28

Pollenanalytische Untersuchungen zur Vegetations- und Siedlungsgeschichte im Montafon

Embed Size (px)

Citation preview

1

Fassung 31.03.2005Dok: Oeggl_31032005

Oeggl Klaus | Kofler Werner | Wahlmüller Notburga

P O L L E N A N A LY T I S C H E

U N T E R S U C H U N G E N Z U R V E G E TA -

T I O N S - U N D S I E D L U N G S -

G E S C H I C H T E I M M O N TA F O N

Acht Meter lang ist die Torfsäule, die Klaus Oegglund seine Mitarbeiter dem Hochmoor Garsella inBartholomäberg entnommen haben. Nach exaktenpollenanalytischen Untersuchungen gibt der Bohr-kern nun Zentimeter für Zentimeter Aufschluss überdas Klima, die Vegetation und damit auch über dieBesiedlung des Montafons.

Die Methode ist einfach und genial zugleich. DieWissenschaftler unternehmen eine Bohrung an dertiefsten Stelle des Moors und untersuchen im Labor,welche Pflanzenpollen sich in den einzelnen Schichtender Torfsäule finden lassen. Kombiniert mit Alters-bestimmungen an verschiedenen Stellen des Bohr-kerns werden so faszinierende Erkenntnisse über dieVegetation und das Klima im Lauf der Jahrtausendean der untersuchten Stelle möglich. Anhand von sogenannten Siedlungs-Pflanzen, die nur in Verbin-dung mit Menschen, Ackerbau und Viehzucht auftre-ten, lassen sich nun auch verlässliche Aussagenüber die frühe Besiedlung des Montafons machen.

Die Torfsäule aus dem Hochmoor Garsella lässtuns 12.000 Jahre in die Geschichte zurückblicken.Sie erzählt von kalten und warmen Sommern, vomAnsteigen und Absinken der Baumgrenze aufgrundwechselnder klimatischer Bedingungen und schließ-lich vom ersten Eingreifen des Menschen in dieNatur des Montafons. Eine zweite Untersuchungvom Moor Brannertsried, ebenfalls im Gemeinde-gebiet von Bartholomäberg, aber ein paar hundertHöhenmeter tiefer gelegen, bietet weitere Auf-schlüsse über die Entwicklung der Vegetation seitder Eisenzeit.

A.N.

182

Klaus Oeggl |Werner Kofler|Notburga Wahlmüller

P O L L E N A N A LY T I S C H E U N T E R -

S U C H U N G E N Z U R V E G E TAT I O N S -

U N D S I E D L U N G S G E S C H I C H T E

I M M O N TA F O N

Einleitung

Bisher war die Vegetationsgeschichte Vorarlbergsnur in groben Zügen und unzureichend bekannt.Die ersten Arbeiten dazu stammen aus der erstenHälfte des vorigen Jahrhunderts. Entsprechend demdamaligen Stand der Pollenanalyse wurden nurPollentypen von Baumarten unterschieden. Trotzdemhaben Firbas, Gams sowie Harder und LorenzPionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet 1. WährendGams den Nordwesten Vorarlbergs untersucht hat,konzentrierten sich Firbas sowie Harder und Lorenzauf den südöstlichen Teil. Firbas analysierte erstehochgelegene Moore in der Silvretta und im Verwall,Harder und Lorenz bearbeiteten fünf Moore imSilbertal. Ihre Arbeiten, die in den zwanziger unddreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienensind, zeigen die Waldentwicklung seit der letztenVereisung nur in Grundzügen auf. Dies ist aufmehrere Gründe zurückzuführen. Zum einen wurdendamals in den Anfängen der Pollenanalyse nurwenige Pollentypen unterschieden. Zum anderenwar der Probenabstand relativ groß gewählt. Außer-dem gab es zu dieser Zeit noch nicht die Möglichkeitder Radiokarbondatierung, und dementsprechendmangelhaft ist die chronologische Einstufung dereinzelnen Vegetationsabschnitte. Damit ist die Aus-sagekraft dieser älteren Untersuchungen einge-schränkt, aber sie liefern wertvolle Hinweise für Neu-untersuchungen. Die erste Neuuntersuchung vonMooren im Montafon wurde von Kostenzer 2 imJahr 1990 durchgeführt. Dabei wurden das Wilde Ried im Silbertal und das Moor beim Bleischuachterauf Matschwitz oberhalb Tschagguns bearbeitet. Indiese Forschungen flossen die methodischen Fort-schritte, die in der Palynologie in den letzten vierzig Jahren getätigt wurden, ein. So weisen diese Pollen-diagramme Radiokarbondatierungen auf und lasseneine zeitliche Einordnung der Vegetationsabschnittein die mitteleuropäische Chronologie zu. Außerdemwird hier eine Vielzahl an Pollentypen differenziert.Neben den Baumpollen sind auch die Gräser, Kräuterund Sporenpflanzen aufgeschlüsselt, die zusätzliche

wichtige vegetationsgeschichtliche Informationenliefern. Vor allem die Unterscheidung von Pollen sogenannter Siedlungszeiger3 liefert erste Ergebnisseüber menschliche Eingriffe in die Vegetation in frü-heren Zeiten und lässt Aussagen über die frühereBesiedlung des Montafons zu. Im Pollendiagrammvom Wilden Ried ist die erste Besiedlungsphase desMontafons in die frühe Bronzezeit datiert. DieseErgebnisse führten zu intensiven Geländeprospek-tionen, deren Ziel es war, eine entsprechende Sied-lung zu finden. Im Jahr 1999 wurde man im FriagaWald auf der Platta in Bartholomäberg fündig(Abb. 1), und legte in den folgenden Jahren in meh-reren archäologischen Grabungen die Reste einerprähistorischen Höhensiedlung frei4. Die Siedlungwurde in der Frühbronzezeit errichtet und war bisin die mittlere Bronzezeit bewohnt. Aus der älterenEisenzeit liegen wieder Befunde vor, die belegen,dass die Anlage erneut bis in die jüngere Eisenzeitgenützt wurde. Diese sensationelle Entdeckung gabAnlass für weitere Forschungsaktivitäten, in derenVerlauf die Landschaftsgeschichte und die wirtschaft-lichen Grundlagen dieser Siedlung genauer unter-sucht werden sollen. Dazu wurden im Umfeld derprähistorischen Siedlungsanlage Moore für weiterepollenanalytische Untersuchungen ausgewählt. Siesollen Auskunft über die Dauer und das Ausmaßvon prähistorischen Siedlungsphasen und über dieArt und Weise des menschlichen Eingriffes in diedamalige Vegetation geben.

1 Firbas 1926, Harder/Lorenz 1929, Gams 1929, Lorenz 1932.

2 Kostenzer 1996.

3 Siedlungszeiger sind Pollen von Kultur-, Ruderalpflanzen

und Unkräutern. Ihr Auftreten im Pollendiagramm kann

zur Deutung der Art und Intensität menschlicher Tätig-

keiten in früheren Zeiten benützt werden; siehe Behre/

Kucan 1981 u. 1986.

4 Krause 2001, 49-58.

✷ untersuchte Moore Kirche

Abb. 1: Lage der pollenanalytisch untersuchten Moore

in Bartholomäberg

183

Ill

Schruns

Bartholomäberg

2000 100 300 400 500 m

Knappagruaba

Lippaloch Garsella

Grünerwald

Linda

FR I T Z AT O B E

Brannertsried

Moor bei Garsella

LA

VA

DIE

LB

AC

H

HistorischesBergwerk

HL

BA

CH

Rofer

Sassella

BronzezeitlicheSiedlung im Friagawald

Das Untersuchungsgebiet

Das Montafon gliedert sich topografisch in dasgleichnamige Haupttal und zwei große Seitentäler,das Silbertal und das Gargellental. Begrenzt wirddas Gebiet durch die Gebirgszüge des östlichenRätikons, der westlichen und zentralen Silvretta sowiedem Westteil des Verwalls. Das eigentliche Unter-suchungsgebiet liegt am Eingang des Silbertales aufdem Gemeindegebiet von Bartholomäberg oberhalbvon Schruns. An diesem südexponierten Hang findensich zwischen 900 und 1500 Meter Seehöhe zahlreicheHangvermoorungen und einige Verlandungsmoore.Diese Moore wurden sondiert. Aufgrund ihrer Torf-mächtigkeit wurden das Brannertsried und dasHochmoor bei Garsella oberhalb Sassella für dieseUntersuchungen ausgewählt (Abb. 1).

Geologisch betrachtet liegt das Untersuchungs-gebiet am Nordrand der kristallinen Zone des Ober-Ostalpins, das überwiegend aus Phyllitgneisen undGlimmerschiefer zusammengesetzt ist. VomBartholomäberg beschreibt Mostler5 eine autoch-thone Abfolge, die stratigraphisch vom Oberkarbonbis zur Skyth/Anis-Grenze verläuft. Diese Sediment-abfolge lagert autochthon auf der Phyllitgneisdeckeauf. In den basalen Konglomeraten tritt der aufgear-beitete Gesteinsinhalt des unterlagernden Kristallinsauf. Teils besitzen die Kristallingerölle eine retrogradeMetamorphose, die ein Beleg für eine spätvariszischerfolgte Diaphthorese ist. Neben Konglomeratenkommen in den basalen Partien auch feinkörnigeSedimente (Tonschiefer, Sandsteine und Kiesel-schiefer) vor. Im unteren Perm stehen saure Vulkaniteund Epiklastika an. Der zum stratigraphisch jüngerenfolgende Sandstein besitzt Ähnlichkeiten mit demGrödner Sandstein und muss vermutlich bereits zumTeil in das Skyth gestellt werden.

Das Klima im Montafon nimmt eine Übergangs-stellung ein. Es ist ein mäßig niederschlagreichessubozeanisches bis subkontinentales Klima, wobeies jenem des Alpenrandes mehr ähnelt als dem desAlpeninneren. Mäßige Temperaturen mit zeitweisestarken Niederschlägen sind kennzeichnend.

Die Vegetation (siehe Kapitel 10) ist charakterisiertdurch Nadelwälder, befindet sich doch das Gebietim Bereich der zwischenalpinen Fichten-Tannen-wälder 6. Im Eingangsbereich des Haupttales, derdurch Föhn beeinflusst ist, dominieren Föhrenwälder(Erico-Pinetum). Sie werden taleinwärts bis Partenenvon Laub- und Laubmischwäldern abgelöst. Eshandelt sich dabei um diverse Rotbuchenwälder,Eschen-Ahorn-Schatthangwälder, Eichen-Linden-mischwälder und Grauerlenwälder. Diese Talwälderbestehen größtenteils nur aus Fragmenten, da sich

in dieser Zone der Dauersiedlungsbereich mit seinerintensiven landwirtschaftlichen Nutzung befindet.Über 1000 Meter herrschen bis zur WaldgrenzeFichtenwälder (Piceetum montanum und Piceetum

subalpinum) vor. Teilweise treten in der montanenStufe auch Tannenwälder mit beachtlichenBuchenanteilen auf.

Die beiden untersuchten Moore liegen auf demGemeindegebiet von Bartholomäberg in unter-schiedlichen Höhenlagen (Abb. 1). Das FlachmoorBrannertsried befindet sich unmittelbar im heutigenSiedlungsbereich von Bartholomäberg auf einer terrassenartigen Verebnung zwischen dem Tota-bühel und der Buxwaldstrasse in 1020 Meter Seehöhe.Es handelt sich dabei um ein Sattelmoor mit aus-gedehntem Schilfbestand (Phragmites communis).Der östliche Teil des Moores ist melioriert und inMähwiesen umgewandelt, der westliche Teil ist intakt.Das Schilf (Phragmites communis) wird heute einmalim Herbst gemäht.

Das Moor bei Garsella ist eines der wenigenHochmoore im Montafon. Es liegt oberhalb vonSassella nahe einem Wirtschaftsweg eingebettet ineine Hangmulde oberhalb des alten Bergbaugebietes.Durch die Streunutzung hat sich dieses Hochmoorin ein Wiesenmoor entwickelt, der Hochmoor-charakter ist jedoch durch das durchgehende Vor-kommen des mittleren Torfmooses (Sphagnum

magellanicum) erhalten geblieben. Auch die sonsttypische Oberflächengliederung der Hochmoore inBult und Schlenken ist wegen der Streunutzungnicht mehr ausgebildet. Neben dem dominierendenmittleren Torfmoos (Sphagnum magellanicum) kommen auf dem Moor die armblütige Segge (Carex

pauciflora), Schwarzsegge (Carex nigra), rundblättrigerSonnentau (Drosera rotundifolia), scheidiges Wollgras(Eriophorum vaginatum), Pfeifengras (Molinea

coerulea), Blutwurz (Potentilla erecta) und Rausch-beere (Vaccinium uliginosum) vor. Im Randbereichdes Moores gedeihen in einem Moortümpel dieSchnabelsegge (Carex rostrata) und die berieselteSegge (Carex paupercula). Der Drainagegraben imöstlichen Bereich ist reich an Sumpfpippau (Crepis

paludosa) und Studentenröschen (Parnassia palustris).Die dominierende Baumart um das Moor ist dieFichte (Picea abies). Auch in diesem Moor wurde dieBohrung im zentralen tiefsten Bereich bis zumSchotteruntergrund niedergebracht.

