13
Archäologie Österreichs 26/1, 2015 1 Ö S T E R R E I C H S ARCHÄOLOGIE 26/1 2015 1. Halbjahr € 8,20 – CHF 13,50 AKTUELL 50 Jahre Grabung Gars-Thunau

Ernst Lauermann, Archäologie und Politik in Niederösterreich, Archäologie Österreichs 26/1, 2015, 51 - 59

Embed Size (px)

Citation preview

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 1

Ö S T E R R E I C H S

ARCHÄOLOGIE26/1 2015

1. Halbjahr

€ 8,

20 –

CH

F 13

,50

AKTUELL50 Jahre Grabung

Gars-Thunau

Archäologie Österreichs

Redaktionsteam: Anna Herzog & Mag. Ulrike Schuh Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte Franz-Klein-Gasse 1, A–1190 Wien E-Mail: [email protected]

Medieninhaber, Herausgeber, Hersteller und Verleger:Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, (c/o) Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie Franz-Klein-Gasse 1, A–1190 Wien, Tel: (+43) 01/4277–40477, Fax: (+43) 01/4277–9409 E-Mail: [email protected], [email protected], Homepage: www.oeguf.ac.atSchriftleitung: Mag. Ulrike Schuh, Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra Krenn-LeebLektorat: Mag. Ulrike SchuhGraphische Bearbeitung, Satz & Layout: Anna Herzog, Mag. Ulrike SchuhFinanzielles Management: Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb, Mag. Dr. Martin KrennEditorial Board: Dir. Dr. Wolfgang David, Mag. Dr. Karina Grömer, HR Dir. Dr. Anton Kern, Dr. Daniela Kern Mag. Dr. Martin Krenn, Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb, Prof. Dr. Annaluisa Pedrotti, OR Dr. Marianne Pollak, Dir. PhDr. Matej Ruttkay, CSc., ao. Univ.-Prof. Dr. Otto H. Urban Wissenschaftliche Beratung: Ausschuss der ÖGUFDruck: Druckwerk Krems GmbH, Karl-Eybl-Gasse 1, A–3504 Krems/SteinTitelbild: Derzeitige Rekonstruktion des Südtores der Schanze von Gars-Thunau. Nach einem ersten Rekonstruktionsversuch Mitte der 1980er Jahre durch Mitarbeiter der Lehr- und Forschungsgrabung in Gars, musste das Objekt nach der Jahrtausend-wende wegen eingetretener Baufälligkeit durch den Bauhof der Marktgemeinde Gars erneuert werden (Quelle: Peter Ableidinger).

EDIT

OR

IAL

IMP

RES

SUM

ISSN-Nr. 1018-1857

Gedruckt mit der Unterstützung der Kulturabteilung des Amtes der Burgenländischen und Niederösterreichischen Landesregierung sowie des Magistrats der Stadt Wien, MA 7–Kultur

Die Autoren sind für ihre Beiträge selbst verantwortlich!

Geschätzte Leserinnen und Leser!

Das aktuelle Thema dieser Ausgabe ist den seit 1965 laufenden Forschungen in Gars-Thunau gewidmet. Es handelt sich dabei nicht nur um einen außergewöhnlichen frühmittelalterlichen Fundplatz, sondern auch um eines der größten und langwährendsten Grabungsprojekte Österreichs. Im ersten Beitrag werden die Forschungen der ersten 40 Grabungsjahre überblicksmäßig zusammengefasst und rufen vielleicht bei ei-nigen Erinnerungen an frühere Grabungserlebnisse wach. Der zweite Artikel stellt hierauf die aktuellen Forschungen der letzten zehn Jahre vor.Der hohe Stellenwert der Archäologie in der Kulturpolitik Niederösterreichs wird in den Ausführungen von Ernst Lauermann deutlich. Experimente zur Herstellungstechnik schnurartiger Verzierungen, wie sie auf Tongefäßen unterschiedlichster Zeitstellung häufig vertreten sind, stehen im Zentrum eines weiteren Bei-trages. Eine spätantike Kinderbestattung liefert einen neuen Nachweis zur Besiedelung des Wildoner Schlossbergs und seiner Umgebung in der Spätantike. Der Artikel zum Kultwagen von Strettweg präsentiert die bislang älteste Fotografie eines archäologischen Bodenfundes aus Österreich und unterstreicht einerseits die herausragende Stellung dieses Objektes und andererseits die nicht zu unterschätzende Wirkung dieser Illustrations- und Dokumentationsmethode auf die Archäologie.Barrierefreiheit und Inklusion sind hochaktuelle Themen in der öffentlichen Diskussion. Die beiden Beiträge der Rubrik „News“ zeigen unterschiedliche Möglichkeiten, wie „Barrieren“ bei der Vermittlung archäologi-scher Inhalte abgebaut werden können.Erstmals sind die Jahresberichte der ÖGUF-Arbeitskreise in die Archäologie Österreichs integriert und wer-den auch künftig fixer Bestandteil jeder Ausgabe sein.Mag. Sandra Sabeditsch widmet sich neuen beruflichen Aufgaben und scheidet daher aus dem AÖ-Redak-tionsteam aus. Wir bedanken uns herzlich für ihren persönlichen engagierten Einsatz in den letzten Jahren und wünschen ihr alles Gute für die neuen Herausforderungen. Bereits ab dieser Ausgabe unterstützt uns Anna Herzog tatkräftig im Redaktionsteam.

Alexandra Krenn-Leeb & Ulrike Schuh

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 1

Archäologie Österreichs 26/1 1. Halbjahr 2015

INH

ALT

DAS AKTUELLE THEMA

50 Jahre Ausgrabungen in Gars-Thunau Anmerkungen zu einem noch immer aktuellen archäologischen GroßprojektErik Szameit

Die frühmittelalterliche Talsiedlung von Thunau am KampGrabungen 2004 bis 2014Martin Obenaus

NEWS

Hallstatt goes online – Die Website der Hallstatt ForschungHans Reschreiter, Carmen Löw, Anke Bacher, Gabriel Wurzer, Kerstin Kowarik, Andreas Rausch und Anton Kern

„Geschichte barrierefrei“ am Kathreinkogel in KärntenRenate Jernej und Gertrud Pollak

FORUM

Abdrücke in Schnur-Design. Experimente zur Herstellung schnurartiger Verzierungen auf urzeitlichen TongefäßenDaniela Kern und Karina Grömer

Der „Kultwagen von Strettweg“ im Jahr 1852Die bislang älteste Fotografie eines archäologischen Bodenfundes aus ÖsterreichMonika Faber, Daniel Modl und Robert Fürhacker

Ein spätantikes Kindergrab aus Wildon, SteiermarkChristoph Gutjahr und Eva Steigberger

