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0 Université du Luxembourg (Uni.lu) FLSHASE Master en histoire européenne contemporaine Sommersemester 2013/2014 Seminar: Changements et ruptures dans le monde médiéval Leitung: Prof. Dr. Michel MARGUE, Dr. Marie-Cécile CHARLES et Dr. Eloïse ADDE-VOMACKA DER CODEX MARIENDALENSIS Veränderungen und Brüche im Leben der Yolanda von Vianden Marc STEFFEN MAHEC (2) xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxx (Luxemburg) E-Mail: [email protected]

Der Codex Mariendalensis. Veränderungen und Brüche im Leben der Yolanda von Vianden

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Université du Luxembourg (Uni.lu) FLSHASE

Master en histoire européenne contemporaine Sommersemester 2013/2014

Seminar: Changements et ruptures dans le monde médiéval Leitung: Prof. Dr. Michel MARGUE, Dr. Marie-Cécile CHARLES et

Dr. Eloïse ADDE-VOMACKA

DER CODEX MARIENDALENSIS Veränderungen und Brüche

im Leben der Yolanda von Vianden

Marc STEFFEN MAHEC (2)

xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxx (Luxemburg)

E-Mail: [email protected]

0

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung ................................................................................................................................. 1

1. Der Codex Mariendalensis ............................................................................................................ 2

1.1 Klassifizierung .......................................................................................................................... 2

1.2 Autor ......................................................................................................................................... 3

1.3 Entstehungskontext ................................................................................................................... 4

1.4 Überlieferungsgeschichte .......................................................................................................... 5

2. Yolanda von Vianden .................................................................................................................... 7

2.1 Herkunft .................................................................................................................................... 7

2.2 Lebensdaten .............................................................................................................................. 7

3. Veränderungen und Brüche im Codex Mariendalensis ............................................................. 9

3.1 Ausgangssituation ..................................................................................................................... 9

3.2 Veränderungen und Brüche „gegen“ Yolanda ........................................................................ 10

3.2.1 Yolandas Widerstand beginnt ........................................................................................................ 10

3.2.2 Der Streit eskaliert ......................................................................................................................... 12

3.2.3 Schlussphase .................................................................................................................................. 14

3.3 Veränderungen und Brüche im Sinne Yolandas ..................................................................... 15

3.3.1 Yolanda und die Dominikaner ....................................................................................................... 15

3.3.2 Yolandas Entscheidung wird akzeptiert ........................................................................................ 17

3.4 Elemente/Symbole der Veränderung ...................................................................................... 18

3.4.1 Kleidung und Mahlzeiten ............................................................................................................... 18

3.4.2 Gott und der Teufel ........................................................................................................................ 19

4. Historiographie ............................................................................................................................ 21

Schlussfolgerung .................................................................................................................... 23

Anhang .................................................................................................................................... 25

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................... 25

Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 25

Literaturverzeichnis ........................................................................................................................ 25

Internetressourcen .......................................................................................................................... 27

Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................... 27

Weiterführende Informationen ...................................................................................................... 27

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EINLEITUNG

Die von der Historiographie mehrfach als Einschnitt, respektiv als Bruch mit der vorherigen

Epoche charakterisierten „Dark Ages“ (ca. 500 – 1500 n. Chr.1) sind in vielerlei Hinsicht

interessant, wenn es um das Konzept von Veränderungen oder Brüchen* geht.2

Ausgehend von dieser allgemeinen Thematik*, scheint es auf den ersten Blick unüblich sich

eben genau dieser Materie in Bezug auf nur eine bestimmte Persönlichkeit des

Spätmittelalters zu widmen. Nichtsdestotrotz ist genau dies das Ziel der folgenden Arbeit.

Eine generelle Kontextualisierung der Quelle sowie der Hauptprotagonistin wird den Anfang

dieser Arbeit dominieren. Anschließen wird versucht die jeweiligen Geschehnisse und

Elemente, welche eine Veränderung oder auch einen Bruch in der Geschichte um Yolanda

von Vianden hervorrufen, in eine dafür geeignete Kategorie zu klassifizieren und somit eine

chronologisch aufgebaute Struktur der jeweiligen Geschehnisse und Elemente darzustellen.

Im Zuge dieser Etappe soll schließlich das Beantworten folgender Hauptfragestellungen

ermöglicht werden: Wie und welche Veränderungen und Brüche werden in der Quelle

präsentiert und wahrgenommen? Welche Schlüsse lassen diese Veränderungen und Brüche

zu und welche Elemente/Symbole lassen sich diesbezüglich herausarbeiten?

Nun wurden für die Ausarbeitung dieser Fragestellungen sowie der restlichen Arbeit einige

aufschlussreiche literarische Werke genutzt. Bedingt durch die beschränkte Seitenzahl dieser

Arbeit sowie eine spätere Erwähnung einiger Werke, u.a. im 4. Kapitel, kann jedoch nicht auf

alle Werke gleichermaßen eingegangen werden. Allerdings soll an dieser Stelle das Werk

„Yolanda von Vianden“ von Gerald Newton und Franz Lösel erwähnt werden. Ohne deren

Übersetzung des moselfränkischen Textes ins Neuhochdeutsche wäre eine solche Arbeit in

keinem Falle umsetzbar gewesen. Auch bot der gleichnamige Artikel von Pit Péporté einen

sehr guten und präzisen Einblick in die Rezeptionsgeschichte der viandener Grafentochter.

Auch wenn das Thema eine Vielzahl an Forschungsdisziplinen bedient3, so wird die folgende

Arbeit sich darauf fokussieren, die jeweiligen Veränderungen und Brüche in der Quelle

aufzudecken und aufzuzeigen, inwiefern sich diese, im individuellen oder im größeren

Rahmen, darstellen. Im gleichen Sinne wird sich letztlich kurz der Historiographie gewidmet.

1 BÜHLER, Arnold [u.a.] (Hg.), Das Mittelalter. Mannheim 1998, S. 5. 2 „Dark Ages“, vgl. hierzu: LUBICH, Gerhard, Das Mittelalter. (Uni-Taschenbücher, Bd. 3106). Paderborn [u.a.] 2010, S. 37 ff. & 84-98; DUTHOIT, Christine, Le Moyen Âge pour tous. Paris 2010, S. 3; LINEHAN, Peter / L. NELSON, Janet (Hg.), The Medieval World. New York 2001, S. 364-365. 3 BERG, Guy (Hg), Man mothe schrîwen wal ein bůch. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums, 26.-27. November 1999, Luxemburg, Vianden und Ansemburg (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 31, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 3). Luxemburg 2001.

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Abb. 1: Kloster Marienthal im Großraum Luxemburg

1. Der Codex Mariendalensis

1.1 Klassifizierung

Eine Quelle sollte immer zuerst kategorisiert werden, bevor man sich ihrer genauer annimmt.

Genau dies ist bei dem hier vorliegenden, in textgetreuer (Moulin 2009) sowie in übersetzter

Fassung (Newton und Lösel 1999), Codex Mariendalensis (CM) nicht sehr leicht.4

Des Öfteren findet sich der Begriff eines Epos oder einer Vita (Heiligenlegende) in der

heutigen Historiographie wieder. 5 Newton

und Lösel gehen auf diese Problematik

allerdings verstärkt ein und sind der

Auffassung, dass es sich weder um ein Epos

noch um eine Vita handelt. Ein Epos

kennzeichnet sich durch große und

weltbewegende Erzählungen aus. Die

Geschichte nun als solche zu bezeichnen,

wäre nicht korrekt, denn die Handlung

beschränkt sich größtenteils auf das Schloss

Vianden, sowie das von Theoderich von Mersch im Jahre 12326 gegründete Kloster in

Marienthal und deren Umgebungen (vgl. Abb. 1).7

Ebenso wenig lässt sich der CM als Legende oder Vita bezeichnen. Wunder und

Heiligsprechungen, auch wenn diese durch spätere Editionen (u.a. Alexander Wiltheim,

4 NEWTON, Gerald/ LÖSEL, Franz (Hg.), Yolanda von Vianden. Moselfränkischer Text aus dem späten 13. Jahrhundert mit Übertragung (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 21, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 1). Luxemburg 1999, S. 22. 5 „Epos“, vgl. hierzu: MIELKE-VANDENHOUTEN, Angela, Grafentochter-Gottesbraut. Konflikte zwischen Familie und Frömmigkeit in Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolande von Vianden (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur, Bd. 21). Dissertation. München 1998, S. 11; BERG, Ergebnisse (Anm. 3), S. 9; MOULIN, Claudine (Hg.), Leben der Gräfin Yolanda von Vianden. Textgetreue Edition des Codex Mariendalensis von Claudine Moulin (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 36, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 5). Luxembourg 2009, S. 7; „Vita“, vgl. hierzu: BACKES, Michèle, Yolanda von Vianden und die religiöse Frauenbewegung ihrer Zeit. (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 28, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 2). Luxemburg 2000, S. 10; NEWTON, Gerald/ BERG, Guy (Hg.), Alexander Wiltheim - Vita Venerabilis Yolandae. Lateinischer Text mit englischer und deutscher Übersetzung (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 35, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 4). Luxemburg 2007, S. iii. 6 WAMPACH, Henri-Camille, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit. (Bd. 2). 10 Bde. Luxemburg 1938, Nr. 244, S. 262-263. 7 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 22.

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16748) eventuell erwünscht waren9, finden im eigentlichen Werk nicht statt.10 Demnach

lassen sich die knapp 6000 Reimpaarverse vielmehr als hybride moselfränkische

Dichtung/Erzählung charakterisieren11 und als solche wird das Werk fortan auch in dieser

Arbeit bezeichnet.

