichhorn zum Thema „Anforderungen an eine für Politikberatung geeignete Theorie öffentlicherUnternehmen“. Die Tagung ist dokumentiert als Heft 28 der Schriftenreihe der GÖWG (erschie-nen 1987).Nach einer kurzen Sitzung des Plenums am 28. November 1986 in Frankfurt kam der Beirat am12./13. Februar 1987 in Oberursel zur jährlichen großen Tagung zusammen, um über Fragen derGemischtwirtschaftlichkeit zu beraten. Vorbereitet wurde dort eine Vortrags- und Diskussions-veranstaltung der GÖWG am 17. November 1987 in Köln zum Thema „Gemischtwirtschaftlich-keit und öffentliche Aufgabe“, die (1988) in Heft 3 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“dokumentiert worden ist. Außerdem wurde ein neuer Arbeitskreis „Querverbund“ unter der Fe-derführung von Dr. Münch und Professor Püttner gebildet. Es spiegelt sich darin die von nun anstärkere Hinwendung zur kommunalen Wirtschaft als der neuen Hauptstütze der in GÖW zu-rückbenannten Gesellschaft.In der nächsten Sitzung des Plenums am 16. September 1987 im Frankfurt (diesmal bei derMaingas AG) standen Berichte aus den Arbeitskreisen „Unternehmenstheorie“, „Querverbund“und „Gemeinwirtschaft“ zur Diskussion. Zur Vorbereitung der nächsten Jahrestagung fand Ende

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1987 keine Plenumssitzung, sondern (am 2. Dezember) eine Sitzung des Beiratspräsidiums statt.Dem Geschäftsführer der GöW war es mit Unterstützung von Dr. von Loesch gelungen, für dieTagungen ein neues Domizil zu finden, nämlich die Evangelische Akademie in Arnoldshain imTaunus. Dort traf der Beirat vom 17.bis 19. Februar 1988 zusammen. Es gab Referate zu ver-schiedenen fachlichen Themen, und es wurde eine neue Arbeitsgruppe „EG-Binnen-markt / Öffentliche Banken“ unter Vorsitz von Professor Eichhorn gebildet. Beschlossen wurde,Prof. Dr. Eberhard Wille und Professor Schuppert zur gastweisen Mitarbeit an Projekten desBeirats einzuladen.Anfang 1988 erschien als Ergebnis der Arbeiten des von Professor Cox geleiteten Arbeitskreises„Bundespost“ die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats „Thesen zur künftigen Strukturder Deutschen Bundespost“ als Heft 2 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“. Am 9. Juni1988 veranstaltete die GÖW in Bonn eine Tagung zum Thema „Postreform: Marktorientierungund öffentlicher Auftrag“. Vom Beirat referierten Prof. Dr. Eberhard Wille und Professor Cox.Die Veranstaltung ist als Heft 31 der Schriftenreihe dokumentiert. Außerdem wurden 1988 dieArbeiten des von Professor Brede geleiteten Arbeitskreises „Privatisierung“ mit der Veröffentli-chung der Ergebnisse in Heft 29 der Schriftenreihe unter dem Titel „Privatisierung und die Zukunftder öffentlichen Wirtschaft“ abgeschlossen.Das Jahr 1989 ist durch eine Fülle von Aktivitäten gekennzeichnet. Der Beirat kam als Plenumvom 8. bis 10. Februar zusammen. Erörtert wurden Berichte aus den Arbeitskreisen. Deren gabes zu diesem Zeitpunkt drei:● Arbeitskreis „Querverbund“ unter dem Vorsitz von Professor Püttner,● Arbeitskreis „Abfallwirtschaft“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Gerhard Himmelmann,● Arbeitskreis „Unternehmenstheorie“ unter dem Vorsitz von Professor Friedrichsowie inzwischen drei Arbeitsgruppen zur EG-Binnenmarktproblematik:● „Banken“, unter dem Vorsitz von Professor Eichhorn,● „Energie“, unter dem Vorsitz von Dr. Gottschalk zusammen mit Dr. Münch,● „Verkehr“, unter dem Vorsitz von Dr. von Loesch.Die Arbeitskreise tagten auch 1989 regelmäßig, ebenso wie die EG-Binnenmarkt-Arbeitsgruppen,die in den Jahren 1990 und 1991 drei in der „Kleinen Reihe“ veröffentlichte Stellungnahmen desWissenschaftlichen Beirats ausgearbeitet haben (Hefte 6, 7 und 8).Am 6. und 7. April 1989 fand in Göttingen das zweite Kolloquium des Wissenschaftlichen Beiratsmit einem größeren Kreis eingeladener Wissenschaftler statt zum Thema: „Instrumentalfunktionöffentlicher Unternehmen“ mit Referaten von Prof. Dr. Gunther Engelhardt, Prof. Dr. AlexanderVan der Bellen, Professor Schuppert sowie vom Wissenschaftlichen Beirat Professor Himmel-mann, Professor Oettle und Professor Cox. Die Tagung ist ausführlich dokumentiert als Heft 32der Schriftenreihe der GÖW (erschienen 1990). Teilgenommen haben über 60 Wissenschaftler,und man kann von gutem Erfolg sprechen.Im Übrigen fanden 1989 noch zwei Plenumssitzungen des Wissenschaftlichen Beirats statt, am23. Juni in Frankfurt (bei der Deutschen Bundesbahn) und am 27. Oktober in Mannheim. Esstanden jeweils Berichte aus den Arbeitskreisen zu Diskussion. Beschlossen wurde, dem Vorstanddie Berufung von Dr. Hannes Rehm vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband sowie vonProfessor Wille in den Beirat vorzuschlagen. Der Vorstand folgte dem Vorschlag.

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Im Jahr 1990 gab es neben vielen Arbeitskreissitzungen insgesamt vier Plenumssitzungen, davondie erste am 12. Januar in Frankfurt (bei der Hessischen Landesbank) und die zweite als Jahres-tagung vom 28. Februar bis 2. März in Arnoldshain. Berichte aus den Arbeitskreisen wurdengeliefert, und es war der Wille zu vernehmen, die Arbeit wieder mehr zu aktivieren. Auf dernächsten Sitzung des Plenums am 29. Juni in Frankfurt (bei der Maingas AG) trat ein schwierigesProblem auf. Eine von Professor Himmelmann verantwortete Ausarbeitung zur Abfallwirtschaft,vorbereitet im entsprechenden Arbeitskreis, stieß auf Widerstand im Vorstand der GÖW, konkretbei Hans-Diether Imhoff von der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG. Professor Thie-meyer wurde beauftragt zu vermitteln, aber das erwies sich als schwierig, weil keiner der beidenKontrahenten nachgeben wollte. Schließlich wurde die Veröffentlichung als Einführungsbeitragdes Heftes 33 der Schriftenreihe der Gesellschaft (1991) ermöglicht, aber auch der andere Stand-punkt erschien unter dem Titel „Abfallentsorgung und ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicherUnternehmen“ (Beiträge von Hans-Diether Imhoff, Ernst-Otto Sohns und Alfred Holtmann) alsHeft 4 der Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft (1989). – Im Übrigen standen hier wie auch in derPlenumssitzung am 25. Oktober 1990 in Berlin verschiedene Berichte und die Vorbereitung einesweiteren Kolloquiums mit außenstehenden Wissenschaftlern auf der Tagesordnung. In der letzt-genannten Sitzung wurden, im Beisein des bisherigen GÖW-Präsidenten v. Koester und des neuenPräsidenten Felix Zimmermann, Professor Thiemeyer, Professor Eichhorn und Dr. Münch in ihrenÄmtern bestätigt. Neu geschaffen wurden zwei Arbeitskreise zu Problemen der neuen Bundes-länder, der eine unter dem Vorsitz von Professor Eichhorn und der andere unter Leitung vonProfessor Budäus.Die genannten Planungen griff der Beirat auf der Tagung vom 13. bis 15. Februar 1991 in Ar-noldshain wieder auf. Ansonsten stand die Diskussion um den Aufbau der Infrastruktur in Ost-deutschland im Vordergrund. Im Laufe des Jahres gab es viele Arbeitskreissitzungen, insbeson-dere auch des wieder aktivierten Arbeitskreises „Bundespost“ unter dem Vorsitz von ProfessorCox, der eine 1992 als Heft 9 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ veröffentlichte Stellung-nahme des Beirats mit dem Titel „Die Unternehmen der Deutschen Bundespost als juristischePersonen des öffentlichen Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Postreform II“ vorbereitete. In einerPlenumssitzung am 10. Oktober 1991 in Bonn (beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband)standen hauptsächlich Planungen auf dem Programm, so für eine IFIG-Tagung und für ein Treffenmit Wissenschaftlern der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Gemeinwirtschaft in Trier.Ein Vorbereitungs-Ausschuss tagte am 25. Oktober 1991 noch unter dem Vorsitz von ProfessorThiemeyer.Dann ereilte diesen am 26. November 1991 völlig unerwartet und viel zu früh der Tod. Alle warenerschüttert, und es herrschte Betroffenheit. Theo Thiemeyer war unbestritten der große Mann deröffentlichen Wirtschaft, sein Wirken und seine Ideen hatten über Jahre den Beirat beherrscht. Eswar allgemeine Auffassung, dass in seinem Sinne weiterzuarbeiten und kein irgendwie gearteterNeuanfang angezeigt sei. Deshalb wurde auch sogleich beschlossen, Professor Thiemeyer eineGedächtnisschrift zu widmen. Diese entstand unter der Herausgeberschaft von Professor Eichhornund Professor Engelhardt mit dem Titel „Standortbestimmung öffentlicher Unternehmen in derSozialen Marktwirtschaft“ als Heft 35 der Schriftenreihe der GÖW 1994 der Öffentlichkeit über-geben.

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Die Ära Thiemeyer, wenn man es so nennen darf, war jedenfalls zu Ende gegangen. Sie wargekennzeichnet durch harte Arbeit und Kontinuität, aber auch durch Weiterentwicklungen wiedie Veranstaltung der Kolloquien mit einer größeren Zahl von Wissenschaftlern, die dem Beiratnicht angehörten. Genannt werden muss weiter die feste Installierung der jährlichen Klausurta-gungen vom Aschermittwoch bis zum darauffolgenden Freitag, zuerst in Emmershausen, dann ananderen Orten. Als die Bank für Gemeinwirtschaft diese Tagungen nicht mehr als Gasteber aus-richten konnte, wollte trotzdem niemand auf sie verzichten, und wie selbstverständlich hielt mannach einem neuen Domizil Ausschau. Diese mehrtägigen Zusammenkünfte kamen nicht nur derSacharbeit sehr zugute, sie gaben auch (besonders in der alten Mühle in Emmershausen) Gele-genheit zu gemütlichem Beisammensein und zur Ausbildung einer freundschaftlichen Atmo-sphäre, die allgemein hoch eingeschätzt wurde. Da es zugleich gelungen war, die Zusammenarbeitmit dem Vorstand erheblich zu verbessern, kann rundum vom einem erfolgreichen Wirken TheoThiemeyers gesprochen werden.

Die Zeit unter dem Beiratsvorsitz von Peter Eichhorn 1992-2005

Als der Wissenschaftliche Beirat vom 4. bis 6. März 1992 in Arnoldshain zur Jahrestagung zu-sammentrat, musste natürlich die Neuwahl des Vorsitzenden und der Stellvertreter auf der Ta-gesordnung stehen. Niemand war auf die fällige Neuwahl richtig vorbereitet, hatte man dochgedacht, Theo Thiemeyer werde noch viele Jahre den Vorsitz führen. Es lag nahe und entsprichtvielfachem Brauch, dass einer der Stellvertreter in einem solchen Falle nachrückt. Da Dr. PaulMünch aus dem oben genannten Grund und seines vorgerückten Alters wegen nicht kandidierenwollte, lief eigentlich alles auf den lange bewährten Stellvertreter Prof. Dr. Peter Eichhorn zu, derdann auch rasch gewählt wurde, zumal es keinen Gegenkandidaten gab. Der Verfasser erinnertsich aber, dass zwar die meisten Beiratsmitglieder voll hinter dieser Entscheidung standen, aberauch einige ein etwas unwohles Gefühl hatten; sie wollten Professor Eichhorn, der bereits dieHerausgeberschaft bei der ZögU innehatte, nicht die gleiche Vormachtstellung einräumen, wieProfessor Thiemeyer sie besessen hatte. Dies äußerte sich bei der Regelung der Stellvertreterfrage.Man gelangte zu der Auffassung, dass es zur besseren Vertretung der akademischen Fächer undder Praxis künftig drei Stellvertreter geben solle und diese auch an der Leitung des Beirats beteiligtwerden sollten. In diesem Sinne wurde als Praktiker Dr. Wolf Gottschalk vom Verband kommu-naler Unternehmen (dem nunmehr wichtigsten Träger der GÖW, siehe oben) zum Stellvertretergewählt, und man stellte dem Betriebswirt Professor Eichhorn den Volkswirt Prof. Dr. HelmutCox sowie den Juristen Prof. Dr. Günter Püttner zur Seite, um die gewünschte Ausgewogenheitherzustellen. Die erforderliche Änderung der Satzung der GÖW ging problemlos vonstatten.Tatsächlich trat in der Folgezeit das Beiratspräsidium nicht nur vor Plenumssitzungen, sondernauch gesondert zu Besprechungen zusammen, so am 11. Dezember 1992 in Frankfurt und am5. Januar 1996 in Mannheim. Das Präsidium bildete in der gesamten Zeit des Beiratsvorsitzes vonProfessor Eichhorn ein wichtiges Element in der Beiratsarbeit.Im Übrigen belegen der Bericht des GÖW-Präsidenten Felix Zimmermann und der Bericht vonProfessor Eichhorn über die Beiratsarbeit auf der GÖW-Mitgliederversammlung am 30. Sep-tember 1992 den kontinuierlichen Fortgang der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats und auch

VII.

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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der GÖW selbst. Diese zeigte das Bemühen, auch wieder mit eigenen Veranstaltungen an dieÖffentlichkeit zu treten, was aber erst im Laufe der Zeit gelang. In der Mitgliederversammlungam 12. Oktober 1994 wurde Felix Zimmermann erneut zum Präsidenten gewählt, zum Vizeprä-sidenten Dr. Fritz Gautier von den GEW-Werken in Köln und zum Schatzmeister Reinfrid Fischervom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, und damit wurde die früher so bedeutende Rolleder Bundesunternehmen endgültig beendet. Als neue Beiratsmitglieder nennt der Bericht desPräsidenten Prof. Dr. Günther E. Braun, Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert und Prof. Dr. PeterTettinger. Der Bericht Professor Eichhorns über die Beiratsarbeit hob besonders das im September1993 in Tübingen veranstaltete Kolloquium des Beirats hervor (dazu unten). Deutlich kam zumAusdruck, dass der Vorstand der GÖW und der Wissenschaftliche Beirat die unter Prof. Dr. TheoThiemeyer vertiefte vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht nur fortsetzten, sondern noch weiterausbauten. Seit dieser Zeit nahm der Präsident der GÖW regelmäßig als Gast an den Jahresta-gungen des Beirats teil, und der Geschäftsführer der GÖW Wolf Leetz konnte seine Rolle alsMittler zwischen Vorstandsarbeit und Beiratsarbeit mit gutem Erfolg wahrnehmen.Der Wissenschaftliche Beirat setzte nach der genannten Plenumssitzung vom März 1992 seineAktivität fort mit dem Kolloquium am 26./27. März in Würzburg zum Thema: „Finanzierung undOrganisation der Infrastruktur in den neuen Bundesländern“. In dem Band, der die Tagung do-kumentiert (Heft 34 der Schriftenreihe) ist als Anhang II die Stellungnahme des Beirats von 1991zu diesem Thema noch einmal abgedruckt, und es wird darin auf das unter der Federführung vonProf. Dr. Dietrich Budäus erarbeitete Gutachten von 1990 zum Thema „Öffentliche Unternehmenund soziale Marktwirtschaft“ hingewiesen (Heft 5 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“).An der Würzburger Tagung beteiligten sich wie bei früheren Gelegenheiten rund 60 Wissen-schaftler unterschiedlicher Disziplinen.Von den Arbeitskreisen tagten insbesondere der zum Thema „Querverbund“ (Vorsitz: ProfessorPüttner), der seine Arbeit erst 1995 zum Abschluss bringen konnte (Heft 38 der Schriftenreihe),der Arbeitskreis „Treuhandanstalt“ (Vorsitz: Professor Friedrich) und der Arbeitskreis „Öffent-liche Unternehmen und EG“ (Vorsitz: Professor Cox).Am 2. Juni 1992 führte die GÖW in Leipzig eine Vortragsveranstaltung zum Thema „Die Zukunftder öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft“ durch und am 17. Februar 1993in Berlin einen Workshop zum Thema „Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichenRechts – Rechtsformänderung bei den Berliner Eigenbetrieben?“. Auf beiden Veranstaltungenwar der Wissenschaftliche Beirat mit Referaten von Professor Püttner vertreten. Die Tagungenwurden als Heft 11 und 12 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ veröffentlicht.Die Aktivitäten des Beirats im Jahr 1993 begannen mit der Jahrestagung am 24./25. Februar inArnoldshain. Es herrschte die Auffassung vor, die Außenwirkung der GÖW und des Beirats müs-sen verbessert werden; entsprechend wurde die Vorbereitung eines für den Herbst geplanten Kol-loquiums vorangetrieben. Zwecks Ergänzung des Beirats gab es den Beschluss, zu den nächstenTagungen den Sächsischen Finanzminister Prof. Dr. Georg Milbradt, Wilfried Räpple von denKölner Stadtwerken, Prof. Dr. Gunter Folke Schuppert, Prof. Dr. Peter Tettinger und Prof. Dr.Dieter Witt als Gäste einzuladen. Auch wurde ein neuer Arbeitskreis „Finanzierung“ unter Vorsitzvon Prof. Dr. Gebhard Zimmermann eingerichtet und beschlossen, weiter am Thema Privatisie-rung zu arbeiten.