Archäologie und Politik in NiederösterreichErnst Lauermann

MUSEUM INTERN

Tempus – Museum mit reicher VergangenheitM. Christina Zingerle und Oliver Pfeiler

2–8

9–21

22–24

24–26

27–33

34–39

40–50

51–59

60–62

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 51

„Ja wenn wir nur eine Lobby hätten, die unsere Anliegen in der Politik vertreten könnte, ja dann wäre alles viel einfacher …“ Immer wieder kommen diese oder ähnliche Äußerungen in Fachkreisen zur Sprache, wenn es um Einfluss, Geld oder Posten im Bereich der archäologischen Forschung geht. In den folgenden Ausführungen soll auf die gar nicht so ausweglose Situation der Ur- und Frühgeschichte in Niederösterreich eingegangen und damit gezeigt werden, dass doch „was geht“, wenn der (politische) Wille vorhanden ist.1

Die Sammlungen des Landes

Niederösterreich gilt als das fundreichste Bun-desland der Republik Österreich. Demzufolge gelangen immer mehr archäologische Artefakte ins Eigentum des Landes und müssen entspre-chend wissenschaftlich, restauratorisch und konservatorisch betreut und gelagert werden.Die ur- und frühgeschichtliche, provinzialrömi-sche sowie mittelalterliche Sammlung des Lan-des Niederösterreich gehören zu den ältesten Sammlungsbereichen des Landes und haben schon allein durch die Auffindung in Niederös-terreich selbst einen sehr starken Landesbezug (Abb. 1). Ihre Basis bilden Funde aus Privatsamm-lungen, später wurde die Sammlung vor allem durch eigene oder vom Land Niederösterreich geförderte Ausgrabungen erweitert.Die Sammlung soll primär einen Überblick über die gesamte prähistorische und provinzialrömi-sche Archäologie bieten. Schwerpunkte ergeben sich aus der Forschungssituation und den daran beteiligten Institutionen. So sind für die Urge-schichte sicher die Paläolithfundstellen von Grubgraben bei Kammern und Krems/Wacht-berg, die frühneolithische Siedlung von Schletz, das mittelbronzezeitliche Hügelgräberfeld von Pitten oder die Erforschung keltischer Siedlun-gen in Niederösterreich am bedeutendsten. Die provinzialrömische Archäologie sieht ihren Schwerpunkt in der Erforschung von Carnuntum. Die Frühgeschichtssammlung besticht durch ihre Geschlossenheit und die Abdeckung des gesam-ten ersten nachchristlichen Jahrtausends, wie es das derzeit in keiner anderen Landes- oder auch

1 Die Stellung der provinzialrömischen Archäologie wird in diesem Beitrag nicht behandelt.

Bundes sammlung Österreichs gibt. Die mittel-alterliche Sammlung gewinnt in den letzten Jahren durch umfangreiche Stadtkerngrabungen (St. Pölten, Krems, Tulln) immer mehr an Bedeu-tung. Als neuer Bereich ist die „Historische Ar-chäologie“ zu nennen, die in vielen Nachbarstaa-ten schon selbstverständlich ist.Seitens des Landes hat es immer einen Verant-wortlichen im Beamtenstatus für die Archäologie gegeben, dazu kamen Restauratoren und ande-re Hilfskräfte. Nach der Trennung der Sammlun-gen in Ur- und Frühgeschichte und Römische Archäologie wurde eine Stelle für einen Klassi-schen Archäologen geschaffen. Bis 2005 gab es je zwei beamtete Prähistoriker und zwei beam-tete Klassische Archäologen. Die folgenden Jahre waren geprägt von Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung. Das hatte zur Folge, dass ein frei werdender Beamten posten in der prähistorischen Archäologie eingespart wurde. Projektbezogene Verträge wurden an junge WissenschaftlerInnen vergeben. Das Land selbst fördert Grabungs- und Forschungsprojekte mit klarem Niederösterreichschwerpunkt.Seit 2012 wurde seitens der Abteilungsl eitung unter Hermann Dikowitsch intensiv an einer Sammlungsstrategie gearbeitet, die die General-inventarisierung aller Objekte der Landessamm-lung zum Ziel hat. Ein Sammlungsleiter, der für alle Sammlungen des Landes verantwortlich ist, wurde in Armin Lausegger gefunden. Ziel der Sammlungsstrategie war es, eine Einrichtung an der Donauuniversität Krems zu schaffen, wo die museale sammlungs strategische Bedeutung wahrgenommen werden kann. 2015 war es dann soweit, das Zentrum für museale Sammlungs-wissenschaften an der Donauuniversität Krems unter dem Rektorat von Friedrich Faulhammer wurde eingerichtet. Damit verbunden war, dass im Fachbereich Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie fünf junge Wissenschaft-ler ganz- oder teilweise angestellt werden konn-ten, mit dem Ziel die ur- und frühgeschichtlichen

Archäologie und Politik in Niederösterreich

Ernst Lauermann

Abb. 1: Untersiebenbrunn: Die beiden Zikadenfibeln aus dem 1910 gefundenen völkerwanderungszeitli-chen Kindergrab waren die ersten Sammlungsstücke der archäologischen Landessammlung (Quelle: Lan-dessammlungen Niederösterreich, Norbert Weigl).

52 Archäologie Österreichs 26/1, 2015

Sammlungsbestände des Landes zu inventari-sieren und wissenschaftlich zu bearbeiten.Ein wahrlich großer Wurf, der ohne Zustimmung und Befürwortung der Landespolitik nicht mög-lich gewesen wäre. Die Inventarisierung und Bearbeitung der Sammlungen ist oberstes Ge-bot und bildet die Basis für die Erhaltung und Bewahrung unseres archäologischen Erbes.

Die museale Darstellung der Ur- und Frühgeschichte in Niederösterreich (1970–2013) Urgeschichtemuseum Asparn/Zaya

Das Museum für Urgeschichte in Asparn/Zaya, im Schloss Asparn eingerichtet, gehört seit sei-ner Eröffnung am 5. Juni 1970 durch den Lan-deshauptmann von Niederösterreich Andreas Maurer wohl zu den bedeutendsten Museen seiner Art in Europa (Abb. 2). Der einstige Be-gründer Franz Hampl bewies einen ausgespro-chenen Weitblick. Auf der einen Seite präsentiert das Museum die Urgeschichte Nieder österreichs anhand von archäologischem Fundmaterial, be-gleitet von moderner Grafik und Gestaltung. Franz Hampl gelang es weiters im angeschlos-senen Schlosspark ein archäologisches Freige-lände mit Nachbauten von Wohn- und Wirt-schaftsgebäuden vom Paläo lithikum bis zu den Kelten zu errichten2, ein Rundgang der beson-deren Art, der dem Besucher einen visuellen Einblick in die einzelnen Zeitepochen bietet.3 Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten, zahl-reiche Besucher, vor allem Schulklassen, nützten diese Möglichkeit des modernen Museumsbe-suches.Nach der Pensionierung von Franz Hampl über-nahm Helmut Windl 1976 die Leitung des Mu-seums. Windls Schwerpunkt war die Experimen-telle Archäologie, ein moderner Forschungs-zweig, der die wissenschaftliche Methode des Experiments in den Vordergrund stellt. Durch regelmäßige Lehrveranstaltungen an der Uni-versität Wien seit 1982 wurde dem wissen-schaftlichen Anspruch mehr als entsprochen. Asparn wurde zum Zentrum der Experimentellen Forschung. Helmut Windls Philosophie bestand darin, den Modellcharakter der Gebäude heraus-zustreichen. Großer Wert wurde auf die verschie-denen Möglichkeiten der Bauweise, der Dach-deckung etc. gelegt. In den Jahren 2000/2001 kam es zum wissenschaftlichen Umbau der