1.2 Autor

Eindeutig lässt sich der Autor des CM nicht bestimmen. Dennoch akzeptiert die Forschung12

seid 1885, mit der Veröffentlichung der Cartulaire du Prieuré de Marienthal von Nicolas van

Werveke, 13 Hermann von Veldenz als „Urheber“ der mittelhochdeutschen Dichtung. 14

Ebenso benennt er sich selbst während eines Erzählerkommentares: „Nun sagt, Bruder

Hermann, (...)“.15

Hermann von Veldenz wurde um 1250 geboren und trat im Alter von etwa 20 Jahren in den

Dominikanerorden ein. 1275 erhielt er die Priesterweihe. Im Jahre 1303 wird Hermann dann

erstmals in einer Urkunde des Klosters Marienthal als Kaplan des letzteren erwähnt.16

Diese Tatsache sowie die Lebensdaten17 der Yolanda von Vianden lassen den Schluss zu,

dass Hermann Yolanda persönlich kannte und demzufolge den CM womöglich auch in und

eventuell sogar für das Kloster inmitten des heutigen Luxemburgs verfasste. Eine durchweg

objektive Erzählungsweise ist somit voraussichtlich nicht gegeben.

8 NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. iii. 9 MARGUE, Michel, / PÉPORTÉ, Pit, Der Codex Mariendalensis. Vom mittelalterlichen Manuskript zum Erinnerungsort. In: D. CONTER, Claude / SAHL, Nicole (Hg.), Aufbrüche und Vermittlungen. Beiträge zur Luxemburger und europäischen Literatur- und Kulturgeschichte. Bielefeld 2010, S. 177-188, bes. S. 179; PÉPORTÉ, Pit, Yolanda von Vianden. In: KMEC, Sonja / PÉPORTÉ, Pit (Hg.), Erinnerungsorte in Luxemburg II. Perspektivenwechsel. Luxemburg 2012, S. 199-204, bes. S. 199; RAPP, Andrea / ROSENBERGER, Ruth, Margarethe und Yolanda von Vianden. Fromme Frauen zwischen Herrschaftspflicht und Armutsideal. Eine dominikanische Erfolgsgeschichte des 13. Jahrhunderts. In: IRSIGLER, Franz / MINN, Gisela (Hg.), Porträt einer europäischen Kernregion. Der Rhein-Maas-Raum in historischen Bildern. Trier 2005, S. 92-100, bes. S. 99; NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. xi. 10 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 22. 11 MOULIN, Leben (Anm. 5), S. 7. 12 PÉPORTÉ, Yolanda (Anm. 9), S. 199; NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), s. iii; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 14; MARGUE/ PÉPORTÉ, Codex (Anm. 9), S. 179. 13 WERVEKE, Nicolas van, Cartulaire du Prieuré de Marienthal. Band 1 1231-1317 (Publications de la Section Historique de l'Institut G.-D. de Luxembourg, Bd. 38). Luxemburg 1885 oder Online: http://goo.gl/vd9EPb (Stand: 15.05.14). 14 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 54. 15 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 47, V. 395: „Nû saget, brůder Hereman, (...)“; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 51-52. 16 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 24; MILMEISTER, Jean, Die selige Yolanda von Vianden. Eine herausragende Frauengestalt des Hochmittelalters. In: Landrat des Kreises Bitburg-Prüm (Hg.), Heimatskalender Landkreis Bitburg-Prüm. Bitburg 2002, S. 52-57, bes. S. 57; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 55; WERVEKE, Cartulaire (Anm. 13), Nr. 264, S. 240 oder Online: http://goo.gl/7aarFn (Stand: 15.05.14). 17 Vgl. hierzu: Kapitel 2.2 Lebensdaten.

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Hermann bezieht sogar offen Position und gibt den Weg der „grauen Nonnen“

(Zisterzienser18) als den falschen für Yolanda an: „Die grauen Nonnen sind angekommen,

daß sie die Liebreiche [Yolanda] auf beklagenswerte Art auf den falschen Weg leiten.“19.

1.3 Entstehungskontext

Während des 12.-13. Jahrhunderts wird der vermehrte Reichtum vieler Orden und Klöster,

welcher zumeist auf der Tatsache beruht, dass viele geistliche Einrichtungen zugleich

Großgrundbesitzer waren und somit von einer blühenden Agrarwirtschaft des 12.

Jahrhunderts profitierten, deutlich. Genau während dieser Periode wurden auch die Rufe nach

einer ärmeren Kirche wieder lauter. Es gründeten sich also neue Bettelorden. Darunter auch

der, der Dominikaner.20

Um 1215 gründete Dominikus von Guzman in Toulouse den Mendikantenorden

(Bettelorden) der Dominikaner. Zu Beginn handelte es sich um eine religiöse Gemeinschaft

von Predigern im klassischen Sinne. Dies jedoch mit der spezifischen Aufgabe „als Religiöse

das Evangelium der Wahrheit in evangelischer Armut zu predigen“. Somit war das Leben in

strenger Armut also eines der wichtigsten Prinzipien dieses Ordens.21 Dies, wie der weitere

Verlauf dieser Arbeit aufzeigen wird, wird Yolanda zum Problem, denn sie, als Tochter des

viandener Grafen, soll keineswegs Mitglied eines solchen Ordens werden.22

1217 wandelte Dominikus diese Gemeinschaft in einen allgemeinen und zentralisierten

Orden um, der aber weiterhin den gleichen Auftrag wahrnehmen muss. Nach dem Tod des

Dominikus (1221) breitete sich der Orden ziemlich schnell weiter in Europa aus und fasste

bereits die Mission in Asien ins Auge. Die Zahl der Konvente explodierte regelrecht. Von 25

inkl. etwa 500 Ordensbrüder und einige hunderte Schwestern im Jahre 1221 auf rund 404

Konvente im Jahr 1277.

Yolanda wird also später in einen Orden eintreten, welcher selbst für einige Veränderungen

und Brüche innerhalb des traditionellen Ordenlebens sorgte. 23 Ebenso lässt sich der

18 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 18. 19 Ebd. S. 104-105, V. 3120-3122: „dy nunnen grâ sint kumen dar, dat sy dy minnenclîche verleiden jêmerliche.“. 20 FEDALTO, G., Artikel „Dominikaner, Dominikanerinnen“. In: LexMA Bd. 3 (9 Bde.) München 2003, Sp. 1192-1220, bes. Sp. 1192; HOURS, Bernand, Histoire des Ordres religieux. Paris 2012, S. 36 & 39-40. 21 FEDALTO, Dominikaner (Anm. 20), Sp. 1192. 22 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2 Veränderungen und Brüche „gegen“ Yolanda. 23 MELVILLE, Gert, Zur Wahrnehmung der frühen Mendikanten vor dem Problem institutioneller Neuartigkeit im mittelalterlichen Religiosentum. In: MELVILLE, Gert/ OBERSTE, Jörg (Hg.), Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum. (Vita Regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter, Bd. 11). Münster 1999, S. 1-23.

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angebliche Autor des CM, Hermann von Veldenz, wie bereits beschrieben, mit dem

Bettelorden in Verbindung bringen und beeinflusste somit maßgeblich die Yolanda-Dichtung.

Letztlich sei an dieser Stelle noch angeführt, dass der Autor genealogische Kenntnisse beim

Leser voraussetzt. Dies sowie die benutzte Sprache (kein Latein) schränkten vorerst die

Verbreitung der Dichtung ein.24 Ebenso soll er nicht ganz ohne Vorlage gearbeitet haben. Das

Exemplum des Thomas von Cantimpré könnte als Vorlage gedient haben.25

1.4 Überlieferungsgeschichte26

Die um das Jahr 1325 entstandene Dichtung gilt vielfach als das älteste bekannte und bis in

die heutige Zeit überlieferte moselfränkische literarische Werk.27

Ca. 300 Jahre später (1655) konnte der Alexander Wiltheim (1604-1684) den CM ansehen

und fertigte eine Abschrift an. Diese Abschrift ging jedoch verloren. Zuvor, im Jahre 1674,

fertigte Wiltheim allerdings noch eine lateinische Fassung seiner Abschrift an. Diese Fassung

bot der Forschung sehr lange die einzige Möglichkeit sich mit der Yolanda-Dichtung

auseinanderzusetzen, denn der Urtext aus dem 14. Jahrhundert galt bis zum Jahr 1866 als

verschollen. In diesem Jahr veröffentlichte Franz Pfeiffer (1815-1868) nämlich einen Auszug

des CM. 1889 gab John Meier (1864-1953) dann den vollständigen Text heraus.28

Selbstverständlich wurden weitere Unternehmungen vorgenommen Wiltheims lateinische

Fassung des CM in die deutsche, respektiv französische Sprache zu übersetzen. Die

französischsprachige Geschichte des Herzogtums Luxemburg aus dem Jahre 1743 von Jean

Bertholet (1688-1755) blieb allerdings erhalten. Ebenso überdauerte eine durch Pater Peter

Stehres (1804-1883) angefertigte deutsche Übersetzung die Zeit.29

24 Ebd. S. 20. 25 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter, (Anm. 5), S. 22 & 60-61; BACKES, Yolanda (Anm. 5), S. 17-18; CANTIMPRÉ, Thomas de, Bonum Universale de apibus. Thomae Cantimpratensis miraculorum et exemplorum memorabilium sui temporis libri duo. (Tome 2, Chapitre 39). Éd. franç. de COLVENERIUS, Georg, Douai 1627. 26 Der nun folgende Teil versucht nicht die gesamte Überlieferungsgeschichte inkl. aller Veröffentlichungen und Rezeptionen gerecht zu werden. Er soll lediglich einen kurzen Überblick über die Geschichte des CM geben. Der ausführlichste Versuch eine vollständige Überlieferungsgeschichte zu erzählen, liefert Michèle Backes in ihrer Einleitung. Vgl. hierzu: BACKES, Yolanda (Anm. 5), S. 12-16. 27 Ein genaueres Verfassungsdatum lässt sich, wie bei den meisten mittelalterlichen Quellen, jedoch nicht ausmachen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass generell die Zeitspanne zwischen 1290-1350 von den meisten Historikern und Forschern als Entstehungsdatum angegeben wird. Vgl. hierzu: MOULIN, Leben (Anm. 5), S. 7; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 19; NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. iii. 28 NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. iii; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 8; MOULIN, Leben (Anm. 5), S. 7; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 14, BACKES, Yolanda (Anm. 5), S. 12. 29 NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. iii-v; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 10-11.

