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KINDLICHE AUSSPRACHESTÖRUNGEN
Differenzialdiagnostik und Therapie bei kindlichen Aussprachestörungen
Literaturangaben
1.Fox, A.V. (2005): Kindliche Aussprachestö-rungen: Phonologische Entwicklung, Differential-diagnostik, Therapie. Idstein: Schulz-Kircher
2.Fox, A.V. (2005): PLAKSS - Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen. Frankfurt: Harcourt-Test Services.
Frühere Terminologie
Dyslalie
Stammeln
Artikulationsstörung Betonung auf
peripher-motorischer Natur der Störung
Phonologische Störung
Betonung auf phono- logischer,nicht phone-tischer (peripherer) Natur der Störung
Aussprachestörung
• Oberbegriff für Kinder, deren Aussprache in irgendeiner Weise gestört ist
• bezieht sich auf nicht organische, sondern funktionelle Störungen
Organische versus funktionelle Aussprachestörungen
Organische Aussprachestörungen organische Ursache (z. B. Kindlische
Dysarthrophonien, Kraniofaziale Anomalien, Audiogen Aussprachestörungen)
Funktionelle Aussprachestörung keine eindeutige organische Ursache
Klassifikationsansätze (A)Medizinisch-ätiologische Einteilungen (Anamnese)• chronische HNO-Erkrankungen • prä- und perinatale Komplikationen Probleme: nicht alle aussprachegestörten Kinder zeigen
auffällige Anamnesen keine eindeutige Klassifikation möglich gleiche Anamnese = identische Symptomatik? Therapiemethode aufgrund der Anamnese nicht
ableitbar
Klassifikationsansätze (B)
Einteilung nach Schweregrad (Van Riper)• Klassifikation nach Anzahl der fehlgebildeten,
substituierten oder ausgelassenen Laute• partielle, multiple und universelle Dyslalie
Problem: Ableitung der Therapiemethode nach
fehlgebildeten Lauten fragwürdig
Klassifikationsansätze (C)Linguistisch-deskriptive Ansätze
• segmentelle Einteilung (z. B. Sigmatismus, Kappazismus, Rhotazismus)
• Einteilung in phonetische und phonologische Störungen
• Probleme: rein deskriptiv keine Aussagen, ob Prozesse altersgemäß oder
physiologisch keine Aussage über Störungsursache keine Aussagen, welcher Therapieansatz wirksam
Klassifikationsansätze (D)
• Alle Ansätze in Hinblick auf differenzialdiagnostische Funktion unzureichend!!
• Fassen Aussprachestörungen weitgehend als homogene Gruppe auf!
Klassifikationsansatz nach Dodd (A)
• Kombination aus linguistisch-deskriptiven und psycholinguistischem Ansatz
• Identifikation von vier Untergruppen kindlicher Aussprachestörungen anhand der beschreibbaren peripheren, artikulatorischen und phonologischen Fehlermustern:
• Phonetische Störung / Artikulationsstörung• Phonologische Verzögerung• Konsequente Phonologische Störung• Inkonsequente Phonologische Störung
Klassifikationsansatz nach Dodd (B)
Defizite der einzelnen Störungen im Sprechverarbei-tungsmodell nach Stackhouse und Wells: • Artikulationsstörung: peripher-motorisches Defizit• Phonologischer Verzögerung: kein spezifisches
Defizit auf einer der Ebenen• Konsequente Phonologische Störung: Defizit in
der phonologischen Erkennung und Speicherung• Inkonsequente Phonologische Störung: Defizit des
phonologischen Arbeitsgedächtnisses und des Motorischen Programms
Definition der Prozessarten• Phonologischer Prozess bei Fox: phonologische
Abweichungen in der Kindersprache von der Erwachsenensprache (im Sinne von phonolo-gischen Fehlermustern)
• Physiologischer phonologischer Prozess: phonologische Abweichung, die normal (physio-logisch) in der Sprachentwicklung des Kindes ist
• Pathologischer phonologischer Prozess: phonologische Abweichung, die nicht physio-logisch für die Sprachentwicklung ist
• Artikulatorischer Prozess: regelmäßiges phonetisches Abweichungsmuster
Symptomatik - Artikulations-/ Phonetische Störung
• Definition: Unfähigkeit, eine wahrnehmungsmäßig annehmbare Version eines Phons zu produzieren.
• ohne Verlust eines phonemischen Kontrasts!• Peripher-motorisches Problem • Artikulationsstörung im Deutschen nur bei: Schetismus lateralis Isoliertem Sigmatismus oder einer Kombination aus beidem multipler Interdentalität (interdentale Realisation
aller Alveolaren /d t n s z ts und l/); geht oft mit myofunktioneller Störung einher
Symptomatik - Verzögerte Phonologische Entwicklung
• Definition: Die produzierten phonologischen Prozesse entsprechen der physiologischen Entwicklung, wobei ein Prozess untypisch für das Alter des Kindes ist.
