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Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie OGM Beiträge der internationalen Tagung im MAMUZ Museum Mistelbach, 23. bis 26. September 2014 Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Wert(e)wandel Objekt und kulturelle Praxis in Mittelalter und Neuzeit BMÖ 31 | 2015

2015_Theune_Entsorgungspraktiken im Mittelalter

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BMÖ

31 |

2015

Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie

OGM

Beiträge der internationalen Tagung imMAMUZ Museum Mistelbach, 23. bis 26. September 2014

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Wert(e)wandelObjekt und kulturelle Praxis in Mittelalter und Neuzeit

BMÖ 31 | 2015

Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 31 | 2015

Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich31 | 2015

Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie

OGM

Wien 2016

Wert(e)wandelObjekt und kulturelle Praxis in Mittelalter und Neuzeit

Beiträge der internationalen Tagung imMAMUZ Museum Mistelbach, 23. bis 26. September 2014

Herausgegeben von

Claudia TheuneStefan Eichert

Der Druck dieses Bandes wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Kultur, Wissenschaft und Unterricht – Abteilung Wissenschaft und ForschungMagistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 7 – KulturMAMUZ Mistelbach/Asparn an der ZayaInstitut für Archäologie der Universität Graz

Alle Rechte vorbehalten© 2016 by Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, Wien

Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, 1190 Wien, Franz-Klein-Gasse 1http://www.univie.ac.at/oegm

ISSN: 1011-0062ISBN: 978-3-95008517-4

Redaktion: Stefan EichertLektorat: Hans Müller, Stefan Eichert

Englisches Lektorat und Übersetzungen: Paul MitchellSatz, Layout und Gestaltung: Karin Kühtreiber

Coverbild: Schatzfund von Wiener Neustadt, Hakenverschluss mit figürlichem DekorFoto Coverbild: Paul Kolp/Franz Siegmeth

Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Einführung

Hans Peter HahnGeliebt, geschätzt, verachtet. Zur Dynamik der Be- und Umwertung materieller Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Ressourcen als soziales Gut

Reinhold ReithStoffströme in historischen Gesellschaften – aus der Sicht der Wirtschafts- und Umweltgeschichte. . . . . . . . . . . . 17

Objektbiographien und Warenkreisläufe

Beatrix Nutz„Ich brauch Hadern zu meiner Muel“. Von Altschneidern, Lumpensammlern und Papiermachern – Wiederverwendung und Wiederverwertung von Textilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Herbert BöhmVom Abfall zum Baustoff. Tierknochen als Recyclingmaterial am Beispiel Tulln-Marktplatz . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Ute ScholzKonsumort Markt. Forschungen zu Objekt und Raum am Beispiel des Tullner Breiten Marktes . . . . . . . . . . . . . 49

Maria StürzebecherImitation und Nachahmung. Phänomene gotischer Goldschmiedekunst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Deponierungen: Intentionelle Herauslösung von sozialen Gütern aus zeitgenössischen Gebrauchskontexten

Horte und Depots: Fundvergesellschaftungen als Ausdruck von Wertschätzung

Nikolaus HoferDer Schatzfund von Wiener Neustadt. Überlegungen zur Deutung eines außergewöhnlichen Fundkomplexes . . . . 69

Astrid SteineggerDer Depotfund von über 1700 Geschossspitzen im Gotischen Haus der Burgruine Eppenstein/Steiermark im mitteleuropäischen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Funde in/aus Friedhöfen und Gräbern

Thomas Pototschnig„Die schöne Leich“ Soziale Unterschiede bei Bestattungen der Neuzeit auf drei Wiener Vorstadtfriedhöfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Abfall: Entsorgung als kulturelle Praxis

Claudia TheunePerspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Rudolf Procházka, Petr Holub und Lenka SedláčkováDer Umgang mit Abfällen im mittelalterlichen Brno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Elisabeth NowotnyEntsorgungspraktiken in (früh-)mittelalterlichen ländlichen Siedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

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Vorwort

Mit dem hier vorliegenden Band der „Beiträge zur Mit-telalterarchäologie in Österreich“ werden die Papers der internationalen Tagung zum Thema „Wert(e)wandel. Ob-jekt und kulturelle Praxis in Mittelalter und Neuzeit“ abge-druckt. Ein Aufhänger für die Tagung war die Entdeckung, sehr schnelle wissenschaftliche Auswertung und museale Präsentation des mittelalterlichen Schatzfundes von Wiener Neustadt.

Den „Wert der Dinge“ zu bestimmen ist kein einfaches Unterfangen: Das Bewerten, aber auch das Entwerten be-ziehungsweise schließlich das Entsorgen von Objekten ist eine kulturelle Praxis, die stets in Relation zu anderen Ob-jekten steht. Ein solches Bewerten ist immer ein vielschich-tiger und dynamischer Prozess, der durch Einzelpersonen, Individuen und kleine wie große gesellschaftliche Gruppen ausverhandelt wird. Solche Ausverhandlungen dienen auch der Stabilisierung kultureller Strukturen, sei es im ökono-mischen Sinne, aber auch in nicht-monetären und ideellen Kontexten. Auf der Tagung wurde in erster Linie Dingen im Sinne von „mobilen Gütern“ das Hauptaugenmerk ge-schenkt. Aber auch die Kontextualisierung des Umgangs mit diesen Objekten im Sinne von Befunden, die deutlich auf eine Bewertung der dort eingelagerten Objekte hin-weisen, stand im Fokus des Tagungsinteresses. Daher wur-de der „Objektbegriff“ über die Kleinfunde hinaus auch auf archäologische Strukturen wie Gebäude, Gräber etc. erweitert.

Am Tagungsort Mistelbach, Niederösterreich, haben über 20 Kolleginnen und Kollegen in drei Panels, ausge-hend von Ressourcen als soziales Gut über Objektbiogra-phien und Warenkreisläufe bis hin zu Deponierungen – also der intentionellen Herauslösung von Gütern aus zeitge-nössischen Gebrauchskontexten, Funde in/aus Friedhöfen und Gräbern und Abfall beziehungsweise Entsorgung als kulturelle Praxis – ihre Überlegungen präsentiert und zur Diskussion gestellt. Zwölf Kolleginnen und Kollegen haben ihre Vorträge verschriftlicht und für eine Drucklegung, die wir hier nun gerne vorstellen, eingereicht. Damit wird das breite Spektrum der Tagung sehr gut widergespiegelt. An dieser Stelle sei allen Autorinnen und Autoren dieses Ban-des herzlich gedankt – unser Dank gilt aber auch den Gast-gebern der Tagung, dem „MAMUZ Mistelbach“, vertreten durch Mag. Matthias Pacher und Dr. Ernst Lauermann.

Nichts hat einen Wert für sich – diese Erkenntnis lässt sich noch auf einen zweiten Aspekt anwenden, dem dieses Vor-wort gewidmet ist, nämlich dem 30-jährigen Bestehen der „Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie“, die als Trägerorganisation sowohl der Tagung als auch dieser Zeitschrift fungiert. Ein naheliegender Zugang der „Wert-Schätzung“ liegt in der Beleuchtung der Entwicklung der Gesellschaft, die hier kurz umrissen werden soll:

Seit den späten 1960er-Jahren rückte europaweit die Bedeutung einer Archäologie des Mittelalters immer stär-ker in das Bewusstsein von Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern, aber auch von einer archäologisch und historisch interessierten Öffentlichkeit. 1969 fand in Wien eine von der Fachgemeinde viel beachtete große in-ternationale Tagung zur Mittelalterarchäologie auf Initiative von Fritz Felgenhauer – damals noch im Rahmen der „Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Früh-geschichte“, der heutigen Schwesterorganisation ÖGUF – statt. In der Folge wurden Forschungen auf dem Gebiet der Mittelalterarchäologie weiter verstärkt, in zahlreichen Ausgrabungen im ländlichen wie im städtischen Raum wurden mittelalterliche und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch (früh-)neuzeitliche Befunde und Struk-turen freigelegt beziehungsweise zeitlich entsprechende Funde geborgen. Für Österreich sind etwa die umfangrei-chen Ausgrabungen in der ländlichen Ortswüstung Hard seit 1977 beziehungsweise dem Hausberg Gaiselberg, die schon 1958 begannen, zu nennen, die Fritz Felgenhauer initiiert und geleitet hat. Hinzu kamen beispielsweise auch die umfassenden Untersuchungen zur Wüstungsforschung durch Kurt Bors. Um solche Forschungen besser einer breiten (Fach-)Öffentlichkeit zu präsentieren, wurden in der Folge europaweit wissenschaftliche Gesellschaften und Zeitschriften gegründet. Direkt im Anschluss an die Wie-ner Tagung wurde mit der „Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters“ die erste deutschsprachige Zeitschrift für die-ses Fachgebiet gegründet. Nach 15 weiteren Jahren, im Jah-re 1985, wurde dann auch in Österreich auf Initiative von Fritz Felgenhauer sowie Rudolf Koch, Gerhard Antl und Sabine Felgenhauer-Schmiedt die Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie gegründet. Es sollte eine fachspezifische Institution beziehungsweise eine spe-zielle Fachzeitschrift entstehen, um die österreichischen

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Forschungsergebnisse auch einer ausländischen Fachwelt bekannt zu geben.

