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Erinnerungsorte in den Niederlanden und Deutschland Drei Beispielen der unterschiedlichen Erinnerungskultur in Deutschland und in den Niederlanden Voor: prof. dr. B. Plachta Opleiding Duitse taal & cultuur Faculteit der Letteren Vrije Universiteit Amsterdam

Erinnerungsorte in den Niederlanden und Deutschland Drei Beispielen der unterschiedlichen Erinnerungskultur in Deutschland und in den Niederlanden

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Erinnerungsorte in denNiederlanden und Deutschland

Drei Beispielen der unterschiedlichen Erinnerungskultur in Deutschland und in den Niederlanden

Voor: prof. dr. B. Plachta

Opleiding Duitse taal & cultuur

Faculteit der Letteren

Vrije Universiteit Amsterdam

3 november 2003

Lodewijk Smoor

Collegekaartnummer: 1376667

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1 Einführung

1.1 Unterschiede in der Erinnerungskultur

Derjenige, der versucht sich einen Überblick über die niederländischen Erinnerungsorte (oder lieux de mémoire) zu erschaffen wird schon schnell bemerken, dass das Thema Erinnerung in den Niederlanden einen, im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich unterschiedlichen Klang hat. Traditionell hatte der zweite Weltkrieg einen überherrschende Stellung in der Geschichtsschreibung eingenommen. Das nationaleGedächtnis wurde weitgehend von den Erfahrungen im 2. Weltkrieggeprägt. Die Folge war, dass Themen, die mit Nationalismus oderNationalstolz verbunden werden konnten waren lange Zeit tabuisiert. In den Niederlanden wird verhältnisgemäß weniger als in Frankreich oder Deutschland über das Thema Erinnern oderüber die niederländischen lieux de mémoire geschrieben.

In den Niederlanden haben verschiedene Historiker sich mitdem Thema beschäftigt. Die zwei wichtigsten Publikationen sind:Lieux mémoire et identités nationales von Pim den Boer und Willem Frijhoff (red.) und Waar de blanke top der duinen von N.van Sas (red.). Niederländische Erinnerungsorte die dort behandelt werden sind u.a. Lieder und ihre Symbolik (Waar de blanke top der duinen, In Holland staat een huis), Personen (Kenau, Coster, die Martyrer von Gorcum, Cruijff,) Orte (Loevesteyn), Denkmäler (Nationalmonument und Naatje), Tage (Koninginnedag) und Metaphoren für das Kolonialreich und die religiösen Wurzel des niederländischen Staates (Lombok und die Synode von Dordrecht).Einige Themen aus der langen Reihe, mit denen man sich in Deutschland beschäftigt hat sind Weimar, Goethe, das Dritte Reich, Arminius und die Mauer.

In dieser Arbeit wird untersucht was der Grund ist, dass die Erinnerungskulturen in Deutschland und in den Niederlanden unterschiedlich sind. Diese These ist der rote Faden der drei Paragraphen im 2. Kapitel dieser Arbeit, die alle kontrastiv einen Aspekt der Erinnerungskultur in Deutschland und in den Niederlanden behandeln. Als zugrunde liegender Gedanke wird aber angenommen, dass es Unterschiede gibt. Diese Frage wird denn auch nicht mehr ausführlich behandelt. Stattdessen wird versucht eine Erklärung zu finden für die Unterschiede bei einigen vergleichbaren Erinnerungsorten. Es geht um

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Triumphbogen (2.1), die Erinnerung des 2. Weltkrieges (2.2) unddie Nationalhymnen (2.3). Davor wird aber erst eingegangen auf die Frage was Erinnerungsorte eigentlich sind.

1.2 Abgrenzung der Erinnerungsorte (Lieux de mémoire)

Der Begriff Erinnerungsort lässt sich nicht so leicht abgrenzen. Erinnerungsorte gibt es in vielerlei Formen, sowohlkonkret als abstrakt oder symbolisch. Pierre Nora, der Erfinderder lieux de mémoire druckt es folgendermaßen aus (Kursivdruck LMS):

Le lieu de mémoire, à mes yeux, ne se réduit nullement à des monuments ou à des événements dignes de mémoire, ou à des objets purement matériels, physiques, palpables, visibles, comme ceux auxquels a tendance à le réduire son utilisation par l’opinion ou les pouvoirs publics. Le lieu de mémoire est une notion abstraite, purement symbolique, destinée à dégager la dimension mémorielle d’objets qui peuvent être matériels, mais autant à et surtout immatériels, comme des formules, des devises, des mots-clés, en France, par exemple « laterre » ou « le clocher » 1

Erinnerungsorte können also ganz abstrakt sein, wie die 2 Minuten Stille am 4.Mai in den Niederlanden, oder ganz konkret in der Form eines Denkmals für die Opfer der Holocaust.Es geht um eine Konkrete oder figurative Orte, wo die nationaleErinnerung sich festsetzen kann. Nach Nora geht es um:

[..] une histoire critique de la mémoire à travers ses points de cristallisation principaux, autrement dit de la construction d’un modèle de rapport entre l’histoire et la mémoire.2

Und:[…] deux élements qui expliquent et justifient cette entreprise des Lieux de Mémoire : le rôle de l’Etat et le rôle de l’histore.3

Nach Nora gibt es drei wichtige Faktoren beim Entstehen eines Erinnerungsortes, nämlich (1) Politik, (2) der Wille zum Erinnern und (3) die Veränderlichkeit der Mythos.4

Diese drei Elemente greifen eigentlich immer in einander und lassen sich kaum von einander trennen.

