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Reihe: SONGS
Projektname: Aus Mahlers Zeit II
Foto: Andreas Knapp
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Inhaltsverzeichnis
Konzept ..................................................................................................................................... 3
Hintergrund des Projekts OnTour: SONGS – Aus Mahlers Zeit II ......................................... 3
Projektdauer ........................................................................................................................... 3
Projektziel ............................................................................................................................... 3
Umsetzung /Konzept von Catherine Milliken ........................................................................ 4
Warm-ups ............................................................................................................................... 5
»Werkzeugkasten« .................................................................................................................. 5
Ablauf ........................................................................................................................................ 7
Erster Workshop, Gruppe 1 31. Januar 2011, Vrije School Den Haag .................................. 7
Zweiter Workshop, Gruppe 1 1. Februar 2011, Vrije School Den Haag ............................... 8
Dritter Workshop, Gruppe 1 15. Februar 2011, Vrije School Den Haag ............................... 9
Vierter Workshop, Gruppe 1 16. Februar 2011, Vrije School Den Haag ............................ 11
Erster Workshop, Gruppe 2 2. Februar 2011, Haganum Den Haag .................................... 12
Zweiter Workshop, Gruppe 2 3. Februar 2011, Haganum Den Haag ................................. 15
Erster Workshop, Gruppe 3 18. Februar, Montessori Lyceum Amsterdam ......................... 16
Zweiter Workshop, Gruppe 3 23. Februar, Montessori Lyceum Amsterdam ...................... 16
Gemeinsame Workshops mit den Berliner Philharmonikern, 24. – 25. Februar 2011,
Concertgebouw Amsterdam ................................................................................................. 18
Referenzwerk .......................................................................................................................... 21
Gustav Mahler – biografische Informationen ...................................................................... 21
Kompositorisches Wirken .................................................................................................... 22
Die Dritte Symphonie ........................................................................................................... 23
Teilnehmende / Zielgruppe .................................................................................................... 27
Zielgruppe ............................................................................................................................ 27
Institutionen .......................................................................................................................... 27
Das Workshopteam ............................................................................................................... 28
Aufführung ............................................................................................................................. 29
3
Konzept Hintergrund des Projekts OnTour: SONGS – Aus Mahlers Zeit II
Das im Folgenden vorgestellte Projekt SONGS – Aus Mahlers Zeit II fand im Februar 2011
im Rahmen des Gastspiels der Berliner Philharmoniker im Amsterdamer Concertgebouw statt.
Es entstand in Kooperation zwischen der Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker,
dem Muziekcentrum van de Omroep, Het Concertgebouw Amsterdam und dem Goethe-
Institut Niederlande.
Projektdauer
31. Januar – 25. Februar 2011, pro Arbeitsgruppe zweimal 3 ½ Zeitstunden;
davon unabhängig: im Montessori Lyceum Amsterdam zweimal 5 Stunden,
gemeinsame Proben dreimal 5 Zeitstunden, Generalprobe und 2 Aufführungen
(insgesamt 21 Stunden).
zusätzlich: ein Generalprobenbesuch bei den Berliner Philharmonikern
Projektziel
Das zweite OnTOUR-Projekt greift nach einem erfolgreichen Start im Sydney Opera House
im November 2010 erneut auf Musik Gustav Mahlers zurück – im Mittelpunkt steht hier die
Dritte Symphonie. Den grundlegenden Themen dieser Symphonie angelehnt, gestalten und
strukturieren Schülerinnen und Schüler des Montessori Lyceums aus Amsterdam, des Haganum
Gymnasiums und der Vrije School aus Den Haag eine eigene Komposition. Gemeinsam mit
Musikern der Berliner Philharmoniker und des Muziekcentrum van de Omroep, unter Leitung
der Komponistin Catherine Milliken, kreieren sie Lieder, die auf Texten von Nietzsche, Gedichten
aus der Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn sowie eigenen Texten basieren.
Dieses Projekt ist für eine Gruppe von 60 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe zweier
Den Haager Schulen und eines Amsterdamer Gymnasiums konzipiert. Die Teilnehmer sind
zwischen 15 und 18 Jahren alt.
In den ersten zwei Wochen arbeiten die Schulklassen der beiden Den Haager Schulen,
Haganum und Vrije School, in zwei Arbeitsgruppen, die jeweils aus Teilnehmern beider
Schulen bestehen. Das Montessori Lyceum in Amsterdam arbeitet separat in zwei eigenen
4
Workshops. In der dritten Projektwoche tragen alle Gruppen ihre Ergebnisse in gemeinsamen
Proben zusammen.
Im Verlauf der ersten Workshopwoche werden innerhalb der zwei Arbeitsgruppen Kleingruppen
gebildet, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen kleinen Musikstücke erfinden und
Elemente einer Komposition zusammenstellen. In der Endphase treffen alle Teilnehmenden in
Gesamtproben zusammen, in denen eine gemeinsame Komposition aus den komponierten
Musikstücken der einzelnen Gruppen gebildet wird.
Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei lernen, musikalische Probleme gemeinsam zu
lösen, zusammen Musik zu kreieren und auf musikalischer wie auch persönlicher Ebene
Selbstbewusstsein erlangen. Die Teilnehmenden werden ermutigt über die eigenen Ideen,
Gedanken und Emotionen in Bezug auf Musik und Gesangstext einen Zugang zur Musik und
Gedankenwelt Mahlers zu erhalten.
Einige der Schüler kennen Mahlers Dritte Symphonie bereits und waren auch schon einmal in
einem Konzert im Concertgebouw. Viele von ihnen haben diese Erfahrung jedoch noch nicht
gemacht. Deswegen ist es wichtig, auf vielen Ebenen mit der Arbeit anzusetzen: Die Schüler
sollen Mahlers kompositorische Welt und sein Werk kennenlernen. Darüber hinaus muss der
Rahmen definiert werden, innerhalb dessen sich die musikalischen Einfälle der Schüler
konkretisieren und in einen dynamischen musikalischen Prozess einbinden lassen.1
Über einen Blog (mahlerproject.posterous.com) wird den Teilnehmenden eine Plattform zum
Austausch von Ideen und Ergebnissen geboten.
Die Projektergebnisse wurden im Concertgebouw Amsterdam im Rahmen der Orchester-
tournee der Berliner Philharmoniker am 25. Februar 2011 um 15 Uhr präsentiert.
Umsetzung /Konzept von Catherine Milliken
In diesem Projekt erarbeiten drei Gruppen separat eigene Musikstücke, die schließlich zu
einem großen Ganzen zusammengefügt werden. Für die Arbeit der drei Gruppen gibt es
außerdem gemeinsame musikalische Elemente, die es später erleichtern ein gemeinsames
Musikstück zusammenzustellen: z. B. Kompositionen zu Mahlers Glockenklängen (»Bimm
1 Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2, in:
Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011, S. 25
5
Bamm«) aus dem 5. Satz.