In den Statuten der Gesellschaft werden bis heute als Ziele die Förderung und Verbreitung von Forschungen zur Archäologie des Mittelalters in Österreich genannt. Zudem wurde durch die besondere geographische Lage Öster-reichs die Brückenfunktion zwischen Ost und West her-vorgehoben. Zielgruppen sind sowohl archäologische und verwandte historische Fachdisziplinen als auch eine breite Öffentlichkeit – beiden Mitgliedergruppen sieht sich der Vorstand in gleicher Weise auch heute noch, 30 Jahre später, verpflichtet.

Die Verbreitung der mittelalterarchäologischen For-schungsergebnisse erfolgt seit 1985 in den „Beiträgen zur Mittelalterarchäologie in Österreich“, in denen vornehm-lich österreichische, aber auch internationale Forschungs-ergebnisse zu vielseitigen Analysen vorgestellt werden.

Zu den weiteren Aktivitäten für die Mitglieder und eine interessierte Öffentlichkeit gehören Vortragsreihen zu aktuellen Ausgrabungen oder Forschungsthemen bezie-hungsweise Exkursionen. Wie bereits in den Anfangsjahren tritt die Gesellschaft in jüngster Zeit auch wieder als Platt-form zur Organisation kleinerer Forschungsvorhaben auf.

Ein weiteres wesentliches Standbein der Förderung und Verbreitung ist die Durchführung von internationa-len wissenschaftlichen Tagungen, die alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten in Österreich durchgeführt wer-den. Die erste Tagung fand schon bald nach der Gründung 1986 statt. Die Österreichische Gesellschaft für Mittelalter-archäologie greift seitdem aktuelle Forschungsfragen auf und lädt renommierte Kollegen aus dem In- und Ausland ein, ihre spezifischen Forschungen und Kenntnisse zu die-sen Forschungsfragen zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Themen wie Archäologie in Klöstern (1996), zu mittelalterlichen Mensch-Tier-Beziehungen (1998), zur frühen Stadtentwicklung (2000), zu Glas (2002), zu Kir-chen im ländlichen Siedlungsraum (2004), zu Motten und Hausbergen (2006), zu Lebenswelten im ländlichen Raum (2008), zu Keramik und Technik (2010) sowie zum Werte-wandel von Objekten und kultureller Praxis (2014) zeigen die Bemühungen auf, einerseits breite Querschnittsthemen anzubieten und andererseits auch fokussierte „Tiefenboh-rungen“ zu wagen. 2012 wurden erstmals ein Zwischen-resümee beziehungsweise eine Bilanz zum Stand der For-schung der Mittelalterarchäologie in Österreich geboten.

Diese Tagungen sind auch ein wesentliches Forum, um die breite Vernetzung der Kolleginnen und Kollegen noch stärker zu vertiefen und um weitere Kooperationen zu för-dern. Die österreichischen Beiträge auf den Tagungen ha-ben auch immer deutlich gezeigt, dass sich die Forschungen zur Mittelalterarchäologie in Österreich auf einem sehr ho-hen internationalen Niveau befinden.

Dank der genannten Aktivitäten – Tagungen, Vorträge, Exkursionen, (Klein-)Projekte und nicht zuletzt aufgrund der jährlich erscheinenden „Beiträge“ – hat sich die Öster-reichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie zu einer in Österreich fest etablierten und international viel beach-

teten Gesellschaft, die sich der Mittelalter- und inzwischen selbstverständlich auch der Neuzeitarchäologie widmet, entwickelt. Unter Einbeziehung der digitalen Kommunika-tions- und Präsentationsformate wird der Vorstand gemein-sam mit seinen Mitgliedern auch weiterhin an der Attrak-tivität der Gesellschaft und an seinen Angeboten arbeiten – in der Hoffnung, dass auch weiterhin die Beschäftigung mit Vergangenheit „Zukunft hat“. In diesem Sinne möchte sich der Vorstand bei allen bedanken, die in den vergange-nen 30 Jahren in der Gesellschaft mitgewirkt haben, und dies gleichzeitig als Aufruf nutzen, sich über den Verein eh-renamtlich für die „Sache“ – die Mittelalterarchäologie in Öster reich – zu engagieren.

Im Namen des Vorstands

Claudia Theune und Thomas Kühtreiber

Literaturauswahl zur Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie (in chronologi-scher Reihung):

Walter Janssen und Heiko Steuer, Vorwort der Herausgeber. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 1, Bonn 1973, 7.

Fritz Felgenhauer, Vorwort. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 1, Wien 1985, II.

Thomas Kühtreiber und Gabriele Scharrer, Zur Situation der Mittelalterarchäologie in Österreich. Mitteilungen der Arbeitsge-meinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 8, Paderborn 1997, 24–26.

Claudia Theune und Thomas Kühtreiber, Einführung. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 29, Wien 2013, 9–12.

Univ.-Prof. Dr. Claudia TheuneUniversität Wien

Institut für Urgeschichte und Historische ArchäologieFranz-Klein-Gasse 1

1190 WienÖsterreich

[email protected]

Mag. Dr. Thomas KühtreiberUniversität Salzburg

Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen NeuzeitKörnermarkt 13

3500 KremsÖsterreich

[email protected]

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Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 31/2015, S. 99–110

Perspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter

Claudia Theune, Wien

Zusammenfassung

Archäologen graben im Prinzip in erster Linie Müll und Abfall aus und damit auch diejenigen Befunde, die in ver-gangenen Zeiten als Plätze der Entsorgung ausgewählt und entsprechend genutzt wurden. In der Regel sind die Ob-jekte nach einer mehr oder weniger langen Phase der Nut-zung dem aktiven Handlungskreislauf aus unterschiedli-chen Gründen bewusst entzogen worden. Sie waren defekt, zerbrochen, nicht mehr zeitgemäß oder sie stellten gar eine Gefahr für die Menschen dar. In jedem Fall war das Ver-bleiben der Gegenstände im direkten Lebensumfeld nicht mehr erwünscht und sie wurden daraus entfernt. Gruben, Gräben, Latrinen oder andere Eingrabungen, beziehungs-weise gleichermaßen offene Flächen auf privaten Grund-stücken oder im öffentlichen Bereich wurden planmäßig als Orte der Entsorgung bestimmt. Jedoch werden diese Gegenstände in der Archäologie selten unter dem spezi-fischen Aspekt der Entsorgung analysiert. Häufiger wer-den Aspekte der zeitgenössischen Herstellung oder aktiven Verwendung und Verhandlung thematisiert. Gleiches gilt für Befunde. Archäologen sprechen zwar sehr viele Befun-de, in denen fragmentierte Objekte abgelagert wurden, als Abfallgruben an, jedoch wird die Einlagerung der Funde, abgesehen von Latrinen und Kloaken, meist nicht unter der Perspektive der entsprechenden Handlungspraktiken analysiert. Erst seit einigen Jahren werden solche Gesichts-punkte diskutiert. Die bewusste Zusammenführung von Fundkontext und Objekt in Bezug auf Abfall und Müll bietet die Chance, die Vielfältigkeit der Entsorgungsprak-tiken genauer zu betrachten und damit einen Einblick in Verhaltensweisen, Normen und Gewohnheiten von histo-rischen Gemeinschaften zu erhalten. Anhand von Beispie-len meist aus der Mittelalterarchäologie werden die Inter-pretationsspielräume dargestellt.