5 Mostler 1972. 6 Mayer 1974.

184

Bestimmung der Pollentypen erfolgte mit Hilfe dergängigen Identifikationsschlüssel der mitteleuropä-ischen Pollenflora10 und der am Institut vorhande-nen, umfangreichen, rezenten Vergleichssamm-lung. Kritische Pollentypen wurden bei 1000-facherVergrößerung im Interferenz- und Phasenkontrast-verfahren bestimmt. Jedes Präparat wurde auf min-destens 1000 Pollen ausgezählt. Nur in wenigenFällen konnte diese Anzahl nicht erreicht werden.Gleichzeitig wurden im Präparat auch Pilzhyphen,Sporen koprophiler Pilze, zoologische Reste undHolzkohlen bestimmt und mitgezählt. Spaltöff-nungen (Stomata) wurden nur im spätglazialen Abschnitt quantitativ erfasst.

Die numerische Bearbeitung und Darstellungder pollenanalytischen Daten wurde mit dem amInstitut für Botanik entwickelten ComputerprogrammFAGUS durchgeführt. Die Darstellung erfolgt inForm von kombinierten Kurven-Schattenriss-Dia-grammen. Schwarz unterlegte Kurven entsprechenProzentwerten, grau unterlegte Promillewerten.Abgesehen von den Sauergräsern (Cyperaceae) wurden auch die Wasserpflanzen, Moose (Bryophyta)und Farnpflanzen (Pteridophyten) aus der Pollen-summe exkludiert. Die Abkürzung SP steht fürPollensumme, BP für Baumpollen und NBP fürNichtbaumpollen. Im Hauptdiagramm sind diewichtigsten Baumarten, die Gräser und das Verhält-nis zwischen BP und NBP dargestellt. Die Bedeu-tung der Symbole sind der Tabelle 1 zu entnehmen.

Tab. 1: Erklärung der Symbole aus denPollendiagrammen.

Fichte (Picea abies) Buche (Fagus sylvatica) Tanne (Abies alba)

Birke (Betula) Kiefer (Pinus) Gräser

Zur besseren Übersicht und Korrelation der Vege-tationsentwicklung mit anderen Diagrammen ausdem Gebiet wurden die Diagramme in Biozonengegliedert. Diese biostratigraphische Gliederung derPollendiagramme erfolgt entsprechend dem Pollen-gehalt der Sedimentkörper in lokalen Pollenansamm-lungszonen11 (lpaz). Unter lokalen Pollenansamm-lungszonen (= local pollen assemblage zone) werdenSedimentkörper mit konstantem Pollengehalt ver-standen. Die Einteilung in Chronozonen (Tab. 2)folgt den Vorgaben von Mangerud et al.; Welten,Ammann und Lotter 12.

Methodik

Feldarbeit: Die Torfsäule aus dem MoorBrannertsried wurde mit Hilfe eines Geonor-Kern-bohrgerätes gezogen. Nach einer eingehenden Son-dierung der Torfmächtigkeit des Moores wurde dieSedimentsäule aus dem zentralen höchstgelegenenBereich mit der größten Torfauflage geborgen. DieBohrung wurde bis zum anstehenden Schotter ab-geteuft. Der gesamte Kern besitzt eine Mächtigkeitvon 3,80 m.

Auch im Moor Garsella wurden zur Klärung derstratigraphischen Verhältnisse eingehende Sondie-rungen vorgenommen. Dabei fiel auf, dass sich in140 bis 155 cm Tiefe des Moores eine flächendeckendeHolzlage befindet. Im zentralen und tiefsten Bereichdes Moores gelang es, diese Holzlage zu durch-dringen und eine Bohrung mit einem Merkt-Streiff-Bohrgerät bis auf 8 m Tiefe abzuteufen.

Laborarbeit: Die Bohrkerne wurden im Laborausgestoßen und bis zur chemischen Aufbereitungtiefgekühlt aufbewahrt. Die Sedimentbestimmung derAblagerungen erfolgte im Labor nach der Methode vonTroels-Smith7. Die Beprobung für die Pollenanalysenim Profil Brannertsried erfolgte in 5 cm Abständen.Dabei wurden aus den aufgetauten Bohrkernen inden entsprechenden Abständen Torfproben mit einemkonstanten Volumen von 1 cm3 entnommen. DieBohrkerne von Garsella wurden zunächst in 0,5 cmdicke Scheiben zerteilt und anschließend in regel-mäßigen Abständen beprobt. Im unteren Abschnittder Torfsäule liegen die Probenabstände bei 10 cm. Inkritischen Fällen wurden Zwischenproben in 2,5 cmAbständen entnommen. Der obere Teil des ProfilsGarsella, der die anthropogen beeinflussten Abschnitteumfasst, wurde teilweise sogar in Zentimeterabständenbeprobt. Auch hier beträgt das jeweilige Probenvolumen1cm3. Anschließend wurden die Proben mit eineram Institut für Botanik der Universität Innsbruckmodifizierten und verbesserten Acetolysemethode nachErdtmann8 chemisch aufbereitet. Zur Kalkulationvon Pollenkonzentrationen wurde den Proben vorBeginn des chemischen Aufschlusses eine definierteMenge an Fremdpollensuspension zugegeben 9.Stark mineralische Sedimente wurden vor der chemischen Aufbereitung mittels Ultraschall gesiebt,um den anorganischen Anteil zu verringern. Nachdem chemischen Aufschluss wurden mit Fuchsingefärbte Dauerpräparate in Glycerin hergestellt. DieAuszählung der Präparate erfolgte unter dem Licht-mikroskop bei 400-facher Vergrößerung. Die

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

185

7 Troels-Smith 1955.

8 Siehe Erdtmann 1936; Seiwald 1980, 33ff.

9 Siehe Stockmarr 1972.

10 Beug 1961; Punt 1976; Faegri/Iversen 1989; Punt/Clark

1980, 1981 u. 1984; Moore/Webb/Collinson 1978.

11 Cushing 1967.

12 Mangerud et al. 1974; Welten 1982; Ammann/Lotter 1989.

Radiokarbondatierungen: Das Material fürdie Radiokarbondatierungen wurde nach Vorliegenerster orientierender Pollenanalysen aufgrund palyno-stratigraphischer Gesichtspunkte entnommen.Datiert wurden gemäß dem Ziel der UntersuchungenVegetationsabschnitte mit menschlichem Einfluss.Die Messungen wurden am Vienna Research

Accelerator des Instituts für Radiumforschung undKernphysik der Universität Wien durchgeführt.

Bei den zu datierenden Torfproben aus demProfil Brannertsried handelt es sich um Radizellen-torf. Da bei der Entnahme an den senkrecht verlau-fenden Wurzeln ersichtlich war, dass der stark zersetzte Torf durch jüngeres Material verunreinigt

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

10000

11000

12000

13000

ChronozonenMangerud et al.

(1974)

ChronozonenWelten(1982)

BiozonenWelten(1982)

Subatlantikum SubatlantikumX

IX

Subboreal Subboreal VIII

Atlantikum AtlantikumVII

VI

Boreal Boreal V

Präboreal Präboreal V

Jüngere Dryas Jüngere Dryas III

Alleröd Alleröd II

Bölling Bölling s.l. 1b/1c

Ältere Dryas

Älteste Dryas Ia

Chrono-Jüngere Dryas

Chrono-Alleröd

Chrono-Bölling

Chrono-Ältere Dryas

Bio-Jüngere Dryas

Bio-Alleröd

Bio-Bölling

Bio-Ältere Dryas

ChronozonenAmmann & Lotter

(1989)

BiozonenAmmann & Lotter

(1989)

Proben-nummerVERA-1847VERA-1848VERA-1845VERA-1846VERA-1843VERA-1844VERA-1841VERA-1842VERA-1839VERA-1840VERA-1852VERA-1851VERA-2368VERA-2369VERA-1998VERA-1850VERA-1849

Proben-bezeichnungBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedBrannertsriedGarsellaGarsellaGarsellaGarsellaGarsellaGarsellaGarsella

Tiefe

65 cm65 cm

103 cm103 cm195 cm195 cm265 cm265 cm330 cm330 cm

85 cm97 cm

102,5 cm118,5 cm135,5 cm155,5 cm188,5 cm

Material

Radizellentorf, FeinfraktionRadizellen Radizellentorf, FeinfraktionRadizellenRadizellentorf, FeinfraktionRadizellenRadizellentorf, FeinfraktionRadizellentorfSalix sp, HolzRadizellentorfSphagnum-TorfSphagnum-TorfSphagnum-Cyperaceen-TorfSphagnum-Cyperaceen-TorfSphagnum-Cyperaceen-TorfSphagnum-Cyperaceae-TorfSphagnum-Cyperaceae-Torf

14C-Alter BP*

405 ± 35320 ± 35845 ± 35830 ± 351835 ± 351385 ± 302550 ± 352380 ± 302450 ± 352390 ± 35990 ± 401125 ± 353375 ± 403405 ± 353625 ± 353695 ± 353975 ± 35

Kalibriertes AlterBC/AD**1430 – 1530 AD1480 – 1650 AD1150 – 1280 AD1150 – 1280 AD

80 – 260 AD600 – 690 AD720 – 540 BC540 – 390 BC600 – 400 BC550 – 390 BC980 – 1160 AD810 – 1000 AD

1750 – 1520 BC1780 – 1600 BC2040 – 1880 BC2150 – 1960 BC2580 – 2400 BC

Tab. 2: Chronozonierung des Spät- und Postglazialsin Mitteleuropa.

Tab. 3: Radiokarbondatierungen aus den Pollenprofilen Brannertsried und Garsella: *14C-Jahre = Radiokarbonjahre vor 1950, in der weiteren Folge als BP (before present = vor heute) gekenn-zeichnet, **kalibrierte Jahre: siderische Kalenderjahre vor bzw. nach Christi Geburt, in der Folge mit BC(before Christ = vor Christi Geburt) bzw. mit AD (anno Domini = nach Christus) bezeichnet.

186

sein könnte, wurden die Torfproben durch ein Siebmit einer Maschenweite von 250µ in eine Grobfrak-tion aus Radizellen und eine Feinfraktion getrennt.Beide Fraktionen wurden datiert. Die Datierung derbeiden Fraktionen zeigt deutliche Abweichungenund bestätigt die Vermutung einer Kontaminationdurch jüngeres Material bei den Messungen anRadizellen der groben Fraktion. Aus diesem Grundwurde bei den 14C-Datierungen bis auf einen Fallauf die Messungen an der Feinfraktion zurück-gegriffen und in das Profil eingesetzt. Nur bei der Probe Brannertsried aus 265 cm Tiefe wurde auf dieGrobfraktion zurückgegriffen. Hier ergab sich eineAltersdifferenz von 170 Radiokarbonjahren zwischenbeiden Fraktionen. Das Alter der Feinfraktion ist imVergleich zu den Datierungen aus 330 cm Tiefe zualt und wird deshalb verworfen.

In der Vegetationsgeschichte, im Speziellen in denältesten Abschnitten vor dem Auftreten des Menschenwerden Daten mit der Bezeichnung BP (before pre-sent = vor heute) eingesetzt, zum Beispiel heißt7000 BP 7000 Jahre vor 1950. Es handelt sich dabeium 14C-Jahre, die dem Wert des gemessenenRadiokarbongehaltes entsprechen und nicht denKalenderjahren. Hingegen wird im archäologischenKontext das Alter in Kalenderjahren angegeben. Dazuwerden die konventionellen Radiokarbondaten miteinem eigenen Kalibrierungsprogramm kalibriert,das heißt, es wird das Radiokarbonalter in Kalender-jahre umgewandelt. Dabei wird eine Zeitspanne ermittelt, in die das Datum mit höchster Wahrschein-lichkeit fällt. Aus dieser Zeitspanne wird ein Zentral-wert vorgegeben, und diese so ermittelten Datenwerden in der vorliegenden Arbeit mit BC/AD (beforeChrist/Anno Domini = v.Chr./n.Chr.) benannt.

Ergebnisse

Das Pollenprofil vom Moor Garsella

Tab. 4: Beschreibung der Ablagerungen vom Moor Garsella.

