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FRANZ ALTO BAUER STADT, PLATZ UND DENKMAL IN DER SPÄTANTIKE

Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike (I)

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FRANZ ALTO BAUER

STADT, PLATZ UND DENKMAL IN DER SPÄTANTIKE

FRANZ ALTO BAUER

Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike

UNTERSUCHUNGEN ZUR AUSSTATTUNG

DES ÖFFENTLICHEN RAUMS IN DEN SPÄTANTIKEN STÄDTEN

ROM, KONSTANTINOPEL UND EPHESOS

VERLAG PHILIPP VON ZABERN • GEGRÜNDET 1785 • MAINZ

XVI, 448 Seiten mit 96 Textabbildungen und 35 Tafeln

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, und des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme

Bauer, Franz Alto: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike : Untersuchungen

zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos / Franz Alto Bauer. -

Mainz : von Zabern, 1996 ISBN 3-8O 3-1842-I

© 1996 by Philipp von Zabern, Mainz am Rhein ISBN 3-8053-1842-I

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus

auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany by Philipp von Zabern

Printed on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral)

Meinen Eltern

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Version meiner im Frühjahr 1993 bei der philoso-

phischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität eingereichten Dissertation.

Mein allererster Dank gilt meinem akademischen Lehrer Johannes G. Deckers, der das Ent-

stehen dieser Arbeit mit fortwährendem Interesse verfolgte und mir immer als Gesprächspartner

zur Verfügung stand. Verpflichtet fühle ich mich auch Marcell Restle, mit dem ich zahlreiche

Aspekte der Arbeit besprechen konnte. Ebenfalls möchte ich meinem Lehrer in der Alten Ge-

schichte, Hatto H. Schmitt, für stete Förderung danken. An der Bibliotheca Hertziana fand ich die Zeit zur Überarbeitung des Textes und Gelegenheit

zu regem wissenschaftlichem Austausch. Nie vergessen werde ich die Gespräche mit Richard

Krautheimer, der ein besonderes Interesse an dieser Arbeit zeigte und sich stets die Zeit nahm,

mit mir über meine Thesen zu diskutieren. Er war es auch, der mich anspornte, das Manuskript

zügig zu veröffentlichen. Unter den vielen Kollegen, die ich hier kennenlernte, möchte ich Manfred

Luchterhandt namentlich nennen, der die Mühe auf sich nahm, das Manuskript durchzusehen,

und der mir bei der Anfertigung von Plänen behilflich war. Danken möchte ich auch Albrecht Berger und Kai Brodersen, die beide ebenfalls das Manu-

skript gelesen haben. Herr Berger bewahrte mich mit seinem umfangreichen Wissen zur Topo-

graphie Konstantinopels vor einer Vielzahl von Fehlern, Herr Brodersen unterstützte mich bei

der Übersetzung schwieriger Quellentexte und gab mir zahlreiche wertvolle Hinweise.

Es ist mir ein besonderes Anliegen, mich bei Frau Tanja S. Scheer zu bedanken, die mir

durch die Jahre die wichtigste Gesprächspartnerin war und die Entstehung dieser Arbeit mit

immerwährender Anteilnahme verfolgte. Was ich ihr verdanke, läßt sich hier gar nicht wiederge-ben.

Die vorliegende Dissertation wurde durch ein Stipendium der Gerda Henkel Stiftung geför-

dert, die obendrein einen beträchtlichen Teil der Druckkosten übernahm. Frau Lisa Maskell und

Herrn Hans-Joachim Ulbrich möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen.

Auch der VG Wort fühle ich mich für einen großzügigen Druckkostenzuschuß verpflichtet. Der

Verleger Franz Rutzen erklärte sich dankenswerterweise bereit, dieses Buch im Verlag Philipp

von Zabern zu publizieren.

Meine Eltern haben mir nicht nur während der vergangenen Jahre alle nur erdenkliche Un-

terstützung zukommen lassen, sondern mich auch zum Studium der Archäologie und Kunstge-

schichte ermutigt. Ihnen darf ich dieses Buch widmen.

Rom, im Herbst 1995

.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung xv

Teil I: Rom, Konstantinopel und Ephesos

A. ROM

Geschichte der Grabungen 1

I. Das Forum Romanum in der Spätantike 7

1. Die Rahmenbebauung des Forumsplatzes 7 a. Das Senatsgebäude und seine Nachbarbebauung 7. b. Der Platz vor der Kurie 16. c. Denkmäler am Zugang zum Severusbogen 20. d. Die Rostra 21. e. Bauten am Westrand des Forums 26. f. Die Basilica Iulia 29. g. Die Rostra an der Ostseite des Forums 31. h. Die Basilica Aemilia 32. i. Der Janus Geminus 37.

2. Der Forumsplatz 38 a. Die Pflasterung 38. b. Das Reiterstandbild Konstantins d. Gr. 39. c. Das Monument für Arkadius und Honorius 39. d. Das Postament mit den Anaglypha Traiani 41. e. Die Säulenmonumente an der Südseite des Forums 42. f. Die Phokassäule 44.

3. Der Via-Sacra-Bereich 47 a. Spät antike Umgestaltungen der Via Sacra 47. b. Das Vestalinnenhaus und der Vestatempel 49. c. Der 'Tempel des Romulus' 51. d. Die Maxentiusbasilika 57. e. Der Tempel der Venus und Roma 59.

4. Kirchenbauten im Forumsbereich 62 a. Überblick über die frühmittelalterlichen Kirchenbauten im Forumsbereich 62. b. Formen der Umwandlung älterer Bauten in Kirchen 70.

5. Die statuarische Ausstattung des Forum Romanum in der Spätantike 72 a. Aufstellungsprinzipien 72. b. Statuen von Magistraten und Privatleuten 75. c. Die Stifter 76. d. Maßnahmen zur Erhaltung der Statuenausstattung 77.

II. Die Kaiserfora Roms in der Spät antike 81

1. Das Caesarforum 81 a. Spät antike Baugeschichte 81. b. Statuarische Ausstattung in der Spät antike 83. c. Das Caesar-forum im Mittelalter 86.

2. Das Augustusforum 86 a. Ausstattung 87. b. Funktion 87. c. Das Augustusforum im Mittelalter 89.

3. Das Forum Pacis 89 a. Name und Baugeschichte 89. b. Spät antike Geschichte 90.

4. Das Nervaforum / Forum transitorium 91 a. Name und Baugeschichte 91. b. Ausstattung 91. c. Das Nervaforum im Mittelalter 92.

5. Das Trajansforum 93 a. Architektur und Baugeschichte 93. b. Statuarische Ausstattung 93. c. Funktion und Nutzung des Trajansforums in der Spät antike 95. d. Das Trajansforum im Mittelalter 97.

III. Interpretation 101

1. Interpretation der spät antiken Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 101

a. Tetrarchische Zeit 101. b. Die Zeit des Maxentius 103. c. Konstantinische Zeit 105. d. Die Zeit der valentinianisch-theodosianischen Dynastie 109. e. Das 5. Jh. und die Einfälle der Jahre 410 (Alarich), 455 (Geiserich) und 472 (Ricimer) 109. f. Nicht datierte Monumente des 4. / 5. Jh. 112. g. Die Zeit Theoderichs und der Ostgoten 112. h. Justinianische Zeit 115. i. Das 7. und 8. Jh. 117.

2. Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 124 a. Funktion und Bedeutung des Forum Romanum in der Spätantike 124. b. Bedeutung des Tra-jansforums in Spätantike und frühem Mittelalter 128. c. Die architektonische Erscheinung der stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 131. d. Die statuarische Ausstattung der stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 132.

3. Erhalt und Konservierung der antiken Bausubstanz und Statuenausstattung 134 a. Maßnahmen zur Erhaltung der Statuenausstattung 134. b. Maßnahmen zur Erhaltung der antiken Bausubstanz 136.

4. Der Antagonismus zwischen Kaiser und stadtrömischer Aristokratie 137

B. KONSTANTINOPEL

Überblick über Literatur und Quellen 143

I. Das Augusteion und die Kaiserfora Konstantinopels 148

1. Das Augusteion. 148 a. Lage und archäologischer Befund 148. b. Die verschiedenen Bauphasen nach den schriftlichen Quellen 149. c. Ausstattung 158. d. Funktion 166.

2. Das Konstantinsforum 167 a. Lage, archäologischer und quellenschriftlicher Befund 167. b. Bauelemente des Konstantinsforums 168. c. Ausstattung 173. d. Weitere Geschichte 182. e. Funktion 184.

3. Das Theodosiusforum 187 a. Vorgängerbebauung und Ausbau des Forums unter Theodosius I. 187. b. Bauelemente des Theo-dosiusforums 189. c. Rekonstruktion der Forumsanlage und ihrer Ausdehnung 193. d. Ausstattung 197. e. Weitere Geschichte 202. f. Funktion 202.

4. Das Arkadiusforum 203 a. Anlage des Forums 205. b. Erscheinungsbild der Platzanlage 207. c. Ausstattung 209. d. Weitere Geschichte 211.

5. Das Sigma: Ein Forum Theodosius' II.? 212

6. Die Markianssäule und das zugehörige Forum 213 a. Aufbau und Gestaltung des Säulenmonuments 213. b. Lage 214. c. Die Inschrift der Markianssäule 215.

7. Das Forum Leos I. 215 a. Die Säule Leos I. in den Pittakia 216. b. Lokalisierung des Forums 217.

xi

II. Die sonstigen Platzanlagen Konstantinopels und der Hippodrom 218

1. Die Basilika 218 a. Quellenschriftlicher Befund 218. b. Die Zisterne 220. c. Ausstattung 222. d. Funktion 224.

2. Das Strategion 224 a. Lage 225. b. Anlage und Ausbau des Strategion 225. c. Ausstattung 227.

3. Das Philadelphion • 228 a. Lage 229. b. Erscheinungsbild 230. c. Ausstattung 230.

4. Der Bus 234 a. Lage 234. b. Datierung 234. c. Erscheinungsbild 235. d. Ausstattung 235.

5. Die Artopolia 237 a. Lage und Erscheinungsbild 237. b. Ausstattung 238.

6. Das Amastrianon 238 a. Lokalisierung 239. b. Erscheinungsbild 241. c. Ausstattung 242.

7. Das Exakionion 243 a. Lage 243. b. Erscheinungsbild 244.

8. Die von Prokop erwähnten Platzanlagen Justinians 245

9. Der Hippodrom 247 a. Geschichtlicher Überblick 247. b. Die Spina und der Euripos 247. c. Ausstattung 249.

III. Interpretation 255

1. Platzanlage oder Forum? 255

2. Chronologische Entwicklung 256 a. Konstantinische Zeit 257. b. Theodosianische Zeit 261. c. Justinianische Zeit 264.

3. Vergleich zwischen Augusteion, Konstantinsforum und den theodosianischen Fora 265

4. Kirche und Forum 266

5. Die Rolle des Stadtpräfekten 267

C. EPHESOS

Geschichte der Grabungen 269

I. Straßen und Platzanlagen des spätantiken Ephesos 271

1. Die Arkadiane 271 a. Das Viersäulendenkmal 271. b. Inschriftlicher Befund 274.

2. Die Untere Agora (Handelsmarkt) 275 a. Spätantike Baumaßnahmen 275. b. Ausstattung 275. c. Funktion 276.

3. Die Marmorstraße 278 a. Spät antike Baumaßnahmen 278. b. Statuarische Ausstattung 279.

4. Der Platz vor der Celsusbibliothek 279 a. Das Nymphäum der Celsusbibliothek 280. b. Umbauten am Platz vor der Celsusbibliothek 282. c. Datierung der Umbaumaßnahmen 283.

5. Der Embolos (Kuretenstraße) 284 a. Spätantike Baumaßnahmen 284. b. Ausstattung 286.

xii

6. Die Obere Agora (Staatsmarkt) - das Forum des Theodosius 290 a. Spätantike Baumaßnahmen 291. b. Forum des Theodosius 292.

II. Interpretation 294

1. Embolos und Arkadiane im Vergleich 295

2. Obere und Untere Agora im Vergleich 296

3. Statuarische Ausstattung 296

4. Nobilitierung des Stadtbilds in der Spät antike 297

D. DIE STÄDTE ROM, KONSTANTINOPEL UND EPHESOS IM VERGLEICH

Die Städte Rom, Konstantinopel und Ephesos im Vergleich 301

Teil II: Das spätantik - frühbyzantinische Denkmal Das spätantik-frühbyzantinische Denkmal 307

I. Alte Denkmäler - Neue Denkmäler 309

1. Forschungsgeschichtlicher Überblick 309

2. Antike Kunstwerke in Rom und Konstantinopel 310

3. Zeitgenössische Denkmalformen I: Das Kaiserbild 317 a. Das Kaiserbild als Stellvertreter des Kaisers. Verehrung - Huldigung - Anbetung 317. b. Anlaß zur Aufstellung: die Widmung 319. c. Die Gesta des Kaisers 321. d. Die Wandlung des Kaiserbilds auf den Reliefsäulen: Vergleich der Reliefsäulen Roms und Konstantinopels 324.

4. Zeitgenössische Denkmalformen II: Statuen verdienter Persönlichkeiten 326

5. Stifter und Stiftung 327

II. Das Verhältnis des Betrachters zum Denkmal in der Spätantike 330

1. Nahsicht - Fernsicht 330

2. Das Verhältnis zwischen Statue und Betrachter 333 a. Die Einansichtigkeit der Statuen 333. b. Die Überhöhung: Säulenmonumente 336.

III. Das Ende der statuarischen Ausstattung 339

1. Entindividualisierung des Kaiserporträts 339 a. Forschungsgeschichte 339. b. Verlust des Typus 341. c. Austausch von Kaiserstatuen? 343. d. Kaiserbild - Beamtenporträt 345. e. Bildnistilgungen in spät antiker Zeit? 346. f. Kennzeichnung von Kaiserstatuen 348.

2. Kreuzmonumente 349 a. Konstantinopler Kreuzmonumente 351. b. Datierung - Vergleich mit den theodosianischen Kreuz-monumenten in Jerusalem 355. c. Exkurs: das Stufenkreuz 358. d. Das von Personen flankierte Kreuz 360. e. Deutung 360.

xiii

IV. Platz und Denkmal in spätantik—frühbyzantinischer Zeit 363

1. Spät antike Aufstellungsgesetze? 363

2. Zur Lage der Säulenmonumente in der Stadt 365 a. Säulenmonumente Konstantinopels 365. b. Säulenmonumente in der Provinz 366. c. Zusammen-fassung 373.

3. Die dynamische Rezeptionsweise des frühbyzantinischen Betrachters 373 a. Literarische Quellen — Städtebeschreibungen und Sieben—Wunder—Listen 373. b. Bildliche Quellen

376.

V. Prozessionshafte Rezeption des Stadtbilds 379

1. Triumph und Reditus in Spätantike und byzantinischer Zeit 380

2. Religiöse Prozessionen in Konstantinopel 383 a. Die großen Festtagsprozessionen 383. b. Kleinere Prozessionen 384.

3. Stadt und Zeremonie 385 a. Die Zeremonie als Abbild der byzantinischen Gesellschaftsordnung 385. b. Wechselwirkung Stadt-bild — zeremonielle 'Nutzung' 387.

4. Stadt und Zeremonie in Rom 388

Ergebnis

Stadt, Platz und Denkmal in der Spät antike 3_89

ANHANG

Rom 397

Konstantinopel 413

Ephesos 422

Abkürzungsverzeichnis 427

Register 431

Abbildungsnachweis 445

Tafelanhang 449

Einleitung

`Stadt' kann auf vielerlei Weise definiert werden, und jede Definition mag für sich genommen

richtig sein. Einfache Definitionsversuche begnügen sich damit, eine Stadt nach ihrer Bevölke-

rungsanzahl zu bemessen; differenziertere Definitionsmodelle erwähnen als weitere Kriterien etwa

geschlossene Bebauung, Arbeitsteilung der Bewohner oder aber eine Funktion als politisches und

administratives Zentrum. Hätte man einen Einwohner des spätantiken Rom oder Konstantinopel

gefragt, was denn an seiner Heimatstadt typisch 'städtisch' sei, so hätte dieser wohl auf das archi-

tektonische Erscheinungsbild verwiesen, die prächtigen Bauten, Stadtmauern, Aquädukte, den

Hippodrom, die Fora, den Kaiserpalast . Aber er hätte wohl auch die reiche Ausstattung mit

Bildwerken aller Art angeführt — Kaiserstatuen, Standbilder von Magistraten und Privatleuten,

antike Kunstwerke — eben die Eindrücke, denen er täglich in seiner Stadt begegnete.

Die beiden Hauptstädte Rom und Konstantinopel, aber auch zahlreiche Provinzmetropolen,

beherbergten in der Spät antike unzählige Bildwerke der verschiedensten Art. Gleichwohl bildete

die Frage nach der Ausstattung der Stadt am Ende der Antike bisher noch nicht die Grundlage

einer eingehenderen Analyse. Auf seiten der Klassischen Archäologie erschienen in den letzten

Jahren mehr und mehr Arbeiten, in denen die Stadt und ihre Statuen im Brennpunkt stan-

den. Dabei beschränkte man sich entweder auf die Ausstattung einzelner Bautypen, etwa der

Forumsanlagen, Thermen oder Theater, oder man untersuchte die Bildwerke auf typologischer

Grundlage, also Kaiserstatuen, Reiterstatuen etc. Daneben wurde auch topographisch vorgegan-

gen, indem man sich einzelnen Städten bzw. ihren Fora zuwandte. Diese Arbeiten bilden die

Basis für die Beurteilung des Aussehens der Stadt in der Antike, da sie versuchen, das 'innere'

Erscheinungsbild einer Stadt zu rekonstruieren. Eine zusammenfassende Aufbereitung des Ma-

terials fehlt jedoch — sowohl für die antike Stadt als auch für die Stadt an der Schwelle von der

Antike zum Mittelalter.

Eine solche Gesamtschau ist angesichts der stark angewachsenen archäologischen Erkennt-

nisse heute kaum mehr möglich; und so mußte auch innerhalb der vorliegenden Arbeit eine

Auswahl getroffen werden. Doch durfte sich eine Untersuchung, die sich das Ziel gesetzt hat,

das Verhältnis von Betrachter und Stadtbild in frühbyzantinischer Zeit zu analysieren, nicht

einer bestimmten Monumentgattung zuwenden, denn es sollte der 'Gesamteindruck' rekonstru-

iert werden, mit dem der frühbyzantinische Stadtbewohner und -besucher konfrontiert wurde.

Daher mußte die Auswahl chronologisch und topographisch eingeschränkt werden. Aufgrund der

besseren Quellenlage boten sich drei Städte als Untersuchungsobjekte an: Rom, Konstantinopel

und Ephesos.

Rom wurde ausgewählt, weil seine Vergangenheit als Hauptstadt des Römischen Weltreichs

eine Untersuchung besonders interessant zu machen versprach. Darüber hinaus bietet das Stadt-

zentrum Roms einen reichen archäologischen und epigraphischen Befund, der einer Auswertung

xvi

harrte. Im Falle Konstantinopels, dem einzigen Beispiel einer spät antiken Stadtgründung, de-

ren Siedlungskontinuität bis heute andauert, unterscheiden sich die Quellen grundlegend von

denen Roms. Archäologische Forschungen sind hier die Ausnahme, nur wenige der einstigen

Monumente stehen noch aufrecht. Dafür sprudeln die literarischen Quellen reichlich, so daß die

Topographie des byzantinischen, heute fast völlig überbauten Konstantinopel in den Grundzügen

erschließbar ist. Als dritter Stadttyp einer Provinzmetropole wurde Ephesos herausgegriffen: hier

ist ein Großteil der antiken Bausubstanz ergraben, so daß man sich eine gute Vorstellung vom

spät antiken Erscheinungsbild dieser Stadt machen kann.

Innerhalb dieser drei Städte steht der 'öffentliche Raum' im Zentrum der Betrachtung, das

Umfeld des öffentlichen Denkmals. Es empfahl sich, in Rom den Bereich des Forum Rom anum

und der benachbarten Kaiserfora zu betrachten, die zumindest teilweise ausgegraben und Gegen-

stand zahlreicher neuer Publikationen sind. In Konstantinopel wird die Auswahl bereits durch

die Schriftquellen vorgenommen, deren Aussagen für die Platzanlagen entlang der Mese ergiebig

sind. Und auch in Ephesos soll ein Weg durch die Straßen und. Plätze der spät antiken Stadt

nachgezeichnet werden. Ausgangsbasis soll jeweils die genaue Analyse des archäologischen und

epigraphischen Befunds, aber auch der literarischen Quellen bilden. Erst auf dieser Grundlage

kann im zweiten Teil eine Interpretation spätantiker 'Stadtbilder' erfolgen, wobei die Frage nach

dem allgemeinen Charakter des Denkmals in frühbyzantinischer Zeit im Mittelpunkt stehen soll.

TEIL I

Rom, Konstantinopel und Ephesos

A. ROM

Der folgende Überblick über das spätantike Rom beschränkt sich auf das Forum Romanum und die benachbarten Kaiserfora. Wenn auch damit nur ein Teil des öffentlichen Raums im spätanti-ken Rom abgedeckt wird, so werden doch zugleich die wichtigsten Platzanlagen berücksichtigt, die das Stadtzentrum zwischen Kapitol und Palatin ausmachen. Das Hauptaugenmerk soll auf das Forum Romanum gelegt werden, dessen einzelne Bauten und Monumente auf ihre spät-und nachantike Geschichte hin zu befragen sind. Ebenso wird mit den Kaiserfora verfahren. Darauf erfolgt der Versuch einer Scheidung verschiedener Phasen in Spät antike und Frühmit-telalter, wobei auch Fragen zur Nutzung und Auffassung dieser wichtigsten Platzanlagen nicht unbeantwortet bleiben sollen.