2 Laut Mitschriften wurde bereits 1963 daran gedacht, Ur- und Frühgeschichte in Asparn in einem Museum zusammenzulegen. Gründe, warum dies nicht umgesetzt wurde, sind jedoch nicht angeführt.3 Zur Entwicklung des archäologischen Freigeländes s. zusammen-fassend Lauermann & Pacher 2013.

Dauerausstellung. Ende 2005 ging die Verant-wortung an Ernst Lauermann über. In den Jahren 2005–2007 wurden durch neue Marketingstra-tegien, wie die Findung eines neuen Logos oder neue Werbemaßnahmen, moderne Wege be-schritten. 2006 gelang die Aufnahme in die Gruppe „Top-Ausflugsziele“.Die Strategie beinhaltete ein Viersäulenmodell – ein Modell für die Zukunft.Die neu gestaltete Dauerausstellung der Ur-geschichte Niederösterreichs bildete die Basis des Museums, sie war die wichtigste Säule. Die prähistorische Archäologie liefert uns jenes Material, das erste Einblicke in das Leben und Sterben der Menschen im Laufe seiner Entwick-lung gibt. Funde von besonderer Bedeutung, wie z. B. die paläolithische Knochenflöte aus Grub-graben oder die spektakulären Funde aus dem mittelbronzezeitlichen Gräberfeld in Pitten, wurden im Original gezeigt. Hochmoderne Vitrinen und Modelle, von übersichtlichen Wand-tafeln ergänzt, gaben dem Besucher einen Ein-blick in die faszinierendsten Epochen der Mensch-heit. Dabei wurden auch einige „Relikte“, wie z. B. die „Höhle für Höhlenmalerei“ aus dem ehe-maligen Museum übernommen und gut einge-gliedert. Der archäologische Fund und Befund ist und bleibt die Basis auf dem alles aufbaut.Die zweite Säule, genauso wichtig, ist das ar-chäologische Freigelände, das sich im alten Schlosspark befindet. Hier werden Denkmodel-le von Siedlungsobjekten, die so weit als möglich auf archäologischen Befunden beruhen, im Maßstab 1:1 realisiert. Von den neu errichteten Grashütten von Mammutjägern, über ein neo-lithisches Langhaus mit dazugehörigem Holz-brunnen, über einen Brandbestattungsplatz der ausgehenden Bronzezeit bis zu den Werkstätten der Kelten wurde ein Überblick über Leben und

Abb. 2: Asparn/Zaya: Museumsleiter Franz Hampl (Mitte) führt Landeshaupt-mann Andreas Maurer (vorne) und Landesrat Leopold Grünzweig (hinter Franz Hampl) durch das neu eröffnete Museum (Quelle: Landessammlungen Niederösterreich).

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 53

Wohnen in der Urgeschichte geboten. 2008 wurde ein idealisiertes Heiligtum nach den Befunden von Roseldorf errichtet. Zahlreiche Vergleichsbefunde aus Frankreich und Süd-deutschland konnten in die Recherche mitein-bezogen werden. 2010 erbaute man basierend auf dem Befund von Michelstetten ein keltisches Versammlungshaus. Für die Experimentelle Ar-chäologie war und ist das Museum in Asparn seit Jahrzehnten Vorreiter in Europa. Die jährlich stattfindenden Lehrveranstaltungen der Univer-sität Wien finden großen Anklang, sodass auch andere europäische Fachinstitute sich dieser Einrichtung bedienen und Studenten zur Aus-bildung nach Asparn schicken (Abb. 3).Lange schon war es Tradition, durch jährlich wechselnde Sonderausstellungen neue Ergeb-nisse der Forschung zu präsentieren – dies bildet die dritte Säule. In den letzten Jahren, ab 2003, sollte verstärkt das Fenster nach Europa weit aufgestoßen werden. Dem interessierten Besu-cher sollte auch „nicht alltäglich greifbare Ar-chäologie“ nähergebracht werden. 2003 waren es „Die Kelten in Mähren“, eine Ausstellung vom Mährischen Landesmuseum in Brno, 2004 wur-den die „Die Illyrer“, eine archäo logische Aus-stellung aus Albanien präsentiert. Im Jahr 2005 wurden „Die Pfahlbauer“, eine Ausstellung über Unterwasserarchäologie aus der Schweiz, ge-zeigt. 2006 folgte in einer Kooperation mit dem Museum Quintana, dem Heuneburg museum und dem Naturhistorischen Museum Wien die Ausstellung „Donaufürsten und Druiden – die Kelten entlang der Donau“. 2007 gab es sogar zwei Sonderausstellungen:„Heldengrab im Nie-mandsland“, eine Ausstellung über den ungari-schen Reiter in Gnadendorf, und „100.000 Jahre SEX“, eine vielbeachtete Ausstellung aus den Niederlanden, die von Landeshauptmann-stellvertreter Wolfgang Sobotka sehr launig eröffnet wurde (Abb. 4).

Seit 1997 wurde verstärkt versucht, nicht nur die Fachwelt nach Asparn zu locken, sondern quali-tätsvolle „Events“ wie Kelten-, Steinzeit- oder Hunnenfest, Wochenendseminare für Besucher als vierte Säule der Museumsstrategie zu etab-lieren. Durch themenbezogene, museumspäda-gogische Führungen für Schulklassen, „Kinder-geburtstage in der Steinzeit“ und Übernacht-ungsmöglichkeiten im neolithischen Langhaus für Familien wurde versucht, neue Besucher aus den Großstädten Wien und Brno anzulocken. Dem neu errichteten Weinviertler Filmhof, in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums, gelingt es, völlig neue Besucherschichten nach Asparn zu bringen. Die Errichtung des Filmhofes wurde seitens der Landespolitik stark gefördert. Damit gelang es,ein Zentrum vielschichtiger kultureller Bestrebungen an einem Standort zusammenzuführen.