Gruppe 1 hat darüber hinaus das Komponieren von Märschen und Liedern auf Basis der
programmatischen Satzüberschriften Mahlers zum Schwerpunkt. (Siehe S. 10)
Gruppe 2 konzentriert sich auf die Vertonung des Nietzsche-Texts O Mensch! Gib acht! und
erfindet auch Lieder zu den Satzüberschriften. (Siehe S. 13)
Gruppe 3 kommt erst später zum Projekt dazu und hat deshalb weniger Zeit, um in den
Workshops zu arbeiten. Sie erhält als Vorlage einige Ergebnisse der Arbeit aus den Gruppen 1
und 2, dann konzentriert sie sich auf die Komposition eines Lieds zum Thema Natur, das dem
3. Satz und der Satzüberschrift »Was mir die Tiere im Wald erzählen« angelehnt ist. (Siehe S.
16)
Warm-ups
Im Verlauf des kreativen Prozesses sollen die Schülerinnen und Schüler Sicherheit auf den
Gebieten der Rhythmik, Harmonik und Melodik erlangen. Dazu werden musikalische Spiele
als Aufwärmübungen und »Eisbrecher« gegen eventuelle anfängliche Unsicherheit und
Schüchternheit der Teilnehmenden durchgeführt.
1) Diese Warm-ups enthalten oft ein rhythmisches Element – ein gemeinsamer Puls soll
entstehen und Geräusche oder musikalische Aktionen werden innerhalb dieses Pulses
ausgeführt.
2) In einigen Aufwärmübungen liegt der Schwerpunkt darauf, über Improvisation eine
einfache harmonische Struktur aufzubauen, innerhalb der die Schülerinnen und Schüler
melodisch und harmonisch improvisieren.
3) Das Hörverständnis und die Fähigkeit aufeinander zu hören wird über einfache Improvisations-
übungen gestärkt.
4) Die Teilnehmer lernen Klänge und Klangstrukturen innerhalb eines thematischen Kontexts
kennen. Das schließt auch eine Einführung in verschiedene Spieltechniken ein.
»Werkzeugkasten«
Folgende Parameter verwendet Mahler in seiner Dritten Symphonie, sie können von den
Projektteilnehmern in ihre eigene Musik aufgenommen werden:
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1) Mahlers Marschthema, Hornthema und Trompetenthema aus dem 1. Satz der Dritten
Symphonie können in die Arbeit an den eigenen Musikstücken einfließen.
– Marschthemen in d-Moll sollen nach einem vorgegebenen Tempo und einer Basslinie
erfunden werden.
2) Programmatische Satzüberschriften – Natur, Tiere, Engel, Kinder, Liebe als thematische
Grundlage für die eigenen Kompositionen:
– Naturklänge: Nachahmung von Vogellauten (z. B. indem ein Kinderlied mit Trillern
gespielt wird)
3) Der Nietzsche-Text O Mensch! Gib acht!, den Mahler in seinem 4. Satz verwendet, soll
auch Basis für die musikalische Arbeit im Workshop sein.
Fotos: Andreas Knapp
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Ablauf
Erster Workshop, Gruppe 1
31. Januar 2011, Vrije School Den Haag
1) Der erste Workshop an der Vrije School beginnt lebhaft. Um den Fokus auf die musi-
kalische Arbeit zu richten, helfen die Aufwärmübungen, die am Anfang jedes Workshops
stehen und die Jugendlichen auf eine Diskussion in Hinsicht auf die bevorstehende
kompositorische Arbeit in den Kleingruppen einstimmen. Darüber hinaus wecken die Warm-
ups die für Teamwork und musikalisches Arbeiten nötige Spontaneität und Kreativität und
fördern die rhythmische Sicherheit und das differenzierte Hören.2
a) Rhythmusübung: Zunächst soll die Gruppe ein gemeinsames Metrum finden, auf dem
ein Rhythmus gebildet wird.
b) Namensspiel: Die Teilnehmer lernen sich gegenseitig kennen, indem sie die Namen
der einzelnen Teilnehmer in den Rhythmus einbauen. Die Namen werden in diesem
Rhythmus im Kreis herumgegeben. Einzelne Stimmen werden mit dem Echo aller
beantwortet. Außerdem geben die Schüler ihre Namen auf verschiedene Weisen
wieder.
c) Der gemeinsame Rhythmus wird auf die Instrumente übertragen. Dann sollen die
Teilnehmenden eigene Improvisationen und Klangeffekte einbauen: Tremoli in den
Streichern, Akkordfolgen auf der Gitarre, die Sänger verstärken die Stimme mit einem
Megaphon, die Perkussionsinstrumente spielen Offbeats.
2) Mahler verwendet im ersten Satz unterschiedliche, wiederkehrende musikalische Muster,
aus denen sich komplexe Strukturen aufbauen, wie in einer Collage.3 In diesem Workshop
konzentrieren sich die Schüler auf verschiedene Märsche und die Wiedergabe von
Naturlauten.
3) In drei Kleingruppen (mit je sieben Teilnehmern) sollen auf der Grundlage eines
vorgegebenen Tempos (Viertel = 60) und der Akkordfolge d-Moll, e-Moll, d-Moll, A-Dur
2 Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2, in:
Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011, S. 25 3 ebd.
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eigene Märsche erfunden werden. Eine weitere Vorgabe ist das Einbauen von Störfaktoren
in das Stück, wie sie auch in Mahlers Symphonie immer wieder vorkommen.
4) Die Kleingruppen sind nach Instrumentengruppen aufgeteilt. So entsteht ein Marsch für
Gitarre, Bass, Klavier und Perkussionsinstrumente, die Sänger und die Streicher komponieren
zwei weitere Märsche.
5) Die Sänger bilden eine düstere, auf Wiederholungen basierende Klangschicht. Der Name
des Marsches Strikt bezieht sich dabei auf die hoquetusartige Wiedergabe der einzelnen
Töne (d. h. es vollzieht sich ein rascher Wechsel zwischen den Stimmen von Note zu
Note).
6) Die Streicher kreieren einen pathetischen Marsch und die Rhythmusgruppe erfindet den
Teddy-Marsch mit dynamischen, schnellen Offbeats.
