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MONUMENTA TIBETICA HISTORICA Abteilung III · Band 8 Karl-Heinz Everding Herrscherurkunden aus der Zeit des mongolischen Grossreiches für tibetische Adelshäuser, Geistliche und Klöster Teil 1: Diplomata Mongolica Mittelmongolische Urkunden in 'Phags pa-Schrift Edition, Übersetzung, Analyse 2006 IITBS GmbH International Institute for Tibetan and Buddhist Studies

Herrscherurkunden 1. Diplomata Mongolica. - Herrscherurkunden aus der Zeit des mong. Großreiches für tib. Adelshäuser, Geistliche & Klöster. Mittelmongolische Urkunden in ‘Phags

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MONUMENTA TIBETICA HISTORICA Abteilung III · Band 8

Karl-Heinz Everding

Herrscherurkunden aus der Zeit des mongolischen Grossreiches für tibetische

Adelshäuser, Geistliche und Klöster

Teil 1: Diplomata Mongolica

Mittelmongolische Urkunden in 'Phags pa-Schrift

Edition, Übersetzung, Analyse

2006 IITBS GmbH

International Institute for Tibetan and Buddhist Studies

MONUMENTA TIBETICA HISTORICA Abteilung III · Band 8

MONUMENTA TIBETICA HISTORICA

HERAUSGEGEBEN

von

D. SCHUH, L. PETECH, R. A. STEIN†, G. URAY†, WANG YAO, R. O. MEISEZAHL†, H. R. KÄMPFE

Abteilung III: DIPLOMATA ET EPISTOLAE

Herausgegeben von Dieter Schuh

Band 8

Karl-Heinz Everding

Herrscherurkunden aus der Zeit des mongolischen Grossreiches für tibetische

Adelshäuser, Geistliche und Klöster

Teil 1: Diplomata Mongolica

Mittelmongolische Urkunden in 'Phags pa-Schrift

Edition, Übersetzung, Analyse

2006 IITBS GmbH

International Institute for Tibetan and Buddhist Studies

Das Signet zeigt das Siegel, das allen kaiserlichen Diplomen in der Yuan-Zeit eigen war. Die Siegelaufschrift liest Yu lan zhi bao, "Siegel der Begutachtung durch den Kaiser"

ISBN 3-88280-074-7 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus fotomechanisch oder auf andere Weise zu vervielfältigen. © (IITBS) International Institute for Tibetan and Buddhist Studies GmbH, Halle (Saale)

Inhaltsverzeichnis Sigla und Abkürzungen .................................................................................................................vii Vorwort .........................................................................................................................................xiii EINFÜHRUNG Die Urkunden und ihre Klassifizierung.........................................................................................3 Zur Bearbeitung der Urkunden......................................................................................................7 Zu den reproduzierten -schriftlichen Urkunden und ihren Faksimiles ..........................11 'phags paDie s pa-Schrift....................................................................................................................17 'PhagDas 'Phags pa-Alphabet ...............................................................................................................19 MITTELMONGOLISCHE URKUNDEN IN 'P -SCHRIFT HAGS PAZu den Urkunden des vorliegenden Teiles....................................................................................23 Zur Edition der Urkunden .............................................................................................................25 ABTEILUNG I: KAISERLICHE DIPLOME DOKUMENT I: Die Steuerprivileg des Großqans Qubilai Qan für den mahasiddha

lHa rje Seṅ ge dpal von La stod lHo [1289].....................................................27 DOKUMENT II: Das Steuerprivileg des Großqans Yesün Temür für das Kloster Ri

bo che in mDo khams [1324]...........................................................................43 DOKUMENT III: Das Steuerprivileg des Großqans Yesün Temür für das Kloster bKra

śis gdan in mDo khams [1324] ........................................................................53 DOKUMENT IV: Das Diplom eines mongolischen Großqans zur Ernennung des 'Od

zer rgyal mtshan zum Zehntausendschaftsgoverneur in Osttibet [1316 (?)] .........................................................................................................61

DOKUMENT V: Die Besitzurkunde des Großqans Toγon Temür für die Mönche Kun dga' chos skyoṅ (?) und dKon mchog bzaṅ po aus gTsaṅ [1345] ...................69

DOKUMENT VI: Das Diplom des Großqans Toγon Temür zur Ernennung des Yon tan rgyal mtshan zum des sPo 'bor [1362]...................81 Zhaotaoshi Zhaotaosi

DOKUMENT VII: Das Privileg des Großqans Toγon Temür für den Źa lu sku źaṅ Ye śes kun dga' [1368]..........................................................................................91

DOKUMENT VIII: Die nur fragmentarisch überlieferte Besitzurkunde eines unbekannten mongolischen Großqans für tibetische Tantriker.............................................95

ABTEILUNG II: URKUNDEN VON KAISERWITWEN DOKUMENT IX: Die Konfirmationsurkunde der Witwe des Buyantu Qaγan für den

Źa lu sku źaṅ Grags pa rgyal mtshan [1320] ...................................................99 ABTEILUNG V: URKUNDEN MONGOLISCHER PRINZEN DOKUMENT X: Das Konfirmationsurkunde des Prinzen Haishan für den 3. Źa lu sku

źaṅ rDo rje dbaṅ phyug und den 4. sKu źaṅ Grags pa rgyal mtshan zur Gewährung von Steuerbefreiung in Gegenleistung für die Abhaltung ritueller Begehungen [1305] ..........................................................109

INHALTSVERZEICHNIS vi

ABTEILUNG X: AMTSPLAKETTEN DOKUMENT XI: Die im Kloster Tashilhünpo aufbewahrte Amtsplakette (bKras lhun

gSer yig)........................................................................................................... 119 WORT- UND NAMENVERZEICHNIS ZU DEN URKUNDEN ....................................................... 125 BIBLIOGRAPHIE Quellenverzeichnis........................................................................................................................ 139 Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... 141 INDIZES Verzeichnis der Ortsnamen........................................................................................................... 145 Verzeichnis der Personennamen ................................................................................................... 148 Verzeichnis der Werktitel und Urkundenbezeichnungen ............................................................. 151 Index der chinesischen Namen und Begriffe ................................................................................ 152 Allgemeiner Index ........................................................................................................................ 152

Sigla und Abkürzungen Angesichts des inzwischen sehr umfangreichen Bestandes an Urkunden aus der Zeit des mongolischen Großreiches, die sich an tibetische Empfänger richten, stellt sich im Zusammenhang der geplanten Diplomata-Bände unweigerlich die Frage nach der Entwicklung eines Systems von Sigla, das auch dem mit der Materie noch unerfahrenen Benutzer einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu der Fülle an Urkunden ermöglicht. In den vorliegenden Untersuchungen war es zumeist Usus, die Sigla entsprechend den jeweiligen Urkundensammlungen zu gestalten. Damit ließen sich zum einen Sammlungen wie die von Giuseppe Tucci veröffentlichten Dokumente für das Kloster Źa lu entsprechend ihrem Empfänger klassifizieren und zum andern Urkunden-sammlungen entsprechend ihrem Veröffentlichungs- oder Aufbewahrungsort — z.B. POPPE, LIGETI oder YUAN DOCUMENT ARCHIVES — relativ einfach zuordnen. Abschriften, die in Chroniken überliefert sind, wurden bislang vorwiegend durch Sigla vertreten, die auf der Grundlage des jeweiligen Kurztitels der betreffenden Quelle gebildet wurden. Über die Dokumente selbst wird mit diesen Sigla allerdings nur relativ wenig ausgesagt. Sind derartige Sigla bei einem überschaubaren Umfang an Dokumenten noch effektiv zu benutzen, empfiehlt sich im Zusammenhang einer umfassenderen Analyse der mehr als 50 Dokumente der Yuan-Periode allerdings eher die Benutzung von Sigla, die, wie die europäische Diplomatik es vorgemacht hat, sich am Urkundentypus und Urheber der Dokumente orientieren. Den Erfordernissen der Untersuchung entsprechend werden hier deshalb vorrangig Sigla verwendet, die dem Leser ohne ständiges Nachschlagen eine schnelle Entschlüsselung der Sigla ermöglichen und vier bedeutende Angaben über die Urkunden kenntlich machen: 1. den Urkundentypus, 2. die Urkundensprache, 3. den Titel und den Namen des Urhebers sowie 4. das Jahr der Ausfertigung. Ad 1 + 2) Der erste Buchstabe der jeweiligen Sigla umschreibt einen der drei Urkundentypen, denen die vorliegenden Urkunden zuzuordnen sind: steht für MM ǰarliq und bezeichnet "kaiserliche Diplome" in 'Phags pa-Schrift und

mittelmongolischer Sprache. J vertritt T 'ja' sa oder 'jva' sa, und bezeichnet "kaiserliche Diplome" in tibetischer

Schrift und Sprache. II bezeichnet "Urkunden der Kaiserwitwe" (MM ·iǰi, CH yizhi) in 'Phags pa-Schrift

und mittelmongolischer Sprache. EJI steht für "Urkunden der Kaiserwitwe" (T e ji, MM ·iǰi, CH yizhi) in tibetischer

Schrift und Sprache. B bezeichnet "Rechtsbriefe" (MM bič'ig; UM bičig), die von mongolischen Prinzen,

"Kaiserlichen Lehrern" (CH Dishi) oder anderen nachrangigen Verwaltungsebenen in mittelmongolischer Sprache ausgefertigt wurden.

Y bezeichnet ebenfalls die "Rechtsbriefe" (T yi ge) mongolischer Prinzen, "Kaiserlicher Lehrer" oder anderer nachrangiger Verwaltungsebenen und entspricht somit B, bezieht sich jedoch ausschließlich auf Dokumente in tibetischer Schrift und Sprache.