Museum für Frühgeschichte in Traismauer (1989–2006)

Seit den Jahren in der Wiener Herrengasse führ-te die frühgeschichtliche Sammlung des Landes, trotz ihrer Bedeutung, ein stiefmütterliches Dasein. Nur in Sonderausstellungen, wie bei-spielsweise „Hunnen, Awaren, Slawen“, konnten Teile der umfangreichen Sammlung der Öffent-lichkeit gezeigt werden. Daher war Landes-archäologe Helmut Windl bestrebt, ein eigenes Frühgeschichtemuseum einzurichten. Im Schloss Traismauer, welches bis ins erste Stockwerk ein noch erhaltenes spätantikes Kleinkastell ist, bot sich die Gelegenheit.Das den Hauptplatz beherrschende Gebäude wurde in seinem Erscheinungsbild von seiner Geschichte geprägt. Es war nie Prunkschloss, sondern vielmehr Festung oder Verwaltungsbau und war somit ein Museum, dessen Exponate zu seiner Baugeschichte passen.

Abb. 3: Asparn/Zaya: Die Experimentelle Archäologie ist seit 1982 eine regelmäßig wiederkehrende Lehr-veranstaltung der Universität Wien im archäologi-schen Freigelände (Quelle: MAMUZ).

Abb. 4: Asparn/Zaya: Landeshauptmannstellvertreter Wolfgang Sobotka bei der Eröffnung der Ausstellung „100.000 Jahre SEX“ im Hintergrund Karin Wöhrer und Verena Brandtner (Marketing 2005–2007) (Quel-le: Landessammlungen Niederösterreich, Norbert Weigl).

54 Archäologie Österreichs 26/1, 2015

des versuchte man, lebensnahe Situationen im Museum nachzustellen. So wurde in einem Raum ein Teil einer germanischen Sechspfostenhütte nach einem Befund aus der germanischen Sied-lungsgrabung in Bernhardsthal als Modell er-richtet. Der überdachte und verglaste Wehrgang des Schlosses beherbergte Bilder der Markus-säule in Rom, welche ja Szenen aus den Marko-mannenkriegen darstellt. Ein weiteres Modell stellte reiche germanische Brandgräber aus Laa/Thaya dar, wobei das Modell durch die Original-funde in den Vitrinen ergänzt wurde.Die Spätantike – Völkerwanderungszeit des 5. Jahrhunderts n. Chr. und die teilweise noch vor-handene römische Militärpräsenz beispielsweise in Stillfried bildeten weitere Schwerpunkte. Jeder Raum war neben den Originalfunden in Vitrinen mit antiken Schriftquellen zu den je weiligen Epochen und Ereignissen ausgestattet.In der Folge wurde die östliche Komponente, die am Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. fassbar war, gezeigt. Ostgermanen und Hunnen wurden als Föderaten angesiedelt, sie sind zum Teil in reichen Gräbern nachgewiesen. Langobardische und awarische Hinterlassenschaften, ausschließ-lich aus Grabfunden, waren in den weiteren Vi-trinen ausgestellt. Awaren, Slawen und Baiern bildeten einen weiteren Schwerpunkt. Slawische Zuwanderung war sicherlich nur in Einver-ständnis mit den Awaren möglich und wird sich daher in engeren Grenzen gehalten haben. Im Laufe des 7. Jahrhunderts n. Chr. wurden diese Gebiete durch Völkerschaften besiedelt, die unter awarischer Herrschaft standen. Die kata-strophale Niederlage der Awaren vor Konstan-tinopel im Jahre 626 führte zu einer gewaltigen Schwächung ihrer Herrschaft. Viele Hilfsvölker, darunter auch slawische Stämme nutzten die Gunst der Stunde und schüttelten die awarische Herrschaft ab. Archäologisch werden die Slawen erst wieder zu Beginn des 8. Jahrhunderts n. Chr. fassbar. Erst etwa um die Mitte des 8. Jahr-hunderts n. Chr. erhöht sich die Anzahl der Gräber felder und Siedlungen. Den Slawen und Baiern waren die folgenden Räume gewidmet, wobei auch ein Modell eines slawischen Hügel-grabes gezeigt wurde, welche immer wieder ausgegraben werden konnten, wie etwa in Gars/Thunau oder in Wimm. Die Funde aus Köttlach bildeten einen würdigen Abschluss dieser Epoche. Das Museum, nach höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen eingerichtet, war jahrelang ein wesentlicher Bestandteil der niederösterreichi-schen Museumslandschaft. Durch die Groß -investitionen des Landes in Carnuntum wurde das Interesse geringer, die Schulen blieben aus, so-dass die Gemeinde als Träger des Museums mit

Die römische Weiheinschrift über dem Eingang ist der älteste Hinweis auf die Geschichte von Traismauer und ist von der Reitergruppe Ala I Augusta Thracum dem Kaiser Antonius Pius (138–161 n. Chr.) gewidmet. Der Schlosshof zeigt die Geschichte Traismauers wie ein Bilderbuch. Es sind noch die Mauern des römischen Klein-kastells aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr. er-halten. Traismauer und das Schloss treten zur Zeit Karls des Großen wieder ans Licht der Geschichte. Dieser überließ das Gebiet um Trais-mauer dem Salzburger Erzbischof. In dieser fast tausendjährigen Geschichte als Amtssitz (bis 1803) erlebte das Schloss viele Um- und Zu-bauten. Durch die ausdrückliche Erwähnung im Nibelungenlied als Raststätte Krimhilds auf ihrer Reise zu König Etzel hielt das Schloss auch Einzug in die Weltliteratur.Nach dem Ankauf durch die Stadtgemeinde Traismauer im Jahre 1964 wurde das Schloss als Wohnhaus, Arztpraxis und Sitz von Handwerks-betrieben genutzt. Es ist das einzige Schloss in Österreich, das durchgehend bewohnt war und seine Nutzung lückenlos nachweisen kann.Nach der gründlichen Sanierung und archäo-logischen Untersuchung wurde das Schloss Traismauer zum Museum für Frühgeschichte des Landes Niederösterreich und war seit der Er-öffnung 1989 durch Landeshauptmann Siegfried Ludwig das einzige Museum, das sich in einem spätantiken Bau befindet (Abb. 5).In zwölf Räumen wurden wesentliche Epochen der Frühgeschichte Niederösterreichs höchst qualitätsvoll und wissenschaftlich fundiert prä-sentiert. Nach einer Einführung über den Begriff „Frühgeschichte“, wurden Kelten, Quaden, Mar-komannen, das 1. Jahrhundert behandelt. In Ermangelung eines archäologischen Freigelän-

Abb. 5: Traismauer: Landeshauptmann Siegfried Ludwig bei der Eröffnung des Frühgeschichte­museums im Schloss Traismauer (Quelle: Lan-dessammlungen Niederösterreich).