Sedimentbeschreibung

Der Bohrkern aus dem Moor Garsella besitzt eineMächtigkeit von 8,0 m. In den untersten 8 cm wurdeder Schotteruntergrund erfasst. Das Sediment besteht aus Steinen und sandigem Ton. Darüber liegteine 1,1 m mächtige Tonlage mit teilweisen Einspren-gungen von Sand und Steinen. In 657,5 bis 661,5 cmTiefe erfolgt der fließende Übergang von limnischen(Ton) zu terrestrischen Ablagerungen (Radizellen-torf). Teilweise ist auch hier Ton beigemengt. In200 bis 300 cm Tiefe folgt eine Wasserlinse. Darüber

Tiefe (cm)

0 – 100100 – 200

200 – 300300 – 435435 – 470470 – 500500 – 555555 – 580580 – 611,5

611,5 – 619,5619,5 – 657,5657,5 – 661,5661,5 – 665,5665,5 – 666

666 – 675,5675,5 – 682,5682,5 – 691

691 – 700700 – 738738 – 772772 – 800

Ablagerung

Sphagnum TorfSphagnum-Cyperaceae Torf,HolzfragmenteWasserlinseRadizellentorf, dunkelRadizellentorf, hell, sandigRadizellentorf, dunkel, sandigRadizellentorf, hell, tonigRadizellentorf, hellRadizellentorf, dunkel, wenig zersetztRadizellentorf, hell, tonigRadizellentorf, dunkelfließender Übergang zu TorfTon, hellorganische Schicht, dunkelTon, Sand, dunklerTon, hellTon, hell, organischTon, dunkel, organischTon, SteineTonSteine, sandiger Ton

Bezeichnungnach Troels-SmithTbS24 Th22 TbS22

Th24 Th23 Gs1 Th23 Gs1 Th23 Ga1 Th24 Th14 Th23 Ga1 Th24 Th23 Ga1 Ga4 Ld34 Gs2 As2 Ga4 Ga2 Sh2 Sh3 Ga1 Gg3 Ga1 Ga4 Gg3 Gs1

lpazG-1

G-2

G-3

G-4

G-5

G-6

G-7

G-8

NameGramineae-Pinus Zone

Corylus-Tilia-Ulmus Zone

Picea-Abies-Ulmus Zone

Picea-Abies-Fagus-Cyperaceae Zone

Picea-Abies-Fagus-Gramineae Zone

Picea-Abies-Fagus-Filipendula Zone

Picea-Alnus-Gramineae Zone

Gramineae-Plantago lanceolata-Picea Zone

Tiefe800 – 652,5 cm

652,5 – 432,5 cm

432,5 – 186,5 cm

186,5 – 155,5 cm

155,5 – 137,5 cm

137,5 – 100,5 cm

100,5 – 85 cm

85 – 1 cm

ObergrenzeRückgang von Pinus cembra,Juniperus, GramineaeRückgang von Corylus, Tilia;Anstieg von Abies, FagusRückgang von Picea, Alnus;Anstieg von CyperaceaeRückgang von Abies, Cyperaceae;Anstieg von Picea, GramineaeRückgang von Betula, GramineaeRückgang von Abies, Fagus;Anstieg der GramineaeRückgang von Picea, Alnus;Anstieg der Gramineaerezente Torfoberfläche

AlterAlleröd, Jüngere Dryas

Präboreal, Boreal, Atlantikum pp.

Atlantikum pp., Subboreal pp.

Subboreal pp.

Subboreal pp.

Subboreal pp., Subatlantikum pp.

Subatlantikum pp.

Subatlantikum pp.

Tab. 5: Übersicht über die lokalen Pollenzonen (lpaz) aus dem Moor Garsella.P

OL

LE

NA

NA

LY

TIS

CH

E U

NT

ER

SU

CH

UN

GE

N Z

UR

VE

GE

TA

TIO

NS

-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

187

hängt ein 1 m mächtiger Sphagnum-Cyperaceen-Torf, der in 1 m Tiefe in reinen Sphagnum-Torf über-geht. Eine detaillierte Beschreibung der Torfsäuleist aus Tabelle 4 ersichtlich.

Die Vegetationsentwicklung im Pollenprofil Garsella

Das Pollenprofil vom Moor bei Garsella beinhaltetdie Vegetationsentwicklung seit dem Spätglazial. DieGramineae-Pinus-Zone (lpaz G-1) spiegelt die Vege-tationsverhältnisse im Alleröd und in der JüngerenDryas wider. Die Sedimentation setzt am Beginndes Alleröd (12.000 BP) ein. Die hohen Werte derKiefer (Pinus), der Zirbe (Pinus cembra) und der Birke(Betula) zeigen an, dass die Wiederbewaldung imMontafon nach der Eiszeit bereits begonnen hat undbis auf die Höhenlage des Moores ein offenerBirken-Kiefernwald mit Zirbe (Pinus cembra) vor-handen war.

In den untersten drei Tiefenstufen ist der Pollen-gehalt gering, nimmt aber in der Folge rasch zu.Die Zusammensetzung des Sediments (Steine, Sand,Ton) lässt in dieser Phase auf eine rasche Ablage-rung schließen. Ab einer Tiefe von 770 cm verrin-gert sich der Eintrag von allochthonem grobkörni-gem Material. Die kinetische Energie in der Umge-bung des Moores ist geringer, und es zeichnet sicheine stabilere Phase ab. Dominierend im Pollen-diagramm sind die Baumpollen von Kiefer (Pinus),Zirbe (Pinus cembra) und Birke (Betula), die einenBirken-Kiefernwald anzeigen, der um das Moor gestanden hat. Der lichtoffene Charakter dieses Waldesspiegelt sich vor allem im Vorkommen von Wacholder(Juniperus), Sonnenröschen (Helianthemum) undzahlreichen Kräutern wider. Diese lichtliebendenArten wie Gräser (Gramineae), Beifuß (Artemisia),Nelkengewächse (Caryophyllaceae), Gänsefußgewächse(Chenopodiaceae) und Wiesenraute (Thalictrum) sindVertreter einer Steppen-Tundra-Vegetation auf offenenBöden und charakteristisch für diesen Abschnitt.

Im Bereich des heutigen Moores bestand einkleiner See, in dem Armleuchteralgen (Characeae),Wasserhahnenfuß (Ranunculus aquatilis) und dieGrünalge Pediastrum gedeihten. Die planktonischlebende Grünalge Pediastrum integrum, die in diesentonigen Sedimenten neben Pediastrum boryanum

vorkommt, zeigt einen flachen, kalten und oligo-trophen See an13. Diese häufig im Spätglazial undim frühen Holozän vorkommende Art gibt es heutenur noch an fünf Reliktstandorten in den Alpen.Ihre Hauptverbreitung liegt heute in den skandina-vischen Seen, in Kanada und Patagonien.

In 735 bis 700 cm Tiefe weist das Sediment

wieder einen höheren Anteil an Sand auf, und diePollenkonzentration nimmt stark ab. Die Kiefer(Pinus) dominiert und weist zunächst eine zuneh-mende Tendenz auf. Gleichzeitig gehen die Werteder Birke (Betula), der Zirbe (Pinus cembra), desWacholders (Juniperus) und der Gräser (Gramineae)zurück. Ab 715 cm Tiefe fällt die Kurve der Kiefer(Pinus) deutlich ab und erreicht in 705 cm ein Mini-mum, während die Birke (Betula) und die Gräser(Gramineae) in dieser Tiefenstufe Spitzenwerteerzielen. Aufgrund der geringen Pollenkonzentra-tion der Baumpollen ist anzunehmen, dass dieWaldgrenze in dieser Phase unter die Höhenlagedes Moores hinabgedrückt wird. Diese Verände-rungen am Ende des Alleröds dürften klimatischbedingt sein und sind mit der Gerzenseeschwan-kung14 zu synchronisieren.

Eine klimatisch günstige Periode zeichnet sich amÜbergang Alleröd/Jüngere Dryas ab (700-692,5 cmTiefe). Das Sediment weist in diesem Bereich höhere Anteile an dunkler organischer Substanzauf, was für eine hohe Stoffproduktion und günstigeVerhältnisse im See spricht. Gleichzeitig erreichtdie Kiefer (Pinus) die höchsten Werte in dieser Zone,und die Zirbe (Pinus cembra) beginnt sich um das

13 Komarek/Jankovska 2001. 14 Eicher 1980.

188

Moor auszubreiten. Pollenfunde der Pappel (Populus)weisen darauf hin, dass die Waldgrenze in der Nähegewesen sein muss.

Mit Beginn der Jüngeren Dryas (692,5 cm) nehmen der organische Anteil im Sediment und derminerogene Anteil zu. Dieses Zeichen einer Klima-verschlechterung manifestiert sich auch in derVegetation. Die Kiefer (Pinus) zeigt deutliche Ein-bußen. Zwar verzeichnet die Zirbe (Pinus cembra) inihren Prozentwerten Zuwächse, aber dies ist einrechnerisches Phänomen. In den Konzentrations-werten bleibt die Zirbe (Pinus cembra) gleich undbreitet sich demnach am Beginn der JüngerenDryas nicht aus.

Der Wald hat nach wie vor einen lichtoffenen Cha-rakter. Dies manifestiert sich in den hohen Wertender Gräser (Gramineae), von Beifuß (Artemisia),Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae), Wiesenraute(Thalictrum) und Wacholder (Juniperus). Danebentreten auch Sanddorn (Hippophae) und Sonnen-röschen (Helianthemum) auf. Das Maximum dieserKlimaverschlechterung wird im Bereich der Tiefen-stufe 671,5 cm erreicht. Hier treffen hohe Werte vonGräsern (Gramineae), Beifuß (Artemisia) und Gänse-

fußgewächsen (Chenopodiaceae) mit minimalenKiefern (Pinus)-Werten und einem hohen Sandanteilim Sediment zusammen. Die Waldgrenze liegtdeutlich unterhalb der Seehöhe des Moores.

Auch auf die lokale Vegetation des Sees wirktsich die Klimaverschlechterung aus. Am Beginn derJüngeren Dryas gehen die Sauergräser (Cyperaceae)und der Schachtelhalm (Equisetum) zurück, dieGrünalge Pediastrum integrum breitet sich wiederaus. Dies zeigt einen erhöhten Wasserspiegel imSee an. Im Laufe der Jüngeren Dryas nehmen aberPediastrum und der Igelkolben (Sparganium) wiederab, während der Schachtelhalm (Equisetum) zu-nimmt. Unter den Landpflanzen ist der Wacholder(Juniperus) stärker vertreten. Möglicherweise sinddies Hinweise, dass das Klima der Jüngeren Dryasanfänglich feuchter und dann wieder trockenerwird. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der gla-ziologischen Untersuchungen im Schönverwalltal 15,die belegen, dass am Beginn der Jüngeren Dryasfeuchtere Bedingungen aufgrund von erhöhtenWinterniederschlägen herrschten, während der jün-gere Abschnitt der Jüngeren Dryas eher trockenerzu sein scheint.

Moor bei Garsella.

15 Sailer/Kerschner 1999, Kerschner/Kaser/Sailer 2000.

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

189

190

Abb. 2: Pollendiagramm der spätglazialen bis mittelholozänen Ablagerungen aus dem Moor bei Garsella.

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

191

lagen rasch aus und bildet mit der Fichte (Picea)Mischwälder aus. Die Hasel (Corylus avellana) unddie Linde (Tilia) werden in tiefere Lagen abge-drängt. Um 5500 BP geht auch die Ulme (Ulmus)zurück. Der Rückgang dieser Laubhölzer steht inZusammenhang mit der Ausbreitung der Tanne(Abies), die nun die Standorte der Hasel (Corylus),der Linde (Tilia) und der Ulme (Ulmus) in diesenHöhenlagen einnimmt. Zugleich mit der Ausbrei-tung der Fichte (Picea) und der Tanne (Abies) gehteine Verdichtung des Waldes einher, so dass dieGräser (Gramineae) und Kräuter einen starken Rück-gang erfahren. Nur die Korbblütler (Cichoriaceae),Rosengewächse (Rosaceae) und Mädesüß (Filipendula),die direkt am Moor stehen, sind noch mit höherenProzentwerten vertreten. Im Bereich des Moorestritt nun auch die Wasserlinse (Lemna) auf, die indieser Zone auf eutrophe Bedingungen im Moorhinweist.

In der lpaz G-4 (Picea-Abies-Fagus-Cyperaceae

Zone), die in das Subboreal zu stellen ist, zeichnensich die ersten Veränderungen in der Vegetationdurch den Menschen ab. Um das Moor stockt einFichten-Tannenwald mit Buche (Fagus), wobei dieFichte (Picea) dominiert. Ab 188,5 cm Tiefenstufegehen die Werte der Fichte (Picea) und der Esche(Fraxinus) zurück. Ab 183,5 cm Tiefe ist davon auchdie Ulme (Ulmus) betroffen. Im Fichten-Tannen-Wald erleidet nicht nur die Fichte (Picea), sondernauch in geringerem Ausmaß die Tanne (Abies)Einbußen, was an den Pollenkonzentrationswertenersichtlich ist. Gleichzeitig nehmen unter denBaumpollen die lichtliebenden Gehölze wie Birke(Betula) und Hasel (Corylus avellana) zu, die aufeine Auflichtung schließen lassen. Unter den NBPsind die Gräser (Gramineae), Sauerampfer (Rumex)und Brennnesselgewächse (Urticaceae) stärker ver-treten. Erstmals tritt der Spitzwegerich (Plantago

lanceolata) als Zeiger für lichtoffene Standorte auf.Ebenfalls gleichzeitig setzen die Kurven der kopro-philen Pilze (Sordaria, Sporormiella) ein, die obligatauf Dung vorkommen. Dies zeigt, dass in diesemBereich erstmals eine Beweidung der Wälder erfolgt,was eine Auflockerung der Fichten-Tannenwälderum das Moor bewirkte. Diese erste anthropogenePhase erstreckt sich von 188,5 bis 178,5 cm Tiefeund ist an die Grenze des Neolithikums zur Bronze-zeit zu stellen.