Als unter Paul III. (1534-1549) zum ersten Mal im Bereich des Forums 'Grabungen' im größeren Maßstab durchgeführt wurden, war es nicht nur das wissenschaftliche Interesse an der römischen Antike, das die Ausgräber trieb, sondern vielmehr der Wunsch nach Materialbeschaffung für den Bau und die Ausstattung von Palästen und Gärten'. Ja, man wußte nicht einmal mit Sicherheit, wo man grub, wenn auch die Materialsuche auf dem Forum den Anstoß zu topographischen Traktaten gab, in denen die Lokalisierung dieses Platzes diskutiert wurdet. Erst als das Are-al des Forums als nicht mehr ergiebig galt, ruhten die Grabungen und der Platz wurde zum

Campo Vaccino3. So entsprach er dem Bedürfnis nach einer idyllischen Gegenwelt im 17. Jh. und wurde vielfach gezeichnet und gemalt. Mit der ersten wissenschaftlichen Grabung im Jahre 1788, in deren Verlauf Teile der Basilica Iulia freigelegt wurden, sollte das Forum aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und eine Epoche intensiver archäologischer Erforschung eingeläutet werden. 15 Jahre später — C. Fea war seit zwei Jahren commissario delle antichitä — wurde die Freilegung des Severusbogens eingeleitet, bereits mit der Perspektive, das gesamte Forumsareal freizulegen und in einen archäologischen Park zu verwandeln'. Von 1829 bis 1834 wurde unter A. Nibby der Abhang des Kapitols freigelegt; um die Jahrhundertmitte erfolgten Grabungen im Bereich der Basilica Iulia und der Phokassäule. Immer mehr schenkte man nicht nur den einzel-

1 R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma, Rom 1990, III, 203ff. Überblick über die Geschichte des Forums im Mittelalter und in der Neuzeit bei Hülsen, Forum 24ff.; M. Hoff, Rom. Vom Forum Romanum zum Campo Vaccino, Berlin 1987, 8ff. u. 30f.

2 Hülsen, Forum 38ff.; Hoff, a. 0. 40ff. 3 Zur Benennung als Campo Vaccino s. Hoff, a. 0. 43ff.

4 Zur Geschichte der Grabungen s. Hülsen, Forum 50f.; AA.VV., La Rome des papes: la creation des parcs archeologiques, in: Archeologie et projet urbain, Rom 1985, 56-81 (= La Roma dei Papi: la creazione dei parchi archeologici, in: Forma. La cittä antica eil suo avvenire, Rom 1985, 54-85); S. Le Pera Buranelli / R. Turchetti u. a, Scavi al Foro Romano, in: Archeologia a Roma nelle fotografie di Thomas Ashby 1891-1930, Neapel 1989, 19-92.

4 Rom

nen Monumenten, sondern dem gesamten Platz die Aufmerksamkeit: Unter der Leitung von P.

Rosa, G. Fiorelli, R. Lanciani und G. Boni begann man — in Zusammenarbeit mit O. Richter,

H. Jordan und C. Hiilsen — seit 1870 mit der systematischen Freilegung der Monumente und der

Platzanlage. 1870-71 wurde die Basilica Iulia freigelegt, 1872-73 deckte man den Forumsplatz

auf, im selben Jahr begannen die Grabungen im Bereich des Vestalinnenhauses, 1878-80 wurde

die Via Sacra bis zu S. Maria Nova freigelegt. War in der ersten Grabungsphase (1870-1885)

zunåchst nur beabsichtigt, die meist spåtantike Bausubstanz des Forums freizulegen, so sollten

nach einer langjåhrigen Pause seit 1898 Ausgrabungen auch friihere Phasen zutage bringen —

meist zum Schaden der spUantiken und frillimittelalterlichen Bausubstanz, die oft ohne genane

Dokumentation en+fernt wurde. Die Grabungsberichte wurden, wenn au ch nicht immer in der gewiinschten Vollstdndigkeit,

im Bollettino della Commissione Archeolo.wa Comunale di Roma (seit 1872) bzw. in den Notizie

degli Scavi (seit 1876) vorgelegt. Nach 1905 trat eine Pause ein, die man nutzte, um in zusarn-

menfassenden VerÈiffentlichungen die Ergebnisse der Grabungen zu publizieren5. Erst wieder in

den 20er- und 30er-Jahren setzte man die Grabungsttigkeit sporadisch fort; einzelne Bauten

wurden unter der Leitung von A. Bartoli Wiederherstellungen unterzogen, darunter die Basilica

Aemilia, das Vestalinnenhaus und der Vestatempel sowie die Kurie, die ihrer gesamten postan-

tiken Ausstattung beraubt wurde. Die wenigen punktuellen Sondagen, die nach dem zweiten

Weltkrieg durchgefiihrt wurden, galten der Friihgeschichte des Forums.

Die Freilegung der Kaiserfora nahm man — gleichzeitig mit der Anlage der Via dell'Impero,

der heutigen Via dei Fori Imperiali — seit 1924 in Angriff, wenn auch bereits im 19. Jh. erste

Ausgrabungen unternommen wurden. Die vom Geist des 'Impero rinnovato' getragenen Gra-

bungsberichte aus den 20er- und 30er-Jahren sind nur sehr summarisch und geben fiber die

nachantike Epoche fast gar keine Auskunft6 .

Sieht man von einigen wenigen sporadischen Grabungen ab, deren Ergebnisse nur andeu-

tungsweise ven5ffentlicht wurden, begann erst wieder in den 80er-Jahren eine Phase intensiver

Auseinandersetzung mit der archdologischen Hinterlassenschaft im Bereich des Forums und der

Kaiserfora. Nicht nur die legge speciale per il patrimonio archeologico di Roma aus dem Jahre

1981, die den gesetzlichen Rahmen fur weiteres Vorgehen schuf, sondern auch der Wunsch nach

Einbeziehung des archologischen Erbes in das Stadtbild Roms bildeten die Grundlage verschie-

denartiger Projekte zur Freilegung der noch unausgegrabenen Partien der Kaiserfora7. Wenn

auch der Plan, einen Teil der Via dei Fori Imperiali zu entfernen und das Areal der Kaiserfora

vollstdig freizulegen, noch nicht realisiert werden konnte, so entfaltete sich doch in den letzten

15 Jahren eine beachtliche archåplogische Aktivitåt, die sich in einer Vielzahl detaillierter Publi-

kationen niederschlug. Besondere Aufmerksamkeit widmete man den einzelnen Rahmenbauten

des Forum Romanum, dem eigentlichen Platz, dem Kapitolsabhang, dem Bereich zwischen Ku-

rie, Caesarforum und Forum Transitorium und dem Caesarforum selbst, wobei man stets den

5 S. Anhang S. 397. 6 eberblick fiber die Grabungen der 20er- und 30er-Jahre bei A. Cederna, Mussolini Urbanista. Lo sventra-

mento di Roma negli anno del consenso, Bari 1979, 167-208; I. Insolera / F. Perego, Archeologia e città. Storia moderna dei Fori di Roma, bes. 31-174.

7 Vgl. etwa Roma: continuità dell'antico. I fori imperiali nel progetto della città, Mailand 1981; R. Panella, Roma Città e Foro, Rom 1989, 372-391.

Geschichte der Grabungen

spätantiken und frühmittelalterlichen Bestand ausreichend berücksichtigte8. Insbesondere die in

detaillierten Vorberichten bekannt gewordenen Arbeiten im Bereich des Trajansforums sind hier

hervorzuheben; sie vermitteln das Bild einer fast lückenlosen Kontinuität von der Antike bis

heute. Ergänzt werden die archäologischen Bestandsaufnahmen durch eine fast vollständige Vorla-

ge des epigraphischen Befunds im Band VI des Corpus Inscriptionum Latinarum, der gerade

für die Beurteilung des spätantiken Erscheinungsbilds der römischen Platzanlagen von großer

Bedeutung ist, sowie, im Falle der Kaiserfora, durch eine Sylloge der seit den 20er-Jahren gefun-

denen Inschriften und G. Luglis verdienstvolle Sammlung aller literarischen Quellen, die unsere

Vorstellung von Aussehen und Nutzung der Platzanlagen im Herzen Roms vervollständigen9.

8 S. die Bibliographie im Anhang S. 397ff. u. 408ff. sowie den Überblick über jüngere Forschungsvorhaben in Roma I, passim.

9 S. Anhang S. 401ff. u. 408ff.

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I. Das Forum Romanum in der Spät antike (Abb. 1)

1. Rahmenbebauung des Forumsplatzes

a. Das Senatsgebäude und seine Nachbarbebauung

Die Kurie An den Anfang dieses Überblicks sei die Kurie gestellt (Abb. 2; Taf. 1.2). Das heu-

tige Erscheinungsbild des Senatsbaus geht auf die Restaurierungen der Jahre 1930-1936 unter

Leitung von A. Bartoli zurück. Bezeichnenderweise entschied man sich zur Zeit des Impero rin-

novato' für die Wiederherstellung des antiken Erscheinungsbilds der Kurie und damit für den

Abriß aller zu S. Adriano gehörenden frühmittelalterlichen bis barocken Bauteile. Rekonstruiert

wurde die Kurie in ihrem tetrarchischen Erscheinungsbild, wie sie nach dem Brand im Jahre 283

neuerrichtet worden warf. Bei diesem Wiederaufbau orientierte man sich wiederum an Ort und

Erscheinungsbild des alten Senatsbaus, dessen Baubeginn bis in die Zeit Caesars zurückreichtet.

Über diesen unter Augustus vollendeten Vorgängerbau, der auch eine flavische Bauphase

besessen hatte, ist nur wenig bekannt3. Abgesehen von den Münzbildern, die eine gewisse Vor-

stellung vom augusteischen Außenbau vermitteln4, ist noch auf die wenigen Quellennotizen zu

verweisen, die überwiegend auf die Innenausstattung eingehen. Sicher weiß man, daß sich dort

im Lauf der Zeit eine Vielzahl von Kaiserbildnissen angesammelt hatte. Man sah dort Nero,

Domitian, Mark Aurel und Alexander Severus5. Der Historia Augusta zufolge sollen ein vergol-

deter Clipeus mit dem Brustbild des Claudius Gothicus sowie eine silberne Statue Aurelians die

Aula verziert haben6. Außerdem ist bekannt, daß unter Nero eine Minervastatue in der Kurie

aufgestellt wurde'. Viele dieser Ausstattungselemente dürften im Jahre 283 zugrunde gegangen

sein, die Bildnisse Neros und Domitians wurden wohl schon früher getilgt.

1 Wie an wenigen Resten unterhalb des Giebels noch erkennbar ist, umzog Quadermauerwerk-imitierender Stuck den Außenbau.

2 Bartoli, Curia 37f.; L. Richardson, RM 80, 1973, 219ff.; L. Richardson, RM 85, 1978, 359f.; Anderson, To-pography 122ff.; C. Morselli / E. Tortorici in: Archeologia Laziale 9, 1988, 48f. (Abb. 12); C. Morselli / E. Tortorici, Nei Fori di Cesare e di Nerva, Archeo 48, 1989, 60-65, hier 60f. (Phasenpläne). Zur Frage nach der Vorhalle vgl. Lugli, Roma antica 120 u. 134, gegen Hülsen, Forum: Nachtrag 1910, 12, Ruggiero, Foro 343ff., und F. Castagnoli, Note sulla topografia del Palatino e del Foro Romano, ArchCl 16, 1964, 173-199, hier 193ff.

3 Bartoli, Curia 5ff; L. Richardson, RM 85, 1978, 365f.; Anderson, Topography 55f. Quellen: Hieron., Chron. p. 191 Helm.

4 Bauten Roms auf Münzen und Medaillen, Katalog zur Ausstellung der Staatlichen Münzsammlung München 16. 10. - 2. 12. 1973, München 1973, 18 Nr. 23.

5 Nero: Tacitus, ann. 14, 12; Domitian: Sueton, Dom. 23; Mark Aurel: Cass. Dio 71. 34,1; Alexander Severus: Cass. Dio 79. 37, 5.

6 HA, Claud. 3, 3; HA, Tac. 9, 2.

7 Tacitus, ann. 14, 12.

8 Rom

Die berühmte Victoriastatue — eine solche befand sich bereits seit Augustus im Senat —nahm innerhalb der spätantiken Kurie wohl den prominentesten Platz ein, obwohl über den genauen Standort keine Angaben vorliegen8. Wechselhaft war das Schicksal des zugehörigen Altars9: 357 aus dem Senatsbau entfernt, gelangte er 382 erneut an seinen alten Platz zurück. Nachdem er wenig später wieder die Kurie verlassen mußte, erbat der Senat gegen den erbitterten Widerstand des Ambrosius seine Rückführung — jedoch vergebens. Eine Textstelle bei Claudian deutet immerhin an, daß sich die Statue selbst noch 404 n. Chr. im Senatsbau befand'°.

Weitere Statuen darf man in den von Figuralkonsolen eingefaßten sechs Nischen an den Längswänden vermuten. In den vier Nischen an den Ecken könnte man Statuen der Tetrarchen annehmen und in den größeren Nischen in den Wandmitten Statuen von Göttern, etwa Jupiter und Herkules — dies muß jedoch unbewiesen bleiben".

Neben den Zeugnissen zum Streit um den Victoriaaltar ist als weitere literarische Quelle über den Senatsbau im 4. Jh. der Bericht des Ammianus Marcellinus über den Rombesuch des Kaisers Konstantius II. im Jahre 356 zu erwähnen'2 . Der Kaiser hielt aus diesem Anlaß eine Rede an den Senat. Auch während des Rombesuchs des Honorius im Jahre 404 sollen sich die Senatoren in der Kurie versammelt haben'3.

Einen Einschnitt bedeutete die Eroberung Roms durch Alarich im Jahre 410. Einige epigra-phische Indizien deuten darauf hin, daß der Senatsbau bei dieser Gelegenheit Schaden nahm14 . Eine Reihe von Architravblöcken mit Inschriften datieren aus der gemeinsamen Regierungszeit des Honorius und Theodosius II. (408-423). Die folgende Inschrift ist auf einem Gebälkstück zu lesen, das sich in der Kurie fand15:

[I]mperantibus dd(ominis) nn(ostris) Honorio et Theo[d]osio Augg(ustis).

Von seinen Dimensionen her würde dieser Inschriftenblock sehr gut über die seitlichen Eingänge der Kurie passen. Eine weitere Gebälkinschrift spricht von Reparationsarbeiten'6 :

[Imperatoribus dd(ominis) nn(ostris) Honorio et Theodo]sio Augg(ustis) [vice s]acra iudicans repar[avit].

Da dieser Inschriftenblock seinen Maßen nach bestens über das Hauptportal der Kurie paßt, kann davon ausgegangen werden, daß die inschriftlich erwähnte Wiederherstellung auf die Kurie zu beziehen ist17. Zu den weiteren Inschriftenfunden, die während der Grabungen in und an der

8 Bartoli, Curia 57. Zur Frage des Aufstellungsorts vgl. S. Mazzarino, La statua della victoria e gli scavi della Curia, in: ders., Antico, tardoantico ed era costantiniana, Bari 1974, 339-351. Zum Aussehen der Victoria-statue s. Bauten Roms auf Münzen und Medaillen, a. 0. 18 Nr. 24, u. Spätantike und frühes Christentum, Katalog zur Ausstellung im Liebieghaus, Museum alter Plastik, Frankfurt / M. 1983, 476f. Nr. 79.

9 N. Casini, Le discussioni sull'Ara Victoriae nella Curia Romana, StRom 5, 1957, 501-17; Bartoli, Curia 71f. R. Klein, Der Streit um den Victoriaaltar, Darmstadt 1972.

1° Claudian, de VI. cons. Honorii 597 u. 650ff. 11 Vgl. Kähler, Fünfsäulendenkmal 34; H. G. Niemeyer, Studien zur statuarischen Darstellung der römischen

Kaiser (= MAR 7), Köln 1968, 31 Anm. 194; Lahusen, Untersuchungen 13. 12 Amm Marc. 16.10,13. 13 Claudian, de VI. cons. Honorii 588-91. S. u. S.126. 14 LaBranche, Roma Nobilis 91f. u. 172ff. Kat. 57. 15 A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50, 81 (Abb. 2); ders., Curia 43 (Taf. 36,1). 16 A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50, 81 (Abb. 3); ders., Curia 42f. (Taf. 36,2). 17 A. Degrassi, BullCom 72, 1946, 41; Bartoli, Curia 42f. (Rek.: Taf. 90).

Das Forum Romanum in der Spätantike 9

Kurie zutage kamen, zählen 13 Fragmente eines Epistyls, die sich ansatzweise zu einer Inschrift

zusammenfügen lassen (Abb. 3)18 :

[came]ram auro fulgentem

[provi]dentia pro genio senatus amplissi[ma] resta[ura]vit

Fl (avius) Ianu [arius]

Abermals ist also von Restaurierungen am Senat die Rede. Für die Datierung ist vor allem die

Ähnlichkeit dieser Gebälkfragmente mit den oben genannten entscheidend19 . Über den Namen

Flavius Ianuarius ist jedenfalls keine sichere Datierung zu gewinnen.

Die Umschreibung camera auro fulgens begegnet in ähnlicher Form noch auf einer weiteren

Inschrift, die in S. Adriano gefunden wurde und möglicherweise ebenfalls mit Reparaturen am

Senatsbau in Zusammenhang zu bringen ist20:

c]ameram auri fulgore decoratam sino[... .

Unter dem mittelalterlichen Kirchenboden fand sich schließlich noch das Ende eines marmornen

Architravs, dessen Unterfläche das Loch für eine Türangel aufweist und der eine Inschrift trägt21.

In der Lesung A. Chastagnols, der diejenige des Inschriftencorpus in einem bedeutungsvollen

Detail korrigiert, erscheint der Name des Neratius Palmatus, der Stadtpräfekt d. J. 412 warn:

Im]perant[ibus dd(ominis) nn(ostris) Honorio et Theodosio Augg(ustis) Nieratius P[al-

matus, v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urb(i) vice sacra iudicans, reparavit c]uriam

sen [atus .

Die Datierung dieser Inschriften, die Erwähnung von Reparaturen und die Tatsache, daß es

sich bei den Blöcken selbst um Architekturteile handelt, deuten darauf hin, daß die Senatsku-

rie unter den Ereignissen des Augusts 410 gelitten hatte und in den darauffolgenden Jahren

wiederhergestellt wurde23.

18 A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50, 81f.; ders., Curia 64ff.: 1: ...ntia pro geni...; 2: ...uro fulgentem ...; 3: ...o senatus ampli...; 4: ...res...; 5: ...vit...; 6: —; 7: ...ram au...; ...fl ianu...; 9: ...scons...; 10: ...uamve...; 11: ...ssimi...; 12: ...ta...; 13: ...den... .

19 A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 82. Vergleichsbeispiel: A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 81 (Abb. 2). 20 CIL VI, 30314. A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 82f., ders., Cüria Senatus 66, und Amici, Foro di Cesare

148, bringen diese Inschrift mit Umbauten, Reparationen etc. hinter der Kurie in Verbindung. Es wurde vermutet, daß es sich bei dieser camera auro fulgens bzw. camera auri fulgore decorata um einen eigenen, mit Gold verzierten Raumteil des Senats handelte: M. Guarducci, Camerae Fulgentes, in: Letture comparate, problemi e metodo (= Studi in onore di E. Paratore), Bologna 1981, 799-817, hier 799ff.

21 CIL VI, 37128. C. Hülsen, RM 17, 1902, 40f.; ders., Klio 2, 1902, 270, Nr. 55; AE 1953 zu 68. 22 Chastagnol, Prefecture 269ff. Zur Person des Neratius Palmatus s. PLRE I, 662 (Palmatus 2), oder PLRE

II, 824 (Palmatus 1).

23 Damit ist der Überblick über die spätantiken Inschriften aus der Kurie noch nicht abgeschlossen: Innerhalb des tetrarchischen Bodenbelags begegnen auch Flickungen. An einer Stelle wurde eine Kaiserinschrift verwendet (Bartoli, Curia 56f.). Trotz unterschiedlicher Lesung dürfte es sich wohl um dasselbe Inschriftenfragment handeln, das auch C. Hülsen, RM 17, 1902, 40, beschreibt (und von dem auch die Ergänzungsvorschläge übernommen sind): ...nia prin[cipibus 1 impera]tori[bus] 1 [A]ugust[is]. Und auch vor der Kurie fand sich ein spät antiker Inschriftenblock, der sich möglicherweise auf das Senatsgebäude bezieht (Lugli, Roma antica 127f.): ...ERAT... 1 ...NARCA... 1 ... SENA... 1 ...INDI... ...TAF... .

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Abb. 3. Kurie, Fragmente eines Architravs mit spätantiker a 0 az 0.3 0.4 05 1 Mt Reparationsinschrift.

ll III PEDES

Das Forum Romanum in der Spätantike 11

Einen weiteren Anhaltspunkt zur spät antiken Geschichte des Senats bildet eine Passage in den

Variae des Cassiodor, der einen Brief Athalarichs aus dem Jahr 527 an den Stadtpräfekten

Reparatus zitiert, in dem von Reparaturarbeiten an der Kurie die Rede ist24:

Dein Vater hatte eine bemerkenswerte Karriere, zuerst das Amt des comes largitionum,

dann das des Prätorianerpräfekten. Während er dieses Amt innehatte, stellte er die Kurie

wieder her, gab den Armen zurück, was ihnen genommen wurde, und erfreute alle durch

seine natürliche Art, wiewohl er keine umfassende Bildung besaß.

Um diesen Überblick über die spätantike Kurie zu vervollständigen, sollen auch noch die unmit-

telbar angrenzenden Gebäude und Örtlichkeiten besprochen werden:

Secretarium Senatus Das erst in der späten Kaiserzeit belegte Secretarium Senatus befand

sich in unmittelbarer Nähe zum Senatsbau. Üblicherweise wird es an der Stelle der Kirche S.

Martina lokalisiert, wobei man sich auf Pläne von A. da Sangallo d. J. und B. Peruzzi beruft,

die an der Stelle von S. Martina einen einschiffigen Apsidensaal und zwischen diesem Saal und

der Kurie (einander widersprechend) einen Säulenhof bzw. zwei längliche Räume, davon einer

durch Säulen in zwei Schiffe unterteilt, zeigen (Taf. 2). Doch kann der in den Plänen eingetragene

und S. Martina genannte einschiffige Apsidensaal nicht antik sein, da sich an dieser Stelle die

tabernae des Caesarforums befanden25. Entsprechend kann auch der Fundort der im folgenden

zu besprechenden Reparaturinschrift - die Apsis von Alt-S. Martina - nicht dem ursprünglichen

Aufstellungsort entsprochen haben26. Zunächst aber der Wortlaut der Inschrift27:

Salvis Dominis nostris Honorio et Theodosio victoriosissimis principibusIsecretarium am-

plissimi senatus quod vir inlustris Flavianus instituerat et fatalis ignis absumpsit 1 Flavius

Annius Eucharius Epifanius v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urb(i) vice sacra iud(icans)

reparavit et ad pristinam faciem reduxit.