1 Nora, 1993, S. 8.2 Nora, 1989, S.18.3 Nora, 1993, S.5.4 Nora, 1989, S.18-19.

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Die Politik ist wichtig weil der Staat oder eine gewisse politische Strömung politisch motivierte Gründe haben kann um ein Ereignis zu erinnern. So erinnern die Flämischen Nationalisten sich noch immer an den IJzer Schlacht im 1. Weltkrieg, weil da die zum größten Teil Flämische Infanteristenfür ihr Vaterland gefallen sind, während die Offiziere oft französischsprachig waren. Die flämischen Soldaten verstanden oft die Befehle der Offiziere nicht und wurden zum Opfer von sinnlosen Schlachten. In der Flämischen Literatur sind die zweiKriege, und die Kollaboration der Flamen, ein zurückkehrendes Thema.5

Deutschland bietet eine unendliche Reihe Beispiele von staatlicher Einmischung mit der Erinnerung. Auch nach dem Dritten Reich wurden Staturen gebaut, diesmal aber zur Erinnerung der Klassik. Goethe führt noch immer der Liste von Personen mit den meisten Denkmälern. Schiller ist ein guter zweiter. Dieses Beispiel zeigt auch deutlich wie wichtig der Wille zum Erinnern ist. Geschichte entsteht erst dann, wenn mansich auf sie bezieht. Deshalb betonen Forscher der Erinnerungsorte auch wie wichtig die Rolle der Historiker bei der Erinnerung ist. Es könnte interessant sein zu untersuchen was die Rolle von Massenpsychologie ist beim Entstehen oder Nicht-Entstehen eines Erinnerungsortes. So lässt sich nicht leicht und eindeutig sagen wieso der 2. Weltkrieg in den Niederlanden noch lebendig gehalten wird, während in Ländern die im 2. Weltkrieg gleich viel oder sogar mehr gelitten haben dem zweiten Weltkrieg im Unterricht und in den Medien weniger Aufmerksamkeit gelenkt wird. Andererseits ist es auffallend dass der Kampf gegen das Wasser oder die (Ent)Kolonialisierung weniger konkrete Denkmaler aufgeliefert haben.

Schließlich ist die ‘Flexibilität der mit dem Erinnerungsort verbunden Mythos sehr wichtig. Ein Erinnerungsort, der nicht mehr wichtig ist wird vergessen oder,wenn es um ein konkretes Ort geht, abgebrochen. So wurde die Statur, die zur Erinnerung der 10-tägliche Feldzug (1830) gegenBelgien in Amsterdam zentral auf dem Dam stand, kurz vor dem 1.Weltkrieg abgebrochen. Das, was man im 19. Jahrhundert - das Jahrhundert das man mit Recht das Jahrhundert des nationalen Gedankens nennen kann – aufgerichtet hat, ist im 20.

5 Zum Beipspeil in Hugo Claus Het verdriet van België (1983) oder De Verwondering (1963). Für eine literarische Anspielung eines jüngeren flämischen Autors, siehe Kartonnen dozen von Tom Lanoye, Amsterdam, Prometheus, 1991, S.94.

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Jahrhundert nicht mehr aktuell. Der Geburtstag der Königin odernoch weiter zurück, der Entsatz Leidens (am 3.10.1574) sind aber noch immer beliebt. Im Fall des Geburtstages der Königin sieht man aber, dass die Gründe die man damals hatte um diesen Tag einzustellen, sich geändert haben. Ursprünglich wurde der Tag von den damals durchaus Königshauskritischen Liberalen eingestellt, als Mittel zur Vereinigung der Nation. So ist der Geburtstag der Königin ein gutes Beispiel einer politischen Entscheidung, die genau das als Ziel hatte, was Frijhoff beschreibt als Teil des Entstehens der Erinnerungsorte, nämlichdie Integration der “classes populaires dans la nation” und diePazifisierung der Gegensätze.6 Dieses Streben mittels der Einstellung eines Feiertages hatte einen deutlich erzeugenden Charakter. Dies passte zudem gut in der damals vorherrschenden liberalen Ideologie des niederländischen Bürgertums, das versuchte sich mit den aufkommenden gesellschaftlichen Schichten über ihre soziale Stellung zu einigen. Obwohl jetzt die politischen Implikationen nicht mehr so gefühlt werden kannman doch sagen, dass die Initiative sehr erfolgreich gewesen ist. Der Koniningedag am 30.4. ist ein richtiger nationaler Feiertag geworden.

Es ist zu behalten dass ein Erinnerungsort eine soziale Konstruktion ist, die je nach dem Regime (BRD oder DDR in Deutschland) oder überherrschende Regierung (in den Niederlanden im 19. Jahrhundert Liberalen, in den Jahren zwischen den Weltkriegen die konfessionellen Parteien). Sehr interessant ist im Zusammenhang mit dem Entstehen von Erinnerungsorte ist die Frage des Vergessens, die Weinrich in seinem Artikel behandelt. Das vergessen könnte man als das Gegenstück der sozialen Konstruktion betrachten. Vergessen ist Weinrich zufolge notwendig, aber in Deutschland kompliziert.7 Es ist verlockend zu sagen, dass vergessen in den Niederlanden einfacher ist weil die Vergangenheit nicht so lange eine schwere Last8 gewesen ist. Wer weiß zum Beispiel noch etwas vonder niederländischen kolonialen Vergangenheit ? Der Historikerstreit oder die Walser Debatte finden in den Niederlanden nicht ihresgleichen.

6 Te Velde, 1993, S.106.7 Weinrich, 1997, S. 228.8 François und Hagen Schulze, 2001, I, S. 10.

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1.3 Verhältnis Erinnerungsort und nationale Identität

Bevor der Ländervergleich ist es nötig kurz zu umschreiben, wasdas Verhältnis zwischen Erinnerungsort und (nationaler) Identität ist. Diese Begriffe zeigen Verwandtschaft auf und werden in der Literatur oft verwendet und es könnte deshalb Verwirrung geben. Ein Zitat von Frijhoff kann das Verhältnis hoffentlich erläutern. Ein Erinnerungsort ist:

“un outil permettant d’identifier les contours ou l’ordonnance interne de l’identité nationale. La notion [von Lieu de mémoire] serait donc au service d’un autre concept, celui de l’identité.9

Er ist, wenn es um Länder geht, ein Teil der nationalen Identität. Was ist denn (nationale) Identität ? Vorausgesetzt sei, dass es zahlreiche Definitionen dieses Begriffes gibt, je nach dem die Perspektive ist, die man einnimmt: soziologisch, politologisch oder historisch oder kulturell. Eine für das Thema dieser Arbeit relevante Definition ist aber die von Frijhoff:

L’identité est en effet, le résultat d’un processus d’interaction entre, d’une part, la perception ou l’auto-perception de l’individu (du groupe, de la nation) et, d’autre part, sa réalisation dans l’espace et le temps. (61) Elle résulte d’un travail de gestion de la mémoire.Cette réalisation entretient un rapport étroit avec la perception, par un procesuus d’appropriation ou de rejet des qualités perçues mais elle ne s’y résume pas. A son tour elle se fait matrice de la perception.10