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Bleibt noch die im Jahre 1979 erschienene Neuausgabe des Werkes von Pierre Grégoire

(1907-1992), sowie die neuhochdeutsche Übersetzung des Originaltextes durch Gerald

Newton und Franz Lösel aus dem Jahre 1999, welche u.a. auch für diese Arbeit als

Übersetzungswerk zu Rate gezogen wurde. Im gleichen Jahr (November 1999) markierte die

Wiederauffindung des CM den Startschuss für eine Vielzahl von unterschiedlichen

literarischen Werken (siehe Literaturverzeichnis).30

30 NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. v-vii & xi; MOULIN, Leben (Anm. 5), S. 7; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 11-14; BACKES, Yolanda (Anm. 5), S. 12.

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2. Yolanda von Vianden

Bevor die Thematik der Veränderungen und Brüche rund um die Grafentochter aus Vianden

genauer analysiert werden kann, ist es nötig die Hauptprotagonistin an sich und deren Umfeld

(familiär, religiös, usw.) zu kontextualisieren.

2.1 Herkunft

Yolanda von Vianden war die Tochter des Grafen Heinrich I. von Vianden (†1252/3) und

dessen Frau Margarethe (oder Margareta) von Courtenay (†1270).31

Sowohl Mutter als auch Vater hatten enge Verbindungen zum abendländischen Hochadel und

dem höheren Klerus. Die Tatsache, dass Margarethe von Courtenay die Tochter von Peter

von Courtenay, Kaiser von Konstantinopel und dessen Gattin Yolanda von Hennegau war,

sowie die Verwandtschaft zum französischen König Ludwig VI (1108-1137) zeigen diese

Verbindung zum Hochadel deutlich auf.32

Väterlicherseits konnte die Grafschaft Vianden Ende des 13. Jahrhunderts ebenso hohe

Verbindungen zum hohen Klerus aufweisen. So bekleideten, Heinrich und Peter, beides

Söhne des Grafen von Vianden, das Amt des Domprobstes und des Probstes von Köln. Eine

noch höhere Position hatte Konrad von Hochstaden, Sohn aus erster Ehe seiner Schwester

Mathilde mit Lothar I. von Hochstaden inne. Dieser war Erzbischof von Köln. Gleichzeitig

war Hymana, Tochter aus zweiter Ehe seiner Schwester Äbtissin von Salzinnes, sowie Lucia

von Hochstaden Äbtissin des Klosters St. Thomas bei Himmerod.33

2.2 Lebensdaten

Die Geburt der Grafentochter aus Vianden lässt sich um das Jahr 1230 festlegen. Im

Dezember 1281 ist Yolanda verstorben und wurde demnach etwa 50 Jahre alt.34 Viele

Forscher, u.a. Newton & Lösel, Moulin, Backes usw. geben allerdings das Jahr 1283 als

31 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 7. 32 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 20; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm, 5), S. 11; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 40, V. 52-61: „Ihr Vater herrschte in Griechenland, Kaiser Peter und nach ihm war dort ihr Bruder Kaiser, der hieß Balduin von Konstantinopel. Ihre Familie war kaiserlicher Herkunft, auch war ihr Blut von mächtigen Königen aus Frankreich entsprungen, worunter sich König Ludwig befand.“. 33 RAPP/ ROSENBERGER, Margarethe (Anm. 9), S. 93; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 346 & 349; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 7; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52 & 54. 34 MARGUE, Michel, „Wy ritterlîche sy dâ streit!“. Kloster und Burg. Der historische Raum zur und in der Yolanda-Dichtung. In: BERG, Guy (Hg), Man mothe schrîwen wal ein bůch. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums, 26.-27. November 1999, Luxemburg, Vianden und Ansemburg (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 31, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 3). Luxemburg 2001, S. 105-124, bes. S. 110.

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Todesdatum an. 35 Margue allerdings, unter Berücksichtigung ihrer Zeit als Priorin in

Marienthal, nämlich 25 Jahre, hält das Jahr 1281 für wahrscheinlicher, denn die Nachfolgerin

Yolandas, Poncetta von Meysemburg, diente Marienthal angeblich 16 Jahre als Priorin und

starb 1297.36 Somit ist das Jahr 1281 als Todesdatum eher glaubhaft.

Im Jahre 1248 tritt Yolanda dem Kloster Marienthal bei und wird knapp zehn Jahre danach

(1258) Priorin des Klosters. Unter ihrer Leitung erlebt das Kloster dann seine Blütezeit.37

Interessant und zugleich eigenartig ist es aber, dass der CM es unerwähnt lässt, dass erst ab

1248 Marienthal offiziell dem Dominikanerorden unterstellt war.38

35 MOULIN, Leben (Anm. 5), S. 11; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 7. 36 MARGUE, Kloster (Anm. 34), S. 110; WERVEKE, Cartulaire (Anm. 13), S. XXIV (Intro) oder Online: http://goo.gl/ZgYrGT (Stand: 19.05.14). 37 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 56; HEYART, Luss, Das Kloster Marienthal und seine Geschichte. Luxembourg 2003, S. 13; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 315. 38 WERVEKE, Cartulaire (Anm. 13), Nr. 51, S. 43-44 oder Online: http://goo.gl/3C7xTF (Stand: 19.05.14).

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3. Veränderungen und Brüche im Codex Mariendalensis39

3.1 Ausgangssituation

Bevor nun detaillierter auf die einzelnen, im CM, auffindbaren Elemente der Veränderung

oder des Bruches eingegangen wird, soll eine kurze Beschreibung der Ausgangssituation, in

welcher sich Yolanda zu Beginn der Erzählung befindet, für einen vereinfachten Einstieg in

die gesamte nun folgende Thematik sorgen.

Yolanda ist als älteste Tochter des Grafen von Vianden nicht für ein Klosterleben bestimmt.

Diesen Wunsch hegt die junge Grafentochter jedoch bereits sehr früh und unterstreicht diesen

Willen wie folgt40: „Das junge und mutige Mädchen [Yolanda] sprach das Wort aufrichtig,

gerade wie es ihr im Herzen lag, denn ihr ganzes Herz und Denken richteten sich fest zu

Gott.“41. Infolgedessen will sie gleich nach ihrem ersten Besuch in das gleiche Zisterzienser

Kloster ihrer Kusine Hymana eintreten und Nonne werden: „Einmal wollte die Gräfin

[Margarethe] nach Namur in ein dortiges Kloster eines Frauenordens reiten, der das Grau

[der Zisterzienser] trägt. Die junge Tochter [Yolanda] nahm sie mit sich. (...) sie wollte als

Nonne dort bleiben, die Welt verlassen (...)“.42 Die Äbtissin gewährt ihr diesen Wunsch

jedoch nicht und begründet dies damit, dass sie noch zu jung sei und nur unnötig den Zorn

ihrer Mutter auf sich ziehen würde: „Die Herrin [Hymana] sprach: „Nimm doch meinen Rat:

Du bist zu jung, (...) Auch ist deine Mutter hier (...) sie würde sich sehr erzürnen, (...)“43

Anschließend ist es Yolanda selbst, die sich freiwillig mit dem, aus ihrer Entscheidung heraus

womöglich entstehenden, Zorn der Mutter abfindet: „Schaden und Zorn mögen sich beide auf

mich richten.“44 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird zu erkennen sein, dass Yolanda diese

Entscheidung um jeden Preis durchzusetzen versucht.

39 War der bisherige Teil der Arbeit eher einer groben Kontextualisierung bezüglich des CM sowie der Yolanda von Vianden gewidmet, so wird der nun folgende Teil sich näher mit dem eigentlichen Hauptthema „Veränderungen und Brüche im Spätmittelalter“ beschäftigen und gezielt die jeweiligen Elemente in Verbindung zum eben genannten Hauptthema herausarbeiten. 40 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 20; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52-53; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 4), S. 11; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 7. 41 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 43, V. 194-198: „dy dyrne junc und unverzagt des wordes sunder lôige gach reht als it inme herzen lach, wand al hir herze und hir gedanc zů gode wâren sunder wanc.“. 42 MARGUE, Kloster (Anm. 34), S.108-109; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 43, V. 219-223 & 233-234: „It was in einen zîden, dy grêvinne wolde rîden zů Nâmen in ein klôster dâ van vrôiwen ordene, der ist grâ; dy dohter junc sy bit hir nam. (...) sy woilde nunne blîven dâ, dy werelt lâzen (...)“. 43 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 44, V. 252-253, 256 & 258: „dy vrôiwe sprach: „nû volge mir: du bis ze junc, (...) ôich ist dîn můder hy (...) dy sich wol zurnen soilde, (...)“. 44 Ebd. S. 44, V. 262: „schade unde zorn sîn beide mîn.“.

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Exakt diese Problematik lässt sich als Ausgangssituation der Yolanda-Dichtung aufführen

und unterstreicht ebenso vorläufig bereits in welche Richtung die Erzählung die

Protagonistinnen, Yolanda und u.a. auch Margarethe, führen könnte, respektiv wird. Nämlich

vom Wunsch nach einem geistlichen Leben, über eine strikte Ablehnung der Familie und

hauptsächlich der Mutter hin zur gewünschten Endsituation der Yolanda.