In der Inschrift werden zwei Namen genannt, der des Flavianus, der das Secretarium Senatus

instituerat, und der des Flavius Annius Eucharius Epiphanius, der das Secretarium Senatus

reparavit und ad pristinam faciem reduxit. Letzterer ist prosopographisch identifizierbar28: Epi-

phanius war Stadtpräfekt in den Jahren 412-4, also unmittelbar nach dem Einfall des Alarich.

Dieses Secretarium Senatus, das ganz offensichtlich den Zerstörungen des Jahres 410 zumindest

teilweise zum Opfer fiel, war bereits zuvor von einem inlustris namens Flavianus eingerichtet

24 Cass., Var. 9, 7 (an. 527): Comitivae siquidem largitionum praesidens, functus etiam vicibus praefectorum, praetorianam egit integerrimae dignitatem, curiam reparans, pauperibus ablata restituens et quamvis liberali-bus studiis fuerit impolitus, placere non omisit industriis, quando naturaliter per se commendari potest bonum ingenium, etiam cum rebus accidentibus non videtur ornatum. G. Della Valle, RencAccNapoli 34, 1959, 148ff. Zur Person des Reparatus s. PLRE II, 939f. (Reparatus 1 ) .

25 E. Nash, Secretarium Senatus, in: Essays in Memoriam 0. J. Brendel, Mainz 1976, 191-204, hier 195f. u. 199f. Nash bezieht sich auf Ergebnisse von R. Thomsen, Acta Instituti Romani Regni Sueciae 5, 1941, 204f., der eine durchgehende Front von tabernae an der Südwestseite des Caesarforums annahm und somit die Kirche S. Martina auf den Renaissanceplänen für nachantik erklären mußte.

26 E. Welin, Studien zur Topographie des Forum Romanum, in: Skriften av Svenska Inst. Rom. 6, 1953, 204f.; Nash, a.-0. 199f.

27 CIL VI, 1718 = ILS 5522; C. Hülsen, RM 17, 1902, 54; ders., Forum 107; P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 298-302; A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 80. Zum FO vgl. CIL VI, 1718: in hemicyclo chori S. Martinae in capite fori Romani (Smetius).

28 Chastagnol, Fastes 271; PLRE II, 399 (Epiphanius 7).

12 Rom

worden29. Zunächst wurde in der Person des Flavianus der Stadtpräfekt d. J. 311, Junius Flavia-

nus, vermutet30. P. de Francisci schlägt als weitere Möglichkeit den praefectus urbi d. J. 392-4,

399-400 und 408, Nicomachus Flavianus, vorm. Das Secretarium Senatus könnte — so de Francisci

— während der Usurpation des Eugenius 393-4 errichtet worden sein. Diese Annahme bestätig-

ten die Untersuchungen E. Nashs: Nash kommt in einer Analyse des Begriffes `secretarium' zu

dem Ergebnis, daß es sich dabei um ein unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagendes Gericht

für Senatoren handelte32 . Die rechtlichen Voraussetzungen für ein solches Sondergericht seien

jedoch erst ab 376 gegeben gewesen, so daß auch das Secretarium Senatus erst nach diesem Zeit-

punkt entstanden sein könne33. 410 wurde die Anlage zerstört, wenn auch unklar bleiben muß, in

welchem Ausmaß sich die Zerstörungen bewegten. Wenige Jahre danach erfolgte die Wiederher-

stellung unter Epiphanius. Wie lange das Secretarium Senatus nach dieser Instandsetzung noch

in Betrieb blieb, ist nicht zu sagen. Die Tatsache, daß man die Reparationsinschrift in die Apsis

von Alt-S. Martina vermauerte, zeigt, daß man sich auch noch im 6. Jh., dem wahrscheinlichen

Entstehungsdatum der Kirche, an diese Institution erinnerte34 .

Wo aber befand sich nun das Secretarium Senatus? In der einschiffigen Kapelle auf den

Plänen Peruzzis bzw. Sangallos — also der Kirche S. Martina — kann es nicht gelegen haben, da

diese ja erst in nachantiker Zeit entstand. Nash vertritt die ansprechende Hypothese, es habe sich

in einer der tabernae des Caesarforums befunden. Gerade das Wort `instituerat' in der Inschrift

läßt vermuten, daß es sich nicht um einen Neubau handelte, sondern um die Einrichtung dieser

Institution in einem bereits bestehenden Bau.

Atrium Libertatis35 Bei dem Atrium Libertatis handelt es sich um ein älteres Gebäude, das

während des Baus des Trajansforums abgerissen wurde, dessen Name aber auf dem severischen

Marmorplan bei der Südostapsis der Basilica Ulpia wieder auftaucht (PIBERTAITISD36. Loka-

lisiert man das spät antike Atrium Libertatis in diesem Bereich, dann ergäbe sich eine deutliche

räumliche Trennung vom Senatsbau. Gegen diese räumliche Trennung spricht jedoch, daß Cassi-

odor das Atrium Libertatis unter verschiedenen Bezeichnungen aufführt, Atria Libertatis, Aula

Libertatis, Curia Libertatis, Penetralia Libertatis und Cremia Libertatis, und zwar jeweils in engem inhaltlichen Konnex zur Kurie, so daß auch ein enger räumlicher Zusammenhang zu ver-

muten ist37. Zudem läßt eine fragmentierte Widmungsinschrift des Senats an Libertas, die in

29 Zur Diskussion des Wortes `instituere' in diesem Zusammenhang s. Nash, a. 0. 191. 30 Hülsen, Forum 107; Platner / Ashby 145f.; Ruggiero, Foro 340; A. Degrassi, BullCom 72, 1946, 39f. Anm. 45. 31 P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 301f. Zur Person des Flavianus s. PLRE I, 345f. (Flavianus 14). 32 E. Nash in: Essays in Memoriam 0. J. Brendel, Mainz 1976, 195. 33 Cod. Theod. 9. 1, 13. Nash, a. 0. 194. 34 Nash, a. O. 201. Zur Datierung von Alt-S. Martina S. u. S. 64. 35 Zusammenfassung der Quellenstellen bei Lugli, Fontes 16, 79-83 Nr. 436-465; G. Lugli in: Synteleia V. Arangio

Ruiz, Neapel 1964, 808-11. Zusammenfassung der Forschungslage bei: E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium, 40ff. Jüngst auch Richardson, Top. Dict. 41.

36 FUR 29b; Lugli, Fontes 16, 81 Nr. 449 (Taf. 28). Daß sich das republikanische Atrium Libertatis am äußersten Ende des Caesarforums befand, ist unbestritten (Cicero, Att. 4. 17, 7; Sueton, Galba 19); dieser Bereich wurde durch die Anlage des Trajansforums umgewandelt. Zur Übernahme der Funktion des Atrium Libertatis durch das Trajansforum bzw. die Basilica Ulpia s. R. Paribeni, Optimus Princeps II, Messina 1927, 77; F. Castagnoli, RendLinc 1, 1946, 280; Lugli, Roma antica 284; Coarelli, Rom 116.

37 Cass., Variae: Atria Libertatis (8. 10, 8), Aula Libertatis (5.21, 3; 6.4, 3; 6. 15, 3), Curia Libertatis (6. 16, 3;

Das Forum Romanum in der Spätantike 13

Alt-S. Martina gefunden wurde, vermuten, daß eine Verbindung zwischen diesen beiden Örtlich-keiten bestanden hat38.

Noch eine weitere Inschrift deutet nach ihrem Fundort auf eine enge bauliche Verbindung zwischen Curia und Atrium Libertatis. Diese hinter dem Senatsgebäude entdeckte Inschrift zu Ehren des Kaisers Anastasius und des Ostgotenkönigs Theoderich erwähnt neben dem Secreta-rium Senatus auch das Atrium Libertatis39:

Salvis Domi[n]is nostris Anastasio perpetuo I Augusto et gloriosissimo a[c] triumfali vi-ro I Theoderico Valerius Flori[an]us v(ir) c(larissimus) et inl(ustris) I ex com(es) do-mest(icorum) ex com(es) [sacrar(um)] larg(itionum) praef(ectus) urb(i) I in Atrio Liber- tat[is] septuaginarias quae vetus[tate] ...carie fuerant 1 [a]t[q]ue confec[tae] omnia eius loci 1 [re]fecit [e]t in secretario [senatus] ...yes simili ...tavit quam eins ... capitolium fuerat ex omni I ...ive loco.

Über die Person des Florianus ist nur wenig bekannt; die Inschrift kann nicht genauer als nach der gemeinsamen Regierungszeit des Anastasius und Theoderich in die Jahre 491-511 datiert werden40. A. Degrassi schränkt zwar richtig ein, daß die Inschrift nicht in situ gefunden wurde; grundsätzlich ist aber stets im Fundort ein erstes Indiz für die Lokalisierung zu sehen41. Wahr-scheinlich erinnert diese Inschrift an Wiederherstellungsarbeiten, wie der stark beeinträchtigte untere Abschnitt des Inschriftenblocks erahnen läßt.

Noch eine weitere in die Jahre 437/446 datierbare Inschrift, die hinter der Kurie aufgefunden wurde, erwähnt das Atrium Libertatis, diesmal als Ort für die Aufstellung einer Statue des Aetius (Taf. 3.1)42:

[n]ec non et magistro militum per Gallias, quas dudum [o]b iuratas bello pace victorias Romano imperio reddidit, magistro utriusq(ue) militiae et secundo 1 consuli ordinario atq(ue) donis militarib(us) ornato. Huic [s]enatus populusq(ue) Romanus ob Italiae securitatem, [q]uam procul domitis gentib(us) peremptisque 1 [B]urgundionib(us) et Go-

9. 25, 3), Penetralia Libertatis (3.33, 3) und Gremium Libertatis (3.6, 1 u. 11, 3). Cassiodorstellen zusam-mengefaßt bei F. Castagnoli, RendLinc 1, 1946, 279f., und Lugli, Fontes 16, 82f. Nr. 457-65. Es ist vermutet worden, daß es sich bei diesen Bezeichnungen nur um Synonyme der Curia und nicht um Umschreibungen des Atrium Libertatis handle: F. Castagnoli, RendLinc 1, 1946, 289-291.

38 CIL VI, 470 = ILS 3780 = Fontes 16, 82 Nr. 453: [S]enatus Populusque R[omanus] 1 Libertati. FO: in foro, in aede divae Martinae. Lugli datiert diese Inschrift ins 4. Jh. und hält sie für das wahrscheinliche Zeugnis einer Restaurierungsarbeit: G. Lugli in: Synteleia V. Arangio Ruiz, Neapel 1964, 810. A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 85, vermutet, daß sich im Senat eine Libertasstatue befunden haben könne.

39 CIL VI, 1794 + CIL VI, 31933 = ILS 825; Lugli, Fontes 16, 81 Nr. 452; A. Degrassi, BuliCom 72, 1946, 38 Anm. 38; A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50, 77ff. (neue Fragmente); AE 1953, 68 (FO: S. Adriano). A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 86f.; ders., Curia 72 (datiert die Inschrift in die Jahre 507/11-518). Zur Datierung vgl. auch AE 1953, p. 26: Ein an Florianus adressierter Brief des Theoderich (Cass., Var. 1.5) datiert in die Jahre 507/11.

40 Zur Person des Florianus s. PLRE II, 480 (Florianus 4); C. Schäfer, Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuitäten unter den Ostgotenkönigen (490-540), St. Katharinen 1991, 71f.

41 Während A. Degrassi, BullCom 72, 1946, 44, betont, die Inschrift sei nicht in situ gefunden worden, schreibt Bartoli, Curia 69, daß der Inschriftenblock sehr wahrscheinlich in situ vorgefunden wurde.

42 AE 1950, 30. A. Bartoli, Il senato Romano in onore di Ezio, RendPontAcc 22, 1946/47, 267-273; A. Degrassi, L'iscrizione in onore di Aezio e l'„Atrium Libertatis", BullCom 72, 1946, 33-44; Lugli, Fontes 16, 82 Nr. 456; RE Suppl. XII (1970), 657f. s. v. magister militum (A. Demandt). Übs. d. Inschrift bei L. Schumacher, Römische Inschriften, Stuttgart 1988, 212ff. Nr. 145.

14 Rom

tis oppressis vincendo praestit [it, 1 i]ussu principum d(ominorum) n(ostrorum) Theodosi

et Placid[i Valentiln]iani p(erpetuorum) Aug(ustorum) in Atrio Libertat [is], quam [ ... 1

]rens erigit, dilatat et tu[et]ur aeque, st [atuam aere]Iam conlocavit m[o]rum probo,

opum refugo, delatolrum ut hostium inimicissimo, vindici libertatis, 1 pudoris ultor(i).

Die von der Mehrzahl der Forscher favorisierte Lokalisierung in der Basilica Ulpia43 scheint nur

für die hohe Kaiserzeit plausibel. Wahrscheinlich wechselte — so Lugli — im 5. oder 6. Jh. das

Atrium Libertatis seinen Standort und wurde mit der Kurie zusammengeschlossen44. Nur unter

dieser Voraussetzung ist es möglich, die eigenartige Diskrepanz zwischen antiker und spät antiker

Quellenlage zu erklären. Der Fundort der beiden Inschriften deutet jedenfalls darauf hin, daß sich

das Atrium Libertatis unmittelbar neben der Kurie befunden haben muß, vielleicht sogar hin-

ter dem Senatsbau, in der Portikus des Caesarforums, wo wohl auch das Atrium Minervae zu

lokalisieren ist45.

Atrium Minervae Das Atrium Minervae wird in beiden spätantiken Regionenverzeichnissen

jeweils zwischen Senatus und der Auflistung der Kaiserfora genannt, wodurch sich bereits gewisse

topographische Anhaltspunkte ergeben46. F. Zevi und, im Anschluß an ihn, F. Coarelli vertreten

die Ansicht, daß es sich bei der Bezeichnung Atrium Minervae lediglich um eine mittelalterliche

Bezeichnung des Nervaforums handelt47. Gegen diese Annahme spricht, daß die Regionenver-

zeichnisse nicht nur das Atrium Minervae sondern zugleich auch das Nervaforum und damit zwei

verschiedene Lokalitäten nennen48. Aber auch eine Inschrift, die angeblich auf dem Forum gefun-

den wurde, deutet darauf hin, daß Atrium Minervae und Nervaforum zwei getrennte Lokalitäten

waren. In dieser Inschrift wird ein Minervastandbild genannt, das, infolge eines tumultus civilis

zerstört, vom Stadtpräfekten Anicius Acilius Aginantius Faustus wieder aufgestellt wurde49:

Simulacrum Minerbae (sic) 1 abolendo incendio 1 tumultus civilis igni 1 tecto cadente con-

fractum 1 Anicius Acilius Aginantius 1 Faustus v(ir) c(larissimus) et inl(ustris) praef(ectus)

urbi 1 vic(e) sac(ra) iud(icans) in melius 1 integro proviso pro 1 beatitudine temporis re-

stituit.

Zunächst ist zu fragen, ob die Inschrift überhaupt auf das Atrium Minervae bezogen werden

muß oder auf ein anderes Bildnis dieser Göttin. Verengt man die Möglichkeiten auf den angeb-

lichen Fundort der Inschrift, dann bliebe als Alternative das Minervabild im Tempel auf dem

Forum Transitorium, doch ist die Wiederherstellung eines Kultbilds in der zweiten Hälfte des

43 F. Castagnoli, RendLinc 1, 1946, 276-291; G. Lugli in: Synteleia V. Arangio Ruiz, Neapel 1964, 807-15; P. Zanker, AA 1970, 522f.; Anderson, Topography 21-6.

44 G. Lugli in: Synteleia V. Arangio Ruiz, Neapel 1964, 815. 45 So auch A. Bartoli, RendPontAcc 22, 1946/47, 267. S. u. S. 82f. 46 Valentini / Zucchetti I, 114 u. 174. Die Auflistung der Kaiserfora beginnt jeweils mit dem Caesarforum, setzt

sich mit dem Augustus- und Nervaforum fort und endet mit dem Trajansforum. Gemäß der Angewohnheit der Regionenverzeichnisse, die topographische Reihenfolge aufzulösen, wenn gleichartige Monumentgattungen aufgelistet werden (vgl. Rostra, Tempel und Horrea), wird offenbar das Caesarforum zum Anlaß genommen die Liste der Kaiserfora in der chronologischen Folge ihrer Erbauung zu geben. Daraus folgt, daß das Atrium Minervae im Bereich von Senat und Caesarforum gesucht werden kann. Allg. s. E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium, 39f.; Richardson, Top. Dict. 41f.

47 F. Zevi, Il Calcidico della Curia Iulia, RendLinc 26, 1971, 247; Coarelli, Rom 66. 48 Valentini / Zucchetti I, 114 u. 174. 49 CIL VI, 526. A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 33f.

Das Forum Romanum in der Spätantike 15

5. Jh. unwahrscheinlich. Das Wiederherstellen eines religiös unbelasteten Kunstwerks ist dagegen

viel eher denkbar: ein solches befand sich seit Nero im Senat und überlebte offenbar auch den

Carinusbrand50 . Daher ist wohl von einer Verbindung des inschriftlich erwähnten simulacrum

Minerbae mit dem Atrium Minervae auszugehenn.

Wahrscheinlich ist mit dem tumultus civilis die Eroberung Roms durch Ricimer im Jahre

472 gemeint52 . Anicius Acilius Aginantius Faustus war 483 Konsul53. Vielleicht war Faustus der

Stadtpräfekt des Jahres 473, da für dieses Jahr der praefectus urbi nicht bekannt ist54 .

A. Fraschetti vermutet, daß es sich beim Atrium Minervae um das Vestibül der Kurie, also

um die vorgelagerte Portikus handelte55. Doch ist diese Gleichsetzung wenig plausibel, da eine

einfache Vorhalle gewöhnlich nicht als 'Atrium' bezeichnet wurde". Somit bleibt als wahrschein-

lichste Möglichkeit, das Atrium Minervae hinter der Kurie, also im Bereich der Südportikus

des Caesarforums zu lokalisieren57. Dieser Vermutung kommt die Formulierung in der Inschrift

zugute, die von einem simulacrum Minerbae igni tecto cadente confractum spricht, also von

einem Minervabildnis, das durch ein herabstürzendes brennendes Dach zerstört wurde.

Auch die südliche Portikus des Caesarforums, die unmittelbar an den Senatsbau anschließt,

weist die Spuren einer regen spätantiken Bautätigkeit auf (Abb. 32-4; Taf. 17.2), deren Auslöser

wahrscheinlich die Zerstörungen des Jahres 410 waren58. Doch soll dieser Befund im Zusammen-

hang mit dem Caesarforum dargelegt werden".

Zusammenfassung Die spät antike Geschichte des Senatsbaus läßt sich wie folgt resümieren:

Der Brand des Jahres 283 führte zum Neubau des Senats, wobei man sich weitgehend am Erschei-

nungsbild des Vorgängerbaus orientierte. Abgesehen von den Quellen zum Streit um den Victo-

riaaltar existieren erst wieder aus der Zeit nach 410 Nachrichten über die Kurie. Wie groß die

Schäden im Verlauf des Alarich-Einfalls waren, ist nicht zu bestimmen. Die Nachricht von der

Wiedererrichtung des Minervastandbilds ist ein Indiz für Zerstörungen infolge des Einfalls unter

Ricimer 472. Schließlich ist auch der Brief des Athalarich mit der Erwähnung eines Stadtpräfek-

ten curia reparans ein Dokument für die Aufrechterhaltung und Instandsetzung des Senatsbaus

in ostgotischer Zeit. Auch archäologisch läßt sich noch für das 6. Jh. Bautätigkeit an der Kurie

feststellen: Ziegelstempel aus dem Bereich der Kurie datieren in die Zeit des Theoderich60. Die

zahlreichen Wiederherstellungsmaßnahmen an der Kurie sprechen gegen einen Bedeutungsver-

5° Minervastatue: Tacitus, ann. 14,12. S. Mazzarino, Antico, tardoantico ed era costantiniana, Bari 1974, 329.

51 A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 83; ders., Curia 61f.; S. Mazzarino, a. 0. 329.

52 G.B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 8; A. Bartoli, BuliCom 73, 1949/50, 83; A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 33f.

53 A. Degrassi, I fasti consolari dell'impero Romano dal 30 av. Cristo al 613 d. Cristo, Rom 1952, 94. Zur Person des Faustus s. PLRE II, 451f. (Faustus 4); C. Schäfer, Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuität unter den Ostgotenkönigen (490-540 n. Chr.), St. Katharinen 1991, 62ff.

54 A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 35 Anm. 51.

55 A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 29ff.

56 Richardson, Top. Dict. 41.

57 E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium 39f.; C. Morselli / E. Tortorici, ibid. 253ff.

58 C. Morselli / E. Tortorici, Archeologia Laziale 9, 1988, 51.

59 S. U. S. 81ff. 60 Dach von Alt-S. Martina: CIL XV, 1665a und 1669. M. Steinby, L'industria laterizia di Roma nel tardo

impero, in: Societä Romana II, 99-164, hier 115. Kurie: CIL XV, 1563a. Steinby, a. 0. 128f.

