MikalCroninMCIII · 2015. 7. 6. · und Mischer Lasse Märten, den Sound auf ... findet sich mit...

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98 #Review

keinen Sommer macht, macht auch viel Getuenicht automatisch ein rundes Album. Citizens!sind so stark auf Disco toupiert, dass manihnen hier und da ein Glätteisen zuwerfenwill. Spätestens bei »Are You Ready« hatman genug von Kopfstimme und sakralemMännergesangsverein. »Mamma mia, nein«,rebelliert der Gehörgang bei der gruseligenMusical-Nummer »All l Want Is You«. Umdie Hälfte reduziert, wäre »European Soul«ein schniekes Sommeralbum. Der Rest istein schauderhafter Mix aus Schiff er k lavier,Gospel und Schlaghose. Autsch. »Somebodyhave mercy on me!«Carlotta Eisele

LeslieClio EurekaVertigo Berlin/Universal

Auf ihrem zweiten Album zeigt Leslie Cliowenig Substanz. Statt auf aneckendenSoul setzt sie zu oft auf belanglosen Pop.

Als Leslie Clio vor zwei Jahren ihr De-büt »Gladys« veröffentlichte, galt dieHamburgerin als Soul-Pop-Hoffnung, dieauch anecken kann. Ihr zweites Album»Eureka« klingt dagegen nun ziemlich glattgeschliffen. Optimismus und eine positiveGrundeinstellung soll es ausstrahlen, den Popspielerisch und leichtfüßig erkunden. Entspre-chend belanglos und willkürlich klingt zumin-dest die erste Hälfte auf »Eureka«. Leslie Cliohätte lieber ihren Weg in Richtung Soul fort-setzen sollen, statt radiotauglichen Pop mitlauwarmen Instantgefühlen zu übergießen.Immerhin gelingt es Produzent Dimitri Tikovoiund Mischer Lasse Märten, den Sound auf»Eureka« nicht zu überladen und Klavier,Glockenspiel und Handclaps am skandina-vischen Pop von Bands wie Those DancingDays auszurichten. Dass Clio das Zeug fürmehr Substanz hat, zeigen Songs wie dasjazzige »Make Things Better« oder das voneiner Akustikgitarre begleitete »Falling ToPieces«. Auch das trotzige, mit abgehackten1980er-Beats versehene »Bad Eyes« verzich-tet auf aufgesetztes Gedudel. Schade, dassClio davon diesmal nicht mehr gewagt hat.Verena Reygers

MikalCroninMCIIIMerge / Cargo

Mikal Cronins Blut besteht aus flüssigemVinyl. Sowohl sein psychedelischer Pop alsauch die Albumstruktur verweisen auf dieVorreiterjahrzehnte des Mediums.

Mikal Cronin hat die Sonne im Rücken.Mit »MCIII« erinnert der Songwriter ausKalifornien daran, dass Popmusik von derWestküste seit jeher ein guter Partner beider Bewältigung der Alltagskälte ist. Dabeizeigt sich der Multiinstrumentalist, der denGroßteil seines dritten Albums allein einge-spielt hat, vom amerikanischen PsychedelicPop der 1960er und den Visionen eines BrianWilson beeinflusst. Die zumeist auf einer ein-gängigen Gitarrenmelodie fußenden Liederstaffiert Cronin mit Streichern und Bläsernzu opulenten Kleinoden aus. »Turn Around«oder »Say« verbinden introvertierte Gedan-ken mit euphorischer Musik und machensich auf dem Mixtape perfekt zwischen denfrühen Shins und Buffalo Tom. Zusammenmit drei weiteren Stücken bilden sie die ersteHälfte von »MCIII«. Auf der B-Seite des fürsSchallplattenformat arrangierten Albumsfindet sich mit »Circle« ein fünfteiliger Song-zyklus, in dem Cronin die Geschichte seinesErwachsenwerdens erzählt. Wer noch nachdem perfekten Soundtrack für die Sonntageim Sommer sucht, wird hier fündig.Bastian Küllenberg

»At Least For Now« mit inbrünstigemPiano-Pop.

