45
Christa Wolf, Kassandra "Die Grenze, hinter der die Sprache aufhört" Die anti-mythologische Begründung weiblichen Schreibens in Christa Wolfs Erzählung Kassandra Peter Horn Universität Kapstadt Abstract A voice destined to die sets out to tell the truth of its existence. Dying the voice needs a story. The necessity to create a coherent story of oneself, to justify oneself by means of language, is the necessity to acquire the agreement, the desire of the Other. The unconscious is that part of our discourse, which is not at the individual's disposal, in order to re-establish the continuity of its conscious discourse. The unconscious is that part of its story which is marked by an absence or which has been occupied by a falsehood. But the truth can be rediscovered. The body is a monument to this lost truth: in my neurotic and psychotic symptoms the forgotten cannot be forgotten. The voice attempts to destroy this theater of tragic myth; for we cannot live in myth. The anti-myth, which subverts the fateful drama of the person, is an attempt to revoke the amalgamation of mask (person) and author (the unconscious) by means of a strict analysis of this confusion, by which we call desire "our own" desire. The authority, which speaks here, is the merging of madness and death, yet it speaks about a life without madness and death. This voice has laid down violence in the end, also the violence against herself. Even if she goes "Into darkness. Into the slaughter-house. And alone", the community of those, who negate violence, cannot be exterminated by violence. "Mit der Erzählung geh ich in den Tod" so heißt der erste Satz, den das Erzähler-Ich der Kassandra vor den steinernen Löwen von Mykenae "hört". Eine zum Sterben bestimmte Stimme hebt an, den Sinn, die Wahrheit ihrer Existenz zu erzählen -- denn um Wahrheit, nicht um Wirklichkeit geht es der Erzählung -- und das erste,

1994 „’Die Grenze, hinter der die Sprache aufhört’ .Die anti-mythologische Begründung weiblichen Schreibens in Christa Wolfs Erzählung Kassandra.” In: Acta Germanica Bd

  • Upload
    wits

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Christa Wolf, Kassandra

"Die Grenze, hinter der die Sprache aufhört"

Die anti-mythologische Begründung weiblichenSchreibens in Christa Wolfs Erzählung Kassandra

Peter HornUniversität KapstadtAbstract

A voice destined to die sets out to tell the truth of its existence. Dyingthe voice needs a story. The necessity to create a coherent story ofoneself, to justify oneself by means of language, is the necessity to acquirethe agreement, the desire of the Other. The unconscious is that part of ourdiscourse, which is not at the individual's disposal, in order to re-establishthe continuity of its conscious discourse. The unconscious is that part ofits story which is marked by an absence or which has been occupied by afalsehood. But the truth can be rediscovered. The body is a monument tothis lost truth: in my neurotic and psychotic symptoms the forgottencannot be forgotten. The voice attempts to destroy this theater of tragicmyth; for we cannot live in myth. The anti-myth, which subverts the fatefuldrama of the person, is an attempt to revoke the amalgamation of mask(person) and author (the unconscious) by means of a strict analysis of thisconfusion, by which we call desire "our own" desire. The authority, whichspeaks here, is the merging of madness and death, yet it speaks about alife without madness and death. This voice has laid down violence in theend, also the violence against herself. Even if she goes "Into darkness. Intothe slaughter-house. And alone", the community of those, who negateviolence, cannot be exterminated by violence. "Mit der Erzählung geh ich in den Tod" so heißt dererste Satz, den das Erzähler-Ich der Kassandra vor densteinernen Löwen von Mykenae "hört". Eine zum Sterbenbestimmte Stimme hebt an, den Sinn, die Wahrheit ihrerExistenz zu erzählen -- denn um Wahrheit, nicht umWirklichkeit geht es der Erzählung -- und das erste,

was sie in unseren Blick bringt, ist die Wahrheit, daßsie die Stimme eines Menschen ist, der in den Todgeht. Um sterben zu können, braucht die Stimme eine"Geschichte". Sie erfindet sich tragische undmythische Repräsentationen ihrer selbst, ein Theater,auf dem ihr Ich agieren kann, aber gleichzeitig eineZerstörung dieses Theaters, des tragischen Mythos,eine Zerstörung der heroischen Repräsentationen; dennim Mythos gibt es für uns kein Leben. Nur der Mythosselbst kann im Mythos leben. Ein Anti-Mythos,1 dersich gegen das unheilvolle Drama der Person wendet,jener Maske, durch die mein Wunsch nurhindurchspricht, eine mir fremde Stimme, ist derVersuch die Vermischung von Maske (Person) und Autor(des Unbewußten) aufzuheben in der strengen Analysedieser Verwirrung, in der wir den Wunsch "unseren"Wunsch nennen.2Für Kassandra entsteht dieser Übergang von Mythos undder Tragödie zum Anti-Mythos bei ihrem "Übertritt ausder Palastwelt in die Welt der Berge und Wälder", dienicht nur "Natur" gegen die Unnatur der "Kultur",sondern auch die Welt der Beherrschten gegen die Weltder Herrschenden3 signifizieren: es war "der Übergangvon der Tragödie in die Burleske, deren Kern es ist,daß man sich selbst nicht tragisch nimmt. Wichtig --das ja, und warum auch nicht. Aber eben nichttragisch, wie die oberen Schichten im Palast es tun.Tun müssen. Wie anders können sie sich ein Recht aufihre Selbstsucht einreden." (K 63) Sich wichtignehmen, das heißt sein Leben einem ethischen Urteilunterwerfen, sich gegen das wehren, was dieHerrschenden den Beherrschten antun, sich selbst zurRechenschaft ziehen.4 Das "Urteil" ist natürlichAnmaßung, denn nicht dem Einzelnen steht es zu, sichselbst zu beurteilen: nur die Gesellschaft kann dieGeschichte des Einzelnen kanonisieren. Durch dieStrenge des eigenen Urteils wird die Geschichte der

Einen zum neuen "Mythos". Was anders hieß "Mythos"ursprünglich als "Geschichte", allerdings jenebesondere Geschichte, die immer allein Geschichte ist,weil sie als die Geschichte kanonisiert ist.5 DieAutorität, die hier spricht ist die Verknüpfung vonWahnsinn und Tod, worüber die Autorität spricht, istein Leben ohne Wahnsinn und Tod. Nur von diesen beidenäußersten Positionen her läßt sich die "Wahrheit"eines Diskurses belegen, der dem herrschenden Diskursder "Helden", dem kanonisierten Diskurs Homers, derSprache der Männer so entschieden widerspricht. Dieser"mythische" Diskurs, der doch in seiner innerstenIntention anti-mythisch, weil anti-heroisch und damitanti-tragisch ist, deckt im Mythos (der Helden) denWunsch als einen auf, der sich selbst entfremdet ist:den Wunsch des Todes, den Wunsch, sich selbst undandere tot zu sehen, weil man sich nur so vor derZerstückelung und dem Sterben schützen kann. Nurwenige sind dieser Entfremdung teilweise entgangen:Anchises, Aineias, die Frauen, die sich um den Kultder Göttin Kybele versammeln.Sprache und Erzählung geben den Funktionen desIndividuums einen Sinn. Sprache reicht so weit wie dieüberindividuelle Wirklichkeit des Subjekts. DieOperationen der Sprache sind die der "Geschichte".6Die "Wahrheit" aber, die in der Geschichte, die imMythos auftaucht, ist eine "vergessene", genauer eine"verdrängte" -- denn um vergessen zu sein, drängt siesich viel zu auffällig als unverstandenes Symptom inunsere Rede, unsere Handlungen, unsere Phantasien,unser Wünsche und unsere Träume. Es ist die Wahrheitüber unseren Ursprung, unsere Herkunft, unsereKonstitution als Ich durch die überlegene Gewalt unddie uns zwingende Liebe der Familie: unsereKonstitution als Sohn und Tochter, als Mann und Frau,ausgerichtet auf andere Menschen, unfähig zu lebenohne sie. In der Erzählung ist die Erzählende immer

schon auf einen Zuhörer hin gerichtet, selbst dann,wenn sie sich, wie hier, die Erzählung selbst kurz vorihrem Tode erzählt, und niemand sie hören kann undhören wird.7 Die Erzählung ist grundsätzlich imIntersubjektiven konstituiert. Wenn ich Sprachegebrauche (auch nur im inneren Monolog), stehe ich imGesellschaftlichen. Wer also, wie die fiktiveKassandra der fiktiven Ich-Erzählerin, in den Todhinein erzählt, versucht den Tod aus der furchtbarenEinsamkeit des eigenen Schreckens gesellschaftlich zuvermitteln.Von dem Augenblick an, wo wir uns mit der imago unsgegenüber identifizieren, betreten wir den Bereich derDialektik, die das Ich bis zu seinem Tode ingesellschaftliche Situationen verflicht. Von da abwird alles, was wir wissen und erfahren, auch dasLetzte, das Einsamste, der Tod, durch das Begehren desAnderen vermittelt: ich will sein, was das andereBegehren, selbst gesellschaftlich und sprachlichvermittelt, will, daß ich bin, damit das Andere michbegehrt. Es gibt kein sprachloses Begehren mehr: dasSprachlose ist mir unbewußt geworden. Was ich begehreaber ist nun "Sinn": alles, was ich tue, und was mirwiderfährt, soll "sinnvoll" erzählbar, in Spracheformulierbar werden. Das Gefährlichste nämlich ist, inSprach- und Sinnlosigkeit, in den Wahnsinn verfallen(Vgl. Lacan 1980b, S. 5). Auch Sterben soll in diegesellschaftliche Sprache hereingeholt werden, einvergebliches, aber notwendiges Bemühen. Der Sinndieses Todes ist: sich nicht von den "Helden", den"Viehischen", den Gewalttätern das Gesetz des Handelnsaufzwingen zu lassen. Lieber Gewalt erleiden, als dieinnere Wahrheit zu verraten; zu verraten, was esheißt, menschlich zu sein. Es geht darum, "auf eineandere, nichttötende Art auf der Welt zu sein" (Wolf1982, S. 489 ).

Wer dem Tod entgegenspricht, der wendet sich auchentschieden von jener Gemeinsamkeit der Sprache ab, inder Gesellschaft gestiftet wird.8 Das Sprechen in denTod hinein ist eine Absage an die Kultur des Beils,des Schwerts. Aber eine Absage ohne die Erkenntnis,daß diese Gewalt aufs innigste mit der Struktur derLiebe verbunden ist, daß Aggression und Sexualität,Macht und Liebe nur jeweils zwei Seiten derselbenMünze sind, die in der frühesten Kindheit in dieserDoppelgesichtigkeit geprägt wird, bleibt eine leereAbsage: indem sie liebt, verübt sie Gewalt. Mantäuscht sich, wenn man nicht wie die griechischeDichterin Sappho einsieht, daß "der gliederlösendeEros" uns "schüttelt" (nicht wir ihm gebieten), wennman nicht einsieht, der Eros sei "bittersüß,unbezähmbar, ein dunkles Tier" (K 5).9Die Maschine des Körpers "weiß" genau, was sie will.Sie sagt es aber nicht, weil dieses Wollen in keinemCode, keinem Diskurs sagbar ist. Sie will weiterleben(als genetisches Material) und sie will, um diesesWeiterleben zu ermöglichen, sterben: diesen Tod, derinnen als Wunsch ist, muß in den Tod verwandeltwerden, der von außen eintritt. Diese Maschine istaber etwas ganz anderes als ein "Ich", als einIndividuum. Das "Ich" ist eine Struktur, ein Versuch,die Dynamik des Prozesses zu beherrschen,stillzulegen; der Wunsch ist die Energie, dieIntensität die durch uns hindurchgeht; Leben undSterben ist in dem Sinne identisch, weil man um lebenzu können in jedem Augenblick sterben können muß. AlsIch fixiert (durch eine Gewalt) hören wir auf diesesKommen und Gehen von Intensitäten zu sein: wir sindetwas Nicht-Lebendes, ein Monument unseres zukünftigenTodes. Das fixierte Ich hört auf ein Träger vonLebensströmen zu sein. Deswegen kann Kassandra sagen:"Nie war ich lebendiger als in der Stunde meinesTodes, jetzt. Was ich lebendig nenne? Was nenne ich