16 Rom

lust der Kurie als Versammlungsraum des Senats61. Erst in der Zeit nach der byzantinischen

Wiedereroberung verlieren sich die Hinweise auf eine Instandhaltung des Senats — sowohl des

Baus als auch der Institution62 . Zwar lassen sich noch Hinweise für eine Aktivität dieses Gre-

miums im 7. Jh. beibringen63, doch bedeutet die Umwandlung des Gebäudes in eine Kirche

unter Papst Honorius I. (625-638) die vollständige Aufgabe der Kurie als Versammlungsort des

Senats64.

b. Der Platz vor der Kurie

Der Vorplatz der Kurie (Abb. u. 5; Taf. 3.3) ist ein sensibler Wirkungsbereich, der gerade in der

Spätantike zahlreiche Veränderungen erfuhr. Eine genaue Aufnahme des Areals vor dem Senat

und dem Severusbogen fand in den Jahren 1979-80 statt65; jedoch sind die Resultate dieser

Untersuchungen bis auf wenige Andeutungen noch nicht publiziert, so daß man gezwungen ist,

auf die Grabungsergebnisse aus der Zeit der Jahrhundertwende zurückzugreifen66. Diesen zufolge

stellt sich der Befund wie folgt dar:

Untersuchungen Giulianis und Verduchis ergaben, daß der zum Mitteldurchgang des Seve-

rusbogens ansteigende Pflasterweg, der von G. Boni zu Beginn dieses Jahrhunderts als mit-

telalterliches Machwerk entfernt wurde, der diokletianischen Umbauphase zuzuweisen ist (Abb. Taf. 3.2)67 . Ursprünglich, d. h. im 3. Jh., verlief ein gepflasterter Weg eben zum Severusbogen,

dessen mittlerer Durchgang über eine Treppe erreicht wurde68. Die seitlichen Bögen waren nicht

zugänglich. Unter Diokletian wurde dann das Niveau vor dem Bogen um ca. 2, 5 m abgesenkt,

so daß neue Zugangslösungen zum Bogen geschaffen werden mußten69. Diese Lösung bestand

in jener gepflasterten ansteigenden Rampe, die den Kurienvorplatz vom Forumsplatz abtrennte.

Zu den Seitendurchgängen wurden eigene Treppenaufgänge angelegt, wie die nachträglich in den

Sockel eingeschnittenen Stufen belegen70 . Das Pflaster des Zugangs zum Severusbogen wurde in

der Spätantike und im Mittelalter öfters ausgebessert: als Pflastersteine wiederverwendet fand

man Kaiserinschriften und Fragmente zweier Porphyrstatuen71.

61 So etwa A. Degrassi, BuliCom 72, 1946, 43; P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 312 u. 315. 62 Und so fragt auch Gregor d. Gr. in einer Homilie zu Ezechiel nach dem Verbleib des Senats: Greg. d. Gr.,

Horn. in Ezechiel II. 6, 22 (= PL 76, 1010C). 63 P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 296. 64 P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 317. Anders C. Cecchelli, SettSpoleto 6, 1958, 95f. Anm. 9, aller-

dings ohne stichhaltige Argumente. Zur Umwandlung des Senats in eine Kirche s. u. S. 62. 65 Giuliani / Verduchi 10 (Abb. 1) u. 19. 66 Vgl. hierzu C. Hülsen, RM 17, 1902, 31 u. 33ff.; Zur Pflasterung im Bereich zwischen Severusbogen und Kurie

s. Giuliani / Verduchi 35-38. 67 Giuliani / Verduchi 35f. 68 Hülsen, Forum 82f.; C. F. Giuliani in: Roma I, 16 (Abb. 11); Giuliani / Verduchi 38. 69 C. Hülsen, RM 17, 1902, 21f. (Abb. 4 u.5). Daß das Pflaster in diokletianischer Zeit abgesenkt wurde, geht

zudem daraus hervor, daß die unteren, nunmehr freiliegenden Partien des Travertinsockels des Bogens mit weißen Marmorplatten verkleidet wurden: Hülsen, Forum 82f.

7° A. Dutert, Le Forum Romain, Paris 1876, 26; C. Hülsen, RM 17, 1902, 21f.; Giuliani / Verduchi 35. 71 C. Hülsen, RM 17, 1902, 22f. Anm. 1. Kaiserinschrift: CIL VI, 1161 (Konstantius II.). Fragmente von Por-

phyrstatuen: A. Nibby, Roma nell'anno MDCCCXXXVIII, I, Rom 1838, 486f.

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Das Forum Romanum (Icr Spr7tuntiAT

17

Abb. 4. Platz vor der Kurie, Grabungsbefund.

weitere, ältere (?) Statuenpostamente

Monument für Mars, die Zwillinge und Maxentius Brunnenschale

Kurie

Monument für Theodosius, Valentinian II. und Arkadius

Statuen des konstantinischen Kaiserhauses

Abb. 5. Platz vor der Kurie, Umzeichnung des Grabungsbefunds.

18 Rom

Auch das Pflaster des Vorplatzes zeigt Spuren spätantiker Umgestaltungen (Abb. 4 u. 5). Im Be-

reich des ehemaligen Comitiums und des Lapis Niger begegnen mehrerlei Sorten von Pflasterung auf verschiedenen Niveaus. 11 m vom Senatsbau entfernt findet sich parallel zu diesem ein Pfla-ster aus rechteckigen Marmorplatten, auf dem Standspuren von Postamenten zu erkennen sind72.

Davor wiederum erstreckt sich, 20 cm höher gelegen und durch eine Traufleiste aus Travertin ge-trennt, ein Pflaster aus Travertin, ein recht schlechtes und spätes Machwerk, das Hülsen dem

späten Altertum zuweisen möchten: die ebenfalls spätantike Brunnenschale (s. u.) setzt dieses

Pflaster voraus. Älteren Forschungsergebnissen zufolge wurde der Lapis Niger unter Maxentius überpflastert

und als schwarzes Rechteck aus Basaltplatten innerhalb der Pflasterung kenntlich gemacht74. Die Datierung dieser Maßnahme in die Zeit des Maxentius stützt sich auf eine Marmorbasis, die an allen vier Seiten Inschriften aufweist. Ursprünglich trug sie eine Säule mit dem Stand-bild des Kaisers Antoninus Pius, die am 1. Aug. 154 vom Kollegium der Zimmerleute (collegium fabrum tignuariorum) gestiftet wurde. Später wurde diese Basis benutzt, um ein Denkmal, wahr-scheinlich eine Bronzegruppe des Mars mit den mythischen Stadtgründern Romulus und Remus, aufzunehmen. Dies ist aus folgender Inschrift zu erschließen (Taf. 4.1)75:

Marti invicto patri 1 et aeternae urbis suae 1 conditoribus 1 dominus noster 1 Imp(erator) Maxentius p(ius) f(elix) 1 invictus Aug(ustus).

Aus der Inschrift auf der rechten Seite folgt, daß der curator aedium sacrarum, Furius Octavianus, die Statuen am 21. April 308, also an einem Jahrestag der Gründung Roms, errichten ließ. Interessanterweise wurde bereits 1852 ein in der Basilica Iulia verbautes Fragment einer Inschrift gefunden, die ein Pendant zur eben genannten Inschrift war76:

censurae veteris pietatisque singularis d(omino) n(ostro) Maxentio .

Auch diese Inschriftenbasis war zunächst eine Stiftung der Zimmermannsgilde und erhielt erst nachträglich die zitierte Inschrift. Offenbar wurden zwei zusammengehörige Inschriftenbasen antoninischer Zeit von Maxentius übernommen, um nun als Postamente für die Statuen des Mars, der Zwillinge und des Maxentius zu dienen. Wahrscheinlich hatte diese Statuengruppe an dem schwarzen Pflaster, wo man das Romulusgrab vermutete, ihren Platz gehabt77. Die Umschrankung des Lapis Niger ist wohl noch später anzusetzen und vielleicht das Werk eines Stadtpräfekten des 4. oder 5. Jh.78.

72 C. Hülsen, RM 17, 1902, 33; D. Vaglieri, BuliCom 31, 1903, 146. 73 C. Hülsen, RM 17, 1902, 31. G. Boni, NSc 1900, 295 u. 317, hielt das Pflaster für mittelalterlich (11. Jh.).

74 C. Hülsen, RM 17, 1902, 30f.; ders., RM 20, 1905, 45; ders., Forum 104f. Der Lapis Niger und der Vorplatz der Kurie sind das Objekt einer Untersuchung von C. F. Giuliani, deren Publikation für die nächsten Jahre zu erwarten sein wird: C. F. Giuliani in: Roma I, 9. vgl. auch F. Coarelli in: Societä Romana II, 21f.

75 CIL VI, 33856 = ILS 8935; G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 213ff.; G. Boni, NSc 1900, 303ff. (Abb.1 (M)); C. Hülsen, Klio 2, 1902, 236f. Nr. 8; ders., RM 17, 1902, 30f.; Ruggiero, Foro 420; Lugli, Roma Antica 129ff.; H. Wrede, BJb 181, 1981, 140f. Der Name des Maxentius ist eradiert.

76 CIL VI, 1220 (FO: Basilica Julia), s. 31394a = 33857; C. Hülsen, Klio 2, 1902, 236 Nr. 8. 77 C. Hülsen, Klio 2, 1902, 237; ders., Forum 104f. Zu Lapis Niger und Romulusgrab s. auch T. N. Gantz, Lapis

Niger: the Tomb of Romulus, PdP 29, 1974, 350-361. 78 D. Vaglieri, BuliCom 31, 1903, 143.

Das Forum Romanum in der Spätantike 19

Sicherlich wurde nach dem Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke die Statue des Ma-

xentius entfernt; da der Name des Usurpators auf dem zweiten Inschriftenblock nicht eradiert

ist, wurde dieser wohl fortgeschafft, um anderweitig verbaut zu werden, während das Denkmal

des Mars und der Stadtgründer offenbar bestehen blieb, da man sich damit begnügte, auf dem

ersten Inschriftenblock den Namen des Maxentius auszulöschen.

Auf dem Travertinpflaster vor der Kurie findet sich eine backsteinerne Basis, die, wie Ein-

lassungen im Pflaster zeigen, von einem Gitter umgeben war. Dabei handelt es sich nach der

Mauertechnik wohl um ein Denkmal der Spätantike. Hülsen schlug vor, auf dem Sockel eine der

Basen des tetrarchischen Fünfsäulenmonuments zu plazieren79. Boni dachte an ein Bronzebild

der Wölfin, das vor der Kurie stand80 . Der überzeugendste Vorschlag stammt von G. Lugli, der

hier ein Ehrenmonument für die Kaiser Theodosius, Valentinian II. und Arkadius vermutet, von

dem sich die marmornen Verkleidungsplatten des Sockels mit den Inschriften erhalten haben81.

Dieses Denkmal wurde im Jahre 389 vom damaligen Stadtpräfekten Ceionius Rufius Albinus

gestiftet und erinnerte an die Niederschlagung des Usurpators Magnus Maximus.

Vor der Kurie, nicht genau in der Achse des Zugangs, findet sich eine flache, tellerartige

Brunnenschale, die sich aus acht Marmorplatten zusammensetzt82 . Im Innern ist ein Achteck

ausgespart, das als Standfläche für ein vielleicht porphyrnes Brunnenbecken diente, das Hülsen

in Neapel wiedergefunden zu haben glaubt83. Die Wasserzufuhr erfolgte über eine Bleileitung,

die in die quer vor der Kurie verlaufende Rinne eingelegt worden war. Dieser Brunnen datiert

wohl später als die Pflasterung des Kurienvorplatzes, da er teils über das Marmorpflaster mittels

einer Stuckschicht, teils in das Travertinpflaster eingelassen wurde84.

In der Flucht der Südwand der Kurie, westlich der Basilica Aemilia, standen in einer Reihe

drei Sockel mit Statuen spätantiker Kaiser. Die erste Basis ist heute fast vollständig zerstört;

die zweite trägt eine Inschrift für Kaiser Konstantius II. von dem Stadtpräfekten Memmius Vi-

trasius Orfitus, eine weitere ist ihrer Form nach dieser ähnlich und zeigt eine stark zerstörte

Inschrift, deren Reste ebenfalls auf den Stadtpräfekten Orfitus hindeuten85. Der hier Geehrte

war wohl Caesar Julian. All die genannten Monumente ordneten sich in ihrer Ausrichtung der

diokletianischen Kurie unter, was abermals die Einheitlichkeit und Autonomie dieses Vorplatzes

unterstrich. Ihrem Fundort nach könnten auch Inschriftenbasen der Kaiser Maximian, Konstan-

tius I., Konstantin, Konstantius II., Valentinian I. und Valens auf dem Platz vor der Kurie

gestanden haben86, denkbar wäre auch eine Aufstellung am Aufgang zum Severusbogen (s. u.).

79 C. Hülsen, RM 7, 1892, 281; ders., RM 17, 1902, 33. 80 G. Boni, Foro Romano, in: Atti del congresso internazionale di scienze storiche, 1.-9. April 1903, vol. 5, sez. IV:

Archeologia, 493-584, hier 493ff. 81 Lugli, Roma Antica 126f. CIL VI, 31413, 31414 u. 36957. 82 C. Hülsen, RM 17, 1902, 33f. 83 C. Hülsen, RM 17, 1902, 34ff. In der von Hülsen zitierten Notiz Pirro Ligorios erwähnt dieser einen grau vaso

di Porfido. L. Richardson, RM 85, 1978, 267, denkt an die Schale aus grauem Granit auf dem Monte Cavallo. 84 C. Hülsen, RM 17, 1902, 33f. 85 CIL VI, 31395. C. Hülsen, RM 17, 1902, 33. 86 Maximian: CIL VI, 36947 (FO: S. Adriano, in einer mittelalterlichen Mauer verbaut); Konstantius I.: CIL VI,

1132 (FO: beim Severusbogen); Konstantin: CIL VI, 36952 (FO: vor der Front von S. Adriano); Konstantius II.: CIL VI, 1161 (FO: beim Severusbogen, 1803) u. CIL VI, 1162 (FO: zwischen dem Severusbogen und der Phokassäule, 1835 (a), beim Severusbogen, 1833 (c), FO von b unbek.); Valentinian I.: CIL VI, 36955

20 Rom

c. Denkmäler am Zugang zum Severusbogen

Schließlich sind noch zwei Denkmäler anzufügen, die nicht eigentlich zum Kurienvorplatz gehö-

ren, aber auch nicht dem Forumsplatz zuzurechnen sind, da sie sich am Aufgang zum Severus-

bogen befinden.

Reiterstatue Konstantins' II. Vor dem rechten Seitendurchgang des Severusbogens sieht man

heute das Postament einer Reiterstatue, die dem Kaiser Konstantius II. vom Stadtpräfekten

Neratius Cerealis 352-3 gesetzt wurde (Taf. 4.3)87. Der Wortlaut der erhaltenen Inschrift88:

Restitutori urbis Romae adque orb[is] 1 et extinctori pestiferae tyrannidis 1 d(omino)

n(ostro) Fl(avio) Iul(io) Constantio victori ac triumfatori 1 semper Augusto 1 Neratius

Cer[e]alis v(ir) c(larissimus), praef(ectus) urbi 1 vice sacra iudicans, d(evotus) n(umini)

m(aiestati)que eius.

Der Kaiser wird in der Widmungsinschrift als restitutor urbis et orbis und als extinctor pestiferae

tyrannidis gefeiert. Letztere Bezeichnung ist auf den Sieg über den Gegenkaiser Magnentius 351

bei Mursa in Pannonien zu beziehen89.

Der Sockel wurde 1547 zusammen mit der Dezennalienbasis vor dem Bogen des Septimius

Severus gefunden. Nachdem der Inschriftenblock 1594 in die Farnesischen Gärten gebracht und

dort zusammen mit der Inschrift des Equus Constantini in die beiden Seiten des Vignola-Portals

vermauert worden war, wurde er 1875 auf das Forum Romanum zurückgebracht und 1899 auf

der wahrscheinlich zugehörigen Backsteinbasis aufgestellt. Als Argument dafür, daß die heutige

Aufstellung des Postaments auf dem Sockel auch der spätantiken entspricht, kann immerhin

angeführt werden, daß sich die Reiterstatue seines Vaters Konstantin nicht hier befand, wie aus

den Angaben des Anonymus Einsidlensis hervorgeht9°.

Statue des Honorius (`Monument für Stilicho') Am Aufgang zum Severusbogen, gegenüber

der Kurie steht noch eine Inschriftenbasis in situ, deren Inschrift zwei Zeilen Rasur zeigt, die auf

den Namen des Stilicho ergänzt werden (Taf. 4.2)91:

Fidei virtutig(ue) devotissimorum 1 militum domnorum nostrorum 1 Arcadi Honori et

Theodosi 1 perennium Augustorum, 1 post confectum Gothicum 1 bellum felicitate ae-

terni 1 principis domni nostri Honori, 1 consiliis et fortitudine 1 inlustris viri comitis et 1

(Rasur) (Rasur) ! S(enatus) P(opulus)q(ue) R(omanus) 1 curante Pisidio Romulo v(ir)

c(larissimus) 1 praef(ecto) urbi vice sacra 1 iterum iudicante.

Bei der Rasur ist zu ergänzen:

[magistri utriusq(ue) militiae Stilichonis].

(FO: im vermauerten unteren Teil des Portals von S. Adriano verbaut, als man den Fußboden erhöhte); Valens: (FO: zwischen S. Adriano und dem Severusbogen, 1548). Ob sich mit der vor S. Adriano gefundenen Inschriftentafel CIL VI, 36958, Statuen der Kaiser Valentinian II. und Theodosius verbanden, ist unsicher.

87 Zur Person des Cerealis, PUR d. J. 352-3, s. Chastagnol, Fastes 135-9; PLRE I, 197ff. (Cerealis 2). 88 CIL VI, 1158 = ILS 731. 89 Hülsen, Forum 105. 90 Giuliani / Verduchi 72f. s. u. S. 39. 91 CIL VI, 31987 = ILS 799.

Das Forum Romanum in der Spätantike 21

Als Inschriftenbasis verwendete man den Sockel eines Reiterstandbilds, den man senkrecht auf

einen Travertinblock stellte92 .

Wessen Standbild befand sich ursprünglich auf dieser Basis? Die Inschrift nennt den Geehrten

nicht eindeutig. Im hierfür üblichen Dativ werden nur fides und virtus der Kaiser Arkadius,

Honorius und Theodosius II. genannt. Daneben wurde ursprünglich allerdings noch der Name

des Stilicho erwähnt, was zur gängigen Ansicht führte, daß es sich hierbei um ein Standbild des

magister militum gehandelt habe. Stilicho hatte 403 bei Pollenza und Verona die Goten unter

Alarich besiegt. Im Jahre 408, nach der Ermordung des Stilicho, wurde dessen Name von der

Inschrift getilgt. Dennoch war, worauf R. Stichel und vor ihm bereits G. Lugli hinwiesen, auf

dieser Basis nie eine Statue des Stilicho zu sehen, sondern vielmehr eine der drei genannten

Kaiser, vielleicht des Honorius, des Augustus des Westens93.

d. Die Rostra

Insgesamt drei Rednerbühnen, rostra tria, werden von den spätantiken Regionenverzeichnissen

erwähnt94. Dabei handelt es sich neben den augusteischen Rostra am Westende des Forums um

die am Ostende gelegenen, neu identifizierten diokletianischen Rostra und um die Rednerbühne

am Tempel der Dioskuren95.

Die Rostra an der Westseite des Forumsplatzes gehen auf augusteische Initiative zurück,

erfuhren jedoch mehrere Umwandlungen, oft verursacht durch Brände im Westbereich des Fo-

rums. Vereinzelte Gebälkstücke, die den Rostra zuzurechnen sind, deuten eine severische und eine

tetrarchische Umbauphase an96. Für die severische Bauphase mag die Errichtung des benachbar-

ten Severusbogens ausschlaggebend gewesen sein, für die tetrarchische wohl der Forumsbrand

283 n. Chr. Bereits H. Kähler hatte die leicht gekrümmten Gebälkteile des Hemicycliums, des

rückwärtigen Teils der Rostra, tetrarchisch datiert und mit dem Brand des Jahres 283 in Ver-

bindung gebracht, doch deutet der Befund nur einen tetrarchischen Umbau an, nicht aber einen

vollständigen Neubau des Hemicycliums97.

Das Fünfsäulendenkmal 1547 wurde vor der Kirche S. Adriano die sogenannte `Dezennalien-

basis' gefunden, die ihren Namen der Inschrift Caesarum decennalia feliciter verdankt (Abb. 9;

Taf. 5.2)98. Bereits 1490 wurde eine ganz ähnliche Basis mit der Aufschrift Augustorum vicen-

nalia feliciter, sowie eine weitere Basis mit der Aufschrift Vicennalia Imperatorum gefunden99 .

Diese beiden Sockel sind allerdings verlorengegangen. Es ist das Verdienst H. P. L'Oranges, die

Zugehörigkeit dieser drei Säulenbasen zu einem größeren Monument aus der Zeit der Tetrarchie

92 Giuliani / Verduchi 77f.

93 Lugli, Roma antica 129; Stichel 94 Kat. Nr. 88. Für Honorius spricht die zweimalige Nennung des Namens.

94 Valentini / Zucchetti I, 113 u. 173.

95 Zur Frage der Rostra am Dioskurentempel: 0. Richter, JdI 13, 1898, 109; 0. Richter, Topographie der Stadt Rom, München 19012, 86 (Abb. 2); C. Hülsen, RM 17, 1902, 66 Anm. 1.

96 M. Wegner, Gebälk von den Rostra am Forum Romanum, RM 94, 1987, 331f. Hülsen datiert den kreisseg-mentförmigen Anbau aufgrund der Ziegelstempel severisch: C. Hülsen, RM 17, 1902, 17ff.

97 Kähler, Fünfsäulendenkmal 12ff. u. 53-56 Kat. F1-6 (Taf. 14-17 Abb. 31-36). Kritik an der Spätdatierung Kählers bei F. Coarelli, Il Foro Romano, II: Periodo repubblicano e augusteo, Rom 1985, 255f.

98 CIL VI, 1203. 99 CIL VI, 1204 (FO: Bei S. Adriano und dem Severusbogen, 1490); CIL VI, 1205 (FO: Vespasianstempel, 1509).

22 Rom

SOSTRUZIONI4- GALLERIE

CESARIARE

MONUMENTS NON I DENTIF. ARCO 01 SEVERS

L1(

VOLCANAL

VANOALICI

OSTRI UGUSTEI

IA XANTHA

11C0 01 TIBERIO

0 1 5

Abb. 6. Rostra, Grundrif3.

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1.4411, (A1114,11NIP

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CLIVIO CANT01.11.

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*CS QUAONNI ire. e.coa.

120 1 NOtrIA 14:1 lIN I E Arrroct.,

I=1 Axotrvit

oaa.A1Vad .114 ra.cesCo

Abb. 7. Porticus Deorum Consentium, Grundrif3.

. DlocLETtANWS, JUPITER

MAxIMIANUS

FRONTSEITE

Abb. 8. Fünfsäulendenkmal, Rekonstruktion nach H. P. L'Orange.