Summary

At the end of the day archaeologists primarily excavate rubbish and waste and with it those contexts which in the past were selected as disposal sites and used in that way. Usually the objects involved are deliberately taken out of the activity cycle for different reasons and after a more or less lengthy period of use. They were non-functional, bro-ken, no longer up-to-date or even represented a danger for people. In every case they were no longer wanted in people’s immediate living environment and were thus re-moved from it. Pits, ditches, latrines and other excavated features, but also open areas in private ownership or pub-lic spaces were deliberately selected as disposal sites. Des-pite this, in archaeology, these objects are rarely analysed specifically in terms of disposal. More often, aspects to do with their production or active use and circulation are dis-cussed. The same is true for archaeological features. Archa-eologists label many contexts, in which fragmented objects have been placed, rubbish pits, but, with the exception of latrines and wells, the deposition of the finds, is not usually analysed in terms of the activity involved. Such considera-tions have only been talked about in recent years. For rub-bish and waste, the conscious connecting of context and object offers the possibility of taking a closer look at the variety of disposal strategies, thus gaining an insight into the behaviour, norms and customs of historic communities. The interpretative possibilities are illustrated with the help of examples, mostly of them from medieval archaeology.

1. Einleitung

In der Archäologie werden Befunde und Funde häufig in den Kontext der Welt der Lebenden und aktiv Handelnden gesetzt, auch wenn jene und vor allem die dem Befund zu-

zuordnenden Artefakte eher anderen Lebenswelten – oder Totenwelten – zuzuweisen sind. Brand- oder Körpergräber, Vorratsgruben, Eintiefungen für reversible oder irreversible Depots und Horte, im Boden eingegrabene Strukturen, wie Postenlöcher oder Fundamentgräbchen von Gebäuden, be-

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Claudia Theune, Wien

ziehungsweise komplette Raum- oder Gebäudegrundrisse, Werkplätze aller Art, Brunnen, Latrinen, Gräben und vie-le andere Befunde mehr werden sicherlich als solche Ka-tegorien der prähistorischen oder historischen Umwelt bei archäologischen Analysen wahrgenommen. Eine stringen-te Auswertung hinsichtlich der spezifischen Funktionen in Bezug auf Zweit- oder Nachnutzungen geschieht jedoch selten kontextbezogen und detailliert beziehungsweise wird derartiges erst in jüngster Zeit mit berücksichtigt.

Ebenso klassifizieren wir Fibeln und Gürtel als Klei-dungsverschlüsse, Perlenketten, Ringe und Ohrringe als Körperschmuck, Waffen als Militaria, Werkzeuge als Ge-räte für das Handwerk und die allgegenwärtige Keramik im weitesten Sinne als Utensil für die Nahrungsmittelzu-bereitung. Wir beschreiben und interpretieren diese Dinge während ihrer Herstellung und in ihren Nutzungsphasen, als Ware im Austauschprozess, als Konsumgut und als Ge-brauchsobjekt, mit dem die Menschen agierten und dem sie Bedeutung verliehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt standen die Objekte jedoch für eine weitere Verwendung aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung beziehungsweise wurden aktiv dem Handlungskreislauf entzogen, sie gingen verloren, sie zerbrachen, sie waren nicht mehr zeitgemäß, sie waren nicht mehr zu gebrau-chen, sie verloren an Bedeutung oder es fand zumindest ein Bedeutungswandel statt. Oder die Dinge störten die Le-benswelten derart, dass sie bewusst und absichtlich aus dem Kreis der uns täglich umgebenden Dinge herausgenom-men wurden, sie wurden entfernt, sie wurden entsorgt.1 In jedem Fall war der Wert der Objekte so gesunken, dass sie zumindest keinen positiven Wert mehr besaßen, sie waren möglicherweise wertlos, also ohne Wert, oder sie hatten gar einen negativen Wert und wurden als Gefahr empfun-den. Für diese Handlung der Entsorgung wurden einige der genannten Befunde gezielt angelegt, Gruben ausge-hoben oder schon vorhandene Eingrabungen verwendet. Die Objekte wurden an diesen Plätzen irreversibel2 depo-niert, und damit schließlich archäologisiert. Diese Hand-lungen können einmalig erfolgt sein, wenn beispielsweise ein Konvolut an Objekten in einem Zug entfernt werden sollte oder musste, sie konnten aber auch über einen länge-ren Zeitraum erfolgen, wenn ein dafür geeigneter Ort im-

1 Ausführlich zu Konzepten der Entsorgung und zugehörigen Hand-lungspraktiken bzw. zum Wert von Dingen: Civis 2013; Civis 2015. Greta Civis hat die Grundlagen ihrer Dissertation bei der Tagung in Mistelbach vorgestellt, leider konnte sie kein Manuskript für den Druck einreichen. Die hier vorgestellten wesentlichen Vorausset-zungen für die folgenden Ausführungen knüpfen an ihre Studien an. Die theoretischen Grundlagen bei Civis beziehen sich auf Doug-las 1985 und Thompson 2003. Zudem führt Civis das Konzept der Chaîne Éliminatoire als Unterkategorie der Chaîne Opératoire (siehe Leroi-Gourhan 1964; Hahn 2005, 60) ein, wobei die Ent-sorgung als eigenständiger regelhafter Ordnungsprozess mit instituti-onalisierten Handlungen verstanden wird (Civis 2015, 34–37).

2 Irreversibilität ist auch bei Befunden der Entsorgung nicht unbe-dingt zu 100 % immer gegeben. So gibt es schriftliche und archäo-logische Belege, dass z. B. Latrinen gesäubert und entleert wurden; die Fäkalien und Abfälle wurden dann auf Deponien außerhalb der Orte verbracht. Eine spezifische Interpretation erfahren auch kleine Keramikbruchstücke, die oft als Fundschleier über größere Areale einer Siedlung verstreut sind (siehe unten).

mer wieder aufgesucht wurde.3 Die geringe Zerscherbtheit von Keramikgefäßen und eine sehr enge Zeitstellung von einigen Fundkonvoluten geben Hinweise darauf, dass z. B. ein Geschirrsatz als Gesamtes entsorgt wurde.

In der Praxis werden entsprechende Überlegungen je-doch selten ausführlich diskutiert beziehungsweise erst in jüngsten Publikationen häufiger abgehandelt.4 Der spezi-elle Kontext einer gezielten Ablagerung beziehungsweise der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Objekt und dem Befund rücken dann in den Hintergrund, wenn in erster Linie die aktiven Nutzungsphasen thematisiert wer-den, also die Phasen, in denen die Objekte aktiv gebraucht und noch gar nicht in das Erdreich eingelagert wurden. Eine Ausnahme bilden Kloaken und Latrinen, die stets genuin mit der Entsorgung von Fäkalien, aber auch von Haushaltsmüll aller Art gesehen werden.5 Zugleich wird herausgestellt, dass mittelalterliche Städte dreckig gewesen seien, dass es gestunken habe und dass die hygienischen Umstände äußerst schlecht gewesen seien. Sicherlich erhält dieses Bild durch die schriftlichen Quellen eine Bestäti-gung, es ist aber zudem zu bedenken, dass diese Berichte von Streitigkeiten oder die Verordnungen um die Rein-haltung von Straßen und Gewässern uns eine verdichtete Perspektive vermitteln.

Die Objektbiographie und die Material Culture Stu-dies, beziehungsweise Aspekte daraus, bieten gute Mög-lichkeiten, die verschiedenen Phasen des Nutzungskreis-laufes von Artefakten, aber auch von Befunden, von der Herstellung, der primären Nutzung, Wiederverwendung, Abfallbeseitigung, der intentionellen und nicht-intentio-nellen Ab- und Umlagerung (und Archäologisierung) so-wie postdepositionale Transformationsprozesse, Erosion und Verwitterung usw. bis zur Ausgrabung zu untersuchen, einschließlich der Berücksichtigung einer Vielzahl natürli-cher und anthropogener Einwirkungen.6 Die Prämisse, dass Menschen durch die stete und bewusste Verwendung von Objekten beziehungsweise ein stetes Handeln mit Objek-ten diesen Bedeutung zuschreibt, lässt uns einen Einblick in Entsorgungspraktiken nehmen.

So müssen für eine spezifische kontextualisierte Un-tersuchung archäologischer Befunde und Funde, die mit Entsorgungspraktiken7 in Verbindung zu bringen sind, die

3 Solche Untersuchungen hängen auch mit den spezifischen Entste-hungsprozessen archäologischer Fundvergesellschaftungen („site formation processes“) zusammen und beziehen taphonomische Pro-zesse mit ein: Siehe: Schreg 2013 (Formationsprozesse); Sommer 2013. Zu Verhältnissen in mittelalterlichen Städten: Čapek 2013.

4 Eine frühe detaillierte Untersuchung für die Latrinen in Basel un-ternahm Kamper 1968. Systematisch bearbeitete Sczech 1993 die Latrinen aus Freiburg i. Br. und Konstanz. Siehe auch Öxle 1992; Fansa und Wolfram 2003; darin bezogen auf mittelalterliche Ver-hältnisse: Kluge-Pinsker 2003; Gläser 2004; Veit 2005/2006. Kursorisch auch schon Busch 1985.