Zweiter Workshop, Gruppe 1
1. Februar 2011, Vrije School Den Haag
1) Die Aufwärmübungen dienen heute nicht nur der Einstimmung auf den Workshop. Sie
werden in allen drei Gruppen separat in den Workshops durchgeführt und bilden ein
gemein-sames Element für die spätere gemeinsame Arbeit in den Gesamtproben. Die
Teilnehmer entwickeln ein Musikstück, dass auf der Grundlage der Glockenklänge
(»Bimm Bamm«) komponiert wird, mit denen Mahler den 5. Satz seiner Symphonie
unterlegt hat.
a) Anhand des »Bimm Bamm« wird die Stimme aufgewärmt. Vorgegeben ist nur die
Silbe »Bimm«.
b) Die Teilnehmer denken sich einen Rhythmus für das »Bimm« aus und geben es im
Kreis herum. Einem Viertakter (4/4) von zweimal zwei halben, und zwei ganzen
Noten folgt eine Pause. Dann singen die Teilnehmer in drei Stimmgruppen die
Akkordfolgen F – G – F – D –F, A – B – b – A – F – A und C – D – C –A – C.
c) Die Klavierspieler kreieren dazu einen Glockenklangteppich.
d) Es wird mit Dur und Moll sowie mit verschiedenen Parametern der Wiedergabe
experimentiert.
e) Nach und nach entsteht ein Klangteppich, aus dem einzelne Solisten hervortreten und
9
eigene Soli singen.
2) Dann werden zwei Gruppen gebildet. Die Sänger üben weiter an ihrem Glockengesang.
Die Instrumentalgruppe überträgt die Klänge auf ihre Instrumente.
3) Schließlich werden die Ergebnisse zusammengeführt.
4) Jeder einzelne denkt sich eine eigene Klangvariation aus (z. B. Triller, Variation der Lage
oder Harmonik). So entstehen Soli, die über den Akkordprogressionen des Tutti schweben.
Dritter Workshop, Gruppe 1
15. Februar 2011, Vrije School Den Haag
1) Kleingruppenarbeit: Nach den Warm-ups werden die Schüler in vier Gruppen aufgeteilt.
Mahler hat den Sätzen seiner Dritten Symphonie programmatische Überschriften beigefügt:
»Der Sommer marschiert ein«, »Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen«, »Was mir
die Tiere im Wald erzählen«, »Was mir der Mensch erzählt«, »Was mir die Engel erzählen«,
»Was mir die Liebe erzählt«. Jede Gruppe soll sich mit diesen Überschriften beschäftigen
und sich Kommentare dazu ausdenken. Obwohl Mahler selbst die Titel später verwarf,
bilden sie einen ersten Einstieg in das Werk und eine wertvolle Inspiration für die Schüler.
Sie umreißen die Grundstimmung der Symphonie.
2) Aus den Diskussionsbeiträgen der einzelnen Gruppenmitglieder entstehen in den
Kleingruppen nach und nach neue Texte. Dabei werden die einzelnen Themen miteinander
kombiniert, so dass am Ende vier Texte stehen, die den Schülerinnen und Schülern eine
Basis für die Komposition ihrer eigenen Lieder sind.
3) Der Satz »Was mir die Engel erzählen« führt zu einer philosophischen Diskussion, die
schnell auch musikalisch konkret wird. Ein Schüler schlägt vor, die Musik hoch oben
beginnen zu lassen und einen Klang zu kreieren, der Flügelrauschen nachahmt.
Foto: Andreas Knapp
Pure child
A child is nature,
a child is born pure.
Yet is the volcano of life asleep.
Soon enough, the world will wake.
Hate, war, disease and pain
all sees the child now grown.
When will the child overcome hardship?
When will it see beauty and light?
A child is nature.
A child is pure.
May all remain children at heart.
Angels and children
Angels, discourse between Heaven and Earth.
People feel the warmth of their light,
messengers of God,
bringing music
on their wings
from Heaven
to Earth.
A child has no concept of endings.
The eyes of a child
mirror their world.
Don’t look ahead.
Carefree through life,
don’t get caught up in mistakes,
live in an infinite present
interpreting the world –
why … why …
Love
If love were as free as a bird
where would it travel
in a flight of passion
on it’s way to the sun.
The sun that keeps love warm, keeps love afire.
The sun surrounded by silence,
can this be everything?
Can we know everything?
Do we keep love when the end is near?
Animals and Nature
The burning heat of fire –
Phoenix rising out of the ashes;
Nature gives life, Nature takes life.
The tides reoccur
giving the sense of time passing;
nature gives life, nature takes life.
Earth, our safety, our strength;
nature gives life, nature takes life.
Air, our freedom, the wind and sea
flow with our soul;
nature gives life, nature takes life.
Each animal in the world must survive,
there must be variety.
Despite infinite variety, similarities exist
fight for your goal.
Live and let live, create equilibrium
within or without, in a cage or free.
Everything and everyone has different properties.
Fight for your goal!
Vierter Workshop, Gruppe 1
16. Februar 2011, Vrije School Den Haag
1) Nach den obligatorischen Warm-ups finden sich die Jugendlichen wieder in Kleingruppen
zusammen, um weiter an der Vertonung ihrer Texte zu arbeiten und an ihrer Gestaltung zu
feilen, die von traditionellen Liedern mit Akkordbegleitung bis hin zu klingenden, die
Texte illustrierenden Landschaften reichen.
a) Eine Kleingruppe komponiert das zweiteilige Musikstück Angels and Children
basierend auf Mahlers »Was mir die Engel erzählen« und dem später von Mahler
verworfenen »Was mir die Kinder erzählen«. Nachdem die Gruppe sich unsicher über
die Vorgehensweise ist, gibt Catherine Milliken den Jugendlichen eine Akkordfolge als
Vorlage. Diese Akkordfolge f-Moll, a-Moll, fis-Moll, a-Moll aus dem Beginn des 4.
Satzes der Symphonie Mahlers gibt den Schülern eine Grundlage, auf der sie aufbauen
können:
Der erste Teil des Stücks in g-Moll besteht aus einem tremolierten Cluster der Streicher, der Gitarre und
des Klaviers. Nach dreimaliger Wiederholung des Texts von »What do the Angels tell us?« mit
Begleitung durch die Viola, spielt das Cello eine prägnante Tonfolge, die von den Violinen und der
Viola begleitet noch zweimal wiederholt wird. Der letzte Akkord wird ausgehalten und leitet in den
zweiten Teil des Stücks über:
Das Klavier beginnt mit einem schnellen, viertaktigen rhythmischen Pattern in As-Dur; für weitere vier
Takte kommen Gitarre und Bass hinzu. Auf dem Text »What do the children tell us?« basierend singt
der Chor
2 x »Child«
2 x »A child« »has no concept«
2 x »No concept of endings«
2 x »Carefree through life«
2 x »Don’t get caught up in mistakes«
2 x »Interpreting the world«
Das Stück endet auf der Frage »why?«, die alle in ihrem eigenen Tempo wiederholen und nacheinander
ausklingen lassen.
b) Außerdem entsteht »Pure Child«:
Eine Einleitung mit Gong, glockenartigen Klavierklängen, Gitarrenimprovisation und Streichern b-Moll
wird von einem Beatboxer, Pauken und einem Streicherflageolett abgelöst und blendet in Naturklängen,
die an einen Ozean erinnern, aus. Strophenartig folgen vier Abschnitte: Im ersten Abschnitt singen die
Stimmen ohne Instrumentalbegleitung eine Folge von b-Moll, A-Dur, G-Dur, fis-Moll, G-Dur und fis-
Moll. Dann folgt der gesprochene Text »What a child ... at heart«. Der nächste Abschnitt vertont das
Wort »pure« mit Stimmen und Streichern in b-Moll und Glocken- sowie Klavierklängen. Es folgt der
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dritte Teil, der »Vulcano« mit Stimmen, Klavierperkussion, Gitarren- und Saxofoneffekten und harten
Streicherklängen. Im letzten Abschnitt vertonen Stimmen, Streicherakkorde, Flageoletts, hohe
Gitarrenklänge und eine Klaviermelodie das Wort »light«. Das Musikstück klingt aus in Ozeanklängen
und einem gesprochenen Solo: » May all remain children at heart!«.