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Im Laufe des Jahres 1993 gab es zwar Arbeitskreis-Sitzungen und eine Besprechung der Arbeits-gruppe „Privatisierung“, aber man konzentrierte sich auf das Kolloquium des WissenschaftlichenBeirats am 29./30. September in Tübingen zum Thema: „Perspektiven öffentlicher Unternehmenin der Wirtschafts- und Rechtsordnung der Europäischen Union“. Gut 50 Teilnehmer waren ver-sammelt und widmeten sich der vom Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerb und öffentlichenAufgaben geprägten Thematik (vgl. die Hefte 36 und 37 der Schriftenreihe). So konnte auf derPlenumssitzung des Beirats am 29. Oktober 1993 in Köln eine positive Bilanz gezogen werden,die auch die o.g. Vortragsveranstaltung der GÖW zur Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in derEG einschloss.Auf der nächsten Plenumssitzung des Beirats am 16./17. Februar 1994 in Arnoldshain wurdenausführliche Berichte aus den Arbeitskreisen vorgetragen. Die Arbeit der Arbeitskreise „Privati-sierung“ und „Querverbund“ endete nach Fertigstellung der Beiträge für Heft 38 der Schriften-reihe zum Querverbund (s.o.) sowie der 1994 als Heft 13 der „Beiträge zur öffentlichen Wirt-schaft“ veröffentlichten Stellungnahme des Beirats „Privatisierungsdogma widerspricht SozialerMarktwirtschaft“. Die Privatisierungsfrage ist seitdem vom Beirat nicht mehr allgemein, sondernjeweils bezogen auf bestimmte Sektoren weiterbehandelt worden. Dagegen sollten die Arbeits-kreise „Treuhandanstalt“ (Vorsitz: Professor Peter Friedrich), „Öffentliche Unternehmen und EG“(Vorsitz: Professor Cox) sowie „Finanzierung“ (Vorsitz: Professor Zimmermann) ihre Tätigkeitweiterführen. Der Beirat bildete außerdem einen neuen Arbeitskreis zum Thema „Public PrivatePartnership“ unter dem Vorsitz von Professor Eichhorn. Damit waren, so der allgemeine Eindruck,die Grenzen der Arbeitskapazität erreicht; man beschloss auf der nächsten Plenums-Sitzung am13. Oktober 1994, neue Arbeitskreise erst wieder zu errichten, wenn die bisherigen ihre Arbeitbeendet hätten.1994 gab es neben zahlreichen Arbeitskreis-Sitzungen am 24. Oktober in Köln ein vom Interna-tionalen Forschungs- und Informationszentrum für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft– IFIG (CIRIEC) veranstaltetes Seminar „Ökonomie der öffentlichen Dienste“ zur Vorbereitungeiner Europäischen Charta der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, ge-leitet von Professor Cox. Die Ergebnisse, dokumentiert in Heft 40 der Schriftenreihe der GÖW,haben die weitere Arbeit des deutschen Beirats erheblich befruchtet. Überhaupt gewann die Tä-tigkeit der Wissenschaftlichen Kommission des IFIG auch für die deutsche Arbeit stärkere Be-deutung.Besondere Aktivität entwickelte 1994 und danach der Arbeitskreis „Finanzierung“ unter demVorsitz von Professor Zimmermann; die Arbeitsergebnisse sind als Sammelband unter dem Titel„Neue Finanzierungsinstrumente für öffentliche Aufgaben“ (Heft 39 der Schriftenreihe der GÖW)1997 veröffentlicht worden. Der Beirat insgesamt befasste sich ebenfalls häufiger mit Finanzie-rungsthemen und den öffentlichen Kreditinstituten.Die Jahrestagung am 1./2. März 1995 in Arnoldshain widmete sich dem Thema: „Konzepte derEuropäischen Union für die öffentliche Wirtschaft und Stand ihrer Realisierung“. Diskutiert wur-de der Plan, ein Kolloquium in Hamburg durchzuführen, und zur gastweisen Einladung zu Bei-ratssitzungen schlug man Prof. Dr. Rolf Stober und Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt vor. Nachvielen Arbeitskreissitzungen trat das Plenum des Beirats noch einmal am 16. Oktober 1995 inFrankfurt zusammen. Man fasste den Beschluss, das Kolloquium am 21./22. März 1996 in Ham-burg zu veranstalten zum Thema „Public Private Partnership“. Im Übrigen erstattete Professor

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Dietrich Budäus einen Bericht zum Thema „Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahr-nehmung“.Die GÖW als solche veranstaltete 1995 zwei Symposien, eines am 9. Mai in Köln zu dem bisheute aktuell gebliebenen Thema „Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemein-dewirtschaftsrecht“ und eines am 31. August in Dresden zum Thema „Öffentliche Unternehmen– eine Alternative zur Privatisierung". An letzterem waren vom Wissenschaftlichen Beirat Pro-fessor Budäus und Professor Eichhorn als Referenten beteiligt. Die beiden Veranstaltungen sindals Heft 14 und Heft 16 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ veröffentlicht worden.Im Jahre 1996 kam der Beirat zur Jahrestagung am 21./22. Februar in Arnoldshain zusammen.Das Thema der Tagung am zweiten Tage lautete: „Die Regionalisierung des öffentlichen Perso-nennahverkehrs“ (vgl. unten); es ging aber auch um Entgelte in der Versorgungswirtschaft.Das geplante Kolloquium zu „Public Private Partnership“ (jetzt Symposium genannt) fand wievorgesehen am 21./22. März 1996 in Hamburg statt. Diesmal folgten über hundert Wissenschaft-ler und Führungskräfte der öffentlichen Wirtschaft der Einladung; neben grundsätzlichen Über-legungen wurden auch praktische Erfahrungen zur Diskussion gestellt (die Tagung ist als Heft 41der Schriftenreihe der GÖW dokumentiert).Im Übrigen konnten um diese Zeit die Beratungen mehrerer Arbeitskreise zum Abschluss gebrachtund die Ergebnisse publiziert werden, jeweils als Sammelbände. Den Anfang machte 1997 dervon Professor Püttner herausgegebene Band „Der regionalisierte Nahverkehr“ (Heft 42 derSchriftenreihe der GÖW), es folgten 1998 der von Prof. Dr. Helmut Brede betreute Band „Preiseund Gebühren in der Entsorgungswirtschaft“ (Heft 43 der Schriftenreihe) und der von ProfessorBudäus herausgegebene umfangsstarke Band „Organisationswandel Öffentlicher Aufgabenwahr-nehmung“ (Heft 44 der Schriftenreihe) sowie schließlich 2000 der von Professor Cox herausge-gebene Band „Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union“(Heft 45 der Schriftenreihe). Die Auflistung lässt erkennen, dass mehr als früher sektorale Pro-bleme in den Vordergrund gerückt waren, nicht zuletzt im Gefolge guter Zusammenarbeit mitinteressierten Mitgliedern des Vorstandes der Gesellschaft.In der GÖW selbst gab es nach dem auf der Mitgliederversammlung am 8. Oktober 1996 erstat-teten Tätigkeitsbericht für 1994-1996 keine besonderen Neuigkeiten. Der Präsident FelixZimmermann und die beiden anderen Präsidiumsmitglieder wurden in ihren Ämtern bestätigt. Alsneue Beiratsmitglieder wurden Prof. Dr. Dietrich Dickertmann von der Universität Trier und Dr.Ulrich Kirchhoff von der Landesbank Hessen-Thüringen vorgestellt. Auf der nächsten Mitglie-derversammlung der GÖW am 3. November 1998 konnten zusätzlich als neue BeiratsmitgliederDr. Jens Harms, damals Vizepräsident des Hessischen Rechnungshofs (der als Leiter der Evan-gelischen Akademie Arnoldshain zum Beirat gestoßen war), weiter Prof. Dr. Christoph Reichardvon der Universität Potsdam und Prof. Dr. Helmut Siekmann von der Universität Bochum vor-gestellt werden, dazu Dr. Peter Breitenstein vom Chemiepark Bitterfeld-Wolfen und Dr. ThomasMuthesius vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen als korrespondierende Mitglieder. Eswar also gelungen, die Zahl der Mitglieder des Beirats deutlich zu erhöhen.In der Gesellschaft gab es nur insofern eine Veränderung, als anstelle von Dr. Gautier nun WilhelmGeorg Hanss von den Leipziger Verkehrsbetrieben zum Vizepräsidenten gewählt wurde.Mit der Plenums-Sitzung am 9. Oktober 1996 in Berlin ging der Wissenschaftliche Beirat zuneuen Themen über, wobei die Frage der Standorte für öffentliche Dienste sowie Probleme der

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Wirtschaftlichkeit einschließlich Rechnungswesen und Prüfung eine besondere Rolle spielten. Inder Plenumsitzung im Rahmen der Jahrestagung am 12./13. Februar 1997 in Arnoldshain wurdendie Überlegungen weitergeführt, und es wurde wiederum aus den Arbeitskreisen berichtet. Amzweiten Tag behandelte der Beirat vier verschiedene Themen:● Die Zukunft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS), Vortrag von

Professor Friedrich,● Öffentliche Dienstleistungen als Standortfaktor in Deutschland, Vortrag von Professor Eich-

horn,● Probleme der Beteiligungsprüfung durch Rechnungsprüfer, Vortrag von Dr. Harms,● Aktuelle Finanzierungsfragen des öffentlichen Personennahverkehrs, Vortrag von Dr. Muthe-

sius.Auch 1997 tagten mehrere Arbeitskreise. Der Wissenschaftliche Beirat trat am 6. Oktober 1997noch einmal zu einer Plenumssitzung zusammen, um Fragen bezüglich der Sparkassen und Lan-desbanken zu erörtern. Daraus ist 1998 die Stellungnahme des Beirats „Sparkassen und Landes-banken in der Wettbewerbe- und Privatisierungsdiskussion“ (Heft 17 der „Beiträge zur öffentli-chen Wirtschaft“) hervorgegangen.Im Jahre 1998 fand die Jahrestagung am 25./26. Februar wiederum in Arnoldshain statt. Außerden Berichten aus den Arbeitskreisen ging es in der internen Sitzung vor allem um die Vorberei-tung des anstehenden IFIG-Kogresses in Köln. Am zweiten Tag standen wiederum mehrere The-men auf dem Programm. Es ging um das EG-Beihilfeverfahren gegen die Bundesregierung inSachen Frachtpost der Deutsche Post AG, die Prinzipien des Alleinabnehmers und des verhan-delten Netzzugangs sowie um weitere aktuelle gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen für dieVersorgungswirtschaft. Referenten waren Michael Els von der Deutsche Post AG sowie ProfessorGottschalk und Professor Tettinger vom Wissenschaftlichen Beirat.Für die Zukunft wurden Arbeiten zum Thema „Europäisches Wettbewerbsrecht und Wahrneh-mung öffentlicher Aufgaben“ (unter Leitung von Professor Brede), zum öffentlichen Personen-nahverkehr (unter Leitung von Professor Püttner) und zur Transformation im Wettbewerb in denneuen Bundesländern (unter Leitung von Professor Friedrich) ins Auge gefasst. Auch kam derPlan auf, ein wissenschaftliches Symposium über Chancen und Risiken des Wandels in der kom-munalen Wirtschaft zu veranstalten.Wie geplant fand der IFIG-Kongress am 4./5. Mai 1998 in Köln statt. Es ging um „Personalma-nagement und Humanressourcen in öffentlichen, sozialwirtschaftlichen und genossenschaftlichenUnternehmen“.Das Plenum des Wissenschaftlichen Beirats trat am 2. November 1998 in Berlin zu einer weiterenSitzung zusammen. Berichtet wurde über die Arbeitskreise● „Öffentliche Unternehmen in der EU“ unter dem Vorsitz von Professor Cox● „Öffentlicher Personennahverkehr“ unter dem Vorsitz von Professor Püttner● „Standortwettbewerb“ unter dem Vorsitz von Professor Eichhorn● „Treuhandanstalt/BVS“ unter dem Vorsitz von Professor Friedrich● „Gemeinnützigkeit und Wettbewerb“ unter dem Vorsitz von Professor Brede● „Gemeinwirtschaftliche Lasten/Leistungen“ unter dem Vorsitz von Dr. Heinz Bolsenkötter.Im Jahre 1999 befasste sich der Wissenschaftliche Beirat auf der Frühjahrstagung am17./18. Februar in Arnoldshain mit den Vorstellungen der Monopolkommission bezüglich öf-

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fentlicher Unternehmen. Zu Beginn dieser Tagung gab es ein Gespräch des Beirats mit Vor-standsmitgliedern über „die künftige Position der GÖW hinsichtlich öffentliche Dienstleistungenerbringender Unternehmen und sich daraus ergebende Konsequenzen“. Der Vorsitzende des Wis-senschaftlichen Beirats und seine Stellvertreter wurden für weitere drei Jahre im Amt bestätigt.Höhepunkt des Jahres bildete das am 29./30. September in Berlin veranstaltete Symposium zumThema: „Kommunale Wirtschaft im Wandel – Chancen und Risiken“. Es kamen hier Wissen-schaftler und Führungskräfte aus kommunalen Unternehmen zusammen, um die schwierige Lageder kommunalen Unternehmen unter den modernen Rahmenbedingungen zu besprechen. DieTagung ist dokumentiert als Heft 48 der Schriftenreihe der GÖW.Im Übrigen traf sich das Präsidium des Wissenschaftlichen Beirats am 9. Dezember 1999 in Ber-lin, um unter anderem die Frage nach dem „Forschungsobjekt“ des Beirats zu erörtern, also dieFrage, inwieweit neben klassischen öffentlichen Unternehmen auch gemischtwirtschaftliche Un-ternehmen (PPP) und Non-Profit-Organisationen einzubeziehen seien, was durchweg bejaht wur-de. Man stellte fest, dass die Satzung der GÖW bereits entsprechend weiterentwickelt wordenwar; § 2 Nr. 2 lautet:

„Die Gesellschaft bezweckt die Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebietder öffentlichen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen sowie anderer im Allgemein-interesse tätiger, öffentliche Dienstleistungen erbringender oder sonstwie am Gemeinwohlorientierter Unternehmen unabhängig von deren Trägerschaft, unter Einbeziehung derZusammenhänge zwischen diesen Unternehmen und der Gesamtwirtschaft sowie anderenTeilbereichen der Wirtschaft auf nationaler wie internationaler Ebene."

