2010 segeln im zeichen des drachen

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die panerai-yacht eilean segelt wieder II

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Seite A4 DIE WELT Samstag, 25. September 2010Boots Welt

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Von Matthias J. Müncheberg

Wenn er seine Yachtbetritt, dann tut er essehr behutsam, misstzunächst jeden ein-

zelnen Schritt auf der Gangway hin-ab zum Heck genau ab, bleibt dann,auf dem Schiff angelangt, erst ein-mal stehen – und schaut. Schaut auf22,20 Meter frisch verlegtes Teak-holz und auf zwei in der Sonneglänzende Masten, die mehr als 300Quadratmeter baumwollenen Se-geltuches tragen können. Für Ange-lo Bonati ist dieser Ort ein Univer-sum, in dem sich seine ganze Lei-denschaft entfalten kann: Wenn derWind rauscht in der Takelage einesklassischen Segelschiffes, dann istdieser Mann glücklich.

Bonati, 1951 in Mailand geboren,ist der Chef des italienischen Uh-renherstellers Panerai. Seine Zeit-messer sind teuer, er verkauft sie anreiche Leute. Und er stiftet jedesJahr eine extra aufgelegte Uhr fürdie beste Crew der Panerai ClassicYacht Challenge, einer Regattaseriemit Kultstatus für klassische Yach-ten, die in Hafenstädten an der fran-zösischen Riviera, der ligurischenKüste oder auf der BaleareninselMenorca Station macht.

2006 entdeckt der leidenschaftli-che Segler im English Harbour von

Antigua das Wrack der „Eilean“(schottisch für „kleine Insel“) mitdem stilisierten Drachenkopf amBug. Die Segelyacht ist nur noch einSchatten ihrer selbst. Keine Spurmehr von der einst so stolzen, 1937vom Stapel gelaufenen Bermuda-Ketsch der renommierten WerftWilliam Fife & Son aus dem schotti-schen Fairlie.

Die „Eilean“, genau in dem Jahrkonstruiert, in dem Bonatis Firmaihre erste Taucheruhr für die itali-enische Marine entwickelte, hattees dem Geschäftsmann sofort ange-tan. Sein Unternehmen kaufte dasSchiff und ließ es von 2007 bis 2009bei der auf Klassiker spezialisiertenFrancesco-Del-Carlo-Werft in Via-reggio restaurieren. Drei Jahre spä-ter lief die „Eilean“ nun ein zweitesMal vom Stapel – diesmal im italie-nischen La Spezia.

So stolz Bonati, selbst passionier-ter Segler, auf seine Neuerwerbungauch ist, überlässt er deren Steuerdoch dem erst 34-jährigen AndrewCully. „Ein Traum von einer Yacht –und ein Traumjob“, sagt der in Eng-land lebende Seemann, der sich inder Klassiker-Szene einen Namengemacht hat. Ein Traumjob ist dasSegeln auf diesem Schiff besondersdann, wenn die „Eilean“ richtig ge-fordert wird. Wie bei der Vele d’E-poca di Imperia, der dritten Station

der Classic Yachts Challenge. Undso eine Yacht richtig fordern heißt:Eine Regatta segeln – aber nicht umanzukommen, sondern um zu ge-winnen.

Keine leichte Aufgabe auf demfrisch restaurierten Klassiker, der2009 mit dem in der Szene begehr-ten Preis für die beste Restaurationausgezeichnet wurde. Zwar gibt eselektrische Winden an Bord, aberder Großteil der Arbeit muss ohnedie auf modernen Großyachten üb-liche Motorunterstützung erledigtwerden. Noch aus einem anderenGrund schien die Aussicht auf ei-nen Sieg im Golf von Genua ge-

trübt, denn die Crew besteht vor-erst aus nur vier festen Mitgliedern.Der Rest ist bunt zusammengewür-felt. Die gemeinsame Segelerfah-rung an Bord des Composit-Baus,bei dem Teakholzplanken auf einStahlskelett gesetzt wurden, läuftnoch gegen null.