Aufgrund der Auflichtung des Waldes kommt es zu hydrologischen Veränderungen, wobei dasWasser verstärkt oberflächlich abfließt, was zu einerZunahme der Feuchtigkeit im Moor führt. Dadurchbreiten sich am Moor die Erle (Alnus) und vor allemdie Sauergräser (Cyperaceae), Mädesüß (Filipendula)und auch die Liliengewächse (Liliaceae) aus. Auchdie Farne (Dryopteris filixmas Typ) nehmen deutlich

An der Wende von der Jüngeren Dryas zumPräboreal erfolgt eine deutliche Vegetationsände-rung. Die lpaz G-2 (Corylus-Tilia-Ulmus Zone) beschreibt diese Vegetationsentwicklung. Mit Beginndes Holozäns zeichnet sich eine markante Klima-besserung ab, ersichtlich am Sedimentwechsel vonTon zu Radizellentorf und dem Einwandern wärme-liebender Laubhölzer. Im Bereich des Moores herrschtam Beginn des Präboreals ein Birken-Kiefernwaldvor. Dieser Wald wird in den tiefen Lagen durch dieHasel (Corylus avellana) und die Eichenmischwald-arten Eiche (Quercus), Linde (Tilia), Ulme (Ulmus)und Ahorn (Acer) unterwandert. Die Esche (Fraxinus)folgt am Ende des Präboreals. Diese wärmeliebendenLaubhölzer breiten sich sukzessive auch in höherenLagen aus. Die Waldgrenze steigt über das Moorhinauf. Der Birken-Kiefernwald im Bereich desMoores wird dichter, was sich im Rückgang derGräser (Gramineae) und Kräuter manifestiert. DemWald sind auch Eberesche (Sorbus) und Lärche(Larix) beigemischt. Im Laufe des Präboreals erreichtdie Hasel (Corylus) die Höhenlage des Moores. Ihrlokales Vorkommen, ebenso wie das der Lärche(Larix), wird durch Holzfunde im Moor bestätigt.Um das Moor stocken nun haselreiche Birken-Kiefernwälder. Die wärmeliebenden Laubhölzer wieAhorn (Acer), Esche (Fraxinus), Linde (Tilia) undUlme (Ulmus) dürften aufgrund ihrer beachtlichenWerte im Pollenprofil bis in die Nähe des Mooresvorgestoßen sein. Dieses Vegetationsbild bleibtauch im Boreal und bis ins mittlere Atlantikum auf-recht. Die Haseldominanz wird um 7380 BP beendet,da sich die Fichte (Picea) in den mittleren Höhen-lagen ausbreitet und die Hasel (Corylus) in tiefereLagen abdrängt. Zugleich wandern die Tanne (Abies)und etwas später die Buche (Fagus) ins Unter-suchungsgebiet ein.

Ab dem Boreal macht sich eine verstärkte Feuer-aktivität im Bereich des Moores bemerkbar, die bisin das mittlere Atlantikum anhält. Die Hasel(Corylus), die mit dem Anstieg der Holzkohlen(Particulae carbonae >50µ) abnimmt, scheint davonin erster Linie betroffen zu sein. Im Sediment steigtin Folge der erhöhten Erosion der tonig-sandigeAnteil. Die Feueraktivität führt zu einer Zunahmeder Gräser (Graminae) und der Kräuter, vor allemder Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae), Zungen-blütler (Cichoriaceae), Rosengewächse (Rosaceae)und Mädesüß (Filipendula).

Die lpaz G-3 (Picea-Abies-Ulmus Zone) beschreibtdie Ausbreitung der Fichte (Picea), der Tanne (Abies)und der Buche (Fagus) sowie den allmählichenRückgang der Eichenmischwaldarten im Montafon.Sie umfasst das mittlere und späte Atlantikumsowie Teile des Subboreals. Mit Beginn dieser lpazG-3 breitet sich die Tanne (Abies) in mittleren Höhen-

192

zu, was allgemein für feuchtere Bedingungen spricht.Aus dem Relativdiagramm ist ersichtlich, dass

die Fichte (Picea) nach Ende dieses menschlichenEingriffes in 178,5 cm Tiefe weiterhin abnimmt.Erst in 168,5 cm Tiefe kehrt der Trend wieder um,und die Fichte (Picea) breitet sich wieder aus. Diestrifft in abgeschwächter Form auch auf die Tanne(Abies) zu. Erstaunlich ist, dass sowohl der Spitz-wegerich (Plantago lanceolata) als auch der koprophilePilz Sordaria, der obligat auf Dung vorkommt,bereits in 180 cm Tiefe aussetzt. Somit ist dies einHinweis, dass auch in dieser Tiefe die Beweidungaufhört, obwohl die Fichte (Picea) und Tanne (Abies)danach immer noch abnehmen. Einzig die Buche(Fagus) reagiert am Ende dieser ersten anthropo-genen Phase in 178,5 cm Tiefe und nimmt zu. Siekann sich in dem aufgelockerten Fichten-Tannen-wald verstärkt ausbreiten. Möglicherweise ist diesauch ein Effekt der feuchteren Bedingungen.

In 166,5 cm Tiefe bricht die Kurve der Buche(Fagus) wieder ein, und erneut treten Pollen desSpitzwegerichs (Plantago lanceolata) auf. Die Klimax-baumarten Fichte (Picea) und Tanne (Abies) zeigenkeine Reaktion, so dass dieser Eingriff in den tieferenLagen erfolgt. Eine durchgehende Kurve weist derSpitzwegerich (Plantago lanceolata) erst ab 162,5 cmTiefe auf. Gleichzeitig zeigen die Kurven von Fichte(Picea) und Tanne (Abies) einen unruhigen Verlauf,die Werte der Holzkohlen steigen etwas an, weitereSiedlungszeiger wie Sauerampfer (Rumex, Rumex

acetosella) und Brennnesselgewächse (Urticaceae)kommen vor. Sie indizieren, dass der Mensch wiederin den Wald im Bereich des Moores eingreift undihn zur Beweidung nutzt.

Dieser anthropogene Eingriff verstärkt sich inder lpaz G-5 (Picea-Abies-Fagus-Gramineae Zone). DieTanne (Abies) geht mit Beginn dieser Zone zurück,während die Fichte (Picea) in der ersten Hälfte derZone noch zunimmt. Gleichzeitig mit dem Ein-bruch der Tannenkurve (Abies) steigen die Gräser(Gramineae), der Spitzwegerich (Plantago lanceolata)und die Brennnesselgewächse (Urticaceae) an. DieZunahme der Gräser (Gramineae) und das Auftre-ten der Siedlungszeiger Spitzwegerich (Plantago

lanceolata) und Brennnesselgewächse (Urticaceae)zeigen eine neuerliche Auflichtung des Fichten-Tannenwaldes um das Moor an. Die Schlägerungenim Wald erfolgen vorerst selektiv, da zunächst nurdie Tanne (Abies) betroffen ist. Erst in der zweitenHälfte dieser Zone geht auch die Fichte (Picea)zurück. Verstärkt kommen lichtliebende Gehölzewie Birke (Betula) und Hasel (Corylus) auf. Der auf-gelockerte Wald wird beweidet, was neben demVorkommen von Spitzwegerich (Plantago lanceolata)durch das erneute Auftreten von Sordaria zusätzlichbestätigt wird. Die Rodungstätigkeit spiegelt sich

auch in einer flächendeckenden Holzlage im Moor,die bei Sondierungen in 140 bis 155 cm Tiefe fest-gestellt wurde, wider. Diese Siedlungsphase ist durchzwei Radiokarbondaten eingegrenzt. Sie beginntum 3700 BP, also in der frühen Bronzezeit, unddauert nach einem zweiten Radiokarbondatum ander Obergrenze dieser anthropogenen Phase etwaeinhundert Jahre.

Im Anschluss an diese anthropogene Phase ver-dichtet sich der Wald wieder. Es folgt eine Phase, diedurch einen Nutzungsrückgang gekennzeichnet ist.In der lpaz G-6 (Picea-Abies-Fagus-Filipendula Zone),die in das Subboreal und das frühe Subatlantikumzu stellen ist, gehen die Gräser (Gramineae) zurück,und die Kurve von Spitzwegerich (Plantago lanceolata)setzt aus. Um das Moor stockt ein Fichten-Tannen-wald, dem etwas Buche (Fagus) beigemischt ist. In130,5 cm Tiefe setzt wieder die Kurve von Spitz-wegerich (Plantago lanceolata) ein, und Brennnessel-gewächse (Urticaceae) treten auf. Diese Pollen scheinenaber aus der weiteren Umgebung zu stammen, dadie Klimaxbaumarten Fichte (Picea) und Tanne (Abies)in ihren Kurven keine signifikanten Einbrücheaufweisen.

Ab 115,5 cm Tiefe verstärkt sich der anthropogeneEinfluss wieder. Die Fichte (Picea) zeigt nun abnehmende Tendenz, während die Tanne (Abies)unverändert bleibt. Die Fichte (Picea) ist offensichtlichin erster Linie von den Schlägerungen betroffen.Eine gewisse Auflichtung um das Moor wird durchdas vermehrte Auftreten der Birke (Betula) und derPappel (Populus) im Pollendiagramm angezeigt. Zugleich setzt eine durchgehende Kurve von Spitz-wegerich (Plantago lanceolata) ein, und sporadischtreten koprophile Pilzsporen (Sordaria) auf. Um dasMoor erfolgt wieder eine Nutzung durch Beweidung.In tieferen Lagen wird auch Ackerbau betrieben,was der Fund eines Getreidepollenkorns vomPanicum-Typ (Hirse) in 112,5 cm Tiefe beweist. Auf-grund des Radiokarbondatums in 118,5 cm Tiefevon 3405 ± 35 BP (1780-1600 BC) fällt diese Sied-lungsphase in den Übergang von der frühen zurmittleren Bronzezeit.

An der Obergrenze dieser lpaz G-6 tritt derMensch wieder stärker in Erscheinung. In 109,5 cmTiefe zeigt die Fichtenkurve (Picea) einen deut-lichen Einbruch. In 105,5 cm Tiefe steigt auch wiederdie Feueraktivität um das Moor. Synchron nehmendie Gräser (Gramineae) wieder zu, die Siedlungs-zeiger Beifuß (Artemisia), Spitzwegerich (Plantago

lanceolata) und die Brennnesselgewächse (Urticaceae)sind durchgehend vorhanden. Zugleich nehmen auchdie Kräuter offener Standorte, wie Doldenblütler(Umbelliferae), Kreuzblütler (Cruciferae), Rosengewächse(Rosaceae) und Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)deutlich zu. Der Fichten-Tannenwald wird

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

193

Abb. 3: Pollendiagramm der subborealen und subatlantischen Ablagerungen aus dem Moor bei Garsella.

194

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

195

aufgelichtet und wieder extensiv beweidet, wie das zusätzliche Vorkommen der koprophilenPilzsporen von Sordaria und Sporormiella beweist.Ein Radiokarbondatum aus 102,5 cm Tiefe von 3375± 40 BP (1750-1520 BC) stellt diese anthropogeneAktivität an den Übergang von der Frühbronzezeit zurMittelbronzezeit. Die weitere pollenanalytische Auf-zeichnung dieser Siedlungsphase wird durch eineSedimentlücke (Hiatus), welche die mittlere undspäte Bronzezeit, die Eisenzeit, die Römerzeit undTeile des Frühmittelalters umfasst, abrupt beendet.

Die folgende lpaz G-7 (Picea-Alnus-Gramineae

Zone) weist an der Basis schon ein mittelalterlichesDatum auf. Im Pollendiagramm ist ersichtlich, dassbereits an der Untergrenze dieser Zone großflächigeEingriffe des Menschen stattgefunden haben. Auf-grund des drastischen Rückgangs der Tanne (Abies)und der Buche (Fagus) wird die Fichte (Picea) zurallein dominierenden Baumart in den montanenLagen. Am Moor selbst tritt die Erle (Alnus) stärkerin Erscheinung. Die Gräser (Gramineae) nehmendeutlich zu, und Spitzwegerich (Plantago lanceolata)ist in Prozentwerten und der kleine Sauerampfer(Rumex acetosella) mit einer durchgehendenPollenkurve vertreten. Der Fichtenwald um das Moor ist weiter aufgelichtet worden, was durch dieWiesenkräuter Schafgarbe (Achillea), Doldenblütler(Umbelliferae), Glockenblumengewächse(Campanulaceae), Rosengewächse (Rosaceae), Hahnen-fußgewächse (Ranunculaceae) und Sauerampfer(Rumex) dokumentiert wird. Die offenen Flächenum das Moor werden beweidet, wie die Weidezeigerneben Wacholder (Juniperus), Adlerfarn (Pteridium

aquilinum) und die koprophilen Pilzsporen belegen.Auch die Feueraktivität ist in diesem Abschnitt hoch.

In den tieferen Lagen sind die fruchtbaren Stand-orte des Eichenmischwaldes gerodet worden. DieEsche (Fraxinus excelsior), die Linde (Tilia) und dieUlme (Ulmus) sind nur noch sporadisch vorhanden.Die tiefmontanen Fichten-Tannenwälder (Abieti-

Piceetum) mit Buche (Fagus) haben auch Einbußenerlitten. Diese Flächen sind kultiviert worden, undes wird Ackerbau betrieben, wie das Vorkommender Getreidepollen von Weizen (Triticum-Typ) undHirse (Panicum-Typ) zeigt. Edelkastanie (Castanea

sativa) und Walnuss (Juglans) sind ebenso im Pollen-spektrum vertreten, wobei die Walnuss (Juglans) intiefen Lagen angepflanzt worden ist. Bei den Pollen-körnern der Edelkastanie (Castaneae sativa) dürftees sich allerdings um Fernflug aus dem Südenhandeln. Der Beginn dieser Siedlungsphase ist nunwieder durch ein Radiokarbondatum erfasst undfällt mit 800-1000 AD in das Mittelalter.