So war die Tür offen für die entsprechende erweiterte Thematik.In der GÖW selbst brachte das Jahr 2000 insofern eine Veränderung, als auf der Mitgliederver-sammlung am 26. Oktober (wie immer in Berlin) anstelle des altershalber ausscheidenden FelixZimmermann sein Nachfolger als Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unterneh-men Michael Schöneich zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Wilhelm Georg Hanss blieb Vi-zepräsident, und als drittes Präsidiumsmitglied rückte statt Reinfrid Fischer nun Dr. Patrick Stein-paß, ebenfalls vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, nach. Die Arbeit setzte sich aber inder GÖW und im Wissenschaftlichen Beirat kontinuierlich fort, nur bei den Veranstaltungen gabes eine beachtliche Weiterentwicklung (dazu unten).Der Wissenschaftliche Beirat behandelte auf der Frühjahrstagung am 8./9. März 2000 in Arnold-shain das Thema: „Öffentliche Dienstleistungen im Konflikt zwischen Gemeinwohlverpflichtungund Wettbewerb“. Die Diskussion bildete den Auftakt zur langjährigen Behandlung dieser Pro-blematik. Im Übrigen entschloss sich der Beirat, in Zukunft auch „Gesundheit und Soziales“ alsForschungsgegenstände in die Arbeit einzubeziehen, weil sich in diesen Bereichen öffentlichesWirtschaften zunehmend abspiele. Auf dieser Linie liegt auch der Beschluss, neben Prof. Dr.Holger Mühlenkamp von der Universität Hohenheim auch Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt vonder Universität Köln zur gastweisen Mitarbeit in Arbeitskreisen des Beirats einzuladen. Im Üb-rigen wurde ein neuer Arbeitskreis ÖPNV unter dem Vorsitz von Professor Püttner eingerichtet.Die Plenumssitzung am 27. Oktober 2000 in Berlin bestätigte die Konzentration der Arbeit aufdas Gemeindewirtschaftsrecht und auf das Thema „Sparkassen und Landesbanken“, das dannauch für die nächste Frühjahrstagung, nunmehr am Müggelsee in Berlin, vorgesehen wurde. Zu

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erwähnen ist der Vorschlag zur Berufung von Professor Mühlenkamp in den Beirat, dem derVorstand anschließend folgte.Die nächste Tagung des Beirats konnte wie vorgesehen am 28. Februar / 1. März 2001 in Berlinam Müggelsee durchgeführt werden. Unter Beteiligung von Führungskräften aus Landesbankenund Sparkassen gab es eine ausgiebige Diskussion über die anstehenden Probleme dieses Be-reichs. Vorangegangen war eine Plenarsitzung, in der der Beschluss gefasst wurde, ProfessorSchulz-Nieswandt für die Aufnahme in den Beirat vorzuschlagen. Auch diesem Vorschlag folgteder Vorstand. Außerdem wurden in dieser Sitzung die Perspektiven für die weitere Beiratsarbeitins Auge gefasst und auf einer Plenumssitzung am 1. Juni 2001 zusammen mit Vorstandsmit-gliedern der GÖW vertieft. Erwähnenswert ist, dass die europäische Dimension der Arbeit unterden Stichworten „Ausschreibungswettbewerb“ und „Inhouse-Problematik“ wieder mehr in denVordergrund rückte.Zunächst aber konnte die Beschäftigung mit dem Gemeindewirtschaftsrecht zum Abschluss ge-bracht werden; die Ergebnisse sind im Sammelband „Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts“(Heft 49 der Schriftenreihe der GÖW, 2002) niedergelegt. Als Anhang ist in diesem Band dieStellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats zu dieser Problematik abgedruckt, die im Frühjahr2001 verabschiedet worden war. Ihr ist es wohl zu danken, dass die GÖW 2004 zur Anhörung imHessischen Landtag eingeladen wurde und dort eine Stellungnahme abgeben konnte (im Sommer2008 war die GÖW wiederum vom Hessischen Landtag zur Stellungnahme bezüglich des Ge-meindewirtschaftsrechts aufgefordert und ist dem gefolgt).Am 10. Dezember 2001 fand in Leipzig ein Symposium des Wissenschaftlichen Beirats mit wei-teren Wissenschaftlern und Führungskräften der öffentlichen Wirtschaft (ungefähr 100) statt zumThema: „Rollenwechsel kommunaler Unternehmen“. Außer bereits bekannten Fragen des Ge-meindewirtschaftsrechts (Örtlichkeitsprinzip usw.) kam auch das Konzept des Gewährleistungs-staates auf die Tagesordnung (Referent war Wilhelm Georg Hanss).Die nächste Frühjahrstagung des Wissenschaftlichen Beirats am 13./14. Februar 2002 wieder amMüggelsee war dem Thema gewidmet: „Liberalisierung im öffentlichen Personennahverkehr“.Dieser Problemkreis kam damit zu einem gewissen Abschluss und stand dann einige Jahre nichtauf der Tagesordnung.Höhepunkt der Aktivitäten im Jahre 2002 war das an der Universität Oldenburg am 21. Juniveranstaltete Symposium zum Thema: „Finanzierung des Mittelstandes vor neuen Herausforde-rungen: Basel II“. Die dazu gehaltenen Referate, deren Inhalt etwas über die normale Themen-breite des Beirats hinausragt, sind in Heft 51 der Schriftenreihe der GÖW veröffentlicht. Intensivbeschäftigte sich der Beirat zu dieser Zeit außerdem mit der „Ökonomisierung des öffentlichenSektors“, wobei nicht nur die öffentlichen Unternehmen, sondern auch deren Träger, die öffent-lichen Verwaltungen, im Blickfeld standen (dokumentiert als Heft 50 der Schriftenreihe derGÖW). Überhaupt wurden seitdem die Träger der öffentlichen Unternehmen und deren Verbände,besonders der Deutsche Städtetag, mehr als früher in die Tätigkeit der GÖW und des Wissen-schaftlichen Beirats einbezogen.

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Über die weiteren Jahre, die eher Gegenwart als Geschichte bedeuten, soll nur noch kursorischberichtet werden:Es gab folgende Frühjahrstagungen des Wissenschaftlichen Beirats:● 5./6. März 2003 am Müggelsee in Berlin: „Neue Institutionenökonomik / Public Private Part-

nership / Gewährleistungsstaat“ (Tagungsdokumentation liegt vor.)● 25./26. Februar 2004 am Müggelsee in Berlin: „Markstrategien öffentlicher Unternehmen in

Reaktion auf Liberalisierung und Wettbewerb“ (Tagungsdokumentation liegt vor.)● 9./10. Februar 2005 in Machern bei Leipzig: „Künftige Regulierung der Elektrizitätswirtschaft

in Deutschland / Sparkassen und Landesbanken ohne Gewährträgerhaftung / Institutional Pu-blic Private Partnership im Europäischen Binnenmarkt“.

● 1./2. März 2006 in Machern bei Leipzig: „Die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen“(Heft 24 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“)

● 21./22. Februar 2007 in Machern bei Leipzig: „Auswirkungen der Globalisierung auf die öf-fentlichen Banken / Trennung von Infrastruktur und Betrieb“ (Heft 26 der „Beiträge zur öf-fentlichen Wirtschaft“)

● 6./7. Februar 2008 in Machern bei Leipzig: „Regulierung“ (Tagungsdokumentation in Vor-bereitung).

Die GÖW selbst veranstaltete, maßgeblich unterstützt vom Wissenschaftlichen Beirat, anfangszusammen mit dem Verband kommunaler Unternehmen und dem Deutschen Städtetag sowie mitder Deutschen Sektion des CEEP, später zusätzlich auch mit dem Verband Deutscher Verkehrs-unternehmen und in einigen Fällen außerdem mit der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt mehrereSymposien in Berlin:● 30./31. Oktober 2003: „Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen“ (Heft 21 der

„Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“)● 18./19. November 2004: „Öffentliche Dienstleistungen zwischen Eigenerstellung und Wett-

bewerb“ (Heft 22 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“)● 7./8. Dezember 2005: „Öffentliche Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qua-

lität und günstigen Preisen“ (Heft 23 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“)● 23./24. November 2006: „Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft“ (Heft 27 der

„Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“)● 6./7. Dezember 2007: „Trennung von Infrastruktur und Betrieb – Königsweg öffentlicher

Aufgabenerledigung?" (Heft 28 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“).Als besondere Arbeitsschwerpunkte des Wissenschaftlichen Beirats können genannt werden:● Europäisches Ausschreibungswesen, also die Forderung der EU, alle Dienstleistungen im

Wege öffentlicher Ausschreibung an den bestbietenden Unternehmer zu vergeben. Dazu: Hel-mut Cox, Hrsg., „Ausschreibungswettbewerb bei öffentlichen Dienstleistungen“, Heft 52 derSchriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Baden-Baden 2003, und: „Aus-schreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen – Plädoyer für ein Wahlrecht derGebietskörperschaften“, Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft füröffentliche Wirtschaft, Heft 25 der „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“, Berlin 2007.

● Führung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen, konkret in der modernen Version „Cor-porate Governance“ (dazu: der Tagungsband des erwähnten Symposiums von 2006 und neu-estens das von Christina Schaefer und Ludwig Theuvsen herausgegebene ZögU-Beiheft 36

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„Public Corporate Governance – Rahmenbedingungen, Instrumente, Wirkungen“); ferner ak-zentuiert auf das Rechnungswesen öffentlicher Unternehmen. (dazu: Heinz Bolsenkötter,Hrsg., „Die Zukunft des Öffentlichen Rechnungswesens. Reformtendenzen und internationaleEntwicklung“).

● Gesundheitswesen (dazu neben vielen Aufsätzen in der ZögU der Band „Liberalisierung imGesundheitswesen, Einrichtungen des Gesundheitswesens zwischen Wettbewerb und Regu-lierung“, Hrsg. Günter E. Braun und Frank Schulz-Nieswandt, Heft 53 der Schriftenreihe derGesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Baden-Baden 2006.)

● Public Private Partnership. Dazu der Tagungsband des erwähnten Symposiums von 2003und der Band „Kooperationsformen zwischen Staat und Markt“, Hrsg. Dietrich Budäus, Heft54 der Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Baden-Baden 2006.

Derzeitige Schwerpunktthemen sind: „Renaissance öffentlichen Wirtschaftens“ und „Zukunft derStadtwerke“.Der Wissenschaftliche Beirat konnte ab 2003 einige jüngere Wissenschaftler als Mitglieder ge-winnen, so Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo von der Freien Universität Berlin (2003), Prof. Dr.Thomas Lenk von der Universität Leipzig (2003), Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin von der Univer-sität Freiburg (2003), Prof. Dr. Christina Schaefer von der Fachhochschule für Technik und Wirt-schaft Berlin (2006), Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin(2006), Prof. Dr. Ludwig Theuvsen von der Universität Göttingen (2006), Prof. Dr. DietmarBräunig von der Universität Gießen (2006), Dr. Bodo Herrmann vom Verband kommunaler Un-ternehmen12 (2006, als korrespondierendes Mitglied) und Prof. Dr. Joh. Christian Pielow von derRuhr-Universität Bochum (2007). Daraus ergibt sich folgende Zusammensetzung des Wissen-schaftlichen Beirats (ab September 2008):● Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität Köln (Vorsitzender)● Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen; Verband kommunaler Unternehmen e.V.

(Stellvertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

(Stellvertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen (Stellvertretender Vorsitzender)● Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen● Dr. Heinz Bolsenkötter †, WIBERA Wirtschaftsberatung AG● Prof. Dr. Dietmar Bräunig, Universität Gießen● Prof. Dr. Günther E. Braun, Universität der Bundeswehr München● Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen● Dr. Peter Breitenstein, Gästehaus Petersberg GmbH (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Budäus, Universität Hamburg● Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo, Freie Universität Berlin● Prof. Dr. Helmut Cox, Universität Duisburg-Essen● Prof. Dr. Dietrich Dickertmann, Universität Trier (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Universität Mannheim● Prof. Dr. Werner Wilhelm Engelhardt, Universität Köln (korrespondierendes Mitglied)

12 Jetzt bei der Bundesnetzagentur.

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● Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Friedrich, Universität der Bundeswehr● Prof. Dr. Jens Harms, Präsident des Rechnungshofes von Berlin (korrespondierendes Mitglied)● Dr. Bodo Herrmann, Bundesnetzagentur (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Hans Hirsch, Technische Hochschule Aachen (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut W. Jenkis, Universität Dortmund (korrespondierendes Mitglied)● Dr. Ulrich Kirchhoff, Landesbank Hessen-Thüringen● Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig● Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg● Prof. Dr. Dres. h.c. Karl Oettle†, Universität München (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Joh.-Christian Pielow, Ruhr-Universität Bochum● Prof. Dr. Hannes Rehm, Nord-LB (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam● Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin● Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (korre-

spondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin● Prof. Dr. Helmut Siekmann, Universität Frankfurt am Main (korrespondierendes Mitglied)● Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Universität Göttingen● Prof. Dr. Dieter Tscheulin, Universität Freiburg● Prof. Dr. Eberhard Wille, Universität Mannheim (korrespondierendes Mitglied)Wie aus der Übersicht ersichtlich, hat der langjährige Vorsitzende Professor Eichhorn den Vorsitzniedergelegt, und zwar im Jahre 2005. Als der zunächst ins Auge gefasste Nachfolger ProfessorBudäus nicht kandidieren wollte, wurde in der Plenumssitzung am 7. September 2005 Prof. Dr.Frank Schulz-Nieswandt zum neuen Vorsitzenden gewählt. Die bisherigen Stellvertreter Profes-sor Gottschalk und Professor Püttner wurden (zwecks gleitenden Übergangs) wiedergewählt, aberanstelle von Professor Cox, der nicht erneut kandidierte, wählte der Beirat Prof. Dr. Holger Müh-lenkamp, nunmehr Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, zum weiterenStellvertreter. Damit blieb der Grundsatz der Vertretung der verschiedenen Fächer und der Re-präsentanz der Praxis im Beiratspräsidium gewahrt.Gleichzeitig übernahm Professor Schulz-Nieswandt auch die Schriftleitung der ZögU, umrahmtvon einem Herausgeber-Gremium. Dieses Publikationsorgan gewann für den Beirat größere Be-deutung als früher, weil in letzter Zeit häufiger Arbeitsergebnisse nicht in der Schriftenreihe derGÖW erschienen, sondern als Beihefte der ZögU veröffentlicht wurden.Die Zusammenarbeit im Wissenschaftlichen Beirat gestaltete sich in der neuen Zeit wie in derälteren sehr harmonisch, vielfach freundschaftlich, manchmal natürlich mit kleinen Problemen.Der Übergang von der älteren Zeit der „Charakterköpfe“, die zunächst den Beirat prägten, zurPeriode der eher nüchternen Wissenschaftler heutiger Prägung verlief erstaunlich gut und ohneBrüche. Natürlich gab es auch im Beirat Auswirkungen des Zeitgeistes, z.B. bei den im Beiratüberwiegenden Wirtschaftswissenschaftlern die Orientierung am Vorbild USA. Zeitweise, wohlAnfang der 80er Jahre, wurde im Beirat ständig betont, wir wollten zur „Versachlichung derDiskussion“ beitragen. Die geschilderte Umbruchphase 1968-1973 im Beirat dürfte, auch wennman mit Vorsicht urteilt, in einem gewissen Zusammenhang mit dem Geist der 68er Generation

Geschichte der GÖW

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gestanden haben. Der Wunsch nach beruflicher Karriere und Erfolg in der Arbeit war immer auchim Wissenschaftlichen Beirat der GÖW spürbar.Damit soll dieser geschichtliche Rückblick abgeschlossen werden. Was die jüngsten Entwick-lungen bringen werden, ist noch ziemlich offen. Ein späterer Geschichtsschreiber muss diesenBericht fortsetzen.

Günter Püttner unter Mitwirkung von Wolf Leetz

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Mitteilungen

In memoriam Karl Oettle

Es fällt schwer, diese Zeilen zu schreiben. Seit 4. November 2009 trauern seine Familie undFreunde um Karl Oettle, der im Alter von 83 Jahren gestorben ist. Wir erinnern uns an ihn alseinen herausragenden Wissenschaftler, geradlinig und von hohen Graden. Beide Eigenschaftenzeichneten ihn aus. War er von etwas überzeugt – von einer Sache, Person, Erkenntnis, Methodeoder Aussage –, setzte er sich dafür ein: argumentativ in Wort und Schrift, stets eigenständig auchin den Begriffen und Wendungen, und unabhängig von Artefakten, Moden und Zeitgeist. SeineStudierenden, Assistenten und Kollegen kannten und schätzten und mancher Kontrahent fürchteteseine immer der Wahrheit verpflichtete Position. Selbst Nachteile für sich nahm er dann in Kauf.In mehreren Beiträgen zum 60., 70. und 80. Geburtstag (in der ZögU, Band 9, Heft 2, 1986, Band19, Heft 1, 1996 und Band 29, Heft 1, 2006) ist über seine wegweisenden Analysen berichtetworden. Schwerpunkte seiner Werke und seines Wirkens waren Methodenfragen in der Betriebs-wirtschaftslehre sowie Aspekte von Management und Finanzierung in der Verkehrs-, Kranken-haus- und Kommunalwirtschaft. Obschon funktional (d.h. an Aufgaben und Aktivitäten) orien-tiert, kamen auch die institutionellen Restriktionen bis hin zu den volkswirtschaftlichen Rahmen-bedingungen zur Sprache. Dabei spielten oft Fragen des Gemeinwohls, der Stakeholder, der Öko-logie, des Raum- und Zeitbezugs eine vorrangige Rolle.Einen Superlativ will ich an dieser Stelle wiederholen: sein unermüdlicher Fleiß. Nach seinerEmeritierung an der Universität München im Alter von 68 Jahren am 31. März 1994 erschienenbis zuletzt über 50 (!) Publikationen in Form von Aufsätzen, Thesen, Stellungnahmen und Über-blicksartikeln in deutscher, einige davon auch in englischer, französischer und spanischer Sprache.Wie ein Ordinarius der alten Schule verband er Darstellung und Kritik. Kritisch ging er vor allemmit Eisen- und Straßenbahnen um, die nach seiner Auffassung weniger dem öffentlichen Interesseals dem Eigennutzen dienten.Höhepunkte seines Gelehrtenlebens war die Verleihung des Ehrendoktors durch die UniversitätenRostock und Linz. Große Freude bereiteten ihm seine zahlreichen Schüler, wenn sie reüssierten,und seine Kollegen, soweit sie seine beherzte Gedankenfolge respektierten. Darauf kam es ihman, nicht auf Akzeptanz.Wir, die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleis-tungen, vermissen Dich, verehrter lieber Kollege Karl Oettle, und wir werden Dir ein ehrendesAndenken bewahren.

