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Hermann Maurer und Albert Prayer, Verschiedenzeitliche (hauptsächlich steinzeitliche) oberflächlich aufgelesene Einzelfunde aus dem östlichen Waldviertel, Niederösterreich. Das

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Verschiedenzeitliche (hauptsächlich steinzeitliche) oberflächlich aufgelesene Einzelfunde aus dem östlichen Waldviertel, Niederösterreich

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Hermann Maurer und Albert Prayer

Verschiedenzeitliche (hauptsächlich steinzeitliche) oberflächlich aufgelesene Einzelfunde aus dem östlichen Waldviertel, Niederösterreich

Seit rund vier Jahrzehnten ist Albert Prayer in seiner Freizeit als Mineraliensu-cher im Waldviertel unterwegs. Bei diesen Gelände- und Feldbegehungen gelang-te er meist in Gebiete, die seitens der Ur- und Frühgeschichtsforschung – wenn überhaupt – nur selten in flächendeckende Forschungsprogramme einbezogen werden. Es haben daher die von ihm sozusagen als Nebenprodukte seiner Sam-meltätigkeit aufgelesenen meist archäologischen Objekte gewisse Dokumenta-tions- und Hinweiswertigkeit, die nicht ganz gering anzuschlagen ist. Aus man-chen dieser Lokalitäten wurden tatsächlich von Johann Krahuletz und Franz Xaver Kießling letztmals urgeschichtliche Funde gemeldet.1 Die hier nun neu vorgelegten Artefakte2 sind nicht nur eine Bestätigung dieser legendären Aufsam-meltätigkeit, sondern stellen auch wertvolle Bereicherungen für die altzeitliche Siedlungsgeographie dar.Die Funde werden hier nach Katastralgemeinden geordnet aufgeführt und da-nach in chronologischer Sicht und betreffend deren Bedeutung besprochen.

Fundbeschreibung und FundorteAtzelsdorf (Gemeinde Brunn an der Wild, pol. Bezirk Horn)Die Fundstelle liegt etwa südöstlich des Ortes auf Parzelle 360 in der Flur „Lei-ten-Feld“, und zwar knapp oberhalb eines früher versumpften Wasserlaufes, der durch den Atzelsdorfer Graben ins Horner Becken abgeleitet wird. Der Fund-punkt hat eine Seehöhe von 518,1 Meter laut Österreichischer Karte. Abb. 3/4: Unregelmäßiger Abschlag aus teils beingelbem, teils braunem – im Hor-ner Becken bodenständigem – Chalcedon. Der Bulbus ist schwach ausgeprägt. Dorsal sind sinistro-lateral durchgehend, dextro-lateral und terminal partiell Re-tuschen angebracht. Länge: etwa 2,7 cm, größte Breite: etwa 4,0 cm, größte Dicke: etwa 1,2 cm.

Elsern (Gemeinde Drosendorf-Zissersdorf, pol. Bezirk Horn)Die Funde stammen von zwei weit auseinander liegenden Lokalitäten. Ungefähr nordöstlich des Ortes wurden auf Parzelle 1273 der Flur „Pflanzsteig“ (Seehö-he 456,5 Meter laut Österreichischer Karte) in der Nähe einer Wasserstelle zwei Steinartefakte aufgelesen.

1 Johann Krahuletz und Franz Xaver Kießling werden hier nicht im politischem Sinne zitiert, sondern – wie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Ur- und Frühgeschichte üblich – ausschließlich in ihrer speziellen fachlichen Bedeutung.

2 Die Verfasser danken Dipl. Geol. Univ. Alexander Binsteiner für die Materialbestimmung der Ge-steinsartefakte und Oberstudienrat Dr. Herbert Puschnik für die graphische Dokumentation der Objekte.