Zusammenfassend könnte man die Begriffe mémoire und Identität so verbinden:

Ein Erinnerungsort ist der Ort wo das Gedächtnis arbeitet (travaille)und wo die Identität sich konstituiert und sich konzentriert (62)

Die (nationale) Identität ist aber auf keinen Fall ein neutraler Begriff. Sie werden nämlich in der Retrospektive vom Historiker bestimmt. Hinzu kommt dann immer eine politische Komponente, denn die gebildeten Konstruktionen sind auch Mittelum eine gewisses kollektives Gedächtnis zu definieren. Die nationale Identität kommt also im Erinnerungsort zum Ausdruck. Ein Erinnerungsort weckt, wie die berühmte Madeleine von Proust,9 Frijhoff, 1993, S.61.10 Frijhoff, 1993, S.61.

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die Geschichte wieder zum Leben. Die mémoire involontaire kann dabei wie Proust zeigt, eine total eigenständige Rolle spielen bei der Verwirkung einer Geschichte. Die nationale Identität geht also dem Erinnerungsort voraus und ist ihre Quelle.

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2 Die Unterschiede in der Erinnerungskultur

2.1 Wieso es in den Niederlanden keine Triumphbogen gibt

Zu den materiellen Gedächtnisorten werden oft Staturen und Triumphbogen gerechnet. Vor allem im 19. Jahrhundert wurden viele Staturen aufgerichtet. Triumphbogen finden ihren Ursprungschon in der Antike. Die Triumphbogen wurden vor allem für Einzüge gebaut und manche, wie das Brandenburger Tor, sind nachher geblieben. Auch in Rom, Paris und London kann man Triumphbogen finden.

Der bekannteste deutsche Triumphbogen ist wahrscheinlich das Brandenburger Tor. Ursprünglich gebaut als Friedenstor wurde es zum preußischen und deutschnationalen Denkmal der Befreiungskriege, als die weggeführte Quadriga wieder aufs Brandenburger Tor montiert wurde.11 Leichenzüge, Einzüge, Begrüßungen fanden im 19. Jahrhunert oft am Brandenburger Tor statt. Im 19. Jahrhundert gab es eine ‘nicht abreißende Kette von Festivitäten, Fürstentreffen, Trauer- und Gedenkfeiern, « Einholungen » von Bräuten für die Hohenzollerprinzen, die das Tor zum Schauplatz von offiziellen feierlichen Angelegenheiten machte’. Im 20. Jahrhundert wurden nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges sogar noch erbeutete Geschütze durchs Tor geführt. Erst später war das Tor auch Schauplatz der Wehmut, als im Jahre 1918 die heimkehrenden Soldaten durch das Tor kamen. Dieser Einzug stand in scharfem Kontrast zu dem Einzug im Jahre1871 nach dem Sieg gegen Frankreich.

Wenn man das Brandenburger Tor als Gedächtnisort einordnenmuss gibt es drei Gesichtspunkte.

Zum einen war das Tor in vielerlei Hinsicht das Denkmal der deutschen Erhebungen. Sehr oft gegen Frankreich 1813, 1870-71 und 1914-18 und 1940, und in der NS-Zeit auch gegen den Versailler Vertrag. Zum anderen könnte man das Tor aber auch als das Symbol für die Verbindung von preußischer Monarchie unddeutscher Nationalidee betrachten.12 Historisch ist lässt sich diese Interpretation für eine lange Zeit gut unterbauen, aber jetzt ist sie auf den Hintergrund geraten.

Eine dritte Möglichkeit ist das Brandenburger Tor als Symbol der deutschen Teilung und Einigung. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Brandenburger Tor lange vernachlässigt und 11 Seibt, 2001, S. 71/72.12 Seibt, 2001, S. 81.

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nach der Restaurierung stand es im Niemandsland direkt hinter der Mauer. Es wurde ein Tor, das nicht mehr passiert werden konnte und war deshalb ein Symbol der deutschen Teilung. In diesem Sinn war Checkpoint Charlie eine modernere Variante so eines Tores. Es erlangte als bekanntes Ost-West Tor eine große Bekanntheit und war zudem ein wichtiger Ort im Prozess der Wiedervereinigung. Am 9. und 10. November 1989 war des Tor Blickpunkt der Medien aller Welt, als die Ost und Westberlinereinander am Brandenburger Tor in die Arme fielen, als die Mauergeöffnet wurde. Damit verwandelte das Brandenburger Tor von Symbol der Trennung in ein Symbol des vereinigten Deutschlands.

Und wie ist denn die Lage in de Niederländen? Gibt es ein mit dem Brandenburger Tor vergleichbares Tor? Was bei der Beantwortung dieser Frage auffällt ist das es zwar viele Tore gibt, aber dass sie, wenn schon, eher aus kunsthistorischem Gesichtspunkt oder als aus reiner Lokus eines Geschehens gesehen werden. Sie werden nicht als ein Erinnerungsort gesehen. Der Triumphbogen im Garten des Rijksmuseums – höchstwahrscheinlich der einzige Triumphbogen in den Niederlanden – ist eigentlich eine Rekonstruktion zwei ehemaliger Stadttoren, die in ihren Heimatstädten abgerissen wurden. Aus historischen Überlegungen wurden sie beim Rijksmuseum wieder aufgebaut. Es gibt in den Niederlanden aber noch relativ viele, oft gut erhaltene Stadttore. Faste jede Stadt (im mittelalterlichen Sinn, d.h. eine Stadt die Stadtrechte erhalten hat) hat noch einen Stadttor oder sogar mehrere. Einige willkürliche Beispiele sind die Haarlemmerpoort in Amsterdam, die Amsterdamsepoort in Haarlem oder in Leiden dieSleuteltjespoort. So wurde der Mörder von Wilhelm von Oranien, in der Niederländischen Geschichtsschreibung der « Vater des Vaterlandes », am Osttor in Delft gefasst. Dieser Tor gibt es noch immer, aber hat, im Gegensitz zum Prinsenhof (dem Wohnsitz Wilhelm von Oraniens) keine Entwicklung als Gedächtnisort durchlaufen. Für eine so bedeutende Person in der Geschichte hätte man etwas mehr mit dem Tor machen können.