Peter Eichhorn

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Karl Oettle1926–2009

Gemeinwirtschaft mit Ethos und Pragmatik– Dem Wirtschaftsdenker und Lehrer zum Gedenken –

„Professor Karl Oettle war und bleibt uns Vorbild durch seine Haltung, seine Integrität und seinEthos, durch die Tiefe und Konsequenz seines Denkens, seine Schaffensfreude und seine präzise,ehrliche Sprache. Er war und bleibt uns Lehrer nicht nur seiner Fächer, sondern für das Leben.“Mit diesen Worten nahmen seine Schülerinnen und Schüler Abschied von ihrem verehrten aka-demischen Lehrer Karl Oettle, der am 4. November 2009 in München verstorben ist.Wer war dieser Mann, was war und ist sein Beitrag zur Wirtschaftslehre öffentlicher und ge-meinwirtschaftlicher Betriebe? Sowohl was er geschrieben und lehrend vermittelt hat, wie auchwas wir mit ihm verloren haben, lässt sich nicht messen. Nicht nur, weil ein Leben nicht zu messenund zu beschreiben ist, sondern auch, weil wir sein umfassendes Werk nicht ganz kennen undnicht ansatzweise umreißen können.Sein Schriftenverzeichnis, Stand 2006, weist aus: sieben Bücher, sieben herausgegebene Schriftenund Übersetzungen, 153 Beiträge zu Sammelwerken, 103 Aufsätze in Zeitschriften, 89 veröf-fentlichte Diskussionsbeiträge, 43 Besprechungsaufsätze, Buchbesprechungen, Würdigungenund Berichte, 35 Zeitungsartikel, etliche Kolumnen, Aufsätze und Vorträge, Mitwirkungen anStellungnahmen, Thesen und Gutachten. Aus den letzten drei Jahren seines Lebens sind noch vielehinzuzuzählen. Und er hat sie alle selbst geschrieben, nur äußerst selten mit einem Koautor (wieetwa Theo Thiemeyer), die meisten daheim an seinem Schreibtisch auf der mechanischen Schreib-maschine, umgeben von einer großen Bibliothek und großen Stapeln von Fachzeitschriften, Auf-sätzen, Briefen und anderen Papieren, in denen er sich verblüffend gut auskannte.Es lassen sich drei Schwerpunkte seiner Arbeit herausheben:● die öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Betriebe,● die Verkehrswirtschaft, -politik und -planung sowie● Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre zusammen mit einer echten Allgemeinen Betriebs-

wirtschaftslehre.Sein Arbeitsgebiet umfasste aber auch Grundfragen von Gesellschaft und Wirtschaft, Umweltund Politik, Raumordnung und Raumwirtschaft, das Gesundheitswesen, Bildungs- und Hoch-schulpolitik, Verteidigungsökonomie, Wirtschaftspolitik, die betriebliche Finanzwirtschaft, dasRechnungswesen, und sogar zur Wirtschaftspädagogik hat er geschrieben.Wenn hier aus dieser Fülle einige Gedanken, Theorien und Thesen von Karl Oettle wiederzugebenversucht wird, versteht es sich von selbst, dass eine solche Auswahl ihm nicht gerecht wird.Vielleicht kann sie Interesse wecken, sich noch einmal oder neu auf das Denken von Karl Oettleeinzulassen.

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Teleologischer Ansatz

Karl Oettle ging oft von den Zielen der Wirtschaft und der Betriebe aus; er systematisierte unddifferenzierte sie. Erst von den Zielen aus lässt sich vernünftig über Betriebspolitik und betrieb-liches Handeln nachdenken und sprechen. Neben den Zielen differenzierte Oettle stets auchMärkte, Räume und Situationen. Sein morphologischer Ansatz prägte seine ganze Arbeit. ImUnterricht zitierte er den Satz eines seiner akademischen Lehrer: „Wissenschaft heißt differen-zieren. Zum Planieren gibt’s Planierraupen.“Schon in seiner Habilitationsschrift über Unternehmerische Finanzpolitik1 widmete er der mor-phologischen betriebswirtschaftlichen Theorie, das heißt der Bildung zweckmäßiger Typen in derBetriebswirtschaftslehre, insbesondere in der Finanzwirtschaft, 73 Seiten.Für jeden rational geführten Betrieb in jedem Wirtschaftssystem gelten nach Oettles Analyse diefolgenden fünf allgemeinen formalen Prinzipien:● Zur technisch-naturalen Seite des Betriebs gehört das Produktivitätsprinzip (Optimierung des

Verhältnisses von Ergebnis zu Einsatz in technischen und Naturgrößen wie Zeit, Gewicht,Volumen),

● zur wirtschaftlichen Seite das Wirtschaftlichkeitsprinzip (Optimierung des Verhältnisses vonErgebnis zu Einsatz in monetären Größen),

● zur personalen und sozialen Seite die Prinzipien der tolerierten und präferierten Verhaltens-weisen (damit ist gemeint, dass ein jeder Betrieb mindestens danach streben muss, alle Partner,ob Mitarbeiter, Lieferanten oder Kunden, so zu behandeln, dass sie das Verhalten tolerieren,ohne für den Betrieb ungünstige Konsequenzen zu ziehen, aber besser sich bemühen sollte,von relevanten Menschen bevorzugte Verhaltensweisen an den Tag zu legen),

● zur rechtlichen Seite das Prinzip der Erfüllungsbereitschaft (also der Fähigkeit, zum Fällig-keitszeitpunkt Lieferungen und Zahlungen anzunehmen oder zu leisten und andere Verpflich-tungen zu erfüllen) und schließlich

● zur ethischen Seite jeweils unterschiedliche ethische Prinzipien, die sich einer betriebswirt-schaftlichen Behandlung entziehen, für die Betriebsführung aber sehr wohl relevant sind.2

Diese Ziele betrachtet er im Wesentlichen als Unterziele der eigentlichen Oberziele, also derbetriebstypspezifischen oder speziellen Ziele von Betrieben; sie analysiert Oettle ebenfalls. Alsgroßes Unterscheidungsmerkmal von Betrieben setzte Oettle noch über den Oberzielen zwei po-lare Idealtypen an: das Dienst- und das Erwerbsprinzip.3 Reinbert Schauer: „Oettles Dienstprinzipund Thiemeyers Instrumentalthese gehören zu den unbestrittenen Grundlagen öffentlichen Wirt-schaftens aus betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht“.4

1 Karl Oettle (1966), Unternehmerische Finanzpolitik. Elemente einer Theorie der Finanzpolitik industrieller Un-ternehmungen. Stuttgart.

2 Eine Darstellung dieser Prinzipien findet sich zum Beispiel in Karl Oettle (1972), Die allgemeinen Grundsätzeder Betriebsführung in der Gemeinwirtschaft, in: Gemeinwirtschaft im Wandel der Gesellschaft, Festschrift fürHans Ritschl, hrsg. v. Gisbert Rittig und Heinz-Dietrich Ortlieb. Berlin, S. 153–165. (Die ethische Seite ergänzteOettle erst später.).

3 Vgl. Karl Oettle (1967), Die ökonomische Bedeutung der Rechtsform öffentlicher Betriebe, in: Archiv für öf-fentliche und freigemeinnützige Unternehmen, 8. Jg., S. 193 ff., hier S. 214 ff. (auch abgedruckt in ders. (1976),Grundfragen öffentlicher Betriebe I, Baden-Baden, S. 121 ff., hier S. 150 ff.)

4 Laudatio zur Verleihung der Ehrendoktorwürde, in: ders. (Hrsg.): Markt und Staat – Die Verminderung vonPlanungsunsicherheiten als öffentliches Anliegen. Linz 2000, S. 15.

Nachruf

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Zwischen Dienst- und Erwerbsprinzip gibt es Abstufungen oder Mischungen, wie zum Beispieldas „ständische“ Prinzip: Hier geht es um die Berufsausübung selbst (oft bei freien Berufen) oderum die Fortführung einer Tradition (wie etwa bei sehr vielen landwirtschaftlichen Betrieben), dasheißt um den Dienst an einer Sache und zugleich um einen moderaten Erwerb. Auch kaufmän-nische Unternehmungen mit öffentlichen Aufgaben stehen nicht rein unter einem der polarenPrinzipien. Alle diese Prinzipien sind Idealtypen des institutionellen Sinnes von Betrieben aufabstraktem Niveau.Oettles Artikel „Über den Charakter öffentlich-wirtschaftlicher Zielsetzungen“5 bietet bis heuteeine hervorragende Grundlage zum Weiterdenken (und wurde in vielen weiteren Schriften Oettlesangewandt und ausgebaut). Dieser Artikel war mitentscheidend für den Ruf Oettles an die Münch-ner Universität. Was Oettle (mit Gerhard Weisser, den er hoch schätzte) noch als selbstverständ-lich betrachtet und als Interessenten bezeichnet, wird von Teilen der Betriebswirtschaftslehre erstseit einigen Jahren unter dem modischen Begriff stakeholder wiederentdeckt.Die wichtigsten Oberziele öffentlicher und freigemeinwirtschaftlicher Betriebe (Nonprofit-Or-ganisationen) sind wohl die Darbietungsziele, und von diesen vor allem die Leistungsziele: An-gebot und Abgabe von Leistungen, die als sinnvoll und zweckmäßig, vielleicht sogar notwendigangesehen werden (Sachziel). Auch darin konkretisiert sich das Dienstprinzip. Der Unterschiedzu Erwerbsunternehmen ist klar: Erwerbsunternehmen erbringen Leistungen nur, um damit Kos-tenüberdeckungen (Formalziel) zu erzielen. (Es gibt auch Erwerbsunternehmen im öffentlichenEigentum, aber sie sollen hier nicht näher betrachtet werden.) Soweit ist die Differenzierung wohlallgemein bekannt und in Gebrauch.Die besondere Leistung Oettles war es nun, noch viele weitere Oberziele zu erkennen und zubeschreiben. Zu den Darbietungszielen gehören auch Ziele der Belastung: Wer wird in welchemMaße mit den Lasten der Darbietung, also des Angebots, belastet? Diese Belastungen bestehennicht nur in Besteuerung oder Beiträgen und Umlagen, sondern auch im Ertragen anderer Nach-teile (im Verkehr etwa Lärmbelastung), die bei der Darbietung unweigerlich entstehen (aber zumTeil durchaus beeinflusst werden können). Diese Fragen stellen sich Erwerbsbetriebe üblicher-weise nicht; sie sind spezifisch für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Betriebe. Vom Betriebaus betrachtet, sind mit den Belastungszielen die Deckungsziele verknüpft: In welchem Maße undwie werden die Kosten gedeckt, die bei der Produktion der dargebotenen Güter entstehen?Schon in der Erwerbswirtschaft ist die Behauptung, die Unternehmen wollten lediglich Bedürf-nisse befriedigen, eine manipulative Verkürzung: Sie wollen Bedürfnisse auch beeinflussen, jaerst schaffen. Bei öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Betrieben steht die Bedarfslenkungaber im Rang von Oberzielen (zum Beispiel wenn Naturschutzorganisationen, staatliche Stellenoder sogar Elektrizitätswerke den Mitbürgern das Energiesparen nahelegen) und kann notfallsmithilfe der Regulierung erzwungen werden.Zu den Zielen der Darbietung treten Sicherungsziele, mit anderen Worten, Ziele der Zuverläs-sigkeit bei der Erreichung anderer Ziele, die leistungs- und finanzwirtschaftlicher Art sein können.Mit einem erst später üblich gewordenen Begriff könnte man von Nachhaltigkeitszielen oderRisikobegrenzungszielen sprechen.

5 Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), NF 18, 1966, S. 241–259; auch abgedruckt in: Karl Oettle(1976), Grundfragen öffentlicher Betriebe, Band I, Baden-Baden, S. 9–35.

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Ausgleichsziele beschreiben die Art, wie zwischen dem Notwendigen oder Wünschenswerten anLeistungen einerseits und der Finanzierungsmöglichkeit andererseits abgewogen wird.Weitere Ziele betreffen die angestrebte Autonomie: Unabhängigkeits-, Anlehnungs- oder Verei-nigungsziele; und schließlich zeigen die Wachstumsziele, ob und in welchem Maß ein Betrieboder sein Leistungsangebot wachsen (oder auch schrumpfen) sollen.Betrachtet man dieses Zielsystem, so lässt sich erkennen, dass sich mit seiner Hilfe auch heutenoch eine langfristige Betriebsführung, in anderen Worten ein differenziertes strategisches Ma-nagement öffentlicher und freigemeinnütziger Betriebe abbilden lässt.

Bindungen

„Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“, diesen Satz aus einem Gedicht Goethes könnteman als Motto über manche Schrift von Karl Oettle setzen. Bindungen als allgemeine betriebs-wirtschaftliche Erscheinungen6 waren ihm selbstverständlich und nötig. Solche Bindungen habenvor allem öffentliche und freigemeinwirtschaftliche Betriebe. Während der Mannesmann-Kon-zern sich entschließen konnte, das ursprüngliche Kerngeschäft der Röhrenfertigung aufzugeben,können das ein kommunales Wasserwerk oder die Arbeiterwohlfahrt nicht tun. Sie dienen be-stimmten Zwecken (Sachzielen); ihnen sind aber auch bestimmte Räume zugewiesen und vielerleiweitere Grenzen und Vorgaben, darunter oft auch bedeutende ethische.7

Rechnungsziele und -stile

Da die Betriebe also von ihren Zielen und nach vielen anderen Kriterien sehr unterschiedlich sind,gab es für Oettle sinnvollerweise auch keine generell „richtigen“ oder „guten“ Verfahren undInstrumente in der Betriebswirtschaft, erst recht keine (allgemein zur Nachahmung zu empfeh-lenden) „Erfolgsfaktoren“, vor allem aber kein überlegenes Rechnungswesen. Nicht obwohl,sondern weil hervorragender Kenner verschiedener Formen des Rechnungswesens, stellte Oettleimmer die Grenzen der Mathematisierbarkeit wirtschaftlicher Sachverhalte und Vorgänge, Pläneund Erfolge heraus. Immer wieder mahnte er, dass das konkrete Rechnungswesen sich logischaus den jeweils unterschiedlichen konkreten Rechnungszielen und diese wiederum möglichst wi-derspruchsarm aus den Zielen des Betriebes ableiten müssen. Der Rechnungsstil sei zweitrangig;auf die Inhalte komme es an. Also war für ihn die Frage nicht unbedingt, ob einfache oder doppelteoder kameralistische Buchführung, sondern wie diese ausgestaltet wird. Welche Größen bildenwirtschaftliche Sachverhalte und Erfolge am besten ab, und zwar einzelwirtschaftliche wie ge-meinwirtschaftliche?

6 Karl Oettle (1988), Bindungen als allgemeine betriebswirtschaftliche Erscheinungen. Gegenstands- und Territo-rialbindung als Eigenarten öffentlicher Dienstunternehmen, in: Privatisierung und die Zukunft der öffentlichenWirtschaft, hrsg. von Helmut Brede im Auftrag des wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentlicheWirtschaft und Gemeinwirtschaft, Baden-Baden, S. 179–201.

7 Weitere Bindungen sind etwa die an das Personal (insbesondere bei Beamten) und an einen Haushalts- oderWirtschaftsplan.

Nachruf

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Als einer von Wenigen kannte er die Vorzüge der Kameralistik und hat sie immer verteidigt; erbeherrschte auch die Praxis der kameralistischen Buchführung. Mit einer Fülle von Beiträgen hater sich an der langen Diskussion beteiligt, die vor einigen Jahren dann doch – gegen seinen Rat– zum teilweisen Abbau der Kameralistik im kommunalen Bereich geführt hat.8

Gegen die Verwechslung von Wirtschaftlichkeit und Rentabilität

Was hier am Beispiel des Rechnungswesens kurz dargestellt wurde, hat Karl Oettle für vieleFunktionen und Situationen von Betrieben durchgearbeitet. „Grenzen und Möglichkeiten einerunternehmungsweisen Führung öffentlicher Betriebe“9 beschäftigten ihn über die ganze Zeit sei-nes akademischen Wirkens. Die Annahme, dass das Erwerbsstreben generell zu wirtschaftlicherenLösungen führe als sie in öffentlichen und anderen nicht erwerbswirtschaftlichen Betrieben rea-lisiert werden, lehnte er ab; er sprach von der „Irrlehre, Unwirtschaftlichkeit lasse sich nur durchjenen Druck vermeiden, den das Rentabilitätsstreben von Unternehmungen auf die Kosten aus-übt“.10

Verkehrswirtschaft

1967 veröffentlichte Oettle ein schmales, aber gehaltvolles Bändchen mit dem schlichten Titel„Verkehrspolitik“.11 Weit vor der Zeit, in der von Grenzen des Wachstums gesprochen wurde,noch mitten in der Planungs- und Ausbaueuphorie der 1960er-Jahre, zeigte Oettle darin Wegeeiner ausgewogenen Verkehrspolitik, die auch die externen Effekte des Verkehrs berücksichtigtund das schafft, was man heute einen intelligenten Mix von Verkehrsträgern nennt. Ihr läge nichtnur eine Saturierungspolitik zu Grunde, die vermeintlich von selbst entstandene Bedürfnisse nurbefriedigen will, sondern auch eine Schutzpolitik, die gesellschaftliche Werte über einfache Be-dürfnisse stellt (etwa Sicherheit, Umweltschutz, Raumentwicklung). In einem späteren Aufsatzsprach er sich außerdem aus für die Beachtung „des übergesellschaftlichen Oberziels der Erhal-tung offener Horizonte für die künftige Entwicklung bei entscheidenden verkehrspolitischen, ins-besondere verkehrsinvestitionspolitischen Entscheidungen.“12 Die totale Motorisierung soll ver-hindert werden, und deshalb sollte der Besitz eines Kraftfahrzeugs nicht existenznotwendig sein.Dazu wiederum ist es aber notwendig, dass öffentliche Verkehrsmittel für alle zur Verfügungstehen, insbesondere schon aus humanitären Überlegungen für die Menschen, die zu jung oder zualt sind oder aus anderen Gründen nicht Auto fahren können. Zudem entlastet der öffentliche

8 Aus der Fülle der Schriften sei hier ein grundlegender genannt: Karl Oettle (1987), Kameralistisches Rech-nungswesen – Entwicklung, Stand, Reformen, in: Haushaltsplanung – Haushaltsvollzug – Haushaltskontrolle.XI. Konstanzer Verwaltungsseminar 1986, hrsg. v. Heinrich Mäding. Baden-Baden, S. 168–178.