Erster Workshop, Gruppe 2
2. Februar 2011, Haganum Den Haag
1) Wie in Gruppe 1 beginnt der Tag mit Warm-ups.
2) In diesem Workshop steht das Gedicht O Mensch! Gib acht! aus Friedrich Nietzsches Also
sprach Zarathustra im Mittelpunkt, welches Mahler zur Vorlage für sein Mitternachtslied
(4. Satz) genommen hat:
O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Ich schlief! Aus tiefem Traum bin ich erwacht!
Die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht!
O Mensch! Tief!
Tief ist ihr Weh!
Lust tiefer noch als Herzeleid!
Weh spricht – Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit,
will tiefe, tiefe Ewigkeit!
3) Zuerst wird der Text untersucht und die Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, mit
dessen Worten und deren Bedeutung zu experimentieren. Besonders die Kontraste im Text
(schlief – erwacht, Lust – Leid, Vergeh – Ewigkeit) sowie die häufige Verwendung von
»tief« und dessen Potenzierung regen die Gedanken der Jugendlichen an.
4) Die Gruppe soll eine eigene Vertonung von Nietzsches Gedicht entwickeln und sich
eigene Melodien mit Begleitung ausdenken. Es entsteht ein langsames und poetisches
Musikstück, in dem die musikalischen Gedanken der Schüler über den Sinn menschlicher
Existenz verarbeitet sind4:
4 Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2, in:
13
a) Basierend auf dem Seufzermotiv des Mitternachtslieds entwickeln die Jugendlichen
ein Ostinato und üben es gemeinsam ein.
...
b) Die Workshopklasse wird in zwei Gruppen unterteilt, von denen die erste instrumental,
die zweite rein vokal arbeitet. Die zwei Musikstücke, die zum Thema O Mensch! Gib
acht! entstehen, werden im Plenum gegenseitig vorgestellt und zu einem gemeinsamen
Werk verarbeitet. Die Schülerinnen und Schüler verschachteln die beiden Stücke
ineinander, indem instrumentale und vokale Passagen einander abwechseln.
Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011, S. 26
14
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Zweiter Workshop, Gruppe 2
3. Februar 2011, Haganum Den Haag
Wie in dem zweiten Workshop der ersten Gruppe, entsteht in diesem Workshop ein Musikstück
zum Ostinato des »Bimm Bamm« aus dem 5. Satz in Mahlers Dritter Symphonie.
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Dritter Workshop, Gruppe 2
17. Februar 2011, Haganum Den Haag
1) Wie in Gruppe 1 entwickelt Gruppe 2 an diesem Tag eigene Musikstücke aus den Texten
zu Mahlers Programmüberschriften.
2) Neben einem »Nature Solo« entsteht in Gruppe 2 das Musikstück »What does LOVE tell
us?«.
»What does LOVE tell us?« beginnt mit einer Folge von viertaktigen Phrasen in G-Dur, C-Dur, G-Dur und
C-Dur. Diese Folge wird von der Gitarre an den Kontrabass weitergegeben und dann vom Klavier
übernommen. Schließlich spielen alle anderen Instrumente dieses Muster viermal. Die Sänger setzen mit »If
love ... that keeps love afire« ein. Darauf folgt eine Improvisation in drei Stufen auf den Worten »begin,
warm, flames«, die immer intensiver wird. Plötzlich bricht die Musik ab.
Eine Improvisation von Gitarre und Kontrabass nimmt die Musik wieder auf und endet auf A. Die Gitarre
gibt die Noten A, C, E an die Sänger weiter. Eine Folge von Viertaktphrasen in F-Dur, a-Moll, cis-Moll und
a-Moll wird eingeführt. Die Sänger singen nur in den a-Moll-Takten (Takt 2 und 4), im Takt 3 teilen sich die
Stimmen in A, C und E. Die Textzeilen des zweiten Takts (»the sun surrounded by silence«, »Can this be
everything«, »Can we know everything?«) wiederholen sich jeweils im vierten. Nach einem weiteren
Abbruch der Musik singen die Sänger unbegleitet, wiederholt und mit jeweils einem Takt Pause dazwischen
»Do we keep love when the end is near?«
Erster Workshop, Gruppe 3
18. Februar, Montessori-Lyceum Amsterdam
1) Auch im Montessori-Lyceum beginnen die Schüler mit einigen Aufwärmübungen. Im
gemeinsamen Puls entstehen ostinate perkussive Rhythmen, die auf die gemeinsame
Kompositionsarbeit vorbereiten.
2) Dann komponieren die Teilnehmer ihre eigene Musik zu Mahlers Glockenklängen
(»Bimm Bamm«) und Marschrhythmen.
3) Wie in Den Haag dichten die Jugendlichen auch in diesem Workshop eigene Texte zu
Nietzsches O Mensch! Gib acht! und nähern sich so Gustav Mahlers Symphonie an.
Zweiter Workshop, Gruppe 3
23. Februar, Montessori-Lyceum Amsterdam
1) An diesem Workshoptag widmen sich die Teilnehmer dem Komponieren eines Musikstücks
anhand eines Texts, der in den Workshops der anderen beiden Schulen in Den Haag
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entstanden ist: »Nature gives life, nature takes life«. Als Kompositionsvorlage dient das
Klarinetten-Ostinato der ersten Takte des dritten Satzes:
2) Für die eigene Komposition wird die Tonart a-Moll festgelegt. Darauf wird das Ostinato
gesungen.
3) Die Jugendlichen müssen sich nun überlegen, wie sie den Text »Nature gives life, nature
takes life« auf dieses Ostinato singen. Sie müssen eine Taktart festlegen und den Rhythmus
gegebenenfalls variieren.
4) Als nächster Schritt folgt die Ausarbeitung der Melodie, die dann wiederum ausharmonisiert
wird.
5) Es entsteht ein Chorstück mit dem Titel Nature Solo:
Die Musik beginnt mit einem Ostinato aus Achtelnoten (A, E, A’, E), die Sänger singen dazu Viertelnoten
und fügen Bodypercussion hinzu. Auf diesem Klangteppich bilden sich einzelne Instrumental- und Vokalsoli.