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Abb. 3/3: Abschlag („Präparationsabschlag“) aus grauem alpinem Hornstein mit organischen Einschlüssen. Das Stück weist keine Retuschen auf. Der Bulbus ist gut ausgeprägt. Dorsal sind einige Abschlagbahnen, ventral keinerlei Bearbei-tungsmerkmale vorhanden. Länge: etwa 6,7 cm, größte Breite: etwa 2,1 cm, größ-te Dicke: etwa 1,1 cm. Abb. 3/7: Spinnwirtel („Ringperle“) aus graubraunem, geflecktem Speckstein. Durchmesser: etwa 2,9 cm, Dicke: etwa 1,5 cm, Lochdurchmesser: etwa 1,1 cm.Auf der östlich des Ortes in der Flur „Wart-Lüß“ (auch „Wartäcker“ genannt) ge-legenen Parzelle 1316 (Seehöhe 451,3 Meter laut Österreichischer Karte) wurde in der Nähe des Thumeritzbaches und oberhalb des vom Wallfahrtsort Maria Schnee kommenden Bründlbaches ein weiteres steinernes Artefakt aufgefunden. Abb. 2/4: Beilklinge aus hellem grünlich patiniertem Serpentin. Die Klinge ist hauptsächlich am Nacken und den Seitenrändern stärker beschädigt, die gesam-te Oberfläche korrodiert. Schleifspuren sind wegen des abgewitterten Zustandes keine ersichtlich. Das Objekt hat eine langschmale trapezförmige Gestalt, die Schneide ist konvex gestaltet, der Nackenabschluss wohl gerade. Der Querschnitt des Beiles war ursprünglich wahrscheinlich oval. Länge: etwa 11,2 cm, Breite bei der Schneide: etwa 4,8 cm, größte Dicke: etwa 1,7 cm.

Pernegg (Gemeinde Pernegg, pol. Bezirk Horn)Ungefähr südlich unterhalb des Klosters Pernegg im Überschwemmungsbereich (Schotter) des Aumühlbaches (bzw. Mödringbaches) konnte auf Parzelle 235

Abb. 1: Spätneolithi-sches Tongefäß von Pernegg, Sammlung Albert Prayer, IrnfritzZeichnungen: Dr. Her-bert Puschnik, Horn

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(Seehöhe 489,1 Meter laut Österreichischer Karte) im bewaldeten Gebiet (Flur „Pernegger Wald“, „Schwarze Leiten“) im Geröll ein fast vollständig erhaltenes kleines Tongefäß gefunden werden.Abb. 1: Henkeltopf aus hellbraunem, teils geschmauchtem stark steinchenhälti-gem Ton (wenig Glimmer, großteils Quarzsteinchen). Die äußere hellbraune bis dunkelbraune/schwarze Oberfläche wirkt durch die aus dem Ton herausragenden Steinchen (Schlickerverlust) sehr uneben und rau. Die innere geschützte grau-braune Oberfläche ist dagegen gut geglättet. Ebene Standfläche, gequetschtkuge-liger Bauchteil, leicht ausladender Rand. Der wahrscheinlich mehr oder weniger rundstabige Henkel reichte von knapp unterhalb des Randes bis zur Standfläche, wie die erhaltenen Reste und das Ausbruchsnegativ zeigen. Randdurchmesser: etwa 6,5 cm, Höhe: etwa 5,8 cm, Standflächendurchmesser: etwa 5,0 cm.

Poigen (Gemeinde St. Bernhard-Frauenhofen, pol. Bezirk Horn)Der Fund stammt von Parzelle 605/1 (Seehöhe 372,0 Meter laut Österreichischer Karte), die südlich des Ortes und knapp südlich auf dem Ausläufer des Galgenber-ges etwa gegenüber der prähistorischen Siedlungsstelle in der Flur Urthel (Urdl) liegt. Abb. 3/5: Klingenabschlag aus braunem, durchscheinendem Kreidefeuerstein (Bryozoenfeuerstein). Schwach angedeutet ist der Bulbus. Retuschen oder Ge-brauchsspuren sind keine vorhanden. Erhaltene Länge: etwa 3,2 cm, größte Brei-te: etwa 1,6 cm, größte Dicke: etwa 0,7 cm.