SIGLA UND ABKÜRZUNGEN viii

Ad 3) Der Urkundenbezeichnung folgt unmittelbar die Abkürzung für den betreffenden Urheber oder Aussteller der Urkunde. Die mongolischen Großqane werden durch die Anfangsbuchstaben ihrer mongolischen Namen vertreten, denen in der hier gewählten Form häufig bereits ihr Herrschertitel eigen ist. Wie auch bei allen anderen Urhebern werden dabei für die betreffenden Buchstaben keine Diakritika verwendet. Urkunden mongolischer Prinzen werden durch die Anfangsbuchstaben der jeweiligen mongo-lischen, tibetischen oder chinesischen Namen der Prinzen bezeichnet. Die Urkunden der Dishi und Guoshi werden durch ein Dś bzw. ein Gś und die maßgeblichen Basis-buchstaben ihres tibetischen Namens gekennzeichnet. Die übrigen yi ge werden lediglich durch eine adäquate Abkürzung der jeweiligen Amtsbezeichnung oder des Namens des Urhebers bezeichnet. Eine Ausnahme bilden hier die II bzw. EJI. Da ihre Anzahl relativ gering ist und der Name der betreffenden Kaiserwitwe z. T. nicht mit Sicherheit zu eruieren ist, wird der Name der jeweiligen Kaiserwitwe nicht in das Siglum integriert. Welche Abkürzungen für welche Herrscher und Amtsträger benutzt werden, ergibt sich aus der Liste der Sigla. Ad 4) Als letztes Element der Sigla wird die jeweilige Jahresbezeichnung genannt. Sind für das betreffende Jahr mehrere Urkunden des gleichen Urhebers bekannt, wird der Jahresbezeichnung zusätzlich eine I, II oder III angefügt, wobei das früheste bekannte Dokument jeweils die Nr. I erhält. Da es sich darüber hinaus manchmal einfach als praktisch erweist, die Urkunden entsprechend einer bestimmten Urkundensammlung, entsprechend einem bestimmten Archiv — z.B. MUS, YDA, TUCCI — oder einer fest etablierten Bezeichnung — z.B. 'Ja' sa Mu tig ma — zu bezeichnen, habe ich darüber hinaus zum Teil auch die bekannten Urkundenbezeichnungen beibehalten oder des einfacheren Verständnisses halber meinen Sigla zusätzlich in Klammern unmittelbar nachgestellt. Schließlich beziehe ich mich auf die hier vorgelegte Bearbeitung der Dokumente unter dem Siglum DOKUMENT plus der jeweiligen Bearbeitungsnummer. bKras lhun gSer yig Die im Kloster bKra śis lhun po aufbewahrte Amtsplakette (CH paizi) (=

YDA VII; DOKUMENT XI)

BHH 1305 Haishan, Prinz von Huaining (1281-1311): Dem 3. Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug und dem 4. sKu źaṅ Grags pa rgyal mtshan verliehene Konfirmation der Steuerbefreiung in Gegenleistung für die Abhaltung ritueller Begehungen (= PELLIOT; DOKUMENT X)

CH Chinesisch

CHAVANNES Die von Edouard Chavannes edierten Inschriften in der ebenda benutzten Nummerierung

DOKUMENT I - XI Die Urkunden des vorliegenden Bandes in der vorliegenden Reihenfolge

ENGL Englisch

FRANKE Die von Herbert Franke bearbeitete Urkunde des Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Verleihung der Besitzrechte an das buddhistische Kloster Zhebisi im Distrikt Taiyuan (siehe Franke 1969)

II 1320 Kaiserwitwe des Buyantu Qan (Großqan 1311-1320): Dem 4. Źa lu sku źaṅ Grags pa rgyal mtshan verliehene Konfirmation über den Besitz bestimmter Güter in Gegenleistung für die Abhaltung des Ma gcig gi dus mchod (= YDA XIII; DOKUMENT IX)

(?) Die nur fragmentarisch überlieferte Besitzurkunde eines unbekannten mongolischen Großqans für tibetische Tantriker (= DOKUMENT VIII)

SIGLA UND ABKÜRZUNGEN ix

'JA' SA BOD YIG MA Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Schutzerlass für die Klöster und die Geistlichkeit von gTsaṅ (= JQQ 1254)

'JA' SA MU TIG MA Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Dem 'Phags pa bla ma zugesprochene Weisungsbefugnis über die buddhistische Geistlichkeit und die Privilegierung der Mönche (= QQ 1264)

BQ 1316 (?) Vermutlich Buyantu Qan (1311-1320): Dem 'Od zer rgyal mtshan zuge-sprochene Ernennung zum Zehntausendschaftsgoverneur in Osttibet (= YDA IV; DOKUMENT IV)

QQ 1289/I Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Dem lHa rje Seṅ ge dpal zuge-sprochene Verleihung der Besitzrechte an den ihm eigenen Klöstern und Besitzungen (= YDA I; DOKUMENT I)

QQ 1289/II Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Verleihung der Besitzrechte an das buddhistische Kloster Zhebisi im Distrikt Taiyuan (= FRANKE)

YT 1324/I Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Den Mönchen des Klosters mDo khams Ri bo che zugesprochenes Steuerprivileg (= YDA II; DOKUMENT II)

YT 1324/II Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Dem Kloster mDo khams bKra śis gdan verliehenes Steuerprivileg (= YDA III; DOKUMENT III)

JTT 1355 Toγon Temür (Großqan 1333-1368): An den Bu ston Rin chen grub (1290-1364) ergangene kaiserliche Verfügung, den dharma zu lehren sowie den Ratgebern Sa skya's und anderen Oberhäuptern seinen Rat zu erteilen (TUCCI IX)

TT 1345 Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Den Mönchen Kun dga' chos skyoṅ (?) und dKon cog bzaṅ po verliehene Übertragung der Besitzrechte an ihrem Kloster und seinen Besitzungen im südwestlichen gTsaṅ (= YDA V; DOKUMENT V)

TT 1362 Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Dem Yon tan rgyal mtshan verlie-hene Ernennung zum Zhaotaoshi des sPo 'bor-Zhaotaosi (= YDA VI; DOKUMENT VI)

LIGETI Die von Louis Ligeti (1972) edierten Urkunden und Inschriften samt den ebenda benutzten Sigla

MM Mittelmongolisch

MUS Die im gÑags ston pa'i gduṅ rabs veröffentlichten Urkunden über die Rechtsverhältnisse im Raum der Tausendschaft Mus (DOKUMENT XII-XXV)

PELLIOT Haishan, Prinz von Huaining (1281-1311): Dem 3. Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug und dem 4. sKu źaṅ Grags pa rgyal mtshan verliehene Konfirmation der Steuerbefreiung in Gegenleistung für die Abhaltung ritueller Begehungen (= BHH 1305; DOKUMENT X)

POPPE I - XIII Die von Nicholas Poppe (1957) edierten Urkunden und Inschriften

SKT Sanskrit

T Tibetisch

TOH Die in dem Band Testimony of History herausgegebenen Dokumente

TUCCI Die von Giuseppe Tucci in den Tibetan Painted Scrolls veröffentlichte Urkundensammlung Źa lu-Documents

SIGLA UND ABKÜRZUNGEN x

TUCCI I Ti śri Ye śes rin chen (Dishi 1286-1291): Aufforderung an die Untertanen des Źa lu khri skor, dem Źa lu ba mGon po dpal zu dienen (= YTŚYR 1290)

TUCCI II Ti śri Grags pa 'od zer (Dishi 1291-1303): Dem Źa lu sku źaṅ mGon po dpal zugesprochene Konfirmation seiner Ernennung zum Oberhaupt über den Źa lu khri skor (= YTŚGO 1295)

TUCCI VII Ti śri Kun dga' blo gros rgyal mtshan dpal bzaṅ po (Dishi 1314-1327): Im Zusammenhang mit der dem Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug zuge-sprochenen Konfirmation seiner Ernennung zum Zehntausendschaftsgover-neur ergangene Aufforderung an die dem Źa lu Nub pa unterstehenden Untertanen zur Pflichterfüllung (= YTŚKBG 1325)

TUCCI IX Toγon Temür (Großqan 1333-1368): An den Bu ston Rin chen grub (1290-1364) ergangene kaiserliche Verfügung, den dharma zu lehren sowie den Ratgebern Sa skya's und anderen Oberhäuptern seinen Rat zu erteilen (JTT 1355)

UM Uiguro-Mongolisch

YDA Die Urkundensammlung Yuan Document Archives, die in dem Sammelband A Collection of Historical Archives from Tibet in Faksimile herausgegeben wurde

YDA I Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Dem lHa rje Seṅ ge dpal zugesprochene Verleihung der Besitzrechte an den ihm eigenen Klöstern und Besitzungen (= QQ 1289; DOKUMENT I)

YDA II Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Den Mönchen des Klosters mDo khams Ri bo che zugesprochenes Steuerprivileg (= YT 1324/II; DOKUMENT II)

YDA III Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Dem Kloster mDo khams bKra śis gdan verliehenes Steuerprivileg (= YT 1324/II; DOKUMENT III)

YDA IV Nicht genau identifizierbarer Großqan: Dem 'Od zer rgyal mtshan zugesprochene Ernennung zum Zehntausendschaftsgoverneur in Osttibet (= BQ 1316 (?); DOKUMENT IV)

YDA V Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Den Mönche Kun dga' chos skyoṅ (?) und dKon cog bzaṅ po verliehene Übertragung der Besitzrechte an ihrem Kloster und seinen Besitzungen im südwestlichen gTsaṅ (= TT 1345; DOKUMENT V)

YDA VI Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Dem Yon tan rgyal mtshan verliehene Ernennung zum Zhaotaoshi des sPo 'bor-Zhaotaosi (= TT 1362; DOKUMENT

VI)

YDA VII Die im Kloster Tashilhünpo aufbewahrte Amtsplakette (bKras lhun gSer yig)

YDA VIII Ti śri ['Jam dbyaṅs] rin chen rgyal mtshan (Dishi 1304-1305): Den Mönchen 'Khon ston und Rin chen dpal bzaṅ po übertragene Verleihung der Besitzrechte an ihren Klostergütern in E (= YTŚJRG 1304)