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 55

großen finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. 2006 musste das Museum geschlossen werden.

Ein Aufbruch in neue Zeiten

Ab der Jahrtausendwende war es Ziel der Kultur-politik des Landes, wichtige Kulturbetriebe unter der Dachmarke NÖKU (NÖ Kulturwirtschaft GesmbH) zusammenzufassen und so einen wirt-schaftlich geführten Kulturbetrieb zu ermögli-chen. Seitens des Landes war Joachim Rössl bestrebt, dieses Projekt möglichst intensiv vor-anzutreiben und zu dem zu machen, was es heute ist – nämlich ein internationaler Vorzeige-kulturbetrieb höchster Qualität.2008 kam es zur Übernahme des Museums von Asparn durch die NÖ Kulturbetriebsgesellschaft. Asparn und Carnuntum wurden in der NÖ Ar-chäologiepark Ges.m.b.H. zusammengefasst. Die Betriebsführung wurde von der wissenschaftli-chen Leitung getrennt. 2010 konnte von der NÖ Landesregierung das Schloss Asparn vom Eigen-tümer Philipp Metternich erworben werden. Joachim Rössl, Hermann Dikowitsch und Paul Gessl waren federführend bei den Verhand-lungen mit dem Land. Landeshauptmann Erwin Pröll ist es schließlich zu danken, dass der Ankauf des Schlosses tatsächlich umgesetzt wurde. Damit gelang der wirklich große Wurf, der Mu-seumsstandort Asparn ist für die Zukunft gesi-chert. Im selben Jahr wurde auch die Landes-ausstellung 2013 unter dem Titel „Brot und Wein“ dem Standort Asparn gemeinsam mit Poysdorf zugeschlagen. Nun war es auch möglich, größe-re Investitionen vorzunehmen. 2011 wurde die Geschäftsführung von Carnuntum gelöst und auf eigene Beine gestellt, gemeinsam mit dem MZM (Museumszentrum Mistelbach) in Mistel-bach sollten neue Wege beschritten werden. Im

Zuge der Landesausstellung kam es zur völligen Neugestaltung des archäologischen Freigelän-des. Als Schwerpunkt kann wohl die neue Er-richtung eines „neolithischen“ Langhauses nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, teilweise mit Techniken der Experimentellen Archäologie angesehen werden. Die Landesaus-stellung war ein voller Erfolg, über 300.000 Gäste kamen an die beiden Standorte – die Erfolgstory nahm ihren Neuanfang (Abb. 6).

MAMUZ (Mistelbach-Asparn- Museumszentrum, ab 2014)

Bereits 2013 wurde die völlige Neuaufstellung der Dauerausstellung in Angriff genommen. Ein Kompetenzzentrum für die Ur- und Frühge-schichte Niederösterreichs sollte entstehen, das weit über die Grenzen des Bundeslandes hinaus seinem erworbenen guten Ruf in der Fachwelt und bei den Besuchern gerecht wird. Der Kos-tüm- und Bühnenbildner Christoph Cremer und die Grafikerin Julia Oppermann wurden ins Boot geholt. Der Zugang war ein völlig neuer, noch nie dagewesener in der Archäologie Ös-terreichs. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Matthias Pacher, dem wissenschaftlichen Leiter Ernst Lauermann, den Kuratoren und wissen -schaftlichen Mitarbeitern Christine Zingerle, Oliver Pfeiler, Peter Trebsche, Elisabeth Nowotny, Wolfgang Breibert und Elisabeth Rammer wurden alle wissenschaftlichen Vorgaben erfüllt, alle Träume geträumt, aber die Tränen der Realität holten auch manchen Traum auf den Boden der Tatsachen zurück. Das Urgeschichtemuseum MAMUZ nimmt somit eine bedeutende Rolle im touristischen Umfeld ebenso wie in der wissen-schaftlichen Fachwelt ein und erweist sich als wichtige Säule im Rahmen der niederösterrei-chischen Landes kunde. Umso wichtiger sind eine nachhaltige Standortsicherung und der Ausbau zu einem Zentrum der Ur- und Frühgeschichte und der experimentellen Archäologie mit inter-nationalem Anspruch. Die beiden im Jahr 2014 von Landeshauptmann Erwin Pröll (Abb. 7) neu eröffneten Standorte MAMUZ Schloss Asparn/Zaya und MAMUZ Museum Mistelbach sind ein in Niederösterreich einzigartiges Erlebnismuse-um, in dem die Landes geschichte von der Alt-steinzeit vor rund 40.000 Jahren bis ins Mittel-alter auf plastische Weise Besuchern allen Alters vermittelt wird. Im Vorder grund stehen neben der umfangreichen Präsentation der Sammlung des Landes Niederösterreich erlebnisorientierte und didaktisch auf höchstem Niveau gestaltete Ausstellungen. Die archäologischen Exponate werden dabei unter Verwendung des Prinzips der „Wiederentdeckung“ in einen realistischeren

Abb. 6: Asparn/Zaya: Eröffnung der Landesausstellung 2013 durch den Lan-deshauptmann, von links nach rechts: Bgm. Johann Panzer (zweiter von links), Kurator Manfred Pfaffenbichler, Sissi Pröll, Landeshauptmann Erwin Pröll, Ausstellungsleiter Kurt Farasin, Landesrat Carlo Wilfling und Bgm. Gertrude Riegelhofer (Quelle: NLK Reinberger).