Oft ist auch darauf hingewiesen dass es in den Niederlanden kaum Einzüge gegeben hat. Erst in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhundert war das land überhaupt reich genug umsie zu organisieren. Das Bürgertum kehrte sich ab von den prunkvollen Festivitäten die es in anderen Machtszentren in Europa gab und der Adel war nicht mächtig genug um den europäischen Beispielen zu folgen. Historiker sind sich darüber

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einig das es in der Zeit der niederländischen Republik nicht normal war sein Reichtum zu zeigen. Auch wichtig war, dass der Kalvinismus Staturen ablehnte. Dazu kommt noch, dass es nicht wie in vielen anderen Ländern einen Fürsten gab mit einem zentralisierten, mächtigen Hof und der dazu gehörenden Propaganda. Zuletzt ist auch oft als Grund angeführt worden, dass Stein das feuchte Klima der Niederlände schlecht verträgt.13 Einzüge und Tore waren wegen der importierten Steinen ziemlich teuer und bei ein einem Bürgertum, das, im Gegensatz zum Adel in anderen Ländern, dafür gearbeitet hat so reich zu werden war Sparsamkeit eine hochgeschätzte Eigenschaft. Außerdem waren die oligarchisch von Bürgern regierten Städte oft dagegen ein König oder eine seiner Gasten viel Geld zu widmen. Es wurde als eine Zwangherrschaft erfahren, wenn man das tun sollte.14

Trotz dieser vielen Einwände gegen Triumphalien gab es einpaar Einzüge wo Triumphbogen gebaut wurden, u.a. beim Besuch von Maria de Medici in 1638 oder der Einzug des Statthalters Wilhelm III in Den Haag 1692. Die damals hergestellten Triumphbogen waren aber nicht permanent. Nach dem 18. Jahrhundert gab es keine Triumphbogen mehr. Das 19. Jahrhundertmit seiner Förderung des « Nationalen » hat daran nichts verändern können. Und da wo Napoleon und die Diktatoren des 20.Jahrhunderts weitgehend antike Glorifikationsmöglichkeiten ausnutzten, gab es in den Niederlanden kaum Interesse für Triumphbogen und antike Symbolik.

Vielleicht liegt die Erklärung in der Tatsache das die Niederlande viel stärker als manche anderen Nation eine selbst kreierte Nation ist. Es war nämliche der freie Wille der Provinzen die zum niederländischen Aufstand führte. In Deutschland war die Einigung eine auferlegte Idee von Bismarck,der er mit seiner Blut und Eisen Politik nachstrebte. In den Niederlanden war die Entwicklung freier und spontaner. Sie wurde weniger von oberhalb gelenkt. Es gab deshalb nicht so einen großen Bedarf an Pracht. Zudem haben die Historiker und der Staat sich nicht für das Tor als Erinnerungsort interessiert.

2.2 Erinnerungsorte in Verbindung mit dem 2. Weltkrieg

13 Van Sas, 1993, S.201.14 Snoep, 1975, S.88.

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Zu den möglichen Erinnerungsorten in den Niederlanden gehören viele Zeremonien, Staturen und Gewohnheiten die erinnern an denzweiten Weltkrieg. Es gibt wahrscheinlich keine andere historische Begebenheit die die Niederländer so tiefgehend geprägt hat. Der Krieg (de oorlog) wie der 2. Weltkrieg noch immer genannt wird hat sich sehr tief in die kollektive Erinnerung festgesetzt. Mann kann weisen auf die Totenfeier diees noch immer gibt, die Züge die gehalten werden bei wichtigen Denkmälern, die 2 Minuten Stille und die Stiftung 4 en 5 Mei, diedie Erinnerung des 2 Weltkrieg lebendig hält. Diese Beispiele sind äußerliche und ganz konkrete Zeichen für das Gewicht des 2. Weltkrieges im niederländischen Bewusstsein. Vielleicht wichtiger noch sind die vielen Ausstrahlung im Fernsehen und die Bedeutung die das Thema 2. Weltkrieg in den Geschichtsbüchern und in der niederländischen Historiographie bekommt. Viele Schüler sind aufgewachsen mit Het Koninkrijk der Nederlanden in de Tweede Wereldoorlog, eine Serie die in den Schulen noch immer beliebt ist. Außerdem ist viel was mit dem 2. Weltkrieg zu tun hat für das 8-uurjournaal Nachrichtenwert: Räumungen wegen Bomben, Geschichten und Ansprüche von Opfern oder Prozesse gegen Kriegsverbrecher.

Diese Beschäftigung mit dem Thema 2. Weltkrieg kann man auf unterschiedliche Weise erklären. Erstens gibt es die Neigung ein Geschehen oder eine Entscheidung als gut (goed) oder falsch (fout) einzustufen. Diese Neigung ist auf den Protestantismus zurückzuführen, der in seiner Prädestinationslehre einen sehr deutlichen Unterscheid machte zwischen Auserwählten und Nicht-Auserwählten. Der Unterschied hat aber die religiösen Auseinandersetzungen schon längst überstiegen. Nach der Säkularisierung in den 60-ern wurde der Gegensatz gut/falsch sehr üblich in allen möglichen politischenDiskussionen. Die Aktoren im 2. Weltkrieg und im Vietnamkrieg waren nach gutem kalvinistischem Gebrauch entweder gut oder falsch. Es gab keinen Zwischenweg. Dass der Gebrauch des Gegensatzes nicht bis den politischen Auseinandersetzungen in den 60-ern und 70-ern beschränkt blieb, sondern auch jetzt nochgebraucht wird, zeigt der häufige und oft modisch Gebrauch der Bezeichnung fout für weit auseinander liegende Sachen wie Kleidung und politische Auffassungen.