YDA IX angeblich Ti śri Saṅs rgyas dpal (1305-1314): Den Źa lu ba zugesprochene Steuerbefreiung für das Sa skya Rin chen sgaṅ pa unterstehende Gut Gur chuṅ sowie für die Landgüter, die für das Ma gcig pa'i dus mchod eingerichtet wurden (= YTŚSGP 1308)

YDA XIII Kaiserwitwe des Buyantu Qan (Großqan 1311-1320): Dem 4. Źa lu sku źaṅ Grags pa rgyal mtshan verliehene Konfirmation über den Besitz bestimmter Güter in Gegenleistung für die Abhaltung des Ma gcig gi dus mchod (= II

1320; DOKUMENT IX)

SIGLA UND ABKÜRZUNGEN xi

YDA XIV Haishan, Prinz von Huaining (1281-1311): Dem 3. Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug und dem 4. sKu źaṅ Grags pa rgyal mtshan verliehene Konfir-mation der Steuerbefreiung in Gegenleistung für die Abhaltung ritueller Begehungen (= PELLIOT und BHH 1305; DOKUMENT X)

YGŚPHP 1267 Gu śri 'Phags pa bla ma (1235-1280, Guoshi 1360-1370): Besitzurkunde für das Kloster Chos sdiṅ in der Region sKyid groṅ

YTŚGO 1295 Ti śri Grags pa 'od zer (Dishi 1291-1303): Dem Źa lu sku źaṅ mGon po dpal zugesprochene Konfirmation seiner Ernennung zum Oberhaupt über den Źa lu khri skor (= TUCCI II)

YTŚJRG 1304 Ti śri ['Jam dbyaṅs] rin chen rgyal mtshan (Dishi 1304-1305): Den Mönchen 'Khon ston und Rin chen dpal bzaṅ po übertragene Verleihung der Besitzrechte an ihren Klostergütern in E (= YDA VIII)

YTŚSGP 1308 angeblich Ti śri Saṅs rgyas dpal (1305-1314): Den Źa lu ba zugesprochene Steuerbefreiung für das Sa skya Rin chen sgaṅ pa unterstehende Gut Gur chuṅ sowie für die Landgüter, die für das Ma gcig pa'i dus mchod eingerichtet wurden (= YDA IX)

Vorwort In Ergänzung zu den Arbeiten, in denen ich mich vorwiegend anhand erzählender Quellen mit ausgewählten tibetischen Herrschaftsbildungen in der Zeit des mongo-lischen Großeiches befasst habe, stellt die vorliegende Untersuchung den Versuch dar, auch die für den tibetischen Kulturraum erhaltenen urkundlichen Materialien dieser Periode einer systematische Bearbeitung zu unterziehen. Das Ziel dieser Untersuchungen ist es, zum einen das neu zugänglich gewordene Urkundenmaterial zu erschließen, zum andern auch die bekannten, bereits mehr oder weniger ausführlich bearbeiteten Urkunden in die Untersuchung zu integrieren. Werden die verstreut liegenden Materialien damit durch ihre Präsentation in einem Gesamtwerk leichter zugänglich gemacht, wird hoffentlich auch den philologischen, diplomatischen und rechtlichen Fragestellungen neuer Boden abgewonnen werden können. In ihren Grundzügen nahm die vorliegende Untersuchung bereits Ende der Neunziger Jahre mit der Bearbeitung der Urkunden der tibetischen Tausendschaft Mus ihren Anfang. Die Eingliederung der bereits bekannten und neu zugänglich gewordenen Urkunden — nicht zuletzt die der vorliegenden mittelmongolischen — führte dann zu mannigfachen neuen Fragestellungen und einer mehrfachen Erweiterung des For-schungsansatzes. Nahezu zehn Jahre — und damit weitaus mehr als ursprünglich veranschlagt — begleiten mich damit nun die mehrfach überarbeitete formale Konzeption der Bearbeitung der Dokumente und die ständige Verfeinerung und Überarbeitung der Analysen, Editionen und Übersetzungen. Möglich wurde der Abschluss des ersten Teils der Arbeiten nun nicht zuletzt durch die Unterstützung, die mir von vielen Seiten zuteil wurde. Mein besonderer Dank gilt in diesem Zusammen-hang Herrn Prof. Dr. Dieter Schuh, der von Beginn der Arbeiten an ein reges Interesse an den Untersuchungen zeigte und mir besonders in Fragen der Diplomatik immer beratend zur Seite stand. Gerade seiner Hilfestellung hat diese Arbeit viel zu verdanken. Herrn Prof. Dr. Michael Weiers danke ich für eine ausgiebige Diskussion von DOKUMENT VII, das sich in Teilen allerdings immer noch als zu hartnäckig erwies, als dass ich es für sinnvoll gehalten hätte, es schon hier in Übersetzung und Edition vorzulegen. Herrn Prof. Dalantai Tserensodnom, Institute of Language and Literature, Academy of Science, Ulanbator, Mongolei, gilt mein Dank für seine Hilfe bei der Identifizierung einiger Termini der in DOKUMENT IV und DOKUMENT VI bearbeiteten Urkunden. Frau Prof. Wang Ping, East China Normal University, Shanghai, bin ich für die Transkription und Übersetzung des Textes des Kaisersiegels und Frau Liu Dao, Studentin am Sinologischen Seminar der Universität Bonn, für Ihre Interpretation einiger Passagen der chinesischen Übersetzung der Dokumente IV, V und VI in den Yuan

ocument Archives zu Dank verpflichtet. D

EINFÜHRUNG

Die Urkunden und ihre Klassifizierung Unter den Quellen, die für die tibetische Geschichte des 13. und 14. Jahrhunderts über-liefert sind, galt den erhaltenen Rechtsquellen als den Überresten des geschichtlichen Prozesses seit jeher das besondere Interesse der Forschung. Die erste Bearbeitung einer tibetischsprachigen Urkunde samt chinesischer Übersetzung stammt von Sylvain Lévi und Edouard Chavannes. Es handelt sich um eine Steininschrift, die später nochmals von Wang Yao in einem chinesischsprachigen Aufsatz untersucht wurde. Giuseppe Tucci publizierte in den

1

Tibetan Painted Scrolls1a die von ihm mitgebrachten elf tibetischsprachigen "Źa lu-Dokumente" in Faksimile und übersetzte sie ins Englische. Paul Pelliot2 bearbeitete ebenda die erste für den tibetischen Raum bekannt gewordene mittelmongolische Urkunde in 'Phags pa-Schrift. Herbert Franke beschäftigte sich neben seinen grundlegenden, sorgsam ausgewählten Studien zur Yuan-Zeit3 auch mehrfach mit ausgewählten Dokumenten4 dieser Periode und Dieter Schuh5 widmete sich den von ihm selbst gesammelten Originalen sowie den in tibetischen Chroniken abschriftlich erhaltenen Dokumenten dieser Zeit, wobei er auch die diplomatischen Forschungsansätze systematisch in die tibetologische Geschichtsforschung einführte. War das urkundliche Quellenmaterial dieser Geschichtsperiode, soweit es Tibet betraf, damit zunächst einmal bearbeitet, erschienen im Laufe der Neunziger Jahre weitere bislang unbekannte Urkundensammlungen. Dabei handelt es sich zum einen um Abschriften, die durch die tibetische Chronik gÑags ston pa'i gduṅ rabs zugänglich wurden, zum andern um Originalurkunden, die in chinesischen Publikationen teils in abschriftlicher Form, teils in Faksimile reproduziert wurden. Beigegeben wurden den reproduzierten Originalurkunden zum überwiegenden Teil Übersetzungen ins Chinesische und Englische und den mittelmongolischen Urkunden zusätzlich eine moderne Übersetzung ins Tibetische. Wenn der Forschung damit auch ein Fundus von derzeit insgesamt 60 Herrscher-urkunden zur Verfügung steht, die in verschiedenen Veröffentlichungen erschienen sind

1 Eine aufgrund der schwierigen Lesbarkeit lückenhafte dBu-can-Abschrift samt Transliteration des

tibetischen Textes der Urkunde legte Sylvain Lévi vor (Chavannes 1908: Tafel 28 und 29). Edouard Chavannes übersetzte und kommentierte die vom Dayuan Guoshi dKon mchog rgyal mtshan ausgefertigte Urkunde anhand der chinesischen Übersetzung und legte einen klar lesbaren Neudruck des Chinesischen vor (Chavannes 1908: Nr. 50 [S. 418-421]). Wang Yao präsentierte eine umfassende Rekonstruktion des tibetischen Textes und befaßte sich mit den historischen Umständen der Ausfertigung des Dokumentes (Wang Yao 1981).

1a Tucci 1949: S. 670-673 und 747-755.

2 a.a.O.: S. 621-624.