56 Archäologie Österreichs 26/1, 2015

ten und mit modernen Drehregalen auszustat-ten. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die ur-geschichtliche Sammlung in einem Nebentrakt es Schlosses untergebracht werden. Die früh-geschichtliche Sammlung befand sich bis zum Umbau des Schlosses Traismauer am Dachboden der Wiener Herrengasse 12. Durch den jährlich immer größer werdenden Fundanfall musste ab dem Jahr 2000 daran gedacht werden, neue Depotflächen zu schaffen.Durch Großinvestitionen im Bereich des Archäo-logischen Parkes Carnuntum und den zuge-hörigen Betrieben wurde die ehemalige Tabak-fabrik der Austria Tabak im Jahr 2005 vom Land angekauft und adaptiert. 2011 wurde ein Teil der Niederösterreichischen Landesausstellung in der Kulturfabrik gezeigt. Neben dem Ausstellungs-standort war es dem Land wichtig, Depotflächen und Werkstätten zur Restaurierung archäologi-scher Fundmaterialien zu schaffen. Im Hinblick auf eine mittel- und langfristige Planung zur Lagerung und Bearbeitung der „Archäo logischen Sammlungen Niederösterreich“ sowie zur Ein-richtung von Restaurierungswerkstätten für die einzelnen Fundgruppen (Buntmetall-, Eisen-, Glas-, Keramik-, Holz- und Steinrestaurierung) wurden daher in diesem Gebäude drei Ebenen zur Schaffung eines zukunftsweisenden archäo-logischen Depots für Niederösterreich einge-richtet. Damit ist für die weitere Zukunft gewähr-leistet, dass archäologische Funde in Niederös-terreich gemäß internationalem Standard res-tauriert, bearbeitet und letztendlich in einer musealen Präsentation gezeigt werden können.Der überwiegende Teil dieser Depoträume ist der provinzialrömischen Archäologie zugeteilt. Ein Teilbereich wurde jedoch auch der ur- und frühgeschichtlichen Sammlung zur Verfügung gestellt. 2007 kam es nach der Schließung des Museums in Traismauer zur Übersiedlung der frühgeschichtlichen Sammlung nach Hainburg. Auch wichtige Fundbestände aus Grabungen der Universität Wien (Stillfried, Thunau) konnten in Folge in Hainburg untergebracht werden.Im selben Zeitraum wurden erstmals Überlegun-gen zum Ankauf des Asparner Depots angestellt. Grund dafür war das Auslaufen des Pachtvertrages mit dem Jahr 2012. Im Frühjahr 2011 unterzeich-nete Landeshauptmann Erwin Pröll schließlich den Kaufvertrag – damit war der Standort des Depots gesichert.Durch eine völlige Neustrukturierung der Auf-gabenverteilung der archäologischen Boden-denkmalpflege des Bundesdenkmalamtes wurden und werden seit 2010 laufend neue Fundmaterialien aus diversen Großgrabungen dem Land Niederösterreich ins Eigentum ange-boten und übertragen. Die dadurch anwachsen-

Abb. 7: Asparn/Zaya: Eröffnung MAMUZ 2014, von links nach rechts: Geschäftsführer Matthias Pacher, Museumsleiter Ernst Lauermann, Landeshauptmann Erwin Pröll (Quelle: Andreas Leisser).

Bezug gestellt. Damit kann auch für die ge-schichtlich wenig vorgebildeten Besucher eine Brücke zu den Exponaten gebildet werden.Das Museum gehört den Besuchern, sie danken es mit durchwegs guten, überraschenden Rück-meldungen. Die Gestaltung hat keinen Selbst-zweck, sondern dienende Funktion, sie dient den Objekten und zu vermittelnden Inhalten.Das MAMUZ Mistelbach steht für internationale Sonderausstellungen zum Thema Archäologie (Giganten der Eiszeit 2014, ÖTZI, der Mann aus dem Eis 2015) und dient vermehrt als Veranstal-tungsort für internationale Fachtagungen (z. B. seit 2010 jährlich stattfindender Tag der NÖ Landesarchäologie, Tagung für Mittelalter-archäologie 2014, ÖGUF-Symposium 2015).

Die Depotfrage – ein Stückwerk, das auf eine Lösung wartet

Von der bestehenden ur- und frühgeschichtlichen bzw. mittelalterarchäologischen Sammlung des Landes kann lediglich ein Bruchteil in Ausstel-lungen gezeigt werden. Der Rest – großteils wissenschaftlich noch unbearbeitetes Material – muss in Depots gelagert werden. Dazu kommt, dass die Zahl archäologischer Funde durch die jährlich laufenden neuen Ausgrabungen ver-schiedener Grabungsfirmen bzw. des Bundes-denkmalamtes ständig vergrößert wird.In den 1980er-Jahren gelang es Helmut Windl, den dem Schloss Asparn unmittelbar benach-barten Meierhof als Depoträumlichkeit anzumie-

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 57

de Menge an Funden beträgt so zwischen 100 und 500 Bananenkisten jährlich.Die Landesarchäologie sieht sich als Bewahrer und Erhalter des archäologischen Erbes des Lan-des und hat dementsprechend Sorge zu tragen. Die Folge war, dass in Zissersdorf, Gem. Hauslei-ten, 2012 Teile eines großen Depots angemietet werden mussten, um die anfallenden Fundmen-gen in den Griff zu bekommen. Eine längerfristi-ge Lösung der Depotfrage konnte bislang noch nicht gefunden werden.

Forschungsprojekt Krems/Wacht-berg – eine Herausforderung für

Politik und Forschung

Internationale Forschungsprojekte sind in der Landesarchäologie an der Tagesordnung, aber nicht immer weckte ein Projekt derartig hoch-karätiges Interesse wie das „Wachtbergprojekt“ von Christine Neugebauer-Maresch.Dass das Gebiet der Stadt Krems schon seit jeher ein begehrter Platz zum Leben und Wohnen ist, wurde spätestens seit den sensationellen Aus-grabungsergebnissen der Prähistorischen Kom-mission (heute OREA – Institut für Orientalische und Europäische Archäologie, Abteilung Europa) der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften, die seit mehr als einem Jahrzehnt im Raum Krems forscht, klar: Der meterhohe Löss am Südhang über dem Pulverturm, dem so-genannten Wachtberg, barg nicht nur reichliche Besiedlungsspuren aus der letzten Eiszeit, son-dern gab zum besonderen Erstaunen aller die ältesten Gräber, die je in Österreich gefunden wurden, frei. Als „Zwillinge von Krems“ kamen die um ihre Geburt verstorbenen und liebevoll unter dem Schulterblatt eines Mammuts begra-benen Babys weltweit in die Presse und machten die Fundstelle international bekannt. Durch die neuesten Forschungen zeigen sich auch An-zeichen dafür, dass es sich nicht nur um ein saisonal aufgesuchtes Lager handelt, sondern dass hier Menschen – zum ersten Mal in der Geschichte von Krems – auch längere Zeit ver-weilten, somit die ersten Ansätze einer Sess-haftigkeit zeigten. Zu den reichen Funden zählen die verschiedensten Werkzeuge aus Stein und Knochen, Geschossspitzen, Schmuckstücke aus gelochten Zähnen von Wölfen oder Eisfüchsen, Elfenbeinnadeln oder das Bruchstück einer klei-nen tönernen Tierfigur.Die Fortsetzung des Projektes war im Jahr 2008 jedoch akut gefährdet. Das Archäologenteam der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften um Christine Neugebauer-Maresch hatte als letztmöglichen Schritt einen Hilferuf an die Öffentlichkeit gerichtet, da die Fundstel-

le durch Hausbauten zwar nicht zerstört, aber weiteren Grabungen völlig entzogen worden wäre. Seitens des Denkmalschutzes bestand keine Möglichkeit eines Eingreifens, die Fund-stelle wäre für immer versiegelt und für die Wissenschaft unzugänglich gemacht worden. Ein über die Presse kommunizierter „Offener Brief“ begleitet durch eine Liste namhafter Proponenten wurde an den Bundespräsidenten Heinz Fischer, an die Bundesministerin für Un-terricht, Kunst und Kultur Claudia Schmied, den Bundesminister für Wissenschaft und For-schung Johannes Hahn und an den Landes-hauptmann Erwin Pröll gerichtet. Von allen Angeschriebenen kamen kurz danach positive Stellungnahmen. Dank der spontanen Zusage des NÖ-Landeshauptmannes am 8. August 2008 beim „Venusfest“ in Willendorf konnten die Verhandlungen wieder aufgenommen, zu

Abb. 8: Krems: Durch eine Überkellerung der Fund-stelle am Wachtberg wurde die geplante Erforschung gesichert (Quelle: ÖAW, Institut für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA).