GALERWS

Das Forum Romanum in der Spätantike 23

0 1 3 4 5 0 15 20 25 M.

CAESARUM AUGU5TORUM

VICENNALIA TRICENNALIA

F ELICITE:R FELICITER

INSCHRIFTSEITE

V IC EnIKIALIA I mPE RAToRUM

AU6U5TORUM

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FELICITER.

CAE5,412UM

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CON5TANTIUS

7

ICO 90 6C 7C 60 5C 4C 30 .7.0 10 C

Abb. 9. Dezennalienbasis, Umzeichnung der Reliefs.

24 Rom

erkannt zu haben, das sich seit 303 n. Chr. an dieser Stelle erhob und auch auf der Adlocutio-

Darstellung des Konstantinsbogens abgebildet ist (Abb. 8; Taf. 5.1) 100. Die fünf Säulen trugen die

Statuen der vier Tetrarchen bzw. deren Genii und auf der mittleren Säule die Jupiters'°1. Frag-

mente einer kolossalen Porphyrstatue wurden 1891 beim Bogen des Septimius Severus, ein gut

erhaltener Torso wurde 1938 hinter der Kurie gefunden102 . Außerdem könnten auch Reste von

Säulen und Kapitellen von diesem Monument stammen'°3.

Kähler lokalisiert die Sockel der fünf Säulen hinter den Rostra. Als Beleg führt er Grabungs-

befunde an, die unmittelbar hinter dem Hemicyclium zwei etwa quadratische Fundamentsockel

zeigen104 . Als Ergebnis jüngerer Untersuchungen steht jedoch fest, daß die fünf Säulen nicht

hinter den Rostra sondern vielmehr auf den Rostra selbst errichtet warenim. Hinter dem Hemi-

cyclium hätten sowohl der Platz als auch die statischen Voraussetzungen für derartige Monu-

mente gefehlt'°6. Statt dessen wurde, um die fünf Säulenmonumente aufnehmen zu können, in

die Rednerbühne ein durchgehendes längliches Fundament eingemauert107 .

Rostra Vandalica' Wie eine Ironie erscheint der klägliche Anbau an die Rednerbühne, durch

den wenig später (um 470) ein Stadtpraefect einen Seesieg über die Vandalen feierte1°8 . So urteilte

man zu Beginn unseres Jahrhunderts über den spät antiken Anbau an die augusteischen Rostra,

der unter der Bezeichnung `Rostra Vandalica' bekannt ist (Taf. 6.1). C. Hülsen gelang es 1895,

vier Fragmente, die sich im Bereich der Phokassäule fanden, als Bestandteile ein und derselben

Inschrift zu identifizierenw9:

Salvis d(ominis) n(ostris) [Leone et Anthemio pp. Aug(ustis) Ulpi]us Junius [Va]lentin[us

praef(ectus)] urb(i) [... fecit.

Diese vier Inschriftenblöcke besitzen identische Charakteristika, nämlich einen etwa quadrati-

schen Querschnitt sowie Verankerungslöcher (für ein Gitter?) an der Oberseite"°. In der Rekon-

struktion ergibt sich für die Inschrift eine Länge von ca. 10 mm. Die Datierung der Inschrift

orientiert sich an der Stadtpräfektur des Junius Valentinus, die dieser wahrscheinlich nach 472

100 H. P. L'Orange, Ein tetrarchisches Ehrendenkmal auf dem Forum Romanum, RM 53, 1938, 1-34. 101 Zu den Genii: H. G. Niemeyer, Studien zur statuarischen Darstellung der römischen Kaiser (= MAR 7), Köln

1968, 47; H. Wrede, BJb 181, 1981, 135ff. 102 Kähler, Fünfsäulendenkmal 11. Die sich aus diesen Fragmenten bzw. dem Torso ergebenden Gesamthöhen

der Statuen unterscheiden sich allerdings voneinander. 103 Kähler, Fünfsäulendenkmal 9ff. 104 Kähler, Fünfsäulendenkmal 22ff. Plan S. 59. Ein Photo im Topographischen Bildlexikon von Nash zeigt die

fünf Fundamentsockel mit gestrichelten Linien eingezeichnet: Nash I, 199. 105 P. Verduchi, Le Rostre tribunate, in: Roma I, 29-33. 106 P. Verduchi, RendPontAcc 55/6, 1982/84, 330 u. 334; P. Verduchi in: Roma I, 31; Giuliani / Verduchi 155ff. 107 P. Verduchi in: Roma I, 30f. 108 Hülsen, Forum 23. 109 CIL VI, 32005. C. Hülsen, Iscrizione di Giunio Valentino, prefetto della cittä nel secolo V, RM 10, 1895,

58-63, hier 62: Salvis d...; 2: ...dn...; 3: ...us Junius [Vallentin[us ...; 4: ... urb... . 110 C. Hülsen, RM 10, 1895, 58f. Grundsätzlich ist anzumerken, daß die Inschriftenblöcke nicht so gleichartig

sind, wie dies Hülsen glauben läßt. Die Blöcke 32005a und b sind etwas schmaler, zudem gröber abgearbeitet und auch im Schriftzug anders als die übrigen Blöcke 32005c, d und e. Außerdem ist der Marmor deutlich gräulicher. Daß dies allerdings auch bedeutet, daß es sich um zwei separate Inschriften handelt, ist angesichts der auch sonst sehr unregelmäßig gestalteten spät antiken Inschriften unwahrscheinlich.

111 C. Hülsen, RM 10, 1895, 62.

Das Forum Romanum in der Spätantike 25

innehatte"2. Die Ergänzung der Kaisernamen muß jedoch so lange hypothetisch bleiben, so-

lange nicht das Jahr der Präfektur des Valentinus mit Sicherheit feststeht. Somit ist auch die

rekonstruierte Länge dieser Inschrift fraglich, wenn auch wahrscheinlich nicht gravierend zu kor-

rigieren, da auf jeden Fall Kaisernamen ergänzt werden müssen. Und so darf man mit Hülsen

annehmen, daß für eine derart lange Inschrift, die an ihrer Oberseite einst wohl ein Gitter trug,

nur die Rostra als Anbringungsort in Frage kommen"3.

Aus diesen Beobachtungen und Überlegungen Hülsens entwickelte sich für den nördlichen

Annex an die augusteischen Rostra die Bezeichnung `Rostra Vandalica'. Bereits 0. Richter hat-

te diesen Anbau, der ebenfalls Verankerungslöcher für Schiffsschnäbel besitzt, als Fortsetzung

der Rostra erkannt, ohne sich aber über die Datierung, geschweige den genauen Anlaß zur Er-

richtung dieses Annexes auszulassen"4 . G. Gatti entwickelte auf der Grundlage von Hülsens

Beobachtungen die Theorie, daß die Verlängerung der Rostra nach Norden wohl aus Anlaß ei-

nes Seesiegs der Römer über die Vandalen erfolgte"5. Den Begriff `Rostra Vandalica' wiederum

prägte G. Boni 1902 in seinem Tätigkeitsbericht"6.

Aus der forschungsgeschichtlichen Skizze werden die Probleme dieser Hypothese bereits er-

sichtlich. Weder wird in der Inschrift etwas von einem Sieg über die Vandalen erwähnt, noch ist

der Zusammenhang mit dem Anbau an die Rostra klar. In dem Ziegelmauerwerk des Rostra-

annexes finden sich zwar die Löcher für die Befestigung von Schiffsschnäbeln, doch rechtfertigt

dieser Umstand noch nicht die Annahme, hier seien Schiffschnäbel einer besiegten vandalischen

Flotte befestigt worden. Eine Benennung des Rostraannexes als `Rostra Vandalica' wird umso

fragwürdiger, wenn man sich vor Augen hält, daß sich die Inschrift ja über die gesamte augustei-

sche Rostra erstreckt haben müßte, auf alle Fälle aber allein für den spätantiken Anbau zu lang

ist. Die Vermutung, der nördliche Anbau an die Rostra sei aus Anlaß eines Seesieges über die

Vandalen zu Ehren der Kaiser Leo und Anthemius errichtet worden, ist also nicht zu belegen"7.

Nichtsdestotrotz kann Hülsens ursprüngliche Vermutung, die Anbringung einer etwa 10 m langen

Inschrift an der Rednerbühne, durchaus eine starke Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen.

Offenbar wurde die Rednerbühne in der zweiten Hälfte des 5. Jh. in ein Monument zu Ehren der

regierenden Kaiser umgewandelt.

112 Vom selben Stadtpräfekten sind weitere Inschriftenfragmente bekannt, die sich wahrscheinlich auf die Zerstö-rungen des Jahres 472 unter Ricimer beziehen: CIL VI, 37106 = CIL VI, 31890 (FO: Caelius): [Plot]ius Iunius

Valentinus urbi 1 Praeectus (sic) hostili 1 impetu s[ub]lata. Die Lesung Hülsens, RM 17, 1902, 19, der in der Inschrift den Namen des Präfekten Plotius Furius las, ist irrig. CIL VI, 1788 = 31891: [Valenti]nus urbi 1 [praefect]us hostili 1 [impetu] . Zur Person des Valentinus s. PLRE II, 1140 (Valentinus 5).

113 C. Hülsen, RM 10, 1895, 62f. 114 O. Richter, JdI 4, 1889, 7.

115 G. Gatti, NSc 1898, 492. 116 G. Boni, Foro Romano in: Atti del congresso internazionale di scienze storiche, 1.-9. April 1903, vol. 5, sez. IV:

Archeologia, 493-584, hier 562.

117 Die Skepsis gegenüber der Bezeichnung `Rostra Vandalica' wird auch durch neuere Forschungsergebnisse unterstützt. P. Verduchi vertritt für den Anbau an die Nordseite der Rostra ein tetrarchisches Entstehungs-datum. Als wesentliches Indiz für diese Datierung ist die Tatsache anzusehen, daß die Sockelleiste der Rostra Vandalica von dem Sockel des Equus Constantini überschnitten wird und somit früher sein muß: Giuliani / Verduchi 70.

26 Rom

Miliarium Aureum, Umbilicus Urbis (Romae), Genius Populi Romani Aus den spät antiken

Regionenbeschreibungen und dem Einsiedler Pilgerführer geht hervor, daß sich im Umfeld der

Rostra noch zwei weitere Monumente befunden haben müssen, in denen sich die Mittelpunkt-

stellung Roms ausdrückte, das Miliarium Aureum und der Umbilicus Urbis. Das Curiosum und

die Notitia nennen das Miliarium Aureum nach den Tempeln der Concordia, des Saturn, des

Vespasian und Titus sowie dem Kapitol, jedoch vor der Basilica Iulia118. Der Umbilicus Urbis

wird in der Notitia zwischen dem Concordia- und dem Saturn- bzw. Vespasianstempel aufge-

listet119. Genauer ist der Verfasser der Einsiedler Itinerarien, der ihn bei Ss. Sergio e Bacco

lokalisiert — einen Bau, den wir nach einer Ansicht M. van Heemskercks beim Tempel des Vespa-

sian und Titus lokalisieren können (Taf. 17.1)120 . Nun konnte K. Brodersen unlängst feststellen,

daß beide Bezeichnungen ein und dasselbe Monument umschreiben; die doppelte Nennung in der

gegenüber dem Curiosum jüngeren Notitia Urbis Romae ergibt sich aus einer nachträglichen In-

terpolation der spätantiken Bezeichnung umbilicus Urbis, ohne die ältere Bezeichnung miliarium

aureum zu tilgen121. Wo befand sich nun dieses Monument? Nördlich der Rostra befinden sich

die Reste eines dreistufigen Ziegelzylinders aus severischer Zeit, der jedoch einen älteren Kern

birgt (Abb. 6)122 . Sowohl die Rundform als auch die Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zu der

(heute verschwundenen) Kirche Ss. Sergio e Bacco lassen vermuten, daß sich hier der zentrale

Meilenstein des Reiches bzw. der Nabel der Stadt Rom befand.

Doch vermutete man auch, daß sich an dieser Stelle der Genius Populi Romani befand123.

H. Wrede schlug gar vor, daß Umbilicus Urbis und Genius Populi Romani miteinander identisch

seien124 . Die Existenz dieses Genius Populi Romani, den Aurelian gestiftet haben soll, wird

mehrfach in spätantiken Quellen bezeugt125. Im Curiosum und in der Notitia wird jeweils der

Genius Populi Romani (aureus) zwischen Rostra und Senat vermerk-026. Eine Fußbodenplatte

des 5. Jh. n. Chr., die zwischen Clivus Capitolinus und Basilica Iulia gefunden wurde, nennt u. a.

ebenfalls den Genius Populi Romani127 .

e. Bauten am Westrand des Forums

Concordiatempel Hinter den Rostra und dem Severusbogen, nicht mehr am eigentlichen Fo-

rumsplatz gelegen und nur mehr über den Clivus Capitolinus erreichbar, befand sich der Con-

cordiatempel. Für diesen Tempel, dessen Gründung ins Jahr 367 v. Chr. zurückgeht, und der

118 Valentini / Zucchetti I, 116 u. 174. 119 Valentini / Zucchetti I, 174. 120 Valentini / Zucchetti II, 177: Sancti Sergii, ubi Umbilicum (sic) Romae. ibid. 191 u. 195; Walser, Einsiedler

Inschriftensammlung 162, 182 u. 189. 121 K. Brodersen, Terra Cognita: Studien zur römischen Raumerfassung (= Spudasmata 59), Hildesheim - New

York 1995, 254ff.; ders., Miliarium aureum und Umbilicus Romae: Zwei Mittelpunkte des römischen Reiches?, WürzbJb, N.F. 21, 1995/96 (im Druck).

122 P. Verduchi, Lavori ai Rostri del Foro Romano: l'esempio dell'Umbilicus, RendPontAcc 55/56, 1982/84, 329-340, hier 334ff. Vgl. auch die Befundbeschreibungen bzw. -interpretationen bei Nash II, 484ff. und Kähler, Fünfsäulendenkmal 25.

123 M. Verzar, DArch 9/10, 1976/77, 378ff. 124 H. Wrede, BJb 181, 1981, 119f. 125 Chronogr. d. J. 354, 148 (Aurelian). 126 Valentini / Zucchetti I, 113 u. 173. 127 CIL VI, 248. H. Wrede, BJb 181, 1981, 119.

Das Forum Romanum in der Spätantike 27

121 v. Chr. sowie in augusteischer Zeit wiederhergestellt wurde, wird vom Anonymus Einsidlen-sis folgende Widmungsinschrift überliefert128 :

S(enatus) P(opulus)Q(ue) R(omanus) 1 aedem Concordiae vetustate collapsam 1 in me-liorem faciem opere et cultu splendidiore restituit.

Über die genauere zeitliche Einordnung dieser Wiederaufbaumaßnahme kann nur spekuliert wer-den. Möglicherweise ist sie Folge des Forumsbrands unter Carinus im Jahre 283, vielleicht hat sie auch die Zerstörungen unter Alarich im Jahre 410 als Ursache. G. Walser hat sogar eine augustei-sche Datierung, also den Wiederaufbau 7-10 n. Chr. durch Tiberius vorgeschlagen'29. Da in der Inschrift nur das Alter des Baus als Grund für dessen Reparaturbedürftigkeit genannt wird ohne einen Hinweis auf Brände oder sonstige gewaltsame Zerstörungen, darf man sich nicht an diesen Fixdatierungen orientieren. Hinweise von archäologischer Seite fehlen: weder an der Bauorna-mentik noch an der Bautechnik des verbliebenen Fundaments fanden sich Spuren spät antiker Restaurierungen'3°.

Im Regionenverzeichnis wird der Bau erwähnt131. Ob es sich bei dem vom Einsturz bedrohten Tempel in der Vita Hadriani um den Concordiatempel handelt, ist nicht sicher, da sich die Kirche Ss. Sergio e Baccho, die er zu begraben drohte, vor dem Pontifikats Hadrians I. (772-95) woanders befunden haben könnte'32 .

Porticus Deorum Consentium Bewegt man sich vom Concordiatempel den Clivus Capitolinus entlang nach Süden, so passiert man zunächst den Tempel des Vespasian und Titus (für den keine Nachrichten aus spätantiker Zeit vorliegen) und gelangt zur Porticus Deorum Consentium (Abb. 7; Taf. 6.2). Diese, 1858 restauriert, besteht aus zwei im stumpfen Winkel aufeinanderstoßenden Säulenhallen, hinter denen sich insgesamt sieben Cellae befinden. Üblicherweise sieht man in diesen Räumen die Standorte der zwölf Götterbilder, die bereits Varro aufzählt'33.

Die Götterbilder dieser Halle wurden i. J. 367 vom Stadtpräfekten Vettius Agorius Praetex-tatus wiederaufgerichtet und der Kult in der alten Form wiederaufgenommen, wie die Inschrift auf dem Architrav besagt'34:

[Deorum C]onsentium sacrosancta simulacra cum omni lo[ci totius adornatio]ne cultu in [formam antiquam restituto 1 V]ettius Praetextatus v(ir) c(larissimus) pra[efectus u]rbi [reposuit] 1 curante Longeio [ v(ir) c(larissimus) c]onsul[ari.

128 CIL VI, 89; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 94f. A. M. Ferroni, LTUR I, 319 s. v. Concordia Aedes. 129 Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 94. 130 S. hierzu die Untersuchung von C. Gasparri, Aedes Concordiae Augustae (= I Monumenti Romani VIII),

1979. 131 Valentini / Zucchetti I, 115 u. 174. 132 Lib. Pont. I, 51220 _23. S. u. S. 64f. 133 Varro, de rer. nat. 1.1,4. P. Pensabene hingegen äußerte die Ansicht, daß es sich nur bei der Kolonnade um

die Portikus der zwölf Götter handle; die dahinter befindlichen Räumen seien als Büros des Aerariums des Saturntempels anzusehen: P. Pensabene, Tempio di Saturno (= Lavori e studi di archeologia 5), 1984, 78-81. Er beruft sich hierbei auf eine Vermutung von F. Castagnoli, ArchCl 16, 1964, 195, der die septem Atria des Chronographen d. J. 354 (Valentini / Zucchetti I, 240) in den sieben Räumen der Portikus lokalisiert.

134 CIL VI, 102 = ILS 4003.

28 Rom

Ob sich mit dieser Maßnahme auch Reparaturen an der Zwölfgötterportikus verbanden, ist nicht sicher zu bestimmen: Die Kapitelle gehören der flavischen Epoche an, die Säulenschäfte

wahrscheinlich ebenso135 .

Saturntempel Auch der unterhalb der Porticus Deorum Consentium gelegene Saturntem- pel stellt ein bedeutendes Monument spät antiker Bautätigkeit auf dem Forum Romanum dar

(Taf. 7.1). Der im Jahre 42 v. Chr. errichtete Tempel, der seinerseits ein noch älteres Heiligtum, das bis in die Königszeit zurückreichte, ersetzt hatte, wurde zu unbekannter Zeit zerstört und erlebte in der ausgehenden Antike einen bedeutenden Wiederaufbau, wie die Inschrift auf dem

Architrav aussagt136:

Senatus Populusque Romanus incendio consumptum restituit.

Eine eingehende Untersuchung dieses Baus wird P. Pensabene verdankt, der sich ausführlich mit der Reparaturphase des 4. Jh. beschäftigt. Zahlreiche Details deuten darauf hin, daß es sich um einen weitgehenden Wiederaufbau gehandelt haben muß, bei dem man bauliche Unre-gelmäßigkeiten in Kauf nahnin'r. Der im Inneren des Pronaos verlaufende Fries ist eine Spolie

(Taf. 7.62)138 . Von den elf Werkstücken sind die sechs größeren aus prokonnesischem Marmor und

von einem klaren, präzisen Schnitt139 . Fünf Fragmente, von denen sich vier jeweils über den

Säulen befinden, sind aus lunensischem Marmor und nur bossier-U-4°. Die ionischen Kapitelle des

Saturntempels"' sind ebenfalls der Spätantike zuzurechnen, wenn auch der Bau des Munacius Plancus bereits solche besaß, wie aus der Darstellung des Tempels auf den Anaglypha Traiani hervorgeht. Vergleiche mit anderen ionischen Kapitellen des 4. Jh. deuten auf eine Datierung in

die 2. Jahrhunderthälfte142 . Schließlich sprechen auch die Säulenbasen in ihrer unregelmäßigen Anordnung und Dimensionierung für einen spät antiken Wiederaufbau des Saturntempels'43.

Für eine genaue Datierung des Wiederaufbaus gibt es keine näheren Hinweise. Da der Saturn-tempel vom Chronographen d. J. 354 nicht als Opfer des Brandes 283 n. Chr. genannt wird'44 ,

muß sich die Architravinschrift nicht auf die Brandkatastrophe unter Carinus beziehen. Pensa-bene datiert den Wiederaufbau des Saturntempels in die Jahre 360-380, also in eine Epoche, in der mehrere 'heidnische' Bauten im Forumsbereich renoviert wurden'45. An der Inschrift fällt

135 F. W. Deichmann, Die Spolien in der spätantiken Architektur, SbMünchen 1975/6, 10f.

136 CIL VI, 937. 137 Vgl. Pensabene, a. 0. 40 (Abb. 37), 46 u. 84 Kat. Nr. 4. 138 Pensabene, a. 0. 49ff. 91-100 (Kat. Nr. 21-32). 139 Pensabene, a. 0. Kat. Nr. 21, 22, 24, 26, 30 u. 31. 140 Pensabene, a. 0. Kat. Nr. 23, 25, 27, 28 u. 29. Zur Frage der Datierung s. Pensabene, a. 0. 55 u. 57. M. E.

Bertoldi, Ricerche sulla decorazione architettonica del Foro Traiano, StudMisc 3, 1960/1, 13 (Taf. 8,1,2 u. 9,1); C. Leon, Die Bauornamentik des Trajansforums, Wien-Köln-Graz 1971, 65 (Taf. 6,2). E. Fiechter in: F. Toebelmann, Römische Gebälke I, Heidelberg 1923, 66, glaubt an eine Herkunft aus dem Trajansforum, was Ch. Leon, a. 0. 59 Anm. 7, bestreitet. Leon denkt an eine Entstehung im 4. Jh.