Eine zweite Erklärung für die Bedeutung des Themas 2. Weltkrieg ist die verstörende Wirkung die dieser Krieg für die Niederlande gehabt hat. Lange Zeit war das Land neutral. Als es

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1940 angegriffen wurde war das trotz alles eine Überraschung. Die Zerstörung Rotterdams war kam dazu als ein großer Schock. Auf einmal wurde deutlich, dass das Land, trotz seiner Kolonien, definitiv nicht mehr zu den “Mittelgroßmächten“ gehörte. Damit wurde ein Selbstbild angegriffen und zerstört, das nie wieder hergestellt werden konnte. Es sei denn, man rechnet die Fußballleistungen der Nationalmannschaft mit, was im niederländischen Bewussteins tatsächlich oft gemacht wird. Obwohl dieser Vergleich von Historikern der Gegenwart noch nicht nachgewiesen ist, ist es doch aufschlussreich, dass ein triviales Lied wie „Ohne Holland fahren wir zur WM“ in Deutschland eine große Popularität erreicht hat. Dieses Spannungsverhältnis zwischen den Niederlanden und Deutschland das aus dem 2. Weltkrieg stammt und das sich nicht leicht definieren lässt, scheint also noch immer da zu sein und zwar sosehr, dass auch der große Nachbar Deutschland sich damit beschäftigt und nicht nur das kleinere Land, das sich nicht Ernst genommen fühlt.

In Deutschland ist die Lage völlig anders weil das Land die Verantwortung hatte für die Verbrechen des NS-Regimes. DasLand wurde umerzogen und entnazifiziert. Die Holocaust hat dafür gesorgt, „dass Jude sein schon erinnern ist“. Auschwitz ist ein konkreter Erinnerungsorte die viel über die Art und Weise wie man sich in Deutschland mit der Vergangenheit beschäftigt hat, oder wie Reichel treffend aufmerkt:

Auschwitz steht exemplarisch für das menschenverachtende nationalsozialistisch System von Zwangsarbeit und Völkermord, medizinischen Versuchen und Verwertung des Vermögens sowie der körperlichen Überreste der Ermordeten. Es war ein von Menschen betriebenes System rationeller Reduktion von Menschen auf tote Materie.15

Die Bundesrepublik hat sich vielmehr als die DDR, die sich nicht als Nachfolger des deutschen Reiches sah, bemüht mit der unausdrücklichen Last verantwortlich zu sein für Auschwitz, klar zu kommen. Die Schuldfrage, die anlässlich der Nürnberger Prozesse gestellt wurde, hat die Historiker bis auf den heutigen Tag beschäftigt. Die Verbrechen waren dafür zu groß und mehrmals wurden in Debatten über die Vergangenheitsbewältigung gemeint, dass „über Auschwitz kein Grass wachsen dürfte“.

15 Reichel, 2001, S.600.

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Der Erinnerunfsort 2. Weltkrieg zeigt sich auch im ambivalenten Verhältnis zur deutschen Sprache. Ein allgemeines Problem in der Nachkriegeszeit war, dass die Sprache von den Nationalsozialisten verunreinigt war, und es deshalb schwierig war „auch nur eine halbe Seite Prosa zu schreiben“, wie Böll esausdrückte. Hans Werner Richter meinte, dass die jüngere Generation Schriftsteller schwieg, weil sie die Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Wort und dem erlebten Leben zu starkempfindet. „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, meinte Adorno.16 Es musste also eine neue Sprache geschaffen werden um an die herrschende Gefühle Ausdruck zu geben. Die deutsche Sprache galt kurz nach dem Kriegsende als „verunreinigt“.17 Vor allem in der Lyrik, die in dieser Periodehochgeschätzt wurde, zeigt sich dies ganz deutlich. Es fand ein„Kahlschlag“ statt. Die Lyrik konnte sich nur mit der konkretenWirklichkeit beschäftigen. Günter Eichs „Inventur“ ist da ein berühmtes Beispiel. Und noch immer reden vor allem junge deutsche im Ausland nicht gerne ihre eigene Sprache zu den Landesleuten.

Aus niederländischer Perspektive könnte man an die „Verunreinigung“ der deutschen Sprache eine ganze andere Entwicklung anknüpfen. Ganz deutlich hat nämlich die deutsche Sprache noch immer dieses Problem in den Niederlanden, vor allem für diejenigen die nicht mit der deutschen Sprache vertraut sind. Obwohl jetzt nicht mehr die Rede ist von Propagandaphrasen, wie im 2. Weltkrieg hört das deutsche sich noch immer als sehr formell und sogar „übertrieben“ an. Dies äußert sich z.B. darin, dass es unter jugendlichen nicht ungewöhnlich ist sich des Deutschen zu bedienen wenn man witzigsein will. Ein paar Sätze auf Küchendeutsch erregen oft Begeisterung und werden als humoristisch angesehen, weil viele sich wieder die pflichtmassigen Deutschstunden erinnern. Oft wird durch das deutsche wieder die Assoziation mit dem 2. Weltkrieg und dem Deutschen aus dieser Zeit wieder erregt. Es ist kein Zufall, dass Wörter die fast alle Niederländer kennen,wie halt, jawohl und Ausweis die stark mit der Besatzungszeit verknüpft sind. Das deutsche ist nämlich eine Sprache die man teilweise aus Dokumentar- oder Spielfilme über den 2. Weltkriegkennt. Natürlich hat der gebildete Niederländer eine breiter Perspektive, aber die Reflex das Deutsche als lustig oder als

16 Reichel, 2001, S.618.17 Also Wolfdietrich Schnurre, zitiert in: Sørensen, 1997, S.272.

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kriegerisch-befehlerisch zu beachten ist bei allen bekannt. Es ist nicht auszuschließen, dass dies dazu beigetragen hat dass die Popularität des Fachgebietes sehr veränderlich ist. Obwohl in den 60-ern und 70-ern die Sprache relativ beliebt war und essogar deutschsprachige Musik auf Spitzenpositionen in den Hitlisten gab, scheint jetzt der gefühlsmäßige Reflex gegen dasförmliche und langweilige Deutsche wieder die Oberhand zu gewinnen. Die Imago von deutsch als Sprache klebt etwas an das die Sprache relativ unbeliebt macht. Die bekannte Parodien auf den typischen Deutschlehrer - meisterlich gespielt von Wim de Bie in den beliebten Fernsehprogrammen Van Kooten & De Bie - der nur beharrt auf Goethezitaten und Reihen von ausnahmen und Präpositionen mit dem Dativ oder Akkusativ hat dieses Bild nur verstärkt.