Rothweinsdorf (Gemeinde Irnfritz-Messern, pol. Bezirk Horn)Die Fundstelle liegt südöstlich des Ortes im Bereich der Parzellen 432 bis 435 der Flur „Johad“ und „Steinlüß“ in der Nähe eines alten Weges, der nach Grub zieht. Abb. 3/6: Flintenstein, hergestellt aus graubraunem, durchscheinendem, mittel-französischem Feuerstein (wahrscheinlich von Meusnes, Département Loir-et-Cher). Die dreieckige Gestalt weist auf allen Seiten durchgehende Abschlagmerk-male auf. Länge: 2,9 cm, größte Breite: 2,3 cm, größte Dicke: 0,7 cm.

Schirmannsreith (Gemeinde Geras, pol. Bezirk Horn)Die Fundstelle befindet sich auf den Parzellen 307 und 308 östlich des Ortes im Winkel oberhalb des Piegerbaches und eines östlichen Zubringers auf deutlich erhöhtem teils bewaldetem Terrain der Flur Vogelsinger. Die Seehöhe des Platzes beträgt laut Österreichischer Karte 510,4 Meter. Abb. 2/3: Trapezförmige Beilklinge aus graugrün patiniertem Serpentin. Das Stück hat einen annähernd rechteckigen Querschnitt. Die Schneide ist ziemlich gerade, der Nacken etwas abgerundet. Die Oberfläche ist zur Gänze korrodiert. Schleifspuren sind daher keine feststellbar. Einige leichte Beschädigungen sind älterer Natur und lassen sich nicht sicher deuten, Länge: etwa 6,4 cm, größte Brei-te: etwa 4,6 cm, größte Dicke: etwa 1,0 cm.

Wanzenau (Gemeinde Gars am Kamp, pol. Bezirk Horn)Die Fundstelle liegt nördlich des Ortes auf den Parzellen 284 und 285 im Über-schneidungsgebiet der Fluren „Riesing“ und „Bründl Leithen“ oberhalb des Kamps im heute bewaldeten Gebiet. Seehöhe des Fundplatzes laut Österreichi-scher Karte 388,6 Meter. Gefunden wurden zwei fragmentierte Axtköpfe. Abb. 2/1: Axtkopf aus graubraun patiniertem Amphibolit. Erhalten ist fast die

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ganze Längshälfte des bei der Lochung (Bohrung) gesprungenen Stückes. Die Oberfläche ist teils gut geglättet, die konische Bohrung fein ausgeschliffen. An-sonsten ist die Oberfläche durch alte Beschädigungen und Klopfspuren ziemlich unregelmäßig. Eine Vertiefung mit Geröllmerkmalen weist wohl auf ein verwen-detes Geschiebestück, vielleicht aus dem Kamp stammend, hin. Erhaltene Länge: etwa 7,4 cm, Lochdurchmesser: etwa 2,7 cm. Ursprüngliche Länge: etwa 9,0 cm, ursprüngliche Breite beim Nacken: etwa 5,0 cm. Abb. 2/2: Axtkopf aus graubraun patiniertem Amphibolit. Erhalten ist der Nacken-teil des bei der Lochung (Bohrung) gesprungenen Stückes. Die Oberflächen sind teils gut geglättet, die konische Bohrung fein ausgeschliffen. Einige alte Beschädi-gungen und Klopfspuren haben das ursprüngliche Aussehen stark verändert. Die Bruchstellen sind ganz abgeklopft. Erhaltene Länge: etwa 4,1 cm, Höhe: etwa: 4,2 cm, Lochdurchmesser: etwa 2,8 cm.