Genau während diesem Handlungsstrang werden wir, als Leser des CM, Zeuge mehrerer

Veränderungen und Brüche. Die einen, wie der weitere Verlauf der Arbeit zeigen wird,

führen Yolanda näher an ihr Ziel heran. Andere wiederum, und darunter fallen hauptsächlich

die Brüche zwischen Yolanda und ihrer Mutter, entfernen die Hauptprotagonistin wieder von

ihrem Ziel.

Aus diesem Grund unterscheiden wir fortan zwischen Veränderungen und Brüchen, welche

sich klar gegen die Zielsetzung Yolandas richten sowie Veränderungen und Brüchen, welche

für die Erfüllung des Zieles von Yolanda sprechen. Diese darzulegen und zu kategorisieren

wird somit die Aufgabe der kommenden Unterkapitel sein.

3.2 Veränderungen und Brüche „gegen“ Yolanda

Um einer gewissen chronologischen Reihenfolge der Erzählung gerecht zu werden, wird der

nun folgende Teil der Arbeit sich etappenweise denjenigen Veränderungen und Brüchen im

CM widmen, welche eindeutig die Erfüllung des Wunsches der Grafentochter erschweren.

3.2.1 Yolandas Widerstand beginnt

Die junge Grafentochter aus Vianden hatte also bereits sehr früh, etwa im Alter von ca. 9-12

Jahren, den Wunsch ihr weltliches gegen ein geistliches Leben einzutauschen.45 Sie verachtet

regelrecht ihr weltliches Dasein. Dies unterstreicht sie bereits zu Beginn der Dichtung: „Sie

[Yolanda] verachtet die Welt sehr, so jung sie auch war.“46 und wiederholt ihre Überzeugung

mehrmals. So u.a. an dieser Stelle: „(...) was sie [Yolanda] für Freuden der Welt gewährte, so

war doch für sie immer die Welt tot und sie gleichermaßen für die Welt.“47. Yolandas

persönlicher Bruch mit der „Welt“ findet somit seine erste Erwähnung.

Die Eltern und speziell die Mutter waren gegen diesen Wunsch und hatten, u.a. gedrängt von

Konrad von Hochstaden, betreffend der Zukunft ihrer wohl ältesten Tochter andere Pläne.48

45 Ebd. S. 20; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52-53. 46 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 42, V. 146-147: „dy werilt trat sy bit gewalt zen vůzen alse junc sy was.“. 47 Ebd. S. 75, V. 1743-1745: „wat sy der werlde vrôiden bôt, doch was hir y dy werelt dôt und sy der werlde glîcher wîs.“. 48 MARGUE, Kloster (Anm. 34), S. 110.

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Eine politische Heirat, wie sie während des Mittelalters üblich war, so Milmeister und

Margue, sollte der Grafschaft Vianden weiterhin Stabilität verleihen und somit eine

kommende Auseinandersetzung mit der Grafschaft Luxemburg verhindern. Demzufolge

sollte eine Heirat mit Walram II. von Monschau (1265-1266), dem Enkel der

luxemburgischen Gräfin Ermesinde, die Rivalitäten im und um das Gebiet zwischen Maas

und Mosel beenden.49

Bevor nun überhaupt eine konkrete Heirat ansteht, wird Yolanda bereits im Alter von 9

Jahren bezüglich dieser Thematik angesprochen: „Das Mädchen, von dem ich erzählen will,

war neun und nicht viel darüber, als man sie zu fragen begann, ob sie einen Gatten nehmen

wollte.“.50 Die junge Grafentochter entgegnet gleich darauf: „ „Nein“, sprach sie, „das kann

nicht sein, daß jemals ein Mann mein werden könnte, der sterblich ist: (...)“51 Mit diesem

verbalen Bruch mit der Mutter gibt Yolanda also bereits zu verstehen, dass sie keinen

weltlichen, sondern wenn überhaupt einen geistlichen Mann und somit Gott allein zum

Gatten nehmen würde. Dies nahmen, so der CM, die Angehörigen natürlich nicht mit Freuden

entgegen. Bisweilen bleibt es jedoch nur bei Beschimpfungen.52 Ein erster Bruch mit der

Familie ist jedoch vollzogen. Im Vergleich zu den gleich folgenden Brüchen ist dieser jedoch

eher harmlos.

Nach dem ersten Besuch durch Walther von Meysemburg, dem Prior des Trierer

Dominikanerklosters53, welcher u.a. Gegenstand des Kapitels „Veränderungen und Brüche im

Sinne Yolandas“ sein wird, verändert sich die Ausgangssituation dramatisch. Yolanda will

fortan als Dominikanerin in Marienthal leben und ist sogar bereit aus Vianden zu fliehen.54

Nun ist es aber in erster Linie die Inkenntnissetzung Yolandas über diese bevorstehende

Heirat, welche die gesamte Problematik um einen vermutlich ebenfalls bevorstehenden

Klostereintritt der Grafentochter lostritt. Die Mutter gibt demnach bekannt „(...) wie sie der

Tochter einen Gatten gewonnen habe, der liebreich, stolz, von edler Geburt und mächtig

war“55. Yolanda zeigt hier den zweiten konkreten Wiederstand gegenüber der Mutter und

49 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 56; MARGUE, Kloster (Anm. 34), S. 116. 50 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 42, V. 175 & 177-178: „dy magt, van der ich sagen will, nûnjêrich was, darzů nyt vil, dâ man sy vrâgen des began, aver sy wolde nemen man“. 51 Ebd. S. 42, V. 179-181: „ „nein“, sprach sy, „des enmach nyt sîn, dat unmer moge werden mîn kein man, der můze sterven: (...)“. 52 Ebd. S. 42-43. 53 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52-53; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 319. 54 MIELKE-VANDENHOUTEN (Anm. 5), S. 319; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 49-53. 55 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 55, V. 804-806: „(...) wy sy der dohter einen man entfangen hette minnenclich, stolz, wolgeboren unde rîch.“.

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somit den zweiten konkreten Bruch mit dem abendländischen Weltgefüge (gehorchen der

Kinder gegenüber den Eltern56): „Nein, Herrin, das kann nicht sein. Der Mund und auch

mein Herz versprechen sich wahrlich keinem anderen Mann, als ich selbst erwählt habe.“57.

Yolanda unterstreicht u.a. hier also ein weiteres Mal, dass sie sich Gott versprochen und ihn

als ihren Ehemann auserwählt hat, sowie sich keines Falls zur Frau eines ihr noch

unbekannten Mannes machen lassen wird. Diese Drohung und den wiederkehrenden verbalen

Bruch nimmt ihre Mutter jedoch anfangs nicht sehr ernst.58

Von nun an lässt die Mutter Zisterzienser und Franziskaner nach Vianden schicken, um die

Tochter von ihrem Vorhaben sich dem Orden der Dominikaner anzuschließen, abzubringen59

und sie darauf aufmerksam zu machen, dass sich das von ihr erwählte Kloster in einem

desolaten Zustand befindet: „Große Armut und Mühe findest du in Mariental.“60. Diese

Strategie bleibt jedoch ohne Erfolg und Margarethe beschließt selbst nach Marienthal zu

reisen um sich einen Überblick vom Zustand des Klosters nahe Mersch zu machen.61 Die

Gräfin war entsetzt über das was sie vorfand: „Das [Kloster Marienthal] war noch leider

unansehnlich: Das Dach war noch ganz mit Ginster überdeckt. Die Mauern und die

Gewölbe, die waren leider noch niedrig. (...) Sie [Margarethe] sah da große Armut. Der Ort,

der Orden erregten ihren Ärger. Dies schien ihr gänzlich ein Nichts. Sie ging zornig weg.“62.

Fortan ist die Mutter festentschlossen ihre Tochter daran zu hindern diesem Kloster

beizutreten.

3.2.2 Der Streit eskaliert

Von nun an sind die Positionen eindeutig. Yolanda will in das Kloster Marienthal eintreten

und Dominikanerin werden. Sie sieht dies sogar vielleicht als Möglichkeit einer weltlichen

Heirat zu entgehen. Ihre Mutter, Margarethe will sie unter allen Umständen daran hindern.

Wie weit beide nun gehen werden um ihren jeweiligen Standpunkt durchzusetzen verdeutlich

der nun folgende Teil dieser Arbeit.

56 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 52. 57 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 56, V. 813-816: „ „nein vrôiwe, des enmach nyt sîn. der munt und ôich dat herze mîn gelovent zwâre nummer man dan als ich selven erkoren han.“. 58 Ebd. S. 56, V. 828 ff. 59 Ebd. S. 62, V. 1112 ff. & S. 70-71; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53. 60 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 62, V. 1138-1139: „armůde grôz und arebeit du zů Merdâle vindes.“. 61 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 71-72. 62 Ebd. S. 72, V. 1605-1609 & 1611-1614: „dat was noch leider kleine: der dach, der was gemeine bit ginsteren noch bezogen. dy mûren und dy bogen, dy wâren leider noch unhô. (...) armůde sy gesach dar grôz. der stat, des ordens sy verdrôz, it duhte sy ze mâle ein nyt: unmůdich sy van dannen schyt.“.

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Nachdem die Mutter aus Marienthal zurückgekehrt ist und ihrer Tochter von dem, ihrer

Meinung nach, schrecklichen Zustand des Klosters berichtet hat, will Yolanda sich selbst ein

Bild über den Zustand des besagten Klosters machen. Sie bittet ihre Mutter darum mit ihr

gemeinsam ein weiteres Mal das Kloster zu besuchen. Die Mutter stimmt, wahrscheinlich in

der Hoffnung, dass ihre Tochter, wenn sie es mit ihren eigenen Augen sieht, sich auch gegen

einen Eintritt entscheidet, zu.63

So kommen beide um 124564 in Marienthal an. Es gelang Yolanda sich kurz der Aufsicht der

Mutter zu entziehen und sich in den Dominikanerinnenorden aufnehmen zu lassen.