5 Dazu diverse Beispiele in Gläser 2004. Für St. Pölten jüngst Kal-tenberger 2011, 82–83.

6 Kopytof 1986; Hahn 2005, 37–49; Samida u.a. 2014, 234–237. 7 Abgesehen von schon länger bekannten Ansätzen in den USA wer-

den nun auch im deutschsprachigen Raum solche Praktiken in der Archäologie stärker betrachtet: Grundlegend siehe: Rathje und Murphy 1994; Thompson 2003; Fansa und Wolfram 2003; Veit 2005/2006; Civis 2013; Civis 2015, 16–41; Gläser 2004.

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Perspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter

Zusammenhänge genau beachtet werden. Ich möchte im Folgenden auf einige Befundkategorien eingehen, in de-nen Objekte entsorgt worden sind, in denen also Dinge ohne oder mit einem negativen Wert abgelagert wurden, um sie nicht mehr zu bergen, um sie aus dem alltäglichen Umfeld zu entfernen.8 Dies soll im Folgenden in Bezug auf Entsorgung beispielhaft für Grabfunde und detaillierter für Siedlungsbefunde im weitesten Sinne diskutiert werden.

2. Entsorgte Funde in Gräbern

Schon Hans Jürgen Eggers9 wies 1959 darauf hin, dass Objekte aller Art in Gräbern eine besondere, selektive Aus-wahl darstellen und ihre Zusammensetzung in allen ver-gangenen Epochen auf Jenseitsvorstellungen basiert. Diese werden durch Normen und Bestattungssitten der jewei-ligen Zeit und des jeweiligen Raums bestimmt. Erst seit wenigen Jahren werden Überlegungen angestellt, welche Funktionen innerhalb dieser Normen und Gebräuche die einzelnen Grabfunde hatten. H. Härke10 beziehungsweise S. Brather-Walter und S. Brather11 haben einige Vor-schläge veröffentlicht und u.a. folgende funktionale Mög-lichkeiten für Grabfunde genannt:

� Ausstattung für das Leben nach dem Tod, für das Jen-seits (für die Reise in die Totenwelt)

� Besitz des Toten (Totenkleidung, Reichtümer) � Statussymbole (Zepter, besondere Waffen, Schwerter) � Metapher als Darstellung bestimmter Lebenssituatio-nen (z.B. im Leben erbeutete Waffen)

� Potlatch (Zerstörung/Entziehung von Besitztümern, um Reichtum zu demonstrieren und Status zu gewin-nen)

� Gaben an die Götter in der nicht-irdischen Welt � Gaben an die Toten durch die Hinterbliebenen � Opfer für den Toten; Schutz der Lebenden � Bestandteile der Totenfeier � Beseitigung unreiner/negativer Gegenstände

Während die meisten der Punkte direkt mit der Erinne-rung, dem Jenseits und/oder der Machtdemonstration der Hinterbliebenen zu tun haben, bietet der letztgenannte Punkt, die Beseitigung und damit Entsorgung von Ob-jekten, einen Ansatz für unser Thema. Zwei Beispiele sei-en angeführt. Männergräber des Frühmittelalters zeichnen sich in erster Linie durch verschiedene Waffen aus. Archäo-metallurgische Untersuchungen belegen, dass die Qua-lität der Waffen sehr hoch ist und sie auch tatsächlich zu Kampfes zwecken verwendet wurden. Anthropologische Untersuchungen an Verstorbenen der zahlreichen mero-wingerzeitlichen Bestattungsplätze zeigen dagegen in der Regel, dass kaum ein Mann durch den Kampf mit der Waf-

8 Damit schließe ich Befundkategorien aus, von denen wir annehmen, dass die Objekte nach einer gewissen Zeit wieder aus der Erde ge-borgen werden sollten, auch wenn dies – ungeplanterweise – nicht mehr geschah.

9 Eggers 1959, 264–268.10 Härke 2003.11 Brather-Walter und Brather 2012.

fe verstorben ist. Nach den verschiedenen Markern an den Skeletten verrichteten die Männer vielmehr in erster Linie körperliche, landwirtschaftliche Arbeit. Die regelhafte Bei-gabe der Waffen bezog sich also auf ein Bild, welches nicht dem Lebensalltag entsprach, sondern einen Krieger in der jenseitigen Welt darstellen sollte. Wichtig in unserem Zu-sammenhang ist, dass beispielsweise in dem frühmittelalter-lichen Gräberfeld von Mengen in Baden-Württemberg,12 aber ebenso an anderen Fundpunkten, etliche Saxe gebor-gen wurden, die vor der Niederlegung in das Grab absicht-lich zerbrochen wurden, die also absichtlich in einem nicht mehr gebrauchsfähigen Zustand in die Gräber gelangten, und zwar wurde stets die untere Hälfte der Klinge ins Grab gelegt. Es bietet sich eine Interpretation an, die das absicht-liche Zerstören und damit eine Wertlosigkeit oder gar ei-nen negativen Wert der Waffe herbeiführte und die wohl auf den Verstorbenen selbst abzielte und möglicherweise die Macht des Mannes, des Kriegers der Totenwelt brechen sollte. Hier liegen also offensichtlich eine gezielte Verände-rung des Wertes und die endgültige Ablagerung in einem Grab vor. Die Verknüpfung mit der Totenwelt kann pos-tuliert werden, da die Brechung der Macht sicherlich auch im Totenreich gelten sollte.13

Das zweite Beispiel ist deutlich jünger. Im Hoch- und Spätmittelalter und in der Übergangszeit der Reformati-on gelangten in der Regel keine Objekte in die Gräber. Es sollte beziehungsweise durfte nichts dem aktuellen Ge-brauch entzogen werden. Ein erneutes Aufkommen ei-ner vielschichtigen Beigabensitte kennen wir wieder seit der Barockzeit. Geläufig sind uns Zeichen des christlichen Glaubens, wie Paternosterperlen, Rosenkranzperlen oder kleine Kruzifixe, aber auch viele Haken oder Knöpfe, die zeigen, dass die Verstorbenen in einer Kleidung niederge-legt wurden. In dem Kirchenfriedhof von Breunsdorf in Sachsen14 wurden außerdem in etlichen Gräbern zahlrei-che Fläschchen oder Schröpfköpfe und ähnliches gefun-den. Der Bearbeiter dieses Friedhofes interpretiert diese Objekte in der Weise, dass hier Medizinfläschchen, deren Inhalt nicht zur Genesung des Verstorbenen beigetragen hat, in die Gräber gelangten. Damit kann ein Wertewan-del konstatiert werden; die noch zu Lebzeiten hoffnungs-voll eingesetzte und mit positivem Wert besetzte Medizin erhielt mit dem Tod eine negative Konnotation, sie wurde wohl zu einer Gefahr für die Lebenden und mit dem Ver-storbenen im Sinne der bewussten und selektiven Auslese nach Eggers im Grab entsorgt.

3. Entsorgung in Siedlungen

Siedlungsbefunde und -funde werden allgemein sicherlich eher mit Entsorgungspraktiken in Verbindung gebracht. Jedoch ist auch für Siedlungen und die schließlich archäo-logisierten Objekte die Frage zu stellen, ob sie bewusst

12 Walter 2009, 168–169.13 Knaut 1993, 37.14 Kenzler 2002.

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Claudia Theune, Wien

entsorgt und dem aktiven Handlungskreislauf entzogen worden sind oder ob sie nur unachtsam liegengelassen be-ziehungsweise verloren wurden oder ob sie weggeworfen worden sind.15

Im Hochmittelalter war das Müllproblem wohl noch nicht von Bedeutung und in den hinteren Bereichen der Grundstücke war noch Platz für die Anlagerung der nicht mehr verwendeten Objekte, aber der Abfall wurde auch auf der Straße entsorgt. Dies änderte sich mit dem Spät-mittelalter massiv. Es ist die Zeit des inneren und äußeren Landesausbaus, des Bevölkerungswachstums, des massiven Städtebaus, der Verdichtung der innerstädtischen Bebau-ung beziehungsweise der Stadterweiterungen. Durch die anwachsende und nun dicht beieinander lebende Bevölke-rung werden wesentlich größere Stückzahlen an Objekten aller Art benötigt, produziert und verwendet, die dann zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder dem aktiven Hand-lungskreislauf entzogen und in irgendeiner Art und Weise entsorgt werden müssen. Dieser spätmittelalterliche Pro-zess führt also zu einer signifikanten Erhöhung der Anzahl potentiell abgelagerter Objekte. Es ist zudem die Zeit der Versteinerung der Städte. Versteinerung bedeutet für die hier angeführten Betrachtungen, dass zunehmend Straßen und Plätze gepflastert oder mit Bohlen befestigt wurden. Während zuvor noch Gegenstände in das Erdreich einge-treten wurden und so einsinken konnten, blieben sie nun auf dem Pflaster liegen. So landeten allerlei Gegenstände auf der Straße, sei es Kehricht und „anderes, was zum Mist nicht brauchbar ist“16 oder auch Bauschutt. Hinzu kamen Fäkalien von Menschen und Tieren. Auf den Straßen blieb nun sichtbar und riechbar der Unrat liegen – die Straßen wurden unsauber.