2.3 Die Nationalhymnen

Die Nationalhymnen sind vielleicht die oft gebrauchten Beispiele von Errinerungsorte.18 Bei vielen Menschen läuft ein Schauer den Rücken hinunter wenn die Nationalhymne gespielt wird. In diesem Abschnitt werden dieNationalhymnen der BRD und der ehemaligen DDR behandelt. Für die Niederlande wird das Wilhelmus behandelt. 2.3.1 Das Deutschlandlied

1.Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt, wenn es stets zu Schutz und Trutze

brüderlich zusammen hält. Von der Maas bis an die Memel, vonder  Etsch bis an den Belt. Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.

2.

Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang,

sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang. Uns zu edler Tat begeistern unser ganzes Leben lang. Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang.

3.

18 Sowohl in Deutsche Erinnerungsorte als in der italiänischen Publikation Luoghi di memoria unter Readktion von Mario Isnenghi werden die betreffenden Nationalhymnen besprochen.

15

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, danach laßt uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand. Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Blüh' im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland!

(4.(Deutschland, Deutschland über alles,Und im Unglück nun erst recht.Nur im Unglück kann die LiebeZeigen, ob sie stark und echt.Und so soll es weiterklingenVon Geschlechte zu Geschlecht:Deutschland, Deutschland über alles,Und im Unglück nun erst recht).

Das 1841 von August Heinrich Hoffman von Fallersleben komponierte Lied war in seiner Zeit eine fast revolutionäre Äußerung des Einheitsgedankens.19 Gemeinsam ein Lied singen steht in der Tradition der französischen Marseillaise, die die revolutionären Kräfte in Frankreich vereinigte. Durch das Lied gemeinsam zu singen wurde zudem ein romantisches Gefühl vermittelt, das sehr gut zu dem Zeitgeist passte. Das in der Tradition der Lyrik der Befreiungskriege geschriebene Lied der deutschen (oder Deutschlandlied) zielte auf eine deutsche Nation, was damals eine Utopie der liberalen Intellektuellen war. Ironischerweise ist die Melodie dem österreichischen „Gotterhalte Franz den Kaiser“ von Joseph Haydn entnommen, die Kaiserhymne damals doch als ziemlich reaktionär galt.

Im Jahre 1922 wurde das Lied schließlich die offizielle Nationalhymne der Weimarer Republik und das ist sie mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1945 und 1951 in der Praxis geblieben. Zwar gab es in der Weimarer Republik noch eine 4. Strophe, und hat der Missbrauch des Liedes in der NS-Zeit dafürgesorgt dass das Singen der 1. und 2. Strophe noch immer problematisch ist, aber das Lied hat seit seinem Entstehen nicht an Einfluss eingebußt. Auf die politischen Streitigkeitenwird hier nicht weiter eingegangen, es geht im Rahmen dieser Arbeit nur darum das Lied und die Verweisungen des Liedes zu besprechen.

Das Lied von Hoffman von Fallersleben tut vor allem in seiner ersten Strophe denken an eine Hymne die den 19 Die 4. Strophe gehört eigentlich nicht zum Deutschlandlied von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Sie wurde während der Ruhrbesetzung durch die Franzosen gedichtet von Albert Matthäi. Sie geriet aber bald wieder in die Vergessenheit.

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Nationalismus zum Ausgangspunkt macht („Deutschland über alles in der Welt“). Die Größe Deutschlands wird - auch als das Liedgeschrieben wurde - etwas übertrieben aber das war im 19. Jahrhundert nicht unüblich. Die alte niederländische Nationalhymne von Tollens war in vielen Hinsichten nach heutigen Maßstäben noch viel nationalistischer (siehe 2.3.3). Die negative Ladung hat die 1. Strophe vor allen dadurch bekommen, dass in der NS-Zeit die erste Strophe zusammen mit dem Horst Wessellied als deutsche Nationalhymne gespielt wurde.

Die 2. Strophe knüpft an die reiche mittelalterliche Tradition an. Deutsche Frauen wurden im Mittelalter - vor allemin der Blütezeit um 1200 herum - in der mittelhochdeutschen Literatur von Minnesängern besungen. Die erste Zeile ist denn auch zu verstehen als Verehrung der Frau im mittelalterlichen Sinne. Auch Treue ist ein Begriff, das sich auf de mittelalterliche Ritterwelt zurückführen lässt. Wein und Sang dagegen sind von allen Zeiten und symbolisieren das Gemeinschaftsgefühl, das für ganz Deutschland so gewünscht und nötig war um die Kleinstaaterei zu überwinden.

Die 3. Strophe ist die meiste intellektuelle und politischneutrale Strophe des Liedes. Die Idealen der Freiheit und Einheit sind von der französischen Revolution übernommen worden. Recht verweist auch nach der Verfassung, die den deutschen 1813 in die Voraussicht gestellt wurde. Gerade diese 3. Strophe hat das Deutschlandlied wahrscheinlich von einem gewissen Untergang nach 1945 gerettet. Mit einem Hinweis auf die dritte Strophe könnte man die positiven und modernen Seitendes Liedes betonen. Die Alliierten hatte das Lied nämlich auf den Index verbotener Lieder gestellt. Recht und Freiheit waren aber auch die Ziele die die neue Bundesrepublik sich gesetzt hatte. Heuss hat denn auch 1951 den Versuch von Adenauer den Bann vom Deutschlandlied zu nehmen, bewilligt. Und obwohl das Lied am Anfang kaum gesungen wurde – wie die DDR-Hymne die hierunter besprochen wird – scheint in den letzten Jahren die Bereitschaft auch tatsächlich mitzusingen zuzunehmen. Der Geruch des Nationalismus’ oder noch schlimmer der NS-Zeit, den das Lied lange Zeit mit sich getragen hat, hat deutlich abgenommen. Dies weist auf eine Bewältigung der Vergangenheit des Deutschlandlieds: man braucht sich nicht unwohl zu fühlen

wenn das Lied gespielt wird und ist kein ’brauner Nationalist’ mehr wenn man das Lied auch noch mitsingt.