Margarethe findet dies natürlich heraus und es beginnt eine ziemlich lange Passage des

Jähzorns (Vers 1900-2610), welche den endgültigen Bruch zwischen Mutter und Tochter

festigt.65 Zuvor ist es allerdings noch Yolanda, welche durch ihre radikale Aktion, womit sie

selbstverständlich den Zorn der Mutter auf sich ziehen wird, den Grundstein für die heftige

Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter legt: „ „Liebste Schwestern, erfüllt Gott

zuliebe meine Bitte (...) Bringt mir schnell das geistliche Gewand und eine Schere (...) Das

Ordenskleid will ich heute empfangen. Sollte es mir an mein Leben gehen, ich tue, was ich

tuen muß.“ “66. Mit diesem Akt unterstreicht Yolanda ihren Bruch mit allen weltlichen

Tugenden inkl. ihrer Mutter und betritt dem Autor des CM zufolge „(...) den Kampfplatz (...)

dort muß sie bis zum Tode streiten.“67. Der regelrechte „Kampf“ mit der Mutter hat also nun

begonnen.

Wie sehr Margarethe selbst diesen Bruch wahrnimmt, verdeutlichen die kommenden Verse

des CM sehr gut. Die Mutter zerrte Yolanda aus dem Kloster: „Sie zog, sie zerrte und mit

lauter Stimme sprach sie zu dem jungen Mädchen: „Auf, Jungfrau, das darf nicht sein, was

Ihr begonnen habt. Ihr müßt von hier weg und mir gegen Euren Willen folgen.“68. Es gelang

der Mutter jedoch nicht ihre Tochter aus dem Kloster zu entfernen und sie war gezwungen

allein nach Luxemburg weiterzureisen. Nach diesem zusätzlich physischen Bruch zwischen

Mutter und Tochter kehrte Margarethe mit drei luxemburgischen Lehnsmännern zurück und

63 Ebd. S. 73, V. 1625 ff. 64 MARGUE, Kloster (Anm 34), S. 105; Milmeister spricht vom Frühling 1245. Vgl. hierzu: MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53; Rapp hingegen siedelt den zweiten Klosterbesuch im Frühjahr des Jahres 1246 an. Vgl. hierzu: RAPP/ ROSENBERGER, Margarethe (Anm. 9), S. 92. 65 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 181-182 & 187; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53; MARGUE, Kloster (Anm. 34), S. 105. 66 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 77, V. 1827-1830 & 1831-1833: „ „vil lyve susteren, durch got důt mîne bede (...) bringet mir balde den abît und eine schêre (...) den orden wil ich hûde enfân. solid it mir an mîn leven gân, ich důn dat mir ze důne steit.“ “. 67 Ebd. S. 78, V. 1856-1857: „sy ist getreden in den warf, dar můz sy strîden ûf den dôit.“. 68 Ebd. S. 79, V. 1902-1907: „sy zôch, sy dans, und uverlût sy zů der jungen dyrne sprach: „wol ûf, juncfrôiwe, dit enmach nyt sîn, des ir begunnen hat. ir můzet hinen van der stat mir volgen sunder ûren danc.“.

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forderte ihre Tochter zurück.69 Sie drohte dem Kloster mit dessen Niederbrennung: „Sie

sprach, sie müsse ihr Kind sehen: Wenn das nicht gleich geschehen würde, würde sie Kloster

und Ort niederbrennen.“.70 Dieser Bruch mit der Realität des Mittelalters ist auch letztlich

einer der heftigsten Reaktionen der Mutter und verdeutlicht nunmehr, dass sie bereit ist alles

zu tun um ihre Tochter von Marienthal fernzuhalten.

Yolanda tritt nun hervor und versucht nicht etwa die Mutter zu beruhigen, sondern spitzt die

Situation mit folgender Aussage noch weiter zu: „ „Wahrhaftig“ sprach das junge Mädchen,

„Diese Wahl gefällt mir nicht (...) ich lehne beide Möglichkeiten [Niederbrennung des

Kloster oder mit der Mutter zurück nach Vianden zu gehen] ab (...) Es ist vergeblich was Ihr

mir androht. Mit mir verhält es sich so, daß ich nimmermehr von hier scheiden will, wie auch

immer mir geschehe.“ “71 Dies festigt natürlich den Bruch zwischen Mutter und Tochter.

Nachdem es Walther von Meysemburg, welcher ebenso anwesend war, nicht gelang die

zornige Mutter zu besänftigen, musste Yolanda, welche sich nun endgültig Marienthal und

den Dominikanern verpflichtet fühlte, zusammen mit ihrer Mutter nach Vianden

zurückkehren.72 Hier lässt sich ein weiterer physischer Bruch mit der Realität ausmachen.

Yolanda bittet nämlich um Folgendes: „ „Ei, edler Herr von Reuland [Kuno von Reuland73],

erfüllt mir noch eine Bitte: nehmt ein Schwert, drum bitte ich, schlagt mir sofort den Kopf ab,

bevor mir das Herzeleid geschehe, daß man mich von hier wegbringe.“ “74.

Diese Passagen verdeutlichen nunmehr sehr gut, inwiefern sich der Bruch zwischen Mutter

und Kind auf eine radikale Art und Weise vollzogen hat sowie durch die jeweiligen Aktionen

vertieft wurde.

3.2.3 Schlussphase

Nach erneuten Besuchen ihrer geistlichen Verwandtschaft (u.a. Lucia von Hochstaden), die

Yolanda vom ihrem Wunsch abbringen sollten75, droht die Mutter mit einem Ultimatum: „Ihr

müßt zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Folget dem Mann [Walram II. von Monschau] 69 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53; RAPP/ ROSENBERGER, Margarethe (Anm. 9), S. 92-93. 70 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 181; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 85, V. 2225-2227: „sy sprach, sy můste ir kint gesn: wy des enmohte nyt geschyn, sy brente klôster unde stat.“. 71 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 86, V. 2237-2239 & 2246-2250: „ „entrûen“, sprach dy junge magt, „dy deile mir nyt vol behagt, und ich versagen beide (...) it is verlorn wat ir getryget umbe mich. bit mir it steit alsî dat ich enwil van hinnen nummermê gescheiden, wy mir dat ergê.“ “. 72 RAPP/ ROSENBERGER, Margarethe (Anm. 9), S. 92-93; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 324; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 80-81 & 92-93. 73 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 1), S. 53. 74 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 93, V. 2590-2595: „ „ey, edle herre van Rûlant, důit eine bede noch durch mich: nemit ein swert, des biden ich, slêt mir dat hoivet ave alhy, ê mir dat herzeleit geschy, dat man van hinnen brenge mich.“ “. 75 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 54; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 110-114.

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(...) oder Ihr werdet willig eine graue Nonne da zu St. Thomas (...)“76. Diese Entscheidung

lag jedoch nicht länger bei Yolanda als ihr zukünftiger Gatte sich wegen der ständigen

Unannehmlichkeiten gezwungen sah die Hochzeit abzusagen und stattdessen Jutta von

Ravensburg zu ehelichen.77

Zuvor versucht Margarethe allerdings noch Yolanda zur Ehe mit Walram zu zwingen, indem

sie damit droht beide zusammen einzusperren.78 Diesem erneuten Bruch mit der Realität

entgegnet die Grafentochter jedoch nur: „Ihr könnt mich neben den Mann legen, solang ich

Gottes Hilfe habe (...) wäre ich auch mit hundert Männern fest eingeschlossen, käme ich doch

gar unberührt von dannen.“79.

Dies sowie zwei weitere Brüche mit der Realität (Yolanda allein in einen Turm

einzusperren80, sowie eine Morddrohung81) markieren langsam aber sicher das Ende der

Veränderungen und Brüche, welche sich gegen die junge Grafentochter aus Vianden

richteten.

3.3 Veränderungen und Brüche im Sinne Yolandas

Wurden nun im vorigen Kapitel die Elemente, welche sich gegen Yolanda und ihren Wunsch

stellten, hervorgehoben, so soll der kommende Teil der Arbeit die Veränderungen, welche im

Sinne Yolandas geschahen, herausarbeiten. Diese sollen selbstverständlich auch

chronologisch aufgeführt werden und somit beginnt die Dichtung ab hier wieder von vorne.

3.3.1 Yolanda und die Dominikaner

Wie zuvor bereits sehr kurz aufgegriffen worden ist, war es u.a. Walther von Meysemburg,

der die Geschehnisse im Sinne Yolandas beeinflusste und in ihr den Willen weckte sich

sowohl den Dominikanern als auch Marienthal anzuschließen.82

Meysemburg betritt das erste Mal die Bühne, indem er in Vianden eine Messe hält. Yolanda

trifft dort auch das erste Mal auf Meysemburg und gleich zu Beginn kommt die Frage nach 76 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 118, V. 3773-3776: „ir můezt kysen under zwein: den manne volget, âr werdet gerne nunne grâ ze sente Thômase aver dâ (...)“. 77 MARGUE, Kloster (Anm. 34), S. 116-117; MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 54. 78 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 190; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 119, V. 3808-3811: „Ich werde dich öffentlich mit dem Mann in eine Kammer einschließen (...)“. 79 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 119, V. 3816-3817 & 3819-3821: „ir mogt mich legen bî den man: sô lanc ich got ze helfen han (...) wêre ich bit hundert manne noch besluzzen vast, ich soilde doch wol unbevlecket kumen dan.“. 80 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 190; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 120, V. 3851-3852: „Sie wollte die Tochter fangen lassen und ganz unten in den Turm werfen (...)“. 81 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 139, V. 4735-4737: „Nun urteilt und wählt: Ihr verliert das Leben, oder Ihr tut das, worum ich Euch bitte.“ “. 82 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 319; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 49-53.