Eine weitere historische bis ins 20.  Jahrhundert ge-nutzte Möglichkeit, sich nicht mehr brauchbarer Dinge zu entledigen, waren Bäche oder Flüsse. Dies beginnt mit Produktionsabfällen – dazu zählte ebenso das stark ver-schmutzte Wasser (etwa durch Gerber) –, dazu gehörten aber gleichermaßen aller möglicher – in den schriftlichen Quellen nicht weiter definierter – Unrat und Fäkalien. Das Wasser schwemmte nach und nach diese Materialien (zum Glück noch kein Plastik) weiter flussabwärts. Ein Ausgra-bungsbefund für die Entsorgung im Wasser konnte in Sta-de in Norddeutschland ergraben werden. Im Hafen liegen so viele zerbrochene und unbrauchbare Objekte, dass die Ausgräber dabei auf die gezielte Entsorgung des Haushalts-mülls schließen.17

Diese allgemeinen Bemerkungen sind durch Über-legungen zum Umfang des Abfalls einer Person oder ei-ner Familie zu ergänzen. Gläser vermutet, dass eine Fa-

15 Nicht berücksichtigt werden Gegenstände, die im Rahmen eines plötzlichen und unvorgesehenen Ereignisses in den Boden gelangt sind, beispielsweise durch Brand- oder Naturkatastrophen (siehe dazu auch Schreg 2013, Pompeji-Prämisse) bzw. auch besonderen Befundumständen unterliegende Gletschermumien (z. B. die Mu-mie von Similaun), die gleichermaßen Momentaufnahmen ehemali-ger Lebenswelten darstellen.

16 Rohr 2008, 10.17 Schäfer u. a. 2008. Im Rahmen eines DFG-Schwerpunkt-

programms werden die Ausgrabungen im Hafen fortgeführt.

milie 2–3  Jahre benötigt, um einen Kubikmeter Abfall (einschließlich Fäkalien) zu erzeugen.18 In Basel befanden sich in einer 7,7 m³ großen Latrine nur 43 kg Keramik, der Haushaltsabfall dieser Kategorie betrug also nur 0,02 m³.19 Man kann also zu Recht davon ausgehen, dass der Abfall (ohne Fäkalien) sich zu einem bedeutenden Teil aus Kü-chenabfällen (Knochen) zusammensetzte und kaputt ge-gangene Haushaltsgegenstände nur einen geringen Teil ausmachten. Unklar ist der Anteil an Bauschutt, der auf-grund der starken Bautätigkeit in den spätmittelalterlichen Städten in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorhanden ge-wesen sein muss. Wir haben uns also stets vor Augen zu halten, dass die uns heute groß erscheinende Masse an Ab-fällen und Müll aus den Ausgrabungen gar nicht so über-mäßig viel gewesen ist, wenn wir dieses Volumen auf eine Person, eine Familie, einen Haushalt und einen längeren Zeitraum von einer oder gar mehreren Generationen he-runterbrechen. Lediglich aufgrund der dichten Besiedlung und längerer betrachteter Zeitphasen von mehreren Gene-rationen ist die Archäologie heute mit dem hohen Fund-aufkommen konfrontiert.

4. Entsorgung in Städten aufgrund schriftlicher Quellen

Schriftquellen des 14. und 15.  Jahrhunderts belegen eine zunehmende Auseinandersetzung mit Abfall und Unrat in den Räten der Städte.20 Der auf den Straßen liegende Müll beziehungsweise die Verunreinigung der Flüsse wurden als Belastung für das Leben in der Stadt beziehungsweise auch in deren Umland erkannt und es entwickelte sich ein wachsendes Problembewusstsein. Der Unrat roch übel und es drohten die Gefahren von Miasmen, also giftigen Aus-dünstungen der Erde.21 So war man in den Städten bestrebt, die Straßen frei von Unrat zu halten beziehungsweise regel-mäßig zu reinigen, wozu die Hauseigentümer verpflichtet waren22 beziehungsweise Dienstmänner eingesetzt wurden. Aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung ist eine Darstellung eines Dienstleisters aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts bekannt, der auf hohen Trippen eine Au-ßenfläche, vielleicht eine Straße, kehrt (Abb. 1).23

18 Gläser 2004a, 190–192. Die Angaben von Gläser erfolgen ohne Nennung der Berechnungsgrößen, sind jedoch nicht unrealistisch. Der Mensch produziert pro Jahr bis zu rund 50–100  kg Kot (bis 0,1  m³), je nachdem, ob er sich fleischreich oder fleischarm bzw. ballastreich ernährt. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Stuhlgang [Zugriff 20.07.2015]. Für einen Menschen würde eine 1 m³ große Latrine folglich 10 Jahre reichen, für fünf Personen zwei Jahre.

19 Kluge-Pinsker 2003, 95; Kamper 1968.20 Umfassende Ausführungen und zahlreiche Zitate und Belege aus

verschiedenen Städten bieten: Sydow 1981; Lehnert 1981; Isen-mann 1988, 34–38; Höfler und Illi 1992; Hergemöller 2000; Schmal 2001; Rohr 2008.

21 Siehe dazu Isenmann 1988, 34.22 Rohr 2008, 9.23 Die Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstifung: Amb. 317.2°

Folio 54 verso (http://www.nuernberger-hausbuecher.de/75-Amb-2-317-55-r [Zugriff 22.07.2015]).

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Perspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter

Durch diverse Verordnungen, die z.B. in einiger Anzahl besonders für Nürnberg überliefert sind, versuchten die Städte, das Problem zu bewältigen. Die Städte bemühten sich, mit häufig sehr ähnli-chen, aber auch spezifischen Maßnahmen regulativ einzugreifen. Schon im 14.  Jahrhundert wurde für Nürnberg bestimmt, dass Müll nicht länger als vier Tage auf der Straße liegen dürfe. Die Stadträte in Nürnberg beklagten sich zudem, dass vielfach der Müll einfach über die Stadtmauer gekippt werde. Archäologisch gibt ein Befund aus Zürich für ver-gleichbare dortige Praktiken ein beredtes Beispiel.24

Es wurde ferner festgelegt, dass Fäkalien und Unrat außerhalb der Stadt in Gruben gesammelt werden mussten; an diesen bestimmten Stellen durf-ten dann auch etliche Handwerker verunreinigtes Wasser in die Pegnitz bei Nürnberg einlassen. Diese Gruben mussten vor der Stadt – „drei Rossläufe“ 25 weit entfernt angelegt werden. Für die Abfallbeseiti-gung waren die Grundbesitzer zuständig, es ist aber weiters zu beobachten, dass sich seit dem 15. Jahr-hundert eine öffentliche Straßenreinigung und Ab-fallbeseitigung durchsetzte.26 So werden im 15. Jahr-hundert die Bestimmungen noch erweitert, die Besitzer von Fuhrwerken und Karren müssen diese zur Verfügung stellen, um den Müll „auf den Ort und die Gegend, an die sie der Schüttmeister der Stadt verweist und zu schütten heißt“27 zu bringen. Damit wird eine Müllgrube oder ein Müllplatz, der sich außerhalb der Stadtmauern befand, benannt. In Freiburg im Breisgau fuhr ein „Stadtkarrer“ drei-mal wöchentlich durch die Stadt und die Anwoh-ner hatten die Möglichkeit auf dem Karren ihren Müll abzuladen, der dann an vorgegebene Orte au-ßerhalb der Stadt verbracht wurde. Ähnliche Ver-ordnungen sind auch aus diversen anderen spätmit-telalterlichen Städten bekannt.