3 Franke 1994.

4 Franke 1966; Franke 1990.

5 Schuh 1977; Schuh 1981: S. 341-348.

EINFÜRHUNG 4

sowie zu unterschiedlichen Zeiten, nach unterschiedlichen Maßgaben und mit unterschiedlichen Zielsetzungen zumindest ansatzweise bearbeitet wurden, wird es zunehmend schwieriger, einen Überblick über dieses Quellenmaterial und die Ergebnisse der Forschung zu bekommen. Darüber hinaus kommt man bei einer kritischen Betrachtung der bisherigen Arbeiten nicht umhin festzustellen, dass das Gros der Dokumente zum einen entweder noch gar nicht oder nicht entsprechend einem Standard bearbeitet wurde, der den Ansprüchen der Urkundenlehre entspricht, und dass zum andern die divergierenden Übersetzungen bestimmter Termini und Formulierungen die Frage nach der angemessenen Übersetzung oder Interpretation aufwerfen. Daher soll hier unter Einbeziehung diplomatischer Gesichtspunkte eine systematische Bearbeitung bzw. Neubearbeitung sämtlicher derzeit greifbarer Herrscherurkunden vorgelegt werden, die in der Zeit des mongolischen Großreiches für tibetische Adelshäuser, Geistliche und Klöster ausgefertigt wurden. Während wir bis zur Mitte der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts — einschließlich der fragmentarisch überlieferten Urkunden — gerade einmal 28 yuan-zeitliche Dokumente besaßen, sind in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Publikationen von chinesischer und tibetischer Seite immerhin 32 neue Urkunden zugänglich geworden. Erfreulich ist dabei, dass wir nunmehr auch über die Faksimiles von immerhin 30 Originalen verfügen und damit auch die für die Diplomatik so wichtige Erforschung der äußeren Merkmale mit weitaus größerer Genauigkeit durchgeführt werden kann, als das bislang der Fall war. Einschließlich der vom Byaṅ bdag ausgestellten Herrscherurkunde, die erst 1382 oder rund vierzehn Jahre nach dem Ende der Yuan-Dynastie ausgefertigt wurde,6 sollen in der vorliegenden Untersuchung damit in mehreren Bänden insgesamt 60, allesamt fast vollständig erhaltene Dokumente ediert und — soweit erforderlich — auch neu übersetzt sowie einer ausführlichen Analyse unterzogen werden. Klassifizieren lässt sich dieser Bestand an fast ausschließlich echten und unverfälscht überlieferten Dokumenten unter verschiedenen Gesichtspunkten. Ich habe mich entschlossen, ihn entsprechend den unterschiedlichen Urhebern in neun Abteilungen zu gliedern und eine zehnte Abteilung der Bearbeitung der Amtsplaketten vorzubehalten:

Abteilung I: Kaiserliche Diplome (MM , T ǰarliγAbteilung II: Urkunden von Kaiserwitwen (MM ·iǰi, T e ji),

'ja' sa),

Abteilung III: Urkunden der "Kaiserlichen Lehrer" (CH dishi, T ti ri), śAbteilung IV: Urkunden der "Reichslehrer" (CH shi, T go śri), guoAbteilung V: Urkunden der mongolischen Prinzen, Abteilung VI: Urkunden der Oberhäupter des Xuanweisi (MM sven ·uf shi, T svon vi

si), Abteilung VII: Urkunden aus den unterschiedlichen Kanzleien Sa skya's, Abteilung VIII: Urkunden aus den Kanzleien der tibetischen Zehntausendschafts-

governeure, Abteilung IX: Urkunden aus nicht eindeutig identifizierbaren Kanzleien der oberen

und mittleren Ebene der Reichsverwaltung,

6 "Herrscher des nördlichen [La stod]", d.i. der Titel des über die Zehntausendschaft La stod Byaṅ

herrschenden Fürsten. Diese Urkunde wird in die vorliegende Bearbeitung yuan-zeitlicher Doku-mente eingeschlossen, da sie das vierzehnte Dokument der Dokumentensammlung der tibetischen Tausendschaft Mus bildet und noch ganz in der Tradition des Yuan-Reiches steht. Bearbeitet wird sie unter den tibetischsprachigen Urkunden (siehe DOKUMENT XXV).

DIE URKUNDEN UND IHRE KLASSIFIZIERUNG 5

Abteilung X: Amtsplaketten (MM k’ere·e; UM gerege, T gser yig, dṅul yig; CH paizi).

Bezieht man auch die erhaltenen Sendschreiben und Verfügungen der Großqane und Kaiserwitwen, die in zumindest wesentlichen Teilen überlieferten, fragmentarisch erhaltenen Urkunden sowie die 1382 vom Byaṅ bdag ausgefertigte Herrscherurkunde mit ein, sind derzeit folgende Bestände für die verschiedenen Kanzleien greifbar: 19 Urkunden und Sendschreiben aus der Kanzlei der mongolischen Großqane, 3 Urkunden aus der Kanzlei der Kaiserwitwe, 17 Urkunden aus der Kanzlei der "Kaiserlichen Lehrer", 5 Urkunden aus der Kanzlei der "Reichslehrer", 3 Urkunden aus den Kanzleien mongolischer Prinzen, 2 Urkunden aus der Kanzlei, die den Oberhäuptern des Xuanweisi — also den

Oberhäupter des Amtes für tibetische und buddhistische Angelegenheiten — unterstand,

6 Urkunden aus unterschiedlichen Kanzleien Sa skya's, 3 Urkunden aus Kanzleien tibetischer Zehntausendschaftsgoverneure sowie 1 aus einer nicht genau identifizierbaren Kanzlei stammende Urkunde. Darüber

hinaus besitzen wir 1 Amtsplakette eines kaiserlichen Boten, die nachweislich in Tibet gefunden wurde.

Unter sprachlichen Gesichtspunkten lassen sich diese Urkunden nochmals in mittelmongolische Urkunden in 'Phags pa-Schrift und tibetische Urkunden in tibetischer Schrift klassifizieren. Dabei besitzen wir bezüglich der mittelmongolischen Dokumente

8 Urkunden von Großqanen (MM ), ǰarliq1 Urkunde einer Kaiserwitwe (MM ·iǰi), 1 von einem Prinzen ausgefertigtes Dokument (MM ) sowie bič'ig1 so genanntes Paizi (MM k’ere·e), die Amtsplakette eines gSer yig pa. An tibetischsprachigen Dokumenten in 'Bru tsa rkaṅ riṅ-Schrift sind 49 Dokumente erhalten: 11 Urkunden von Großqanen (T 'ja sa), 2 Urkunden von Kaiserwitwen (T e ji), 17 Urkunden der Dishi, 5 Urkunden der ,Guoshi 2 Urkunden mongolischer Prinzen, 2 Urkunden der Oberhäupter des , Xuanweisi 6 Urkunden aus den unterschiedlichen Kanzleien Sa skya's, 3 von tibetischen Zehntausendschaftsgoverneuren ausgefertigte Urkunden sowie 1 aus einer nicht genau identifizierbaren Kanzlei stammende Urkunde.

Die tibetischsprachigen Dokumente lassen sich wiederum in Übersetzungen aus dem Mongolischen und in Urkunden unterscheiden, die einzig in tibetischer Sprache verfasst wurden. Dabei sind aufgrund sprachlicher Kriterien die elf Urkunden der Großqane und die beiden ·iǰi von Kaiserwitwen als Übersetzungen und alle übrigen, unter den Punkten

EINFÜRHUNG 6

drei bis neun angeführten Urkunden als ursprünglich in tibetischer Sprache ausgefertigte Urkunden zu identifizieren. Entsprechend dem Schreibstoff lassen sich die tibetischsprachigen Urkunden in 48 auf Papier ausgefertigte Urkunden sowie eine Steininschrift differenzieren, wobei Letzterer auch eine chinesische Übersetzung beigegeben wurde. Wenngleich damit die Anzahl der Dokumente, die damals allein für Destinatäre innerhalb des tibetischen Raumes ausgefertigt wurden, schon jetzt eine vergleichsweise stattliche Größe besitzt, stellen diese Dokumente natürlich nur einen geringen Überrest der einst sicherlich in die Hunderte, wahrscheinlich sogar in die Tausende gehenden Dokumente für tibetische Destinatäre dar. Da für keinen anderen Kulturraum des ehemaligen mongolischen Großreiches eine derart große Zahl yuan-zeitlicher Dokumente erhalten ist,7 kommt den hier besprochenen Dokumenten eine nicht unerhebliche Bedeutung für die Erforschung der Diplomatik eben dieser Periode zu. Dabei sind die Archivalien von Klöstern wie Sa skya oder der Ṅam riṅ chos sde noch gar nicht zugänglich gemacht worden. Geplant ist, neben den vollständig überlieferten Herrscherurkunden auch lediglich in Auszügen überlieferte Herrscherurkunden sowie die noch greifbaren Sendschreiben, schon um ihr Vokabular in den Wörterverzeichnissen zu erfassen, in separaten Appendices zu bearbeiten. In den einzelnen Bänden werden die Urkunden entsprechend ihrer jeweiligen Abteilung und — soweit möglich — in chronologischer Reihenfolge abgehandelt. Falls Urkunden nicht genau zu datieren sind, werden sie unter ihrem hypothetischen Datum — gelegentlich auch mit angehängtem Fragezeichen — eingereiht. Weitergehende grund-legende und systematische Untersuchungen zu den äußeren und inneren Merkmalen der Dokumente, zu sprachlichen Gesichtspunkten sowie ergänzende Glossare und Indizes sollen erst im Anschluss an die Bearbeitung aller Dokumente in einem abschließenden Teilband vorgelegt werden.

7 Verwiesen sei hier nur auf die Urkundenausgaben von Francis Woodman Cleaves (1949; 1950;

1951; 1952; 1953; 1967), Antoine Mostaert und Francis W. Cleaves (1952), Nicholas Poppe (1957), Louis Ligeti (1972), Edouard Chavannes (1904; 1905; 1908), Gottfried Herrmann (2004), Michael Weiers (1967 und 1968) sowie die ebenda und in Abramovski (o.J.) gegebenen Literaturverweise.