lebendig. Das schwierigste nicht scheuen, das Bild vonsich selbst ändern." (K 25)Helden sind diejenigen, die den Tod fürchten, und diesich daher "fixieren", die sich in ihr eigenessteinernes Monument einsperren, in die Masken undPanzer, die Helme und Beinschienen, die sie "schützen"sollen, aber nur "unbeweglich" machen. Diese "Masken"und "Panzer" kennzeichnen auch die Unbeweglichkeit,das Tote ihrer Weltanschauung, das sie angelegt haben,weil sie sich paradoxerweise vor dem Tod fürchten.Schlimmer noch: die Helden sind die Schwächlinge, diesich selbst und den anderen beweisen müssen, daß siekeine Schwächlinge sind. Gerade daß sie Schwächlingesind, macht sie gefährlich.10Kassandra sieht am Beginn des Krieges die Angst derMänner: "Was war denn ihre Angst vorm Kampf, wennnicht Angst vor körperlichen Schmerz. Ihreausgefallenen Tricks, die Angst zu leugnen oder vordem Schmerz, dem Kampf zu fliehen". (K 37) So jagensie alle ihren phantastischen Schreck- undTriumphbildern nach, jeder überzeugt, er könneeinholen, was ihn ungesehen von hinten treibt, jederauf der Jagd nach einem Scheinbild seiner selbst undseiner Wünsche. Erschrocken über seine eigenenPhantasien, in denen er seinen Körper als zerstückelterfährt, Übersteigerung der Kastrationsfurcht,schreitet er dieser Angst aus Angst vor der Angst ineinem orthopädischen Panzer entgegen, der seinenwieder zusammengeflickten Körper zusammenhält (Vgl.Theweleit 1977, Bd. 1, S. 379ff und Elias 1969). Unterdem Panzer einer entfremdeten Identität,11 derenrigide Struktur die ganze geistige Entwicklung des"Helden" prägen wird, stürzt er sich in einenphantasmatischen Krieg, in dem er seinen Körper derZerstückelung aussetzt, um der Zerstückelung durchseine eigene Kultur zu entgehen (Vgl. Lacan 1980a, S.4). Alle Kriege werden um ein Phantasma, ein nicht

vorhandenes Wunschbild, eine erlogene schöne Helenageführt. Am Beispiel des Agamemnon, dessen "Kraftschon lange dahin war" erläutert Kassandra denZusammenhang zwischen einer tiefen Lebensangst und derGewalt: für den Fall, daß das Mädchen, das sein Zeltmit ihm teilt, dieses Geheimnis verriete, hatte er ihrangedroht, sie von den Truppen steinigen zu lassen:"Da begriff ich auf einmal seine ausgesuchteGrausamkeit im Kampf". (K 13)12"Alle Männer", sagt Kassandra, "sind ichbezogeneKinder". (K 11) In ihrer infantilen Struktur sind sienicht fähig, eine wirkliche Beziehung zu einem anderenMenschen zu haben, und ersetzen daher diese fehlendenBeziehung durch Macht und Gewalt, in deren Ausübungsie mit anderen Menschen eine Beziehung etablieren,aber eben eine, die keine ist.13 Unfähig, die lebendePenthesilea zu lieben, schändet Achill die tote Frau,"wirft sich, weiter tötend, auf das Opfer". (K 137)Diese innerste Schwäche in der Struktur ihres Bewußt-seins stößt auf die starke Frau, die nicht längerbereit ist sich zu unterwerfen, die den Mann mit demSchwert in der Hand zwingt, sie ernst zu nehmen. Abermit einer Frau, die keine Sklavin ist, kein Opfer ist,kann er nichts anfangen: er muß sie erst zum Opfermachen: "Die Männer, schwach, zu Siegernhochgeputscht, brauchen, um sich überhaupt noch zuempfinden, uns als Opfer". (K 137)Nicht immer war Kassandra ihre Geschichte als Ganze sogegenwärtig, wie sie es jetzt im Augenblick ihresTodes ist: die Wahrheit, die sie "von Anfang angewußt" (K 45) hat, die aber allem widerspricht, wasihr bewußtes Ich ertragen kann, bricht zunächst inForm einer ihr fremden Stimme aus ihr heraus. Ihr"Wahr-Sagen" ist ein von ihr nicht Kontrollierbares,weil diese Wahrheit damals noch ein ihr Unbewußteswar.14

Das Unbewußte ist jener Teil unseres Diskurses, derdem Individuum nicht zur Verfügung steht, um dieKontinuität seines bewußten Diskurses wieder-herzustellen. Das Unbewußte ist jener Teil meinerGeschichte, der durch eine Leere gekennzeichnet odervon einer Unwahrheit besetzt gehalten ist. Aber dieWahrheit kann wieder entdeckt werden. Mein Körper istein Denk-Mal dieser verlorenen Wahrheit: in meinenneurotischen oder psychotischen Symptomen läßt er michdas Vergessene nicht vergessen.15Ähnlich spricht aus ihr, was den anderen unbewußt ist:sie "sieht", "fühlt" und "erfährt", was eigentlichalle "wissen", aber verdrängen: "was in dieser Stundeseinen Ausgang nahm, war unser Untergang". (K 68) Mit"Grabeskälte" und in "Fremdheit" bricht es aus ihrheraus:Bis endlich die entsetzliche Qual, als Stimme, sichaus mir, durch mich hindurch und mich zerreißend ihrenWeg gebahnt hatte und sich losgemacht. Ein pfeifendes,ein auf dem letzten Loch pfeifendes Stimmchen, das mirdas Blut aus den Adern treibt und die Haare zu Bergestehen läßt. Das, wie es anschwillt, stärker,gräßlicher wird, alle meine Gliedmaßen ins Zappeln,Rappeln und ins Schleudern bringt. Aber die Stimmeschert das nicht. Frei hängt sie über mir und schreit,schreit, schreit. Wehe, schrie sie. Wehe, wehe. Laßtdas Schiff nicht fort. Dann fiel der Vorhang vormeinem Denken. Der Schlund öffnete sich. Dunkelheit.Ich stürzte ab. Auf grauenerregende Weise soll ichgegurgelt haben. Schaum sei mir vor den Mund getreten.(K 68f)Symptome eines Wahnsinns, der begreift, was wirklichvorgeht. Schreie eines Körpers, der voraus-"sieht",was man mit ihm anstellen wird. Erinnerungen einesKörpers an kindliches Grauen. MeineKindheitserinnerungen sind Archive von Dokumenten,deren Sinn mir verlorengegangen ist, und deren Spuren

dennoch in jedem Satz enthalten sind, den ich spreche.Mein Vokabular, mein Charakter, mein Lebensstil, undvor allem die Bewegungen meines Körpers sind der Ortder Aufbewahrung für ein Unverstandenes. Schließlichdie Spuren, die das Unbewußte zu verwischen suchte,die aber nie ganz ausgelöscht werden konnten, und dieauf eine Diskontinuität meiner Geschichte hinweisen:sie erinnern mich daran, daß ein Kapitel meinerGeschichte gefälscht worden ist. Das Vergessen derRepression selbst schließlich ist eine derlebendigsten Formen der Erinnerung: nichts bleibt sohartnäckig erhalten wie das, was ins Unbewußteverdrängt worden ist (Vgl. Lacan, [1980a], S. 49ff.Vgl. Greiner (1981), S. 329). Nicht nur das Individuumhat solche Vergessenheiten und solche Spuren,Denkmäler, Archive des Vergessenen, hundertfachweggeschlossen durch den Blick, der gleichgültig undverständnislos darüber hinweggeht, weil er gelernthat, daß sehen gefährlich ist.16Die Erfahrung, daß das Abgetrenntsein vomgesellschaftlichen Sinn, der Wahnsinn undWahrsagersinn, etwas ist, das ich hervorbringe, aberzu dessen Hervorbringen ich gezwungen werde, über dasich keine Macht habe, ist die Erfahrung, daß diesesich-ähnliche Nicht-Ich, dieser von mir abgtrennte Teilmeines Ichs in dieser Abtrennung seinen eigenen"Willen" entwickelt: "Hervorbringen müssen, was einenvernichten wird: der Schrecken über den Schrecken. Ichkonnte nicht aufhören, den Wahnsinn zu machen,pulsierender Schlund, der mich ausspie und ansaugte."(K 70) Diese Erfahrung, Ort eines Willens zu sein, dernicht mein Wille ist, und doch kein Wille einesanderen (auch wenn meine Halluzinationen diesen Willennach außen zu projezieren suchen) -- das ist dieeigentliche Bedeutung des Wortes Wahnsinn: ein ES, daswill, überwältigt mich, tut, was es will, weil es im

Geheimen das ist, was ICH will, weil ICH nicht weiß,was ES will.17Nur Arisbe versteht sie, ist stark genug sie zuertragen, und sagt den entscheidenden Satz: "Schlußmit dem Selbstmitleid." (K 71)18 Arisbe schreibt alsodem Wahnsinnigen, Besessenen, der seinen Wahnsinn vonsich weg projeziert hat, zu einem Etwas gemacht hat,das nicht ICH ist, die Fähigkeit zu, sich diesesFremde wieder zum Eigenen zu machen, die Fähigkeit,aus dem Wahnsinn aufzutauchen, und sie sieht denWahnsinn als "Selbstmitleid", als Schwäche, die aberden seelischen Schaden, vor dem der Wahnsinn zurück-zuckt, nicht heilen kann. Um sich heilen zu können,muß man sich selbst aber erst wieder sehen können: undzwar alles, auch das, was man von sich abgetrennt hatals ES.19 Diejenige, die von jenem ES geschütteltwird, die eine Stimme aus sich sprechen hört, die ihr"fremd" ist, die sie frei läßt, damit sie von ihrnicht zerrissen wird, möchte nichts anderes als das:"Mit meiner Stimme sprechen: das Äußerste". (K 6)20Das ist aber erst dann möglich, wenn sie dieVerantwortung nicht mehr auf die anderen schiebt, diesie "gekränkt" haben, die sie "verletzt" haben, wennsie die Verantwortung für das Schmerzende und dasVerdrängte auf sich selbst nimmt: "Wieso hast du siestark werden lassen?" fragt Arisbe.Mit der "eigenen" Stimme kann man nur sprechen, wennman den anderen keine Übermacht über sich zugesteht.Noch will sie mit ihrer Stimme sprechen, um sich "zurechtfertigen". Aber: dieser "Hang, mich zurechtfertigen, sollte sich, so kurz vor mir selbst,erledigt haben". (K 6) Die Notwendigkeit, sich selbstin einen Sinnzusammenhang zu stellen, sich durchSprache zu rechtfertigen, ist nichts anderes als dieNotwendigkeit, trotz allem, trotz derNichtkonformität, die Zustimmung, das Begehren desAnderen zu erwerben. Das ist aber nur möglich, wenn