Weitere Bestimmungen handeln von der Größe der Latrinen, die z. B. in München nicht in den Bereich des Grundwassers gelangen durften, und sie regelten den Um-gang mit Fäkalien. Zwar mussten die Latrinen, insbesonde-re große Latrinen, und die Abwassergräben nicht sehr häu-fig gereinigt werden, jedoch durften wegen des Gestanks Latrinen nur nachts geleert werden, was dann auch schon einmal drei Wochen dauern konnte.28

Besondere Beachtung fanden Kadaver. In Nürnberg mussten Tierkadaver im 14.  Jahrhundert „zwei Bogen-schuss“ vor dem äußersten Zaun der Stadt einen „Schuh“

24 Landesmuseum Zürich, Medienmitteilung vom 12.12.2014: http://www.nationalmuseum.ch/sharedObjects/Medien/2014/04_22_archaeo-logie/01_de_Archaeologie_Medienmitteilung.pdf [Zugriff 20.07.2015].

25 Rohr 2008, 9.26 Höfler und Illi 1992, 355.27 Rohr 2008, 10.28 Sczech 1993, 88; Höfler und Illi 1992, 356. Für Lüneburg liegt

eine schriftliche Quelle aus dem Jahr 1695 vor, in der Kosten, die Anzahl der Personen und die Dauer der Reinigung beschrieben werden: Ring 2004.

tief eingegraben werden.29 Eine Verordnung bezüglich der Haltung von Schweinen wurde 1475 in Nürnberg erlassen. Es war fortan verboten, die Schweine vor dem Haus zu halten, lediglich zum Tränken konnten sie an ein Gewäs-ser geführt werden. Allerdings hatte man einen Kessel mit sich zu führen, um gegebenenfalls den anfallenden Kot in die Pegnitz zu werfen. In Frankfurt versuchte man 1481 das Halten von Schweinen aus hygienischen Gründen in der Altstadt ganz zu verbieten.30

Gleichermaßen wurde man sich bewusst, dass die Ent-sorgung in die Fließgewässer negative Auswirkungen für die Wasserqualität hatte, es wurde unsauber und für Men-schen gefährlich. Verordnungen aus Nürnberg aus dem Jahr 1475 betreffen Gewässer, speziell den Fischbach,31 in den kein Unrat geworfen werden und in dem man nicht waschen darf. Später wird sogar noch genau ausgeführt, welche Handwerker welches verunreinigte Wasser nicht in den Fischbach leiten durften.

29 Rohr 2008, 7; siehe auch Isenmann 1988, 155.30 Rohr 2008, 7–8.31 Rohr 2008, 6, 9.

Abb. 1 Möglicherweise ist auf dieser Abbildung aus der sogenannten Mendelschen Zwölfbrüderstiftung ein Straßenkehrer abgebildet. Auffällig sind die hohen Trippen, aber auch die eigentlich saubere Fläche, die gekehrt wird.

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Claudia Theune, Wien

Die angeführten Regularien belegen, dass der herumlie-gende Müll und Unrat, aber auch der dadurch verbreitete Gestank, als störend und gefährlich befunden wurden und man zudem die hygienische Dimension dieses Problems erkannte. Die Städte bemühten sich im Laufe der Zeit im-mer mehr, dass besonders Fäkalien, Unrat, Bauschutt und Handwerksabfälle nicht achtlos von den Grundstücken auf die Straße, in die Fließgewässer oder vor der Stadtmauer (Burgmauer) entsorgt wurden. Man bestimmte Plätze au-ßerhalb der Städte, wo der Müll abzulagern sei. So entwi-ckelte man im Spätmittelalter geregelte und zielorientier-te Konzepte zu Müll, um die Städte davon frei zu halten. Nicht klar ist, in welchem Ausmaß der Haushaltsabfall, also der Ausschnitt, den wir Archäologen finden, ein Problem darstellte, da, wie oben ausgeführt, dies nicht große Massen gewesen sind.

Schließlich ist noch zu bedenken, dass die Schriftquel-len die Situation in den Städten behandeln, jedoch zeigen die archäologischen Quellen, dass ebenso in ländlichen Siedlungen Anzeichen vorhanden sind, die gleichfalls auf die bewusste und gezielte Entsorgung hindeuten.32

5. Archäologische Befundkategorien und Fundspektren

Als gängige Befunde33 können Gruben und Gräben aller Art genannt werden, zudem Brunnen oder Latrinen. Wei-tere Möglichkeiten, Dinge zu entsorgen, sind durch Fehl-böden oder Unterfütterungen beziehungsweise Planie-rungen gegeben. Grundsätzlich werden insbesondere in Befundarten, die im Boden eingetieft wurden und nicht besondere Erhaltungsbedingungen für organische Materia-lien aufweisen, in erster Linie Keramik, aber auch Tierkno-chen aufzufinden sein, zusätzlich ist seit dem Spätmittelal-ter in den Städten Glasbruch zu erwarten, also Materialien, die lange Zeit überdauern. Es ist davon auszugehen, dass wir in diesen Befunden nur einen Ausschnitt des ehemals vorhandenen – zerbrochenen – Materials finden. Nicht nur für Metallgegenstände aller Art kann man einen fort-gesetzten primären Rohstoffwert und umfassende Recyc-lingmöglichkeiten anführen. Unbestritten ist, dass Knochen noch für viele Produkte als Rohstoff dienten. Eine Weiter-verwertung ist schlüssig, da ein hoher Wertverlust bei die-sen Materialien nicht gegeben war.

Zu differenzieren sind Tonscherben. Die Nachweise zu Reparaturen an Keramiken sind allgemein selten. So stel-len Töpfe, Pfannen, Becher, Teller und andere Geschirrteile den weitaus größten Anteil unserer Funde dar. Die teilwei-se sehr dichten Packungen von Keramik in den Befunden können eine gezielte und einmalige Beseitigung eines grö-ßeren Konvolutes anzeigen, möglicherweise überwiegen zudem mehr oder wenige vollständige Gefäße einer engen Zeitphase. Ein solches Ensemble hatte für die ehemaligen

32 Krenn 2011, 177–178; Civis 2015.33 Für den ländlichen Bereich diskutiert Civis 2015, 290–298 etliche

Befundkategorien.

Besitzer keinen Wert mehr, vielleicht sogar einen negativen Wert, der zu dieser Handlung führte. Häufig wird ein ho-her Grad an Zerscherbtheit konstatiert, bei dem kaum oder keine Anpassungen von Scherben möglich sind. In diesem Fall wird man von einem Zerbrechen im normalen Alltag ausgehen können. Eventuell erfolgte die Verbringung zu dem dafür vorgesehenen Ort nicht in einem Zug und voll-ständig, die Dinge waren einfach wertlos.

Häufig wird gerade im ländlichen Bereich ein Kera-mikschleier über breiten Siedlungsarealen konstatiert, der durch sehr kleinteilige und verrollte Scherben charakteri-siert wird. Die Verrollungen (und ebenso die Fundanpas-sungen) zeigen, dass die schon zerscherbte Keramik häufig umgelagert wurde (sog. Trempling). In diesem Fall ist nicht von einer Entsorgung an einem dafür vorgesehenen Platz auszugehen. Zwar gehörten diese Dinge nicht mehr in den aktiven Handlungskreislauf, sie hatten keinen Wert mehr, sie störten aber auch nicht, sie wurden nicht gezielt an ei-nem bestimmten Ort deponiert.34 In der Forschung geht man davon aus, dass die kleinteilige Keramik z.B. mit der Düngung auf die landwirtschaftlichen Flächen kam.35

In überschaubaren Chargen könnte Keramikbruch ge-gebenenfalls einer weiteren Verwendung zugeführt wor-den sein. So sind z.B. Spinnwirtel aus Scherben hergestellt worden.36

6. Entsorgung in Gruben, auf Misthaufen und Abfallhalden

Gruben gehören zu den häufigsten Ausgrabungsbefunden. Abseits von Hausgrundrissen mögen sie – unter bestimm-ten Umständen und in bestimmten Formen – als unter-irdische Speicher gedient haben. In gleicher Weise können sie gezielt angelegt worden sein, um nicht mehr brauch-bare Dinge abzulagern. Mögliche Hinweise darauf geben etwa die Größe der Scherben und die Zusammensetzung des Fundmaterials. Größere Scherben, eventuell ohne ab-gerollte und verschliffene Brüche, sprechen gegen einen längeren Verbleib auf dem Gehhorizont und für eine bal-dige Deponierung nach dem Zerbrechen.37 Neben einem hohen Fundanteil an Keramikscherben, Knochen und möglicherweise Glasbruch werden kaum weitere Funde zu bergen sein. In ähnlicher Weise sind Befunde von mit Ab-fall verfüllten Grubenhäusern zu bewerten. Das nicht mehr genutzte, einige Quadratmeter große und mehr oder we-niger tiefe Areal war eine bequeme und leicht zugängliche Stelle für die Deponierung von nicht mehr verwendeten Materialien und konnte sicherlich längere Zeit als Abfall-platz genutzt werden. Wichtig bei der Beurteilung solcher Befunde ist die Zeitphase beziehungsweise die Dauer der Einlagerung der Objekte.