Wolfsbach (Gemeinde Drosendorf-Zissersdorf, pol. Bezirk Horn)Die Fundstelle des Klingenabschlages liegt etwa südlich des Ortes auf Parzelle 1114 der Flur Hagenfeld und zwar westlich der in Sichtweite befindlichen soge-nannten „Wolfsbachstationen“. Die Seehöhe beträgt hier laut Österreichischer Karte 456,3 Meter. Der Nukleus wurde knapp östlich davon im Bereiche der Par-zelle 802/1 auf Seehöhe 465,7 Meter gefunden. Beide Fundorte liegen im Bereich des Galtersberges. Abb. 3/2: Nukleus (Kern) aus hellbraunem Chalzedon . Das Stück weist auf zwei Seiten parallele Schlagbahnen auf. Höhe: etwa 4,0 cm. Abb. 3/1: Klingenabschlag aus grauem bis dunkelbraunem an den Kanten leicht durchscheinendem Mährischem Moränenfeuerstein (Nordmährischer Morä-nengürtel). Terminal konkave Querretuschen. Sinistrolateral und ventral durch-gehend retuschiert, dextrolateral und ventral nur wenige partielle Retuschen. Er-haltene Länge: etwa 3,2 cm, Breite: etwa 2,1 cm.

Abb. 2: Geschliffene Steinartefakte von Wanzenau (1 und 2), Schirmannsreith (3) und Elsern (4). Sammlung Albert Prayer, IrnfritzZeichnungen: Dr. Her-bert Puschnik, Horn

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Bemerkungen zur Bedeutung und zeitlichen Einordnung der FundstückeDas Steinartefakt von Atzelsdorf (Abb. 3/4) belegt eindeutig die Anwesenheit eines steinzeitlichen Menschen auf dieser Lokalität. Dies ist nicht neu, wurden doch bereits von Johann Krahuletz3 aus dieser Katastralgemeinde einige Artefak-te gesichert. Die damalige Fundstelle dürfte im verbauten Ortsbereich liegen, ist aber nicht näher bekannt. Auch ob eine Siedlungsstelle vorliegt, ist nicht über-

3 Josef Bayer, Der vor- und frühgeschichtliche Mensch auf dem Boden des Horner Bezirkes. In: Hei-matbuch des Bezirkes Horn I (Horn 1933) S. 215. – Franz Kießling, Beiträge zur Ur-, Vor- und Früh-geschichte von Niederösterreich und Süd-Mähren. Mit besonderer Berücksichtigung des niederöster-reichischen Waldviertels (Wien 1934) S. 147. – Emilie Bormann, Krahuletz und die prähistorische Forschung in der Umgebung von Eggenburg. In: Beiblatt zu den Mitteilungen der Zentralkommission für Denkmalpflege XVI (1918) S. VI. – Johann Krahuletz hat in seinen handschriftlichen Aufzeichnun-gen für die Jahre 1866 bis 1913 (Teil 1, S. 1-108) auf Seite 87 folgende Schilderung zu Atzelsdorf hin-terlassen: „Bei meinen vielen Wanderungen welche mich in schönen Frühjahrstagen in die Richtung über Göpfritz in das obere Waldviertel führten, kam ich gerade zu recht zu einer Brunnengrabung in Atzelsdorf, wobei in einer Tiefe von einen Meter im angesütteten [sic] Grunde ein Steinhammer ohne die geringsten Spuren anderer demselben Alter angehörigen Dinge zum Vorschein kam, ich rettete ihm das Leben den man ging eben daran diesen mit einen wuchtigen Eisenschlägel in Trümmer zu schlagen.“ – Für die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieses Textes wird Herrn Dr. Johannes Tuzar, Kra-huletzmuseum, Eggenburg, herzlich gedankt. Außer dem gelochten Steinartefakt (ein Axtkopf) sollen auch Gefäßscherben vorhanden sein. Letztere werden bei Kießling a. O. genannt. Auch Bormann a. O. führt – entgegen Krahuletz – „Verschiedene Funde.“ für Atzelsdorf unter den Inventarnummern 3014 bis 3017 auf. Derzeit sind diese Gefäßreste aber nicht auffindbar, sodass dazu keine Stellung-nahme abgegeben werden kann.