• Häufige physiologische phonologische Prozesse: Reduktion von Konsonantenverbindungen Vorverlagerung der Velare zu Vorverlagerung von zu oder Kontaktassimilation von zu Glottale Ersetzung von /zu und Auslassung des finalen Konsonanten /l/
Symptomatik - Konsequente Phonologische Störung
• Definition: Ein phonologischer Prozess kommt nicht in der physiologischen Entwicklung vor.
• es können auch physiologische Prozesse auftreten, die altersentsprechend sind oder nicht
• Die häufigsten patholog. Prozesse sind: Rückverlagerung der Alveolare: zu Substitution der Frikative: Plosivierung oder
Ersetzen aller Frikative oder aller Anlautfrikative durch , oder einen undefinierbaren Laut
Onsetprozesse: Ersetzen aller Onsets bis auf entweder durch oder durch
Symptomatik - Inkonsequente Phonologische Störung
• Definition: identische lexikalische Items werden nicht immer auf die gleiche Weise gebildet
• mindestens 40% der Wörter aus einem 25-Wörter-Test (PLAKSS) werden bei drei-maliger Produktion inkonsequent realisiert
• Es treten physiologische als auch pathologi-sche Prozesse auf, die bei jeder Diagnostik anders aussehen
Phonologische Prozesse
• Strukturelle Vereinfachungen• Systemische Vereinfachungen• Artikulatorische Prozesse
Strukturelle Vereinfachungen
Veränderung der Wortstruktur durch
phonologische Prozesse Tilgung unbetonter Silben (TUS); z. B.
statt Banane Tilgung initialer Konsonanten (TIK); z. B.
statt rot Tilgung finaler Kononanten (TFK); z. B.
statt Gabel Reduktion von Konsonantenverbindugen
(RKV); z. B. statt Blume
Systemische Vereinfachungen(A)
Substitution von Phonemen beiErhaltenbleiben der Wortstruktur Assimilation (Ass); z. B. statt
(Kontaktassimilation) oder Œstatt Œ (Fernassimilation)
Vorverlagerung (VV); z. B. statt Rückverlagerung (RV); z. B.
Systemische Vereinfachungen(B)
Plosivierung (Plos); z. B. statt Sonorierung / Entstimmung (Son, Ent); z. B.
oder statt Glottale Ersetzung (Glott Er) ; z. B.
statt Deaffrizierung (DeAffr); z. B. statt
Artikulatorische Prozesse
Interdentalität wird zu; wird zu Multiple Interdentalität Addentalität Lateralisation von Sibilanten oder
werden zu
DifferenzialdiagnostikAktuelle Verfahren zur Ermittlungphonologischer Prozesse:• PAPP – Pyrmonter Analyse Phonologischer
Prozesse• Logo – Ausspracheprüfung• ADD – Aachener Dyslalie Diagnostik• AVAK – Analyseverfahren zu
Aussprachestörungen bei Kindern• Patholinguistische Diagnostik von
Sprachentwicklungsstörungen• Psycholinguistische Analyse kindlicher
Sprechstörungen (PLAKSS)
PLAKKS (A) - MaterialTestmaterial• Ringbuch zum Bilderbenennungsverfahren:
99 Testbilder, die dem Wortschatz kleiner Kinder entsprechen und alle Laute und die wesentlichen Lautverbindungen des Deutschen enthalten
• 31 einzelne Bildkarten für den 25-Wörter-Test
zur Überprüfung der Lautbildungsinkonsequenz• 10 Protokollbögen
Protokollbögen 1 & 2 für die Klassifikationsana-lyse und Therapieplanung zwingend erforderlich
PLAKKS (B) Durchführung
Haupttest• Kind soll Bilder benennen• Erfolgt kein spontanes Benennen: Lückensatz
(z. B. „Man reitet auf einem...“), Semi-Spontanäußerung („Ist das ein Dinosaurier oder ein Krokodil?“) oder Nachsprechen
• 25-Wörter-Test: Kind soll 3x aufeinander-folgend 31 Bilder benennen
• Aufnahme mit Kassettenrecorder, Minidisk, MP3
PLAKKS (C) Analyse
Prozessanalyse:
1. Konsequente Wortrealisation?
2. Phonologische und Artikulatorische Prozesse?
3. Sind phonologischen Prozesse physiologisch+altergemäß, physiologisch+ verzögert oder pathologisch?
PLAKKS (D) Protokollbogen 1
PLAKKS (E) Protokollbogen 2
PLAKKS (F) Befund
Einschätzung der auftretenden Prozesse• Physiologische Prozesse werden gewertet,
wenn sie 3x auftreten• Pathologische Prozesse werden gewertet,
wenn sie 3x auftretenEinschätzung der Inkonsequenzrate• Werden >40% der Wörter inkonsequent
gebildet, weist das auf eine inkonsequente phonologische Störung hin
Therapie bei kindlichen Aussprachestörungen
Therapieformen
• Artikulationstherapie (Van Riper / Franke)• Phonologische Therapieformen Metaphon Minimalpaartherapie P.O.P.T (Fox) Inkonsequenz-Therapie Kernvokabulartherapie
Welche Therapieform für welche Störung?