34 Civis 2015, 25–42, 301–317.35 Schreg 2011; Jones 2011; zuletzt Civis 2015, 313–314.36 Siehe unten Bohnsack 1958. Zusätzlich sei auf durchlochte Ke-

ramikscherben hingewiesen, die als Spinnwirtel gedeutet werden. Vogel singer 2006, 1–147, besonders 10.

37 Siehe oben.

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Perspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter

Möglicherweise können wir auch mit obertägig genutzten Abfallhaufen rechnen. Hohe Konzentrationen von Scher-ben oder anderen Objekten, die offensichtlich nicht einge-graben worden sind, mögen als Hinweise auf solche Prakti-ken gesehen werden.38 In Konstanz wurde schon am Ende des 13.  Jahrhunderts ein Areal im Flachwasserbereich des Bodensees/Rheins als Müllhalde bestimmt.39

7. Kadavergruben

In ländlichen Siedlungen werden oftmals Gruben ange-troffen, in die man einen oder mehrere Tierkadaver ableg-te.40 Da an diesen Orten im Prinzip keine weiteren Funde geborgen wurden, ist davon auszugehen, dass die Gruben speziell für die Kadaver gegraben wurden und anschlie-ßend schnell wieder verfüllt worden sind. Für städtische Verhältnisse sind oben Schriftquellen angeführt worden, es wird zudem ausgeführt, dass Verbote bestanden, Tierlei-chen in Flüsse zu werfen. Die besondere Behandlung zeigt ein sehr hohes Bewusstsein für die Gefahr für Hygiene und Gesundheit durch tote Tiere.41 Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Aufkommen des Berufs des Abdeckers, der speziell für die Entsorgung von Kadavern zuständig ist.

8. Entsorgung in Gräben

Gräben, wie beispielsweise Dorfgräben, oder entsprechen-de Befunde um Burgen oder Städte besaßen eine wichtige Funktion als Annäherungshindernis. Um dies während der Nutzungszeit zu gewährleisten, mussten die Gräben sauber gehalten werden beziehungsweise mussten sie regelmäßig gereinigt werden. So werden die meisten Anlagen nur we-nig Fundmaterial erbringen. Eine Auffüllung im größeren Stile wird daher eher mit Nachnutzungsphasen in Verbin-dung stehen und hat kaum etwas mit der Hauptbesied-lungszeit des zugehörigen Fundplatzes zu tun.

Anders sind spezielle Abwassergräben in den Städten zu bewerten. In Konstanz oder Freiburg42 etwa verliefen sie oberirdisch, für Nürnberg und Ulm43 sind unter der Stra-ße verlaufende Systeme bekannt. Etliche der oben genann-ten schriftlichen Überlieferungen beziehen sich speziell auf diese Gräben beziehungsweise die mühsame Reinigung.

38 Frey 2013, 45–46.39 Röber 2013, 351.40 Beispiele seien für die ländlichen Siedlungen von Kausche, Branden-

burg (Frey 2013, 49–50) und Diepensee, Brandenburg (Civis 2015) angeführt.

41 Höfler und Illi 1992, 358.42 Sczech 1993, 76–79 (sogenannte Eh-Gräben); Rohr 2008, 5.43 Isenmann 1988, 35.

9. Entsorgung in Kloaken und Latrinen

In der inzwischen zahlreichen Literatur zu Kloaken wer-den diese als Hauptbefund einer Entsorgung angesehen.44 Dabei wird nicht nur betont, dass dort Fäkalien eingelassen wurden, sondern dass diese ebenso für die Entsorgung von weiteren Abfällen dienten, in erster Linie Küchenabfälle, aber auch sonstige aussortierte und anderweitig abhanden gekommene Dinge.

Seit dem 13. Jahrhundert begann man auf den Grund-stücken in den hinteren Bereichen Kloaken anzulegen, zunächst als einfache Gruben mit einem geringen Fas-sungsvermögen, später wurden sie verschalt, gemauert und immer größer.45 Latrinen sind übliche Befunde bei Stadt-grabungen, häufig liegen sie im hinteren Teil der Grundstü-cke und dienten damit einem Haushalt als Abtritt. Bekannt sind gleichermaßen öffentliche Latrinen, die prinzipiell größer sind.46 Ähnlich wie die Brunnen mussten zumin-dest kleinere Kloaken und Latrinen – wollte man sie über einen langen Zeitraum verwenden – gereinigt beziehungs-weise entleert werden oder man versuchte mit Sand oder Kalk, den Geruch zu bekämpfen. Dies ist teilweise im ar-chäologischen Befund dokumentiert worden.47 Die zeitlich ältesten Funde, die die Archäologen bergen, müssen also nicht unbedingt mit der baulichen Anlage der Kloake/Lat-rine zu tun haben. Die Fundmengen aus Latrinen sind be-kanntermaßen sehr hoch und können deutlich über 1000 Fundnummern betragen, wobei alle möglichen Funde dort aufgefunden werden, es aber wohl auch lokale Unterschie-de gibt. Für Freiburg und Konstanz konnte Sczech unter-schiedlich hohe Fundkonzentrationen feststellen, in Kons-tanz lagen die Fundzahlen deutlich höher als in Freiburg.48 Möglicherweise griffen hier die öffentlichen Strategien der geordneten Müllbeseitigung anders beziehungsweise bes-ser. Interessant ist, dass z. B. in Göttingen in den Latrinen eine hohe Anhäufung von Glas festzustellen ist. Möglicher-weise sollten die scharfen Glasscherben schnell so entsorgt werden, dass sich keiner mehr schneiden oder verletzen konnte.49 In Salzburg war eine Latrine beim Sternbräu aus der Zeit um 1600 mit einer besonders dichten Keramikpa-ckung verfüllt. Man wird von einer einmaligen Handlung ausgehen können, bei der ein ganzes Ensemble von Töpfen,

44 Neben einer großen Anzahl an Einzelpublikationen gibt Sczech 1993 einen Überblick und Vergleich über die Städte Konstanz und Freiburg i. Br. Viele weitere Befunde aus Europa sind in Gläser 2004 veröffentlicht. Auch in österreichischen Städten sind zahlreiche Latrinen aus unterschiedlichen Befundzusammenhängen ausgegra-ben worden, wie eine Durchsicht der letzten Bände der Fundbe-richte aus Österreich zeigt (beispielhaft seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit erwähnt: z. B. Wien [zusammenfassend Mitchell und Schön 2002], Wien Grabung Stallburg [umfassende Publika-tion steht noch aus], Tulln-Einkaufszentrum [Scholz u.a. 2007], St. Pölten [Risy 2011; Kaltenberger 2011], Salzburg-Sternbräu [Hampel und Niedermayr 2014], Hall in Tirol [Zanesco 2010]).

45 Aus Lübeck ist eine 100 m³ große Latrine bekannt: Gläser 2004, 191.

46 Siehe oben: Entsorgung in Siedlungen.47 Eine große Anzahl von Latrinenbefunden analysiert Sczech 1993

für Konstanz und Freiburg.48 Sczech 1993, 158–162.49 Arndt 2004.

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Claudia Theune, Wien

Pfannen und Malhornware bewusst weggeworfen wurde (Abb. 2).50 Die wenigen Beispiele zeigen, dass Latrinen zwar zweifellos ein Ort der Entsorgung auch von alltäglichem Haushaltsmüll gewesen sind, es jedoch unterschiedlich motivierte Praktiken gege-ben hat.

Latrinen werden gemeinhin als städtisches Phäno-men betrachtet. Allerdings gibt es Hinweise aus dem ländlichen Bereich, möglicherweise gab es entspre-chende Anlagen in Perzendorf, Niederösterreich.51

10. Entsorgung in Brunnen

Die Trinkwasserversorgung erfolgte im Mittelalter in der Regel durch Brunnen. Schon allein aus diesem Grund muss es ein Anliegen gewesen sein, die Brun-nen sauber zu halten beziehungsweise sie regelmäßig zu reinigen, um sie möglichst lange zu nutzen. Schrift-liche Quellen bestätigen die Wichtigkeit der Reinheit der Brunnen.52 Durch städtische Verordnungen wur-de Fehlverhalten geahndet. So stand z.B. in Nürnberg schon im 14.  Jahrhundert eine unachtsame oder be-wusste Verschmutzung der Brunnen unter Geldstrafe.