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2.3.2 Die Nationalhymne der DDR

1. Auferstanden aus RuinenUnd der Zukunft zugewandt,Laß uns dir zum Guten dienen,Deutschland, einig Vaterland.Alte Not gilt es zu zwingen,Und wir zwingen sie vereint,Denn es muß uns doch gelingen,Daß die Sonne schön wie nie|: Über Deutschland scheint. :|

2. Glück und Frieden sei beschiedenDeutschland, unserm Vaterland.Alle Welt sehnt sich nach Frieden,Reicht den Völkern eure Hand.Wenn wir brüderlich uns einen,Schlagen wir des Volkes Feind!Laßt das Licht des Friedens

scheinen,Daß nie eine Mutter mehr|: Ihren Sohn beweint. :|

3. Laßt uns pflügen, laßt uns bauen,Lernt und schafft wie nie zuvor,Und der eignen Kraft vertrauend,Steigt ein frei Geschlecht empor.Deutsche Jugend, bestes Streben,Unsres Volks in dir vereint,Wirst du Deutschland neues Leben,Und die Sonne schön wie nie|: Über Deutschland scheint. :|

Die Hymne von Johannes Becher, mit einer Melodie von Hans Eisler, fängt an mit einer Verweisung nach dem 2. Weltkrieg unddie Leistungen nah dem 2. Weltkrieg. Im Osten gab es auch tatsächlich in den ersten Jahren nach dem Krieg viel Wachstum. Im Lied steht die neue kommunistische Zukunft steht zentral, ohne dass sie genannt wird. Es geht darum den NS-Schrecken hinter sich zu lassen – oder eigentlich die ganze vorkommunistische Gesellschaftsstruktur und sich gemeinsame demneuen Staat und dessen neue Verhältnisse zu widmen. Dieses gemeinsame Projekt, bei dem es gilt „alte Not vereint zu zwingen“, wird als eine ehrvolle Aufgabe präsentiert. Die Implikation ist deutlich: der neue Staat wird imstande sein dieProbleme zu besiegen. Interessant und zugleich ist die 4. Zeile(“Deutschland einig Vaterland”) Die DDR sah sich selbst natürliche als der einzige richtige deutsche Staat und lange Zeit (länger als die BRD) hat sie einer Vereinigung nachgestrebt. Die BRD hat diese versuche wegen der gestellten Bedingungen immer abgelehnt. Als diese Position am Ende der 50-er verlassen wurde, hatte das denn auch zur Folge, dass man denText nicht richtig mehr singen konnte. Die Hymne wurde gesummt,aber bei öffentlichen Gelegenheiten nicht mehr gesungen. Zum Schluss ist der Naturvergleich, der für die Nachkriegslyrik

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übrigens nicht ungewöhnlich war, in seiner Harmlosigkeit das Gegenteil der Blut und Boden Lyrik aus der Hitlerzeit.

In der 2. Strophe wird das Bild der DDR als Friedensstaat eingeprägt. Die guten Intentionen der DDR, in Kontrast zu den aggressiven imperialistischen Staaten, die den Kommunismus ablehnen, werden schwer angesetzt. Auffallend ist das auch hierbei der Musik in den Zeilen „Wenn wir brüderlich uns einen, schlagen wir des Volkes Feind“ wie in „Alte Not gilt es zu zwingen und wir zwingen sie vereint in der 1. Strophe etwas grimmiger wird, fast ähnlich wie Marschmusik.20 Die 2, Strophe schließt ab mit einem erneuten Hinweis auf die bessere Zukunft nach den menschlichen Verlusten im 2. Weltkrieg.

Die 3. Strophe fängt an mit dem Bild der DDR als Bauern- und Arbeiterstaat, ein sehr oft wiederholtes Bild in der DDR-Propaganda. Noch einmal wird betont, wie wichtig die Zukunft ist und damit der Jugend. Es hat keinen Sinn zurückzuschauen, der neue sozialistische Staat ist das einzige, was zählt.

2.3.3. Die niederländischen Nationalhymne

Wilhelmus van NassouweBen ick van Duytschen bloet,Den Vaderlant getrouweBlyf ick tot in den doot:Een Prince van OraengienBen ick vrij onverveert,Den Coninck van HispaengienHeb ick altijt gheeert.

Mijn Schilt ende betrouwenSijt ghy, o Godt mijn Heer,Op u soo wil ick bouwenVerlaet mij nimmermeer:Dat ick doch vroom mach blijvenV dienaer taller stondt,Die Tyranny verdrijven,Die my mijn hert doorwondt.

Wilhelmus van Nassouweben ik, van Duitsen bloed,den vaderland getrouweblijf ik tot in den dood.Een Prinse van Oranjeben ik, vrij onverveerd,den Koning van Hispanje heb ik altijd geëerd

Mijn schild ende betrouwenzijt Gij, o God mijn Heer,op U zo wil ik bouwen,Verlaat mij nimmermeer.Dat ik doch vroom mag blijven,uw dienaar t'aller stond,de tirannie verdrijvendie mij mijn hart doorwondt.

Die um das Jahr 1568 herum enstandene niederländische Nationalhymne ist höchstwahrschenlich die älteste der Welt. Zwar ist der Text der japanischen Natrionalhymne noch älter, aber die Musik deiser Hymne stammt aus dem 19. Jahrhundert. DieHymne wird dem Dichter Marnix van Sint Aldegonde zugeschrieben,20 Für eine ausgezeichnete Website mit der DDR-Hymne, dem Deutschlandlied: http://ingeb.org/Volksong.html

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obwohl dies nicht mit 100 % Sicherheit nachgewiesen werden kann. Die zwei Strophen des längeren Wilhemus’ wurden aber erst1932 offiziell die Nationalhymne. Davor gab es die aus dem 19. Jahrhundert stammede Hymne von Tollens, die aber dem Geschmack des 20. Jahrhundert nicht mehr entsprach und zudem keine historische Wurzeln hatte. Hier is nur die 1. Strophe des Liedes übernommen.

Wien Neerlandsch bloed in de aders vloeit,Van vreemde smetten vrij,Wiens hart voor land en koning gloeit,Verheff' den zang als wij:Hij stell' met ons, vereend van zin,Met onbeklemde borst,Het godgevallig feestlied inVoor vaderland en vorst.