• Artikulationsstörung Klassische Artikulationstherapie
• Konsequente Phonologische Störung phonologische, KEINE Artikulationstherapie
• Verzögerte phonologische Entwicklung phonologische Therapie + Klassische
Artikulationstherapie • Inkonsequente Phonologische Störung
Inkonsequenz-Therapie mit später erfolgender phonologischen Therapie
Artikulationsstörung
Klassische Artikulationstherapie Mundmotorische Übungen zur Förderung des
notwendigen Muskeltonus Hörübungen zur Identifikation und
Diskrimination des zu bearbeitenden Lautes Lautanbahnung: isoliert, auf Silben-, Wort-
und Satzeben sowie in der Spontansprache
Phonologische Therapie bei Konsequenter Phonologischen
Störung• Ziel der phonologischen Therapie: Kindern
die Möglichkeit bieten, die phonologischen Regeln der Erwachsenensprache zu erlernen und anzuwenden.
• Kinder müssen folgende Informationen bekommen:1. Wissen, dass Veränderung notwendig ist.2. Wissen, dass man verändern kann.3. Informationen darüber, wie verändert
werden kann.
Therapieprinzipien der Phonologischen Therapie
1. Systematische Planung und auf Output des Kindes basierend
2. Erweiterung des Spektrums der Lautkontraste innerhalb von bedeutungstragenden Kontexten
3. Prozesse verändern, nicht neue Laute trainieren
4. Therapie beginnt rezeptiv
5. Sprache wird zu Beginn nicht korrigiert
6. Arbeiten mit Real- aber vor allem mit Pseudowörtern
7. Behandlung beginnt mit dem, was das Kind kann: Prinzipien werden erst mit Lauten erarbeitet, die das Kind beherrscht
Psycholinguistisch orientierte Phonologische Therapie (P.O.P.T.)
Prozessauswahl
1. Pathologie vor Physiologie: Bei Konse-quenter Pathologischer Störung wird stets mit den Pathologischen Prozessen be-gonnen.
2. Es wird immer mit dem Prozess begonnen, der die meisten Phoneme betrifft.
Prozessauswahl - Beispiel
Folgende pathologischen Prozesse treten
auf:
1. Rückverlagerung der Alveolare zu
2. Plosivierung aller Frikative Da vom Prozess der Plosivierung sieben
Laute betroffen sind, wird dieser Prozess zuerst behandelt.
Therapieprogramm P.O.P.T. (A)
Vorübung• Rezeptiv: Therapeut spricht falsch vor, Kind
soll erkennen, dass das Wort so nicht heißt.• Ziel: Trennen von der direkten Verbindung
Semantik und phonologischer Speicherung. Steigerung der Aufmerksamkeit für den phonologischen Inhalt eines Wortes.
Therapieprogramm P.O.P.T. (B)Phase IRezeptiv• Einführung aller betroffenen Laute +
Ersatzlaute mit Symbolkarten• Differenzierung und Identifikation aller
behandelten Laute: isoliert, Silben, Pseudowörter mit ansteigender Komplexität, Realwörter
Ziel: Stärkung/Normalisierung des phono-logischen Erkennens und Korrektur der phonologischen Repräsentationen
Therapieprogramm P.O.P.T. (C)
Phase IIExpressiv• Kind kann die behandelten Laute
ausprobieren• Spiele, in denen es um den schnellen
Wechsel von Zuhören und Nachsprechen von isolierten Lauten und von Silben geht
Ziel: Neue Koppelung von phonologischer Erkennung/Speicherung mit neuem motorischen Muster
Therapieprogramm P.O.P.T. (D)Phase IIIRezeptiv/Expressiv• Erkennen von Ziellauten in Wörtern ohne
auditive Vorgabe des Therapeuten:1. Kind soll das Wort nur im Kopf sagen2. Kind soll das Wort laut äußern
• Das Kind soll den entsprechenden Laut identifizieren und das Wort laut aussprechen.
Ziel: Aufbau eines neuen korrekten motorischen Programms für die von einem Prozess betroffenen Laute
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