9 Erschienen in: Die informierte Unternehmung. Festschrift für Max Rembeck, hrsg. von Hans Rühle von Lili-enstern, Berlin 1972, S. 129–143.

10 Ebd., S. 137.11 Verlagsort Stuttgart.12 Karl Oettle (1976), Ungelöste Probleme der Verkehrswirtschaft, in: Omnibusrevue 27, S. 66–69.

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Verkehr die Straße und ist weniger energieaufwendig. Das klingt heute wie ein Gemeinplatz –damals war es ganz und gar nicht Gemeingut.

Die Betriebswirtschafts-Lehre

Karl Oettle war jede ökonomistische Einseitigkeit fremd. Schon in seiner Dissertation beschäftigteer sich mit den Grundlagen des Faches, nämlich mit Erich Gutenbergs „Grundlagen der Betriebs-wirtschaftslehre“ und dem Methodenstreit, der aus diesem Werk entstanden war.Die Entwicklung zu reinen Funktionslehren (wie Controlling oder Informationswirtschaft) imFach empfand Oettle als Verarmung und als unzweckmäßig. Wirtschaftszweige und Betriebsty-pen sind nach Zielen, Produkten, Märkten und Umwelten so unterschiedlich, dass sie auch eigenerWirtschaftszweiglehren (wie Bank-, Versicherungs- oder Verkehrswirtschaftslehre) bedürfen.

Der Begriff der Gewährleistungen

Üblicherweise werden bei den Gütern Sach- und Dienstleistungen unterschieden. Für die ge-meinwirtschaftlichen und öffentlichen Betriebe reicht diese Differenzierung nicht aus. Oettleschloss die Lücke mit seinem Begriff der Gewährleistungen. Das sind Bemühungen, „in einemGemeinwesen gesellschaftlich erwünschte Zustände wirtschaftlicher und anderer Art herbeizu-führen oder aufrechtzuerhalten“,13 eben zu gewährleisten. Inzwischen spricht man öfter von kol-lektiven Dienstleistungen; der Begriff der Gewährleistungen ist allerdings enger und schärfer.

Finanzwirtschaft

Über betriebliche Finanzpolitik hatte er sich habilitiert, und stets hat er sich mit der Finanzierungbeschäftigt. Kurz vor seinem Tod sagte Karl Oettle im Gespräch, nun holten ihn Themen ein, mitdenen er sich schon im Studium befasst habe, etwa die Nullzinspolitik. Schon seit längerem hatteer vor der öffentlichen Schuldenwirtschaft gewarnt. Einer seiner letzten Artikel war nahezu eineAbrechnung mit verantwortungslosen Bankmanagern und Wissenschaftlern, die mit ihren Theo-rien zur Weltfinanzkrise beigetragen haben: „Die Aufgabe der Bankwirtschaft – einige aktuelleThesen“.14 Aber auch die Politik, die das rechte Maß zwischen Freihandels- und Schutzpolitiknicht gefunden hatte und zugleich die Sparkassen und Landesbanken zu gewöhnlichen Kreditin-stituten umzugestalten begonnen sowie neue Rechnungslegungsvorschriften für Banken aufge-stellt hatte, wird von Oettle kritisiert. Wie schon in früheren Aufsätzen, verlangte er von der

13 Vgl. z. B. Karl Oettle (1975), Öffentliche Betriebe, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, hrsg. v. ErwinGrochla und Waldemar Wittmann. Stuttgart, 4. Aufl., Band 2, Sp. 2792–2806, hier Sp. 2796; siehe auch KarlOettle (1986), Gewährleistungsbetrieb, in: Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, hrsg. v. GünterKirchhoff, Regensburg, S. 315–321.

14 Veröffentlicht in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 62. Jahrgang, Heft 18, 15. September 2009, S. 879–882.

Nachruf

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Politik, dass sie der Unternehmens- wie der öffentlichen Wirtschaft hinreichend stabile Rahmen-bedingungen zu geben habe: „Bei alldem wurde völlig ignoriert, dass die marktlich entstehendenund die staatlich gesetzten betrieblichen Lebensbedingungen von Unternehmen zueinander ineinem bei ihren Veränderungen Ausgleich erheischenden Spannungsverhältnis stehen: Je labilerdie marktlichen Lebensbedingungen infolge der Forcierung marktlichen Wettbewerbs, umso sta-biler sollten die staatlich gesetzten Lebensbedingungen gehalten werden, damit die … erzeugtenUnsicherheiten der Betriebe nicht kumulieren. Es müsste vielmehr versucht werden, sich insoweitschutzpolitisch zu verhalten. Leider ist Freihandelsideologen kaum zu vermitteln, dass Freihan-dels- und Schutzpolitik nur in Grenzen substitutiv sein können und ihrer abgestimmten Propor-tionierung bedürfen, um unbeherrschbare Entwicklungen zu vermeiden.“15

Dienstethos und Wissenschaftsauffassung

Wie Karl Oettle es selbst beispielhaft vorlebte, erwartete er von den Mitarbeitern, insbesonderedem Führungspersonal öffentlicher und gemeinwirtschaftlicher Betriebe eine besondere Arbeits-und Dienstauffassung. Es war für ihn die Voraussetzung dafür, dass die Betriebe wirklich wirt-schaftlich arbeiten. Für die Erwerbswirtschaft vertrat er, stets mit Begründung, das Ideal des ehr-baren Kaufmanns.Für Karl Oettle war es die Aufgabe eines „ordentlichen öffentlichen Professors“, unabhängig undfrei zu denken – frei auch von Moden und Opportunitäten. Er fühlte sich der Wahrheit und Freiheitverpflichtet, und als Wissenschaftler setzte er sich seine Prinzipien selbst: Seine Freiheit bestanddarin, sich seiner Aufgabe ganz und mit Ernst und Haltung zu widmen. Zu seiner Zeit war eineVeröffentlichung in einer Festschrift noch wertvoller als in einer Zeitschrift, und „Rankings“ gabes nicht; jeder ernstzunehmende Wissenschaftler prüfte den Gehalt einer Veröffentlichung, nichtnur ihren Ort. Oettle war stolz darauf, sich nie irgendwo beworben zu haben; er erhielt Rufe undnahm sie an oder nicht.Oettle ging logisch-deduktiv vor. Das klare Denken stand ihm über der Empirie und über einzelnen„Instrumenten“. Doch auch wer ihn, seine Grundprinzipien und seine Arbeiten gut kannte, warimmer wieder überrascht, mit welchen neuen und oft ungewohnten Perspektiven, welchem großenWissen und Überblick Oettle neue Probleme analysierte und Lösungsansätze bewertete. Er sprachallerdings bewusst nicht davon, Probleme seien zu „lösen“; die meisten seien allenfalls zu „be-wältigen“. Auch hier zeigte er sich als idealistischer Realist – und als jemand, der sehr bewusstund behutsam mit der Sprache umging. Wörter aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ vermieder konsequent. Er bildete viele neue Begriffe, die möglichst genau ausdrücken sollten, was gemeintwar. Das Wort sollte den Begriff kennzeichnen, ihm nicht nur zufällig angehängt werden. Auf-grund dieser eigenen Begriffsschöpfungen, hoher Verdichtung und einer systematischen, mög-lichst genauen Ausdrucksweise sind viele Schriften Karl Oettles nicht ganz leicht zu lesen. Un-präzise Ausdrücke, schiefe Bilder und oberflächlich beeindruckende, aber nicht bis ins Letztelogische Grafiken hat er sofort erkannt und (konstruktiv) kritisiert.

15 Ebd. S. 880.

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Vermutlich gerade wegen seines unbeirrbaren logischen Denkens hielt er, wie eingangs schonangeklungen ist, wenig von der Durchmathematisierung des Faches; er hielt sie für einen Irrweg,eine Sackgasse. Denn eine zahlenfixierte Betriebswirtschaftslehre und eine Betriebsführung reinnach Rechnungsergebnissen fallen allzu leicht auf ihren eigenen Anschein von Exaktheit herein:„Das … Risiko falscher Schlüsse aus der systematischen Rechnungslegung … beruht erhebli-chenteils auf deren Charakter als exakt erscheinender Geldrechnung. … Außer monetären Größensind auch technisch-naturale im weitesten Sinn, … soziale und politische einzubeziehen. Diesesind teilweise durchaus quantifizierbar, teilweise jedoch nicht, so daß verbale Erfolgsbeschrei-bungen genügen müssen. Anstatt eines selbst für systematische Geldrechnungen über lebendeBetriebe utopischen Genauigkeitszieles sollten die vollständige Berücksichtigung aller Erfolge… wie deren abgerundete Darstellung Ziele der Rechenschaftslegung sein“.16

Lehrer

Karl Oettle verlangte von seinen Mitarbeitern und Studierenden viel, er setzte sich aber auch stetsüber seine Pflicht hinaus für sie ein. Oettle lehrte wie er schrieb: systematisch und differenzierend,aber in der Lehre war er auch humorvoll und wurde manchmal auch satirisch. Viele Praxisbeispielemachten seine Systematik farbig. Exkursionen gehörten immer zu seinem Lehrprogramm; auchschon als Fernreisen noch ungewöhnlich waren, ging es nach Japan und in die USA. Die Studie-renden verabschiedeten ihn 1994 anlässlich seiner Emeritierung mit standing ovations in derGroßen Aula der Münchner Universität.

Lebenslauf

Karl Oettle war am 11. März 1926 in Artern an der Unstrut (Thüringen) geboren, besuchte inNordhausen im Harz und in Stuttgart die Schule, erhielt mit 18 Jahren den Gestellungsbefehl zurWehrmacht und leistete Kriegsdienst, bis er 1945 im Westen in englische Kriegsgefangenschaftgeriet. Nach der Freilassung nahmen ihn Verwandte in Stuttgart auf. 1948 begann er, in TübingenVolkswirtschaftslehre zu studieren. Eine kaufmännische Ausbildung und die Tätigkeiten als Per-sonalreferent und Vorstandsassistent eines großen mittelständischen Maschinenbauunternehmenszeigen sein Interesse an der Praxis und impften ihn gegen den „Modellplatonismus“ (Hans Albert)mancher volks- und betriebswirtschaftlichen Theorien und Instrumente.Karl Oettle war seit 1957 mit seiner Frau Margrit verheiratet.1953 ging er zurück an die Universität, wo er als Assistent bei Rudolf Johns promovierte und 1962habilitierte. 1964 an die damalige Wirtschaftshochschule, heute Universität Mannheim berufen,wechselte er 1968 an die Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort stand er bis zu seinerEmeritierung im Jahre 1994 dem Institut für Verkehrswirtschaft und öffentliche Wirtschaft vor.

16 Karl Oettle (1993), Zur Abbildung gemeinwirtschaftlicher Erfolge, in: Das neue Öffentliche Rechnungswesen.Betriebswirtschaftliche Beiträge zur Haushaltsreform in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hrsg. vonHelmut Brede und Ernst Buschor. Baden-Baden, S. 119–141.

Nachruf

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Oettle lehnte Rufe an die Universität Göttingen und die Wirtschaftsuniversität Wien ab. Die Uni-versität Rostock verlieh ihm 1998 den Grad eines Dr. rer. pol. h. c.; ein Jahr später wurde er vonder Johannes Kepler Universität Linz mit dem zweiten Ehrendoktorgrad gewürdigt. Zwei öffent-liche Festschriften und eine private wurden ihm gewidmet.Bis zu seinem Tod war Karl Oettle wissenschaftlich tätig. Er starb überraschend, nachdem er dieFolgen eines Sturzes weitgehend überwunden hatte und eigentlich gerade nach Hause entlassenwerden sollte. Auf seinem Nachtkästchen in der Reha hatte er Fachzeitschriften und Sonderdruckeeines seiner letzten Artikel, die er vielen Kollegen, Schülern und Freunden senden wollte, mitdenen er immer in regem Austausch war.Seine Stimme, die uns noch viel zu sagen hat, lebt weiter in seinen vielen Schriften, die es wertsind, wiedergelesen zu werden.

Hilmar Sturm und Dieter Witt

Hilmar Sturm und Dieter Witt

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Buchbesprechungen

Sebastian Bolay, Einführung von Energiema-nagement und erneuerbaren Energien. EineUntersuchung von Erfolgsfaktoren in deut-schen Kommunen. Peter Lang, Frankfurt amMain u. a. 2009.

Energiemanagement und erneuerbare Energi-en – diese beiden in der Wissenschaft bislangkaum thematisierten kommunalen Handlungs-felder stehen im Mittelpunkt der Arbeit vonSebastian Bolay, die 2009 von der Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Fakultät derUniversität Potsdam als Dissertation ange-nommen wurde. Unter Energiemanagementversteht der Verfasser – etwas vereinfacht for-muliert – Energiesparmaßnahmen in kommu-nalen Liegenschaften, während unter erneuer-bare Energien alle den Kommunen zur Verfü-gung stehenden Instrumente zur Förderung derEnergieproduktion aus nachhaltigen Quellensubsumiert werden; dazu gehören der Betriebvon Anlagen, bspw. Solaranlagen, die Öffent-lichkeitsarbeit, die finanzielle Förderung desEinsatzes erneuerbarer Energien durch Unter-nehmen und Bürger sowie die Nutzung recht-licher Instrumente, etwa bei der Aufstellungder Bauleitplanung.Obwohl es sich bei den beiden Gegenstands-bereichen der Arbeit auf den ersten Blick umeng verwandte Themen zu handeln scheint,wird bei näherer Betrachtung doch ein gravie-render Unterschied deutlich: Während Ener-giemanagement „mittlerweile ein ‚altes‘ The-ma“ (S. 226) ist, das von vielen Kommunenbereits vor deutlich mehr als einem Jahrzehntaufgegriffen wurde, sind „erneuerbare Energi-en .. in den untersuchten Kommunen deutlichspäter eingeführt worden“ (S. 228). Die letzt-lich doch erheblichen Unterschiede zwischenEnergiemanagement und erneuerbaren Ener-gien werden auch daran deutlich, dass im wei-teren Verlauf der Arbeit die Ausführungen zubeiden Themenbereichen weitgehend unver-bunden nebeneinander stehen und eine Ver-zahnung nur punktuell stattfindet. Ungeachtetder letztlich geringer als zunächst erwartet aus-fallenden Gemeinsamkeiten zwischen beidenThemenfeldern steht außer Frage, dass Sebas-

tian Bolay eine höchst aktuelle und zunehmendan Relevanz gewinnende Problemstellung auf-gegriffen hat; mehr und mehr Kommunen set-zen aus ökonomischen oder umweltpolitischenGründen auf die Realisierung von Energieein-sparpotentialen und erneuerbare Energien.Dem Untertitel der Arbeit entsprechend ist esdas Ziel des Verfassers, Erfolgsfaktoren desEnergiemanagements und der Förderung er-neuerbarer Energien auf kommunaler Ebene zuidentifizieren. Oder anders formuliert: Welcheorganisatorischen Rahmenbedingungen undAkteurskonstellationen begünstigen das Enga-gement von Kommunen in beiden Handlungs-bereichen? Zur Beantwortung dieser Frage ent-wickelt Sebastian Bolay zunächst unter Rück-griff auf die Erfolgsfaktoren-, die Innovations-und die Implementierungsforschung sowie diePublic Choice-Theorie „Faktorenmodelle“, dieaus der Theorie ableitbare, potentielle Erfolgs-faktoren der Einführung von Energiemanage-ment und der Förderung erneuerbarer Energienin Kommunen zusammenfassen (Kapitel 4).Auf der Grundlage der konzeptionellen Arbei-ten hat der Verfasser zwei empirische Studiendurchgeführt. Zunächst wurde das erarbeiteteKonzept in acht, auf halb-standardisierten In-terviews beruhenden Fallstudien zum Energie-management und zu erneuerbaren Energien,die in sieben verschiedenen mittelgroßenKommunen durchgeführt wurden, einer erstenÜberprüfung unterzogen (Kapitel 5). Sodannwurde eine Online-Befragung konzipiert, diesich an Verwaltungsmitarbeiter in 157 deut-schen Kommunen mit 50.000 bis 250.000 Ein-wohnern richtete. Größere Kommunen wurdenaufgrund ihrer oftmals deutlich umfangreiche-ren Ressourcenausstattung im Interesse derVergleichbarkeit der Untersuchungsergebnis-se aus der Betrachtung ausgeklammert (Kapi-tel 6).Die jeweils auf zwei bis drei Seiten kurz dar-gestellten Fallstudien vermitteln interessanteerste Einblicke in die Erfolgsfaktoren, wie sievon den Gesprächspartnern vor Ort wahrge-nommen werden. Sie verdeutlichen zugleichexemplarisch, wie verschieden die Vorgehens-weisen in den Kommunen sind und wie unter-