Zur Bearbeitung der Urkunden Im Rahmen der hier geplanten Untersuchungen sind nach dem derzeitigen Stand der Forschung 60 Dokumente zu edieren, zu übersetzen und zu beschreiben, die in mittelmongolischer und tibetischer Sprache, in Form von mir in Faksimile vorliegenden Originalurkunden und in Abschriften, sowie in bereits mehr oder weniger ausführlich bearbeiteter oder noch gänzlich unbearbeiteter Form vorliegen. Um diesen in unterschiedlichen Überlieferungsformen erhaltenen Urkunden und ihrer diplomatischen Beschreibung gebührend zu begegnen, wurde hier ein Beschreibungsschema entwickelt, das den vielfältigen Aspekten der Bearbeitung der Urkunden unter Einbeziehung bereits geführter Untersuchungen in möglichst umfassender Weise gerecht wird. Aufgebaut ist es in sechzehn Punkten, die sich folgendermaßen überschreiben lassen:

1. Sigla und Kurztitel 2. Kurzbeschreibung 3. Ort der Ausfertigung und Datierung 4. Überlieferungsform und Aufbewahrungsort 5. Stand der Bearbeitung 6. Beschreibung des Faksimiles 7. Paläographische Eigenheiten 8. Orthographische Besonderheiten 9. Stilistische Eigenheiten 10. Diplomatischer Kommentar 11. Historischer Kommentar 12. Rechtlicher Inhalt 13. Transliteration 14. Transkription (nur für mittelmongolische Urkunden) 15. Strukturierung der Urkunde nach inneren Merkmalen 16. Übersetzung der Urkunde

Um den Aufbau und die Zielsetzungen der Beschreibungen besser zu verstehen, sei hier zunächst eine kurze Erläuterung der bei der Beschreibung angewandten Prinzipien sowie der Gegenstände gegeben, die unter den einzelnen Punkten bearbeitet werden. Angemerkt sei hier darüber hinaus, dass auf eine strikte Durchnummerierung dieser Punkte innerhalb der Beschreibungen verzichtet wurde und dass die Abhandlung der einzelnen Punkte sich zwangsläufig an der jeweiligen Überlieferungsform ausrichtet. Abgesehen davon, dass die Untersuchungen von Abschriften naturgegebenermaßen bestimmten Einschränkungen unterliegen, entfallen für Abschriften z.B. von vornherein Untersuchungen zu den Punkten 6 und 7. Ad 1.) Die hier benützten Sigla dienen einerseits der Charakterisierung des jeweiligen Dokuments und verdeutlichen andererseits seine Zuordnung zu einer bestimmten Dokumentensammlung. Anhand des Kurztitels wird dem Benutzer durch die Nennung von Urheber, Destinatär, Datierung und Urkundentypus eine prägnante Beschreibung der Urkunde vermittelt.

EINFÜRHUNG 8

Ad 2.) Um dem Benutzer einen Überblick über den historischen und rechtlichen Inhalt der Urkunden zu geben, werden in der Kurzbeschreibung der Urheber und Destinatär genannt sowie der wesentliche rechtliche Inhalt der Urkunde und die erlassenen Rechtsvorschriften zusammengefaßt. Ad 3.) Es folgen die Nennung des Ortes der Ausfertigung und die Datierung der Urkunde entsprechend der Notierung des Datums in der Urkunde sowie nach dem julianischen Kalender. Dabei wird die Umrechnung der Datierungen der mittelmongolischen Urkunden einerseits auf der Basis des 'Phags pa-Kalenders mit Hilfe der Umrechnungstabellen, die Dieter Schuh8 in seinen Untersuchungen zur tibetischen Kalenderrechnung vorgelegt hat, andererseits auf der Basis der bekannten Umrechnungstabellen Tung Tso-Pin's9 für den chinesischen Kalender vorgenommen. Bisher ging man davon aus, dass den Datierungen der Kaiserurkunden der chinesische Kalender zugrunde liegt. Angesichts der bislang von der Forschung überhaupt nicht zur Kenntnis genommenen Umstellungen der Jahresdatierungen um 1280/81 und 1324 stellt sich jedoch ganz neu die Frage, ob die Kanzleien der mongolischen Großqane und Kaiserwitwen nicht nach dem von 'Phags pa bla ma entwickelten tibetischen Kalender datierten. Zu berücksichtigen ist dabei die überragende Bedeutung, die die tibetisch-buddhistische Kultur für die Yuan-Kaiser besaß. Ein Kalender, der auf der — wie man annahm — vom Buddha selbst gelehrten Zeitrechnung (T rtsis) basierte, müßte eigentlich ein starkes Interesse bei den mongolischen Großqanen ausgelöst haben, auch dementsprechend zu datieren. Die Umrechnung der Datierungen, die sich in den mittelmongolischen sowie auf den in tibetischer Übersetzung vorliegenden Urkunden der Großqane und Kaiserwitwen befinden, wird deshalb zunächst einmal nach beiden Kalenderrechnungen vorgenommen. Alle übrigen tibetischsprachigen Urkunden werden unter Zugrundelegung der Kalenderrechnung 'Phags pa's umgerechnet. Auf die Umstellung der Datierungsmethoden und die Frage, wann welcher Kalender in den verschiedenen Kanzleien benutzt wurde, wird später noch detaillierter eingegangen werden. Ad 4.) Unter Überlieferungsform und Aufbewahrungsort wird die Überlieferung, der sprachliche Befund und die Schrift der Urkunden beschrieben. Darüber hinaus wird hier der Ort angeführt, an dem das Original heute aufbewahrt wird, sowie — soweit sich das erschließen oder annehmen lässt — der Ort, an dem das Dokument einst aufbewahrt wurde. Ad 5.) Unter Stand der Bearbeitung werden die bekannten Vorarbeiten für die jeweilige Urkunde — Beschreibungen, Editionen, und Übersetzungen — aufgeführt. Ad 6.) Mit der Beschreibung des Faksimiles beginnt die Beschreibung der äußeren Merkmale der Urkunden. Hingewiesen sei hier ausdrücklich darauf, dass mir sämtliche im Original erhaltenen Urkunden einzig in Faksimile vorliegen und die äußere Beschreibung deshalb — besonders hinsichtlich der Maße und der Beschreibung der Urkundenstoffe — Einschränkungen unterliegt. Nach der allgemeinen Beschreibung des Faksimiles und all dessen, was es uns über das Original verrät, gilt es hier, sich mit der Zahl der Zeilen und ihrer graphischen Anordnung zu befassen sowie die Größenverhältnisse von Faksimile zum Original umzurechnen. Dieser Punkt schließt mit der Beschreibung und Identifizierung der Siegel.

8 Schuh 1973.

9 Tung Tso-Pin 1960.

ZUR BEARBEITUNG DER URKUNDEN 9

Ad 7.) Mit der Darstellung der paläographischen Eigenheiten wird sodann die Beschreibung der äußeren Merkmale fortgesetzt. Ziel dieser Untersuchungen ist es, aus diplomatischer Sicht spezifische Eigenheiten der handschriftlichen Ausfertigung der einzelnen Urkunden herauszuarbeiten. Ad 8.) Die Untersuchung der orthographischen Besonderheiten dient den gleichen Zielen, wie sie für die Darstellung der paläographischen Untersuchungen genannt wurden. Ad 9.) Mit der Darstellung der stilistischen Eigenheiten schließt die Beschreibung der äußeren Merkmale der Urkunden ab. Auch diese Untersuchungen stehen ganz im Dienste der diplomatischen Untersuchungen und zielen darauf ab, charakteristische Merkmale der Urkunden unter stilistischen Gesichtspunkten herauszuarbeiten. Ad 10.) Der diplomatische Kommentar analysiert zum einen den Aufbau der Urkunden. Zum andern beinhaltet er die Untersuchung der Urkundenformeln, die Überprüfung der verwendeten Publikations- und Proklamationsnomen sowie die Erörterung der Kanzleimäßigkeit der Urkunde. Ad 11.) Im historischen Kommentar werden der historische Hintergrund und die Umstände der Ausfertigung der Urkunden in möglichst umfassender Weise beleuchtet, um auch aus historischer Sicht die Frage der Unverfälschtheit der Überlieferung der Urkunde abzuklären. Ad 12.) Die Analyse des rechtlichen Inhalts zielt darauf ab, den Urkundentypus zu bestimmen, den rechtlichen Inhalt herauszuarbeiten und die an die Adressaten gerichteten Rechtsvorschriften zusammenzufassen. Ad 13.) Die Transliteration, die den Text der Urkunden grundsätzlich mit möglichst großer Genauigkeit zu reproduzieren sucht, dient der Edition der Urkundentexte. Die mittelmongolischen Urkunden werden nach den Prinzipien, die Nicholas Poppe in seinem The Mongolian Monuments in ḥP'ags-pa Script dargelegt hat,10 zunächst in einer strikten Transliteration umschrieben. In die Transliteration tibetischsprachiger Urkunden werden darüber hinaus die Standardschreibungen, wie sie nach der neueren Orthographie tibetischer Wörterbücher, z. B. nach dem Bod rgya tshig mdzod chen mo, zu schreiben sind, eingearbeitet. Natürlich sind diese nicht als Korrekturen sondern lediglich als Lesehilfen zu verstehen. Ad 14.) Lediglich für die in mittelmongolischer Sprache verfassten Urkunden wird der transliterierte Text der Urkunde nochmals eigens nach den Prinzipien, wie sie von Nicholas Poppe in seinem The Mongolian Monuments in ḥP'ags-pa Script etabliert wurden, in einer Transkription vorgelegt, die sich der Aussprache der Wörter annähert und die einzelnen Silben zu Wörtern zusammenfasst.11

Ad 15.) Um den Aufbau und die Gliederung der Urkunden besser nachvollziehen zu können, wird der Urkundentext danach nochmals nach den inneren Merkmalen gegliedert, wobei für die mittelmongolischen Urkunden der transkribierte und für die tibetischsprachigen Urkunden der transliterierte Text als Grundlage dient. Ad 16.) Abschließend wird die Übersetzung der Urkunde unter Einbeziehung des formelhaften Aufbaus der Urkunde vorgelegt. Um den sprachlichen Bestand der Urkunden dieser Periode möglichst umfassend in Wortverzeichnissen zu erfassen, werden in den folgenden Bänden auch bereits bearbeitete Dokumente in Transliteration wiedergegeben, wobei die Varianten neu

10 Zu den Prinzipien der Transliteration und Transkription siehe Poppe 1957: S. 45.

11 a.a.O.

EINFÜRHUNG 10

zugänglich gewordener Textzeugen in die Edition eingearbeitet werden. Neue Übersetzungen werden für diese Urkunden aber nur da vorgelegt, wo sie auch sinnvoll erscheinen.