Abb. 3: Geschlagene Steinartefakte von Wolfsbach (1 und 2), Elsern (3), Atzels-dorf (4), Poigen (5), Rothweinsdorf (6) und geschliffener steinerner Spinn-wirtel von Elsern (7). Sammlung Albert Prayer, IrnfritzZeichnungen: Dr. Her-bert Puschnik, Horn

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liefert. Da das Gemeindegebiet von Atzelsdorf deutlich oberhalb des Horner Beckens liegt, kann – bis zum Nachweis von Siedlungsspuren – eventuell auch nur mit Hinterlassenschaften wie sie bei temporären Begehungen des Steinzeit-menschen zurückgelassen wurden, gerechnet werden. Da im Horner Becken die westlichsten Siedlungsnachweise (Linear- und Bemaltkeramik) von Brunn an der Wild4 vorliegen, kann aus dieser Richtung eine häufige Begehung des Gebietes vermutet werden. Der deutliche Höhenunterschied (etwa 80 Höhenmeter) lässt aber – wenn überhaupt – wegen der weniger attraktiven klimatischen Zustände am ehesten an eine mittel- bis spätneolithische Besiedlung denken.Die Funde von Elsern stammen von zwei weit auseinander liegenden Plätzen. Der Fundort des Präparationsabschlages (Abb. 3/3) liegt nicht weit entfernt von der „Plateaulehmpaläolithstation“ der Flur Riegelfeld5, sodass durchaus ein Zu-sammenhang vermutet werden darf. Jedenfalls ist es bemerkenswert, dass hier in der Umgegend nicht nur bodenständige Mineralien zu Werkzeugen verarbeitet wurden, sondern auch solche, die von weit her stammen. Dies belegt dieser Prä-parationsabschlag aus alpinem Hornstein ohne Zweifel.Die „Ringperle“ (Abb. 3/7) vom selben Acker wie obiger Beleg ist eindeutig als mittelalterlicher oder neuzeitlicher Spinnwirtel6 anzusprechen. Ähnliche Objekte werden ziemlich oft gefunden und nicht nur an den Orten, wo sie in Verwendung standen, sondern auch weit ab davon. Letztere gelangten – wie viele andere un-brauchbar gewordene Objekte – mit dem Mist (Dünger) auf die Äcker. Es ist daher der Fundort nicht ungewöhnlich. Verwendet wurde der Spinnwirtel wohl im Ort Elsern selbst und wurde wahrscheinlich vom Besitzer nach dem Zerbrechen auf einem seiner Äcker mit anderem Unrat entsorgt.Die Beilklinge von Elsern (Abb. 2/4) ist in die jüngere Steinzeit zu datieren. Sie stammt aus einer Flur, die Franz Kießling bereits als Träger einer Neolithsiedlung erkannt hat.7 Hier konnten unzählige geschliffene und geschlagene Werkzeuge festgestellt werden. Die Keramik entspricht ganz dem Vorkommen von Wolfs-bach, sodass eine spätneolithische Zuordnung zur „Wolfsbachformung“ der Len-gyelkultur als gesichert erscheinen dürfte. Die vorliegende Beilklinge ist daher wohl auch diesem Zeithorizont zuzuordnen.Das Henkeltöpfchen von Pernegg (Abb. 1) stammt aus der unmittelbaren Nähe eines Zubringers zum Mödringbach. Ob das Objekt am ursprünglichen Ort ge-funden wurde oder durch das Wasser weiter bewegt wurde, lässt sich nicht sicher beurteilen. Weitere Funde sind nicht bekannt, weil die Fundlokalität bewaldet und ziemlich verwachsen ist. Eine zeitliche Zuordnung des Einzelfundes kann derzeit nur typologisch erfolgen. Die Gefäßform und die Henkelbildung sowie der Erhaltungsgrad ordnen das Stück dem Spätneolithikum (der Kupferzeit) zu und lassen an eine naheliegende Siedlungsstelle denken. Da der Oberflächensch-

4 Hermann Maurer, Brunn an der Wild. In: Fundberichte aus Österreich 10 (Wien 1971) S. 10. – Ders., Dr. Franz Pieler und die Linearbandkeramik im Horner Becken. In: Horner Schriften zur Ur- und Frühgeschichte 12 (Horn 2013) S. 3.