Dann wird der Text gesprochen wiedergegeben:
»Nature gives life,
nature takes life
... free
Music makes it sing.
Nature gives life,
nature is green,
nature takes life and
music makes it sing.«
Es folgt ein Zwischenteil mit Bodypercussion. Den eigenen Körper als Trommel verwendend konzertieren
ein Solist und die Gruppe miteinander. Der Kontrabass spielt dazu das Achtelostinato als Begleitung.
In a-Moll beginnt die nächste Strophe, begleitet vom Bass und der Bodypercussion.
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»Nature takes life,
nature gives life.
My life goes on,
but death will live forever,
but death will live forever.« (A-Dur)
In A-Dur spielt der Kontrabass zuerst Viertel dann Achtel. Dann folgt der Gesang:
»Nature gives life,
nature takes life,
nature gives life,
nature takes life,
born in the dark.«
»Lost, lost, lost in the dark
… happiness
Lost, lost, lost in the dark.«
»Nature takes life,
lost in the dark
nature gives life,
dust to dust, ashes to ashes,
time is a constant ebb and flow.«
Gemeinsame Workshops mit den Berliner Philharmonikern,
24. – 25. Februar 2011, Concertgebouw Amsterdam
In der dritten Workshopwoche werden alle Arbeitsgruppen zu gemeinsamen Proben im
Concertgebouw in Amsterdam zusammengeführt. Die Gruppen werden nun von zwei
Mitgliedern der Berliner Philharmoniker angeleitet: Rudolf Watzel (Kontrabass), Franz
Schindlbeck (Schlagzeug). Sie helfen den Gruppen bei der Ausarbeitung und Verfeinerung
ihrer Kompositionen.
1) Rudolf Watzel, ehemaliges Mitglied der Berliner Philharmoniker, hat schon in der zweiten
Workshopwoche mit den Jugendlichen gearbeitet. Nun erarbeitet und verfeinert er
gemeinsam mit seiner Gruppe ein Stück, das den Titel Nature and Animals trägt: eine
Mischung aus gesungenen Kehrversen, gerufenen Texten und aufregenden
Klangschichtungen aus Gongs und Streichern (z. B. bei der Textzeile »Der Phönix erhebt
sich aus der Asche«). Die Gruppe überarbeitet die klanglichen und
19
aufführungstechnischen Details jeden Tag neu, so bekommt das Stück schließlich ein
fulminantes Ende, das in der Aufforderung »Kämpfe für deine Ziele« gipfelt.5
Das Stück wird von den Trommeln eingeleitet. Zweimal folgt darauf »Nature gives life! Nature takes life!«.
Als Antwort auf die zwei Textzeilen spielen Klavier und Gitarre zwei Phrasen. Es folgen sechs Abschnitte
mit unterschiedlichen Themen.
1. Lied: Nature gives life! Nature takes life!
Im ersten Abschnitt singen Jungen und Mädchen im Wechsel. Die Mädchen singen den ersten Vers »Nature
gives life!« auf E und »Nature takes life!« auf F. Die Jungen geben beide Verse auf C wieder. Beide Gruppen
singen vier Wiederholungen.
2. Stimmen: The burning heat of fire
»The burning heat of fire« wird mit vier Schlägen der Trommeln eingeleitet. Noch einmal wird das »Nature
gives life! Nature takes life!« aufgegriffen und wiederholt, bevor der Gesang in »The burning heat of fire«
überleitet, das von einem Tutti mit feuriger Musik beantwortet wird und in einem Diminuendo verhallt.
3. Mystische Klänge
Der dritte Abschnitt beginnt instrumental, die Stimmen flüstern »Phoenix, ffff, xxxx«, in ppp beginnend und
über ein Crescendo ins Fortissimo steigernd, bis ein Schlag der Perkussionsinstrumente das Flüstern
beendet. Nun rufen alle: »Rise out of the ashes!«
4. Improvisation in C-Dur
Klavier und Kontrabass formen mittels Improvisation einen Klangteppich im Pianissimo, zu dem die
Gitarren hinzutreten. Auf ein Pizzicato des Kontrabasses hin singen die Stimmen: »Live and let live«.
Während die Mädchen diesen Vers zunächst auf E singen und auf G enden, sowie in der Wiederholung auf
G beginnen und auf E enden, singen die Jungen auf C und E, bzw. E und C.
5. Bass und Percussion spielen Folgen von Beats die in Crescendi übergehen. Die Stimmen singen dazu:
»There MUST be variety! There must be DIFFERENCE!« Das Klavier spielt ein Thema, während das Cello
mit einem Crescendo hinzukommt, eine Flöte spielt darüber Naturklänge.
6. Bass und Percussion geben eine Kadenz auf G-Dur wieder. Von der Gitarre begleitet singen die Sänger
8-mal mit kräftigen Stimmen: »Earth our safety our strength«.
7. Glissandi aller Instrumente im Flageolett leiten in den Gesang ein: »Flow with our soul«, der wie in »Live
and let live« verläuft.
5 Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2, in:
Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011, S. 26
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8. Ein Beckenwirbel beendet das Stück mit dem Ausruf: »Fight for your goal!«
2) In einem nächsten Schritt entsteht aus den einzelnen kleinen Musikstücken der Gruppen
ein großes gemeinsames Stück. Dabei sollen die verschiedenen Elemente nicht nur
aneinandergereiht, sondern miteinander verwebt und kombiniert werden. Darüber hinaus
werden Übergänge gebildet, welche die Einzelteile verbinden.
3) Die Partitur ist fertig und das Stück bereit, aufgeführt zu werden:
4) Schließlich haben die Schülerinnen und Schüler die Chance, die öffentliche Generalprobe
der Berliner Philharmoniker mitzuerleben, bei der sie die Dritte Symphonie zum ersten
Mal live hören. Hier können die Teilnehmer auch die Ernsthaftigkeit ihrer eigenen
Komposition erspüren und nachvollziehen, wie gut sie zu Mahlers Klangwelt passt.