dieses andere Begehren, das Begehren des ES sichwieder in das ICH integrieren ließe, wenn ICH nichtmehr vor jenem Schrecken (der ja nur zum Teil einphantasierter Schrecken ist), vor jener Gewalt, diedie Wurzel der Verdrängung ist, wegzulaufen bräuchte,wegzusehen bräuchte, wenn das Ich die Gewalt nichtdadurch resonanzhaft verstärkt, daß es sie als Gewaltder eigenen Verdrängung gebraucht. Diese Gewalt, diese"Waffen" sieht Kassandra in jedem Menschen, in"Marpessas Schweigen, Agamemnons Toben".Sie selbst aber hat diese Gewalt am Ende abgelegt,auch die Gewalt sich selbst gegenüber, die das was sieerschreckte, mit Gewalt verdrängte: "Ich freilich haballmählich meine Waffen abgelegt, das wars, was anVeränderung mir möglich war". (K 6) Die ersteVeränderung geht in ihr vor, als die Griechentatsächlich vor Troja landen und anfangen die Trojanerhinzumetzeln, als einen der ersten ihren geliebtenBruder Troilos.21 Dem Wahnsinn ist der Grundabgegraben, das Selbstmitleid, das nicht sehen will,das sich nicht verletzen will, und daher die Angst andas Unbewußte verweist. Wer imstande ist, wirklich zu"sehen", wird nicht mehr wahnsinnig, wie immerschmerzlich diese Erfahrung auch sei.22Dann ist es vielleicht auch nicht richtig, von dieserVeränderung als einer nur individuellen zu sprechen,denn sie hat sich ja in einer Gegengesellschaft undmit Hilfe dieser Gegengesellschaft entwickelt. Es istein "wir", durch den Krieg endgültig zerstört, dochals Vor-Bild, als Utopie unzerstörbar, das hier"Zukunft" vorweggenommen hat.23 Auch wenn sie jetzt"Ins Finstere. Ins Schlachthaus. Und allein" (K 5)geht, die Gemeinschaft derjenigen, die Gewaltverneinen, läßt sich nie durch Gewalt ausrotten. Zwarglaubt Kassandra, "vergiftet von der Gleichgültigkeitder Außerirdischen gegenüber uns Irdischen" das"Wagnis" sei gescheitert, "ihrer Eiseskälte unsre

kleine Wärme entgegenzusetzen". (K 5) Aber noch ihrTod, ihre Weigerung einen zukünftigen Helden zulieben, ist ein Sieg ihres Wagnisses, wenn auch einPyrrhus-Sieg, bei dem man alles verliert.Dieser schmale Streifen Zukunft, der auch ein Streifeneiner besseren Vergangenheit ist, Restbestand einerZeit, in der die Frau noch nicht Tauschgegenstand desMannes war, oder doch nicht allein das, ist dieGemeinschaft, die durch die Göttin Kybele gestiftetwird. Erinnerung ist in Überresten erhalten, denenChrista Wolf auf Kreta, in der minoischen Kultur,begegnet, Erinnerung an die Zeiten, als die Frauen denackerbauenden Clans vorgestanden haben, als ihnen dieKinder zustanden, die sie zur Welt gebracht haben, alssie sie Erbfolge regelten, so daß "Kult, daß Tabu undFetisch, Tanz, Gesang und viele frühen Handwerke vonihnen ausgingen". (V 56) Gewaltfrei und ideal wardiese kretische Welt wohl auch nicht, Blut und Opfergab es auch hier, Opferrituale, selbst religiös-rituellen Kannibalismus -- und Christa Wolfverschweigt es in ihrer Darstellung des kretischen"Matriarchats" nicht.24 Idealisierungen greifendaneben, und verdecken das Interessante an dieserKultur "mit theokratischer Hierarchie, mit feudalemKlassen- und Schichtensystem, mit Ausbeutung undSklaverei".25Die Begegnung Kassandras mit dieser anderen Welt istzunächst einmal traumatisch: die Tänzerinnen werden zuGesten getrieben, "die mein Schamgefühl verletzten,bis sie außer sich gerieten, sich schüttelten, sichheulend verrenkten, in eine Ekstase verfielen, in dersie uns anderen unsichtbare Dinge sahen". (K 24) Wasihr vorher als Wahnsinn und Unkontrollierbarkeit ihresKörpers im Wahnsinn zugestoßen war, sieht sie nun alsandere, aber ebenso fremde Erfahrung. Kassandra irrtnach diesem Ritual "von Furcht und Schrecken erfüllt",lange umher (K 24). Es ist nicht leicht, seinem Wissen

zu entsagen, "um ihrem Wahnwitz Gehör zu schenken",man läuft Gefahr, sich als Subjekt nicht wieder zufinden, sich selbst in einer ortlosen Hysterie zuverlieren, die eben das Mysterium dieser Mutter-Göttinist.26 Erst sehr viel später erfährt Kassandra, daßder Verlust der Identität, so erschreckend er ist,auch eine Erlösung ist. Bei der Totenklage umPenthesilea löst sie sich aus ihrer ihr anerzogenen"Vernunft" und wünscht sich diesen Verlust des Selbstsogar herbei: "sollte die Wildnis wieder über unszusammenschlagen. Sollte das Ungeschiedene,Ungestaltete, der Urgrund, uns verschlingen. TanzeKassandra, rühre dich". (K 138) Die Angst vor dem"Rückfall in die Kreatur", (K 27) den sich Kassandrabis dahin nicht gestattet, ist auch die Angst vor derErschütterung des festen Bodens der Ratio unterunseren Füßen, die Angst vor der Verschiebung derGrenzen zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren,die Angst vor den anderen Wirklichkeiten.27Kassandra entzieht sich diesem Schrecken zunächstdurch die Scheinhaftigkeit ihres Priesterdaseins, denStolz auf ihre Seherinnengabe, und durch die Leere derHerrschsucht. Erst das Geheimnis des Paris und desAisakos, Jünglingsopfer beide, zwingt sie wieder indie Nähe des Ida-Berges, zu Arisbe, der Mutter desAisakos. Dort entdeckt sie jene dunklen Vorhersagendes Aisakos und den Traum der Hekabe, die dasSchicksal der Stadt Troja vorausdeuten. Wie starkKassandra immer noch bis tief in ihre unbewußteStruktur vom männlichen Diskurs beherrscht wird, wieihr aber gleichzeitig langsam bewußt wird, daß dieserDiskurs im Innersten falsch konstituiert ist, erfährtsie in dem Traum, den sie nach Aineias Rückkehr in dieStadt träumt:Mond und Sonne standen gleichzeitig am Himmel undstritten um die Vorherrschaft. Ich war, von wem, daswurde nicht gesagt, zur Schiedsrichterin bestellt:

Welches von den beiden Himmelsgestirnen hellerstrahlen könne. Etwas an diesem Wettkampf warverkehrt, doch was, das fand ich nicht heraus, wie ichmich auch anstrengen mochte. Bis ich mutlos undbeklommen sagte, es wisse und sehe doch jeder, dieSonne sei es, die am hellsten strahle. Phöbus Apollon!rief triumphierend eine Stimme, und zugleich fuhr zumeinem Schrecken, Selene, die liebe Mondfrau, klagendzum Horizont hinab. Dies war ein Urteil über mich,doch wie konnte ich schuldig sein, da ich nur ausge-sprochen, was der Fall war. (K 100)Verkehrt an diesem Wettkampf ist natürlich, aber dasentgeht ihr, daß in der Hierarchisierung durch dasWort "heller" der Ausgang des Wettkampfes schon vorwegenthalten ist, daß die männliche Sprache zudem Faktumund Wertung so eng verknüpft, daß man das eine ohnedas andere nicht sagen, daß schließlich der Streit umVorherrschaft selbst ein Modus der männlichen undnicht der weiblichen Existenz ist.Gerade weil Kassandra privilegiert ist, ist es ihrbesonders schwer, den Weg zu den Unterdrückten, denFrauen in den Höhlen, zu Kybele zu finden. "Dich mußteman hertragen, haben sie mir später vorgeworfen. Sonstkamst du nicht. Sonst wär ich nicht gekommen? AusHochmut nicht?" (K 139) Kassandra löst sich nurschwer, nur durch die Ereignisse gezwungen, aus derStellung, die man ihr in der Welt des Palastes, derHerrschaft, zugestanden hat. Es ist erst der Tod derPenthesilea der Anlaß, daß Kassandra ins Lager derFrauen umsiedelt. Zwischen den beiden Frauen ist einetiefe Kluft: Kassandra empfindet sie als "eine Spur zugrell". Aber sie ahnt: "Sie hatte hinter sich, was wirnoch vor uns hatten. Lieber kämpfend sterben, alsversklavt sein." Vor ihr fürchten sich dietrojanischen Männer und flüstern entsetzt: "DieseWeiber hätten ihre eigenen Männer umgebracht" (K 133)und man negiert ihre Weiblichkeit, indem man

behauptet, sie hätten sich im zarten Alter eine Brustausgebrannt. Was Penthesilea von den anderen Frauentrennt, ist ihre Unbedingtheit: sie will, daß allesaufhört, da "ich kein andres Mittel kenne, daß dieMänner aufhörn". (K 134)Die trojanischen Frauen glauben dagegen noch:"Zwischen Töten und Sterben ist ein Drittes: Leben".(Ebd.) Dieses Dritte wird zwar sichtbar in der Höhle,in der Kassandra "Lebendge Ruhe. Liebesruhe" (K 139)findet, in dem Raum, in den ihre Stimme hineinpaßt,der genau für sie vorgesehen war (K 140); aber es istnur ein "Zeitenloch", ein geschichtlicher Ort, derdurch die Tätigkeit der Frauen dem Schicksal entgangenist, ebenfalls ein Ort des Schlachtens zu sein. Er istdas, was man nicht erwarten darf, das man aber dankbarannimmt, wenn es da ist: "Wer würde uns glauben,Marpessa, daß wir mitten im Kriege regelmäßigzusammenkamen, außerhalb der Festung, auf Wegen, dieaußer uns Eingeweihten niemand kannte." (K 60) Es istdie Ausnahme, nicht die Regel. Selbstverständlich darfman, wie Arisbe sagt, sie nicht ungenutzt vergehenlassen, aber man kann sich dort auch nicht vor demVerstecken, was getan werden muß. Man kann sich vordem Anspruch der Anderen nicht in einer Utopie, einerVorwegnahme der Zukunft verstecken, an der noch nichtalle teilnehmen können.Die wichtigste Einsicht Kassandras verdankt sie demSchmerz, als sie lebendig in einem Erdloch begrabenwird, vom Vater, vom Herrscher, dessenLieblingstochter sie immer sein wollte, verstoßen. Esist der Schmerz, den ich doch zu kennen glaubte. Jetzt sah ich: Bisherhatte er mich kaum gestreift. Wie man den Felsen nichterkennt, der einen unter sich begräbt, und nur dieWucht des Anpralls spürt, so drohte mich der Schmerzum den Verlust all dessen, was ich 'Vater' nannte, zuerdrücken. [...] Es gibt einen Schmerz, der nicht mehr

weh tut, weil er alles ist. Luft, Erde, Wasser. JederBissen. Und jeder Atemzug, jede Bewegung. Nein, es istunbeschreiblich. Ich sprach nie darüber. Niemandfragte mich danach. (K 146f.)Was die "Tochter" an dieser Stelle trifft, ist, daßihre verborgene "inzestuöse" Liebe zum Vaterzurückgewiesen wird, das, worauf sie als"Lieblingstochter" ihr ganzes Leben aufgebaut hat: vomVater -- wenn auch nur als Tochter -- geliebt werden(Vgl. Freud b, S. 422f.). Der Schmerz benennt dieIdentität von Liebe und Gewalt: Du bistLieblingstochter, du wirst geliebt, solange du "ja"sagst, solange du dich fügst, solange du die Machtanerkennst. Du wirst sogar zum Schein gefragt, dudarfst "ja" oder "nein" sagen, aber wehe, wenn du neinsagst. Dieses "Nein" ist die Freiheit, etwas andereszu wollen als das Gesetz des Vaters. Aber wer diesesNein ausspricht, dem wird man zeigen, was tot seinheißt, den wird man unter der Erde, vielleicht auch imGefängnis, vielleicht auch in sogenannten humanerenZeiten im Irrenhaus vergraben. Du darfst "wehe, wehe"rufen und "Wir sind verloren!" aber nicht dasGeheimnis der Herrschenden ausplaudern: "Troer, esgibt keine Helena!" (K 79) Kassandra meint, der"Eumelos in mir verbot es mir", aber der Eumelos istnur eine der Phantasiegestalten, die die Furcht vordem allgewaltigen Vater erzeugt, der, vom wirklichenVater abgetrennt, den "bösen" Vater in der Imaginationrepräsentiert: "Vater" Staat! Diese Angst um die Liebedes Vaters, die eine Angst vor seiner möglichen Gewaltist, macht sie zum Komplizen dieser Macht: "Ich,Seherin, gehörte zum Palast".28Schwer zu lernen: laßt euch nicht von den Eignentäuschen. Noch schwerer: daß diese Eignen, die einentäuschen können, die eigene Familie, Vater, Mutter,Bruder, Schwester sein können. Noch schwerer, zubegreifen, daß man nicht beides haben kann, Liebe,