Abb. 9: Krems: Archäologische Arbeiten an der über-dachten Fundstelle (Quelle: ÖAW, Institut für Orien-talische und Europäische Archäologie).

58 Archäologie Österreichs 26/1, 2015

einem positiven Abschluss gebracht und die Grabungen am Wachtberg von Krems fortge-setzt werden. Die vielversprechende Fundzone wurde durch eine vom Land Niederösterreich finanzierte Unterkelle rung von 8 × 10 m gesi-chert4 (Abb. 8 und 9), sodass sowohl darüber der Hausbau durch die Grundeigentümer er-folgen konnte als auch in diesem Keller befristet auf sieben Jahre weitere Ausgrabungen durch-führbar waren. Das Land Niederösterreich wird Eigentümer der Funde, das wohl wichtigste paläolithische Forschungsprojekt konnte unter erheblichen finanziellen Mitteln durch die Spontanität des Landeshauptmannes realisiert werden. Die Stadt Krems hat sich in der Folge als Wissenschaftszentrum für die Paläolithfor-schung etablieren können.

Wie wird die prähistorische Archäologie durch die Politik wahrgenommen?

Da der Landeshauptmann von Niederösterreich gleichzeitig Kulturrefernt ist, ist man bestrebt, meist hochrangige Politiker zu den diversen Ausstellungseröffnungen zu schicken. Der Landes hauptmann eröffnet vorrangig die Groß-ausstellungen selbst, wie die Ausstellungen auf der Schallaburg oder die Landesausstellungen, die immer wieder auch archäologische Themen zum Inhalt haben. Dadurch werden Anliegen der archäologischen Forschung oft direkt an die höchsten Amtsträger herangetragen. Das war aber auch in der Vergangenheit so. Am 5. Juni 1970 war es Andreas Maurer, der das Urgeschich-temuseum und das Freilichtmuseum persönlich eröffnete. Andreas Maurer war auch später im-mer bei Sonderausstellungen aber auch privat als Besucher im Museum. Neben dem Landes-hauptmann fungierte oftmals Landesrat Leopold Grünzweig als Vertreter des Landes. Asparn hatte eben schon in den 1970er-Jahren eine Vorreiterrolle in der niederösterreichischen Museums landschaft inne.Landeshauptmann Siegfried Ludwig eröffnete am 6. September 1989 das Museum für Früh-geschichte in Traismauer, ebenso eröffnete er immer wieder gerne Sonderausstellungen in Traismauer und Asparn, wie z. B. 1982 die Aus-stellung „Fenster zur Urzeit“ in Asparn an der Zaya. In den 1990er-Jahren, aber auch im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends kamen im-mer hochkarätige Vertreter des Landes zu den Ausstellungseröffnungen. Waren es in den 1990er-Jahren die Landesräte Liese Prokop und

4 s. dazu auch Neugebauer-Maresch et al. 2012.

Edmund Freibauer oder der Landtagsabgeord-nete Georg Stangl, so sind es bis in die Gegen-wart die Landesräte Wolfgang Sobotka, Carlo Wilfing (Abb. 10) und Petra Bohuslav sowie die Abgeordneten Manfred Schulz und Kurt Hackl, die immer wieder als Vertreter des Landes in Erscheinung traten. Ihnen war und ist das Mu-seum, wohl auch als Besuchermagnet, ein be-sonderes Anliegen.Bis es soweit war, dass Landeshauptmann Erwin Pröll dem Museum seine Aufwartung machte, war der Weg steinig und auch lang. Immer wieder wurde das Ansinnen an den Landes-hauptmann herangetragen, es gab auch schon Zusagen, so etwa 2005 sollte Erwin Pröll die Sonderausstellung „Die Pfahlbauer“ eröffnen, im letzten Augenblick musste jedoch aus aktuellem Anlass abgesagt werden. Ein Landeshauptmann kann wahrscheinlich in den seltensten Fällen über seine Zeit frei verfügen.Bei der Eröffnung der Landesausstellung 2013 war es dann soweit, Erwin Pröll besuchte das erste Mal das Schloss Asparn und das archäo-logische Freigelände, 2014 ließ es sich der Landeshaupt mann nicht nehmen, auch das neue MAMUZ in Asparn und Mistelbach persönlich zu eröffnen (Abb. 11).Die „Events“ im MAMUZ Schloss Asparn werden sehr gerne auch von Politikern besucht. Es kam auch vor, dass Landespolitiker wie Edmund Freibauer, Carlo Wilfing oder Wolfgang Sobotka privat mit den Familien das Kelten- oder Hunnen-fest besuchten.Die Anwesenheit hochrangiger Vertreter des Landes spiegelt auch die ungebrochene Wertig-

Abb. 10: Asparn/Zaya: Spatenstich zum Bau des neuen Langhauses, von links nach rechts: Museumsleiter Ernst Lauermann, Bgm. Gertrude Riegelhofer, Bezirkshauptmann Gerhard Schütt, Abgeordneter Manfred Schulz, davor Geschäftsführer Matthias Pacher, Experimentalarchäologe Wolfgang Lobis-ser, Landesrat Carlo Wilfing, Bgm. Johann Panzer und Abgeordneter Kurt Hackl (Quelle: MAMUZ).

Archäologie Österreichs 26/1, 2015 59

keit des Museums und des angeschlossenen Freilichtgeländes sowie dessen Stellung in der Öffentlichkeit wider.

Zusammenfassung

Wenn man nun die oben angeführten „ur-geschichtlichen“ Großprojekte des Landes betrachtet, so muss man klar feststellen, dass die Urgeschichte und deren Umsetzung in Nieder österreich von Seiten der Politik seit den 1960er-Jahren maßgeblich unterstützt und getragen wird, wie in keinem anderen Bundesland Österreichs. Die Landeshauptleute Ökonomierat Andreas Maurer, Mag. Siegfried Ludwig und Dr. Erwin Pröll haben die Wichtig-keit des archäo logischen Erbes Niederöster-reichs erkannt und unterstützten bzw. unter-stützen nach Möglichkeit die anstehenden Projekte. Niederösterreich kann daher als Vorzeigebundesland Österreichs, was Archäo-logie betrifft, angesprochen werden. Als wirk-lich große Würfe in der Urgeschichts forschung der letzten Jahre müssen der Ankauf und Aus-bau des MAMUZ in Asparn an der Zaya und Mistelbach, die Errichtung eines archäologi-schen Zentraldepots in Hainburg, die Schaffung eines musealen Sammlungszentrums an der Donauuniversität Krems und die Fortführung der Grabungen am Wachtberg in Krems an-

gesehen werden. Im fundreichsten Bundesland Österreichs hat dank des Weitblicks der Politik die Archäologie auch in Zukunft noch eine berechtigte Chance, den wachsenden Aufgaben in der modernen Gesellschaft gerecht zu wer-den.