Die letzten tausend Jahre der Vegetationsentwick-lung beschreibt die lpaz G-8 (Gramineae-Plantago

lanceolata-Picea Zone). Nun wird der montane

Fichtenwald (Picea) großflächig gerodet, was zu einerneuerlichen Abnahme der Fichte (Picea) im Um-kreis des Moores führt. Hier sind die Eingriffe desMenschen am größten. Es finden großflächigeRodungen statt, die zu einer mosaikartigen Vegeta-tionsstruktur führen, in der Grünflächen und Baum-bestände abwechseln. Gräser (Gramineae), Rosen-gewächse (Rosaceae), Beifuß (Artemisia), GroßerWegerich (Plantago major), Spitzwegerich (Plantago

lanceolata), Sauerampfer (Rumex acetosa), KleinerSauerampfer (Rumex acetosella) und die Brennnes-selgewächse (Urticaceae) steigen deutlich an undweisen auf eine extensive Weidewirtschaft. Die hoheBeweidungsintensität findet ihren Niederschlagauch in den hohen Werten der koprophilen Pilz-sporen von Sordaria und Sporormiella, synchron mitden Weideunkräutern wie Wacholder (Juniperus)und Adlerfarn (Pteridium aquilinum), die sich in dieserPhase ausbreiten können. Auf dem Moor tritt derSumpfbärlapp (Lycopodium innundatum) auf undzeigt offene Torfflächen an.

Unter den Kulturpflanzen ist die Diversität nunam größten. Eine deutliche Zunahme verzeichnendie Pollen der Hanfgewächse (Cannabaceae), diewohl vom Hanf (Cannabis sativa) stammen, der zurFaser- und Ölgewinnung angebaut wurde. Auchunter den Getreidepollen ist nun eine größere Viel-falt zu verzeichnen. Die Felder werden außer mitWeizen (Triticum-Typ) auch mit Hirse (Panicum),Gerste (Hordeum vulgare) und Roggen (Secale) bestellt.

In der Neuzeit geht die anthropogene Aktivitätum das Moor etwas zurück. Die Fichte (Picea) breitetsich erneut in den höheren Lagen aus. Trotzdemsprechen die nach wie vor hohen Werte der Gräser(Gramineae), des Spitzwegerichs (Plantago

lanceolata) und Rosengewächse (Rosaceae) für eineextensive Weidenutzung des Gebietes. Unter denKulturpflanzen ist neben dem bereits bekanntenGetreide zum ersten Mal der Mais (Zea mays) nach-gewiesen. In der jüngsten Entwicklung nimmt die Beweidung und Siedlungstätigkeit neuerlich zu.Die Fichte (Picea) zeigt eine deutliche Abnahme,und die Siedlungs- und Weidezeiger nehmen mar-kant zu. Damit stellen sich die heutigen Vegetations-verhältnisse um das Moor ein.

Spitzwegerich

196

Das Pollenprofil vom Brannertsried

Sedimentbeschreibung

Das Pollenprofil vom Brannertsried liegt zirka 500Meter tiefer als das Moor Garsella mitten im heutigenSiedlungsgebiet der Streusiedlung Bartholomäberg.Die Bohrung wurde bis auf den anstehenden Schotterin 375 cm Tiefe niedergebracht. Die untersten 50 cmbestehen aus stark zersetztem Radizellentorf, demauch Ton beigemischt ist. Darüber hängt in 325 cmTiefe eine Ton- und Sandschicht mit Radizellen. In291 bis 286 cm Tiefe ist eine Grobsandlage ein-gesprengt. Dann folgt bis 257 cm Tiefe ein starkzersetzter Radizellentorf mit Ton- und Schluffbeimen-gungen. Der Schluffgehalt geht in 257 cm zurück,und es liegt wieder stark zersetzter Radizellentorfmit geringen Schluffbeimengungen vor. Ab 240 cmTiefe ist eine 7 cm mächtige Tonlage mit organischem

Anteil eingelagert, die in 233 cm in Sand übergeht.Ab 221 cm Tiefe wird Radizellentorf mit Ton- undSandanteilen abgelagert, der in 168 cm Tiefe inPhragmites-Radizellentorf übergeht. In 62 cm Tiefeist dem Phragmites-Radizellentorf eine 9 cm mächtigeSandlage eingeschaltet. Darüber lagert neuerlichstark durchwurzelter Radizellentorf, der in 30 cmTiefe in erdige Konsistenz übergeht (Tab.6).

Die Vegetationsentwicklung im PollenprofilBrannertsried

Die Sedimentation beginnt erst im Subatlantikum.Die Pollenanalysen des Brannertsrieds erfassendementsprechend die Vegetationsentwicklung ab derEisenzeit. In der Basisprobe besitzen die Eichen-mischwaldarten Linde (Tilia) und Ulme (Ulmus)noch beachtliche Prozentwerte, sind anschließendaber nur mehr in Spuren vertreten. Ursprünglichwaren die Laubhölzer Linde und Ulme auf denfrischen Böden dieser Terrasse häufiger. Diese Artenwurden offensichtlich als Erstes geschlägert undhaben dann ihre Hauptverbreitung im Talboden-bereich und entlang der Bachtobel an den Hängen.Durch die anthropogene Entwaldung wird dieInterzeption und Evapotranspiration herabgesetzt,und der Grundwasserspiegel steigt. In der Folgekommt es in abflusslosen Becken zu Vermoorungen.Aus der vorliegenden Abfolge im Pollenspektrumkann geschlossen werden, dass die Vermoorungbeziehungsweise die Bildung des Brannertsriedserst aufgrund der anthropogenen Öffnung desWaldes auf der Hangterasse von Bartholomäbergeinsetzte. Das vereinzelte Vorkommen der Siedlungs-zeiger Spitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ) undBrennnessel (Urtica) bestätigt die Anwesenheit desMenschen in der Umgebung. In der lpaz BR-1(Abies-Picea Zone) dominiert um das Moor ein Fichten-Tannenwald (Abieti-Piceetum), in dem die Tanne eindeutig stärker vertreten ist. Auch die Buche (Fagus)ist etwas beigemischt.

Tiefe (cm)

0 – 30

30 – 53 53 – 62 62 – 69 69 – 80 80 – 160

160 – 168

168 – 221 221 – 233 233 – 240 240 – 257

257 – 286

286 – 291 291 – 325 325 – 375

Ablagerung

erdiger, stark durchwurzelterRadizellentorfstark durchwurzelter RadizellentorfGrobsandstark durchwurzelter RadizellentorfRadizellentorf mit PhragmitesPhragmites-RadizellentorfPhragmites-BraunmoosRadizellentorfRadizellentorf mit Sand und TonSand mit RadizellenTon mit Radizellenstark zersetzter Radizellentorf mit Tonstark zersetzter Radizellentorf mit Ton und SchluffGrobsandTon und Sand mit Radizellenstark zersetzter Radizellentorf mit Ton

Bezeichnung nach Troels-SmithTh12 Sh32 Ag+

Th23 Tb21 As+ Ag+ Gg4 As+ Ag+Tb24 As+ Ag+Tb23 ThP11ThP14ThP12 Tb22

Th22 As 1 Ag 1Ag 3 Th31 Sh3+As 3 Th31 Sh3+Th33 As 1

Th32 As 1 Ag 1

Gg 4 As+ Ag+As 2 Ag 1 Th31Th33 As 1 Ag +

Tab. 6: Beschreibung der Ablagerungen im Moor Brannertsried.

lpazBR-1BR-2

BR-3BR-3a

BR-3bBR-3cBR-4BR-5

BR-6BR-7

NameAbies-Picea ZoneAlnus-Picea-Abies Zone

Gramineae-Cichoriaceae ZoneAlnus-Gramineae-Cichoriaceae Subzone

Gramineae-Cichoriaceae-Cerealia SubzoneJuniperus-Gramineae-Cichoriaceae SubzonePicea-Abies-Alnus ZonePicea-Alnus-Abies Zone

Gramineae-Rubiaceae ZonePicea-Pinus-Gramineae Zone

Tiefe375 – 350 cm350 – 330 cm

330 – 230 cm330 – 300 cm

300 – 265 cm265 – 230 cm230 – 190 cm190 – 149 cm

149 – 82 cm82 – 5 cm

ObergrenzeRückgang von AbiesRückgang von Alnus; Anstieg derGramineaeRückgang der Gramineae, Anstieg von PiceaAnstieg von Juniperus; Rückgang vonCorylus avellana2. Anstieg von JuniperusRückgang der Gramineae, Anstieg von PiceaAnstieg von AlnusRückgang von Alnus; Anstieg derGramineaeAnstieg von Pinus; Rückgang der GramineaeRezente Torfoberfläche

AlterSubatlantikum pp.Subatlantikum pp.

Subatlantikum pp.Subatlantikum pp.

Subatlantikum pp.Subatlantikum pp.Subatlantikum pp.Subatlantikum pp.

Subatlantikum pp.Subatlantikum pp.

Tab. 7: Übersicht über die lokalen Pollenzonen (lpaz) aus dem Moor Brannertsried.

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

197

Abb. 4: Pollendiagramm der subatlantischen Ablagerungen aus dem Moor Brannertsried.

198

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

199

An der Untergrenze der lpaz BR-2 (Alnus-Picea-

Abies Zone) greift der Mensch in unmittelbarer Nähedes Moores ein. Die Tanne (Abies) fällt am Beginnder Zone drastisch ab, die Fichte (Picea) zeigt eben-falls rückläufige Tendenz, und an der Obergrenzeder lpaz BR-2 halten beide Baumarten bei gleichenWerten. Auch die Buche (Fagus) mit ihren geringenWerten nimmt ab. Im Gegenzug nehmen die Gräser(Gramineae) zu. Der Fichten-Tannenwald (Abieti-

Piceetum) im Umkreis des Moores wird gerodet.Ulme (Ulmus), Linde (Tilia), Ahorn (Acer) und Esche(Fraxinus excelsior) sind die Begleitflora der an denHängen von Bartholomäberg herabziehenden Bach-tobel. Lichtliebende Gehölze wie die Hasel (Corylus

avellana) und die Birke (Betula) finden auf den Lichtungen neue Standorte, und auf dem Moor kannsich die Erle (Alnus) ausbreiten. Die SiedlungszeigerBeifuß (Artemisia), Gänsefußgewächse(Chenopodiaceae), Spitzwegerich (Plantago lanceolata-

Typ) und Ampfer (Rumex) sind stetig vertreten. Ander Obergrenze der Zone setzt die durchgehendeGetreidepollenkurve (Cerealia) ein. Der Beginn dieserSiedlungsphase ist durch ein Radiokarbondatumauf 600-400 BC datiert.

Mit der lpaz BR-3 (Gramineae-Cichoriaceae Zone)folgt eine Phase intensiver anthropogener Beeinflus-sung. Die gesamte Zone von 1m Sedimentmächtigkeitweist einen beachtlich hohen mineralischen Anteilauf, was auf eine hohe Sedimentationsgeschwindig-keit hindeutet. Dieses 1 m mächtige Sedimentpaketentspricht einer Zeitspanne von 600 bis 800 Jahrenund lässt sich in drei Unterabschnitte gliedern. Inlpaz BR-3a (Alnus-Gramineae-Cichoriaceae Subzone)nehmen die Fichte (Picea) und die Tanne (Abies)weiterhin stetig ab. Sie liegen nun bei gleich hohenWerten und fallen von 20 auf 10 Prozent. Alle übrigenlokalen Baumarten zeigen ebenfalls rückläufigeTendenz. So verschwinden die Eichenmischwald-arten. Ahorn (Acer), Esche (Fraxinus) und die Ulme(Ulmus) sind nur noch entlang der Bachläufe vertreten.Auch die Hasel (Corylus avellana) nimmt stetig ab.Die Rodungsflächen um das Moor werden ausgeweitet,was auch durch die Zuwächse der Nichtbaumpollenwiedergegeben wird. Die Gräser (Gramineae) steigenvon 10 auf 35 Prozent an. Unter den Kräutern besitzen die Doldengewächse (Umbelliferae), Kreuz-blütler (Cruciferae), Nelkengewächse (Caryophyllaceae),Schmetterlingsblütler (Papilionaceae), Hahnenfuß-gewächse (Ranunculaceae) und Rosengewächse(Rosaceae) Prozentwerte. Gemeinsam mit Schafgarbe(Achillea), Schwarzer Flockenblume (Centaurea

nigra-Typ), Hornklee (Lotus) und Klee (Trifolium)zeigen sie Grünland an. Auf dem Moor breiten sichdie Zungenblütler (Cichoriaceae) verstärkt aus. Auchdie Siedlungszeiger mit Beifuß (Artemisia), Gänse-fußgewächsen (Chenopodiaceae), Spitzwegerich

(Plantago lanceolata-Typ), Ampfer (Rumex) undBrennnessel (Urtica) kommen in Prozentwerten vorebenso wie Getreide (Cerealia). Dies bestätigt dieNähe der Siedlungs- und Wirtschaftsflächen zumMoor. Auf der Hangterrasse um das Brannertsriedwurde intensiv Ackerbau und Grünlandwirtschaftbetrieben.

In der lpaz BR-3b (Gramineae-Cichoriaceae-

Cerealia Zone) wird der menschliche Einfluss nochintensiver. Die Rodungsflächen werden erweitert,was sich im stetigen Rückgang der Fichte (Picea)und Tanne (Abies) manifestiert. Die Buche (Fagus)ist nur noch in Spuren vertreten, und die Erlen(Alnus) im Randbereich des Moores werden dezimiert.Die Gräser (Gramineae) besitzen konstant hoheWerte, und in beachtlichen Prozentwerten tretenSpitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ) und Getreide(Cerealia) auf. Ein Großteil der Flächen um dasMoor wird nun intensiv bewirtschaftet. Es wirdsowohl Ackerbau als auch Viehzucht betrieben. NebenGetreide wird auch Hanf (Cannabaceae) für die Öl-und Fasergewinnung angebaut. Auf ausgedehnteWeideflächen weisen neben den Gräsern (Gramineae)vor allem der Spitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ) und der Wacholder (Juniperus) hin. Danebentreten die Wiesenzeiger Schafgarbe (Achillea), Doldenblütler (Umbelliferae), Schwarze Flocken-blume (Centaurea nigra-Typ), Nelkengewächse(Caryophyllaceae), Schmettleringsblütler (Papilionaceae,

Lotus, Trifolium, Vicia), Hahnenfußgewächse(Ranunculaceae) und die Rosengewächse (Rosaceae)in Prozentwerten auf und bestätigen die Existenzausgedehnter Grünflächen um das Moor.