Zu den reproduzierten 'phags pa-schriftlichen Urkunden und ihren Faksimiles

In dem vorliegenden Band werden ausschließlich die greifbaren mittelmongolischen Dokumente bearbeitet, die von den verschiedenen Kanzleien der Yuan-Administration für tibetische Destinatäre ausgefertigt wurden. Veröffentlicht wurden diese Dokumente in Faksimile in unterschiedlichen Publikationen. Die erste bekannt gewordene Urkunde in 'Phags pa-Schrift, die Konfirmationsurkunde des Külüg Qan — seinerzeit noch Prinz von Huaining — für den Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug, wurde erstmals von Paul Pelliot in den von Giuseppe Tucci verfassten Tibetan Painted Scrolls12 ediert und übersetzt. Die Fragmente zweier damals noch unbekannter kaiserlicher Diplome erschienen in der Publikation Tibet - No longer medieaval.12a Abgesehen von der Prinzenurkunde, die als DOKUMENT X nochmals eine detaillierte Bearbeitung erfährt, wurden alle übrigen mittelmongolischen Herrscherurkunden, die tibetischen Destinatären zuteil wurden, in drei jüngeren Publikationen chinesischer Herkunft veröffentlicht, die hier kurz vorgestellt seien.

Die 'phags pa-schriftlichen Originalurkunden der Sammlung Yuan Document Archives

Diese im Folgenden gewöhnlich durch die Abkürzung YDA vertretene Urkundensammlung enthält acht Urkunden in mittelmongolischer Sprache, sechs tibetischsprachige Urkunden, ein Paizi und sieben Siegel verschiedener Kanzleien des mongolischen Großreiches. Veröffentlicht wurde diese Urkundensammlung in dem Band A Collection of Historical Archives from Tibet, der von Mitarbeitern der Archives of the Tibet Autonomous Region unter Leitung von Huang Wenkun und Liu Xiaodai herausgegeben wurde. Unter den Chefeditoren werden des weiteren die Herren Sgrolkar, Xiao Huaiyuan und Vodzer aufgeführt. Es handelt sich um sehr seltenes, bislang unzugängliches Material, dessen Publikation, schon da es den kargen Fundus mittelmongolischen Schrifttums um bedeutende Quellen erweitert, von großer Bedeutung für die Forschung ist. Insgesamt finden sich 22 yuan-zeitliche Dokumente in dem Band reproduziert, die auf der Basis der hier geführten Untersuchungen folgendermaßen zu charakterisieren und datieren sind:

YDA I Mittelmongolische Herrscherurkunde des Qubilai Qan (Großqan 1260-1294): Dem tibetischen mahasiddha lHa rje Seṅ ge dpal werden die Besitzrechte an den ihm eigenen Klöstern und Besitzungen verliehen [1289] (= QQ 1289)

12 Tucci 1949: S. 622 (Abb. 123a,b).

12a Dazu siehe die Beschreibung von DOKUMENT VIII

EINFÜRHUNG 12

YDA II Mittelmongolische Herrscherurkunde des Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Den Mönchen des in mDo khams gelegenen Klosters Ri bo che werden die Besitzrechte an den ihrem Kloster eigenen Gütern verliehen [1324] (= YT 1324/II)

YDA III Mittelmongolische Herrscherurkunde des Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Den Mönchen bSod nams rgyal mtshan und 'Od zer rgyal mtshan werden die Besitzrechte an dem Kloster mDo khams bKra śis gdan und seinen Besitzungen verliehen [1324] (= YT 1324/II)

YDA IV Mittelmongolische Herrscherurkunde des Yisün Temür (Großqan 1324-1328): Dem in mDo khams als Zehntausendschaftsgoverneur fungierenden 'Od zer rgyal mtshan wird die große Amtsplakette (T gser yig) verliehen [1328] (= YT 1328)

YDA V Mittelmongolische Herrscherurkunde des Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Den Mönchen Kun dga' chos skyoṅ (?) und dKon cog bzaṅ po aus gTsaṅ werden die Besitzrechte an den ihrem Kloster eigenen Gütern verliehen [1345] (= TT 1345)

YDA VI Mittelmongolische Herrscherurkunde des Toγon Temür (Großqan 1333-1368): Yon tan rgyal mtshan wird zum Zhaotaoshi ernannt und die Verant-wortung für die Steuererhebungen im osttibetischen Großraum sPo 'bor sgaṅ übertragen [1362] (= TT 1362)

YDA VII Mittelmongolische "Große Amtsplakette" (MM yfke k’ere·e, CH paizi, T gser yig)

YDA VIII Tibetische Herrscherurkunde des Ti śri 'Jam dbyaṅs rin chen rgyal mtshan (Dishi 1304-1305): Den Mönchen Slob dpon 'Khon ston und Slob dpon Rin chen dpal bzaṅ po werden die Besitzrechte an den ihrem Kloster in E eigenen Gütern übertragen [1304]

YDA IX Tibetische Herrscherurkunde des Ti śri Saṅs rgyas dpal (Dishi 1305-1314): Dem Sa skya Rin chen sgaṅ pa werden für das ihm unterstehende Gut Gur chuṅ sowie für die Landgüter, die für das Ma gcig pa'i dus mchod einge-richtet wurden, Steuerbefreiung gewährt [1308] (= YTSSGP 1308)

YDA X Tibetische Herrscherurkunde des Ti śri Kun dga' blo gros rgyal mtshan (Dishi 1314-1327): Dem Slob dpon Rin chen mgon wird für die ihm im Großraum Bo doṅ unterstehenden Güter Steuerbefreiung gewährt [1319] (= YTSKBG 1319)

YDA XI Tibetische Herrscherurkunde des Ti śri Kun dga' blo gros rgyal mtshan (Dishi 1314-1327): Dem dBaṅ rgyal, Sohn des rGyal mtshan grags, wird die Ernennung zum Tausendschaftsgoverneur von Khrom verliehen [1321] (= YTSKBG 1321)

YDA XII Tibetische Herrscherurkunde des Ti śri Kun dga' rgyal mtshan (Dishi 1331-1358): Dem Źa lu sku źaṅ Ye śes kun dga' wird seine Ernennung zum Oberhaupt über die dem Źa lu Nub pa rechtlich zugeordneten weltlichen Untertanengemeinschaften bestätigt [1337] (= YTSKG 1337)

YDA XIII Tibetische Herrscherurkunde der Witwe des Buyantu Qan (Großqan 1311-1320): Dem Źa lu sku źaṅ Grags pa rgyal mtshan werden die für das Ma gcig dus mchod bereitgestellten Gütern unterstellt [1320] (= II 1320)

DIE URKUNDEN UND IHRE FAKSIMILE 13

YDA XIV Tibetische Herrscherurkunde des Prinzen Haishan: Dem 3. Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug und dem 4. sKu źaṅ Grags pa rgyal mtshan wird für ihre Güter Steuerbefreiung bestätigt [1305]

YDA XV Tibetische Herrscherurkunde des Oberhauptes des Xuanweisi von mDo khams: Dem mKhan chen bSod nams grags pa werden die Besitzrechte an den ihm schon früher eigenen Gütern zugesprochen [?]

YDA XVI Petschaft des "Kaiserlichen Lehrers" (T ti śri, CH dishi)

YDA XVII Petschaft des Ti śri Saṅs rgyas dpal (Dishi 1305-1314)

YDA XVIII Petschaft des Go śri (CH guoshi)

YDA XIX Petschaft des Ta dben go śri (CH dayuan guoshi)

YDA XX Petschaft des dBaṅ bskur go śri (CH guanding guoshi)

YDA XXI Petschaft des Zehntausendschaftsgoverneurs von sMar khams

YDA XXII Petschaft des Pai lan-Prinzen (CH bailan wang)

Hervorzuheben ist zunächst die hervorragende farbliche Reproduktion der Urkunden. Auf einem blau- oder beigefarbigen Untergrund ausgebreitet, wurden sie offensichtlich mit Glasscheiben abgedeckt, so dass sie für die Photographie völlig plan lagen. Deutlich erkennbar sind dadurch die Schrift und selbst die Schriftzeilen, die in den alten Falzungen liegen. Auch die Siegel und die Spuren der alten Falzungen sind vielfach noch gut zu sehen. Wie schon die Faksimiles der gleichen Dokumente in der Sammlung ToH zeigen, sind die Reproduktionen in den Yuan Document Archives jedoch häufig unvollständig. Der mit Seide oder Baumwolle gefasste, bei mittelmongolischen Urkunden links und bei tibetischsprachigen Herrscherurkunden oben liegende Rand, der Leerraum der Urkunden und die mit Baumwolle überklebten Ränder der Urkunden wurden mehrfach nicht abgelichtet oder sind in den Reproduktionen entfallen. Zur Reproduktion ist in farblicher Hinsicht zu sagen, dass die Urkunden weitgehend naturgetreu abgebildet wurden. Die 'phags pa-schriftlichen Urkunden sind mit Ausnahme von YDA XIV, das lediglich als Schwarz-Weiß-Abbildung vorgelegt wurde, auf Unterlagen reproduziert, die bei YDA I, YDA II, YDA VI und YDA XIII von blauer und bei YDA III, YDA IV und YDA V von gräulicher Farbe sind und die Beschaffenheit und Erhaltung der Urkunden relativ genau erkennen lassen. Aus diplomatischer Sicht sehr bedenklich sind allerdings die groben Eingriffe, die in YDA XIV, der Konfirmationsurkunde des Haishan für den Źa lu sku źaṅ rDo rje dbaṅ phyug [1305],13 vorgenommen wurden. Begleitet wird die Reproduktion der mittelmongolischen Originalurkunden durch tibetische, chinesische und englische Übersetzungen. Den tibetischen Originalurkunden wurden chinesische und englische Übersetzungen beigegeben. Die yuan-zeitlichen, mittelmongolischen Urkunden der Sammlung werden in dem vorliegenden Band, die tibetischsprachigen Dokumente der Yuan Document Archives in den folgenden geplanten Bänden bearbeitet. Ohne hier näher auf die übrigen Urkunden des Bandes sowie die moderne chinesische Übersetzung einzugehen, ist für die tibetischen und englischsprachigen Übersetzungen

13 Zu weiteren Ausführungen sei hier auf DOKUMENT X verwiesen.

EINFÜRHUNG 14

der Urkunden anzumerken, dass sie nicht immer vollständig und zum Teil sehr frei sind. Den strengen Gepflogenheiten der Kanzleien werden die Übersetzungen damit vielfach nicht gerecht. Offensichtlich waren diese Übersetzungen jedoch für einen breiteren Leserkreis bestimmt. Schon deshalb vermögen sie denn auch kaum einen wissenschaft-lichen Anspruch zu erheben. Erfreulich sind die hervorragenden fotographischen Reproduktionen der Petschaften die aus den verschiedenen Kanzleien der Yuan-Periode stammen.