"Übereinstimmung mit den Herrschenden", und die "Giernach Erkenntnis". (K 72f.) Der Schmerz ist dieUnvereinbarkeit der Wahrheit und der Liebe, der Liebejedenfalls, wie die meisten sie kennen, alsgegenseitiger Bund zur Befriedigung der Eigenliebe,29der Liebe als Begehren des Begehrens eines Anderen,dem man hilflos ausgeliefert ist, weil man es nicht"weiß". Liebe als protection racket: Wenn du mir nichtdie Wahrheit sagst, dann sag ich auch dir nicht dieWahrheit. Wenn du nicht die Wahrheit über mich sagst,dann sage ich auch nicht die Wahrheit über dich. Liebeals lebenslange Erpressung. Daß es eine andere Liebegibt, bei der man die Wahrheit sagt, um dem anderen zuhelfen, das zeigt Oinone, Arisbe, Aineias, Anchises.Sie haben die Gewaltstruktur, die Familie und Liebenur heißt, durchschaut. Von vielem muß man sich freimachen, um so lieben zu können. Und der Prozeß ist umso schmerzhafter, je inniger man vorher im double bindder familiären Liebe gefangen war.30Es geht, wie die Aussetzung des Paris beweist, umHerrschaft, wenn von Tod, Schmerz, Angst, Begehren dieRede ist. Es geht darum, jede mögliche Intrige gegendie Herrschaft schon im Keim zu ersticken: "Schoneinmal habe es im Palast eine Weiberintrige gegeben,damals vor des Paris Geburt. Die einen hätten ihnbeschworen, das gefährliche Kind beiseite zu schaffen,die andern, natürlich Hekabe dabei, wollten geradediesen Sohn als zu Höherem auserwählt retten. ZuHöherem! Also zum Anwärter auf den Thron des Vaters,was denn sonst." (K 58) Die Angst des Vaters, desHerrschers vor dem möglichen Usurpator, vor dem Sohn,der ihn opfern wird, treibt ihn dazu den Sohn zuopfern, Jünglingsopfer. Man muß nicht nur denmöglichen zukünftigen Prätendenden, sondern gleichauch die Brüderhorde einschüchtern. Sie sollen wissen,daß auch nur die leiseste Andeutung, der dünnsteVerdacht, die dümmste Prophezeiung, da wolle einer die

"legitime" Macht zu seinen Gunsten zerstören, zurbrutalsten Bestrafung führt. Und keiner wird es wagen,das nachzuahmen, was der arme Säugling gar nichteinmal vormachen konnte.Die Machtstrukturen der Troer und der Griechenunterscheiden sich nicht grundsätzlich, höchstensdadurch, daß die Griechen weniger Hemmungen haben,wenn es darum geht, die Gewalt, auf der die Machtberuht, sichtbar zu machen, und daß sie auf Grunddieser Hemmungslosigkeit "effizienter" sind. Auch dieFrau, die sich auf die Macht einläßt, entgeht diesemSchicksal nicht. Auch Klytaimnestra wird "von jenerBlindheit befallen, die an Macht gekoppelt ist. Auchsie wird die Zeichen übersehen. Auch ihr Haus wirduntergehn". (K 49) Ein "Menschenschlachthaus" nenntKassandra in Aischylos "Orestie" den Palast desAgamemnon, aber ein "Menschenschlachthaus" ist auchder Palast des Priamos in Troja. Es ist lediglicheinfacher, die Gewalt bei den anderen zu sehen, siebei den "Eigenen" zu übersehen. Und es ist einfacherdie Gewalt gegen die "Eigenen" (in diesem Fall die"Frau" Iphigenie) als gegen die Anderennachzuempfinden: "einen Säugling heimlich töten lassenund ein erwachsenes Mädchen öffentlich schlachten? Undich erkannte nicht, daß es dasselbe war? Weil es nichtmich, die Tochter betraf, sondern Paris, den Sohn?" (K62) Gewalt ist immer dieselbe, in wie vielfältigenFormen sie sich auch zeigt, und wer die eigene Gewalt,wie immer notwendig, nicht erst einmal als Gewaltbegreift, verblendet sich selbst.Die gesellschaftlichen Gewaltstrukturen, deren Ort dieFamilie ist, verzerren das, was Familie angeblich ist.Zwar nehmen wir, vor allem als Kinder, nicht wirklichwahr, was wir sehr wohl beobachten und aufnehmen:diese Verzerrungen schleichen sich eher unbewußt inunser Psyche ein und richten dort zum Teil nie wiedergut zu machende Verstörungen an; wir hören auf, an den

Weihnachtsmann und an den Storch zu glauben, aber ander "Liebe" und "Geborgenheit" der Familie zweifelnwir höchst selten. Eher zweifeln wir noch an unsselbst, wenn wir die Spuren der Gewalt, derZerstörung, der Lüge und Verzerrung wahrnehmen; wennwir dann doch nicht umhin können, die "Wahrheit"wahrzunehmen, die wir unbewußt als verstecktesGeheimnis immer geahnt haben, geschieht das meistnicht ohne einen tiefgehenden Schock. Die Erkenntnis,daß die Macht den Mord an einem Säugling nicht nurzuläßt, sondern veranstaltet, und daß diese Macht derVater ist, ist für Kassandra eine solche erschütterndeErfahrung.31Das innerste Geheimnis der "Macht" geht Kassandra auf,als Achilles im Tempel auf ihren Bruder Troiloseindringt, die Verquickung von Gewalt, Brutalität undLust, Sadismus und Sexualität, die Perversität, ausder die Gewalt des Staates nach innen und außen sichspeist:Wie näherte sich dieser Feind dem Bruder. Als Mörder?Als Verführer? Ja gab es das denn: Mörderlust undLiebeslust in einem Mann? Durfte unter Menschen dasgeduldet werden? Des Opfers starrer Blick. Dastänzelnde Herannahen des Verfolgers, den ich jetzt vonhinten sah, ein geiles Vieh. Das Troilos, den Knaben,bei den Schultern nahm, das ihn streichelte -- denWehrlosen, dem ich Unglückselige den Panzer abgenommenhatte! -- ihn befingerte. Lachend, alles lachend. Ihman den Hals griff. An die Kehle ging. Die plumpekurzfingrige haarige Hand an des Bruders Kehle.Pressend, pressend. Ich an des Mörders Arm gehängt, andem die Adernstränge vortraten wie Schnüre. DesBruders Augen aus den Höhlen quellend. Und in AchillsGesicht die Lust. Die nackte gräßliche männliche Lust.(K 85)Gegenstück dieser gewalttätigen Lust ist seineVergewaltigung der toten Penthesilea und seine

Bestrafung durch die Griechen durch eine weitereVergewaltigung des Frauenkörpers: "Schleiften dieTote, um die er nun weinte, mit Pferden übers Feld undwarfen sie in den Fluß. Die Frau schinden, um den Mannzu treffen". (K 137)32Dennoch ist auch dieses Gewalttätige nicht ohneWurzel, seinerseits ein Kind der Gewalt; so wie dergehaßte und gefürchtete Eumelos sich nach der Meinungdes Anchises, dieses von Vorurteilen freienProtopsychoanalytikers, einfach dafür rächt, daß erkeine Frau hat:ihr Frauen ahnt nicht, was das einem Mann bedeutet.Daß er Sklavinnen zwingen muß, ihm beizuwohnen. Daß ereure Schadenfreude riecht. Ein Mann wie der riechtdoch, was um ihn her passiert. Der ist doch, wie wiralle, nur darauf aus, dahin zurückzukehren, wo es ihmeinmal gut gegangen ist: unter eure Röcke. Dasverwehrt ihr ihm. Da rächt er sich, so einfach istdas. (K 104)Obwohl die Frauen, denen er diese Theorie "heiter"vorträgt, wütend auf ihn losgehen, löst er doch Fragenbei ihnen aus: "Das Böse als Mangel? Als Krankheit?Heilbar also? [...] Der Mensch sei ein Produkt vonTroja, genau wie -- sagen wir, der König Priamos." (K104f.) Er sieht beide als "Fehlentwicklungen", ein"Paar, das einander brauchte". (K 105) Bei einzelnen-- etwa bei Eumelos -- kann die Fehlentwicklung schonso weit fortgeschritten sein, daß es keine Kur mehrgibt. Grundsätzlich aber hebt Anchises damit dieFreund-Feind-Trennung auf und erklärt alle zu"Menschen": der "Bruder Hitler" ist auch in uns, undder schwache Mensch ist auch in dem Feind; seineGewalt und Brutalität nur hilflose Versuche, Liebe zubekommen. So daß man ihn zwar zunächst bezwingen muß,daß er in seinem Haß nicht das Leben aller gefährdet,aber grundsäztlich heilen kann, und damit den Zirkelimmer neu entstehenden Hasses durchbrechen kann.

Anchises ist kein Idealist und kein Illusionär: erweiß, und gibt zu, daß das nicht leicht sein wird, daßes fast unmöglich ist. Aber es gibt Beispiele desSehend-Werdens, des Heil-Werdens, Beispiele, wie dieseauf dem Unbewußten ruhende Gewalt anderen, schönerenZwecken zugeführt werden kann. Gewiß, es ist leichterzu hassen, Grenzen zu ziehen, "Wir" und die "Andern"zu sagen, es ist sogar, solange der Kampf andauert,notwendig, um sich das bloße Überleben zu sichern;aber jede solche Grenze erzeugt, um sich zu erhalten,neue Gewalt.Immer haben die Unterdrückten auf ihre Unschuldverwiesen, auf ihre überlegene Moral, ihrenHumanismus: denn sind sie es nicht, die Unrecht lei-den, die ihre linke Backe hinhalten, wenn man sie aufdie rechte schlägt? Natürlich haben sie recht, solangesie die Unterdrückten sind. Und sie brauchen diesenGlauben an ihr eigenes Rechthaben brotnotwendig,wollen sie sich gegen das Unrecht wehren, mit wenigmehr bewaffnet als dieser Erfahrung, daß ihnen Unrechtgetan wurde. Sie erfahren, daß die Welt, in der wirleben, von den Besitzenden in "ein riesigesmetallisches System" umgewandelt wurde, "vor dem dieorganische Substanz," das Leben, "porös wurde, sichleicht zerreiben und wegblasen ließ" (Weiss 1975ff,Bd. III, S. 125). Kann man den Unterdrückten zumuten,daß auch sie, auch wir, "auch wenn wir aus Nothandelten, ebenso schuldig sind wie sie, die nichtsanderes kennen als ihr System, das die Geschichtegeformt und deren Gesetze geschaffen hat", kann manihnen die Erkenntnis zumuten: "unsere Schuld ist es,daß wir nicht vermocht haben, ihnen Einhalt zubieten". Wir sind mitschuldig; wir haben, indem wiruns nicht dagegen wehrten, unserer Versklavungzugestimmt.Kann man den Unterdrückten zumuten, einzusehen, daßdieselbe Abrichtung, die sie zu Unterdrückten gemacht