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Referenzwerk
Gustav Mahler – biografische Informationen
Am 7. Juli 1860 wurde Gustav Mahler als Sohn des Gastwirts Bernhard Mahler und dessen
Frau Maria in Kalischt (Böhmen) geboren. Gerade zehnjährig trat er erstmals öffentlich als
Pianist auf. 1875 begann Mahler ein Musikstudium am Wiener Konservatorium. Drei Jahre
später folgte die Immatrikulation an der Wiener Universität, wo er neben Harmonielehre
historische und philosophische Vorlesungen besuchte. Zur Finanzierung seines Studiums gab
Mahler Klavierunterricht.6 1878 beendete er das Kompositionsstudium mit dem Diplom und
gewann mit einem heute verschollenen Scherzo für ein Klavierquintett den ersten Preis.7
Ab 1880, nach Abschluss des Konservatoriums, war er als Kapellmeister in verschiedenen
Kleinstädten Deutschlands tätig. Mahler komponierte die Kantate für Soli, Chor und Orchester
Das klagende Lied zu einem eigenen Text und begann mit der Märchenoper Rübezahl, von der
heute nur das Libretto erhalten ist. In den Jahren von 1883 bis 1885 war er Musik- und
Chordirektor am Königlichen Theater in Kassel. Kompositorisch konzentrierte er sich auf die
traditionellen Gattungen Symphonie und Lied. 1885/86 kündigte Mahler aufgrund von
Auseinandersetzungen mit der Kasseler Theaterintendanz und ging als Opernkapellmeister an
das deutsche Landes-theater in Prag. Später wechselte er in die gleiche Position zum
Stadttheater in Leipzig. 1888 traf Mahler erstmals auf Richard Strauss, mit dem er zeitlebens
befreundet blieb, außerdem erhielt er die Stelle des Operndirektors in Budapest.8
Um 1889 begann Mahler die von Clemens Brentano (1778 – 1842) und Achim von Arnim
(1781 – 1831) zusammengestellte Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn zu vertonen.
Sie stellte in den folgenden Jahren die wesentliche Textgrundlage seiner Liedkompositionen
dar, wobei er die musikalische Struktur über den Textinhalt setzte. Von 1891 bis 1897 war er
Erster Kapellmeister am Hamburger Stadttheater und übernahm die Leitung des dortigen
Symphonieorchesters.9 Mahler hatte in diesen Jahren ein überaus anstrengendes
6 Peter Franklin, Mahler, Gustav, in: Grove Music Online, http://www.oxfordmusiconline.com/, Zugriff:
26.04.2011 7 ebd. 8 vgl.: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MahlerGustav/index.html, Zugriff: 21.04.2011 9 Peter Franklin, Mahler, Gustav
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Arbeitspensum. Er dirigierte in der Saison 1894/95 138 von 367 Vorstellungen, dazu acht
Philharmonische Konzerte.10 Außerdem entstanden die Zweite und Dritte Symphonie, wobei
Mahler die Gattungen Symphonie und Lied miteinander verknüpfte, indem er zu Instrumental-
sätzen geformte Lieder und Orchesterlieder in die Symphonien einfügte. 1891 bis 1893
entstand die Orchesterfassung des Zyklus Lieder eines fahrenden Gesellen von 1883, welche
zu den ersten originären Werken der Gattung Orchesterlied gehört.
Nachdem er 1897 vom Judentum zum Katholizismus konvertiert war, wurde Mahler zum
Kapellmeister, später zum Künstlerischen Direktor der Wiener Hofoper ernannt. Hier bemühte
er sich um eine Verwirklichung seiner Vorstellung einer Opernreform: Er propagierte die Idee
der Oper als Gesamtkunstwerk und nahm auch Retuschen einiger Werke vor. Aufgrund seiner
beruflichen Verpflichtungen blieb ihm nur die aufführungsfreie Zeit zum Komponieren. In der
Zeit zwischen 1898 und 1901 leitete er die Wiener Philharmoniker. 1902 heiratete er Alma
Schindler, die ihn mit bildenden Künstlern der »Wiener Secession« bekannt machte.11 1907
trat Mahler vom Amt des Direktors der Wiener Hofoper zurück. Familiäre Probleme sowie die
häufig antisemitischen Angriffe auf seine Person waren die Gründe hierfür. Er nahm eine
Stelle als Gastdirigent an der Metropolitan Opera und des Philharmonic Orchestra in New
York an und wurde 1909 Leiter der New York Philharmonic Society. Am 12. September 1910
folgte die Uraufführung eines seiner Hauptwerke, der Achten Symphonie, unter seiner Leitung in
München. Die Arbeit an der Zehnten blieb fragmentarisch. Am 18. Mai 1911 starb Gustav Mahler
in Wien.12
Kompositorisches Wirken
Gustav Mahler war von Kindheit an mit der Volks- und Tanzmusik festlicher Gelegenheiten
aus dem elterlichen Gasthaus sowie mit der Militärmusik der in Iglau stationierten Soldaten
und auch der jüdischen Musik in der Synagoge vertraut. Alle diese Elemente sind in seinen
Werken immer wieder zu finden.
Klanglich arbeitete Mahler oft mit Instrumentierungen in ungewöhnlichen Registern wie z. B.
10 vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Mahler, Zugriff: 21.04.2011 11 Hermann Danuser, Mahler, Gustav, in: Ludwig Finscher (Hrsg.) MGG, Personenteil Bd. 11, Stuttgart 2004, Sp.
819 12 vgl.: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MahlerGustav/index.html, Zugriff: 21.04.2011
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sehr hohen Flageoletts. Auch werden außergewöhnliche Instrumente wie Kuhglocken,
Hämmer oder Mandoline und Gitarre eingesetzt; oder die Hörner sollen aus großer Ferne zu
hören sein, was bei Aufführungen eine Aufstellung in sehr großem Abstand hinter der Bühne
zur Folge hat. Oft sind auch ausladende Glissandi zu hören, häufig wird col legno, col legno
battuto in den Streichern eingesetzt. Diese Effekte lassen sich nicht mehr gut am Schreibtisch
komponieren. Mahler konnte sie als Dirigent in der Orchesterarbeit erproben, was Gegner zu der
abschätzigen Bemerkung »Kapellmeistermusik« verleitete. Das Bröckeln der Konventionen ist
auch in der formellen Anlage zu entdecken: Die Anzahl der Sätze der mahlerschen
Symphonien schwankt zwischen zwei und sechs, außerdem flocht er immer wieder auch
Lieder in seine Symphonien ein.
Schon zu Lebzeiten galt Mahler als einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Generation.
Sein Wirken an der Wiener Hofoper schrieb Epoche. Mahlers musikalische und szenische
Interpretationen zeichneten sich – gemessen an damaligen Standards – durch hohe Werktreue
aus. Wenn es der von ihm beabsichtigten Wirkung diente, scheute er sich aber auch nicht,
Änderungen an den Partituren vorzunehmen.
Sein Rang als Komponist dagegen war noch bis weit nach seinem Tod umstritten. Zwar
bildete sich schnell ein Kreis enthusiastischer Anhänger, in der musikinteressierten
Öffentlichkeit stießen seine Schöpfungen jedoch zunächst überwiegend auf Desinteresse,
Unverständnis oder Ablehnung.
Erst in den 1960er-Jahren konnte sich sein Werk im Zuge der sogenannten »Mahler-
Renaissance« durchsetzen.13 Eine wichtige Rolle spielten hierbei die Dirigenten Leonard
Bernstein und Rafael Kubelík.14
Die Dritte Symphonie
»Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.