Die 1. und 6. Strophe des Wilhelmus‘, die hetzt die Nationalhymne bilden sind in vielerlei Hinsicht ein Beispiel des Einflusses der Historiker auf der Geschichte und ihre Erinnerung. Erstmal wird eine Person, Wilhelm von Oranien zentral gestellt. Ihm wurde in der Geschichtsschreibung der Rolle des Vaters des Vaterlandes angemessen wurde, weil er den Aufstand gegen Spanien bis zu seinem Tod geleitet hat. Es ist aber sehr fragwürdig ob seine Motive wirklich so nobel und selbstlos waren, wie oft genommen wird. Es war am Anfang vor allem einen Aufstand gegen die Spanischen Maßnahmen, die die Rechte der Städte, u.a. auf dem Gebiet der Religion und des Handels beschränkte. Die Rezeption seiner Person ist aber positiv ausgefallen. Und obwohl er auch rein historisch eine wichtige Figur war, ist es kaum denkbar dass ein Lied, das ihn als Hauptperson hatte, ohne die Arbeit der Historiker die Nationalhymne geworden wäre.

Historisch wichtig ist sonst die Grundlage einer expliziten Rechtfertigung des Aufstandes. In der 6. und 7. Zeile der 1. Strophe heißt es „Den Coninck van Hispaengien heb ik altijd gheeert“. Der König von Spanien hat also seinen treuen Statthalter unrechtfertig behandelt in dem er gegen die Rechte der Niederlande verstoßen hat, so wird uns vorgehalten. Diese Zeile macht das Wilhelmus sehr geeignet für eine Nationalhymne.

Ein zweiter direkter Verband mit der Geschichte der Niederlande wird in der 6. Strophe gelegt. Es geht um den Verband zwischen Religion und dem niederländischen Aufstand,

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der zur Unabhängigkeit geführt hat. Dieser Verband ist im 21. Jahrhundert auf den Hintergrund geraten aber war ganz lange sehr wichtig. Bis in die sechziger Jahre waren die religiösen Gegensätze, obwohl sie von der Verzuiling gemildert wurde, sehr aktuell. Im Jahre 1932, in einer Zeit wo die konfessionellen Parteien unabgebrochen und oft ohne die Liebrealen regierten war die religiöse Dimension des Aufstandes sehr wichtig. Der Aufstand gegen Spanien bekommt in der letzten Zeile auch noch eine religiöse Rechtfertigung. Mit Gottes Hilfe soll die Tyrannei (des Spanischen Königs Philips II.) vertrieben werden.

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3 Konklusion

Die kurze Untersuchung einiger Erinnerungsorte in Deutschland und in den Niederlanden in vergleichender Perspektive hat ein variiertes Bild aufgeliefert. Zuallererst fällt auf dass man sich in Deutschland viel ausführlicher und tiefgehender mit demThema beschäftigt hat als in den Niederlanden. In dieser Arbeitist die Besprechung der deutschen Seite knapp gehalten, gerade weil schon sehr viel über das Brandenburger Tor, den 2. Weltkrieg und die Nationalhymne bekannt ist. In dieser Arbeit wurde versucht etwas ausführlicher still zu stehen bei der Frage was man, mit drei deutschen Beispielen als Ausgangspunkt und inhaltliche Grundlage aufmerken kann über die niederländischen Erinnerungsorte die mit ihnen vergleichbar sind.

Was die Tradition von Toren und Einzügen angeht ist deutlich geworden dass die Niederlanden sich viel weniger an diese Form von Gedenken beteiligt haben als die Deutschen. Die Gründe dafür haben mit der Eigenheit des niederländischen Kaufmannsgeistes des mächtigen Bürgertums aus dem 18. Jahrhunderts zu tun. Es wurde nur selten als passend erfahren solche grossen Ausgaben zu tun für einmlaige Gelegenheiten, ähnlich wie das wohl an anderen Höfen in Europa üblich war. DieErklärung ist denn auch, dass die soziale Stellung des stark protestantisch oientierten Bürgertums und ihre nuchterne Überlegungen dem Entstehen von greifbaren Erinnerungsorten vorgebeugt hat. Die Historiker haben daran ichts verändern können.

Der 2. Weltkrieg hat in den Niederlanden einen fast gleichgrossen Effekt gehabt als in Deutschland, wobei aufgemerkt sei,dass die Lage natürlich ganz anders war. Der zweite Weltkrieg war für die Niederlande eine sehr peinliche Erfahrung und hat zum Entstehen von sehr vielen Erinnerungsorten geführt. Es ist auffällend, dass diese Erinnerungsorte noch immer gut unterhalten werden und in den Medien viel Aufmerksamkeit bekommen. Der 2. Weltkrieg ist in der niederländischen Geschichte ein grosser Umbruch gewesen, weil das Land überfallen wurde und es peinlich deutlich wurde dass die internationale Rolle der Niederlande relativ klein war. Es gibtzudem im unmittelbaren Verhältnis zu Deutschland und der deutschen Sprache Zeichen, dass der Last des 2. Weltkrieges,

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und dann vor allem die darauf basierten Klichees dem Land und seiner Sprache noch immer einen Streich spielt.

Neben diesen Unterschieden gibt es aber auch Übereinstimmungen. Bei dem Erinnerungsort Nationalhymnen ist die Entwicklung, wenn man absieht von der politischen Diskussion nach dem Kreig, für die drei bestudierten Hymnen ziemlich ähnlich aus. Obwohl sie im Alter sehr unterschiedlich sind, sind sie alle entstanden in der Periode, in der der Nationalstaat geboren wurde, oder im Fall der DDR, kurz nach seinem Geburt. Man sieht denn auch die Spuren der Auforderung bspw. Behauptung der nationalen Souverinität bei allen zurück. Zahlreich sind auch die Verweisungen nach der Geschichte oder dem gemeinsamen Zukunftbild. Im deutschen Fall wird zudem, stärker als im Wilhlemus ein Plan der Zukunft skizziert.

Die drei Beispiele übersehend kann man schließen, dass dieUnterschiede sich vor allem aus dem spezifischen nationalen Kontext erklären lassen. Im fall der Tore und Triumphbogen liegt es auf der Hand vielmehr und kulturpolitische Region als Ausgangspunkt zu nehmen, weil in dieser Zeit die staatlichen Einheiten noch nicht so wichtig waren. Es könnte z.B, interessant sein ob in den Hansestädten Tore, Einzüge und Triumphbogen auch relativ selten waren. Was der 2. Weltkrieg angeht sind spezifische nationale Empfindlichkeiten noch immer zu beachten. Die Verwirkungsgeschichte hat, wenn sie versucht vom individuellen Fall zu abstrahieren ihre Relevanz für das Studium der Erinnerungsorte.

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