Prof. Dr. Hans-Eckhard Gruner — 65 Jahre

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Prof. Dr. HANS-ECKHARD GRUNER - 65 Jahre

Ein nicht ganz alltagliches Jubilaum konnte HANS-ECKHARD GRUNER (obiges Foto stammt aus dem Jahre 1983) begehen. Er trat am 1. Januar 1952 als wissenschaftlicher Assistent in die Crustaceen-Abteilung des Zoologischen Museums ein und wurde zum 3 1. Dezem- ber 1991 als Direktor des Museums fur Naturkunde aus dem Dienst verabschiedet. Er war also auf den Tag genau 40 Jahre Angehoriger ,,seines" Museums und der Humboldt- Universitat zu Berlin.

Am 15. Mai 1926 in Zwickau als Sohn eines Polizeibeamten geboren, wurden GRUNERS Kindheits- und Jugendjahre vor allem durch zahlreiche Aufenthalte auf dem Bauernhof seiner GroDeltern im Erzgebirge gepragt. Dort lernte er, gewissermal3en spielend, den ver- trauten Umgang mit Tieren in Wald, Flur und auf dem Hof. Er wurde so zu einem von Kind- heit an gepragten Biologen, der scharf beobachten und geduldig registrieren konnte.

Die relativ sorglose Schulzeit in Zwickau muDte vor dem Abitur abgebrochen werden, da 1943 die Einberufung zum Kriegsdienst erfolgte. H.-E. GRUNER wurdG dreimal verwundet und kam bei Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft, aus der er im Mai 1946 ent- lassen wurde. Es folgte ein weiteres Jahr Schulbesuch in Zwickau mit der Reifepriifung als AbschluB.

4 Biographie H.-E. GRUNER

In diesen ersten Nachkriegsjahren ist dem ehemals engagierten Kriegsfreiwilligen schmerz- haft bewuot geworden, wie seine Generation miabraucht und hintergangen worden war. Er konnte auch staunend beobachten, wie schnell und bedenkenlos in jenen Tagen politische ,,Uberzeugungen" gewechselt wurden. Eine Wiederholung des gleichen Phanomens im Herbst 1989 hat ihn daher kaum uberrascht. Die fruhen Erfahrungen brachten GRUNER jedenfalls zu dem festen EntschluD, sich nie mehr politisch zu betatigen oder einer politischen Partei beizutreten. Diese bis heute durchgehaltene Abstinenz bescherte ihm in der ehemaligen DDR zwar betrachtliche Nachteile, vor allem nach dem Mauerbau 1961, aber GRUNER ist heute uberzeugt, daD er ,,in den Spiegel schauen kann, ohne sich schamen zu mussen".

Im Herbst 1947 begann GRUNER das Studium der Biologie an der Berliner Universitat unter den damals oft recht trostlosen Bedingungen. Da zudem der Vater nach Kriegsende die Arbeitsstelle verloren hatte, loste das den Zwang aus, moglichst schnell zum AbschluD zu gelangen und auf eigenen FuDen zu stehen. So konnte GRUNER bereits im Herbst 1951 die Diplomprufung ablegen. Seine wichtigsten akademischen Lehrer waren die Zoologen KONRAD HERTER, WERNER ULRICH, ALFRED KAESTNER und GUNTHER TEMBROCK. Die Diplomarbeit beschaftigte sich mit der Wirkung der damals als Wundermittel betrachteten Kontaktinsektizide auf den Kornkafer.

Im Jahre 1952 heiratete der junge Diplom-Biologe. Das Ehepaar GRUNER hat zwei Sohne und eine Tochter ; sie haben ganz unterschiedliche akademische Berufe ergriffen. Die Ehefrau verstarb 1984.

Eigentlich wollte H.-E. GRUNER weiter auf dem Gebiet der Angewandten Zoologie tatig bleiben. Wohl mehr durch einen Zufall wurde sein Weg in andere Bahnen gelenkt. Bei den Vorlesungen zur Speziellen Zoologie waren sich der damalige Direktor des Zoologischen Museums, ALFRED KAESTNER, und der junge Diplomand in manchen Diskussionen naher gekommen. Als GRUNER eines Tages den Ordinarius erklaren wollte, daD er sich um eine Stelle in einem angewandt arbeitenden Institut beworben habe, lien ihn KAESTNER gar nicht zu Wort kommen. Er sei uberzeugt, daD aus dem jungen Mann' ein tuchtiger Zoologe werden konne, er habe gerade eine Assistentenstelle frei und werde GRUNER zum 1. Januar 1952 einstellen. Der auf diese Weise uberfahrene zogerte keinen Moment und sagte zu. Ihm war bewuDt, daD ihm ein seltener Glucksfall zugestokn war.