hat, sie auch in den Kreis der Gewalt eingeführt hat?Unmerklich nämlich geht die Gewalt, die einem angetanwird, über in eine Gewalt, die man anderen antut. DasKind, das geschlagen wurde, schlägt, wenn es erwachsengeworden und selbst Kinder hat, die Kinder mit der-selben Gnadenlosigkeit -- und denkt es sei "Liebe".33"Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar", sagteIngeborg Bachmann -- vielleicht nicht auf einmal, miteinem Schlag. Das von Illusionen geprägte Ich brauchtZeit sich mit dem Schock abzufinden, der Wahrheit demgespaltenen Ich immer ist. Kassandra sagt über sichselbst: "Auf einmal sehend werden, das hätte michzerstört". (K 47)Dennoch kann man nicht übersehen, daß eine Umwälzung,in der der Untere nach oben kommt, eine Revolution, andieser Konstitution des Ichs nichts ändert, wenn inder Revolution selbst nicht Erfahrungen gemachtwerden, die diese Konstitution des Ichs grundlegendverändern; die Erfahrung, daß Brüderlichkeit /Schwesterlichkeit nicht nur ein schönes Wort vonPietisten und ein Schlagwort der FranzösischenRevolution ist; daß jede Hierarchisierung, auch dieÜberordnung der Frau, auch eine Gesellschaft der Frau,in der es weiterhin Sklaven, Ausgebeutete, Unter-geordnete gibt, nur auf Gewalt aufgebaut sein kann.Die Frau, die sich ihre Stellung, mühsam erkämpft, ineiner Gesellschaft erhalten will, die durch und durchvon Gewalt durchsetzt ist, wird sie anders alsKlytaimnestra nicht zum Beil greifen müssen, wenn siedas Erkämpfte in Gefahr sieht? Wie könnte man von derminoischen Kultur erwarten, sie enthalte diese Gewaltnicht, solange sie noch Privilegien kannte, die zuverteidigen waren. Sehr tiefliegende Strukturen derAngst, der Unsicherheit, des Begehrens müssenumstrukturiert werden, ehe das möglich ist. Nochangesichts des Todes klammert sich Kassandra an eineder Tiefstliegenden, der Nötigung sich selbst zu

spalten, um denken, sprechen, bewußt sein zu können:"Werd ich denn noch, wenn schon mein Kopf, mein Hals-- werd ich um des Bewußtseins willen bis zuletztmicht selber spalten, eh das Beil mich spaltet, werdich -- ". (K 27)34Wer Utopien zimmert, und sich dabei nicht bewußtmacht, auf welchen Greueln seine Gegenwart aufgebautist, Hieroschima, Vietnam, Dachau, Äthiopien,Afghanistan, wer nicht den Strom von Blut undEntsetzen der Geschichte kennt, ist unverantwortlich.Wer um der Schönheit der Utopie willen diese Schreckenverschweigt, damit die Utopie perfekter, leichter,möglicher aussieht, wer verschweigt, daß auch dieUnterdrückten in bestimmten Situationen zu Bestienwerden können, wer nicht nachforscht, wie diese Bru-talität entsteht und wie sie vielleicht zu verhindernwäre, der verhindert die Utopie so gut wie jene, diedie Untaten der Herrschenden verschweigen. Es ist einefalsche, gefährliche Solidarität mit denUnterdrückten, die ihnen nach dem Munde redet, wie dieoffiziöse Presse den Unterdrückern nach dem Munde re-det. Wenn etwas retten kann, dann vielleicht dieWahrheit, nicht die angeblich "objektive", die immereine ist, die sich an schon bestehenden Wortordnungenorientiert, wie Kassandras Traum von Sonne und Mond,sondern eine "solidarische", die die schmerzendeWahrheit um der Unterdrückten willen, um ihrer Zukunftwillen, um der Utopie willen sagt.Denn auch darin ähneln sich alle Kulturen der Gewalt,daß sie die Wahrheit nicht ertragen können. Sie müssendas Ich spalten in einen Teil, der weiß, der sichbewußt ist, und einen Teil, der vergißt, verdrängt.Das Unbewußte ist die verstummte Gewalt, die Gewalt,die etwas in mir Verstummen gemacht hat. Benjaminbemerkt in seinem Aufsatz über Kafka: "DasVergessene ... ist niemals nur ein Individuelles.Jedes Vergessene mischt sich mit dem Vergessenen der

Vorwelt, geht mit ihm zahllose, ungewisse, wechselndeVerbindungen zu immer neuen Ausgeburten ein."(Benjamin 1980, S. 429) Der Mythos gibt Anleitungendes Vergessens: er zeichnet (wie etwa im Oedipus) demVergessen die Spur vor, dem es folgen kann. Weil seittausenden Jahren verdrängt und vergessen wurde, wirdes immer leichter zu verdrängen und zu vergessen. DasGraben in der Vergangenheit, die sich die jeweilsHerrschenden als "ihre" Geschichte angeeignet haben,dient daher auch dem Aufdecken dieser Mechanismen, dieuns bis zur Unkenntlichkeit des Stummseins verstörthaben. Man darf nicht aussprechen, was doch geschehenist, das Geschehene muß totgeschwiegen werden, damitdiejenigen, die herrschen, nicht diskreditiert werden,aber auch diejenigen nicht, die um die Herrschaftkämpfen.35Natürlich kennen alle die Untaten der Vergangenheit,"Kindermord und Menschenfraß" (V 11), die gleichensind es, in Troja und Mykenae, eine endlose Kette vonGreueltaten, um die Herrschaft aufrechtzuerhalten, umden Neid der Nebenbuhler auszuschalten, die Intrigenum die Macht schon im Keim, im Säuglingsalter zuersticken. Aber man darf sie nicht aussprechen, denndas verordnete und allgemein akzeptierte Schweigen zudurchbrechen, gefährdet mehr als alles die Sicherheitder Herrschaft. Wenn, wie Christa Wolf meint, Trojaauch eine "Utopie" sein soll, dann weil es in Trojanoch Gruppen von Menschen gibt, die bereit sind dieWahrheit zu sprechen; aber es ist eine Utopie, derenTage gezählt sind, eine Utopie, die in die Hände derHelden fällt, die vor allem auch die Wahrheit erwürgen-- eine Stadt also, so verschieden von Mykenae nicht.Es geht den Herrschenden in Mykenae (und überall) "zuweit", wenn Kassandra bei Aischylos die Untaten derVergangenheit noch einmal benennt: "Atreus, desAgamemnon Vater, der seines Bruders Thyestes Kinderschlachtet und ihr Fleisch dem Vater vorsetzt". (V 12)

Die Untat benennen bedeutet die Sprache der Herrschaftzu durchbrechen, in der von den Untaten derHerrschende nicht die Rede sein darf: "Nicht dieUntat, ihre Ankündigung macht die Menschen blaß, auchwütend [...] Und daß wir lieber den bestrafen, der dieTat benennt, als den, der sie begeht". (K 18)Tief steckt es in uns: Nicht der Mord ist verboten(oder doch nicht jede Form), aber den Mord benennen."Opfer" darf man noch sagen, statistisch von"Megatoten" reden vielleicht, alles Euphemismen undUmschreibungen, die die Tatsache verschleiern. "Wörterwie 'morden', 'schlachten' sind ja den Mördern undSchlächtern unbekannt". (K 62) Und nichts macht dieSituation einen Deut besser, wenn die Unterdrückten,aus Angst um die Reinheit ihrer Motive, dem Kritikerverbieten, ihre eigenen Greueltaten zu benennen. Gewißist die Kritik an den Herrschenden, den Ausbeutern,den Unterdrückern notwendig, aber ohne eine Kritik anden eigenen wird es zu einer bloßen Umkehrung, nichteiner Veränderung der Zustände kommen.36Gerade Literatur und die Beschäftigung mit Literaturkann ohne diese Wahrheit nicht existieren.37 Aber allewollen Amnesie, weil sie, in einer gnadenlosenGesellschaft aufgewachsen, nicht glauben können, daßman Schuld anders als durch härteste Strafe abbüßt.Wie also kommen jene zustande, die wie Kassandra dieWahrheit sagen müssen? Daß es auch mit dem "dieWahrheit sagen" etwas Problematisches auf sich hat,weiß Kassandra selbst: Habe ich etwa, um mein Selbstgefühl zu retten -- dennaufrecht, stolz und wahrheitsliebend sein gehörte auchzu diesem Bild von mir -, das Selbstgefühl der Meinenallzu stark verletzt? Habe ich ihnen, unbeugsam dieWahrheit sagend, Verletzungen heimgezahlt, die sie mirbeigebracht? (K 15)Hat Panthoos, der Grieche, recht, wenn er ihrvorwirft:

Du lügst, wenn du uns allen den Untergang prophezeist.Aus unserm Untergang holst du dir, indem du ihnverkündest, deine Dauer. Die brauchst du dringlicherals das bißchen Nestglück jetzt. Dein Name wirdbleiben. Und das weißt du auch. (K 14)Was Panthoos allerdings nicht sieht, daß es manchmalmöglich ist, sich selbst und andern zu nützen:Eigenliebe, und noch Anderes, Tieferes mag im Spielsein, wenn einer die Wahrheit spricht; aber seinSprechen ist den anderen doch nützlich. In seinerStudie "Eine Kindheitserinnerung des Leonardo daVinci" (Freud a, S. 144ff) nimmt Freud zwar alsGrundlage der Wißbegierde "eine besondere Anlage" an,"über deren wahrscheinlich organische Bedingtheitmeist noch nichts Näheres bekannt ist", zieht aber ausseinen Studien der Neurose den Schluß, daß dieserTrieb sich bereits in der frühesten Kindheit betätigthat und daß "er ursprünglich sexuelle Triebkräfte zuseiner Verstärkung herangezogen hat". Ein solcherMensch, meint Freud, "würde also zum Beispiel forschenmit jener leidenschaftlichen Hingabe, mit der einanderer seine Liebe ausstattet". Die Wißbegierde derkleinen Kinder ist nach Freud nur ein Umweg, und siekann deshalb kein Ende nehmen, "weil das Kind durchsie nur eine Frage ersetzen will, die es doch nichtstellt". Diese "infantile Sexualforschung" ist alsoder Grund, auf dem sich später das entwickelt, was wirals irgendeine Form der "Suche nach der Wahrheit"bezeichnen, und wer, wie Kassandra, die Zukunftvorherwissen will, der möchte eigentlich das Geheimniseiner kindlichen Vergangenheit aufdecken. Er hat auchdurchaus recht, denn die Vergangenheit und Zukunfthängen über die grundlegende Prägung des noch nichtsprechenden Kindes zusammen, diese Prägung wird sich,so oder so, bis zu seinem Tode auswirken, und wernicht weiß, wie er geworden ist (auch noch über seineigenes individuelles Werden hinaus), wird auch nie

verstehen können, was dieses so Gewordene in derZukunft noch alles veranstalten wird.Foucault hat diese sehr zweideutige Verbindung vonMacht, Wissen und Lust untersucht und gezeigt, daß der"Willen zum Wissen" (auch der über den Sex) und derDiskurs, der aus diesem Willen entsteht, selbst dieMacht unterstützen kann, indem der Diskurs den Sex inBeschlag nimmt, und ihm keinen Augenblick Ruhe oderVerborgenheit gönnt -- alles soll ans Licht kommen.Wahrheit, auch die Wahrheit über die Sexualität, istnichts einfaches: sie kann auch Instrument einerzudringlichen und indiskreten Praxis sein, die durchdas Wissen Herrschaft ausübt. Solche Macht"organisiert ein Personal, das alles erspäht,organisiert, provoziert, notiert, berichtet und daseine ungeheure Pyramide von Beobachtungen und Dossiersaufhäuft" (Foucault 1977, S. 72). Die Wahrheitspionierender Voyeure, die Spitzel der Medizin, derPsychologie, der Sozialfürsorge und der geheimenStaatspolizei; ein "unübersehbarer Apparat", "der dieWahrheit produzieren soll". Auch da heißt es ehrlichsein, und sich fragen, welchen Gewinn (an Lust?)Wahrheit bringt. Warum sage ich die Wahrheit? Warumwill ich sie wissen?Die "Lust", die Kassandra aus dem Beobachten und zumWissen kommen zieht, ist bis an ihr Ende gefärbt vondieser kindlich sexuellen Schaulust und Wissenslust:"denn ich zog Lust aus allem, was ich sah -- Lust;Hoffnung nicht! -- und lebte weiter um zu sehn." (K 6)Diese Lust zu sehen, noch im letzten Augenblick ihresLebens, einen Moment, bevor sie die Schwelleüberschreiten und selbst durch die Axt hingerichtetwerden wird, geht von einer Erfahrung des Todes aus,wie sie ähnlich von Peter Weiss bei der Darstellungdes Bürgerkriegs in Spanien gezeichnet wird.38 Voneinem solchen Todeserlebnis her formuliert sich danndie Ästhetik als "Aufmerksamkeit": als volles Dasein