Die maximale Ausdehnung des Siedlungs-bereiches erfolgt nach einem Radiokarbondatum ander Obergrenze von lpaz 3b zwischen 540 und 390BC. In der folgenden dritten Phase dieser Siedlungs-tätigkeit, lpaz BR-3c (Gramineae-Cichoriaceae-

Juniperus Zone), dominieren nach wie vor die Gräser(Gramineae). Die Auflichtungen erreichen ihregrößte Ausdehnung, was zu Tiefstwerten (unter 10Prozent) bei Fichte (Picea) und Tanne (Abies) führt.Trotz der großflächigen Öffnung der Landschaftzeichnen sich erste Veränderungen in der Wirtschafts-weise ab. Die Getreide (Cerealia) sind zwar noch inbeachtlicher Prozentstärke vorhanden, trotzdemhaben sie gegenüber lpaz BR-3b abgenommen.Dafür scheinen die Weideflächen zugenommen zuhaben. Wacholder (Juniperus), ein Weideunkraut, istnun mit 5 Prozent vertreten. Unvermindert hochsind die Werte von Spitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ) und der übrigen Siedlungszeiger (Artemisia,

Chenopodiaceae, Rumex, Plantago major-Typ, Urtica).Auch die Wiesenzeiger (Centaurea nigra-Typ,Caryophyllaceae, Papilionaceae, Ranunculaceae,

Rosaceae) haben noch hohe Werte. Entweder wurde

200

mehr Weidewirtschaft betrieben, oder die Acker-flächen wurden weiter vom Moor entfernt angelegt.

Die Feueraktivität in dieser lpaz BR-3 ist hoch.Die Holzkohlen besitzen in dieser gesamten Pollen-zone Spitzenwerte, die auch im Mittelalter nichtmehr erreicht werden. Am höchsten sind die Holz-kohlenwerte in lpaz BR-3a, was auf die initiale Brand-rodung zurückzuführen ist. Deutlich reagiert dieErle (Alnus) mit einer abrupten Abnahme am Beginnder lpaz BR-3. Wahrscheinlich wurde auch der Erlen-bestand am Moor zu einem großen Teil gerodet.

In der lpaz BR-4 (Picea-Abies-Alnus-Gramineae

Zone) geht die menschliche Aktivität leicht zurück,und der Fichten-Tannenwald (Abieti-Piceetum) kannsich regenerieren. Die lichtliebenden Pionier-gehölze wie die Hasel (Corylus avellana), die Birke(Betula) und die Kiefer (Pinus) nehmen zu, ebensodie Erle (Alnus) und die Weiden (Salix) auf demMoor. Auch die Fichte (Picea) breitet sich wieder aus,und die Tanne (Abies) verzeichnet leichte Zuwächse,wobei aber eindeutig die Fichte (Picea) das Waldbilddominiert. Der schattenintolerante Wacholder(Juniperus) geht zurück. Offensichtlich werden Teileder offenen Flächen vom Wald zurückerobert. DieGräser (Gramineae) besitzen zwar noch hohe Werte,sind aber rückläufig. Auch die Wiesenzeiger(Centaurea nigra-Typ, Caryophyllaceae, Papilionaceae,

Ranunculaceae) nehmen ab und zeigen die Ein-schränkung des Grünlandes an. Trotzdem ist einanthropogener Einfluss noch deutlich vorhanden. DieHangterrassen um das Moor werden nach wie vorfür Ackerbau genutzt, und die Siedlungs- (Artemisia,

Chenopodiaceae, Rumex, Plantago lanceolata-Typ,Urtica) und die Kulturzeiger (Cerealia) verzeichnenProzentwerte. Sie zeugen von der landwirtschaft-lichen Aktivität im Bereich des Brannertsrieds.

Diese ausgedehnte Siedlungsphase mit Beginnin der Eisenzeit (600-400 BC) geht nach einemRadiokarbondatum an der Obergrenze von lpaz BR-4zwischen 80 und 260 AD, also in der Römerzeit,zu Ende. Als neue Kulturpflanze tritt an der Ober-grenze von lpaz BR-4 der Roggen (Secale) zumersten Mal auf. Ebenfalls neu kommen die Edel-kastanie (Castanea sativa) und die Walnuss (Juglans

regia) vor, wobei nur Letztere angepflanzt wordensein dürfte. Der Pollen der Edelkastanie (Castanea

sativa) stammt aus dem Süden und ist als Fernfluganzusehen.

Die Regeneration des Fichten-Tannenwaldes (Abieti-

Piceetum) setzt sich in der lpaz BR-5 (Picea-Alnus-

Abies Zone) fort. Am Übergang von der lpaz BR-4auf lpaz BR-5 breiten sich die Pioniergehölze Birke(Betula), Hasel (Corylus avellana) und die Kiefer(Pinus) aus und leiten eine Sekundärsukzession ein.Die Fichte (Picea) nimmt anfänglich leicht zu undliegt dann bei gleich bleibenden Werten, während

die Tanne (Abies) deutlich an Areal dazu gewinnenkann. In der zweiten Hälfte der lpaz BR-5 erreichtsie die Werte der Fichte (Picea). Auch die Buche(Fagus) verzeichnet am Beginn Zuwächse, wenn-gleich sie nicht das Ausmaß der beiden Nadelhölzererreicht. Mit der Zunahme der Klimaxbaumarten,vor allem der Tanne (Abies), nehmen die lichtlieben-den Gehölze wie Hasel (Corylus avellana) und Birke(Betula) wieder ab. Ein Teil der ursprünglichenRodungsflächen wird nun wieder von einem Fichten-Tannenwald (Abieti-Piceetum) bestockt. Auf demMoor breitet sich die Erle (Alnus) aus. Die Gräser(Gramineae) sind mit 20 Prozent noch gut vertreten.Die Siedlungs- (Artemisia, Chenopodiaceae, Plantago

lanceolata-Typ, Rumex) und Kulturzeiger (Cerealia)haben deutlich abgenommen, sind aber noch immermit durchgehenden Kurven vorhanden. Alles diesspricht für eine Abnahme der anthropogenen Aktivitäten im Umkreis des Moores.

Eine neuerliche Phase verstärkter Siedlungs-tätigkeit um das Moor Brannertsried zeichnet sicham Beginn des Mittelalters an der Untergrenze derlpaz BR-6 (Gramineae-Rubiaceae Zone) ab. DieFeueraktivität am Beginn dieser Zone ist hoch, wieden Holzkohlenbeimengungen (Particulae carbonae)zu entnehmen ist. Gleichzeitig gehen die Klimax-baumarten wieder zurück. Der Fichten-Tannenwald(Abieti-Piceetum) wird gerodet, wobei die Tanne(Abies) stärker betroffen ist als die Fichte (Picea). DieWerte dieser Arten fallen von 25 auf 10 beziehungs-weise 5 Prozent ab. Auch die Erle (Alnus) ist davonbetroffen. Sie fällt am Beginn der lpaz BR-6 deutlichab. Offenbar werden auch Teile des Erlenbestandes(Alnus) am Moor reduziert. Im Umkreis des Mooreswird neuerlich gerodet. Im Gegenzug breiten sichdie Gräser (Gramineae) wieder aus. Ein Teil derGräserpollen ist auch dem Schilf (Phragmites communis)zuzuschreiben, das sich nun, durch Großreste imTorf belegt, am Moor ausbreitet. Die Eingriffe indas Moor werden durch das starke Vorkommen vonLabkräutern (Rubiaceae), die als Störungszeigerlokal im Moor aufkommen, bestätigt. Siedlungs-(Artemisia, Plantago lanceolata-Typ, Rumex, Urtica)und Kulturzeiger (Cerealia, Castanea sativa) sind mitdurchgehenden Kurven vorhanden. Durch Inter-polation der beiden Radiokarbondaten an der Ober-grenze von lpaz BR-4 und lpaz BR-6 beginnt dieseneue Siedlungsaktivität am Bartholomäberg zwischen800 und 1000 AD. Bei minimalen Werten derKlimaxbaumarten Fichte (Picea) und Tanne (Abies)

in der Mitte der lpaz BR-6 setzen wieder Prozent-kurven der Siedlungszeiger ein und bestätigen eineIntensivierung der anthropogenen Aktivität zwischen 1150 und 1280 AD. In der unmittelbarenUmgebung des Moores existiert wieder Grünland,das beweidet wird, wie die Weidezeiger Wacholder

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

201

(Juniperus), Schafgarbe (Achillea), Doldenblütler(Umbelliferae), Schwarze Flockenblume (Centaurea

nigra-Typ), Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)und Rosengewächse (Rosaceae) in Verbindung mitden Siedlungszeigern Beifuß (Artemisia),Spitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ), Ampfer(Rumex) und Brennnessel (Urtica) beweisen. AuchAckerflächen werden neu angelegt, auf denenGetreide (Cerealia), unter anderem auch Roggen(Secale), angebaut wird.

Im 14. Jahrhundert AD, am Beginn der lpaz BR-7 (Picea-Pinus-Gramineae Zone), erfolgt eine neuer-liche Ausbreitung der Fichte (Picea), die Tanne (Abies)bleibt in ihren Werten gleich. Die lichtliebendenPioniergehölze Birke (Betula), Hasel (Corylus avellana)und Kiefer (Pinus) kommen wieder verstärkt auf.Teile der gerodeten Flächen um das Brannertsriedwerden offensichtlich wieder mit einem Wald ausPioniergehölzen und Fichte (Picea) bestockt. DerWald ist licht und wird beweidet, was aus dem Vor-kommen von Wacholder (Juniperus) und Wiesen-zeigern wie Schafgarbe (Achillea), Schwarze Flocken-blume (Centaurea nigra-Typ), Glockenblume(Campanula), Schmetterlingsblütler (Papilionaceae),Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) und Rosen-gewächse (Rosaceae) zu schließen ist. Auch Ackerbau(Cerealia, Secale, Cannabaceae) wird in der weiterenUmgebung des Moores betrieben.

Zwischen 1430 und 1530 AD wird der lichteFichtenwald mit Pioniergehölzen wieder gerodet.Im Zuge dessen fällt die Fichte (Picea) auf heutigeWerte von 15 Prozent zurück, die Kiefer (Pinus)

nimmt ab, ebenso die Hasel (Corylus avellana), dieBirke (Betula) und der Wacholder (Juniperus). DieGräser (Gramineae) breiten sich weiter aus. Ein Teildavon geht wieder auf Kosten des Schilfs (Phragmites

communis), doch dass Grünflächen um das Moorexistieren, beweisen die Werte der Doldenblütler(Umbelliferae), Schafgarbe (Achillea), SchwarzenFlockenblume (Centaurea nigra-Typ), Schmetterlings-blütler (Papilionaceae), Hahnenfußgewächse(Ranunculaceae) und die Rosengewächse (Rosaceae).Die Grünflächen werden beweidet, wie das Vor-kommen von Spitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ), Großer Wegerich (Plantago major-Typ), Ampfer(Rumex), Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) undWacholder (Juniperus) anzeigt. Es wird wieder mehrGetreide (Cerealia) angebaut, darunter auch nachwie vor Roggen (Secale). Auch Hanf (Cannabaceae)spielt als Feldfrucht beziehungsweise als Öl- undFaserpflanze eine größere Rolle. Die Edelkastanie(Castanea sativa) und die Walnuss (Juglans regia)kommen nun in Prozentwerten vor. Im 17. Jahr-hundert AD (30cm Tiefe) erfolgt eine geringfügigeAusbreitung der Fichte (Picea) und der Kiefer (Pinus),zugleich geht die menschliche Aktivität etwaszurück. Anschließend werden aber die Kultur-flächen wieder ausgeweitet, was aus dem stetigenRückgang der Fichte (Picea), der Kiefer (Pinus) undder Hasel (Corylus avellana) hervorgeht. In dieserjüngsten Zeit ist ein Rückgang im Bereich des Acker-baus festzustellen. Die Getreide (Cerealia) und derSpitzwegerich (Plantago lanceolata-Typ) nehmen ab,die Grünlandwirtschaft überwiegt.

Moor bei Brannertsried.

202

Abb. 5: Schematische Übersicht der pollenanalytischnachgewiesenen Siedlungsphasen im Montafon(NZ = Neuzeit, MA = Mittelalter, FMA = Frühes Mittel-alter, VWZ = Völkerwanderungszeit, RZ = Römerzeit,EZ = Eisenzeit, BZ = Bronzezeit, NL = Neolithikum).

Diskussion

Die beiden neuen Pollenprofile aus Bartholomäberg erweitern die bisherigen Kenntnisseder Vegetationsentwicklung im Montafon beacht-lich. Im Pollenprofil Garsella sind zum ersten Malfür das Montafon Teile des Spätglazials mit einerMächtigkeit von 1,5 m detailliert aufgeschlossen. DieSedimentation ist vom Beginn des Alleröds (12.000BP) bis zum Ende der Jüngeren Dryas (11.000 BP)lückenlos erfasst. Mit Beginn der Ablagerung zeigtsich ein Vorherrschen eines lichten Birken-Kiefern-waldes, der im Alleröd maximal bis zu einer Höhevon 1500 Meter gewachsen sein dürfte, was Stomata-Funde der Kiefer (Pinus) in diesen Schichten bestä-tigen. Damit lag die Waldgrenze im Montafon vor12.000 Jahren nur geringfügig tiefer als im inner-alpinen Raum, wo die Kiefer bis über 1600 Metervorgedrungen ist 16.