Der Anfang war allerdings nicht ganz einfach. Nach wenigen Wochen Tatigkeit in der Hymenopteren-Abteilung wurde der frisch gebackene wissenschaftliche Assistent von einem Tag zurn anderen in die Crustaceen-Abteilung umgesetzt, da deren bisheriger Kustos, ADOLF SCHELLENBERG, durch einen Schlaganfall vollig ausfiel; er konnte auch spaterhin keinerlei Hilfe mehr leisten. Die wahrend des Krieges in den Keller des Museums verlagerte Krebssammlung war gerade erst notdurftig wieder in die Regale gestellt worden. Die Scheiben der Schranke waren zerbrochen, die Sammlungsglaser oft bis zur Unkenntlichkeit verschmutzt. Und von Krebsen verstand GRUNER nur soviel, wie er in den Vorlesungen gehort hatte. Beim Ordnen, Saubern und Restaurieren der Sammlung arbeitete sich der junge Abteilungsleiter, viele Jahre auch ohne jede technische Hilfe, in die Systematik der Crustacea ein. Gleichzeitig fertigte er eine Dissertation uber funktionell morphologische Aspekte bei Isopoda und Diplopoda an. Die Promotion unter ALFRED KAESTNER als Doktorvater erfolgte im Friihjahr 1953. Schon friihzeitig begann GRUNER sich auch fur allgemeine phylogenetische und vergleichend-morphologische Probleme, vor allem der Invertebrata zu interessieren. Diese friihen Erfahrungen und oft auch mit Kollegen diskutierten Uberlegungen waren ihm spater als Herausgeber und Autor des ,,Lehrbuches der Speziellen Zoologie" von hohem Nutzen.

Mitt. Zool. Mus. Bed. 71 (1995) 1 5

Zum Kustos der Crustaceen-Abteilungen wurde HANS-ECKHARD GRUNER im Jahre 1958 berufen; dieses Amt iibte er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst aus. Spater war er auBerdem viele Jahre lang Hauptabteilungsleiter der Sammlungen Wirbelloser Tiere. Die Habilitation erfolgte 1962 mit einer taxonomisch-okologischen Monographie der mittel- europaischen Isopoda. Der Professorentitel, der ihm aufgrund seiner fachlichen Leistungen und seines Engagements in der Lehre ohne Zweifel zustand, ist ihm allerdings bis zum Ende der DDR aus politischen Griinden verweigert worden. Neben der Betreuung der Crustaceen-Abteilung fungierte GRUNER von 1975 bis 1978 als Leiter der offentlichen Ausstellungen des Museums fur Naturkunde. Wahrend dieser Zeit wirkte er bei der Einfiihrung des Fachschulstudiums fiir Praparatoren entscheidend mit ; er sorgte fur die venvaltungstechnischen Vorausssetzungen und stand der ersten Priifungskommission vor.

Einen drastischen Einschnitt .erfuhr das berufliche und private Leben durch einen dreijahrigen Aufenthalt in Basrah im Suden des Iraq von 1970 bis 1973. An der dortigen, damals noch jungen Universitat sollte er ein Institut fur Meeresbiologie aufbauen und junge arabische Studenten an das Fachgebiet heranfiihren. Die Tatigkeit unter harten klimatischen Bedingungen hat ihm vielEltige und ganz neue Erfahrungen eingebracht, schnitt ihn allerdings auch drei Jahre lang fast vollstandig vom internationalen wissenschaft- lichen Geschehen ab.

Im Jahr 1960 hatte GRUNER aus der Carlsberg Foundation in Kopenhagen das von der Dana-Expedition (1928 - 1930) gesammelte Material der pelagischen Amphipoda zur Bearbeitung iibernommen. Den damit verbundenen Arbeitsaufwand hatte er allerdings griindlich unterschatzt. Allein das Sortieren und grobe Determinieren der Abertausende von Exemplaren unter dem Binokular hat die meiste Zeit der folgenden Arbeitsjahre beansprucht. Gegenwartig ist ein grol3er Teil der gewaltigen Sammlung bis zur Art determiniert, die eigentliche okologische und zoogeographische Bearbeitung steht jedoch noch aus.