Die 'phags pa-schriftlichen Originalurkunden in dem Band Testimony of History Die in diesem Band abgebildeten Urkunden und Siegel sind mit den in den Yuan Document Archives veröffentlichten identisch. Die Übersetzungen der Dokumente und Siegelaufschriften gleichen denen der Yuan Document Archives, wobei die tibetischen Orts- und Personennamen allerdings in Transliteration wiedergegeben wurden und Amtsbezeichnungen wie Zehntausendschaftsgoverneur, Tausendschaftsgoverneur usw. in der englischen Übersetzung in der chinesischen Terminologie wiedergegeben wurden. Nicht selten sind im Zuge dieser Umstellung der Umschreibung tibetischer Namen im englischen Text jedoch Fehler entstanden oder Textteile unvollständig wiedergegeben worden. Was die Abbildungen wiederum interessant macht, ist dass es sich bei zumindest einem Teil der Dokumente nicht nur um alternative Vergrößerungen sondern um offensichtlich neu angefertigte Reproduktionen der in den Yuan Document Archives reproduzierten Faksimiles handelt. Bei einem Teil der Dokumente fällt es allerdings nicht einfach anhand der Abbildungen festzustellen, ob die Faksimiles nur mit andersfarbigen Hintergründen unterlegt wurden oder völlig neu aufgenommen wurden. Farblich sind die Dokumente in diesem Band offensichtlich weitaus stärker drucktechnisch aufbereitet. Aufgrund der uneinheitlichen farblichen Abstimmung und der damit einhergehenden starken Kontraste machen die Dokumente bisweilen einen fast schon grellen Eindruck. Verglichen mit den Reproduktionen der in den Yuan Document Archives veröffentlichten Urkunden dürften die des vorliegenden Bandes den Originalen nicht so nahe kommen. Da die Dokumente jedoch in alternativen Ausschnitten veröffentlicht wurden, verbessern sie den Einblick in die Beschaffenheit der Originaldokumente. Die Dokumente verfügen über keine eigene Nummerierung und werden in abweichender, etwas konfus scheinender Reihenfolge präsentiert, wobei die dazu gehörenden Siegel den Urkunden vorangestellt sind. Die Dokumente YDA VIII und YDA

XIX werden in Testimony of History nicht reproduziert. Mit TOH I und TOH VII werden andererseits zwei weitere yuan-zeitliche Petschaften samt ihrem Siegelabdruck beziehungsweise einer Photographie ihrer Siegelfläche abgebildet, die in der Sammlung Yuan Document Archives nicht enthalten sind. Ohne die Dokumente genauer zu beschreiben, sei den Dokumenten hier lediglich eine Nummerierung entsprechend der Reihenfolge ihrer Reproduktion innerhalb des Buches gegeben. Zwecks einer Kurzbeschreibung sei auf die entsprechenden YDA-Dokumente verwiesen:

DIE URKUNDEN UND IHRE FAKSIMILE 15

Konkordanz der veröffentlichten Dokumente und Siegel

TOH I S. 32: Das Siegel des Geheimrates TOH XII S. 50f (= YDA X)

TOH II S. 34f (= YDA XVI) TOH XIII S. 52f (= YDA XIII)

TOH III S. 36f (= YDA XVII) TOH XIV S. 54f (= YDA XI)

TOH IV S. 38f (= YDA XVIII) TOH XV S. 56f (= YDA II)

TOH V S. 40 (= YDA XX) TOH XVI S. 58f (= YDA III)

TOH VI S. 41f (= YDA XXII) TOH XVII S. 60 (= YDA IV)

TOH VII S. 42: Das Siegel des Herzogs TOH XVIII S. 61 (= YDA XII)

TOH VIII S. 43 (= YDA XXI) TOH XIX S. 62f (= YDA V)

TOH IX S. 44f (= YDA I) TOH XX S. 64f (= YDA VI)

TOH X S. 46 (= YDA XII) TOH XXI S. 66f (= YDA XV)

TOH XI S. 48f (= YDA IX) ToH XXII S. 68f (= Yda VII)

Die 'phags-pa-schriftlichen Originaldokumente des Bandes Tibet Museum

Das Tibet Museum in Lhasa hat einen gleichnamigen Museumskatalog herausgegeben, der auch Reproduktionen von zwei 'phags pa-schriftlichen Dokumenten und von zwei in tibetischer Sprache abgefassten Dishi-Urkunden enthält. Den auf Hochglanz-Papier wiedergegebenen Abbildungen ist eine exzellente Farb- und Kontrastqualität zu bescheinigen. Die 1289 ausgestellte Schutzurkunde Qubilai Qans für den mahasiddha lHa rje Seṅ ge dpal, die bereits in YDA I reproduziert wurde, wird auf S. 144 in einer offensichtlich neuen Teilabbildung wiedergegeben. Darüber hinaus enthält das Werk auf S. 144 (unten) ein bislang noch gänzlich unbekanntes, 'phags pa-schriftliches Diplom des mongolischen Großqans Toγon Temür, das zu Beginn des Jahres 1368 und damit nur wenige Monate vor dem Fall der Yuan-Dynastie für den sKu źaṅ Ye śes kun dga' von Źa lu ausgestellt wurde. Leider ist die Reproduktion dieses Dokuments, das in dem vorliegenden Band in DOKUMENT VII einer ersten Untersuchung unterzogen wird, derart klein ausgefallen, dass der Urkundentext auch in stark vergrößereter Form zum Teil nur schwer und mit Unsicherheiten entzifferbar ist. Darüber hinaus entfielen offensichtlich aufgrund einer Unachtsamkeit der graphischen Abteilung des Publikationshauses erhebliche Teile der Urkunde bei der Reproduktion, so dass ein Großteil des Textes der Urkunde derzeit nicht zugänglich ist. Das bereits aus YDA IX bekannte, dem Begleittext zufolge vom Ti śri Saṅs rgyas dpal (Dishi 1305-1314) ausgefertigte Steuerprivileg YTSSGP 1308, das den Źa lu ba übergeben wurde, findet auf S. 57 eine erneute Abbildung. Die auf S. 35 in Faksimile reproduzierte, derzeit nur mit Unsicherheiten datierbare Urkunde eines Dishi — dem Begleittext zufolge handelt es sich um eine Urkunde des Ti śri Kun dga' rgyal mtshan (Dishi 1332/3-1358) — wurde bereits von Peter Schwieger auf der 10. Konferenz der International Association of Tibetan Studies, Oxford 2003, einer genaueren Untersuchung unterzogen.

Die 'Phags pa-Schrift Die Entwicklung der 'Phags pa-Schrift gut sechs Jahrzehnte nachdem Činggis Qan sich auf dem berühmten Reichstag an der Quelle des Onon-Flusses (1206) zum Herrscher aller Mongolen hatte ausrufen lassen, fällt in eine Zeit, in der das mongolische Großreich bereits zahlreiche fremde Völkerschaften seiner Herrschaft einverleibt hatte und Qubilai Qan die Hauptstadt der Mongolen von Qara Qorum zunächst nach Shangdu (1263) und danach nach Dadu (1267), dem heutigen Beijing, verlegt hatte. Als er nach seiner offiziellen Anerkennung als Großqan der Mongolen (1264) eine grundlegende, neue Organisation der Reichsverwaltung verordnete, machte sich der Mangel an einer einheitlichen Schrift bemerkbar, mit der man die vielfältigen Sprachen seines Reiches niederzuschreiben vermochte.14 In dieser Situation beauftragte er den von ihm hochgeschätzten tibetischen Sa skya-Lama 'Gro mgon 'Phags pa Chos kyi blo gros (1235-1280) eine neue Schrift zu entwerfen, die eben diesem Zweck zu genügen vermochte. In enger Anlehnung an das tibetische Alphabet entwickelte dieser daraufhin die nach ihm benannte 'Phags pa-Schrift, die aufgrund ihrer markanten eckigen Struktur bisweilen auch als Quadratschrift15 bezeichnet wird. Die offizielle Chronik der Yuan-Dynastie, das Yuanshi berichtet, dass 'Phags pa im Zuge seiner Ernennung zum "Reichslehrer" (CH guoshi) im Jahre 1260 von Qubilai Qan auch den Auftrag zur Erstellung dieser Schrift erhalten habe.16 An anderer Stelle heißt es im Yuanshi, dass diese Schrift im Jahre 1269, am 13. Tage des 2. Monats des sechsten Jahres Zhiyuan und damit an einem Tage, der laut der tibetisch-mongolischen Zahlensymbolik das Glücksgeschick königlicher Herrschaft symbolisierte,17 ihre offizielle Einführung fand.18 Sicherlich war diese Schrift ursprünglich auch dafür vorgesehen, nach und nach die seinerzeit existierenden Schriften zu verdrängen und zur maßgeblichen Schrift in allen Zweigen der Kultur des Yuan-Reiches zu werden. Das lassen zumindest Texte und zum Teil gedruckte Textfragmente schließen, in denen die

14 Zur Geschichte und Bedeutung der 'Phags pa-Schrift sei hier nur generell auf Poppe 1957: S. 1-

26 und Rossabi 1988: S. 154-160 und die dort gegebenen Literaturangaben verwiesen. Die oben genannten Motive zur Entwicklung der Schrift wurden erstmals von Vladimirtsov angeführt. Dazu siehe Poppe 1957: S. 3 (Anm. 7).

15 Tibetische oder mongolische Bezeichnungen der Schrift sind mir nicht bekannt. In chinesischen Quellen ist die Schrift unter dem Begriff Menggu Xinzi, z. Dt. "Neue mongolische Schrift" verzeichnet (Poppe 1957: S. 5).