141 Pensabene, a. O. 103-115 (Kat. Nr. 45-52). 142 Pensabene, a. 0. 64ff. 143 Pensabene, a. 0. 71f. u. 115ff. Zwei Basen sind wohl spätantik. 144 Vgl. Chronogr. d. J. 354, 148. 145 Pensabene, a. 0. 61f. u. 151. Als Beispiele nennt er die Restaurierung der Porticus Deorum Consentium (CIL

VI, 102 = ILS 4003, 367 n. Chr.), die Wiederherstellung des Apollo-Sosianus-Tempels (CIL VI, 45, 357/9 n. Chr.) und den Tempel des Divus Iulius (CIL VI, 1184a, 379/383 n. Chr.). Letzteres Beispiel ist äußerst fragwürdig; Die Inschrift stammt aus den Ost-Rostra und ist wohl auch auf diese zu beziehen (s. u. S. 32). vgl.

Das Forum Romanum in der Spätantike 29

allerdings auf, daß neben dem Senat und dem Volk von Rom weder Kaiser noch Stadtpräfekt

genannt werden'46. Dies könnte bedeuten, daß es sich hierbei um die Kopie einer älteren Inschrift

handelt, die bereits vor der spät antiken Wiederherstellung auf dem Epistyl zu lesen war147. Auch

bei der vergleichbaren Restaurierungsinschrift auf dem Concordiatempel fehlt die Angabe des

Kaisernamens oder des Namens des Stadtpräfekteil'-48.

Im Frühmittelalter wurde in die Cella des Tempels die Kirche S. Salvatore de statera einge-

bauti49.

f. Die Basilica Iulia

Die den gesamten Raum zwischen dem Saturntempel und dem Tempel der Dioskuren ausfüllen-

de Basilica Iulia bildet den südlichen Abschluß des Forumsplatzes (Taf. 8.1). Der Bau, dessen

Vorgängeranlage in das Jahr 170 v. Chr. zurückreicht, wurde von Caesar wahrscheinlich vor 54

v. Chr. begonnen. 12 v. Chr. brannte die Basilica Iulia vollständig ab und wurde in der Folge-

zeit wiedererrichtet. 283 wurde der Bau abermals durch Brand zerstört und unter Diokletian

neu aufgebaut'5°. Dieser Wiederaufbau läßt sich nach den Ziegelstempeln in tetrarchische bzw.

konstantinische Zeit datierenni: dies betrifft die Pfeiler und Bögen der äußeren Schiffe am Vi-

cus Iugarius, die heute noch aufrecht stehen, und vermutlich auch den massiven Ziegelbogen,

mit dem Saturntempel und Basilica Iulia miteinander verbunden wurden152 . In den spätanti-

ken Quellen taucht der Bau zweimal auf, einmal im Regionenverzeichnis, ein anderes Mal bei

Polemius Silvius'53.

Die Bau- und Ausstattungstätigkeit des Gabinius Vettius Probianus Die spätantike Bau- und

Ausstattungsgeschichte der Basilica Iulia ist eng mit dem Namen des Gabinius Vettius Probianus

verbunden. Insgesamt acht im Forumsbereich gefundene Inschriftenbasen nennen den Namen

dieses Stadtpräfekten, der dieses Amt wahrscheinlich 416 innehatte. Lanciani und Chastagnol

brachten diesen Umbau ursprünglich mit dem gleichnamigen Stadtpräfekten des Jahres 377 in

Zusammenhang'54 . Mit Hülsen ist aber wohl davon auszugehen, daß es sich um den Präfekten

Deichmann, Spolien (a. 0.) 11, der ebenfalls eine zeitliche Nähe zur Wiederherstellung der Porticus Deorum Consentium sieht.

146 Pensabene, a. 0. 101-3 (Kat. Nr. 33-44). 147 Pensabene, a. 0. 59 Anm. 2. Pensabene erinnert an das Pantheon, dessen Widmungsinschrift ebenfalls von

dem Vorgängerbau übernommen wurde. E. Gjerstad, Latomus 58/2, 1962, 757ff., hält es für möglich, daß eine Inschrift, die an die Wiedererrichtung des brandzerstörten Tempels erinnerte, bereits auf dem von Galliern zerstörten und von L. Furius (Macrobius I.8, 1) wiedererrichteten Tempel zu sehen war. Diese wäre dann auf dem Bau des Munacius Plancus wiederholt worden und schließlich auch in der Spätantike beibehalten worden. In diesem Fall müßte man keine spätantike Brandkatastrophe als Zerstörungsursache annehmen.

148 CIL VI, 89. Pensabene, a. 0. 60. 149 G. Maetzke, Archeo 48, 1989, 71f. s. u. S. 65. 150 Chronogr. d. J. 354, 148. 151 CIL XV, 1569,2; Steinby, a. 0. 119 u. 140. Dieser Ziegelstempel begegnet auch in den Sockeln der Säulenmo-

numente an der Forumssüdseite und an einer Vielzahl anderer tetrarchischer bzw. konstantinischer Bauten in Rom. S. u. S. 43.

152 Amici, Foro di Cesare 154. 153 Valentini / Zucchetti I, 117 u. 174. Polem. Silv. 545.

154 R. Lanciani, BuliCom 27, 1899, 185; ders., Destruction 36. Chastagnol, Fastes 201f.

30 Rom

des Jahres 416 handelt, da mit der anzunehmenden Zerstörung durch Alarich auch ein Anlaß für

eine derartig gravierende Baumaßnahme gegeben ist'55. Zwei Gruppen von jeweils fast gleichlautenden Inschriften berichten von Statuenaufstellun-

gen, die von Probianus vorgenommen wurden. In der ersten Gruppe ist ausdrücklich von der

Basilica Iulia die Rede156 :

Gabinius Vettius Probianus v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urbi I statuam quae Basililcae Iuliae a se noviter 1 reparatae ornamento I esset adiecit.

Gabinius Vettius Probianus fügte also der von ihm wiederhergestellten Basilica Iulia als Schmuck Statuen bei. Fünf weitere Inschriften erwähnen eine basilica inlustris, wo ebenfalls Statuen aufge-

stellt wurden'57. Mit der basilica inlustris ist wohl kaum die Basilica Iulia gemeint. Die Inschriften

mit der Erwähnung der Basilica inlustris fanden sich bei S. Adriano, die mit der Erwähnung der Basilica Iulia bei der Basilica Iulia bzw. beim Vespasianstempel. Man wird also eher vermuten, daß die Basilica inlustris mit der Basilica Aemilia gleichbedeutend ist'58. Daß Basilica Iulia und

Basilica inlustris zwei verschiedene Bauten sind, deutet auch die Tatsache an, daß nur in den Inschriften mit dem Namen der Basilica Iulia von Reparaturen die Rede ist, die der Stadtpräfekt

vornahm. Ungefähr in der Mitte vor der Fassade stehen zwei Sockel, in welche die Inschriften opus

Polycliti, opus Praxitelis bzw. opus Timarchi eingeritzt wurden'59 . Nach der Buchstabenform ist

wohl eine Entstehung im 3. bzw. 4. Jh. anzunehmen16°. Möglicherweise sind auch diese Inschriften

mit Gabinius Vettius Probianus in Verbindung zu bringen'61.

Mittelalterliche Ein- und Umbauten In der westlichen Seitenhalle der Basilica, dem Vicus Iugarius zu, wurde im 7. / 8. Jh. die Kirche S. Maria in Cannapara eingebaut, wobei man als Baumaterial u. a. Säulen aus Porphyr, Caristio und Verde Antico verwendete'62. Diese Kirche

teilt sich ihren Namen — canapa bedeutet 'Getreide' — mit der Contrada della Cannapara, die

155 C. Hülsen, RM 17, 1902, 54; ders., Klio 2, 1902, 268ff.; RE XXIII 1 (1957) 41 s. v. Probianus 3 (W. Enßlin). vgl. Cod. Theod. 14. 10, 4. Nach Hülsen auch Ruggiero, Foro 401f. u. 414; Platner / Ashby 79; G. Lugli, Foro Romano e Palatino, 1962, 46f.; Coarelli, Rom 61. Hülsens Vermutung beruht immerhin auf einigen archäologischen Indizien: Zwei Inschriften, die ebenfalls Probianus erwähnen, sprechen von Statuen, die infolge einer fatalis necessitas umgestürzt waren (CIL VI, 3864a und b). Mit diesem Ausdruck könnte zwar auch eine Naturkatastrophe oder ein Brand gemeint sein, wahrscheinlicher jedoch die Eroberung Roms durch Alarich 410. Anders Ward-Perkins 42, Chastagnol, Fastes 201f. u. PLRE I, 734.

156 CIL VI, 1658c = 1156a = ILS 722 (FO: in hortis prope tres columnas = Vespasianstempel bzw. iuxta columnam (prope columnam) = Phokassäule, 1554); CIL VI, 1658d = ILS 5537 (FO: bei der Basilica Julia, 1835); CIL VI, 31886 = 37105 (FO: Vicus Iugarius 1883). Zitiert wird CIL VI, 1658c.

157 CIL VI, 1658a, b, 31883-31885 (FO: S. Adriano, drei am anderen Ende der Basilica Aemilia, bei S. Lorenzo).

158 So auch S. Panciera in: Epigrafia e Ordine senatorio I (= Tituli 4), Rom 1982, 651f. zu Nr. 34.

159 CIL VI, 10040-2. G. B. DeRossi, La base d'una statua di Prassitele teste scoperta e la serie di simili basi alla quale essa appartiene, BullCom 2, 1874, 174-181; H. Brandenburg in: Migratio et Commutatio (FS Th. Pekäry), St. Katharinen 1989, 240. Brandenburg rechnet noch die in der Nähe von S. Marco gefundene Inschrift CIL VI, 10039 (opus Bryaxidis) zu dieser Gruppe. Weitere Beispiele dieser Art bei Brandenburg, a. O. 241.

160 Brandenburg, a. 0. 240 Anm. 13. Severisches Entstehungsdatum bei Coarelli, Rom 82. 161 So etwa G. B. DeRossi, BullCom 2, 1874, 180f. 162 R. Lanciani, BullCom 19, 1891, 229; ders., NSc 1883, 47 u. 80; Hülsen, Forum 62; G. Maetzke, AMediev 18,

1991, 80-85.

Das Forum Romanum in der Spätantike 31

sich von hier bis zu S. Teodoro erstreckte'63. Leitet sich die hochmittelalterliche Bezeichnung

templum Cereris et Telluris gar von der Funktion der Basilica Iulia als Getreidemarkt ab'"?

Im Ostbereich der Basilica Iulia ist im Paviment des inneren umlaufenden Schiffes eine grie-

chische Inschrift als Bodenbelag wiederverwendet worden — wahrscheinlich eine friihmittelalter-

liche Reparaturmaf3nahme. Mauerstrukturen des 8. und 9. Jh. an den Pfeilern gehören vielleicht

zu den Unterkiinften fiir die ca/carii 165 . Von diesen stammen die im Bereich der Basilica Iulia

aufgefundenen mittelalterlichen Kalköfen'66 .

Ober den Tempel der Dioskuren Castor und Pollux, die Regia und den Tempel des Divus Iulius

liegen kaum Nachrichten aus der Spätantike vor, so daf3 diese Bauten hier äbergangen wer-

den können'67. Zudem wurden diese Bauten wohl zu Beginn des 4. Jh. durch einen spätantiken

Neubau vom Forumsplatz abgedrängt:

g. Die Rostra an der Ostseite des Forums

Gegenäber der Nordostecke der Basilica Iulia, in der Verlängerung der sieben Säulenmonumente

am S ildrand des Forumsplatzes, ist heute eine kleine Ziegelruine erhalten (Taf. 8.2). Noch im

letzten Jahrhundert war der Bau bedeutend besser erhalten, wurde jedoch 1872/74 von P. Rosa

als brutta costruzione medievale zerstört'68. Die Abtragung dieses Gebäuderestes wurde bereits

von den gelehrten Zeitgenossen kritisiert, die hierin ein Monument der Spätantike sahen und eine

genaue Untersuchung fiir nötig hielten'69 . Die einstige architektonische Form des heute fast gänz-

lich verlorengegangenen Baus, eine gleichmäf3ige Folge von Räumen, die sich zum Forumsplatz

öffneten aber auch von der Riickseite betretbar waren, erinnert an Läden oder Bäros17°.

Giuliani und Verduchi kamen nach einer intensiveren Untersuchung der Reste des Baus sowie

der verbliebenen Aufzeichnungen aus dem letzten Jahrhundert zu dem Ergebnis, daf3 es sich um

ein Pendant zu den westlichen Rostra gehandelt haben mässe (Abb. 10) 171. Dafiir sprechen die

formalen Analogien dieser beiden Bauten. Die Einlassungslöcher an der Westseite des erhaltenen

Abschnitts ähneln denen der augusteischen Rednerbiihne und lassen in etwa das Dekorationssy-

stem, Schiffsschnäbel, erschlief3en. Auch Einlassungen fiir ein Abschlul3gesims begegnen an beiden

Bauten. Die Identifizierung als Rednerbiihne bietet keinerlei Schwierigkeiten, da die spätantiken

Regionenverzeichnisse rostra tria erwähnen172 .

Eine Analyse des Mauerwerks und eine Oberpräfung alter Aufzeichnungen fiihrte Giuliani

und Verduchi zur Oberzeugung, daf3 es sich bei dem Bau um eine Anlage aus tetrarchischer Zeit

163 S. U. S. 65. 164 Mirabilien: Valentini / Zucchetti III, 55. 165 R. Lanciani, Bull. Inst. 1871, 244. 166 R. Lanciani, BullCom 19, 1891, 229-236; G. Maetzke, AMediev 18, 1991, 84. 167 Nachrichten iiber Regia und Tempel des Divus Iulius zusammengefaf3t bei LaBranche, Roma Nobilis 219

Kat. 130 bzw. 225 Kat. 138. 168 Rälsen, Forum 136. 169 Giuliani / Verduchi 151. 170 Lanciani, Ruins and Excavations 261; Lanciani, Destruction 34; Lugli, Monumenti minori 116. 171 Giuliani / Verduchi 153f. 172 Valentini / Zucchetti I, 113 u. 173.

32 Rom

handeln müsse173. Für diese Annahme spricht auch, daß diese Rostra in Analogie zu den Rostra

an der Westseite des Platzes ebenfalls Säulenmonumente aufnehmen sollten, wie entsprechende

Fundamentierungen im Inneren des Baus belegen174 .

Späteres Schicksal Vermauert in die inzwischen abgerissene Torre Brizio, also in der Nähe

der Rostra fand sich 1872 ein 3,41 m langes Gebälkstück mit einer Widmung des Stadtpräfekten

d. J. 379/83, Septimius Bassus, an die Kaiser Valentinian I. und Theodosius I. (Taf. 9.1)175:

Dominis omnium Gratiano Valentiniano et Theodosio Imperatorib(us) Aug[g(ustis)]

L(ucius) Val(erius) Sept(imius) Bass(us) v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urb(i) maiestati

eorum dicavit.

G. Lugli und P. Pensabene vermuten, daß die Inschrift mit dem Caesartempel zu verbinden

ist176 . Doch spricht der Fundort für die Ost-Rostra. Möglicherweise darf man eine Umwandlung

der Rostra in ein imperiales Monument annehmen, wie es im fortgeschrittenen 5. Jh. ähnlich mit

den Rostra an der Westseite des Forumsplatzes geschah.

Ab dem 6. Jh. wurden in den Räumen der Rostra Werkstätten eingerichtet - offensichtlich

hatte der Bau zu dieser Zeit seine Funktion als Rednerbühne verlorerirr'.

h. Die Basilica Aemilia

Auch die Basilica Aemilia, ein Bau der auf das Jahr 179 v. Chr. zurückgeht und in der späten

Republik und frühen Kaiserzeit mehrfach erneuert wurde, besitzt eine umfangreiche spätantike

Bau- und Ausstattungsgeschichte (Abb. 11). Wie stark sie vom Brand d. J. 283 betroffen wurde,

kann nicht gesagt werden, da sich keinerlei Nachrichten in den Quellen finden; lediglich die

zahlreichen Ziegelstempel aus diokletianischer Zeit und aus der Regierungszeit des Maxentius

sprechen für Reparaturen bzw. Umbauten um oder kurz nach der Jahrhundertwende178 .

173 Giuliani / Verduchi 1980, 51-58; Giuliani / Verduchi 156 (Abb. 156). CIL XV, 1650: OFF S R F OC = Off(icina) s(ummae) r(ei) f(isci) Oc(?). Die Officina ist zwar unbekannt, jedoch fand sich ein gleichartiger Ziegelstempel in den Diokletiansthermen: H. Bloch, I bolli laterizi e la storia edilizia romana, Rom 1947, 306 (= BuliCom 66, 1938, 174). Im CIL-Band XV werden als vergleichbare Ziegelstempel solche der tetrarchischen Zeit genannt, die aber auch in konstantinischen Bauten auftreten: CIL XV, 1615 (davon 2: Basilica Julia, 3 u. 4: Ehrensäulen auf dem Forum, 5: Atrium im Vestalinnenhaus, 7: in gradibus Ss. Cosma e Damiano 10 u.11: Venus- und Roma-Tempel, 15 u. 16: Quirinal, Konstantinsthermen, 18-25: Diokletiansthermen, 39-41: Villa des Maxentius an der Via Appia); CIL XV, 1622 (davon 1: Ss. Cosma e Damiano (mehrfach), 2: Konstantinsbasilika, 5-7: Quirinal, Konstantinsthermen, 8-10: Diokletiansthermen); CIL XV, 1634 (davon 2-5: Diokletiansthermen). Als Datierung schlägt M. Steinby die Regierungszeit Diokletians, aber auch des Maxentius vor: M. Steinby in: Societä Romana II, 119.

174 P. Verduchi in: Roma I, 29ff.; Giuliani / Verduchi 157.

175 CIL VI, 1184a = ILS 782; H. Jordan, Eph. Epigr. 3, 1877, 305 Nr. 163; LaBranche, Roma Nobilis 244f. Kat. 176. Zur Person des Septimius Bassus s. Chastagnol, Fastes 207f.; PLRE I, 158 (Bassus 20).

176 Lugli, Roma antica 170; Pensabene, Tempio di Saturn (a. 0.) 61f.

177 Giuliani / Verduchi 163. 178 Ziegelstempel in der Basilica Aemilia: CIL XV, 1643a (M. Steinby in: Societä Romana II, 117a; Diokletian,

Maxentius); 1569c (Steinby, a. 0. 120; Maxentius); 1578a, 1579a, 1580a, 1581a, 1609 (Steinby, a. 0. 123; Maxentius); 1576 (Steinby, a. 0. 124; Maxentius?); 1569a (Steinby, a. 0. 118f.; Maxentius); 1575 (Steinby, a. 0. 120f.; Konstantin); 1637 (Steinby, a. 0. 125; Konstantin); Steinby, a. 0. 117 ser. 28 (Konstantin); 1689 (Steinby, a. 0. 129, 140 u. 145f.; Mitte 5. Jh.?); 1543 (Steinby, a. 0. 113 u. 140; Konstans); 1654 (Steinby, a. 0. 126; Mitte 5. Jh.?); 1563 (Steinby, a. 0. 128f.; Theoderich?); 1726 (Steinby, a. 0. 131; Theoderich). Vgl. auch T. L. Heres, Paries, Amsterdam 1982, 219-222 (Kat. Nr. 9).

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Das Forum Romanum in der Spätantike 33

Abb. 10. Ost-Rostra, Rekonstruktion nach C. F. Giuliani und P. Verduchi.

Abb. 11. Basilica Aemilia, Grundriß.

34 Rom

Der Bau brannte wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Eroberung Roms 410 teilweise ab, wie eine Brandschicht mit geschmolzenen Münzen nahelegt, die, soweit sie identifizierbar sind, dem beginnenden 5. Jh. angehören'". Das Hauptschiff wurde nach dem Brand aufgegeben, denn auf die hier befindliche Brandschicht fiel später die Ziegelwand, die die 410 ebenfalls zerstörte Rückwand der tabernae ersetzte. Das Fehlen markanter Architekturteile (Kapitelle o. ä.) inner-halb dieser Brandschicht spricht zudem für Plünderungen der Ruine bereits in der Spätantike18°.

Spätantike Umbauten Zu den spätantiken Wiederaufbaumaßnahmen zählt die Erneuerung

der zum Forumsplatz gerichteten Portikus (Abb. 12)181. Von dieser Vorhalle erhielten sich in situ

vier Säulen aus rotem Granit auf würfelförmigen Basen aus weißem Marmor, drei im Ostbereich der Basilica, eine weitere — eingeschlossen von mittelalterlichem Mauerwerk — am westlichen

Ende des Baus (Taf. 9.3). Gegenüber der vormaligen Portikus wurden die Säulenabstände der spät antiken Vorhalle deutlich verengt (von 5,31 m auf 3,77 m); so erhielt die Fassade statt der ursprünglich 14 Bogenöffnungen nun 24 schmalere Interkolumnien182 . Von dieser Baumaßnahme stammen wohl auch wiederverwendete Kapitelle des 4. Jh. Zudem fand man Einlassungen für Transennen, mittels derer offenbar zumindest einige dieser Interkolumnien verschlossen werden

konnten183. Auch weitere archäologische und epigraphische Indizien sprechen für ein Instandhalten des

Baus in der Spätantike: M. Wegner glaubt anhand der Bauornamentik eine spätantike Aus-besserungsphase ausmachen zu können. Einige der erhaltenen dorischen Bauglieder weisen eine äußerste Vereinfachung des Schmucks auf im Gegensatz zu den — wie Wegner sie datiert — tra-janischen Baugliedern, die von einer Wiederaufbauphase des frühen 2. Jh. herrühren184. Wegen

der stilistischen Differenzen hatte bereits Hülsen eine spätere Ausbesserungsphase vermutet185 .

Eine fragmentarisch erhaltene, aber weitgehend rekonstruierbare Weihinschrift, deren Frag-mente vor der Basilica Aemilia gefunden wurden, nennt die Kaiser Honorius und Arkadius sowie den Stadtpräfekten d. J. 418-20 n. Chr., Aurelius Anicius Symmachus (Taf. 9.2)186:

Pro felicitate [et victoria (?) d]d(ominorum) nn(ostrorum) Honori [et Arcadi] Aur[elius Anicius] Symmachus [v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urbi].