5 Franz Kießling, Das Aurignacien im Plateaulehme. Ein Beitrag zur Beurteilung der Alters- und Kultur-stufe des Urmenschen im n.-östl. Waldviertel (Niederösterreich) (Wien 1928) S. 79ff. und Tafel 1.

6 Alfred Höllhuber, Spinnwirtel aus dem Fundgut von Mühlviertler Burgen. In: Jahrbuch des O.Ö. Musealvereines, Gesellschaft für Landeskunde 126 (1981) S. 96ff. und Tafel VIII. – Claudia Theune/Iris Winkelbauer/Michaela Fritzl/Isabella Greußing/Gerald Lantschik/Ronny Weßling, Das Land an der March im Mittelalter. In: Archaeologia Austriaca 93 (2009) S. 105ff, bes. 110f.

7 Franz Kießling, Beiträge zur Ur-, Vor- und Frühgeschichte von Niederösterreich und Süd-Mähren (wie Anm. 3) S. 112ff.

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licker durch das Bachwasser ziemlich abgewaschen ist, lässt sich nicht sagen, ob ursprünglich eine für die Datierung wesentliche Verzierung vorhanden war. Es bieten sich die Wolfsbachformung, die Jordansmühlformung, der Typus Retz sowie die Mödling-Zöbing-Jevišoviceformung – die alle Gefäße mit weitlichtiger Henkelbildung führen – für eine vorläufige zeitliche Zuordnung rahmenmäßig an.8 Eine Mödling-Zöbing-Jevišovice Siedlung9 ist hier auf Parzelle 219 auf einem Geländesporn zwischen Aumühlbach und Marchbach durch keramische Funde und durch Hüttenlehm belegt, sodass eine diesbezügliche Datierung eine gewis-se Wahrscheinlichkeit vermittelt.Der Klingenabschlag von Poigen (Abb. 3/5) stammt aus dem Bereich des Galgen-berges, von dem bereits Silexartefakte, bisher aber keine Keramikreste bekannt geworden sind.10 Das vorliegende Stück schließt sich hier an. Hervorzuheben ist aber, dass dieses aus einem ortsfremden Kreidefeuerstein hergestellt wurde und daher das Material von weit her stammt. Die Artefakte von dieser Stelle werden wahrscheinlich mit der dem Galgenberg gegenüberliegenden und durch eine ehemalige Wasserrinne getrennte Siedlungsfläche der Flur Urthel11 in Verbindung stehen. Da es dort aber Funde aus verschiedenen Phasen des Neolithikums gibt, ist eine genauere Datierung nicht möglich.Der Flintenstein (Abb. 3/6) von Rothweinsdorf ist wahrscheinlich ein typischer Verlustfund, der bezeichnenderweise aus dem Bereiche eines Altweges stammt und keine echte Anbindung an die Umgegend erkennen lässt.12 Zugerichtet und verhandelt wurden diese Steine in Mittelfrankreich für die Benutzung von Stein-schlossgewehren. Vorliegendes Stück hat aber nicht die für die österreichische Monarchie typische und meist anzutreffende hufeisengestaltige Militärstandard-form, sondern ist annähernd dreieckig. Auch wenn man davon ausgeht, dass das Objekt stark benutzt wurde und daher ursprünglich etwas anders gestaltet war, scheint doch eher eine private, zivile Bestimmung und Verwendung vorzuliegen. Möglicherweise hat ein Jäger den Flintenstein verloren oder vielleicht auch als unbrauchbar, weil schon zu sehr abgenützt, weggeworfen. Solche Flintensteine verschiedener Form werden oft gefunden und werden diese von Laien gerne als urgeschichtliche Artefakte angesprochen. Tatsächlich stammen sie aber aus der nachchristlichen Zeit des 17. bis 19. Jahrhunderts.13