16 Pauthier 1862: S. 11.

17 Zur Bedeutung der Zahl Dreizehn in der Herrschaftslegitimation der mongolischen Großqane siehe meinen noch unveröffentlichten Aufsatz "Rulership under the Sway of the Number Thirteen. A Key Aspect of the Mongolian and Tibetan Concept of Rule", der in Tibetan Studies, Proceedings of the Tenth Seminar of the International Association for Tibetan Studies, Oxford 2003, erscheinen wird.

18 Zur Edition und französischen Übersetzung der betreffenden Textpassage siehe Pauthier 1862: S. 12ff; eine englische Übersetzung bietet Poppe 1957: S. 5.

EINFÜRHUNG 18

'Phags pa-Schrift auch zur Niederschrift chinesischer, tibetischer, türkischer und sanskritischer Werke benutzt wurde.19 Auch an Versuchen, den Gebrauch des Alpha-betes durch Verordnungen von höchster Stelle zu fördern, hat es offensichtlich nicht gefehlt. Trotz des zweifellos großen, persönlichen Interesses Qubilai Qans vermochte sich die 'Phags pa-Schrift als allgemein verbindliche Schrift dieser Sprachen jedoch niemals durchzusetzen. Nichts desto trotz blieb sie aufgrund ihres unverwechselbaren Charakters während der gesamten Yuan-Dynastie bis zum Jahre 126820 die verbindliche Kanzleischrift aller kaiserlichen Diplome, die in mittelmongolischer Sprache ausge-fertigt wurden. Von großer Bedeutung war das 'Phags pa-Alphabet darüber hinaus auch als Siegelschrift, wobei es für Siegel in tibetischer, mongolischer und chinesischer Sprache – teilweise sogar bis ins 20. Jahrhundert — Verwendung fand.21 In Gebrauch war die 'Phags pa-Schrift in dieser Hinsicht sowie als Zierschrift auf tibetischen Geldscheinen, in Emblemen, Inschriften usw. bis in das 20. Jahrhundert. Bereits Nicholas Poppe, Louis Ligeti und Dieter Schuh,22 um nur die drei vielleicht bedeutendsten zu nennen, haben sich detailliert mit der Geschichte der Schrift, den einzelnen Schriftzeichen und ihren Lautwerten sowie mit der speziellen Ausformung des

-Alphabetes in der Siegelschrift befasst. 'Phags pa Zur Veranschaulichung der einzelnen Buchstaben wurde die folgende Schrifttabelle des 'Phags pa-Alphabetes in Anlehnung an die bekannten Tafeln Nicholas Poppes23 erstellt. Im Gegensatz zu den bislang vorgelegten Schrifttafeln24 werden die einzelnen Buchstaben hier nicht in der üblichen, typisierten Form wiedergegeben, wie sie in zahlreichen Publikationen zu finden ist, sondern als Originalbuchstaben der im Folgenden beschriebenen Dokumente. Das Gros der Buchstaben wurde dem kaiserlichen Diplom Qubilai Qans für den tibetischen mahasiddha lHa rje Seṅ ge dpal entlehnt, das mit einem Ausfertigungsdatum von 1289 das älteste, in seinem Original bekannt gewordene 'phags pa-schriftliche Dokument des tibetischen Kulturraums bildet und sich aufgrund seiner äußerst akkuraten Schrift und seines hervorragenden Erhaltungs-zustandes für die Reproduktion der Buchstaben quasi von selbst empfahl. Die einzelnen Buchstaben wurden durch eine Scannung der Schrift des Diploms gewonnen. Da dieses

19 Poppe 1957: S. 2 und 7ff. Eine Zusammenstellung dieser Werke hat Ligeti 1972 vorgelegt.

20 Lange Zeit galten Inschriften aus den Jahren 1251 und 1252 als die letzten nachgewiesenen mongolischsprachigen Zeugnisse in 'Phags pa-Schrift (Poppe 1957: S. 7 und Anm. 25; Haenisch 1940: S. 53-74 und Tafeln 1-3. Mit den neu zugänglich gewordenen Faksimiles der kaiserlichen Diplomen TT 1362 und TT 1368 ist jedoch der Nachweis geliefert, dass die Yuan-Kaiser bis zum Ende der Yuan-Dynastie in mittelmongolischer Sprache urkundeten.

21 Zu den chinesischsprachigen Siegeln aus der Zeit der Yuan-Periode sei hier auf Farquhar (1966) verwiesen. Eine umfangreiche Untersuchung über die Verwendung des 'Phags pa-Alphabetes als Siegelschrift liegt in Schuh 1981 vor. Zu Siegeln in 'Phags pa-Schrift aus der Zeit der tibetischen Zentralregierung unter der Herrschaft der Dalai Lamas siehe Bod kyi gal che'i lo rgyus. Zu einer Übersicht über mandschurische Siegel, die ebenfalls ’phags pa-schriftliche Elemente enthalten, sei hier auf den Aufsatz von Hartmut Walravens (1992) verwiesen. Diese Arbeit enthält auch eine deutsche Übersetzung von Alexander Podzdneev’s klassischem Beitrag “Fünf chinesische Siegel.

22 Poppe 1957: S. 1-26; Ligeti 1972: S. S. 13-19; Schuh 1981. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die dort gegebenen umfangreichen Quellenverweise zur 'Phags pa-Schrift.

23 a.a.O: S. 19 und 24.

24 Poppe 1957: S. 19 und 24; Ligeti 1972: S. 13-15; Schuh 1981: S. 40 und 43f.

DIE 'PHAGS PA-SCHRIFT 19

kaiserliche Diplom jedoch nicht alle Buchstaben — vor allem seltener gebrauchte Buchstaben zur Umschreibung der Lautwerte der tibetischen Sprache — enthielt, wurden zusätzliche Buchstaben aus anderen, hier bearbeiteten Dokumenten herausgescannt und unter Angabe ihrer Belegstelle in die Tafeln aufgenommen.

Das 'Phags pa-Alphabet

1. Die Vokale

— — a

a) o

u

— —

e

f

ö

ü

i

a) Dokument IV 18

EINFÜRHUNG 20

2. Die Konsonanten

p

č'

b

ǰ

b)

v

š

m

c)

ž

t

y

t'

k

d

k'

n

g

r

q

l

γ

c'

n

— — j

h

s

·

z

d)

y

— — c

e)

b) Dokument VI 21

c) Dokument IX 16

d) Dokument III 27

e) Dokument IV 11

MITTELMONGOLISCHE URKUNDEN

IN 'PHAGS PA-SCHRIFT

Edition, Übersetzung, Analyse

Zu den Urkunden des vorliegenden Teiles In der vorliegenden Untersuchung werden sämtliche derzeit greifbaren mittel-mongolischen Dokumente in 'Phags pa-Schrift bearbeitet, die von den verschiedenen hochrangigen Kanzleien der Yuan-Administration für tibetische Destinatäre ausgefertigt wurden. Damit werden eben jene elf Urkunden, die bereits eingangs aufgelistet wurden, unter Einbeziehung diplomatischer Analysen für die Forschung zugänglich gemacht. Angesichts der Tatsache, dass bislang lediglich zwölf vergleichbare Urkunden25 und lediglich vier Paizi26 in mittelmongolischer Sprache entdeckt und bearbeitet wurden, wird das Spektrum der Erforschung sowohl des Mittelmongolischen als auch des Rechtswesens dieser Zeit damit nicht unwesentlich erweitert.27

Zieht man in Betracht, dass aus dem letzten Jahrzehnt der Yuan-Dynastie bislang noch keine 'phags pa-schriftlichen Urkunden bekannt geworden sind, ist unter den Urkunden dieses Jahrzehntes wiederum den zwei späten, vom Großqan Toγon Temür in den Jahren 1262 und 1268 ausgefertigten Urkunden besondere Bedeutung beizumessen. Aus diplomatischer Sicht sind ferner die beiden unter den kaiserlichen Diplomen überlieferten Ernennungsurkunden BQ 1316 (?) und TT 1362 von besonderem Interesse, da yuan-zeitliche Urkunden dieser Gattung besonders rar sind. Die bislang greifbaren mittelmongolischen Diplome in 'Phags pa-Schrift sind fast ausschließlich in Form von Steininschriften bekannt geworden. Hier kommen ausschließlich auf dem Schreibstoff Papier ausgefertigte Urkunden zur Bearbeitung. Da derartige Dokumente in mittelmongolischer Sprache sehr selten sind, werden anhand des vorliegenden Materials erstmalig umfangreichere, systematische Untersuchungen über die äußeren Merkmale ermöglicht. Herausgegriffen seien hier nur beispielhaft die Schreibstoffe und Schreibmittel, die Prinzipien der Schriftsetzung oder die Siegelung 'phags pa-schriftlicher Urkunden. Abgesehen davon, dass die vorliegenden Dokumente auch das Verständnis der bereits bearbeiteten Urkunden in einigen Punkten zu verbessern vermögen, gewähren sie unter verschiedenen Gesichtspunkten neue Einblicke in die Diplomatik dieser Zeit sowie in bislang nur unzureichend erforschte besitz- und rechtsgeschichtliche Aspekte der Geschichte Tibets und des mongolischen Großreiches. Nicht zuletzt werfen historische Details, wie sie durch die historische Analyse der Besitzurkunde Qubilai Qans für lHa rje Seṅ ge dpal zu Tage gefördert wurden, neue Schlaglichter auf den Stellenwert der tibetischen Kultur innerhalb der Yuan-Dynastie.

25 Dazu siehe Ligeti 1972: S. 20-82 (Dokumente I-XII).

26 Zu den gSer yig oder Paizi sei hier auf Ligeti 1972: S. 109-114 , Rossabi 1988: S. 160 und besonders auf Boohai Dang 2001 und 2003 und die dort gegebenen ausführlichen Quellen-angaben verwiesen.

27 Zwecks einer Übersicht über diese Urkunden sei hier auf das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Teils verwiesen.