179 Zur Brandzerstörung des beginnenden 5. Jh. zählt eine ca. 6-10 cm dicke Schicht aus Asche: A. Bartoli, Rend-Linc 21, 1912, 759. Zu den dort aufgefundenen Münzen vgl. auch H. Bauer, RM 84, 1977, 302 Anm. 3. Bauer erwähnt 474 identifizierbare Münzen des endenden 4. bzw. beginnenden 5. Jh., die sich bei Ausgrabungen in der Basilica in den Jahren 1930-40 fanden.

180 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 760. 181 Gute Abbildung bei Lanciani, Forum Romanum 65 (Abb. 27).

182 R. Lanciani, BuliCom 27, 1899, 187f.; C. Hülsen RM 17, 1902, 52ff.; ders., Forum 124; ders., RM 20, 1905, 57ff. (Abb. 17). Skeptisch gegenüber dieser Rekonstruktion A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 761ff. Seiner Ansicht nach gehören die Säulen zu einem frühmittelalterlichen Kirchenbau.

183 R. Lanciani, BuliCom 27, 1899, 187.

184 M. Wegner, RM 94, 1987, 328f. (Taf. 143,2 u. 3). Zum trajanischen Wiederaufbau ebenda 328 (vgl. auch A. v. Gerkan, RM 60/1, 1953/54, 201ff.).

185 C. Hülsen, RM 17, 1902, 52, mit Datierung ins 2. oder 3. Jh. 186 CIL VI, 36962; G. Gatti, BuliCom 32, 1904, 192; ders., NSc 1904, 106; C. Hülsen, RM 20, 1905, 57f.; La-

Branche, Roma Nobilis 245f. Kat. 178 (FO: vor der Basilica Aemilia, an der Nordwestecke des Caesartempels, 1902 bzw. 1904). Zur Person des Aurelius Anicius Symmachus s. Chastagnol, Fastes 279-281; PLRE II, 1043f. (Symmachus 6).

Das Forum Romanum in der Spätantike 35

Mit dieser auf einem Architrav angebrachten Inschrift erhalten wir wahrscheinlich ein Zeugnis

von Reparaturen, die infolge der Zerstörungen von 410 nötig wurden. Dies könnte man durchaus

mit der Fassadenumgestaltung der Basilica Aemilia in Zusammenhang bringen187.

Neben den Ziegelstempeln aus dem beginnenden 4. Jh. lassen sich noch weitere aus dem 5.

und 6. Jh. nachweisen. Zwei Ziegelstempel aus der Mitte des 5. Jh. sind wohl mit Wiederher-

stellungsarbeiten in der Zeit nach dem Erdbeben des Jahres 442 in Verbindung zu bringen188 .

Weitere Ziegelstempel aus ostgotischer Zeit bezeugen Baumaßnahmen unter Theoderich.

Ausstattung Der Stadtpräfekt des Jahres 416, Gabinius Vettius Probianus, sorgte sich nach

Ausweis des epigraphischen Befunds um die statuarische Ausstattung der Basilica Aemilia'89.

Drei fast gleichlautende Inschriften, die den Namen des Probianus erwähnen, sprechen von Sta-

tuen, die in einer basilica inlustris errichtet wurden19o:

Gabinius Vettius 1 Probianus v(ir) c(larissimus) praef(ectus) urb(i) 1 statuam conlocari

praelcepit quae ornamento 1 basilicae esse posset inlustri.

Die erwähnte Basilica inlustris ist wohl mit der Basilica Aemilia identisch, wie die Fundorte der

entsprechenden Inschriftenbasen nahelegerlim. Während Probianus an der Basilica Julia auch

Wiederaufbaumaßnahmen durchführen ließ, beschränkte sich seine Fürsorge für die Basilica Ae-

milia auf die (Wieder?-)Aufstellung von Standbildern'92 .

Frühmittelalterliche Geschichte In der zum Forum gerichteten Flucht von Räumen entfaltete

sich im frühen Mittelalter eine rege Umbautätigkeit. Hier wurden zu dieser Zeit reichausgestat-

tete Räume eingebaut, die mit verschiedenen Marmorsorten gepflastert und an den Wänden

verkleidet wurden193. Hülsen sieht in diesen Räumen Teile eines frühmittelalterlichen Privat-

hauses, zu dem auch die aus Tuff aufgemauerten Partien an der Ostseite der Basilica Aemilia

gehören'94. Oder aber es dienten diese Räume — zumindest aber einer davon — als Kirche'95. Zu

den Baumaßnahmen des frühen Mittelalters zählt womöglich auch die Anlage eines gepflasterten

Zugangs über den antiken Treppen vor dem vierten dorischen Pfeiler von Osten. Offenbar han-

delt es sich um einen repräsentativen Zugang zu den frühmittelalterlichen Räumlichkeiten im

Ostbereich der Anlage196 . Der Zweck des mittelalterlichen Ziegelmauerwerks, das die Westseite

der Basilica durchzieht, ist nach wie vor unklar197 .

187 C. Hülsen, RM 20, 1905, 58f. 188 Steinby in: Societä Romana II, 140 u. 146: CIL XV, 1654 (Steinby, a.0 126; Mitte 5. Jh.?); CIL XV, 1678

(Steinby, a. O. 129 u. 145f.; Mitte 5. Jh.). Erdbeben: Paulus Diaconus, Hist. Rom. 13,16.

189 C. Hülsen, RM 17, 1902, 54. Zur Datierung der Präfektur des Probianus s. o. S. 29f.

19° CIL VI, 1658a; 1658b; AE 1984, 13 Nr. 33. Zitiert wird CIL VI, 1658a.

191 Die Inschriften fanden sich alle bei S. Adriano. S. Panciera in: Epigrafia e Ordine senatorio I (= Tituli 4), Rom 1982, 651f. zu Nr. 34.

192 Zur Basilica Iulia s. o. S. 29f. 193 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 761f. Hülsen, Forum 124. F. Guidobaldi / A. Guiglia Guidobaldi, Pavimenti

marmorei di Roma dal IV al IX secolo (= Studi di antichitä cristiana 36), Rom 1986, 264-75 u. 350-2.

194 C. Hülsen, RM 17, 1902, 55f.; ders., Forum 123 (Abb. 61).

195 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 762ff.; F. Guidobaldi / A. Guiglia Guidobaldi, a. 0. 275. S. u. S. 68.

196 Es existiert kein Plan der Basilica Aemilia, der die frühmittelalterlichen Einbauten hinreichend genau angibt. Der eben erwähnte Zugang, ein mit wiederverwendeten Marmorplatten gepflastertes Rechteck, das sich über die antiken Zugangstreppen legt, ist m. W. nirgends eingezeichnet und wird auch nie erwähnt.

197 C. Hülsen, RM 17, 1902, 49f.

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Abb. 12. Basilica Aemilia, Rekonstruktion der spätantiken Portikus nach C. Hülsen.

Abb. 14. Janustempel (?), Grundriß.

Abb. 13. Basilica Aemilia, Grundriß des frühmittelalterlichen Sacellums.

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Das Forum Romanum in der Spätantike 37

Argiletum Unmittelbar westlich der Basilica Aemilia verlief das Argiletum, also der Weg,

der vom Forum über das Nervaforum in die Subura führte. Auch dieser Straßenabschnitt er-

fuhr in der Spätantike bezeichnende Veränderungen. In dieser Zeit wurde der Abschnitt des

Argiletum gegenüber der Kurie, an der Westseite der Basilica Aemilia mit einer Nischenwand

aus Ziegelmauerwerk verkleidet (Taf. 10.1)198 . Der Mauerabschnitt entstand nach 410, da er die

Brandzerstörungen in der Basilica Aemilia voraussetzt199 . Nicht zuletzt sollte dieser Wandab-

schnitt wohl die gewaltige Ruine der Basilica Aemilia verbergen20°. In den Nischen - rechteckige

und halbrunde Nischen wechseln sich ab - befanden sich mit Sicherheit einst Statuen.

Auch die Pflasterung des Argiletum aus wiederverwendetem Material entstand wahrscheinlich

in frühmittelalterlicher Zeit (Abb. 39) 201.

i. Der Janus Geminus

Ein noch ungelöstes Problem der Topographie des Forums ist das Janusheiligtum, das in einer

Vielzahl von Schriftquellen erwähnt wird202 . Prokop beschreibt im Zuge seiner Schilderung der

Belagerung Roms durch die Goten das Sacellum mit folgenden Worten2°3:

Damals versuchten auch einige Römer in aller Heimlichkeit die Pforten des Janustempels

gewaltsam zu öffnen. Dieser Janus war der oberste unter den alten Göttern. Er hat seinen

Tempel auf dem Forum, und zwar vor dem Senatsgebäude. eine kleine Wegstrecke jenseits

der Tria Fata (gv ireö 701-5 ßcyuX eurgeicm, 6M-lov int eeßezirt, egcra). So

nennen nämlich die Römer die Moiren. Der Tempel, ganz aus Bronze hergestellt, hat die

Form eines Vierecks und ist so hoch, daß er die Janusstatue überdeckt. Das eherne Stand-

bild mißt fünf Ellen und stellt einen Menschen dar, nur das Haupt trägt zwei Gesichter,

von denen das eine zur aufgehenden, das andere zur untergehenden Sonne schaut. Beiden

zugekehrt ist je eine Türe, welche die Römer im Frieden und in guten Zeiten früher ge-

schlossen zu halten pflegten, in Kriegszeiten jedoch öffneten. Seitdem sie aber besonders

eifrige Christen geworden sind, war von einer Öffnung auch im Kriege nicht mehr die

Rede. Während dieser Belagerung nun versuchten es heimlich einige Leute - ich vermute,

Anhänger des alten Glaubens -, erreichten aber ihren Zweck nur so weit, daß die Flügel

nicht mehr so fest wie bisher ineinander griffen.

Prokop lokalisiert das Janus-Heiligtum in unmittelbarer Nähe des Senats. Dort befand es sich

aber nicht immer. Zunächst existierte über dem Argiletum ein Doppelbogen, in dessen Durch-

gang sich die Statue des zweigesichtigen Gottes befand. Dem Vergilkommentator Servius zufolge

198 C. Morselli / E. Tortorici, Archeo 48, 1989, 61 (Phasenplan unten). Abb. bei Bartoli, Curia Taf. 61,1 u. 64,1. 199 Bartoli, Curia 69f.; C. Morselli / E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium, 255. Giuliani

und Verduchi wiederum vertreten — ohne Angabe von Gründen — eine Datierung in die Zeit Diokletians: Giuliani / Verduchi 187.

200 Bartoli, Curia 70. Kritik an dieser Auffassung bei LaBranche, Roma Nobilis 93f. Doch macht H. Brandenburg auf vergleichbare Baumaßnahmen in Ostia aufmerksam: H. Brandenburg in: Migratio et Commutatio (FS Th. Pekdry), St. Katharinen 1989, 235.

201 Bartoli, Curia 69; E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium, 44 u. 257. 202 Zur Frage der Lokalisierung des republikanischen und hochkaiserzeitlichen Janus s. F. Castagnoli, Gli iani

del Foro Romano. Ianus = arco quadrifronte?, BullCom 92/1, 1987/88, 11-16.

203 Prok., bell. Got. 1. 25, 19-23, Übs. nach 0. Veh, Prokop: Gotenkriege, München 1966, 189-191.

38 Rom

wurde der Bau unter Domitian abgerissen und als Quadrifrons am Forum Transitorium wie-dererrichtet. An der Südseite des Forum Transitorium glaubte auch H. Bauer den Janustempel lokalisieren zu können204. L. Richardson erwägt die Möglichkeit, daß vor 193 ein neuer Janustem-pel am Forum errichtet wurde — der von Cassius Dio erwähnte und von Prokop beschriebene. Er geht davon aus, daß das von Gittern umgebene Monument vor der Kurie, das von Lugli als Sockel eines Denkmals der Kaiser Theodosius, Valentinian II. und Arkadius angesehen wird,

das Fundament des Janussacellums sei2°5. Jüngst vertrat F. Coarelli die Ansicht, daß es sich bei dem Ziegelbau an der Südwestecke der Basilica Aemilia um die Reste des Janusheiligtums handle (Abb. 14; Taf. 10.2)206 . Hierbei handelt es sich um einen 5 m x 6,5 m großen Bau aus Zie-gelmauerwerk, der von Coarelli aufgrund seiner Bautechnik ins 4. / 5. Jh. datiert wird207. Er geht

zu Recht davon aus, daß aufgrund der Zerstörungen der Jahre 283 und 410 Umbauten, wenn nicht gar ein Neubau zu erwarten sind. Auch archäologische Details sprechen dafür, daß das von Prokop beschriebene Heiligtum mit dem Backsteinbau an der Basilica Aemilia identisch ist: Die umlaufenden Einlassungen im Travertinsockel des Ziegelbaus nahmen einst offensichtlich die von Prokop erwähnte Bronzeverkleidung auf208.

2. Der Forumsplatz

Die bisher behandelten Bauten und Monumente bilden den Rahmen des eigentlichen Forums-platzes, der im folgenden besprochen werden soll. Dieser Überblick wird entscheidend erleichtert durch die akribische Bestandsaufnahme der area centrale des Forums von C. F. Giuliani und P. Verduchi, die das Bild einer regen Bautätigkeit in der Spätantike ergibt.

a. Die Pflasterung

Ausgangspunkt einer Betrachtung der Denkmäler und Monumente auf dem Forumsplatz muß der Pflasterbelag sein, der für einige der auf ihm befindlichen Strukturen einen verläßlichen termi-nus post quem ergibt. Noch zu Beginn des Jahrhunderts wurde der Plattenbelag des Forums von einigen Forschern für spätantik, ja sogar für mittelalterlich gehalten209. Die Auffindung der Pflasterinschrift des L. Naevius Surdinus führte zu einer Datierung des Forumpaviments in au-gusteische Zeit210. Neuere Untersuchungen ergaben jedoch, daß das heute noch sichtbare Pflaster aus der Zeit um 203 n. Chr. stammt211. Die Surdinus-Inschrift wurde als traditionelle Widmungs-inschrift übernommen.

204 Servius, ad Aen. 7. 607. H. Bauer, RM 84, 1977, 312-18. 205

Cass. Dio 74. 13. L. Richardson, RM 85, 1978, 369. Spät antikes Monument: Lugli, Roma antica 127. CIL VI, 31413, 31414 u. 36957.

2os F. Coarelli, Il Foro Romano, I: Periodo arcaico, Rom 1983, 89-97; Grundriß des Gebäudes auch bei C. Hülsen, RM 20, 1905, 57 (Abb. 16).

207 Coarelli, Foro Romano I (a. 0.), 93ff. Vgl. zu diesem Bau auch LaBranche, Roma Nobilis 94. 208 Coarelli, Foro Romano I (a. 0.), 96. Zwar hielt noch Bartoli den kleinen Ziegelbau für eine christliche Kapelle,

doch konnte er für diese Annahme keinerlei stichhaltige Belege erbringen (A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 761f.).

209 0. Richter, Beiträge zur Römischen Topographie, 4, Berlin 1910, 27ff.; Ruggiero, Foro 36f. 210 P. Zanker, Forum Romanum. Die Neugestaltung durch Augustus, Tübingen 1972, 24f. 211 Giuliani / Verduchi 66.

Das Forum Romanum in der Spätantike 39

b. Das Reiterstandbild Konstantins d. Gr.

Unmittelbar an der Ecke der sog. Rostra Vandalica befinden sich die Reste einer ca. 7, 40 m

langen und 3, 35 m breiten Basis, auf deren östlichem Abschnitt heute die Dezennalienbasis

steht (Abb. 15; Taf. 11.1). Der Sockel setzt sich aus unregelmäßigen Travertinplatten zusammen

und erhebt sich unmittelbar auf dem Pflaster; darauf befindet sich ein Mörtelblock, auf dem

Travertinblöcke verlegt wurden. Da sich die Travertinfundamentierung über die Basis der `Rostra

Vandalica' legt, muß der rechteckige Sockel später datieren212. Vermutlich befand sich hier das

Reiterstandbild Konstantins d. Gr., das sonst meist auf dem aus Spolien errichteten Sockel im

Zentrum des Platzes lokalisiert wird213. Doch wäre auch denkbar, daß sich die Reiterstatue auf

dem `Rostra Vandalica' genannten Anbau erhob (Taf. 6.1)214. Der Anonymus Einsidlensis erwähnt

das Reiterstandbild im Verlauf zweier Itinerarien, die jeweils am Severusbogen vorbeiführen, und

zwar stets unmittelbar nach dem Bogen, also noch bevor das Forum Romanum selbst genannt

wird215. Eine Lokalisierung des Pferdes bei den Rostra ergibt sich auch aus der Notitia, in der

der Genius Populi Romani bei den Rostra mit dem Equus Constantini verbunden wird216.

Der Codex Einsidlensis überliefert eine Widmungsinschrift, der zufolge die Reiterstatue

während des Konsulats des Nicomachus Anicius Paulinus (334 n. Chr.) von Senat und Volk

dem Kaiser gewidmet wurde217:

D(omino) n(ostro) Constantino Maximo 1 pio felici ac triumphatori semper Augusto 1

ob amplificatam toto orbe rem publicam factis consultisq(ue) 1 s(enatus) p(opulus)q(ue)

R(omanus) 1 dedicante Anicio Paulino iuniore v(iro) c(larissimo), cons(ule) ord(inario),

praef(ecto) urbi.

c. Das Monument für Arkadius und Honorius

Vor dem Nordende der augusteischen Rostra befinden sich heute die Fragmente einer Inschrift,

die 1549 und 1563 hier ausgegraben wurden (Abb. 16; Taf. 1/4218. Wenn auch der Großteil der

einstigen Inschriftentafel inzwischen verlorenging, so ist die Inschrift in ihrem vollen Wortlaut

bekannt, da sie zur Zeit der Ausgrabung kopiert wurde:

212 Giuliani / Verduchi 70. Zur Umdatierung der sog. '1:tosfra Vandalica' s. o. S. 25 Anm. 117. 213 Giuliani / Verduchi 1980, 21; Giuliani / Verduchi 72; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 165. 214 So E. Babut, MEFR 20, 1900, 209-215 u. 220-222. Zur Datierung der 1:tosfra Vandalica' s. o. S. 25 mit

Anm. 117. 215 Valentini / Zucchetti II, 155-207. Weg von der Porta Sancti Petri zur Kirche Sancta Lucia in Orthea: Der

cavallus Constantini wird zwischen dem Severusbogen und dem Forum Romanum genannt (Valentini / Zuc-chetti II, 177; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 162-67). Weg von der Porta Aurelia zur Porta Prae-nestina: Der Equus Constantini wird nach dem Severusbogen, dem Umbilicus Urbis, S. Maria Antiqua und vor S. Adriano, Ss. Cosma e Damiano und dem Forum Romanum erwähnt (Valentini / Zucchetti II, 191f.; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 181-89).

216 Valentini / Zucchetti I, 123. 217 CIL VI, 1141 = 31246 = ILS 698. Zur Person des Anicius Paulinus iunior s. PLRE I, 679 (Paulinus 14). 218 CIL VI, 1187; 31256 = ILS 794. Die zum Zeitpunkt der Entdeckung fast vollständige Inschrift fiel in die Hände

der Farnese, die sie für moderne Arbeiten zersägen ließen (C. Hülsen, RM 10, 1895, 55; ders., Forum 90). Das größere der beiden erhaltenen Fragmente tauchte im Museum von Neapel auf und wurde 1908 auf das Forum zurückgebracht. Am Platz erhielt sich das kleinere Fragment (E. Bormann / G. Henzen, Eph. Epigr. 4, 1881, 281 Nr.805; C. Hülsen, RM 10, 1895, 53f.; ders., Forum 90).

40 Rom

.Rostra Vandal

Abb. 15. Basis der Reiterstatue Konstantins, Grundriß.

IMP IERATORIBVS • INVICTISSIMIS FELICISSIMISQVE DD•NliIcARCAts10 ET HONORIO • FRATRIBVS is

SENATVS POPVLVSVE ROMANVS VIND 1CATA REB'EL-LJONE ET A 1CAE RE S T IT-VTIONE LAETVS

I I

Abb. 16. Monument für Arkadius und Honorius, Rekonstruktion der Inschrift.

Abb. 17. Postament des

Monuments für Arkadius

und Honorius, Grundriß.

Das Forum Romanum in der Spätantike 41

Imperatoribus invictissimis felicissimisque 1 dd(ominis) nn(ostris) Arcadio et Honorio fra-

tribus 1 Senatus Populusque Romanus 1 vindicata rebellione 1 et Africae restitutione laetus.

Der Text feiert die Besiegung des Usurpatoren Gildo im Jahre 398 durch den (nicht erwähnten)

magister militum Stilicho. Die Rekonstruktion der Inschrift ergibt eine Länge von insgesamt

ca. 5 m und eine Höhe von ca. 1,70 m219 . Ein Sockel dieser Größe setzt auch ein entsprechendes

Monument voraus. Man dachte an zwei Reiterstatuen, oder aber an eine Quadriga mit den

Standbildern der beiden Kaiser220. Der Gedanke, daß es sich um eine Quadriga handeln könnte,

wird durch eine Claudianstelle bekräftigt, die auf dieses Monument anzuspielen scheint221. Roma

spricht:

Ferner schirrte ich zwei gleiche Pferde von erlesener weißer Farbe vor das Gespann,

mit dem Du weiter ziehst; schon aber habe ich in Deinem Namen einen Triumphbogen

errichtet, durch den Du, in eine strahlende Toga gekleidet, ziehen sollst, und ich widmete

ein Denkmal als Erinnerung an den Krieg mit einer Inschrift als ewiges Zeugnis für die

Verteidigung Libyens.

Schließlich fanden sich zu Beginn dieses Jahrhunderts noch zwei Inschriftenfragmente, die wohl

ebenfalls zu diesem Monument gehörten222:

[a]rmipotens Liby[u]m defendit Honoriu[s] .

Als Aufstellungsort dieses Monuments schlägt Hülsen den Fundorten der Inschriftenfragmen-

te entsprechend den Bereich der Via Sacra vor dem Severusbogen vor223. Dabei zieht er das

Gußwerkfundament an der Nordostecke der sog. `Rostra Vandalica' in Betracht224 . Da sich hier

aber wohl der Equus Constantini befand, muß man den Aufstellungsort an anderer Stelle suchen.