Am Ende des Alleröds, vor 11.000 BP, zeigt einkurzfristiger Rückgang der Kiefer (Pinus) gleichzeitigmit einer Ausbreitung der Birke (Betula) und derGräser (Gramineae) eine Waldgrenzabsenkung an,die auch eine erhöhte Erosion im Umkreis desMoores zur Folge hat. In den Tonablagerungen diesesAbschnittes sind verstärkt Sand und Schotter ein-gelagert. Dieser Ausdruck einer Klimaungunst ist mitder Gerzenseeschwankung – eine Klimaoszillation,die im gesamten nordatlantischen Raum nachweisbarist 17 – synchron. Die Oszillation dauert 413 Jahre18

und macht sich in einer Absenkung der Sommer-temperatur von zirka 0,5 bis 1°C bemerkbar 19.Demnach dürfte die Waldgrenze um 100 bis 200Meter unter die Höhenlage des Moores abgedrängtworden sein.

Noch eine weitere, deutlich gravierendereKlimaschwankung zeichnet sich am Beginn derJüngeren Dryas (11.000 BP) ab. Schätzungenzufolge fiel die Sommertemperatur in Mitteleuropaum zirka 2 bis 3°C gegenüber dem Alleröd ab20, unddie Niederschläge waren zirka 10 Prozent höher alsheute21. Als Konsequenz stießen die Alpengletschererneut vor. So erfolgte auch in der Verwallgruppeeine extensive Vergletscherung, wobei die Gletscherwährend der Jüngeren Dryas bis in eine Höhe von2000 m vordrangen22. Entsprechend derTemperaturabsenkung wurde die Waldgrenze wäh-rend dieser Zeit um zirka 400 Meter gegenüber demStand im Alleröd hinuntergedrückt23 und dürfte imMontafon bei zirka 1100 bis 1200 Meter Seehöhegelegen sein. Dies entspricht auch den

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

1950

1426

1021

592

0

613

1230

1812

2541

NZ

MA

FMA

VWZ

RZ

EZ

BZ

NL

14 C

Jahr

e B

P

Kal

. Jah

re A

D/B

C

Hia

tus

Garsella Brannertsried Wildes Ried Matschwitz

> Z

unah

me

Abn

ahm

e <

16 Bortenschlager 1984, 46ff.

17 Lotter et al. 1992, 198; Ammann et al. 2000, 340 ff.

18 Synonym mit dem Greenland Interstadial 1b in Grönland

und der Killarney Oszillation im atlantischen Kanada.

Schwander/Eicher/

Ammann 2000, 204.

19 Lotter et al. 2000, 357.

20 Lotter et al. 2000, 358.

21 Kerschner et al. 2000, 83.

22 Sailer/Kerschner 1999, 143.

23 Bortenschlager 1992, 11.

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

203

Rekonstruktionen aus den Westalpen, wo dieWaldgrenze in der Jüngeren Dryas zwischen 1000und 1200 Meter Seehöhe zu lokalisieren ist24.

Am Ende der Jüngeren Dryas (10.000 BP) stiegendie Sommertemperaturen um zirka 2 bis 3°C ineinem Zeitraum von 160 Jahren25. Dies führte zurraschen Einwanderung und Ausbreitung der wärme-liebenden Gehölze, wie Eiche, Linde, Ulme undHasel. Aufgrund ihrer hohen Prozentwerte vonüber 10 Prozent ist zu schließen, dass Hasel, Lindeund Ulme noch während des Präboreals (10.000-9000 BP) die Höhenlage des Moores erreichten.Demnach stockte bis in zirka 1600 Meter ein Laub-mischwald mit Linde, Ulme und Hasel, dem Escheund Ahorn und in den Tallagen auch die Eiche bei-gemischt waren. Darüber folgte eine Übergangszonezwischen den Laubwäldern der Tieflagen und denKiefernwäldern in höheren Lagen. Das lokale Vor-kommen der Hasel in dieser Übergangszone kanndurch Holzfunde aus diesen Schichten belegt werden.Vereinzelt kam auch schon die Fichte, ebenfalls durchGroßreste belegt, in dieser Übergangszone vor.

Sowohl im Boreal (9000-8000 BP) als auch imfrühen Atlantikum (8000-7500 BP) ist eine erhöhteFeueraktivität anhand der verstärkt vorkommendenHolzkohlenpartikel (Particulae carbonae) festzustel-len. Die lokalen Brandereignisse, die wahrschein-lich auf relativ trockene klimatische Verhältnisse zurückzuführen sind, schlagen sich im Sediment ineiner Zunahme des minerogenen Anteils nieder. Zudem führt diese Feueraktivität zu einer Ausbreitungder Gräser (Gramineae), der Kräuter (Cichoriaceae,

Ranunculaceae, Rosaceae, Filipendula) und der Birke(Betula).

Erst im frühen Atlantikum, um zirka 7500 BP,breitete sich die Fichte um das Moor aus. In derFolge werden die Hasel (Corylus avellana) und dieLinde (Tilia) in tiefere Lagen abgedrängt. Gleichzeitigwandert auch die Tanne (Abies) ins Gebiet ein. Mitder Massenausbreitung der Fichte (Picea) und derTanne (Abies) nimmt auch die Feueraktivität imGebiet ab. Beides weist auf ein kühleres und feuch-teres Klima hin, das der frühen Misoxer-Schwan-kung26 zugeordnet werden kann. Von nun an prägenFichten und Tannen das Waldbild um das MoorGarsella. Vereinzelt ist auch die Buche (Fagus) beigemischt. Mit der Ausbreitung der SchatthölzerBuche (Fagus) und Tanne (Abies) werden die Wälderdichter, was zu einem Rückgang der Gräser(Gramineae) und Kräuter führt.

Im Subboreal (5000-2500 BP) zeichnen sicherstmals Veränderungen in der Vegetation ab, die

auf menschliche Einwirkung zurückzuführen sind.Aufgrund der vier vorliegenden Pollenprofile –Garsella, Brannertsried, Wildes Ried und Matschwitz– kann eine erste Aussage über die Besiedlungs-verhältnisse im Montafon getroffen werden (sieheAbbildung 5). Nachdem sich am Ende des Atlanti-kums ein Fichten-Tannenwald mit Beteiligung derBuche (Fagus) entwickelt hat, tritt der Mensch an derWende vom Neolithikum zur Bronzezeit zumersten Mal auf. Die Siedlung muss in den tieferenLagen zu suchen sein, denn die Siedlungstätigkeitmacht sich nur in einer Auflichtung der montanenFichten-Tannenwälder im Bereich des WildenRiedes27 und des Moores auf der Garsella bemerk-bar. Das gleichzeitige Auftreten von Spitzwegerich(Plantago lanceolata) und von Pilzen (Sordaria,Sporormiella), die obligat auf Dung wachsen, zeigteine Beweidung der offenen Flächen an. Die Ein-griffe sind kleinräumig, doch von regionalem Charakter, denn sie sind im ganzen Bereich desSilbertales nachzuvollziehen. Im Bereich des MooresGarsella führt die Rodung zu einer Zunahme derBodenfeuchtigkeit, da die Evapotranspiration ab-nimmt28. Die höhere Bodenfeuchtigkeit stimuliertdie Ausbreitung der Erle (Alnus), der Sauergräser(Cyperaceae) und des Mädesüß (Filipendula). Dieseerste Siedlungsphase ist durch ein Radiokarbon-datum auf 2580 bis 2400 BC datiert und ist damit derälteste Nachweis von Siedlungsspuren im Montafon.

In der frühen Bronzezeit rodet der Mensch erneutim Bereich von Bartholomäberg und im Silbertal.Die Auflichtung der Wälder ist in den Pollenprofilenvom Wilden Ried 29, Garsella und auch auf der gegenüberliegenden Talseite im Profil Matschwitz30

oberhalb Tschagguns nachgewiesen. Wieder werdendie aufgelichteten Flächen beweidet, und auch hierwerden nicht die zentralen Siedlungsbereiche, son-dern nur die peripheren Einflüsse des Menschenum die eigentlichen Siedlungen, die tiefer lagen,erfasst. In allen diesen Profilen beginnt diese Sied-lungstätigkeit um 2150 bis 1960 BC. Dies dokumen-tiert eine intensive Siedlungsaktivität im Montafon,die zeitgleich mit der im benachbarten Engadin(2200 BC)31 ist. In den einzelnen Pollenprofilen istdiese Siedlungsphase, je nachdem wie detailliert dieAnalysen sind, unterschiedlich ausgeprägt. Im WildenRied endet sie in der späten Bronzezeit, ebenso wieim Profil Matschwitz oberhalb Tschagguns. ImPollenprofil Garsella ist diese Entwicklung wegender hohen Sedimentationsrate und der feinstratigra-phischen Pollenanalysen besonders gut aufgeschlüs-selt und erscheint hier mehrphasig. Die erste

24 Wick 2000, 246.

25 Birks/Ammann 2000.

26 Zoller 1977 u. Haas et al. 1998, 305.

27 Kostenzer 1996, 105.

28 Kaland 1986.

29 Kostenzer 1996, 109.

30 Kostenzer 1996, 109.

31 Zoller/Erny-Rodman/Punchakunnel 1996.

204

Siedlungstätigkeit beginnt zwischen 2150 und 1960BC und endet bereits nach hundert Jahren um 2040bis 1880 BC. Anschließend geht der menschlicheEinfluss auf die Vegetation um das Moor Garsellazurück und wird um 1780 bis 1600 BC wiederintensiver. Da Garsella in etwa 1500 Meter Seehöheund topografisch ungünstig außerhalb des Getreide-anbaugebietes liegt, macht sich die Siedlungstätigkeitzunächst nur in einer Auflichtung der Wälder zurBeweidung bemerkbar. Die Rodungen um das Moorsind diesmal größer, was sich im deutlichen Rück-gang der Fichte (Picea), der Ausbreitung der Gräser(Gramineae), einer Zunahme der anthropogenenZeiger (Plantago lanceolata, Urticaceae) und derkoprophilen Pilze niederschlägt. Nun ist auch zumersten Mal Ackerbau für diese Siedlungsphasebelegt. In den tieferen Lagen wird unter anderemHirse (Panicum) angebaut.

Gerade wo die Siedlungsspuren sich deutlichverstärken, setzt eine Schichtlücke im Moor ein.Damit kann die Obergrenze dieser bronzezeitlichenSiedlungsphase nicht erfasst werden, die vegetations-geschichtliche Dokumentation endet im Profil Garsellaum 1750 bis 1520 BC und setzt erst wieder im Mittel-alter mit erneut beginnender Torfablagerung ein.

Diese frühbronzezeitliche Siedlungsaktivität istkeineswegs auf das Montafon beschränkt. Im angren-zenden Unterengadin beziehungsweise OberenInntal dokumentieren Pollenprofile deutliche mensch-liche Eingriffe im mittleren Alpenraum in dieserZeit. Dabei beschränkten sich die anthropogenenVegetationsveränderungen nicht nur auf die Tal-lagen, in denen intensiv Ackerbau betrieben wurde32,sondern sind sogar in den Hochlagen festzustellen.Im Pollenprofil von der Komperdellalm bei Serfaus,die auf 1960 Meter liegt, konnte die Rodung dersubalpinen Wälder zur Schaffung von Weideflächenfür das Vieh nachgewiesen werden33.

Mit Beginn der jüngeren Eisenzeit macht sichwieder eine großflächige Siedlungstätigkeit imMontafon bemerkbar. Sie ist in den PollenprofilenWildes Ried, Matschwitz und besonders detailliert imPollenprofil Brannertsried erfasst. Im entlegenstenProfil Wildes Ried zeigt sich der menschlicheEingriff nur in einer moderaten Öffnung des Waldesgemeinsam mit dem Vorkommen von Spitzwegerich(Plantago lanceolata) und Weidezeigern. Offenbarliegt das Wilde Ried im Silbertal an der Peripheriedes Siedlungsgebietes, das eher im Talbecken vonSchruns/Tschagguns zu suchen ist. In den zweiProfilen aus diesem Gebiet, Matschwitz undBrannertsried, setzt um 600 bis 400 BC eine intensiveanthropogene Nutzung der Umwelt ein, die inunterschiedlicher Stärke bis in die heutige Zeit anhält.

In Bartholomäberg sind menschliche Eingriffe indie Vegetation schon in der älteren Eisenzeit zubemerken und führten überhaupt erst zur Bildungdes Moores Brannertsried. Die Entwaldung um dasBrannertsried erreicht während der jüngeren Eisen-zeit sogar größere Ausmaße als heute. Um dasBrannertsried bestehen intensiv genutzte Wirtschafts-flächen. Es wird sowohl Ackerbau als auch Vieh-zucht betrieben. Aufgrund der hohen Getreidepollen-werte kommt dem Ackerbau mehr Bedeutung alsim Mittelalter zu. Das Ausmaß der Grünflächen istaus den Pollendiagrammen nicht abzulesen, liegtaber ebenfalls in einer höheren Größenordnung alsim Mittelalter.