in dem jeweils winzigen Zeitraum zwischen dem Jetztund dem Nochnicht.Christa Wolfs Kassandra, die Leben nicht alsgepanzerten Stillstand sondern als gefährdetesOffensein und Wachsein, als rücksichtslose Wahrheitund daher als dynamischen Prozeß erlebt hat, behältdiese "Aufmerksamkeit" bis zum Ende. Im Gegensatz zuvielen anderen Kindern nämlich, bei denen dieser früheFlirt mit der Wahrheit durch die Erfahrung desMißglückens und durch die Sexualverdrängung derLatenzperiode für immer abgeschlossen wird, und derenIntelligenz auf Lebenszeit gehemmt wird,39 setzt sichdiese Neugier bei Kassandra als Grübelzwang,Wahrheitsfanatismus, Wahrsagefähigkeit durch; erstdurch einen längeren Prozeß der Erfahrung desSchmerzes wird die Trennung zwischen dem Unbewußten,das in der Vorhersage der Zukunft eigentlich die Lustund Angst der kindlichen Vergangenheit meint, und dembewußten "Erkennen" aufgehoben.Eines ebenso langen und schmerzhaften Prozesses bedarfes, um die Schranken ihrer Privilegierung zudurchbrechen: "Meine Vorrechte stellten sich zwischenmich und die allernötigsten Einsichten." (K 62)Privilegierung nämlich heißt, mit dem Köder desHerausgehobenseins aus der Masse, Bevorzugte zu sein,Königstochter, Priesterin, Lieblingstochter, diesenWissensdrang im Zaum zu halten, die Schrankensorgfältig einhalten, immerfort zu fragen, um geradedie Fragen zu vermeiden, die die Grundlage derPrivilegierung in Frage stellen könnten. Die Wahrheitsprechen zu dürfen, ist Privilegierung, diese Privi-legierung stellt allerdings der in Frage, der dasPrivileg wirklich nutzt: sobald er als Privilegierterspricht, läuft er Gefahr, sein Privileg zu verlieren,als Irrer, Kranker, Verbrecher aus der Reihe derPrivilegierten ausgeschlossen zu werden. So mußKassandra, gerade weil sie privilegiert ist,

nachgeholfen werden. Die einfachen Leute, die Frauenam Ida, Arisbe, "sagen ihr die Wahrheit", verhindern,daß ihre Wahrnehmungswerkzeuge in derAbgeschlossenheit des Hofes verkümmern: "anstatt einGesicht zu ziehen, sollte ich heilfroh sein, daß esLeute gebe, die mir unverblümt die Meinung sagten.Welche Tochter aus mächtigem Hause habe schon diesGlück". (K 60)Anderen wiederum ist es verboten, zu sagen, was siesehen. "Kassandra, vornehm geboren, hat das Privilegdes Sprechens, des Gehört- und Genanntwerdens, selbstihr Tod bleibt nicht namenlos." Und Christa Wolf weistauf den Chor der Greise in der "Orestie", denen esnicht erlaubt ist, zu sprechen, und die, wenn siesprechen, nicht gehört werden:

Wäre zwischen Menschen, Den Mächtigen und Geringen, Nicht eine Schranke gesetzt: Müßte, wer klein ist, Nicht schweigen: Alles würde ich sagen! Schreien würde ich, Und aus dem Herzen Strömte es heraus! (V 38)

Aus ihrer privilegierten Stellung heraus, versteht sienicht, wie die Unterdrückten daran gehindert werdenkönnen, die Wahrheit zu sehen, die Wahrheit zu sagen.Ebenso wenig kann sie verstehen, wie andere von ihrenÄngsten und Zwängen beherrscht, das nicht sehenkönnen, nicht sehen wollen, was doch so"offensichtlich" ist: "Das habe ich lange nichtbegriffen: daß nicht alle sehen konnten, was ich sah.Daß sie die nackte bedeutungslose Gestalt derEreignisse nicht wahrnahmen [...] Ameisengleich gehenwir in jedes Feuer. Jedes Wasser. Jeden Strom von

Blut. Nur um nicht sehen zu müssen. Was denn? Uns." (K49) Diese Lust (die immer auch eine Lust am und zumeigenen Körper ist), läßt sie Zeichen wahrnehmen,"sehen", was andere nicht sehen, obgleich ihnen ihrKörper unzweifelhaft dieselben Zeichen gibt: "Wiejedem Menschen gab mir der Körper Zeichen; anders alsandere war ich nicht imstande, die Zeichen zuübergehen." (K 67) Sie haben denselben Sinnesapparatwie die Seherin, aber sie haben ihn lahmgelegt, siehaben ihn blockiert, sie haben die Leitungenabgeschnitten, durch die die (schmerzhaften) Zeichendes Lebens fließen. So erscheint ihnen die Gabe, dieZukunft vorherzusagen als eine außerordentliche Gabe,während sie doch das "Normale" ist. Die Orestie desAischylos lesend, in "panischen Entzücken", entdeckteChrista Wolf Kassandra: "Mir schien, daß sie alseinzige in diesem Stück sich selbst kannte". (V 10)Aber ist dieses "Sich selbst Kennen" nicht auch wieder"krankhaft"? Psychotische Züge hat Kassandra ja viele.Solch eine gnadenlose Sucht nach der Wahrheit, führtsie nicht, indem sie die eigene Lust befriedigt, zurHoffnungslosigkeit? Ist Wahrheit überhaupt möglich, wonoch Hoffnung vorhanden ist? Kann Wahrheit wirklich ananderer Stelle auftauchen als vor dem Tor mit demLöwen, hinter dem, Kassandra weiß es schon, nur nochder Tod wartet: "Kein Trost. Ein Wissen. Ich habe nurnoch Wörter ungefärbt von Hoffnung und Furcht." (K 48)Ist das die Signatur der Wahrheit: nicht wegsehen,wenn das Beil fällt? Böll wendet ein: "Illusionslossein aber heißt für sie nicht hoffnungslos zu sein"(Böll 1983, S. 23). Aber man kann fragen, ob das fürdie Kassandra noch zutrifft. Oder hat die Wahrheitsich hier doch noch ihr Opfer geholt? KeineVeränderung mehr glauben können, keine Hoffnung mehrhaben, sich mit dem abgefunden haben, was nunnotwendig geschehen muß, könnte das nicht auch dieEinsicht enthalten, daß hier und jetzt wirklich keine

Hoffnung ist; könnte die Lust an der Wahrheit bis zumAugenblick des Todes nicht eben doch über diesenmeinen Tod hinausweisen: auch der Sieger wirduntergehen und andere Sieger nach ihm?Könnte diese Lust, die die eigene Hoffnung zerstörtdann vielleicht doch aus dem Wissen über den Untergangder Sieger eine Hoffnung ziehen, die mich, die meinenTod überlebt, auch wenn das dann nicht mehr meineSache ist? "Resignation", meint Joachim Walther,"Entsteht die nicht wesentlich aus der kurzschlüssigenSynchronisation von Lebenszeit und Geschichtsprozeß?Ist Hoffnung nur ein Menschenleben lang lebensfähig?Braucht die Überwindung der wiederholten 'altenScheiße' (Marx/Engels in 'Die deutsche Ideologie')nicht doch viel länger als gedacht, und ist dasResignieren so nicht selbstinduziert durchunhistorisch verfrühtes Wünschen?" (Walther 1983, S.27)Flucht aus der Niederlage scheint fast unmöglich. Abervielleicht steckt in dieser Niederlage dann dochwieder ein Sieg! Ein Sieg auch noch über das verfrühteWünschen? Christa Wolf zitiert aus Heiner Müllers"Quartett": "Es ist gut, eine Frau zu sein, und keinSieger".40 Auch das problematisch, denn -- Kly-taimnestra zeigt es, -- auch Frauen sind manchmalSieger und verhalten sich so, auch Männer sindmanchmal die Unterdrückten. Aber nehmen wir "Frauen"hier einfach als Zeichen einer Niederlage, die in sicheinen anderen Sieg enthält: einen gewaltlosen, anti-heroischen, eines Sieges, der mit allen Mythen fertig-geworden ist, auch denen, vor allen denen, die wir inuns tragen, um uns ertragen zu können. Und in diesersiegreichen Niederlage entfaltet sich dann doch eineHoffnung, wenn auch nur als Frage: "Wer wird, undwann, die Sprache wiederfinden. Einer, dem der Schmerzden Schädel spaltet, wird es sein. Und bis dahin, biszu ihm hin, nur das Gebrüll, der Befehl und das

Gewinsel und das Jawohl der Gehorchenden". (K 10) Bisdahin wird der antiheroische Antimythos der Kassandrafür dieses Versprechen einstehen, für dieses Andere,das aus dem Diskurs ausgeschlossen ist, und das dochdauernd Diskurs zu werden versucht, dauernd anhebt zureden, dem aber dauernd in die Rede gefallen wird. "Sodaß neben dem Strom der Heldenlieder dies winzigeRinnsal, mühsam, jene fernen, vielleicht glücklicherenMenschen, die einst leben werden, auch erreichte". (K93) Wahre Prophezeiung, die ja einfach sagt, was zu"sehen" ist, kann sich darauf verlassen, daß sie rechtbehalten wird, gleichgültig, ob sie Schreckliches oderUtopisches voraus-"sieht". Als Motto ihrer zweitenVorlesung setzt Christa Wolf die Worte Kassandras ausder "Orestie":

Wenn ihr mir nicht glaubt, was tut's? Die Zukunft kommt gewiß. Nur eine kleine Weile Und ihr seht es selbst. (V 44)

Sie weiß es: denn die Zukunft ist in jeder Gegenwartenthalten, sichtbar. Wir trauen uns nur nicht, sie zusehen.

Abschluß des Manuskripts: April 1993Anmerkungen

1 Weigel 1984, S. 8, spricht von: "her counter designto Greek mythology. Identification with the maincharacter is formally conceived in the story throughthe narrative mode of inner monologue and through thepsychologization of the myth, so that the prophetessKassandra could become a modern day figure."2 Christa Wolf (V 111) beschreibt ihr Anliegen bei derKassandra-Figur: "Rückführung aus dem Mythos in die(gedachten) sozialen und historischen Koordinaten".

3 Vgl. Hansen 1983, S. 573: "von der utopischenMentalität sollte daher, wie ich sie nennen möchte,die retrospektive Mentalität geschieden werden, diebei regressiver Geschichtsvorstellung ihr Paradies imGewesenen findet."4 "Wohin ich blicke oder denke, kein Gott, keinUrteil, nur ich selbst. Wer macht mein Urteil übermich bis in den Tod, bis über ihn hinaus, so streng?"(K 28) Was nicht zur Sprache kommt, ist, daß dasGeständnis selbst eine höchst problematische Form derProduktion von Wahrheit ist: "The obligation toconfess [...] is so deeply ingrained in us, that we nolonger perceive it as the effect of a power thatconstrains us; on the contrary, it seems to us thattruth, lodged in our most secret nature, 'demands'only to surface; that if it fails to do so, this isbecause a constraint holds it in place, the violenceof a power holds it down, and it can finally bearticulated only at the price of a kind of liberation[...] a 'political history of truth' would have tooverturn [this idea] by showing that truth is not bynature free -- nor error servile -- but that itsproduction is thoroughly imbued with relations ofpower. The confession is an example of this." Foucault1980, S. 605 Wer also Geschichten erzählen will, nicht die, mitdenen man leere Augenblicke ablenkend ausfüllt,sondern "autorisierte", die den Sinn einerGesellschaft enthalten, muß seine Autoritätenherbei-"zitieren", entweder "primäre" (Gott, Vision,Intuition, Eingebung) oder sekundäre ("Belege" auseiner schon autorisierten Geschichte)6 Die "Geschichte" aber ist das Auftauchen derWahrheit im Wirklichen. Vgl. Lacan 1980a, S. 49 7 Es ist das (kaum bemerkbare) Erzähler-Ich, das unsdieses Unzugängliche und Unhörbare zugänglich undhörbar macht.