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schiedlich die Erfolgsfaktoren sowohl im Hin-blick auf die Implementierung eines Energie-managements als auch die Förderung erneuer-barer Energien im Einzelfall ausgeprägt seinkönnen. Weniger die Identifizierung einigerweniger, prägnant formulierter Erfolgsfakto-ren als vielmehr die Vermittlung eines Ver-ständnisses für die Vielfalt der Ziele, die kom-munales Handeln bestimmen, und der Wege,die Kommunen beschreiten können, ist der we-sentliche Nutzen, den die Lektüre dieses Ka-pitels verspricht.Die Online-Befragung dient der Überprüfungder auf der Grundlage der herangezogenenTheorien identifizierten sowie mittels Exper-teninterviews und Fallstudien bestätigten Er-folgsfaktoren. 57 Kommunen haben sich zumEnergiemanagement geäußert; 50 Kommunengewährten Einblick in ihr Engagement im Be-reich erneuerbarer Energien. Ob die Studie da-mit tatsächlich – wie vom Verfasser mehrfachbetont – repräsentativ ist, sei angesichts des fürOnline-Befragungen typischen Problems derSelbstselektion der Befragten dahingestellt, istfür die Würdigung der Ergebnisse aber auchohne größere Bedeutung. Methodisch geht Se-bastian Bolay so vor, dass er zunächst jeweilseine – gemessen an der Einführung von Ener-giemanagement und der Förderung erneuerba-rer Energien – erfolgreichere Hauptgruppe undeine weniger erfolgreiche Vergleichsgruppebildet. Die umfangreichen Darstellungen derErgebnisse univariater Datenanalysen deutendann tatsächlich auf interessante Unterschiedezwischen Haupt- und Vergleichsgruppen so-wohl im Bereich des Energiemanagements alsauch der Förderung erneuerbarer Energien hin.Inwieweit allerdings Mittelwertunterschiedezwischen den Teilstichproben statistisch signi-fikant sind, bleibt offen. Ungeachtet der be-grenzten Aussagekraft und nicht allzu an-spruchsvollen Auswertung der Online-Befra-gung nimmt der Verfasser die empirischen Er-gebnisse zum Anlass, die zunächst unter Rück-griff auf verschiedene Theorien identifiziertenErfolgsfaktoren zu präzisieren und die ihrerübersichtlichen Darstellung dienenden „Fak-torenmodelle“ anzupassen. Abschließend wer-den auf dieser Grundlage in Kapitel 7 stich-punktartig einige Handlungsempfehlungen fürKommunen in den Bereichen Energiemanage-ment und erneuerbare Energien abgeleitet.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Se-bastian Bolay eine innovative und für den in-teressierten Leser dank guter Strukturierungdes Textes und zahlreicher Abbildungen leichtzugängliche Darstellung gelungen ist. Alsnachteilig für die Interpretation der empiri-schen Ergebnisse erweist es sich allerdings ge-legentlich, dass die gesamte Arbeit von derIdee durchdrungen ist, einen Beitrag zur För-derung beider kommunaler Aufgabenfelderleisten zu wollen. Nicht durchgeführte Projek-te im Bereich des Energiemanagements wer-den in der Folge etwas vorschnell als Indizienfür einen noch nicht abgeschlossenen Ausbaudieser kommunalen Aufgabe und nicht ausge-schöpfte Potentiale gedeutet (S. 141). Ver-kannt wird dabei, dass nicht alles technischMachbare auch ökonomisch sinnvoll ist. Ener-giesparmaßnahmen sind in aller Regel Inves-titionsprojekte, die einen positiven, aber aucheinen negativen Kapitalwert aufweisen kön-nen. Darüber hinaus hat die neue Investitions-theorie (Theorie der Realoptionen) für Ent-scheidungsprobleme unter Unsicherheit, etwaüber die weitere Entwicklung der Energieprei-se, den „Wert des Wartens“, d. h. die ökono-mische Vorteilhaftigkeit einer späteren Durch-führung von Investitionen, herausgearbeitet.Kommunen, die bislang nur vergleichsweisewenig in das Energiesparen oder die Erzeu-gung erneuerbarer Energien investiert haben,mögen daher vielleicht nicht alles Menschen-mögliche für den Umweltschutz getan haben,verhalten sich ökonomisch aber u. U. durchaussinnvoll. Daher stellt die vom Verfasser gezo-gene Schlussfolgerung, dass „in vielen Kom-munen ökonomische und ökologische Einspar-potenziale nicht genutzt“ (S. 227) werden, einezu weitreichende, durch die empirischen Datennicht gedeckte Interpretation dar. Sie verkenntzudem die erheblichen technischen und öko-nomischen Risiken, die mit Investitionen in er-neuerbare Energien verbunden sein können; imnur rund 7.800 Einwohner zählenden Staufen(Breisgau) bspw. haben die Schäden nach feh-lerhaften Geothermie-Bohrungen bereits einenzweistelligen Millionenbetrag erreicht. DieHandlungsempfehlungen an die Kommunengehen vor diesem Hintergrund zu einseitig vondem Ziel aus, „Engagierten aus Politik, Ver-waltung und Bürgerschaft Hinweise zu geben,mit welchen Argumenten andere Akteure vonden Vorteilen von Energiemanagement und er-

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neuerbaren Energien überzeugt werden kön-nen“ (S. 223). Da diese unter ökonomischenund technischen Gesichtspunkten nicht immergegeben sind, wäre eine ausgewogenere Sicht-weise nach Auffassung des Rezensenten eherim kommunalen Interesse.Überraschend selten ist in der vorliegendenArbeit vom Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG) die Rede, obwohl dieses den entschei-denden Auslöser für den Boom erneuerbarerEnergien in Deutschland darstellte. Dass trotzEEG die Kommunen das ökonomische Poten-zial erneuerbarer Energien als gering einstufen(S. 229), verwundert daher. Ebenso ist vor die-sem Hintergrund die Schlussfolgerung nichtnachzuvollziehen, dass in „Kommunen … er-neuerbare Energien insbesondere deswegeneingesetzt werden, weil sie momentan ‚envogue‘ sind“ (S. 229). Eher ist es so, dass mehrund mehr Kommunen erkennen, dass Investi-tionen in erneuerbare Energien nicht nurimagefördernd, sondern auch höchst rentabelsein können, sofern nicht die o. g. Risiken zumTragen kommen. Angesichts dessen wird auchdie Bedeutung „der intrinsischen Motivationder Akteure“ (S. 229) für ein Engagement imBereich erneuerbarer Energien insgesamtüberschätzt.„Wollen die Stadtwerke in großem Stil auf demMarkt der erneuerbaren Energien mitmischenund ihn nicht den großen Energieerzeugernüberlassen, müssen sie ihr Engagement deut-lich ausbauen.“ Abgesehen davon, dass diesesPlädoyer durch die Untersuchungsergebnissegar nicht gedeckt ist, ist es mit erheblichen Fra-gezeichen zu versehen. Warum sollte ausge-rechnet im Bereich der Energieerzeugung In-sourcing („Make“) immer besser als Outsour-cing („Buy“) sein? Eher ist zu erwarten, dassdie Effizienz von Eigenerstellung und Fremd-bezug auch in diesem Fall von den situativenRahmenbedingungen abhängt. Und soll manStadtwerken wirklich anraten, z. B. in die mitäußerst großen technischen und ökonomischenRisiken behaftete Offshore-Windenergieer-zeugung zu investieren, von den damit mögli-cherweise verbundenen rechtlichen Problemenganz abgesehen? Wohl kaum! Vielmehr zeigtdie kürzlich erfolgte Gründung des Gemein-schaftsunternehmens Green Gecco GmbH &Co. KG durch RWE Innogy sowie 26 nord-rhein-westfälische und niedersächsische Stadt-werke und Regionalversorger, dass kommuna-

le Energieunternehmen durchaus ein großesInteresse an erneuerbaren Energien haben, sichaber auch ihrer begrenzten finanziellen Res-sourcen und Risikotragfähigkeit bewusst sind.Die ausführlich diskutierten Kritikpunkte sol-len nicht den Blick dafür verstellen, dass essich bei der von Sebastian Bolay vorgelegtenStudie um eine insgesamt höchst lesenswerteArbeit handelt, die vielfältige Einblicke in bis-lang kaum beleuchtete kommunale Aufgaben-felder bietet. Sie ist zudem keineswegs nur fürLeser von Interesse, die sich mit erneuerbarenEnergien oder kommunalem Energiemanage-ment befassen. So lässt sich aus den empiri-schen Daten z. B. auch die Instrumentalfunk-tion von Stadtwerken herauslesen, denn Kom-munen, die ihre Stadtwerke nicht privatisierthaben, sind deutlich stärker im Bereich erneu-erbarer Energien engagiert. Last but not leastsei angemerkt, dass die Studie zu vielfältigenweiterführenden Untersuchungen anregt. Waskann man Besseres über eine wissenschaftlicheArbeit sagen!

Ludwig Theuvsen

Thierry Jeantet, Economie Sociale – eine Al-ternative zum Kapitalismus. Aus dem Franzö-sischen von Hans-H. Münkner, Neu-Ulm 2010,88 S. (Die französische Original-Ausgabe er-schien bei Ed. Economica, Paris 2008. DieVeröffentlichung in deutscher Sprache wurdeveranlasst von Netz e.V. Das Buch erscheint inder Reihe: Materialien der AG SPAK Publika-tionen, Holzheimer Str. 7, 89 233 Neu-Ulm).

Die bemerkenswert inhaltsreiche und gut les-bare, aber in Anbetracht sprachlicher Uneben-heiten und auch gedanklicher Sprünge im fran-zösischen Orignal-Text vermutlich nicht leichtzu übersetzende kleine Schrift, ist nach zweiVorworten von Ignacy Sachs und dem Verfas-ser und einem grundsätzlich zustimmendenNachwort von Didier Adès in drei Teile mitzahlreichen Unterabschnitten gegliedert. Diedrei Teile sind: „Wie der Kapitalismus funk-tioniert“ (S. 15-36), „Eine Wirtschaft der Ge-sellschaft“ (S. 37-62) und „Eine fortschreiten-de Ökonomie“ (S. 63-80). Die Veröffentli-chung enthält auch eine in das Thema einfüh-rende knappe Bibliographie, welche zeigt, dasssich Jeantet – er ist nicht Fachwissenschaftler,

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sondern Direktor einer Europäischen Wirt-schaftlichen Interessenvereinigung von Versi-cherungsunternehmen – offenbar schon seitmindestens 1995 mit dem Thema beschäftigthat. Die Publikation umfaßt auch Anmerkun-gen über zitierte und andere herangezogeneQuellen, in denen die Namen und einige Werkevon Karl Marx und Max Weber, von Galbraith,Gorz, Lindblom, Rifkin, Stiglitz und weiterenAutoren der älteren und neueren Kapitalismus-Forschung genannt werden. Auch zur franzö-sischsprachigen Literatur über die „EconomieSociale“ und über die „co-operatives“ sowiedie „Vereinigungen auf Gegenseitigkeit“ die-ses Landes gibt es einige sachdienliche Hin-weise. Vom Übersetzer Münkner werden zuRecht vier wichtige Quellen aus seinem um-fangreichen rechts- und genossenschaftswis-senschaftlichen Schrifttum genannt.113

Im ersten Teil der Schrift („Wie der Kapitalis-mus funktioniert“) wird neben viel Altbekann-tem zweifellos auch Neues geboten, schondurch die Unterscheidung diverser einzelwirt-schaftlich-morphologischer Ausprägungen:vom „Familienkapitalismus“ des Anfangs, derfreilich auch noch fortdauere, zum „Techno-kratischen Kapitalismus“ und „Finanzkapita-lismus“ hin zum „kapitalistischen“, oftmalsschlicht „zerstörerischen“ Kapitalismus derjüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Derkapitalistische Kapitalismus sei die „extremeForm des Finanzkapitalismus mit großer Fä-higkeit zur Mobilisierung von Budgets“, nebenPensionsfonds auch staatlichen. „Diese Unter-nehmen verfügen über Fonds, die von Finan-ciers außerhalb des Unternehmens mit Wett-leidenschaft verwaltet werden, die sehr kurz-fristig denken und bereit sind, an anderer Stel-le“ – d. h. ausserhalb von „Unternehmenspro-jekten“ – „zu investieren, wenn die Rentabilitätdort höher ist“ (S. 22). Im zweiten Teil der

113 Vgl. H.-H. Münkner (1995), Economie Sozialeaus deutscher Sicht, Marburg; Ders. (2000),Rechtliche Rahmen bedingungen für Unterneh-men mit sozialer Zielsetzung in Deutschland,Neu-Ulm; Ders. (2001), Economie Social undförderungswirtschaftliche Unternehmen, in: F.Schulz Nieswandt et al. (Hrsg.), Einzelwirtschaf-ten und Sozialpolitik zwischen Markt und Staat inIndustrie- und Entwicklungsländern. Festschriftfür W.W. Engelhardt, Marburg 2001, S. 221-244;„Bilan Societal“ – neuer Ansatz zur Messung desErfolgs von Genossenschaften in Frankreich, in:ZfgG., Bd. 59, 2009, S. 271-284.

Schrift werden die Ursprünge der nicht „staats-sozialistischen“ sozialen Bewegungen West-europas des 19. Jahrhunderts skizziert, unterNennung bekannter Namen wie Robert Owen,Charles Fourier, Etienne Cabet, Louis Blanc,Philippe Buchez, nicht zuletzt Charles Gidemit seiner frühen Theorie eines „Dritten We-ges“, die als „Wirtschaft der Gesellschaft“schließlich zur heutigen Economie Sociale ge-führt haben. Auch liberale politische Strömun-gen hätten zur Entstehung der „Neuen Wirt-schaft“ beigetragen – es werden dazu CharlesDunoyer, Léon Walras, John Stuart Mill undHermann Schulze Delitzsch genannt. „Nachder Logik der Economie Sociale ist es möglich,schwerfällige und autoritäre Gesetzestexte zuvermeiden, um den Partnern echte Spielräumeund Entscheidungsmöglichkeiten zu lassen,die allen nützen“ (S. 58). Im dritten Teil desBändchens geht es Jeantet schließlich darum,die Economie Social zusammenfassend als einGanzes jenseits einer bloßen Ideologie, aberauch abseits bloßer „utopischer Träume“ alseine echte und bereits wirksame gesellschaft-liche Alternative zum Kapitalismus darzustel-len, d.h. als „eine mehrdimensionale und fle-xible Vision“ „mit qualitativen und quantitati-ven Ambitionen“, „um eine Weltordnung zuschaffen“, „die für verschiedene Systeme offenist“ (S. 80). Es werde dabei nicht zuletzt dievorhandene „Besessenheit“ vom Gesellschaft-lichen dazu beitragen, „eine humanere Globa-lisierung zu gestalten, abgekoppelt von denmeist liberalen Dogmen, nach denen wirt-schaftlicher, finanzieller, in Geld gemessenerErfolg Priorität genießt“ (S. 77).Friedrich Engels und Karl Marx wären zwei-felos erstaunt, würden sie erfahren können,dass der von ihnen durchaus ernst genommene,aber theoretisch als völlig unzulänglich einge-stufte „utopische Sozialismus“ zahlreicherwesteuropäischer und auch deutscher Autorendes 19. Jahrhunderts sich schließlich im 20.und 21. Jahrhundert doch zu einer echten, weilausreichenden Alternative zum realen Kapita-lismus entwickelt hat.114 Uns heute bleibt abernatürlich die Frage zu stellen, ob trotz unver-kennbar großer tatsächlicher Erfolge all derzahlreichen Einzelorganisationen der Welt, die

114 Siehe dazu F. Engels (1962), Die Entwicklung desSozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in:K-Marx/F.Engels Werke, Bd. 19, Berlin,S. 189-228.