Die Beilklinge (Abb. 2/3) von Schirmannsreith wurde auf einem etwas erhöhten Gebiet im Winkel zweier Wasserläufe gefunden. Hier im Umkreis wäre mögli-cherweise mit einer neolithischen Siedlung zu rechnen. Das Gebiet ist aber größ-

8 Hermann Maurer, Abriß der Ur- und Frühgeschichte des Waldviertels. In: Mannus 51 (Bonn 1985) S. 293ff. – Ders., Spätneolithische Funde vom Koglberg bei Zöbing, pol. Bezirk Krems, NÖ. In: Das Waldviertel 29 (40) (1980) S. 15ff. – Ders., Horn. In: Fundberichte aus Österreich 15 (1976) S. 161ff. – Ders., Horn. In: Fundberichte aus Österreich 30 (1991) S. 235. – Allgemein dazu Elisabeth Ruttkay, Spätneolithikum. In: Eva Lenneis/Christine Neugebauer-Maresch/Elisabeth Ruttkay, Jungsteinzeit im Osten Österreichs (= Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 102-105, St. Pölten-Wien 1995) S. 110ff.

9 Stefan Strutz, Pernegg. In: Fundberichte aus Österreich 44 (2005) S. 471.10 Friedrich Berg, Die Grabungen und Fundbergungen des Höbarth-Museums im Jahre 1957. In: Nach-

richtenblatt für die Österreichische Ur- und Frühgeschichtsforschung VII (Wien 1958) S. 59.11 Hermann Maurer, Bemerkenswerte Neolithfunde aus dem Gerichtsbezirk Horn, NÖ. In: Fundberich-

te aus Österreich 33 (1994) S. 293ff. – Ein Großteil der von hier vorliegenden Literatur ist zitiert bei Maurer, Dr. Franz Pieler (wie Anm. 4) S. 8 und S. 15.

12 Anton Steinhauser, Administrativkarte von Niederösterreich 1:28.800 (Wien 1867-1882) Sektion 14 Messern, F. 4.

13 Vgl. dazu allgemein Martin Penz/Gerhard Trnka, Ein ehemaliges Flintensteindepot aus dem Schloss Neugebäude in Wien. In: Fundort Wien. Berichte zur Archäologie 7 (2004) S. 234ff.

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tenteils bewaldet und daher nur dort leicht zugänglich, wo es landwirtschaftlich genutzt wird. Wahrscheinlich um Lengyelnachweise handelt es sich bei den von Kießling genannten Steinartefakten (Steinbeil, Klingenabschlag) und eine grob-tonige Scherbe aus dieser Katastralgemeinde („Richtung gegen Zettlitz“, „Rich-tung gegen Goggitsch“). „Die Felder der Umgebung bedürfen noch eingehender Durchforschung“, meinte Kießling zu Recht.14 Da diese Feststellung Kießlings bis heute niemand zur Kenntnis genommen und flächendeckende Begehungen durchgeführt hat, kann zur urzeitlichen Besiedlungssituation dieser Katastralge-meinde auch keine nähere Stellung bezogen werden.15

Die beiden Bruchstücke von Axtköpfen (Abb. 2/1 und 2) aus Wanzenau weisen wegen der sekundären Verwendungsmerkmale (Klopfspuren) wohl eindeutig auf eine Siedlung hin.16 Man hat damals die bei der Arbeit zersprungenen Artefakte eben nicht gleich als unbrauchbar weggeworfen, sondern für andere häusliche Zwecke weiter benützt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Siedlung der Len-gyelkultur, wie solche in der Umgegend mehrmals nachgewiesen sind.17