8 Sterben müssen, vor allem hilflos dem gewaltsamenTod ausgesetzt sein, den ein anderer über unsverhängen kann, weil er der Sieger und der Held ist,ist eine Position von der die Grundlage solcher Machtund Gewalt grundsätzlich in Frage gestellt werdenkann.9 Harbers 1987. S. 278, weist darauf hin, "daßHerrschenwollen, daß Macht und Gewalt mit Erosverbunden sind". "Eros bedeutet auch bei Kassandraimmer wieder Eifersucht, Besitzenwollen undHerrschenwollen." (S. 279)10 Bei ihrer ersten Begegnung mit Agamemnon auf demMarkt bemerkt Kassandra: "es beunruhigte mich tief,daß der große und berühmte Flottenführer der Griechenein Schwächling ohne Selbstbewußtsein war. Um wievielbesser ist ein starker Feind." (K 61) Alle homerischenHelden sind -- abgesehen von Anchises und Aineias --Feiglinge und Schwächlinge. Priamos, der mehr und mehrzerbröckelt, sein Sohn Hektor, der sich dieHeldenrolle aufzwingen läßt, der falsche "Sohn" Paris,dessen Geltungsbedürfnis den Kriegstreibern geraderecht kommt, der aber durchaus kein Held ist, "Achilldas Vieh", den Odysseus mit einem andern Jüngling imBett findet, mußte von Odysseus "buchstäblich amSchlafittchen in den Krieg geschleppt" werden, vonOdysseus, der sich "närrisch stellte", um sich demTruppenaufgebot zu entziehen, der aber nicht duldenwollte, "daß ein anderer davon kam, wo er blutenmußte" (K 95).11 "der Preis für die als Selbstbewußtsein verstandeneSubjektivierung wäre also die Objektivierung." Fornari1970, S. 18212 "Die Emotionalität der Männer ist geprägt voneiner bestimmten Ambivalenz: Einerseits besteht derZwang, sich stets als stark, mutig, unverletzlich usw.darzustellen, andererseits reproduzieren diesepermanenten Überforderungen starke regressive

Zärtlichkeitsbedürfnisse. Der Omnipotenzzwang und derGeborgenheitswunsch erschweren egalitäre Beziehungen,in denen Konflikte ausgetragen werden können."Schneider 1981, S. 228. Martin 1982, S. 11 weist aufdie Tendenz hin, der auch Christa Wolf nicht ganzentgeht, "to condemn male sexuality as naturally orintrinsically aggressive among some feminist thinkerswho emphasize women's passive victimization orinternalization in relation to it. Again, thisemphasis has its historical necessity as a response tothe forms of violence against women which have beenignored or accepted by society as self-evident for solong. However, the stress on victimization suffersstrategic and theoretical limitations in so far as itreproduces, at least implicitely, the notion ofwomen's passivity".13 Vgl. Martin 1982, S. 25: "In the construction ofthe absolute Other, those with power protectthemselves from what they must fear most, namely theexposure of their discursive and political order asarbitrary and vulnerable to desires and meanings onwhich the system depends but cannot contain."14 "Die Stimme, die das sagte, war mir fremd, undnatürlich weiß ich heute, weiß ich seit langem, es warkein Zufall, daß diese fremde Stimme mir oft in derKehle gesteckt hat, in seiner Gegenwart zum erstenmalaus mir sprach. Willentlich ließ ich sie frei, damitsie mich nicht zerrisse; was dann kam, hatte ich nichtin der Hand. Ich hab es gewußt, ich hab es gewußt,immer mit dieser fremden hohen wimmernden Stimme, vorder ich mich in Sicherheit bringen mußte." (K 45f)15 "Schlotternd, gliederschüttelnd hing ich an ihm,jeder meiner Finger tat, was er wollte, klammerte sichin seine Kleider, riß an ihnen; mein Mund, außer daßer diesen Schrei hervorstieß, erzeugte diese Art vonSchaum, der sich auf Lippen und Kinn absetzte, undmeine Beine, die ich so wenig in der Gewalt hatte wie

irgend ein anderes Glied, zuckten und tanzten in eineranrüchigen unpassenden Lust, die ich gar nichtempfand, unbeherrscht waren sie, war alles an mir,unbeherrschbar ich." (K 46)16 Die gesellschaftlichen Vergessenheiten sind zudemvon derselben Art wie jene des Individuums; auch dieOperationen des Vergessenmachens undNichtwissenwollens gleichen sich. Kassandra selbsterkennt, daß man nicht beides haben kann: "Daß mannicht Unvereinbares zusammenzwingen soll, darüber hatHekabe mich früh belehrt, vergebens natürlich". (K 48)17 "Ein Spaß ist es nicht, das will ich nicht gesagthaben. Man zahlt für die Fahrt in die Unterwelt, dievon Gestalten bewohnt ist, denen zu begegnen keinergewärtig ist. Ich heulte, wälzte mich in meinemSchmutz. Kratzte mir das Gesicht auf, ließ keinen anmich heran. Ich hatte die Kraft von drei Männern --unvorstellbar, welche Gegenkraft ich vorher gebändigthatte. Ich ging an den kalten Wänden meines Zimmershoch, das man bis auf eine Reisigschütte leer geräumthatte. Ich fraß wie ein Tier mit meinen Fingern, wennich etwas zu mir nahm. Mein Haar stand verfilzt undverdreckt um meinen Kopf. Niemand, auch ich nicht,wußte, wie es enden sollte." (K 71)18 "Tauch auf, Kassandra, sagte sie. Öffne deininneres Auge. Schau dich an" (K 71).19 Wo ES war, das Vergessene und Verdrängte, dortsoll, so meint Freud, Ich werden, Bewußtes, das dasVergessene und Verdrängte zum Teil des Erinnerten, zumTeil meines Selbst macht.20 Die Problematik dieser Vorstellung vonAuthentizität ist im allgemeinen in der Literatur zurKassandra nicht erkannt worden. Christa Wolf selbstspricht von der "subjektiven Authentizität". (Kaufmann1974, S. 94f.) Kassandra erkennt die Authentizitäteiner Erkenntnis oder Erinnerung am Schmerz. Vgl. dazuGreiner 1981, S. 330f.: "Christa Wolf stellt sich mit

ihrem Erfahrungsbegriff in eine andere Tradition. Sieführt von Bergsons Theorie des Gedächtnisses zu Freud.Erfahrung ist in dieser Tradition auf Gedächtnisbezogen; das System Bewußtsein, das die Forderungendes jeweiligen Augenblicks pariert, ist von derErfahrung abgetrennt, die sich ins Gedächtniseinschreibt. Christa Wolfs Äußerungen über dasSchreiben kreisen um diesen Erfahrungsbegriff.'Subjektive Authenzität', die sie als Grundlage ihresSchreibens bestimmt, ist gleichbedeutend mit demAufheben der Trennung von Bewußtsein und Gedächtnis,wodurch Erfahrung freigesetzt wird. [...] WalterBenjamin hat in einer Auseinandersetzung mit denGedächtnistheorien von Bergson und Freud für diesenZusammenstoß den Begriff des 'Choks' geprägt".Hilzinger 1985, S. 91, meint: "Vielmehr steht dieAutorin mit ihrer Persönlichkeit für dieWahrhaftigkeit, die Authentizität des Erzählten: sieist in dem, was sie schreibt, anwesend" und beruftsich auf Julia Kristeva, die "das Anwesend-Sein derFrau in ihrem Text als einen dialektischen Prozeß[beschreibt], in welchem 'das Subjekt, das könnte dieFrau sein, ihre ganze (unbewußte) libidinös-archaischeStruktur auf sich nimmt und in den Akt derSymbolisierung einbringt'." Vgl. Kristeva 1976. Gegenden Begriff der Authentizität und der Echtheit in derLiteratur argumentiert z. B. Coetzee 198421 "Troilos der Bruder fiel. Achill das Vieh war überihm. Ich wollte es nicht glauben, glaubte es sofort,wie schon oft war ich mir dabei selbst zuwider. Wennich recht sah, würgte er den Liegenden. Etwas gingvor, das über meine, unsere Begriffe war. Wer sehenkonnte, sah am ersten Tag: Diesen Krieg verlieren wir.Diesmal schrie ich nicht. Wurde nicht wahnsinnig.Blieb stehen". (K 84)22 Es ist -- wohlgemerkt -- noch keine Veränderungihrer Gesellschaft, es ist ein privater Akt, aber es

ist das, was ihr in dieser historischen Situationmöglich ist, die Grenze. Andererseits, wer daserreicht hat, wer trotz aller Widerstände, die dem vonder Gesellschaft entgegenstehen, erreicht hat, derbraucht sich nicht mehr zu rechtfertigen. 23 "Wir waren dankbar, daß gerade wir das höchsteVorrecht, das es gibt, genießen durften, in diefinstere Gegenwart, die alle Zeit besetzt hält, einenschmalen Streifen Zukunft vorzuschieben." (K 152) Vgl.auch Hilzinger 1985, S. 93: "in Anlehnung an Blochkann Erinnerung zum Vorschein des Zukünftigen werden."In ihrer Poetik-Vorlesung weist Christa Wolf jede bloßrückwärtsgewandte Utopie zurück: "'Zurück zur Natur'also, oder was manchen für das gleiche gilt, zufrüheren Menschheitszuständen? Liebe A., das könnenwir nicht wollen. 'Erkenne dich selbst', der Spruchdes delphischen Orakels, mit dem wir unsidentifizieren, ist eine Losung Apolls." (V 145)24 "Jedes Jahr, heißt es, sei in der Kultur derSteinzeit, der frühen Bronzezeit ein Geliebter derClanältesten, später Stammesvorsitzenden, der Göttinder Fruchtbarkeit geopfert worden -- ein Jüngling;später, als Ersatz für ihn, ein männliches Kind; dannnur noch alle acht, alle neun Jahre, einMenschenopfer, dann Tieropfer an seiner Stelle,schließlich unblutige Opfer, auch Tonstatuettenanstelle der Menschen aus Fleisch und Blut [...] Dernicht wirklich, nur ersatz- und spielweise getöteteGemahl der Großen Mutter durfte in der Nacht, in dersie die Felder fruchtbar machte, wiederauferstehen".(V 70)25 Trotzdem, merkwürdig bleibt es, es "gab es docheinmal, das Land, in dem die Frauen gleich und denMännern gleichgestellt waren. In dem sie die Göttinnenstellten (merkwürdig schwer fällt es vielen männlichenArchäologen und Altertumswissenschaftlern, zu

erkennen, dann anzuerkennen, daß alle frühenGottheiten weiblich sind ...)" (V 61)26 "Ekstasen, in denen sie sich alsbald zu verlierenriskiert oder in denen sie jedenfalls die Gewißheitihrer Identität mit sich selbst (als Selbst) schwindensieht" Irigaray 1980, S. 240 27 Horkheimer/Adorno 1971, S. 31: "Die älteste Angstgeht in Erfüllung, die vor dem Verlust des eigenenNamens. Rein natürliche Existenz, animalische undvegetative, bildete der Zivilisation die äußersteGefahr. Mimetische, mythische, metaphysischeVerhaltensweisen galten nacheinander als überwundeneWeltalter, auf die hinabzusinken mit dem Schreckenbehaftet war, daß das Selbst in jene Naturzurückverwandelt werde, der es sich mit unsäglicherAnstrengung entfremdet hatte, und die ihm eben darumunsägliches Grauen einflößte."28 "Priamos der König hatte drei Mittel gegen eineTochter, die ihm nicht gehorchte: Er konnte sie fürwahnsinnig erklären. Er konnte sie einsperren. Erkonnte sie zu einer ungewollten Heirat zwingen." (K90) Darauf abgerichtet, die Liebe des Vaters, derMutter, zu brauchen, lebensnotwendig zu brauchen, istdas Kind den Eltern und ihrer liebenden Gewalt hilflosausgesetzt. Wie schwer es ist, sich aus dieserAbhängigkeit zu lösen, zeigt Christa Wolf immerwieder: "Priamos, er war der alte und ich liebte ihn.Was denn sonst. Und: Daß er mich im Rat verfluchte,zeigte es nicht, wie er an mir hing? Nein: mir mußteman schon schärfer kommen, damit ich meinen Vater, denguten König Priamos, als einen Fremden von mir tat".(K 92)29 Freud 1957, S. 73-102, weist daraufhin, daß dasGeheimnis, das die Frau umgibt nicht der Mangel ist,den sie immer verschleiern muß, sondern ihreSelbstgenügsamkeit, ein Narzißmus, der das Begehrender Frau in Bezug auf ihr Begehren geliebt zu werden