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auf das Werkzeug der „Börse“ und vergleich-bare Einrichtungen verzichten – d. h. der Ge-nossenschaften und Gewerkschaften, der meistkleinen Versicherungsvereine und weiterenVereinigungen auf Gegenseitigkeit, andererkollektiver Bünde, Netzwerke und Wohl-fahrts-Einrichtungen, auch der Stiftungen usw.– bei realistischer Betrachtung wirklich von ei-ner ausreichenden Alternative zum Kapitalis-tischen System die Rede sein kann. Besonderswenn – wie hier bei der französischen „Eco-nomie Sociale“ im Unterschied etwa zur CEEPe.V. – auf die Mitwirkung des Staates bewusstverzichtet wird, in Anbetracht des Scheiternsdes „real existierenden Sozialismus“ osteuro-päischer Prägung oder auch wegen nicht im-mer unberechtigter Einwendungen gegen diestaatlich und kommunal geprägte „ÖffentlicheWirtschaft“ westlicher Länder. Wäre eine „So-ziale Markwirtschaft“, wie sie in einem deut-schen Teilstaat des 19. Jahrhunderts ohne jedeMitwirkung staatlicher Organe auf freiwilligerund örtlich begrenzter Basis immerhin einmalversucht worden ist115 und nach dem ZweitenWeltkrieg dann in der BundesrepublikDeutschland nach Überlegungen vor allem vonAlfred Müller-Armack als bewusst gewollte„Soziale Marktwirtschaft“ von unten und obenzugleich – d.h. von privater Seite und durch denStaat – nicht eine immerhin wirkungsmächti-gere Alternative?116 Dies besonders dann,wenn es auf die Dauer gelänge, die zitierte„Besessenheit“ des gesellschaftlichen Den-kens mit ihrer Verabsolutierung der gesell-schaftlichen Ebene zu vermeiden.117

Gewiß geht es künftig um die Förderung dreierwichtiger Realitäten, die Jeantet zu Recht her-

115 Vgl. dazu W.W. Engelhardt (2008), Johann Hein-rich von Thünen als Vordenker einer SozialenMarktwirtschaft, Marburg.

116 Siehe dazu vom Rezensenten die kleine Schrift:Die Soziale Marktwirtschaft Alfred Müller-Arm-acks und Johann Heinrich von Thünens Vorläu-fer-Leistungen, Bonn 2003. Vgl. demnächst auchDers. (2010), Zu Methodenfragen ordnungstheo-retischer und ordnungspolitischer Konzeptionenim Verständnis J.H. von Thünens, W. Euckensund G. Weissers – bezogen besonders auf DritteOrdnungen, in: U. Jens und H. Romahn (Hrsg.),Methodenpluralismus in den Wirtschaftswissen-schaften, Marburg (in Vorbereitung).

117 Sie hat in Deutschland der bekannte Wirtschafts-soziologe Friedrich Fürstenberg stets zu vermei-den gewusst. Vgl. F. Fürstenberg (1995), Zur So-ziologie des Genossenschaftswesens, Berlin.

vorhebt: „Das Soziale, die Umwelt und die Zi-vilgesellschaft“ (S. 9). Aber die als Notwen-digkeiten verstandenen Zwänge, vorhandeneKnappheiten von Gütern und Kapital durchökonomische Verfahren rationaler Produktionzu überwinden oder zumindest erträglich zugestalten, dürfen dabei sicherlich keinesfallsvernachlässigt werden. Dies hat Thünen trotzseiner zuverlässigen sozialen Einstellung undungeachtet der von ihm erdachten neuen Lö-sungen der Verteilungsprobleme in seinem be-rühmten Hauptwerk immer voll anerkannt. Erschrieb: „In nationalökonomischer Beziehungdarf keine Arbeit unternommen werden, dienicht die Kosten deckt; denn sonst würde dieArbeit, die den Nationalreichtum schaffen soll,denselben im Gegenteil vermindern und auf-zehren – und durch Verminderung des Natio-nalreichtums würde das Volk nur noch elenderwerden“.118 Das bedeutet – richtig verstanden– zweifellos auch die Akzeptierung von Börsenund anderen Einrichtungen moderner Kredit-systeme, wie z. B. von Einrichtungen zur Be-stimmung von Pfandwerten, dabei möglichstnatürlich gemeinwirtschaftlicher.119 Die Ein-sichten des deutschen Klassikers gelten auchnoch für die globale Wirtschaft der Zukunft,bei künftig sicherlich weitgehender Distanzie-rung von einem bloß nationalstaatlichen öko-nomischen und politischen Denken.

Werner W. Engelhardt

118 J.H. von Thünen (1990), Der isolierte Staat in Be-ziehung auf Landwirtschaft und Nationalökono-mie, Berlin, S. 403.

119 Siehe dazu Näheres bei W.W. Engelhardt (2006),J.H. von Thünens Eintreten für die Gründung ei-nes Mecklenburgischen RitterschaftlichenCredit-Vereins – eine gemeinwirtschaftliche Un-ternehmensinitiative, in: ZögU., Bd. 29,S. 418-424. Vgl. auch die kritischen Darlegungendes Rezensenten in seinem Aufsatz: Zur Diskus-sion der „Economie Sociale“ und des „Commu-nitarism“ – aus deutscher Sicht, in: H.A. Henkelund H. Romahn (Hrsg.), Euro und Beschäftigung.Politik oder ökonomisches Gesetz?, Regensburg1996, S. 107-134.

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Thomas Müller-Marqués Berger und UweKrebs (Hrsg.), Der kommunale Gesamtab-schluss – Zielsetzung, Grundlagen und Erstel-lung, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart2010, 290 S.

Nach dem Willen der Herausgeber soll das an-zuzeigende Buch ein Leitfaden für den kom-munalen Anwender sein – also für jene Mitar-beiter, die für die Erstellung eines kommunalenGesamtabschlusses verantwortlich sind oderdie zumindest an der Erstellung mitwirken. Umdas Ergebnis vorweg zu nehmen – das Bucherreicht dieses Ziel.Das Werk ist in drei Teile gegliedert. Der ersteTeil "Grundsatzfragen des kommunalen Ge-samtabschlusses" behandelt grundlegendeThemen wie z. B. die notwendige Zusammen-fassung diversifizierter Informationen als Fol-ge der kommunalen Dezentralisierung. Hierbeigeht es nicht nur um die technisch-rechneri-sche Zusammenfassung von Zahlenwerken,sondern auch um die Zusammenführung un-terschiedlicher Rechnungslegungsansätze(Kameralistik – Doppik). In diesem ersten Teilwerden übersichtlich die rechtlichen Grundla-gen und die Bestandteile des Gesamtabschlus-ses in den einzelnen Bundesländern darge-stellt. Dies geschieht praxisnah, übersichtlich,aber auch unkritisch; die weniger positivenAuswirkungen des Föderalismus, die sich z. B.in vielfältigen und sachlich nicht begründbarenlandesrechtlichen Varianten zeigen, werdennicht weiter problematisiert. Nur kurz werdenauch bedeutendere theoretische Probleme ge-streift, wie etwa die Problematik der dynami-schen oder statischen Verweise, die Geltunghandelsrechtlicher oder kommunalrechtlicherNormen für den kommunalen Gesamtab-schluss oder die Bedeutung der Grundsätzeordnungsmäßiger Buchführung. Der erste Teilschließt mit einer Darstellung des erforderli-chen Projektmanagements für die erstmaligeErstellung eines Gesamtabschlusses.Auch der zweite Teil "Rechnungslegung in derkommunalen Gesamtverwaltung" erfüllt dieZielsetzung des Werkes, ein praxisnaher Leit-faden für den kommunalen Anwender zu sein.Ausgehend von der Abgrenzung des Konsoli-dierungskreises und dem Grundsatz der ein-heitlichen Bilanzierung und Bewertung wer-den die grundlegenden Konsolidierungstech-niken dargestellt: Kapital-, Schulden-, Auf-wands- und Ertragskonsolidierung sowie Zwi-

schenergebniseliminierung. Besondere Auf-merksamkeit widmet der Band der Steuerab-grenzung sowie der anteilmäßigen und derEquity-Konsolidierung. Insbesondere werdenauch kommunale Besonderheiten im Rahmender Konsolidierung wie die Konsolidierungvon Steuersachverhalten, Zuwendungen undZuschüssen, Pensionssachverhalten, Konzes-sionsabgaben und Energielieferungen praxis-nah dargestellt. Alle Konsolidierungsdarstel-lungen werden zudem durch verständliche Bei-spiele veranschaulicht. Irritierend in diesem,aber auch in den anderen Teilen des Werkes ist,dass statt von Jahresabschluss meistens vonEinzelabschluss gesprochen wird. Gerade hin-sichtlich dieser grundlegenden Begriffe habensich die Landesgesetzgeber ohne Abspracheum Einheitlichkeit bemüht: Die kommunaleDoppik kennt neben dem Gesamtabschluss nurden "Jahresabschluss"; der handelsrechtliche"Einzelabschluss" gem. § 325 Abs. 2 a HGB istin der kommunalen Doppik unbekannt. Auchin diesem Teil werden die in der Literatur dis-kutierten Probleme nur kurz angesprochen –etwa die Problematik, dass einige Bundeslän-der bei der Kapitalkonsolidierung die Buch-wertmethode verlangen, obwohl das HGB nurdie Neubewertungsmethode zulässt, oder dasDilemma, dass der kommunale Gesamtab-schluss kein gleichwertiger handelsrechtlicherKonzernabschluss ist.Auch der dritte Teil "Der Gesamtabschluss alsInformations- und Steuerungsinstrument"bleibt dem Anspruch des Gesamtwerkes treu.Hier werden die Prüfung und die Veröffentli-chung des Gesamtabschlusses dargestellt. Er-örtert werden auch die Möglichkeiten der Bi-lanzpolitik und der Abschlussanalyse sowiedie Nutzung des kommunalen Gesamtab-schlusses als Instrument der kommunalen Ge-samtsteuerung. Das Werk schließt mit einerSynopse, die übersichtlich die wesentlichenAbgrenzungskriterien für den kommunalenGesamtabschluss je Bundesland aufführt (z.B.Rechtsgrundlagen, Fristen, Konsolidierungs-grundlagen). In diesem Teil wäre eine Einfüh-rung in für die Konzernrechnungslegung be-deutsame IPSAS wünschenswert gewesen.Das Buch gibt einen umfassenden Überblicküber wesentliche Themengebiete des kommu-nalen Gesamtabschlusses und damit zusam-menhängende Fragestellungen. Den Verfas-sern ist eine verständliche und in sich geschlos-

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sene Darstellung des kommunalen Gesamtab-schlusses gelungen, so dass das Buch vor allemfür die Anwender in den Kommunen, aber auchfür andere an der Thematik Interessierte wieBerater und Studierende als erster Einstieg undals Hinweis für weitere Vertiefungen zu emp-fehlen ist.

Michael Poullie

Craig N. Murphy und JoAnne Yates, The In-ternational Organization for Standardization(ISO). Global governance through voluntaryconsensus. London/New York: Routledge2009, 138 S.

Standards sind für die internationale Wettbe-werbsfähigkeit von Unternehmen von funda-mentaler Bedeutung. Vor diesem Hintergrundverwundert es, dass die Internationale Organi-sation für Normung (ISO) weit weniger imZentrum öffentlichen Interesses steht als ande-re internationale Organisationen. Im Gegen-satz zur Arbeit der Welthandelsorganisation,der Weltbank oder dem Internationalen Wäh-rungsfonds werden die Entscheidungsprozesseder ISO bislang kaum von der Öffentlichkeitwahrgenommen.Die „Global Institutions“-Serie des Routledge-Verlags hat zum Ziel, wichtige internationalestaatliche und nichtstaatliche Organisationenzu portraitieren, die grenzüberschreitende Auf-gaben wahrnehmen und damit das institutio-nelle Gerüst dessen bilden, was gemeinhin als„Global Governance“ bezeichnet wird. DieISO durfte in dieser Reihe folglich nicht fehlen.Für das Ehepaar Craig N. Murphy und JoAnneYates, das die Autorenschaft für den Bandübernahm, ist der vorliegende, verhältnismä-ßig kurze Abriss nur ein kleiner Ausschnitt ih-rer laufenden Forschung zur ISO. In Arbeitbeider Autoren befinden sich zurzeit eine Stu-die zur freiwilligen Standardsetzung der ver-gangenen hundert Jahre sowie eine Monogra-phie zur Entstehung des Standardisierungswe-sens.Alle Reihenbände folgen weitgehend dem glei-chen Muster. Zunächst geben die Autoren ei-nen Überblick über die Bedeutung und den his-torischen Entstehungshintergrund freiwilligerStandardsetzung. In einem zweiten Kapitelwerden die Struktur und die Arbeitsabläufe der

Organisation vorgestellt. Die zwei darauf fol-genden Kapitel widmen die Autoren der Dar-stellung und Diskussion jeweils eines Fallbei-spiels aus der technischen und der nichttech-nischen Standardsetzung. Im letzten Kapitelwird die ISO im Kontext anderer internationa-ler Standardsetzungsautoritäten betrachtet unddas Problem der so genannten „Standardkrie-ge“ zur Ausnutzung vorübergehender Mono-polsituationen im Markt diskutiert. Da dasZentralsekretariat der ISO kein eigenes Archivunterhält, können Dokumente nur in den na-tionalen Standardisierungsinstituten eingese-hen werden. Für den vorliegenden Band habendie Autoren auf diesen Aufwand verzichtet undbeziehen sich in ihren historischen Passagenausschließlich auf Sekundärliteratur.Die ISO setzt sich aus Vertretern der nationa-len Normierungsinstitute zusammen, welcheihrerseits teils privat, teils öffentlich finanziertsind. Damit ist die ISO keine klassische inter-nationale Regierungsorganisation, sondern er-füllt eine Brückenfunktion zwischen Privat-wirtschaft und Politik. Die Autoren unterschei-den drei Entwicklungsphasen der ISO. Im Jahr1946 gegründet, hat die Organisation bis Mitteder 1960er Jahre zunächst ihre Kapazitäten undFunktionen als internationaler Standardsetzerausgebildet und sich überwiegend mit techni-scher Normierung befasst. In der zweiten Pha-se ihrer Geschichte bis in die 1980er Jahre hatdie ISO maßgeblich zur Entstehung einesWeltmarkts beigetragen, indem sie mittelsStandardisierung die Kompatibilität grenz-überschreitender Unternehmensaktivitätenverbesserte. Zudem intensivierte die Organi-sation in dieser Zeit ihre Beziehungen zu denVereinten Nationen und dem GATT, das ISO-Standards als Referenzrahmen für Handelsab-kommen heranzog. In der dritten Entwick-lungsphase, die bis heute andauert, hat die ISOihren Tätigkeitsbereich in Bezug auf Rege-lungsadressaten und die Produkt- bzw. The-menvielfalt ausgeweitet. Ein prominentes Bei-spiel ist der QualitätsmanagementstandardISO 9000.Der Prozess der Standardentwicklung ist mit-unter langwierig, wenngleich die durchschnitt-liche Dauer, von der Entscheidung über dieNormierung eines Produkts oder Prozesses biszur Veröffentlichung einer Norm, signifikantvon 72 Monaten in den 1980er Jahren auf 51Monate im Jahr 2002 reduziert werden konnte