Da die Objekte aus der frühen Verwendungspha-se bei einer Reinigung entfernt wurden, stammen die Funde eher aus Zeiten, in denen die Brunnen-nutzung in den Hintergrund trat. Ein Scherben-schleier am Grund könnte auch mit der Nutzung als Filter in Verbindung gebracht werden.53 Ein in den Brunnen gefallener Topf, ein Holzeimer oder anderes wird das Brunnenwasser noch nicht vergiftet haben und in solchen Fällen werden wir davon ausgehen können, dass es sich um Verlustfunde handelt, die es nicht wert waren, geborgen zu werden. Andere Ob-jekte in Brunnen können religiös motiviert gewesen sein beziehungsweise mit dem Volksglauben zu tun haben, in dieser Art wurden Sicheln gedeutet.

Menschliche oder tierische Leichen oder Leichentei-le dagegen machen den Brunnen unbrauchbar, das Wasser wird vergiftet. So ist davon auszugehen, dass die Funde, die die Archäologen in Brunnen finden, zum überwiegenden Teil aus der Zeit nach der Brunnennutzung dort gezielt hineingebracht worden sind. In dem Moment, in dem der Brunnen nicht mehr der Wasserversorgung diente, war er sicherlich eine willkommene tiefe Grube, in die viel nicht mehr verwendetes Material eingefüllt werden konnte. So wird das entsorgte Material dem entsprechenden Grund-stück zuzuordnen sein, die Funde bieten daher einen Ein-blick in einen oder höchstens wenige Haushalte, die einen nahen Zugang hatten. Aufgrund der meist sehr guten Er-haltungsbedingungen schließt dies auch organische Ge-brauchsgegenstände ein.

50 Hampel und Niedermayer 2014. 51 Krenn 2011, 177–178.52 Höfler und Illi 1992, 361.53 Bohnsack 1958.

11. Entsorgung in Planierschichten

Das oben erwähnte Wachstum der Städte war teilweise da-mit konfrontiert, dass der Platz für Erweiterungen durch die Stadt umfließende Gewässer begrenzt war. Eine Land-gewinnung griff z. B. in Lübeck oder in Konstanz auf die Flusssysteme beziehungsweise den Bodensee aus.54 In Lü-beck wurde ein Holzrostkastensystem in den ufernahen Boden eingebracht und mit Erde und Kulturschutt aller Art gefüllt. Ähnliche Pfahlkonstruktionen sind aus Kons-tanz bekannt. Immer wieder stellte man auch die beson-dere Verwendung von großen Mengen, aber ebenso klein-teiligen Knochenkonglomeraten fest. In Konstanz scheint die Aufschüttung an einigen Stellen gezielt mit Knochen-material vorgenommen worden zu sein,55 da Knochen gut für eine Drainagierung geeignet sind.56 Aufgrund der Ro-bustheit wurde dieses Material als Planierschicht verwen-

54 Gläser 2009; Sczech 1993, 69–82.55 Erath 1996. Siehe auch Stephan 2011, 110.56 Galik 2004.

Abb. 2 Stadt Salzburg, Sternbräu. Latrine mit dichter Keramikpackung im hinteren Grundstücksbereich nahe der mittelalterlichen Stadtmauer.

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Perspektiven auf Entsorgungspraktiken im Mittelalter

det, eine ähnliche Funktion konnte kleinteilige Keramik erfüllen, wie es am Heumarkt in Köln57 mehrfach beob-achtet wurde, oder kleinteiliger Bauschutt. In solchen Fäl-len ergab der nicht mehr benötigte Abfall für die weitere Stadtentwicklung eine notwendige Masse beziehungsweise war leicht zur Verfügung stehendes Baumaterial, um neu-es Bauland zu gewinnen oder um Straßen und Plätze zu befestigen. So hatte dieses Material zwar für den täglichen Gebrauch in den Haushalten keine Verwendung, keinen Wert mehr, es besaß jedoch gerade wegen der Fragmen-tiertheit und der spezifischen Materialeigenschaften noch einen nützlichen Zweck und damit einen Wert als Auffüll-material beziehungsweise als Baustoff. Es wäre zu diskutie-ren, inwieweit hier das Konzept des Recyclings greift, da ein weiterer aktiver Gebrauch nicht möglich war.58 Eine konstante Wiederverwendung war nicht vorgesehen, son-dern lediglich eine gezielte Ablagerung für den bestimmten Zweck der Untergrundverfestigung, der Unterfütterung von Baugrund. Bei diesem Konzept der Entsorgung ist von einer zentralen Organisation und Administration auszuge-hen. Die planerische Vorgabe für die lokale Bestimmung der Landgewinnung brachte das Zusammenführen von Abfall und Müll aus der gesamten Stadt an einen Ort mit sich. Auch wenn wir an diesen Stellen Müll ausgraben, ist der Befund dennoch als Auffüllung, Planierschicht bezie-hungsweise Unterfütterung anzusprechen.

12. Entsorgung in Fehlböden

Ähnlich müssen Fehlböden bewertet werden. Hier stand eine Unterfütterung eines Zwischenbodens im Vorder-grund der Aktivitäten. Dafür wurden Dinge herangezogen, für die es keine weitere Verwendungsmöglichkeit gab. Dies lässt sich insbesondere gut durch die mehrfach geflickten und fadenscheinig gewordenen Textilien zeigen. Vermut-lich wurden nicht mehr verwendete Objekte von dem Haushalt des Grundstückseigentümers oder benachbar-ten Haushalten genommen, ein Herbeitragen von ferne-ren Grundstücken ist weniger wahrscheinlich. So wurden in Kempten (Bayern) im Zuge der Reformation aus der Kirche am St.-Mang-Platz Bilder und Kirchenschmuck

57 Höltken 2008.58 Untermann 2014.

gewaltsam entfernt.59 Einige Objekte, die offensichtlich zur Kirchenausstattung gehören, fanden sich in einem Fehl-boden eines benachbarten Hauses. Auffälligerweise finden sich in den Fehlböden – was zum Teil den besonderen kli-matischen Bedingungen in den Fehlböden geschuldet ist, in erster Linie organische Überreste wie Schuhe, Textil-reste oder Papier.60 Es ist weiters zu beachten, dass es sich bei diesen Materialien um leichte Dinge handelt, die aber eine größere Füllmasse besitzen. Sie sind also wohl eher geeignet, im Fehlboden eingelagert zu werden, als schwerer Bauschutt oder Massen von fragmentierter Keramik sowie Gläser.

13. Schluss

Die überblicksartige Zusammenstellung zeigt, dass die Praktiken zur Entsorgung vielfältig sind und es sich lohnt, einen vertiefenden Blick auf die einzelnen Befunde und Fundzusammensetzungen zu werfen. Insbesondere die Verknüpfung mit Überlegungen zu ehemaligen positiven, nicht vorhandenen oder negativen Werten der Objekte er-öffnet Möglichkeiten der differenzierten Interpretationen. Vielfach werden die Dinge ab einem bestimmten Zeit-punkt für den Menschen beziehungsweise ehemaligen Be-sitzer und Nutzer einfach keinen Wert mehr gehabt haben. Diese wertlosen Dinge erlangten aber bei Landgewinnun-gen, Auffüllungen oder Untergrundbefestigungen wieder einen nützlichen, positiven Wert und wurden einer erneu-ten, wenn auch einmaligen Verwendung zugeführt bezie-hungsweise erneut abgelagert. In einigen Fällen konnte zu-dem ein explizit negativer Wert herausgestellt werden. Dies betrifft insbesondere Kadaver, aber ebenso Gebrauchsge-genstände, die dann gezielt aus dem Handlungsumfeld ent-fernt wurden.

Die Übersicht zeigt weiterhin unterschiedliche Stra-tegien von Einzelpersonen, Haushalten und größeren (Stadt-)Gemeinschaften. Insbesondere in den Städten sind aufgrund der dichten Wohnsituation zentral geregelte (und auch archäologisch nachweisbare) Maßnahmen für die Entsorgung notwendig, um gewisse lebenswichtige Grund-voraussetzungen des Zusammenlebens zu gewährleisten.

59 Atzbach und Lohwasser 2005.60 Siehe Beitrag B. Nutz in diesem Band.

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Abbildungsnachweise

Abb. 1: Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2°, f. 55v.Abb. 2: Hampel und Niedermayer 2014

Univ.-Prof. Dr. Claudia TheuneUniversität Wien

Institut für Urgeschichte und Historische ArchäologieFranz-Klein-Gasse 1

1190 WienÖsterreich

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