Nenne es Album, Oper oder Hörspiel -Benjamin Clementines Debüt ist ein theatra-lisches Meisterwerk. Voller Hingebung legtder aus London stammende Wahl-Pariserdarin sein Inneres offen. Mal rezitativ, wenner in »Winston Churchills Boy« mit den Zeilen»One day this boy will be fine« Zuversichtäußert. Dann melodramatisch, wenn er inStücken wie »Adios« mit stolz geschwellterBrust seine dunkle Stimme erhebt. Chansontrifft hier auf Pop und Klassik, erhabene Strei-cher und unruhiges Piano-Geklimper Soulig-jazzige Melodien bebildern die aufgewühlteEmotionalität des häufig verloren vor sichhin summenden Sängers. Mit beklommenerStimme sucht er in »Cornerstone« nach ei-nem Hoffnungsschimmer an trüben Tagen,schluchzt, seufzt und stöhnt sich in »QuiverA Little« ins Tal der Melancholie, um am Endewie alle Menschen doch nur eines zu wollen:Glück und Unabhängigkeit. Jacques Brei undEdith Piaf hätten ihre Freude an dieser leiden-schaftlichen Offenherzigkeit gehabt.Daniel Voigt

Benjamin ClementineAt Least For NowCarolme / Universal

Der ghanaisch-britische Sänger BenjaminClementine begeistert auf seinem Debüt

Diverse FrancescoTristano presents BodyLanguage Vol. 16Get Physical / Rough Trade

Detroit hat angerufen und möchte seinOldschool-Mixtape zurückhaben. Krie-gen sie aber nicht, denn was FrancescoTristano für Get Physical präsentiert, be-halten wir lieber selbst.

Das sympathische Pariser Label Infine istnicht gerade für große Gesten und zugängli-che Musik bekannt. Wer als Künstler bei ihnenaufwächst, macht vor allem sein eigenesDing. Das richtige (Fach-)Publikum findetsich dann hoffentlich schon. Mitte der 1990erhat der Pianist Francesco Tristano seine ers-ten ernsthaften Arbeiten bei den Parisernverlegt, und den Einfluss meint man nochimmer zu hören, wenn er nun die 16. Ausga-be der »Body Language«-Reihe der Berliner

Get Physical kuratiert. Tristanos eigenen,oft mit Piano-Stabs verzierten Tracks ma-chen etwa ein Drittel des Mixes aus, der Restsind Labelkollegen, Freunde oder Geistesver-wandte wie M.A.N.D.Y. oder Cardopusher.Ein wenig schrullig ist das Ganze geworden,»peculiar« würde der Engländer sagen, undziemlich klassisch. Klassisch nicht im Sinnevon klassischer Pianomusik, sondern vonklassischem Detroit-House und Techno - wassich in einer trockenen Instrumentierung undgeringer Lautstärke ausdrückt. Denn währendelektronische Musik heute ja allzu oft an dieBasslimits gedrückt wird, ist hier im Vergleichvieles flach und geradezu unscheinbar. DerRetro-Enthusiast wird sich freuen, aber manbraucht schon Geduld und ein gewisses Ohr,um die Feinheiten schätzen zu können.Henje Richter

Diverse NDW - Ausgrauer Städte MauernBear Family

Das Bear-Family-Label hat sich der Aufga-be gestellt, die Neue Deutsche Welle retro-spektiv aufzuarbeiten. Mit viel Fleiß undKenntnis, aber nicht völlig alternativlos.

Niemand kann ernsthaft behaupten, dassdie Neue Deutsche Welle nicht hinreichendausgeforscht wäre - auch die Compilation-und Wiederveröffentlichungsexperten desBear-Family-Labels nicht. Dennoch habensie sich der Mammutaufgabe gestellt, derschieren Masse an Hit-Giganten-Samplern,Fetenhits-Zusammenstellungen und etwastiefer schürfenden, die Ehre des prototypi-schen deutschen Sell-out-Genres wiederher-stellenden Quellenforschungen etwas Neueshinzuzufügen. Die Lösung lag für die Macherin purer, wenn auch geschmackvoller Quanti-tät: »NDW - Aus grauer Städte Mauern / DieNeue Deutsche Welle 1977-1985« ist nur derAuftakt einer vier Doppel-CDs umfassendenReihe, umfasst aber trotzdem schon einenGutteil des maßgeblichen NDW-Erbes. Klarkennen sich die Macher gut aus und kön-nen nostalgischen Partygängern noch den

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