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Yolandas zukünftiger Laufbahn auf: „ „Vielliebe Tochter, sage mir, liegt es noch in deiner

Absicht (...) die du so bald in deiner frühen Kindheit hegtest, als du eine Nonne werden

wolltest?“83. Walther, der sehr gut über die Familienverhältnisse Bescheid wusste, entgegnete

Yolanda ebenso mehrmals, dass ihr einziges Problem die Mutter sei: „Wenn nur deine Mutter

es will, so werden dein Herr und auch dein Bruder und auch der Bischof Konrad alle darin

gute Hilfe geben.“.84

Letztlich gibt auch Meysemburg den sogenannten Startschuss für die Veränderungen, welche

allesamt in Richtung der Dominikaner führen sollen. Dies indem er der Grafentochter, nach

dessen ausführlicher Bitte, von seinem Orden und Marienthal erzählt85, sowie ihr anbietet sie

in seinen Orden aufzunehmen: „Darin will ich ganz ein Bürge sein, daß ich dir den besten

Orden geben werde. Willst du mir folgen?“86.

Des Weiteren will Meysemburg auch die Mutter davon überzeugen, dass Marienthal der

richtige Weg für Yolanda ist: „Da dies der gute Mann sah, daß sie [Yolanda] durch nichts

abzubringen war, riet er der Mutter vertraulich, daß sie der Tochter gestatten sollte, in das

Kloster zu gehen.“87. Dies änderte jedoch bekanntlich nichts an der Überzeugung der Mutter,

dass Marienthal der letzte Ort sein sollte an dem ihre Tochter leben sollte.

Ebenso lassen sich die beiden Reisen Margarethes nach Marienthal (wovon eine mit Yolanda

unternommen wurde) als Veränderung in Richtung der Dominikaner interpretieren. Diese

natürlich mit dem, für Yolanda negativen, Nebeneffekt, dass die dortigen Aktionen (Haare

abschneiden, Orden beitreten, Kloster niederbrennen) den Bruch zwischen ihr und der Mutter

nur noch verstärken.88

Allerdings wird auch gerade durch diese Aktionen deutlich, dass Meysemburg, welcher

nunmehr als Hauptakteur für die Veränderungen in Richtung der Dominikaner auftritt, nicht

um jeden Preis bereit ist Yolandas Wunsch zu verteidigen. So bittet er, um das Kloster und

dessen Bewohner nicht zu gefährden, Yolanda letztlich doch mit ihrer Mutter zurück nach

83 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 50, V. 553-557: „ „vil lyve dohter, sage mir, has du den willen noch bî dir, den du sô vrů begundes dragen bî dînen jungen kindelagen, dâ du eine nunne woldes sîn?“. 84 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 319; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 51, V. 581-584: „wilt aleine dîn můder, dîn herre und ôich dîn brůder und ôich der bischof Kůnrat, dy důnt des alle gůden rât.“. 85 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 319; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 50-51. 86 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 52, V. 626-628: „des ich wil ganz ein burge sîn, dat ich den bestern orden dir sol geen. wilt du volgen mir?“. 87 Ebd. S. 62, V. 1102-1106: „dâ dit der gůde man gesach, dat sy enkunde wanken nyt, der můder her bit trûen ryt, dat sy dy dohter woilde lân bit willen in dat klôster gân.“. 88 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2.2 Der Streit eskaliert.

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Vianden zu gehen: „Nun scheint mir, und das ist mein Rat, daß du sehr wohl ohne Fehltritt

mit deiner Mutter ziehen kannst.“.89

Nach nun mehreren Konflikten zwischen Mutter und Tochter90 soll letztlich eine weitere

hohe Persönlichkeit des Dominikanerordens die Problematik zwischen Margarethe und

Yolanda beenden und eine Veränderung zugunsten der Mutter herbeiführen. Die Rede ist von

Albertus Magnus.91 Dieser traf zusammen mit Meysemburg in der Viandener Grafenburg

Schönecken in der Eifel ein und sollte Yolanda von ihrem Vorhaben abbringen. Er bot ihr

einen päpstliche Dispens (Erlass) sowie die damit verbundene Möglichkeit eines Probejahres

in einem anderen Orden an.92 Beides lehnte Yolanda ab und erreicht es, dass sogar Albertus

Magnus, der eigentlich angetreten war um Yolandas Wünsche abzuändern, ihrem Vorhaben

zustimmt: „Will man bei Gott bleiben, so soll man sie nicht zu etwas zwingen, was ihr doch

gegen das Innerste geht.“ 93 . Somit fand eine weitere Veränderung in Richtung der

Dominikaner statt und Yolanda sieht sich letztlich sogar noch in der Lage ihren wiederholten

Ordenseintritt von Magnus zu fordern: „Gebt mir das Ordenskleid und den Schleier. Den will

ich zum zweiten Mal empfangen. Ich habe die professio getan, die will ich wieder gleich tun

und will mich von Eurer Hand aufnehmen lassen (...)“94.

3.3.2 Yolandas Entscheidung wird akzeptiert

Bevor die Mutter das Vorhaben von Yolanda letztlich billigt, entscheidet sich der Familienrat

und letztendlich auch der Vater95 kurz vor Ende der Erzählung im Sinne Yolandas: „Die

Beratung kam zum gemeinsamen Beschluß, daß es allen besser schien, daß man das junge

Mädchen in das Kloster täte, wohin sie sich versprochen hatte (...)“96. Die Mutter aber blieb

standhaft dagegen.97 Erst als Walther von Meysemburg sich ein weiteres Mal einschaltet und

der Mutter droht: „Eurem Kind (...) das Ihr von Gottes Ort entfernt habt. Damit sündigt Ihr 89 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 91, V. 2489-2491: „nû dunkeit mich und is mîn râit, dat du wol sunder missedâit bit dîner můder varen maht.“. 90 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2.2 Der Streit eskaliert & 3.2.3 Schlussphase. 91 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53; KÜBEL, W. [u.a.], Artikel „A. Magnus“. In: LexMa Bd. 1. (9 Bde.) München 2003, Sp. 294-299; HEILIGENLEXIKON.DE, Albertus Magnus. Online: http://goo.gl/A9HUqn (Stand: 19.05.14); NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 107. 92 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 53-54; MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 12 & 312-314; RAPP/ ROSENBERGER, Margarethe (Anm. 9), S. 96; NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 108-109. 93 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 109, V. 3352-3355: „wilt man bit gode varen dan, sô ensol man sy nyt twingen zů keiner hande dingen, dat ir doch wider herze sî.“ “. 94 Ebd. S. 112, V. 3462-3466: „get mir den orden und den wîl. den wil ich anderwerve entfân. ich hân professio gedân, dy wil ich aver al zehant důn und enfân van ûrer hant (...)“. 95 Ebd. S. 149-158. 96 Ebd. S. 132, V. 4417-4421: „der râit gemeine dâ gesaz, dat sy dat alle duhte baz, dat man dy maget junge dêde in dy samenunge aldar sy was begeven (...)“. 97 Ebd. S. 132, V. 4424 ff.

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gegen sein Gebot. Geht in Euch und fürchtet Gott!“98, beschließt sie Yolanda ziehen zu lassen

und ihr eigenes Vorhaben aufzugeben.

Schließlich erreicht Yolanda ihr Ziel und die gesamten Veränderungen und Brüche haben zur

Erfüllung ihres Wunsches beigetragen. Dies verdeutlicht die Dichtung mittels einer groß

aufgetragenen Hochzeit zwischen der nunmehr als Gottesbraut bekannten Yolanda und Gott

selbst. Die Mutter berichtet: „Nun muß sie von mir gehen: Der himmlische König [Gott] will

sie haben. (...) So ging die gute Reine auf den edlen Bräutigam zu, nach dem sie so lange

gekehrt hatte (...)“.99

3.4 Elemente/Symbole der Veränderung

Nach der detaillierten Beschreibung und Interpretation der Veränderungen und Brüche im

CM bleibt noch die Herausarbeitung der wichtigsten Elemente/Symbole, die eine

Veränderung, respektiv einen Bruch verdeutlichen sollen.

3.4.1 Kleidung und Mahlzeiten

Einerseits nutzt der Autor des CM mehrmals Kleidung100 um den Bruch zwischen Yolandas

weltlichem und geistlichem Leben zu versinnbildlichen. So trägt Yolanda nach ihrem

Ordensbeitritt in Marienthal das Ordenskleid der Dominikaner.101 Dieses will sie zu Hause in

Vianden jedoch nicht sofort aufgeben und es ist die Mutter, welche sich des Kleides

bemächtigt und es über die Mauer wirft: „(...) die Mutter behielt das Gewand. Sie nahm, sie

warf es sogleich über die Mauer. (...) Da blieb das junge Mädchen nackt.“102. Gleich darauf

soll Yolanda als Zeichen ihrer weltlichen Zugehörigkeit wieder weltliche Kleidung tragen:

„Die Mutter kam und so geschah es, daß man sie mit Gewalt mit vielfältigem weltlichem Putz

kleidete (...)“103. Gegen Ende der Erzählung verdeutlicht Margarethe dann selbst noch ein

Mal den Stellenwert der Kleidung und unterstreicht diesbezüglich den Bruch zwischen

Yolanda und der weltlichen Umgebung in der sie lebte: „Die Mutter aber rief grimmig:

98 Ebd. S. 145, V. 5041-5044: „ûrme kinde, dat ir hat genumen ûz van godes stat? Dâmit ir brechet sîn gebot. bedenket ûch und voertet got!“. 99 Ebd. S. 161, V. 5764-5765 & 5794-5796: „nû můz sy van mir scheiden: der himele kuninc wilt sy han. (…) Sus gync dy gůde reine engên den brûdegoime wert, des sy sô lange hatte begert (…)“. 100 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 240-245. 101 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2.2 Der Streit eskaliert. 102 NEWTON/ LÖSEL, Yolanda (Anm. 4), S. 96, V. 2735-2738: „der můder wart y dat gewant. sy nam, sy warf it al zehant uver dy mûre. (...) dâ bleif dy junge maget blôz.“. 103 Ebd. S. 97, V. 2752-2754: „dy můder quam, und dat geschach. dat man sy kleidet bit gewalt bit wereltzyrden manichvalt (...)“.