Der immer neue und wechselnde Inhalt bestimmt sich seine Form von selbst«, äußerte sich
13 Hermann Danuser, Mahler, Gustav, in: Ludwig Finscher (Hrsg.) MGG, Personenteil Bd. 11, Stuttgart 2004, Sp.
844 14 vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Mahler, Zugriff: 21.04.2011
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Mahler 1895 gegenüber seiner Freundin Natalie Bauer-Lechner.15 Der Komponist versuchte
in diesem Werk seine eigene Vorstellung von einer »die Welt umfassenden« Symphonik zu
konkretisieren. Dabei entwickelte er eine Komposition, die an der Wende zum 20. Jahrhundert
als die bis dahin umfassendste angesehen werden konnte.
Die Dritte Symphonie entstand vor allem in den Sommermonaten der Jahre 1895 und 1896 in
Steinbach am Attersee. Die Uraufführung erfolgte auf Betreiben von Richard Strauss am
9. Juni 1902 in Krefeld unter Leitung des Komponisten.
Während der Planungsphase der Komposition erdachte Mahler programmatische
Überschriften für die einzelnen Sätze, die, obwohl er sie später wieder verwarf, »für
Nichtmusiker einen Anhaltspunkt und Wegweiser für den Gedanken- oder vielmehr
Stimmungsgehalt der einzelnen Sätze und für das Verhältnis derselben zueinander und zum
Ganzen [...] geben«16 können. So ergab sich unter dem ursprünglichen Titel Ein
Sommermittagstraum folgender Ablauf der Sätze, der »eine alle Stufen der Entwicklung in
schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung« bilden sollte, beginnend »bei der
leblosen Natur und [sich steigernd] bis zur Liebe Gottes!«17: I. Abteilung.
Einleitung: Pan erwacht.
I. Der Sommer marschiert ein (Bacchuszug).
II. Abteilung.
II. Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen.
III. Was mir die Tiere im Walde erzählen.
IV. Was mir der Mensch erzählt.
V. Was mir die Engel erzählen.
VI. Was mir die Liebe erzählt.
Der erste Satz, der in seiner »riesig«18 dimensionierten Anlage von über einer halben Stunde
allein die erste »Abtheilung« der Symphonie ausmacht, steht mit ausufernden
Themenkomplexen in der Sonatenhauptsatzform. Er hebt mit einem Weckruf – einem
15 Killian, Herbert (Hrsg.), Gustav Mahler in den Erinnerungen von Natalie Bauer-Lechner, Hamburg 1984, S.
35 16 Herta Blaukopf (Hrsg.), Gustav Mahler Briefe, Wien/ Hamburg 1996, S. 297 17 ebd., S. 189f. 18 Hermann Danuser, Mahler, Gustav, in: Ludwig Finscher (Hrsg.) MGG, Personenteil Bd. 11, Stuttgart 2004, Sp.
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Unisono aller acht Hörner – an. In dunklem d-Moll folgt ein Trauermarsch mit repetierten
Triolen und Punktierungen, dann ein liebliches Seitenthema in der Violine. Keines der
Themen wird jedoch konsequent weiter verarbeitet, vielmehr kombiniert Mahler – z. T.
collagenartig – Fanfaren, verschiedene Marschrhythmen und Rufmotive, aber auch kontrastiv
angelegte lyrische Melodiegedanken. Kontraste, Widersprüche und Fortspinnungen
bestimmen den ersten Satz. Reprisenartig kehrt der »Weckruf« der Hörner wieder und
kulminiert in einem großen Crescendo des Orchesters im dreifachen Forte.19
Der zweite Satz, im Tempo di Menuetto, bildet einen Kontrast gegenüber dem Ende des
ersten: Begleitet von den Pizzicati der Streicher, erscheint eine schlichte, pastorale Melodie
der Oboe. Verfremdende Elemente (wie Triller, Vorschläge, chromatische Einwürfe, süßlich-
schmachtend wirkende Einsätze der Solo-Violine oder verfremdende Spielarten wie das col
legno der Streicher) enttarnen die heraufbeschworene Idylle als Utopie. Mahler unterwandert
die klassische Form des Menuetts, deren Teile er stetig variiert und sich dabei immer mehr
vom Original entfernt (A-B-A'-B'-A'').
Der dritte Satz, ein Scherzo, greift das Wunderhorn-Lied Ablösung im Sommer auf, dessen
klare Struktur sich nach und nach auflöst. Die Melodie der Klarinette zieht sich durch
verschiedene Bläserstimmen. Einzelne Motive werden abgespalten, verarbeitet und
verfremdet, indem Mahler Triller, Vorschläge, Akzente auf »falscher« Zählzeit verwendet.
Dazwischen schiebt sich mehrfach eine kontrastierende Ländlerweise. Im Trioteil sticht eine
Posthornweise unvermittelt aus der frischen Lebendigkeit des übrigen Verlaufs hervor. Wie
aus weiter Ferne erklingend ist sie als musikalische Verkörperung einer schönen, heilen Welt
fremd in der ironisch gebrochenen Grundanlage des Satzes. »Grobe« Fanfarenmotive,
Anklänge an Tanzmusik und die Reprise des Scherzos durchbrechen die Idylle.
Im vierten Satz folgt ein Alt-Solo auf Friedrich Nietzsches Text des Nachtwandererlieds (aus
Also sprach Zarathustra) »O Mensch! Gib acht!«. Ein stiller Satzanfang in tiefer Lage, mit
gedämpften Akkorden der Hörner und einer orgelpunktähnlichen Quinte d – a in den Bässen
umschreibt das Thema Nacht und Traum. Die Flageolettakkorde der hohen Streicher wirken
19 Anja Städtler, Gustav Mahler (1860-1911). Symphonie Nr. 3. Eine Einführung, Unterrichtsmaterialien, Berliner
Philharmoniker
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unwirklich und traumhaft. Ein mehrfach wiederholter Terzsprung der Oboe soll laut Partitur
»wie ein Naturlaut« klingen. Die Gesangslinie des Alt-Solos gliedert sich in diesen
zurückhaltenden Orchestersatz ein.
Mit Glockengeläut und dem »Bimm bamm« des Knabenchors beginnt der fünfte Satz der
Symphonie – kontrastierend zu dem zurückhaltenden vierten Satz. Daraufhin setzt der Frauenchor
mit dem Wunderhorn-Lied »Es sungen drei Engel« ein. Die Musik strahlt mit ihrer einfachen
Melodie, ihren punktierten Rhythmen in den Begleitstimmen und dem Gesang der Knaben
Heiterkeit, eine gewisse Naivität innerhalb eines ernsten Themas – Religion und Verheißung auf
Erlösung – aus.