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(S. 38). Die Länge des Entstehungsprozessesist der konsensualen Entscheidungsfindungunter breiter Beteiligung verschiedener An-spruchsberechtigter geschuldet. Ohne die Kon-fliktlinien zwischen den Gruppen genauer zubenennen, referieren die Autoren kursorischverschiedene theoretische Zugriffe zur Erklä-rung von Verhandlungsprozessen. Zum einenwerden rationalistische Ansätze aufgegriffenund unterschiedliche Situationsstrukturen an-geführt, mithilfe derer die Interessenkonstella-tionen spieltheoretisch erfasst werden können(S. 38-39), zum anderen werden kognitiveTheorien von Bourdieu und Habermas ge-streift. Es bleibt in beiden Fällen jedoch bei ei-nem äußerst oberflächlichen Einblick, dem ei-ne Vertiefung zu wünschen gewesen wäre.Standards erhöhen in der Regel Benutzer-freundlichkeit und Transparenz und werdendamit von Verbrauchern begrüßt und von Pro-duzenten nachgefragt. Die Autoren zeigen,dass jedoch längst nicht alle Standardisie-rungsprozesse durch entsprechende Nachfrageangestoßen wurden. Strategische Entscheidun-gen darüber, mit welchen Themen sich die Or-ganisation auseinandersetzen und welcheHandlungsfelder sie künftig besetzen sollte,werden auch durch das Technical ManagementBoard (TMB) getroffen. Die Autoren zeigen,dass dem Vorsitzenden des TMB in diesemZusammenhang eine entscheidende Agenda-setzungsmacht zukommt. Dabei spielt für dieISO auch immer wieder eine Rolle, auf welcheWeise sie gegenüber anderen internationalenInstitutionen ihre globale Relevanz bewahrenund ausbauen kann.Entsprechend spüren die Autoren der Fragenach, welche Rolle die ISO im institutionellenGefüge des „Weltregierens“ spielt. Dieser um-fassenden Frage nähern sich Murphy und Ya-tes mittels zweier Fallstudien: Die internatio-nale Normierung der Container-Verschiffunghat den grenzüberschreitenden Austausch vonWaren erheblich erleichtert. Anhand diesesBeispiels zeigen die Autoren, wie Standardi-sierung nicht nur maßgeblich zur Entstehungdes heutigen Weltmarkts beitrug, sondern da-durch bedingt unzählige weitere Aufgaben derStandardisierung schuf. Wenngleich der ISOin Bezug auf die Homogenisierung der Han-delsinfrastruktur große Bedeutung zukommt,liegt ihre Zukunft nach Ansicht der Autoren inder Standardisierung von Produktionsprozes-

sen. Entsprechend legen sie die Entstehung undVerbreitung der Qualitätsmanagement- undUmweltstandards ISO 9000 und 14000 dar undgehen auf den voraussichtlich in diesem Jahrerscheinenden Standard zur sozialen Verant-wortung (ISO 26000) ein.Das Interesse der Forschung hat die ISO jüngstvor allem durch so genannte „Standardkriege“zwischen verschiedenen internationalenNormsetzern, insbesondere in der Informati-ons- und Kommunikationstechnologie, ge-weckt. Hier macht sich die Relevanz interna-tionaler Standardisierung besonders bemerk-bar. Kann eine Industrienation die im Inlandüblichen Standards als internationale Normdurchsetzen, erhalten die inländischen Unter-nehmen wertvolle „first-mover-advantages“,welche ihnen einen Wettbewerbsvorsprungverleihen können. So gestaltet sich das Ver-hältnis zwischen den U.S.A. und den europä-ischen Standardisierungsbehörden konflikt-reich (S. 90). Die Autoren führen hierzu denFall der Mobilfunktechnologie GSM (GlobalSystem for Mobile Communications) an, der inder EU entwickelt wurde und international ra-sche Verbreitung fand. Dies lässt sich zum ei-nen darauf zurückführen, dass europäischeNormungsinstitutionen vergleichsweise zügi-ger arbeiten und die europäischen Industri-enormen zum anderen aufgrund der ausgepräg-ten Wirtschaftsbeziehungen europäischer Un-ternehmen auch in Lateinamerika, Asien undAfrika attraktiv sind. Die europäischen Mobil-funkunternehmen konnten sich entsprechendgegenüber amerikanischen Standards durch-setzen.Das Beispiel zeigt dabei auch, dass die oft ge-nannte Freiwilligkeit von internationalen Pro-dukt- und Produktionsstandards nur scheinbargegeben ist. So kann sich in der Regel keinUnternehmen einem international dominantenStandard entziehen. Hinzu kommt, dass, wieMurphy und Yates richtig bemerken, Stan-dards nicht selten ex post Eingang in Geset-zestexte oder internationale Abkommen findenund damit durchaus legislative Wirkung ent-falten (S. 26).Vor dem Hintergrund der Standardisierungs-konkurrenz aus Europa sehen Murphy und Ya-tes die ISO deshalb vor allem als dominantenAkteur in nichttechnischen Bereichen. Tech-nische Standardisierung hingegen bedarf an-gesichts der Schnelligkeit des Fortschritts in

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den führenden Informations- und Kommuni-kationstechnologien schnellerer Entschei-dungsprozesse, die das Konsensverfahren derISO nicht bietet. Hier ist ein Bedeutungsverlustder Organisation zu erwarten.Das Ziel der „Global Institutions“-Buchreiheist es, in einer zugänglichen Sprache für einbreites, auch nichtfachliches Publikum in dieGeschichte, Struktur und Entscheidungsfin-dungsprozesse wichtiger grenzüberschreitendtätiger Organisationen einzuführen. DieseAufgabe ist Autoren und Herausgebern gelun-gen, wenngleich der Text weitgehend be-schreibend und wenig erklärend bleibt. DasAnmerkungsverzeichnis bietet zwar gute An-knüpfungspunkte für das vertiefende Studium,eine ausführliche Bibliographie wäre aller-dings wünschenswert gewesen.Auch wenn die Autoren stellenweise kritischeForschungspositionen berücksichtigen, er-scheint die Arbeit insgesamt als ein großesKompliment an die Leistung der ISO. Insbe-sondere die Ausweitung der Aktivitäten in dasFeld der sozialen Verantwortung wird enthu-siastisch aufgenommen. Es ist richtig, dass imUnterschied zu früheren Standardisierungs-prozessen die ISO jüngst auf eine ausgewoge-ne Besetzung der Entwicklungsteams in Hin-blick auf Anspruchsgruppen, regionale Her-kunft und Geschlechterzugehörigkeit Wert ge-legt hat. Andere internationale Organisationenim Bereich der Sozialstandardisierung (ge-nannt werden etwa die Internationale Arbeits-organisation, der Global Compact und SocialAccountability International) pauschal als in-effektiver oder weniger legitim zu charakteri-sieren und ihre Arbeit als „gescheitert“ zu be-werten (S. 82), ist jedoch äußerst gewagt.Yates und Murphy gehen stellenweise so weit,die ISO als „[…] alternative to our ineffectiveUN system of intergovernmental organization[…]“ (S. 68) zu sehen. Diese Euphorie ist über-zogen, da gerade im Bereich von Umwelt- undSozialnormen freiwillige Standardisierung im-mer nur eine Ergänzung, aber keine Alternativezu völkerrechtlich bindenden, zwischenstaat-lichen Vereinbarungen sein kann, wie sie etwadie Internationale Arbeitsorganisation be-schließt.

Julia Maier-Rigaud

Marina Schur, Der Wasserversorgungsver-trag. Verbraucherschutz bei der Privatisie-rung von Wasserversorgungsunternehmen.Duncker & Humblot, Berlin 2009.

Die der o. g. Schrift zugrunde liegende Disser-tation wurde im Sommersemester 2008 von derJuristischen Fakultät der Universität Rostockals Dissertation angenommen. Mit der Was-serversorgung bewegt sich die Verfasserin ineinem Themengebiet, das – wie es für netzge-bundene Dienstleistungen typisch ist – inter-essante ökonomische, juristische und techni-sche Probleme aufwirft. Frau Marina Schur hatsich bei der Abfassung ihrer Dissertation füreine juristische Perspektive entschieden, be-zieht aber, soweit es notwendig erscheint, auchökonomische und technische Aspekte in ihreAnalyse ein. Das Anliegen der Verfasserin be-steht darin zu klären, „welche Vorgaben hin-sichtlich der Einführung von Wettbewerb undder damit verbundenen Privatisierung derWasserversorgung durch die Europäische Uni-on existieren und wie ein Vertragsleitbild füreinen Wasserversorgungsvertrag aussehensollte.“ (S. 19). Letztgenannter soll im Vorder-grund stehen, denn: „Ziel dieser Arbeit ist, denSchutz des Verbrauchers bei der Privatisierungder Wasserversorgung durch die Erstellung ei-nes Vertragsleitbildes zu sichern.“ (S. 20).Thematisiert wird der Wasserversorgungsver-trag dann allerdings erst im fünften und – ab-gesehen von einer kurzen Schlussbetrachtung– abschließenden Kapitel der Arbeit; im Kernsind ihm gerade einmal knapp vier Seiten ge-widmet!Die Verfasserin beginnt ihre Darlegungen mitder Behandlung einiger für ihre Arbeit rele-vanter Grundlagen. Im Einzelnen werden imersten Kapitel der Wassermarkt und die Was-serversorgung in Deutschland, Begriff undFormen der Privatisierung sowie die Wasser-versorgung als Teil der Daseinsvorsorge bzw.Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft-lichem Interesse jeweils kurz gestreift. Im Prin-zip ist gegen die Vorgehensweise nichts ein-zuwenden; der Leser hätte sich allerdings ge-legentlich etwas mehr Stringenz gewünscht.So wird der im Rahmen der Arbeit Verwen-dung findende Privatisierungsbegriff auf diematerielle und die funktionelle Privatisierungeingegrenzt (S. 42), nur um wenig später (etwaS. 47) doch wieder Fragen der formellen Pri-vatisierung zu diskutieren. Auch kleinere Un-

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genauigkeiten fallen auf; so ist der Begriff desGewährleistungsstaates keineswegs 1998 erst-mals verwendet worden (S. 61). Positiv ist zuvermerken, dass Frau Schur die situative Be-dingtheit (z. B. in Abhängigkeit vom Stand derTechnik) sowie kulturelle und politische De-terminiertheit der Aufgaben der Daseinsvor-sorge herausarbeitet (Abschnitt C.I.). Ihre Ar-gumentation hätte sie an dieser Stelle durchRückgriff auf die inzwischen recht zahlreichvorliegenden empirischen Erhebungen zu denPräferenzen der Bürger für eine Wasserversor-gung durch die öffentliche Hand noch stärkenkönnen.Kapitel 2 führt in Grundkonzepte des Verbrau-cherschutzes ein. Dazu gehören u. a. Darle-gungen zu Notwendigkeit und Leitbildern ei-ner staatlichen Verbraucherpolitik sowie zumWettbewerb als Instrument des Verbraucher-schutzes. Einen weiteren Schwerpunkt derAusführungen bilden Überlegungen zu den be-sonderen Schwierigkeiten, Wettbewerb im undum den Wassermarkt zu organisieren und da-durch den Konsumenten Wahlmöglichkeitenzu eröffnen. Insgesamt gibt die Verfasserin ei-nen ansprechenden Überblick. Die für die Be-wertung alternativer Formen der Organisationdes Wassermarktes relevanten ökonomischen,ökologischen und technischen Beurteilungs-kriterien werden allerdings recht unvermittelteingeführt (S. 109 f.). Zudem bleibt die Frageunbeantwortet, inwieweit der Umstand, dasslediglich der leitungsgebundene TransportMerkmale eines natürlichen Monopols auf-weist, für Fragen des Verbraucherschutzes be-deutsam ist. Schließlich überraschen einigeStatements, etwa wenn die Verfasserin zur eu-ropaweit geführten Diskussion um die Höheder Wasserpreise schreibt: „Betrachtet man …die Höhe der Zuschüsse und das Leistungsni-veau, sind die Preise angemessen.“ (S. 113).Das 3. Kapitel ist im Prinzip ein schöner Über-blick über die im europäischen und nationalenRecht verankerten Normen zum Schutz des(Wasser-)Verbrauchers. Nur: Soweit sich dieDarstellung auf den EG-Vertrag in der Fassungvom 2.10.1997 bezieht, sind die Ausführungenmit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrageszum 1.12.2009 obsolet geworden. Dies kannman der Verfasserin nicht vorwerfen, die imVorwort ausdrücklich darauf hinweist, dassRechtsprechung und Literatur bis April 2008berücksichtigt werden konnten, schmälert aber

naturgemäß den Wert der entsprechenden Aus-führungen erheblich. Im Weiteren sind dannauch einige Rechtsvorschriften wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie und das Wasserhaus-haltsgesetz (WHG) in die Darstellung aufge-nommen worden, die allenfalls in einem äu-ßerst weiten Sinne Fragen des Verbraucher-schutzes behandeln (vgl. dazu etwa § 1 WHG).Zudem ist auch das Wasserhaushaltsgesetzaufgrund der Föderalismusreform am 1.3.2010in einer deutlich veränderten Fassung in Kraftgetreten. Die Verfasserin schließt ihre Ausfüh-rungen in diesem Teil der Arbeit mit der – nachAuffassung des Rezensenten durchaus überra-schenden – Feststellung, „dass die nationalenVorschriften die Verbraucherinteressen nureingeschränkt schützen.“ (S. 150).Das 4. Kapitel ist eher exkursorischer Natur.Die Verfasserin erhofft sich von einem – je-weils eher knappen – Blick auf den Telekom-munikations- und den Energiesektor sowie dieWasserversorgung in Frankreich und den Nie-derlanden Erkenntnisse für die Beantwortungihrer eigenen Fragestellung. Dass, wie von derVerfasserin zunächst erwartet, „der Telekom-munikationssektor… in vielerlei Hinsicht alsVorbild für den Wasserversorgungsmarkt die-nen“ könne (S. 160), war von vornherein eherunwahrscheinlich. Nicht ganz überraschendmuss die Verfasserin in der abschließendenDiskussion dann auch konzedieren, dass die„Eigenheiten der zu erbringenden Leistungen… eine Anpassung der Vorschriften [bedin-gen]. Der entscheidende Unterschied ist dieMöglichkeit zur Durchleitung im Bereich vonTelekommunikation und Energie im Gegen-satz zu Wasser.“ (S. 176).Das 5. Kapitel ist dann (endlich) dem in derZielstellung der Arbeit in den Mittelpunkt ge-rückten Wasserversorgungsvertrag gewidmet.In Teil A. werden Rahmenbedingungen derPrivatisierung der Wasserversorgung (an-)dis-kutiert. Nicht immer ergeben sich die Ausfüh-rungen zwingend aus den vorherigen Kapitelnbzw. knüpfen an diese an (vgl. etwa die Über-legungen zum vergleichenden Wettbewerb,S. 194, und zur Notwendigkeit einer Regulie-rungsbehörde im Wasserversorgungssektor,S. 196). Den Optimismus der Verfasserin inBezug auf Ausschreibungswettbewerb undBetreibermodelle („unproblematisch“, S. 193)werden sicherlich auch nicht alle Leser unein-geschränkt teilen. Ebenso wenig leuchtet die

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Behauptung der Verfasserin ein, „dass es fürdie Wasserversorgung einen selbstständigenVertrag geben muss, der alle wesentlichen Ver-tragsinhalte regelt“ (S. 203). Dementspre-chend sind in dem im Folgenden präsentiertenFormulierungsvorschlag eines Wasserversor-gungsvertrags (S. 204 bis 206) kaum Regelun-gen zu finden, die diese Hypothese stützen.Nicht ganz überraschend heißt es am Beginnder abschließenden Zusammenfassung (6. Ka-pitel) dann auch: „Der Wasserversorgungsver-trag als privatrechtlicher Vertrag zwischendem örtlichen Versorger und dem Verbrau-cher, dem Anschlussinhaber, wird sich inhalt-lich zu den jetzigen Verträgen kaum ändern“(S. 207). Warum nur, fragt sich der Leser, dannder ganze Sturm im Wasserglas? Weil, wie esauf S. 208 heißt, der „Aspekt der Versorgungs-sicherheit .. schnellstmögliches gesetzlichesTätigwerden“ erfordert? Wohl kaum, denn:„Längere Versorgungsausfälle sind inDeutschland nicht bekannt. Im europäischenVergleich weist Deutschland die geringstenNetzverluste mit 7,3 Prozent auf.“ (S. 114).

Oder sollte auch das nicht ganz richtig sein?Wird doch die Verlustrate für die Niederlandemit fünf Prozent angegeben (S. 185)!Insgesamt, das haben die kritischen Anmer-kungen im bisherigen Verlauf der Rezensionbereits deutlich gemacht, ist der Verfasserinkein großer Wurf gelungen. Bezüge zu der imUntertitel der Arbeit thematisierten Privatisie-rung werden nur gelegentlich erkennbar. Derim Titel und der Zielstellung der Arbeit ange-sprochene Wasserversorgungsvertrag wird nurganz zum Ende und dann auch in nicht sehrüberzeugender Weise behandelt. Abgesehendavon wird seine Notwendigkeit nicht einmalim Ansatz überzeugend belegt. Schließlich istdie Rechtsentwicklung über nicht unwesentli-che Teile der Arbeit hinweggegangen, so dasssie auch als Nachschlagewerk nur einge-schränkt tauglich ist. Insgesamt fehlen damitdie Argumente, dem interessierten Leser dieLektüre der Arbeit nachdrücklich ans Herz zulegen.

Ludwig Theuvsen

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Autoren des Hefts

Peter Deschkan, Universität Wien, Institut für Industrie, Energie und Umwelt, [email protected]

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, SRH Hochschule Berlin

Prof. Dr. em. Werner W. Engelhardt, Universität zu Köln, Seminare für Sozialpolitik und fürGenossenschaftswesen

Prof. Dr. Wolfgang Gerstlberger, University of Southern Denmark, Associate Professor, Depart-ment of Marketing & Management, [email protected]

Dr. Marc Gnädinger, Bertelsmann Stiftung, [email protected]

Jun.-Prof. Dr. Dennis Hilgers, Universität Hamburg, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissen-schaften, [email protected]

Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, DIW Berlin, Forschungsdirektor Internationale Infrastruk-turpolitik und Industrieökonomie, [email protected]

Michael Kreuzkamp, Ostsächsische Sparkasse Dresden, Anstalt des öffentlichen Rechts, DirektorCorporate Center Backoffice, Verhinderungsvertreter des Vorstandes, [email protected]

Julia Maier-Rigaud, Universität Tübingen, Institut für Politikwissenschaft, [email protected]

Dr. Alex da Mota Pedrosa, the Mads Clausen Institute, University of Southern Denmark, AssistantProfessor, [email protected]

Michael Poullie, WIBERA Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, [email protected]

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Eberhard-Karls-Universität Tübingen, ehem. Lehrstuhl fürStaats- und Verwaltungsrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht

Dr. Hilmar Sturm, Institut für Verbandsforschung und -beratung SVV, München, [email protected]

Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökono-mie und Rurale Entwicklung, [email protected]

Dr. Matthias Walter, TU Dresden, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Energie-wirtschaft und Public Sector Management, [email protected]

Prof. Dr. Dieter Witt, Technische Universität München, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften,Fachgebiet Dienstleistungsökonomik, [email protected].

Michael Zschille, DIW Berlin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V., [email protected]

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