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„Jungfrau, wollt Ihr mir nicht folgen, dann zieht die Kleider aus, die ihr tragt: Sie gehören

mir.“104.

Andererseits wird deutlich, dass die Mahlzeiten 105 ebenso als wichtiges Element der

Veränderung sowie des Kontrastes zwischen dem Leben in Vianden und dem Leben in

Marienthal auftreten. Während Yolanda darauf wartet, dass ihre Mutter mit luxemburgischen

Lehnsmännern nach Marienthal zurückkehrt um sie von dort wegzubringen106 , nimmt

Yolanda eine Mahlzeit im Kloster zu sich: „Die Nonnen gingen Essen. Als man sich

niedergesetzt hatte, war die schlechte Speise sehr armselig, der Trank schlecht, das Brot war

grob. Aber die Gute aß mit Freude. Die süßen Speisen, die sehr gute Kost, die sie in Vianden

(...) genoß, wurden sehr bald vergessen.“.107

3.4.2 Gott und der Teufel

Letztlich bleibt Gott und der Teufel ein noch hervorzuhebendes Element der Veränderung

sowie des Bruches.

Gott tritt, etwa 10 Mal sowohl als Katalysator, Indikator und Urheber der Veränderungen

Yolandas hin zu den Dominikanern, als auch als direkter Gegenspieler der Eltern auf. Sei dies

als derjenige, welcher sie zu seiner Braut erwählt hat108, als derjenige der allein über ihre

Zukunft entscheidet109 oder als derjenige für wen sie den Streit begonnen hat110.

Der Teufel hingegen tritt nur 3 Mal auf und dies jedes Mal in direkter oder indirekter

Verbindung zur Mutter und deren Zielsetzung: „Was immer man auch tut der böse Feind

wacht und er schläft niemals (...)“111. Hier liegt die Überlegung nahe, dass hiermit der Teufel,

sowie im übertragenen Sinn die Mutter gemeint ist. Schließlich taucht der Begriff Teufel

selbst ebenso ein erstes Mal auf. Hier als Auslöser des Zornes der Mutter: „Der Teufel schlief

104 Edb. S. 121, V. 3902-3905: „dy můder âr bit grimme ryf: „juncfrôiwe, enwilt ir nyt bit mir, sô zyt dy kleider ûz dy ir dâ draget ane: sy sint mîn.“. 105 Ebd. S. 250-251. 106 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2.2 Der Streit eskaliert. 107 Ebd. S. 89, V. 2385-2393: „dy nunnen gyngen ezzen. sô man nu was gesezzen, dy spîs kranc was uver hof, der dranc was hart, dat brôt was grof. doch as dy gůde bit gelost. der sůzen spîsen, dûre kost der sy plach zů Vîanden (...) vil balde wart vergezzen.“. 108 Ebd. S. 49, V. 475-479 & 486-487: „Derjenige, der alle Dinge aus Nichts geschaffen hat und alles mit so gutem Maße an seine Stelle setzen kann, der (...) will (...) sie zur Braut haben.“. 109 Ebd. S. 71, V. 1540-1549: „Ich habe den deutlichen Willen, daß ich ins Kloster gehen will. Über den Orden und das Leben wird Gott entscheiden, hoffe ich, und mich zum Besten führen, denn ich habe es wohl überlegt. Das will ich ihm ganz überlassen: Er soll darin immer mein Führer sein: Wohin er auch will, dahin will auch ich.“ “. 110 Ebd. S. 79, V. 1941-1943: „Ei, süßer Gott, nun gib du Rat: Die Gute hat dir zum Preise den Streit gut begonnen.“. 111 Ebd. S. 70, V. 1483-1485: „Wat unman anders machet, der leide vîant wachet und her enslêfet nunmermê (...)“.

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dabei nicht: Er schürte die Brände des Zornes. Die Mutter rang die Hände. Ihr Zorn wuchs

immer stärker (...)“112. So auch hier als derjenige, der ihr in Person ihrer Mutter Schaden will:

„Der Teufel, Gott weiß, waffnet sich schnell dir zu Schaden. Nun mußt du wieder in den

Kampfesplatz treten, dort wartet deine Mutter auf dich (...)“113.

Beide, sowohl Gott als auch der Teufel werden im CM an manchen Stellen also bewusst als

Element (Auslöser, Urheber, usw.) der Veränderung, respektiv des Bruches benutzt.

112 Ebd. S. 80-81, V. 1992-1995: „dâ bî der dûvel nyt enslyf: er schylt des zornes brende. dy můder want ir hende. ir zorn der wůs y vaste (...)“. 113 Ebd. S. 82, V. 2072-2075: „der dûvel vaste wâpent sich ûf dînen schaden, godeweiz. nû můst du wider in den kreiz, des wardet dâ dy můder dîn (...)“.

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4. Historiographie

In Bezug auf die seit 1999114 regelrecht explodierende Anzahl an Werken, welche sich der

Thematik „Yolanda von Vianden“ und/oder „Codex Mariendalensis“ widmen, wäre es ohne

weiteres möglich eine größere Abschlussarbeit über diese Historiographie zu verfassen.

Da der Rahmen dieser Arbeit jedoch etwas geringer ausfällt, dieser Themenpunkt dennoch

wichtig ist, soll der folgende Teil der Arbeit wenigstens einen kurzen Überblick bezüglich der

genannten Thematik in Verbindung zur Fragestellung „Veränderungen und Brüche im CM“

verschaffen.

In erster Linie ist es Angela Mielke-Vandenhouten, welche mit ihrer Dissertation aus dem

Jahre 1989, also noch vor der Wiederauffindung des CM, ein Werk mit bisher nicht

vorhandener Detailtreue ausgearbeitet hat. Sie greift beinahe jeden einzelnen Themenpunkt

(Rezeption, Überlieferung, Sprachliche Einflüsse, usw.), der mit der Yolanda-Dichtung in

Verbindung steht, auf und analysiert diesen ausführlich.115

Deutlich interessanter für die hier vorliegende Arbeit ist jedoch Mielkes gewählter Titel

„Grafentochter-Gottesbraut“ und die daraus resultierende Aufteilung ihrer Dissertation.

Demnach beschreibt sie indirekt, also ohne, dass dies das erklärte Ziel ihrer Arbeit ist116, die

Entwicklung Yolandas von der Grafentochter hin zur Gottesbraut. Dies inkl. einer

detaillierten Darstellung der jeweiligen Rahmenhandlungen. Eine solche Beschreibung

kommt der Aufgabenstellung, der hier vorliegenden Arbeit sehr nahe und zeigt deutlich wie

sehr die Yolanda-Dichtung vom Prinzip der Veränderung sowie des Bruches geprägt ist.

Sowohl Yolandas Erlebnisse als Grafentochter117, als auch diejenigen, welche sie dem von ihr

gewünschten Typus der Gottesbraut118 näher bringen, sind wesentlicher Bestandteil der

Mielke Dissertation und sind somit sehr gut dem Thema „Veränderungen und Brüche im

Spätmittelalter“ kombinierbar. Backes sieht dies in ihrer Beschreibung über Mielke-

Vandenhouten in etwa ähnlich.119

114 Vgl. hierzu: Anm. 30. 115 MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 3), S. 7-9. 116 Das erklärte Ziel ihrer Arbeit ist es „(...) die verstreuten und zum Teil recht alten Informationen zur Dichtung und Geschichte von Yolande [zu] sammeln und [zu] aktualisieren.“ Zudem „(...) sollen auf dieser Grundlage zu unterschiedlichen Aspekten des Werk[e]s Interpretationsansätze angeboten werden, die zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Text und seinen Bedingungen anregen mögen.“. Vgl. hierzu: MIELKE-VANDENHOUTEN, Grafentochter (Anm. 5), S. 21. 117 Vgl. hierzu: Kapitel 3.2 Veränderungen und Brüche „gegen“ Yolanda. 118 Vgl. hierzu: Kapitel 3.3 Veränderungen und Brüche im Sinne Yolandas. 119 BACKES, Yolanda (Anm. 5), S. 14.

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Des Weiteren zeigt das Werk von Alexander Wiltheim selbst, dass der Autor eine

Veränderung mittels seiner Vita Venerabilis Yolandae herbeiführen wollte. Diesbezüglich

wurde bereits erwähnt, dass Wiltheim eventuell durch seine lateinische Fassung der Vita

Yolandae eine Heiligsprechung Yolandas im Sinne hatte.120

Einen Grund für diese Zielsetzung könnte eventuell die Geschichte um Marienthal selbst

liefern. Im 17. Jahrhundert (1637) befand sich das Kloster, welches um 1260 etwa 120

Nonnen zählte und somit in seiner Blütezeit stand, in einer Krise. 1637 beherbergte das

Kloster nahe Mersch lediglich 6 Nonnen und stand kurz vor dem Ende.121

Um nun dem Kloster wieder neuen Glanz zu verleihen schrieb Wiltheim seine Vita Yolandae

und beschreibt seinen Reformwunsch sogar selbst: „(...) Euch aber, meinen Damen [Nonnen

des Klosters Marienthal], biete ich Yolanda dar, verbunden mit meinen Gebeten, dass Euer

Marienthal, das zunächst aus ärmlichen Anfängen entstand, dann durch Yolanda zum Glanz

aller sittlichen Vollkommenheiten emporgehoben wurde, wiederum durch Euch und mit Euch

in jenem allerschönsten Lichte ohne Ende wachsen möge.“122.

Die Thematik der Veränderungen und Brüche lässt sich somit auch in der rezenten (Mielke-

Vandenhouten) und weniger rezenten (Wiltheim) Historiographie wiederfinden.