Als ALFRED KAESTNER 1972 plotzlich verstarb, drohte dem vom ihm begriindeten ,,Lehrbuch der Speziellen Zoologie" das abrupte Ende. Fur das ohnehin an allen deutschen Universitaten stark in den Hintergrund gedrangte klassische Fachgebiet ware das ein weiterer Schaden gewesen. Das bestens eingefiihrte Buch sollte also moglichst schnell weitergefiihrt werden. Es war jedoch allen Kennern der Materie klar, daB ein Einzelner die standig wachsende Flut der Literatur gar nicht mehr iiberblicken und verarbeiten konnte. In dieser Situation entschloD sich GRUNER in Absprache mit dem Fischer Verlag, die Herausgabe des Lehrbuches (zumindest des Bandes Wirbellose Tiere) zu iibernehmen und die Bearbeitung der einzelnen Tierstamme kompetenten Spezialisten anzuvertrauen. GRU- NER hatte die Enstehung des Lehrbuches unmittelbar in Berlin miterlebt und blieb auch dann noch mit dem Projekt in engem Kontakt, als KAESTNER nach Miinchen berufen wurde. So konnte die Neuauflage nach GRUNER'S Vorgaben nahtlos an die friiheren Editionen ankniipfen. Die Grundidee war nach wie vor, das Tier nicht nur morphologisch zu beschreiben, sondern als biologisch funktionierenden Organismus darzustellen. In einem vollig neu gestalteten Einfiihrungskapitel hat der Herausgeber in iibersichtlicher Form die Grundlagen der zoologischen Systematik dargestellt, eine Arbeit, die ihm vie1 Anerkennung eintrug. Die iibrigen Kapitel hat GRUNER mehr oder weniger weitgehend aktiv mitgestaltet und vor allem die technischen Vor- und Nacharbeiten iibernommen. Aufgrund dieser intensiven Tatigkeit geben die bisher erschienenen Teile ein weitgehend einheitliches Bild ab. Einen vorlaufigen Hohepunkt im Rahmen der Arbeiten am Lehrbuch stellt die GRUNER'SChe Bearbeitung der Crustacea dar.

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Auch bei anderen Sammelwerken und Zeitschriften war GRUNER viele Jahre lang als Herausgeber tatig, so etwa bei ,,Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs" oder beim ,,Crustaceorum Catalogus" (zusammen mit L. B. HOLTHUIS, Leiden). Von 1961 - 1982 war er, neben GERHARD HARTWICH, Schriftleiter der ,,Mitteilungen aus dem zoologischen Museum zu Berlin", und schliel3lich fungierte er von 1982 bis 1994 als verantworlicher Herausgeber des ,,Zoologischen Anzeigers", der altesten heute noch existierenden deutschen zoologischen Zeitschrift.

Ein Schriftenverzeichnis wird an anderer Stelle erscheinen. Im Herbst 1989 wurde HANS-ECKHARD GRUNER zum ao. Professor ernannt. Bald darauf, als die politische Er- neuerung begann, wahlten ihn die Mitarbeiter zum Direktor des Museums fur Naturkunde an der Humboldt-Universitat zu Berlin. Er hat in dieser Funktion alle Anstrengungen unternommen, demokratische Verfahrensweisen einzufuhren und die aktive Mitarbeit der Kollegen und Angestellten zu fordern. Als Mitbegrunder des Landesverbandes der Berliner Museen hat er sich erfolgreich dafur eingesetzt, unsere Einrichtung wieder starker in die nationale und internationale Museen- und Wissenschaftslandschaft einzugliedern.

Die Mitarbeiter des Museums fur Naturkunde freuen sich, dal3 Professor GRUNER, den sie hauptsachlich als ernsten, korrekten und kompetenten Wissenschaftler, in kleiner Runde aber auch als guten Anektotenerzahler kennen, auch nach seiner Pensionierung regelmal3ig in ,,seiner" Abteilung anzutreffen ist.

Die Redaktion in Zusammenarbeit mit dem Jubilar