Die beiden geschlagenen Artefakte (Abb. 3/1 und 2) von Wolfsbach sind Einzel-funde ohne Zusammenhang zu einer steinzeitlichen Siedlungsstelle. Die nicht allzu große Entfernung zu den Siedlungen Wolfsbach I und Wolfsbach II18 lässt eine Verbindung vermuten. Die Klinge kann ein gewöhnlicher Verlustfund sein, der Nukleus deutet eher auf eine Siedlungs- oder Werkstatttätigkeit hin. Der ver-wendete mährische Moränenfeuerstein (erratischer Silex) zeigt nur, dass hier weitreichende Verbindungen bestanden, ist aber für eine zeitliche Einordnung nicht geeignet, weil solche Artefaktmaterialien für unsere Breiten bereits ab dem Jungpaläolithikum nachgewiesen sind.19

14 Kießling, Beiträge zur Ur-, Vor- und Frühgeschichte (wie Anm. 3) S. 13, S. 143 und S. 340.15 Es ist hier in der Umgegend mit mehreren neolithischen Siedlungen zu rechnen. In die Lengyelkultur

gehören die Siedlungen von Zettlitz (Ernst Helmstedt/Elisabeth Ruttkay, Zettlitz. In: Fundberichte aus Österreich 41 [2002] S. 576.) und Pfaffenreith (Hermann Maurer/Werner Vasicek, Pfaffenreith. In: Fundberichte aus Österreich 13 [1974] S. 29). – Zusammenfassend siehe Friedrich Berg/Hermann Maurer, Die Sammlung Bauer: Archäologische Funde aus der Umgebung von Drosendorf. In: Das Waldviertel 53 (2004) S. 238ff.

16 Die beiden Artefakte werden bereits erwähnt bei Hermann Maurer, Stein- und bronzezeitliche Funde von St. Leonhard am Hornerwald. In: Das Waldviertel 63 (2014) S. 155.

17 Johannes M. Tuzar, Die urgeschichtliche Besiedelung der Katastralgemeinden Etzmannsdorf am Kamp, Wanzenau und Wolfshof. In: Etzmannsdorf, Wanzenau, Wolfshof. Landschaftsökologie und Leben in den Heiligen drei Ländern (Gars 1999) S. 29ff.

18 Zur Wolfsbachformung vergleiche die forschungsgeschichtlich sehr interessante Darstellung bei Richard Pittioni, Urgeschichte des Österreichischen Raumes (Wien 1954) S. 162ff. – Ruttkay, Spätneo-lithikum (wie Anm. 8) S. 110ff.

19 Beispielsweise seien hier dazu einige Veröffentlichungen mit lokalen Nachweisen erratischer Silices genannt: Johanna E. Ziehaus (mit einem Beitrag von Michael Brandl, Graz), Die Silexindustrie der Gravettien-Fundstelle Krems-Wachtberg, Niederösterreich, Grabung 2005. In: Archaeologia Austriaca 91 (2007) S. 52ff. – Inna Mateiciucová/Gerhard Trnka/Michael A. Götzinger, Zur Rohstoffverteilung und -verfügbarkeit in der westlichen Lengyel-Kultur. In: Archäologie Österreichs 17/2 (2006) S. 82ff. und Abb. 1. – Inna Mateiciucová, Silexartefakte. In: Eva Lenneis, Rosenburg im Kamptal, Niederös-terreich. Ein Sonderplatz der älteren Linearbandkeramik (= Universitätsforschungen zur Prähisto-rischen Archäologie 164, 2009) S. 93ff. – Eine zusammenfassende Darstellung der in Mähren und Niederösterreich in der Jungsteinzeit verwendeten Steinrohstoffe erfolgte durch Inna Mateiciucová, Talking Stones: The Chipped Stone Industry in Lower Austria and Moravia and the Beginnings of the Neolithic in Central Europe (LBK), 5700-4900 BC. In: Dissertationes archaeologicae Brunenses/Pra-gensesque 4 (Brno 2008) S. 37ff.