120 Vgl. hierzu: Anm. 9. 121 MILMEISTER, Yolanda (Anm. 16), S. 56; HEYART, Kloster (Anm. 37), S. 13. 122 NEWTON/ BERG, Wiltheim (Anm. 5), S. *13: „(...) Hac ergo eis relicta cura, Yolandam vobis, dominae, sisto, cum votis, ut vestra Mariae Vallis a tenuibus primum exorta initiis, provecta deinde per Yolandam ad virtutum omnium splendorem, per vos deinceps et cum vobis in ea pulcherrima luce sine fine crescat.“.

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SCHLUSSFOLGERUNG

Den Beginn der Arbeit markierte eine, dem Rahmen dieser Arbeit entsprechende,

Kontextualisierung der Hauptquelle (CM) sowie der Hauptprotagonistin (Yolanda). Dies war

essentiell um die darauffolgenden Kapitel einordnen zu können und dem gesamten Aufbau

eine gewisse Struktur zu verleihen.

Nach dieser Kontextualisierung sowie der nachfolgenden Ausarbeitung und Kategorisierung

der im CM auffindbaren Veränderungen und Brüche im Leben der Yolanda von Vianden,

lässt sich eine abschließende Schlussfolgerung ziehen, welche ohne Weiteres ein Antworten

auf die in der Einleitung präsentierten Fragen ermöglicht.

Festzuhalten bleibt also, dass sich mittels des CM zahlreiche Veränderungen und Brüche

präsentieren und thematisieren lassen. Diese sind in erster Linie in Brüche, welche sich gegen

den Wunsch der Grafentochter richten, sowie in Veränderungen, welche eher im Sinne

Yolandas geschehen, einzuteilen. Die auffindbaren Veränderungen lassen sich generell,

allerdings nicht für jede Situation, als eher ruhigere und weniger radikale Ereignisse

(Gespräche, Ratschläge, usw.) klassifizieren. Brüche, welche deutlich vermehrt im CM

auftreten, bilden jedoch das Kernelement der Auseinandersetzungen zwischen Yolanda und

ihrer Mutter. Diese Brüche sind meist radikaler und physischer, aber auch mentaler Natur und

treten in unterschiedlicher Härte auf. So beginnt Yolanda u.a. die Geschichte mit ihrem

persönlichen Bruch mit der „Welt“123 sowie ihrer verbalen Ablehnung gegenüber jeglicher

weltlichen Verpflichtung 124 . Dies steigert sich letztlich bis hin zu physischen

Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter (Haare abschneiden 125 , gedrohte

Klosterniederbrennung126, usw.).

Ebenso lassen diese Veränderungen und Brüche interessante Schlüsse zu. Zum einen zeigen

die ruhigeren und weniger radikalen Veränderungen und Brüche deutlich, dass die meisten

Protagonisten auf eine mehr oder weniger friedliche und verbale Lösung des Konfliktes

zielen. Wiederum andere Brüche, seien diese verbaler oder physischer Natur zeigen sehr

deutlich, dass weder Margarethe noch Yolanda dazu bereit sind an ihrem Standpunkt etwas

zu ändern. Yolanda geht sogar soweit und nimmt mehrfach den Tod in Kauf oder sieht diesen

sogar als Lösung an.127

123 Vgl. hierzu: Anm. 47. 124 Vgl. hierzu: Anm. 51 & 57. 125 Vgl. hierzu: Anm. 66. 126 Vgl. hierzu: Anm. 70. 127 Vgl. hierzu: Anm. 71 & 73.

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Noch offene Forschungsfragen bleiben selbstverständlich auch nach dieser Arbeit vorhanden.

So würde auch die Thematik um Veränderungen und Brüche im Leben der Yolanda von

Vianden bereichert werden, wenn es der Forschung gelingen würde, herauszufinden warum

sich gerade die Mutter später auch für den Eintritt in das Kloster nahe Mersch entscheidet.

Eine Antwort auf diese Frage würde man jedoch nicht im CM finden, denn der Autor hat sich

dazu entschieden seine Erzählung mit dem Klostereintritt von Yolanda zu beenden.

Schließlich hat diese Arbeit nunmehr gezeigt, dass die Thematik um die Grafentochter aus

Vianden, bedingt durch die Vielzahl an rezenten Publikationen, eine sehr aufschlussreiche ist

und die Geschichte an sich bereits eine Erzählung von Veränderungen und Brüchen ist. Dies

zeigte auch in weiten Teilen die analysierte Historiographie. Das Thema eignete sich also

perfekt für eine solche Arbeit.

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ANHANG

Abkürzungsverzeichnis

• CM = Codex Mariendalensis

Quellenverzeichnis

• CANTIMPRÉ, Thomas de, Bonum Universale de apibus. Thomae Cantimpratensis

miraculorum et exemplorum memorabilium sui temporis libri duo. (Tome 2, Chapitre 39).

Éd. franç. de COLVENERIUS, Georg, Douai 1627.

• WAMPACH, Henri-Camille, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der

altluxemburgischen Territorien bis zur burgundischen Zeit. (Bd. 2). 10 Bde. Luxemburg

1938.

• WERVEKE, Nicolas van, Cartulaire du Prieuré de Marienthal. Band 1 1231-1317

(Publications de la Section Historique de l'Institut G.-D. de Luxembourg, Bd. 38).

Luxemburg 1885 oder Online: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/werveke1885 (Stand:

15.05.14).

Literaturverzeichnis

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Kolloquiums, 26.-27. November 1999, Luxemburg, Vianden und Ansemburg (Beiträge

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• BÜHLER, Arnold [u.a.] (Hg.), Das Mittelalter. Mannheim 1998.

• DUTHOIT, Christine, Le Moyen Âge pour tous. Paris 2010.

• FEDALTO, G., Artikel „Dominikaner, Dominikanerinnen“. In: LexMA Bd. 3 (9 Bde.)

München 2003, Sp. 1192-1220.

• HEYART, Luss, Das Kloster Marienthal und seine Geschichte. Luxembourg 2003.

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• KÜBEL, W. [u.a.], Artikel „A. Magnus“. In: LexMa Bd. 1. (9 Bde.) München 2003, Sp.

294-299.

• LINEHAN, Peter / L. NELSON, Janet (Hg.), The Medieval World. New York 2001.

• LUBICH, Gerhard, Das Mittelalter. (Uni-Taschenbücher, Bd. 3106). Paderborn [u.a.]

2010.

• MARGUE, Michel, „Wy ritterlîche sy dâ streit!“. Kloster und Burg. Der historische Raum

zur und in der Yolanda-Dichtung. In: BERG, Guy (Hg), Man mothe schrîwen wal ein

bůch. Ergebnisse des Yolanda-Kolloquiums, 26.-27. November 1999, Luxemburg,

Vianden und Ansemburg (Beiträge zur luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 31,

Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 3).

Luxemburg 2001, S. 105-124.

• MARGUE, Michel, / PÉPORTÉ, Pit, Der Codex Mariendalensis. Vom mittelalterlichen

Manuskript zum Erinnerungsort. In: D. CONTER, Claude / SAHL, Nicole (Hg.),

Aufbrüche und Vermittlungen. Beiträge zur Luxemburger und europäischen Literatur- und

Kulturgeschichte. Bielefeld 2010, S. 177-188.

• MELVILLE, Gert, Zur Wahrnehmung der frühen Mendikanten vor dem Problem

institutioneller Neuartigkeit im mittelalterlichen Religiosentum. In: MELVILLE, Gert/

OBERSTE, Jörg (Hg.), Die Bettelorden im Aufbau. Beiträge zu

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Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter, Bd. 11). Münster 1999,

S. 1-23.

• MIELKE-VANDENHOUTEN, Angela, Grafentochter-Gottesbraut. Konflikte zwischen

Familie und Frömmigkeit in Bruder Hermanns Leben der Gräfin Yolande von Vianden

(Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur, Bd. 21). Dissertation.

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• MILMEISTER, Jean, Die selige Yolanda von Vianden. Eine herausragende Frauengestalt

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Landkreis Bitburg-Prüm. Bitburg 2002, S. 52-57.

• MOULIN, Claudine (Hg.), Leben der Gräfin Yolanda von Vianden. Textgetreue Edition

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und Volkskunde Nr. 36, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval

Luxembourg, Bd. 5). Luxembourg 2009.

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• NEWTON, Gerald/ BERG, Guy (Hg.), Alexander Wiltheim - Vita Venerabilis Yolandae.

Lateinischer Text mit englischer und deutscher Übersetzung (Beiträge zur

luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 35, Sonderforschungsreihe Language and

Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 4). Luxemburg 2007.

• NEWTON, Gerald/ LÖSEL, Franz (Hg.), Yolanda von Vianden. Moselfränkischer Text

aus dem späten 13. Jahrhundert mit Übertragung (Beiträge zur luxemburgischen Sprach-

und Volkskunde Nr. 21, Sonderforschungsreihe Language and Culture in Medieval

Luxembourg, Bd. 1). Luxemburg 1999.

• PÉPORTÉ, Pit, Yolanda von Vianden. In: KMEC, Sonja / PÉPORTÉ, Pit (Hg.),

Erinnerungsorte in Luxemburg II. Perspektivenwechsel. Luxemburg 2012, S. 199-204.

Internetressourcen

• HEILIGENLEXIKON.DE, Albertus Magnus. Online: http://goo.gl/A9HUqn (Stand:

19.05.14).

Abbildungsverzeichnis

• Abb. 1: NEWTON, Gerald/ BERG, Guy (Hg.), Alexander Wiltheim - Vita Venerabilis

Yolandae. Lateinischer Text mit englischer und deutscher Übersetzung (Beiträge zur

luxemburgischen Sprach- und Volkskunde Nr. 35, Sonderforschungsreihe Language and

Culture in Medieval Luxembourg, Bd. 4). Luxemburg 2007.

Weiterführende Informationen

• DU FAYS, Dominique, La maison de Vianden. Des origines à 1337. Liège 1985.