Im ersten Jahrhundert BC nimmt die Siedlungs-aktivität etwas ab, ist aber im Ausmaß mit jener desMittelalters gleichzusetzen. Erst in der Spätantikeund während der Völkerwanderungszeit ist dieSiedlungstätigkeit geringer, aber trotzdem stetigvorhanden. Eine neuerliche Intensivierung erfolgtum 800 bis 1000 AD und dürfte mit der mittelalter-lichen Siedlungsgründung von Bartholomäbergzusammenhängen. Auch die höhergelegenenBereiche werden in Kultur genommen, wie sich imnun wieder einsetzenden Profil Garsella zeigt. DerMensch rodet große Teile des Waldes, vor allem dieTannen. Durch diese intensiven Eingriffe in denFichten-Tannenwald verändert sich die Artenzusam-mensetzung. Während die Tanne bis ins Mittelalterin den montanen Wäldern in beachtlicher Mengebeigemischt war, wird sie nun durch selektiveRodung auf Minimalwerte reduziert. Es entsteht einreiner Fichtenwald. Die freien Flächen werden beweidet und zur Heugewinnung genutzt, was sichin den hohen Werten der Gräser (Gramineae) undder Weidezeiger niederschlägt.

Besonderes Interesse gilt diesen vor- und früh-geschichtlichen Siedlungsaktivitäten, weil sichsowohl am Bartholomäberg als auch im Silbertalausgedehnte Erzlagerstätten befinden, die nach-weislich ab dem Mittelalter abgebaut wurden34. Eslässt sich daher auch eine Ausbeutung dieser Kupfer-und Eisenerzvorkommen schon in prähistorischerZeit vermuten. Aus den pollenanalytischen Befundensind diesbezügliche Aussagen schwierig zu treffen.Generell wurde bislang davon ausgegangen, dassdie vor- und frühgeschichtliche Metallgewinnungund -verarbeitung mit hohem Rohstoff- und Energie-verbrauch verbunden war und dass sich dies inextensiven Rodungen zur Holzgewinnung in denumliegenden Wäldern deutlich manifestieren müsste.Dies ist jedoch differenziert zu sehen, da der Erz-abbau, die Aufbereitung und die anschließendeVerhüttung des Erzes nicht zwingend vor Ort erfolgen

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

205

32 Zoller et al. 1996. 33 Wahlmüller 2002, 81. 34 Scheibenstock 1996, 9.

mussten. Aber auch unter der Annahme, dass imBereich des Bartholomäbergs nur Erz gefördertwurde, bewirkte dies doch lokale Eingriffe in denWald. Größere Holzmengen wurden sowohl alsBau- und Werkmaterial als auch für die bergmännischeGewinnung des Erzes aus dem Gestein mit Hilfeder Feuersetzmethode benötigt. Holzkohlenanalysenaus Feuersetzungen im ausgedehnten bronzezeit-lichen Bergbaurevier bei Brixlegg in Tirol konntenzeigen, dass diese Hölzer durchwegs aus denumliegenden Wäldern entnommen wurden. EineSelektion nach Brennwert erfolgte dabei nicht, viel-mehr wurden in erster Linie die dominant vorkom-menden Baumarten genutzt 35. Diese Eingriffe mussten streng lokal begrenzt gewesen sein, dennPollenanalysen aus einem nur zwei Kilometerdavon entfernt gelegenen Moor am Oberkienbergzeigen weder eine Veränderung im Waldbild nochgrößere Auflichtungen an36. Daraus ist zu schließen,dass ein derartiger prähistorischer Erzabbau nur inunmittelbarer Nähe zu den Pingen pollenanalytischnachgewiesen werden kann.

Mit den vorliegenden Ergebnissen vomBartholomäberg sind die vegetationsgeschichtlichenUntersuchungen aus dem bronzezeitlichen Berg-baurevier am Götschenberg bei Bischofshofen inSalzburg zu vergleichen37. Diese Studien sind eben-falls kleinräumig in unmittelbarer Nähe zum prähis-torischen Bergbaurevier und den Siedlungen durch-geführt worden. Die pollenanalytisch untersuchtenLokalitäten liegen maximal 400 Meter vom Abbaubeziehungsweise von den Siedlungen entfernt. Inden Pollendiagrammen lassen sich zeitgleich mitarchäologischen Funden deutliche Auflichtungen desWaldes feststellen, die in den höheren Lagen mög-licherweise auch mit den Bergbauaktivitäten inZusammenhang stehen. In den meisten Fällen treten dabei auch Pollen von Siedlungs- und Kultur-zeigern (Getreide) auf, die Ackerbau im unmittelbarenUmfeld belegen. Es ist damit offensichtlich, dass imGebiet nicht nur Bergbau, sondern auch Landwirt-schaft zur Versorgung der Bergleute betrieben wurde.Da sich im Falle einer Auflichtung des Waldes umdas untersuchte Moor auch der Pollen von dennahegelegenen Kulturflächen niederschlägt, ist einderartiger Eingriff in den Wald nicht ausschließlichauf bergbauliche Maßnahmen zurückzuführen.Gleiches trifft auch für das Siedlungsgebiet amBartholomäberg zu.

Auch andere pollenanalytische Untersuchungenüber die ökologischen Folgen vor- und frühgeschicht-licher Metallproduktion aus Europa führen zu dengleichen Ergebnissen38. Immer treten mit der Öff-nung des Waldes Siedlungs- oder Kulturzeiger auf, so

dass keine eindeutige Zuordnung der Ursachen fürdie Schlägerungen zum Zweck der Metallgewin-nung oder zur Siedlungstätigkeit getroffen werdenkann. In einzelnen Studien wurden auch Holz-kohlenpartikel im Pollenpräparat gezählt, deren gehäuftes Auftreten als Hinweis auf Köhlerei bezie-hungsweise Erzverhüttung gewertet wird39. VomAlbruch auf der Schwäbischen Alb konnten dazu auchzahlreiche Eisenverhüttungsplätze belegt werden,die allerdings erst aus alamannischer beziehungs-weise Merowingerzeit stammen. In Heglesvollen, inder mittelnorwegischen Trøndelag-Region, wurde in der Frühphase der Eisenverhüttung, die in dieRömische Kaiserzeit datiert, pollenanalytisch einenur geringfügige Öffnung der Landschaft fest-gestellt. Zugleich nahmen die Holzkohlepartikel zu,was als Hinweis auf Erzverhüttung interpretiertwurde. Insgesamt führte sie aber zu keiner markantenVeränderung der Landschaft, was auch in den übri-gen vegetationsgeschichtlichen Untersuchungen zuden ökologischen Auswirkungen prähistorischerErzverhüttung bestätigt wird.

In den Pollendiagrammen vom Bartholomäbergsind die Holzkohlenpartikel ebenfalls mitgezähltworden. Während in prähistorischer Zeit die Holz-kohlen mit Partikelgrößen von >100 µm, die einelokale Feueraktivität belegen, im Profil Garsellakeine deutlichen Anhäufungen in den einzelnenSiedlungsphasen zeigen, weisen im Brannertsrieddie Holzkohlen in der Eisenzeit die stärkste Akku-mulation auf. Der Gipfel am Beginn der Eisenzeitist sicherlich durch die Brandrodungen bedingt, jedoch bleiben die Holzkohlenwerte während der gesamten eisenzeitlichen Siedlungsphase hoch. Dain dieser Zeit das Umfeld des Moores völlig ent-waldet ist, kann davon ausgegangen werden, dasseine Holzkohlenproduktion in unmittelbarer Nähestattgefunden hat. Inwieweit diese aber mit einerMetallgewinnung in Zusammenhang steht, mussoffen bleiben.

Ab dem Mittelalter verursachen die mensch-lichen Aktivitäten die letzten Veränderungen in derVegetation. So wird die Tanne in den montanenWäldern drastisch reduziert, so dass reine Fichten-wälder entstehen, die bis heute vorherrschen.

Zusammenfassung

Zwei Moore aus unterschiedlicher Höhenlage imheutigen Siedlungsgebiet von Bartholomäberg wurdenpollenanalytisch untersucht, um die Vegetations- undSiedlungsgeschichte seit der letzten Vereisung fest-zustellen. In den Ablagerungen aus dem Moor

206

35 Heiss 2001. 36 Walde 1999. 37 Wahlmüller 1992. 38 Dörfler 2000. 39 Smettan 1995, Solem 1991 u. Hannson et al. 1996.

Garsella (1420 m) ist die Vegetationsentwicklungseit dem Alleröd (12.000 BP), in denen desBrannertsrieds (1020 m) seit dem Subatlantikum(2500 BP) erfasst.

Von 12.000 bis 9500 BP herrschen im Montafonlichte Birken-Kiefernwälder vor. Mit der raschenErwärmung am Beginn des Holozäns (10.000 BP)wandern in den Tallagen die wärmeliebenden Laub-hölzer ein. Die Hasel (Corylus avellana) und dieEichenmischwaldarten Eiche (Quercus), Linde (Tilia),Ulme (Ulmus), Ahorn (Acer) und Esche (Fraxinus)unterwandern im Laufe des Präboreals (10.000 bis9500 BP) den Birken-Kiefernwald in den Tieflagenund drängen ihn in höhere Lagen ab. Am Ende desPräboreals herrschen bis in 1600 Meter Laubwäldermit Hasel (Corylus avellana), Linde (Tilia), Ulme (Ulmus),Ahorn (Acer) und Esche (Fraxinus) vor. Darüberstockt ein Birken-Kiefernwald mit Zirbe (Pinus

cembra) und Lärche (Larix). Um 7500 BP wandertdie Fichte (Picea) in den Grenzsaum zwischenLaubwälder und Birken-Kiefernwald ein und breitetsich in den mittleren Lagen aus. Dadurch wird dieHasel (Corylus avellana) in tiefere und der Kiefern-wald in höhere Lagen abgedrängt. Die Tanne (Abies)folgt 500 Jahre später und breitet sich ebenfalls inden mittleren Lagen aus. Aus dem Fichtenwald ent-steht ein Fichten-Tannenwald. Im jüngerenAtlantikum (5500 BP) wandert die Buche (Fagus) inden Fichten-Tannenwald ein, und ab dem Subboreal(5000 BP) stocken Fichten-Tannenwälder mit Buche(Fagus) in der montanen Stufe. Dieser Waldtypbleibt bis zu den Eingriffen des Menschen bestehen.

Die erste Siedlungsaktivität im Montafon, dienur von kurzer Dauer ist, erfolgt an der Wende vomNeolithikum zur Bronzezeit. Sie äußert sich in einerAuflichtung des Fichten-Tannenwaldes in 1500 mSeehöhe. Die eigentliche Siedlung dürfte tiefer gelegensein. Danach regeneriert sich der Fichten-Tannen-wald wieder, bis in der frühen Bronzezeit neuerlicheine Siedlungsaktivität festzustellen ist. Diese Sied-lungsphase ist durch zwei Radiokarbondaten ein-gegrenzt und hat zirka 100 Jahre gedauert. Anschlie-ßend regeneriert sich der Wald in 1500 MeterSeehöhe wieder, aber der Mensch ist im Umfeldnoch vorhanden, was durch das Vorkommen desSiedlungszeigers Spitzwegerich (Plantago lanceolata)reflektiert wird. Noch eine dritte Siedlungsphase istin den Höhenlagen von 1500 Meter in Form vonWeideaktivität nachgewiesen, die nach den vorlie-genden Radiokarbondaten an das Ende der frühenBronzezeit zu stellen ist.

Ab der Eisenzeit ist die menschliche Aktivität in Bartholomäberg durch das Pollenprofil aus demBrannertsried auch in Lagen um 1000 Meter See-höhe erfasst. Zwischen 600 und 400 BC wird derFichten-Tannenwald auf den Hangterrassen groß-

flächig gerodet und in Ackerflächen und Grünlandumgewandelt. Um etwa 100 BC nimmt dieSiedlungsaktivität ab und erreicht in der Römerzeitein Minimum. Der Mensch siedelt aber weiterhinin der Umgebung. Zwischen 800 und 1000 ADwerden die Siedlungsflächen in Bartholomäbergwieder ausgeweitet. In den tieferen Lagen wird Acker-bau betrieben, zur Beweidung wird bis in 1500Meter Höhe im Fichten-Tannenwald gerodet. EineIntensivierung der menschlichen Aktivität erfolgtum 1100 AD. Um das Brannertsried in 1000 Metersind Ackerflächen und Grünland nachgewiesen.Auch die Weideflächen im peripheren Siedlungs-bereich in 1500 Meter werden vergrößert. Im 14. Jahr-hundert AD breiten sich kurzfristig die Pionier-gehölze Birke (Betula), Kiefer (Pinus) und Wacholder(Juniperus) sowie die Fichte (Picea) in 1000 MeterSeehöhe aus. Auf Teilen der Wirtschaftsflächenstockt ein Pionierwald, der beweidet wird. Zwischen1430 und 1530 AD werden diese Flächen neuerlichgerodet, und die freigestellten Flächen erreichenheutige Ausmaße. In den jüngsten Jahrzehnten isteine Änderung der landwirtschaftlichen Nutzungfestzustellen: Der Getreidebau geht zurück, währenddie Grünlandwirtschaft an Bedeutung gewinnt.

PO

LL

EN

AN

AL

YT

ISC

HE

UN

TE

RS

UC

HU

NG

EN

ZU

R V

EG

ET

AT

ION

S-

UN

D S

IED

LU

NG

SG

ES

CH

ICH

TE

IM

MO

NT

AF

ON

207