Literatur

F. Hampl 1972: Das Museum für Urgeschichte des Landes Niederösterreich mit urgeschichtlichem Freilichtmuseum in Asparn an der Zaya. Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge 46, 2. Auflage, Wien 1972.F. Hampl 1975: Neuerungen und Experimente im Aspar-ner Urgeschichtemuseum. Kulturberichte, Monatsschrift für Wissenschaft und Kultur aus Niederösterreich, August 1975, 1–2.F. Hampl & H. J. Windl 1992: Das Museum für Urgeschich-te des Landes Niederösterreich mit urgeschichtlichem Freilichtmuseum in Asparn an der Zaya. Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge 46, 5. und veränderte Auf-lage, Wien 1992.A. Krenn­Leeb, W. F. A. Lobisser & M. Mehofer 2011: Experimentelle Archäologie an der Universität Wien. Theorie – Praxis – Vermittlung – Wissenschaft. Experimen-telle Archäologie in Europa – Bilanz 2011, Heft 10, 2011, 17–33.E. Lauermann 2009: … Jahrtausenden auf der Spur. Ein Begleitbuch zur Landessammlung im Niederösterreichi-schen Museum für Urgeschichte in Asparn an der Zaya. Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge 480, Asparn 2009.E. Lauermann & M. W. Pacher 2013: Das archäologische Freigelände im Museum für Urgeschichte in Asparn/Zaya und seine Entwicklung. Archäologie Österreichs 24/2, 2013, 2–21.E. Lauermann, E. Lenneis, W. Lobisser, M. Pacher & P. Trebsche 2013: Das „jungsteinzeitliche“ Langhaus in Asparn an der Zaya. Urgeschichte zwischen Befund und Experiment. Archäologische Forschungen in Niederöster-reich 11, St. Pölten 2013.W. F. A. Lobisser 2013: Der Nachbau des Langhausmodells – nach einem linearbandkeramischen Befund aus Schwe-chat. In: Lauermann et al. 2013, 146–167.Ch. Neugebauer­Maresch, Th. Einwögerer, U. Simon & M. Händel 2012: Der „Grabungskeller“ vom Wachtberg in Krems. Ein Unikat für die Forschung. Archäologie Öster-reichs 23/1, 2012, 2–7.M. W. Pacher 2013: Das archäologische Freigelände des Urgeschichtemuseums als Träger moderner Wissensver-mittlung mit kulturtouristischer Relevanz. In: Lauermann et al. 2013, 186–196.H. J. Windl 1990: Museum für Frühgeschichte Traismauer. Außenstelle des Niederösterreichischen Landesmuseums, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge 225, Wien 1990.

Abb. 11: Asparn/Zaya: Eröffnung MAMUZ 2014. Ernst Lauermann führt Landeshauptmann Erwin Pröll, Bühnenbildner Christof Cremer und Abgeordneten Manfred Schulz durch die neue Dauerausstellung (Quelle: Andreas Leisser).

64 Archäologie Österreichs 26/1, 2015

Anke Bacher, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien, Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien, E-Mail: [email protected]

Dr. Monika Faber, Photoinstitut Bonartes, Seilerstätte 22, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected]

Robert Fürhacker, Österreichisches Dokumentationsarchiv Restaurierung und Archäologie,und Archäologie, Schloss Hanfelden, Unterzeiring 5, A-8762 Oberzeiring, E-Mail: [email protected]

Mag. Dr. Karina Grömer, Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected]

Mag. Dr. Christoph Gutjahr, St:WUK-Kulturpark Hengist, Hauptplatz 61, A-8410 Wildon, E-Mail: [email protected]

Mag. Dr. Renate Jernej, Verein HistArc, Karawankenblickstraße 271, A-9020 Klagenfurt am Wörthersee, E-Mail: [email protected]

Dr. Anton Kern, Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected]

Dr. Daniela Kern, Karolinengasse 18/15, A-1040 Wien, E-Mail: [email protected]

Mag. Kerstin Kowarik, Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected]

Dr. Ernst Lauermann, Amt der NÖ Landesregierung, Abt. Kunst und Kultur, Landessammlungen Niederösterreich, Ur- und Frühgeschichte, Mittelalterarchäologie, MAMUZ Schloss Asparn/Zaya, Schlossgasse 1, A-2151 Asparn an der Zaya, E-Mail: [email protected]

Mag. Carmen Löw, talk about science – Agentur für Wissenschaftskommunikation, Lorenz-Stein-Straße 8, A-1140 Wien, E-Mail: [email protected]

Mag. Daniel Modl, Universalmuseum Joanneum, Archäologie & Münzkabinett, Schloss Eggenberg, Eggenberger Allee 90, A-8020 Graz, E-Mail: [email protected]

Mag. Martin Obenaus, SILVA NORTICA Archäologische Dienstleistungen OG, Schimmelsprunggasse 51, A-3571 Thunau am Kamp, E-Mail: [email protected]

Oliver Pfeiler, studio exhibit OG, Wurzingergasse 8/5, A-1180 Wien, E-Mail: [email protected]

Gertrud Pollak, MA, Verein HistArc, Karawankenblickstraße 271, A-9020 Klagenfurt am Wörthersee, E-Mail: [email protected]

Andreas W. Rausch, ANWORA, Neulerchenfelder Straße 2/1/35, A-1160 Wien, E-Mail: [email protected]

Mag. Hans Reschreiter, Prähistorische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, E-Mail: [email protected]

Mag. Dr. Eva Steigberger, Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Steiermark, Schubertstraße 73, A-8010 Graz, E-Mail: [email protected]

ao. Univ.-Prof. Dr. Erik Szameit, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien, Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien, E-Mail: [email protected]

Dipl.-Ing. Dr. Gabriel Wurzer, IEMAR, Institut für Architekturwissenschaften, Technische Universität Wien, Treitlstraße 3, A-1040 Wien, E-Mail: [email protected]

Dr. M. Christina Zingerle, studio exhibit OG, Wurzingergasse 8/5, A-1180 Wien, E-Mail: [email protected] und Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien, Franz-Klein-Gasse 1, A-1190 Wien, E-Mail: [email protected]

AutorInnen dieser Ausgabe AU

TO

REN

VER

ZEIC

HN

IS