organisiert, ihr Begehren sich selbst zu verwirklichenstatt den anderen, den Mann zu idealisieren. Ebendieser Narzißmus macht sie allerdings dann blind fürdie Täuschungen, die von den ihr Nächsten ausgeht.30 Die Familie nämlich, soweit sie funktioniert, istder Ort, an dem mit allen Mitteln -- Liebe, Drohung,Schmerz, Gewalt -- die gesellschaftliche Abrichtungvorgenommen wird. Die Familie wieder steht im Diensteiner umfassenderen Struktur von Gewalt, die dieGrenzen aufrechterhält, die Mann von Frau, Herr vonDiener, Ausbeuter von Ausgebeuteten trennt, und so diePrivilegierung weniger möglich macht. Erfüllt dieFamilie diese Funktion im Ausnahmefall nicht, entziehtman ihr die Befugnis, die Kinder zu erziehen, undnimmt sie selbst in die Hand: in Arbeitshäusern,Waisenhäusern, in dem ganzen Netz der scheinbar sobesorgten staatlichen Fürsorge. Familie ist also feinverteilte Macht, Macht, die bis in die letzten undfeinsten Verästelungen der Gesellschaft hineinreicht,und der niemand entgeht.31 "Der Satz zerriß mir ein Gespinst vor den Augen.Endlich begriff ich, was ich als Kind aufgenommenhatte: verschlossene und verstörte Mienen, ein Ringvon Ablehnung, ja Abscheu um den Vater, den ich bewußtdurchbrach: Lieblingstochter! Die Entfremdung von derMutter, Hekabes Verhärtung." (K 59)32 Harbers 1987, S. 271, macht allerdings zu Rechtdarauf aufmerksam, daß der Kult der MuttergöttinKybele in der Totenklage um Penthesilea nicht wenigergrausam ist: Im orgiastischen Tanz erschlagen dieFrauen den Priester Panthoos. Die Amazonen, die die"ausweglose Linie des Matriarchats" (V 118)verkörpern, vereinen ähnlich wie Achill "Mörderlustund Liebeslust" (K 85), denn "sie töten, wen sielieben, lieben um zu töten" (K 133)33 Peter Weiss, der als Halbjude in Deutschlanderfahren hat, was es heißt zu den Verfolgten zu

gehören, hat an sich selbst wahrgenommen, was es heißtzu den Starken zu gehören (auch wenn man eigentlich zuden Schwachen gehört). Während er als Pfadfinder"Zerstörungslust und Herrschsucht" in sich entfaltendarf, macht sich dasselbe auch auf den Straßen breit:"Brände flammten auf, Schaufenster wurden zertrümmert,Passanten wurden niedergeschlagen". Er erfährt, wieleicht die "Krankheit der Enttäuschung, derMachtlosigkeit und des Mißtrauens" in die Brutalitätder Unterdrückten umschlagen kann. Weiss 1966, S. 53,S. 4734 Harbers 1987, S. 268 geht von der Frage aus, "diespätestens seit Nietzsche und Freud jedergrundsätzlichen politischen Reflexion zugrunde liegenmuß: Ist humanes (politisches) Handeln, das eine'lebbare Alternative' herbeiführen will, noch möglich,wenn jede Handlung von Trieben bestimmt wird, dieeiner solchen Alternative gerade entgegenwirken?"Cixous 1977 definiert dagegen im Begriff der'weiblichen Sublimation' die Möglichkeit einesproduktiven Umgangs mit Schmerz, Trauer und Verlustals Alternative zur Verdrängung und damit zur Spaltungin Bewußtsein und Unbewußtes, 'eine Art offenesGedächtnis, das ohne Unterlaß zuläßt.' Zitiert nachHilzinger 1985, S. 9335 Vgl. dazu B. Greiner 1981, S. 327: "'Die Farbe derErinnerung trügt,' heißt es in Nachdenken, was manErinnerung nennt, sei in Wahrheit ein Vergessen, dasselbst vergessen werden müsse. Christa Wolf sprichtvon 'kunstvoll zurechtgeschliffenen'Erinnerungsbildern, 'Medaillons,' die jeder mit sichherumträgt, 'denn man muß viel vergessen und vielumdenken und umdeuten, ehe man sich immer und überallins rechte Licht zurechtgerückt hat.' Erinnerung als'Betrugssystem' steht im Dienste des Ich alsBewußtsein."

36 "Um Kriege zu verhindern, müssen auch Menschen inihrem jeweils eigenen Land Kritik an den Mißständenihres eigenen Landes üben. Rolle der Tabus bei denKriegsvorbereitungen: Unaufhörlich, unermeßlich wächstdie Zahl der unwürdigen Geheimnisse. Wie unbedeutendalle Zensur-Tabus und die Folgen ihrer Übertretungdurch die Bedrohung des Lebens werden." (V 114)37 In einem Aufsatz zu Christa Wolfs Kindheitsmustersagt Heinrich Böll: "Die Literatur bringt eben imGegenwärtigen das Vergangene immer mit, und da fühlensich die munter Aufbauenden -- hier wie da --belästigt, behindert. Sie wollen Amnestie undpraktizieren Amnesie. Amnestie ist ein administrativ-juristischer Vorgang, der ungefähr bedeutet:'Vergessen wir, was du getan hast, deine Strafe wirddir erlassen, fang neu an und werde nicht rückfällig.'Amnesie ist eine Krankheit, die mit Gedächtnisschwundoberflächlich, mit Erinnerungsschwund besserbezeichnet ist. Ein Mensch, eine Gesellschaft ohneErinnerung ist krank". Böll 1983, S. 838 Goyas Bild von der Erschießung der Aufständischenbetrachtend, formuliert Ayschmann in Peter Weiss'Ästhetik des Widerstands jene Einsicht, die aus demErlebnis des Schreckens, aber auch aus einer Praxis,die die Lähmung durch den Schrecken durch einen wirk-samen Widerstand überwindet, herausgewachsen ist: "Unddoch, sagte er, in die Gesichter blickend, mit den imHaß zusammengepreßten Mündern, den weit aufgerissenenAugen, verspüre ich keinen Schrecken beim Gedanken,daß das, was uns eben noch nah ist, gleich unwieder-bringlich verloren sein kann, denn das Gefühl dieserNähe, das so überaus wichtig ist, ist ja nurvorhanden, so lange wir leben, es verschwindet mitunserm Tod ... Nur als Lebende können wir den Todfürchten und haben doch keinen Grund dazu, weil wirnoch am Leben sind, mit dem Tod hört diese Furcht auf,

deshalb ist diese Furcht vor dem Tod absurd." (Weiss1975, S. 345f.)39 Auch Kassandra kennt solche Zeiten der Hemmung: "Daich das Wichtigste nicht sagen durfte, fiel mir nichtsmehr ein." (K 82)40 Wolf 1982, S. 147. Vgl. auch S. Weigel 1984, S. 9:"Such strategies of resistance to the demand foruniversal designs are particularly suited to thefemale perspective, where the male order is conceivedas the rule of one, as the interplay of a claim touniversalism, logocentrism and phallocentrism."LiteraturK: Wolf, Christa 1983, Kassandra. Erzählung. DarmstadtV: Wolf, Christa 1983, Voraussetzungen einerErzählung: Kassandra. DarmstadtBenjamin, Walter 1980, "Franz Kafka". In: GesammelteSchriften, Bd. II/2. Frankfurt am MainBöll, Heinrich 1983, "Wo habt ihr bloß gelebt?". In:Klaus Sauer (Hg.), Christa Wolf. Materialienbuch.Darmstadt Cixous, Helen 1977, Die unendliche Zirkulation desBegehrens. Berlin Coetzee, John M.1984, Truth in Autobiography.University of Cape Town: Inaugural Lecture Elias, Norbert 1969, Der Prozeß der Zivilisation.Bern/MünchenFornari, Franco 1970, Psychoanalyse der erstenLebensjahre. FrankfurtFoucault, Michel 1977, Sexualität und Wahrheit. DerWille zum Wissen. Frankfurt/MainFoucault, Michel 1980, The History of Sexuality NewYorkFreud, Sigmund a, "Eine Kindheitserinnerung desLeonardo da Vinci". In: Gesammelte Werke.Chronologisch geordnet. Achter Band. Werke aus denJahren 1909-1913, S. 144ff

Freud, Sigmund 1957, "On Narcissism: An Introduction".In: The Standard Edition of the complete PsychologicalWorks of Sigmund Freud. Bd.14, London, S. 73-102Freud, Sigmund b, "Zwei Kinderlügen". In: GesammelteWerke. Chronologisch geordnet. Achter Band. Werke ausden Jahren 1909-1913Greiner, Bernhard 1981, "Die Schwierigkeit, "ich" zusagen: Christa Wolfs psychologische Orientierung desErzählens". In: Deutsche Vierteljahresschrift, Bd. 55 Hansen, Klaus P. 1983, "Utopische und retrospektiveMentalität: Überlegungen zu einer verkanntenTradition". In: Deutsche Vierteljahresschrift, Bd. 57 Harbers, Henk 1987, "»Widersprüche hervortreiben«.Eros, Rationalität und Selbsterkenntnis in ChristaWolfs Erzählung »Kassandra«." In: Neophilologus Bd. 71Hilzinger, Sonja 1985, "Weibliches Schreiben als eineÄsthetik des Widerstands". In: Neue Rundschau Bd.96Horkheimer, Max, und Theodor W. Adorno 1971,Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente.Frankfurt am MainIrigaray, Luce 1983, Spekulum. Spiegel eines anderenGeschlechts. Frankfurt/Main 1980Walther, Joachim 1983, "Persönlich werden". In: KlausSauer (Hg.), Christa Wolf. Materialienbuch. DarmstadtKaufmann, Hans 1974, "Gespräch mit Christa Wolf". In:Weimarer Beiträge, Bd. 20, Nr. 6Kristeva, Julia 1976, "Produktivität der Frau". In:Alternative 108/109Lacan, Jacques 1980a, "The function and field oflanguage in psychoanalysis". In: Écrits. A Selection.London 1980 (1966)Lacan, Jacques 1980b, "The mirror stage as formativeof the function of the I as revealed in psychoanalyticexperience." In: Écrits. A Selection. London 1980(1977, Paris 1966)Martin, Biddy 1982, "Feminism, Criticism, andFoucault". In: new german critique, 27

Sauer, Klaus (Hg.) 1983, Christa Wolf.Materialienbuch. DarmstadtSchneider, Peter 1981, "Die Sache mit der'Männlichkeit'. Gibt es eine Emanzipation der Män-ner?". In: ders. Die Botschaft des Pferdekopfs undandere Essais aus einem friedlichen Jahrzehnt.DarmstadtTheweleit, Klaus 1977, Männerphantasien. Frankfurt amMainWalther, Joachim 1983, "Persönlich werden". In: Sauer1983, S. 27 Weigel, Sigrid 1984, "Overcoming Absence:Contemporary German Women's Literature" (2. Teil). In:new german critique, Bd. 32Weiss, Peter 1966, Abschied von den Eltern. Erzählung.Frankfurt/MainWeiss, Peter 1975f, Ästhetik des Widerstands.Frankfurt/Main Wolf, Christa 1982, "Nun ja! Das nächste Leben gehtaber heute an. Ein Brief über die Bettine." In:Bettina von Arnim. Die Günderode. Frankfurt/Main