Und trotzdem: Die in der Wasser-linie nur 15,52 Meter lange Ketsch(ein Zweimaster, bei dem das Rudervor dem hinteren Mast steht) woll-te auf dem Ligurischen Meer Yach-ten wie etwa dem Vorjahressieger„The Blue Peter“ die Stirn bieten.Cully steuerte dabei sein Schiff vir-tuos, jeden kleinen Windhauch

schien der junge Seemann zu erspü-ren, bevor andere ihn bemerkt hat-ten. Laut und klar schallten unterdem prüfenden Blick des Segel-Gastes Bonati seine Kommandosüber das fein geschliffene Deck.

Doch das größte Engagementnützt wenig, wenn das Materialnicht mitspielt. „Die Leine des ers-ten Reffs ist gebrochen“, erläuterteCully nach der Wettfahrt den hefti-gen Knall während der Regatta. „Sohat der ganze Druck des Segelsplötzlich nur noch auf einigen we-nigen, dünnen Bindereff-Leinen ge-lastet, die das so verkleinerte Groß-segel am Baum fixieren.“ Zwei da-

von hätten dem Druck nicht stand-gehalten und jeweils etwa 30 bis 40Zentimeter lange Löcher ins Baum-wollsegel gerissen.

Doch Cully wurde nicht als Steu-ermann auserwählt, nur weil erjung ist und gut aussieht. Geistesge-genwärtig gab er nach dem Knalldem Druck auf der Leine des Groß-segels nach, das auf einmal wie wildim starken Wind umherknatterte.Der weiße Zweimaster mit dem fürFife-Yachten so charakteristischenDrachenkopf auf der Bordwandverlor zwar sofort an Fahrt undbüßte auch Plätze ein, aber aufge-ben musste er dank Cully nicht:

Flugs wurde das Großsegel beiRauschefahrt während des Ren-nens nochmals verkleinert, indemdas zweite Reff eingebunden wur-de. Eine schnelle Wende – schonwar die „Eilean“ wieder im Rennen.

Als das Schiff kurze Zeit späterüber die Ziellinie gischtete, spende-ten die Crews der in der Nähe be-findlichen Yachten spontanen Ap-plaus für diesen professionellenund sportlichen Einsatz. Die Mann-schaft der „Eilean“ durfte trotz desMissgeschicks stolz sein: Sie konn-te sich schließlich noch als zehntevon insgesamt 13 teilnehmendenYachten platzieren. Auch AngeloBonati war zufrieden: „Das Schiffist wieder in einem nahezu perfek-ten Zustand. Nun muss sich nurnoch die Crew einspielen.“ Dannkönnten bald auch Regatten gewon-nen werden.

Ihre erste wirkliche Bewährungs-probe nach der Regatta-Premierevor Imperia wird die „Eilean“ aller-dings erst im Februar des nächstenJahres zu bestehen haben. Danngeht es über den Atlantik. „Vor vierJahren haben wir die ‚Eilean‘ alsWrack vor Antigua entdeckt“, sagtBonati. Nun wolle er den Menschenvor Ort zeigen, was durch Idealis-mus und handwerkliches Könnender italienischen Bootsbauer mög-lich sei. Das eigentliche Ziel sei, soder Uhrenchef, an der AntiguaClassic Yacht Week im Frühjahr2011 teilzunehmen. „Wir wollenden Menschen in Antigua damit et-was zurückgeben“, sagt er. Und,wer weiß, vielleicht schafft die„Kleine Insel“ ja dann auch denSprung aufs Treppchen. „Das Zeughat sie jedenfalls dazu“, meint Skip-per Cully. Die „Eilean“ sei nicht nurein außergewöhnlich schönesSchiff, sondern könne dank der va-riablen Besegelung an den zweiMasten auch effektiv und sehrschnell gesegelt werden.

Nur über den Preis der „Eilean“-Restaurierung verliert niemand einWort. Immerhin ist der Aufwandbekannt: 40 000 Arbeitsstundenwaren zu bezahlen.

Segeln im Zeichen des DrachenVerwahrlost, verfallen, gerettet: Wie die klassische Traumyacht

„Eilean“ wieder zumRegattaleben erweckt wurde

1937 das erste Mal vom Stapel gelaufen, nun wieder bei Regatten dabei: Der weiße Zweimaster „Eilean“ mit dem charakteristischen Drachenkopf (kl. Foto) an der Bordwand

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