Der letzte Satz der Symphonie, ein Adagio mit hymnenartigem, monumentalem Gestus,
kommt als unendlich lang ausgesponnener Instrumentalgesang daher. Die Violinen beginnen
mit dem Hauptthema, welches das gesamte Adagio in verschiedenen Variationen und
Instrumentierungen durchzieht und Verwandtschaft mit Motiven des ersten Satzes (anhebende
Quarte und rhythmische Struktur) aufweist. So schließt sich auch auf thematischer Ebene der
Kreis. Ein vierfach ansetzender Spannungsbogen führt über verschiedene Höhepunkte in eine
hymnische Coda, die noch einmal das Hauptthema in seiner Anfangsgestalt, gleich einer
Apotheose, enthält und so nicht nur Zielpunkt des Satzes, sondern der gesamten Symphonie ist.
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Teilnehmende / Zielgruppe
Zielgruppe
16 Schülerinnen und Schüler des Haganum Gymnasium Den Haag
Lehrerin: Cécile Schijffelen
23 Schülerinnen und Schüler der Vrije School Den Haag
Lehrer: Douwe Klinkenberg
15 Schülerinnen und Schüler des Montessori Lyceum Amsterdam
Lehrer: Thijs Janssen
Institutionen
Die Vrije School Den Haag hat mit Douwe Klinkenberg einen engagierten Musiklehrer. Er
leitet u. a. den Schulchor, welcher eine lange Tradition aufzuweisen hat und sogar schon bei
der Krönung von Königin Beatrix gesungen hat.
Das Haganum Gymnasium hat eine lange Tradition in Orchestermusik. Das Schulorchester
gewinnt regelmäßig Preise in verschiedenen Wettbewerben. Die Schülerinnen und Schüler
haben also Erfahrung im Instrumental- und Ensemblespiel auf einem fortgeschrittenen Level.
Das Montessori Lyceum in Amsterdam ist später zu dem Projekt dazugestoßen. Daher standen
den Schülern nicht so viele Workshoptermine zur Verfügung. Die Schule hatte jedoch
nachdrücklich darum gebeten, bei dem Projekt teilnehmen zu dürfen. Die Schüler waren
voller Enthusiasmus für dieses Projekt, so dass sie dafür sogar auf ihre Ferien verzichteten.
Das Muziekcentrum van de Omroep (MCO) ist Heimat für die Rundfunkensembles und
Spielstätte für Konzerte und Aufnahmen für Radio und Fernsehen. Das MCO ist seit 1996 in
Hilversum untergebracht. Es beherbergt das Netherlands Radio Philharmonic Orchestra, die
Radio Kammerphilharmonie, den Niederländischen Rundfunkchor, das Metropole Orchestra
und die umfangreiche Musikbibliothek des Rundfunks. Ebenfalls Teil des MCO ist die
Education-Abteilung. In Zusammenarbeit mit den Rundfunk-Ensembles und den kulturellen
Institutionen der Region werden Musik- und Opernprojekte erarbeitet.
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Das Workshopteam
Catherine Milliken, Leiterin der Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker
Larissa Israel, Sonderprojektleitung, Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker
Michael Klier, Leiter der Education-Abteilung des Muziekcentrum van de Omroep
Cecile Rongen, Education-Abteilung des Muziekcentrum van de Omroep
Jurgen van Harskamp, Workshopleitung, Education-Abteilung Het Concertgebouw
Amsterdam
Anja van Keulen, Education-Abteilung Het Concertgebouw Amsterdam
Kim Vogels, Education-Abteilung Het Concertgebouw Amsterdam
Rainer Manke, Head of Languages, Goethe-Institut Niederlande
Mitglieder der Berliner Philharmoniker
Rudolf Watzel, Kontrabass
Franz Schindlbeck, Schlagzeug
Gast
David Haller, Schlagzeug
Sänger des Muziekcentrum van de Omroep
Tanja Obalski, Sopran
Peter Duyster, Bariton
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Aufführung
Am 25. Februar 2011 präsentierten die Schüler ihr Werk. Das Publikum setzte sich ins
Chorgestühl im Concertgebouw, während die jungen Sänger und Instrumentalisten, die nun
selbst ein gut aufeinander abgestimmtes Orchester bildeten und von den Workshop-Leitern
und Mitgliedern der Berliner Philharmoniker unterstützt wurden, leise auf dem Podium Platz
nahmen. Ihr Stück erfüllte den Saal und tönte in Collagen aus wunderschönen Texten und
wehmütigen Melodien, in satten Chorklängen, fremdartigen Marsch-Variationen und
schillernden Klanglandschaften. »Es war ein sagenhaftes Erlebnis, selbst Texte und Musik zu
schreiben und dann in der Gruppe aufzuführen – ich hätte nie gedacht, wie toll sich das
anfühlt. So etwas mache ich bestimmt wieder«, resümierte Nadia, eine der Schülerinnen.20
Foto: Andreas Knapp
20 Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2, in:
Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011, S. 26
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Impressum:
Herausgegeben von dem
Education-Programm der Berliner Philharmoniker
Berliner Philharmonie gGmbH
Catherine Milliken, Leiterin der Education-Abteilung
Herbert-von-Karajan-Straße 1, 10785 Berlin
Tel.: +49 (0)30/254 88-353 · Fax: +49 (0)30/254 88-394
E-Mail: zukunft@bphil.de · Internet: www.zukunft.bphil.de
Konzept und Umsetzung der Workshops: Catherine Milliken
Zusammenstellung der Texte und Redaktion: Annegret Rehse
Nachweise:
Theodor W. Adorno, Mahler. Eine musikalische Physiognomik, Frankfurt a. M. 1960
Herta Blaukopf (Hrsg.), Gustav Mahler Briefe, Neuausgabe erweitert und revidiert, Wien 1996
Hermann Danuser, Mahler, Gustav, in: Ludwig Finscher (Hrsg.) Die Musik in Geschichte und Gegenwart,
Personenteil Bd. 11, Stuttgart 2004
Peter Franklin, Mahler, Gustav, in: Grove Music Online, http://www.oxfordmusiconline.com/, Zugriff:
26.04.2011
Herbert Killian (Hrsg.), Gustav Mahler in den Erinnerungen von Natalie Bauer-Lechner, (rev. und erw. Fassung
der von J. Killian 1923 hrsg. Ausgabe), Hamburg 1984
Catherine Milliken, Das unbeschriebene Blatt. OnTOUR in Amsterdam: SONGS – Aus Mahlers Zeit 2,
in: Berliner Philharmoniker – das magazin, Nr. 5, 2010/2011
Anja Städtler, Gustav Mahler (1860 – 1911). Symphonie Nr. 3. Eine Einführung. Unterrichtsmaterialien, Berliner
Philharmoniker
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MahlerGustav/index.html, Zugriff: 21.04.2011
http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Mahler, Zugriff: 21.04.2011
Fotos: Andreas Knapp (S. 1, 6 u. 29), E. de Brujn (S. 18)
November 2011
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