Als wahrscheinlichste Möglichkeit bleibt, daß man die Quadriga auf dem Postament aufstellte,

in das die Anaglypha Traiani sekundär vermauert wurden225.

d. Das Postament mit den Anaglypha Traiani

Bevor die 1872 entdeckten Anaglypha Traiani in die Kurie transferiert wurden, standen sie auf

dem Forumsplatz (Taf. 12). Dort bildeten sie die Seiten eines spätantiken, mit Schutt aufgefüllten

Postaments, wobei man die historischen Szenen der beidseitig skulptierten Reliefs nach außen,

die Opferszenen nach innen wandte226. Sicherlich waren die Reliefs sekundär in dieses Postament

219 C. Hülsen, RM 10, 1895, 56. 220 Im Topographischen Bildatlas von Nash II, 262f., wird das Monument bereits Quadriga Arcadii et Honorii

genannt. 221 Claudian, de VI. cons. Honorii 369-73: Ast ego frenabam geminos, quibus altior ires, I electi candoris equos et

nominis arcum I iam molita tui, per quem radiante decorus ingrederere"toga, pugnae monumenta dicabam defensam titulo Libyam testata perenni. C. Hülsen, RM 10, 1895, 57. Skeptisch hingegen H. Kähler, RE VII Al (1939) 400 s.v. Triumphbogen.

222 CIL VI, 31256. C. Hülsen, RM 10, 1895, 56f. 223 C. Hülsen, RM 10, 1895, 58. 224 Vgl. auch Nash II, 262. 225 Lugli, Monumenti minori 108. 226 Hülsen, Forum 91f. Dies hatte zur Folge, daß die nach außen gewandten Reliefs mit den historischen Dar-

stellungen deutlich schlechter erhalten sind als die verdeckten Opferszenen. Die Reliefplatten wurden unter den Fundamenten eines mittelalterlichen Turmbaus entdeckt, der wahrscheinlich im 13. / 14. Jh. entstand: Giuliani / Verduchi 79f.

42 Rom

vermauert worden. Die Betrachtung der Fundamentierung der beiden Reliefplatten — Traver-

tinblöcke, die unmittelbar auf dem Forumspflaster aufsitzen — führte zur Annahme, daß die

Anaglypha Traiani an dieser Stelle nicht vor dem Ende des 4. Jh. aufgestellt wurden227. Mögli-

cherweise waren die Reliefplatten schon in spätantiker Zeit beschädigt und wurden gerade wegen

dieser Beschädigung sekundär in ein anderes Monument verbaut.

Hülsen äußert die Vermutung, daß es sich bei dem spätantiken Postament um ein Denkmal,

vielleicht zu Ehren eines Kaisers aus der Spätzeit gehandelt haben könnte228. Die Dimensionen

dieses Monuments sowie der Fundort der Inschrift, die den Sieg über Gildo kommemoriert,

deuten darauf hin, daß die Quadriga der Kaiser Arkadius und Honorius auf diesem Postament

Aufstellung fand229 .

e. Die Säulenmonumente an der Südseite des Forums

Im Zeitraum von 1817 bis 1872 wurden an der Südseite des Forumsplatzes, entlang der Front der

Basilica Iulia, nach und nach sieben aus Ziegeln gemauerte Basen gefunden, die untereinander

einen Abstand von ca. 7 m wahren und jeweils etwa 4 m hoch sind (Taf. 13.1). Diese Ziegelbasen

waren ursprünglich mit Marmorplatten verkleidet, wie Befestigungslöcher für Dübel beweisen.

Die Massivität dieser Sockel deutet darauf hin, daß es sich hier nicht um einfache Statuen-

basen handelt, sondern um Sockel für Säulenmonumente. Zwei dieser Säulen, die man in der

Nähe der Säulenmonumente fand, eine kannelierte aus Pavonazzetto und eine unkannelierte aus

grauem Granit, wurden 1899 an ihrem wohl ursprünglichen Standort aufgestellt230. Die ersten

drei Sockel von Westen trugen vermutlich Säulen aus rotem Granit, wie auch die zahlreichen

Säulenfragmente in diesem Bereich nahelegen231. Von den Statuen fehlt jede Spur.

Datierung Eine ungefähre Datierung dieser Säulenmonumente ergibt sich aus den Ziegel-

stempeln, die man in den Sockeln entdeckt hat232 . Zu diesen wurden aber widersprüchliche und

verwirrende Angaben gemacht, die eine präzise Aussage deutlich erschweren. Bei einer Reihe von

Gelehrten heißt es, diese Ziegelstempel seien tetrarchisch. H. Bloch vermutet für die Säulenmo-

numente eine Aufstellung im Zusammenhang mit den Vicennalfeiern der Tetrarchen233. Hierin

folgen ihm Giuliani und Verduchi234. Eine andere Gruppe von Forschern vertritt eine konstan-

tinische Datierung dieser Ziegelstempel, so etwa H. Jordan oder S. Platner und Th. Ashby235 .

Auch H. Kähler zieht ein konstantinisches Entstehungsdatum in Betracht, wobei er Bloch zitiert.

Kähler wiederum folgen P. Zanker, G. Lahusen und L. Richardson236.

227 Giuliani / Verduchi 80. 228 C. Hülsen, Forum und Palatin, München 1926, 30. 229 Lugli, Monumenti minori 108. 230 C. Hülsen, AA 1891, I 2; ders., Forum 135; Giuliani / Verduchi 167. 231 Giuliani / Verduchi 167. 232 CIL XV, 1569 a3 u. 4; 1590,1; 1643 b4; 1650. H. Bloch, I bolli laterizi e la storia edilizia romana, Rom 1947,

314 Anm. 238 (= ders., BullCom 66, 1938, 182 Anm. 238).

233 Bloch, a. 0. 234 Giuliani / Verduchi 167. 235 H. Jordan, Eph. Epigr. 3, 1877, 259f.; Jordan, Top. 1,2, 180 Anm. 23. Platner / Ashby 234. 236 Kähler, Fünfsäulendenkmal 36; P. Zanker, Forum Romanum, Tübingen 1972, 28; Lahusen, Untersuchungen

22; Richardson, Top. Dict. 173.

Das Forum Romanum in der Spätantike 43

Klarheit über das Entstehungsdatum kann nur eine Analyse der Ziegelstempel geben, die

durch eine vor kurzem erschienene Arbeit von M. Steinby wesentlich vereinfacht wird237. Ins-

gesamt drei verschiedene Ziegelstempel konnten in den Backsteinbasen der sieben Säulenmo-

numente festgestellt werden238. Diese Stempel begegnen auch an anderen Bauten, die teilweise

allerdings auch aus der Regierungszeit des Maxentius und Konstantin stammen239. Als wahr-

scheinlichstes Datum für die Säulenmonumente ergäbe sich Steinby zufolge die Regierungszeit

des Maxentius240 . Grundsätzlich ist aber auch die Möglichkeit der Wiederverwendung eines gela-

gerten Postens von Ziegeln in konstantinischer Zeit miteinzurechnen241. Zwei der Ziegelstempel

begegnen auch in konstantinischen Bauten in Rom, so daß die Möglichkeit einer Entstehung

unter diesem Kaiser in Betracht gezogen werden muß, wenn dies auch weniger wahrscheinlich

ist.

T. L. Heres vertritt aufgrund einer Analyse des Ziegelmauerwerks unterschiedliche Entste-

hungszeiten der einzelnen Säulenmonumente242 . Sie datiert die westlichste Säule um 300, die 2.

bis 5. Säule von Westen ins 1. Viertel des 4. Jh. und die beiden östlichen Säulenmonumente in

die erste Hälfte des 4. Jh. Doch ist angesichts der Einheitlichkeit der Planung eher eine gleich-

zeitige Entstehung anzunehmen. Datierungen nach Ziegelmauerwerk bergen stets die Gefahr

zu übersehen, daß verschiedene Bauhütten an der Errichtung beteiligt sein könnten und somit

verschiedene Mauerwerkstrukturen nicht unbedingt als Hinweis auf verschiedene Bauphasen zu

werten sind. Ähnlich skeptisch sind auch die Überlegungen zur Mauertechnik von Giuliani und

Verduchi zu beurteilen. Ihrer Ansicht nach deute der Vergleich mit dem Mauerwerk der östlichen

Rednerbühne und den möglicherweise ebenfalls tetrarchischen `Rostra Vandalica' ein diokletia-

nisches Entstehungsdatum an243. Doch ist wohl kaum anzunehmen, daß sich in konstantinischer

Zeit die Mauertechnik in Rom so entscheidend änderte, daß man hierin nun ein Datierungskri-

terium besäße.

237 M. Steinby, L'Industria laterizia di Roma nel tardo impero, in: Societä Romana II, 99-164. 238 a. CIL XV, 1569,3.4: OFFSRFDOM Off(icina) s(ummae) r(ei) f(isci) Dom(itiana). Der Stempel findet sich

zweimal im ersten Ziegelsockel von Osten. Der Ziegelstempel CIL XV, 1569 begegnet u. a. in folgenden Bau-ten: 2: Basilica Iulia, 5: Vestalinnenhaus (achteckiger 'Brunnen' im Atrium), 6: Mauern bei der Sacra Via, zw. Palatin und Basilica Nova, 7: in gradibus Ss. Cosma et Damiani, 8: Konstantinsbasilika, 9. `horrea' an der Ap-sis der Konstantinsbasilika, 10: Paviment der Apsis des Venus- und Roma-Tempels, 15: Konstantinsthermen, 11: Mauern des Venus- und Roma-Tempels, 18-25: Diokletiansthermen, 81: bei S. Croce in Gerusalemme Steinby, a. 0. 119. b. CIL XV, 1643,4: RSPIOF.TERISIII R(ei) s(ummae) p(rivatae) of(ficina) Ter(entiana) s(tatio) III. Dieser Ziegelstempel CIL XV, 1643 findet sich noch in den Diokletiansthermen (1643,5). Steinby, a. 0. 117f. c. CIL XV, 1590,1: OFFSRDPM Off(icina) F( ) s(ummae) r(ei) d(omus) p(rivatae) M( ). Dieser Ziegelstempel findet sich auf der ersten Ziegelbasis von Osten. Sicherlich war die officina F( ) auch noch in konstantinischer Zeit tätig (CIL XV, 1591,6: Konstantinsthermen). Ziegelstempel dieser Art fanden sich auch in Ss. Marcellino e Pietro. Steinby, a. 0. 123f.

239 Steinby, a. 0. 117f. (ser. 5), 118f. (ser. 4a-b) u. 123f. (ser. 16). 240 Steinby, a. O. 141. 241 Vgl. Steinby, a. 0. 142. 242 T. L. Heres, Paries. A Proposal for a Dating Structure of Late-antique Masonry Structures in Rome and

Ostia 235-600 AD, Amsterdam 1982, 282-286 (Kat. 22). 243 Giuliani / Verduchi 167.

44 Rom

f. Die Phokassäule

Übergangen wurde bisher das auffälligste Monument des spätantiken Forumsplatzes, die zu Be-ginn des 7. Jh. dem Kaiser Phokas geweihte Ehrensäule (Taf. 13.2). Das Säulenmonument besteht im unteren Abschnitt aus einem Stufensockel und einer Marmorbasis mit einer Inschrift244. Auf ihr erhebt sich eine kannelierte Säule (13,60 m hoch, Durchmesser 1,35 m) aus weißem Mar-mor mit korinthischem Kapitell245. Insgesamt erreichte das Monument eine Höhe von ca. 17 m. Säulenschaft und Kapitell sind Spolien246 .

Im 19. Jh. urteilte man folgendermaßen über das Monument: Of the three monumental co-lumns still extant at Rome two were erected to the best emperors (Trajan and Marcus Aurelius), one to the worst and basest; their merits are aptly typified by the style of their monuments247. Auch F. Gregorovius kam nicht umhin, die Verwendung von Spolien zur Errichtung dieses Säulen-denkmals zu brandmarken und auf die struppige Mif3gestalt des geehrten Kaisers hinzuweisen248. Seither hat sich die Beurteilung des Monuments kaum geändert. Nicht selten hat man das Gefühl, daß das Säulenmonument noch als frühbyzantinisches Kuriosum an die kaiserzeitliche Forums-geschichte angehängt wird.

Die Identifizierung des Monuments stützt sich auf die erhaltene Widmungsinschrift, die auf der Nordseite in die Blöcke des Marmorsockels gemeißelt wurde (Taf. 13.3)249:

Dem höchsten, mildesten und frömmsten Fürsten, unserem Herrscher Phokas, dem an-ständigen, von Gott gekrönten Kaiser, dem Triumphator und immerwährenden Augustus hat Smaragdus, ehemaliger Vorsteher des kaiserlichen Palastes, Patrizier und Exarch von Italien, ergeben Seiner Milde, als Dank für die unzähligen Wohltaten Seiner Barmher-zigkeit und für die Ruhe und Freiheit, die Italien erhalten wurden, diese Statue seiner Majestät, blitzend vom Glanz des Goldes, hier auf die höchste Säule gestellt zu Seinem ewigen Ruhm und sie Ihm geweiht am ersten Tag des Monats August, in der elften In-diktion im fünften Jahr nach dem Konsulat Seiner Milde.

Die Inschrift besagt, daß der Exarch Smaragdus am 1. Aug. 608 n. Chr. auf diese Säule eine statua des Kaisers gesetzt hat. Da nur von einer Statue die Rede ist, deutet sich bereits an,

244 Gute Aufnahme des Stufensockels bei Lanciani, Forum Romanum 53 (Abb. 21). 245 E. Rodocanachi, Les monuments antiques de Rome encore existants, Paris 1920, 15f., vermutet, daß Säule

und Kapitell der Phokassäule dem Rundtempel am Tiber entnommen wurden, dem genau eine Säule und ein Kapitell fehlen. In der jüngeren Forschungsliteratur, insbesondere in der Untersuchung Rakobs und Heil-meyers zum Rundtempel am Tiber, fand sich keinerlei Bestätigung dieser Hypothese: F. Rakob / W. D. Heilmeyer, Der Rundtempel am Tiber in Rom, 1973. Es existieren auch keine brauchbaren Aufnahmen des Kapitells, die einen Vergleich zu anderen Kapitellen zuließen.

246 Lanciani, Destruction 109; Hülsen, Forum 89. 247 Th. H. Dyer, A History of the City of Rome, its Structures and Monuments, London 1865, 353; Lanciani,

Destruction 109. 248 Gregorovius I, 270. 249 CIL VI, 1200 = ILS 837: Optimo clementiss[imo piissim]oque I principi domino n(ostro) F[ocae imperat]ori

perpetuo a d(e)o coronato, [t]riumphatori semper Augusto, I Smaragdus ex praepos(itus) sacri palatii ac patricius et exarchus Italiae, devotus eius clementiae I pro innumerabilibus pietatis eius beneficiis et pro quiete procurata Ital(iae) ac conservata libertate, hanc sta[tuam maiesta]tis eius I auri splend[ore fulge]ntem huic sublimi colu[m]na[e ad] perennem ipsius gloriam imposuit ac dedicavit, I die prima mensis Augusti indict(ione) und(ecima) p(ost) c(onsulatum) pietatis eius anno quinto. Übs. nach Coarelli, Rom 79.

Das Forum Romanum in der Spätantike 45

daß eine bestehende, ältere Säule nur mit dem Standbild des regierenden Kaisers versehen wurde.

Wahrscheinlich hatte man sogar eine ältere Statue wiederverwendet; ob man wenigstens ein

zeitgenössisches Porträt anfertigte, ist zweifelhaft25°.

Das ältere Datum der Säule bemerkte als erster F. M. Nichols, der zudem erkannte, daß die

Inschrift zu Ehren des Phokas auf einer Tafel steht, auf der zuvor eine ältere Inschrift ausgelöscht

wurde251. Nichols vermutete eine Entstehung in theodosianischer Zeit. Den Stufensockel jedoch

erachtete er richtig als Werk des 7. Jh. — eine Vermutung, die durch die Sondagen und Abtra-

gungen G. Bonis 1903 bestätigt wurde252. Boni selbst dachte an eine diokletianische Datierung

der Säule, eine Ansicht, die von Giuliani und Verduchi geteilt wird253. Hülsen verwarf diese Ver-

mutung und äußerte die Ansicht, daß ein derart platzbestimmendes Monument, das obendrein

die Rostra verstellt, wohl erst später entstanden sein könne254.

Läßt sich die in jüngster Zeit wiederholte tetrarchische Datierung belegen? Der Säulensockel

weist gegenüber den zu Beginn des 4. Jh. errichteten Ehrensäulen konstruktive Eigenarten auf. So

besteht der Kern des Sockels, wie Sondagen 1984 ergaben, aus einem Mörtelblock. Auch erheben

sich die Ziegel des Fundaments direkt auf dem Pflaster und überdecken den Teil des Bodens, der

zum Zwecke der Fundamentierung aufgerissen wurde255. Das ursprüngliche Erscheinungsbild des

Säulensockels ist fraglich: Er besaß nie eine Verkleidung (wie etwa die sonstigen Ehrensäulen);

weder Stuck läßt sich nachweisen noch Verankerungen für Dübel, um eine Marmorverkleidung

zu befestigen256. Denkbar wären folgende Möglichkeiten257: Entweder wurde der Säulensockel nie

fertiggestellt; oder aber man beließ dem Geschmack der Zeit entsprechend das Ziegelmauerwerk

sichtbar. Oder es waren die umlaufenden Treppen bereits vorgesehen, so daß eine Verkleidung des

Ziegelsockels überflüssig gewesen wäre. Die erste der genannten Möglichkeiten scheidet als sehr

unwahrscheinlich aus. Verduchi entscheidet sich auch gegen die zweite Hypothese, also gegen ein

bewußtes Sichtbar-lassen des Ziegelmauerwerks. Als Argument führt sie an, daß auch die aus dem

Beginn des 4. Jh. stammenden Ehrensäulen am Südrand des Forums verkleidete Sockel besaßen.

Sie befürwortet die letzte Möglichkeit und nimmt einen diokletianischen Treppenbau an. Doch

erinnert die Argumentation Verduchis an einen Zirkelschluß: Weil die Säule den sieben anderen

250 Gregorovius I, 270; Lanciani, Destruction 109; Blanck, Wiederverwendung 94 B84. 251 F. M. Nichols, The Column of Phokas, Journ. British and American Soc. Arch. Rome, session 1888-1889,

174; ders., RM 3, 1888, 99. 252 Man fand unter der Treppe datierendes Material aus dem Ende des 6. und Anfang des 7. Jh. 253 G. Boni, Foro Romano, in: Atti del congresso internazionale di scienze storiche, 1.-9. April 1903, vol. 5, sez. IV:

Archeologia, 493-584, hier 577 ('Columna Diocletiani'); Giuliani / Verduchi 176f.; P. Verduchi, LTUR I, 307 s. v. Columna Phocae.

254 C. Hülsen, RM 17, 1902, 59f.; ders., RM 20, 1905, 68. vgl. auch Platner / Ashby 235. C. L. LaBranche, Roma Nobilis 170f., äußert die Vermutung, es könnte sich um eine Ehrensäule für den siegreichen General Konstantius gehandelt haben, doch existieren weder Anhaltspunkte für eine solche Vermutung, noch ist es denkbar, daß einem 'Nicht-Kaiser' eine Ehrensäule auf dem Forum errichtet wurde.

255 Giuliani / Verduchi 176f. 256 Ganz im Gegensatz hierzu schrieb B. Niebuhr am 26. 3. 1817 in einem Brief an die preußische Akademie

der Wissenschaften: Man ahndete aber damals nicht, daß diese Säule nun noch ferner auf einem großen Sokkel stehe. Der hat sich gefunden; besteht aus Ziegeln, nicht schlechtes Mauerwerk, und ist ehemals mit Marmor bekleidet gewesen, wovon sich noch Fragmente mit Basreliefs gefunden haben. Brief abgedruckt in: A. Harnack, Geschichte der königlichen preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1900, II, 401.

257 Giuliani / Verduchi 177.

46 Rom

Ehrensäulen am Südrand des Forums gleicht, muß sie diokletianisch sein, weil deren Ziegelsockel

marmorverkleidet waren, darf der Ziegelsockel der Thokassäule' nicht zu sehen gewesen sein.

Statt dessen ist doch wohl davon auszugehen, daß man das Ziegelmauerwerk mit Absicht

sichtbar belassen hat. Und gerade weil sie sich hierin von den Ehrensäulen am Forumssüdrand

unterscheidet, sollte man die tetrarchische Datierung der `Phokassäule' überdenken. Zwar läßt

sich anderenorts eine isolierte Ehrensäule für nur einen der Tetrarchen nachweisen, wodurch der

Grundgedanke der Tetrarchie, der ein gemeinsames Erscheinen der Augusti und Caesares Fordert,

in Frage gestellt wird, doch ist eine solche für Rom kaum anzunehmen, da sie das hinter den

Rostra befindliche Fünfsäulenmonument optisch verdrängt hätte258. Von der Phokassäule' un-

beeinträchtigt zeigt auch die Adlocutio-Darstellung des Konstantinsbogens die Rostra (T2f. 5.1),

was eine Datierung der Säule nach 315 zumindest andeutet. Zwar interpretiert Jordan den nach

Süden verschobenen Standort der Säule richtig als Versuch, den Bereich vor der Red nerbiiime frei

zu lassen, doch ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Rostra nur mehr sehr eingeschränkt

benutzbar waren259.

Gegen die Annahme Verduchis hat der pyramidal zulaufende Stufensockel wohl als Bau-

maßnahme des 7. Jh. zu gelten, zu dessen Konstruktion die umliegenden Denkmäler Material

beisteuern mußten260. Zudem verdeckt der Stufensockel die Widmungsinschrift des Surdinus, die

bislang knapp an dem Säulenmonument vorbeilief. Am Grundriß des Sockels fällt auf, daß die-

ser in seiner Ausrichtung deutlich von dem der sieben Ehrensäulen am Südrand des Forums

abweicht. Diese abweichende Ausrichtung des Sockels wie der Stufenummantelung geht auf ei-

ne grundsätzliche Änderung der Forumsachse in tetrarchischer Zeit zurück, die Folge des Baus

der Rednerbühne an der Ostseite des Platzes war261. Die heute nur mehr teilweise erhaltenen,

da 1903 partiell abgerissenen Stufen ummantelten den Backsteinsockel so, daß die Oberfläche

desselben als Plateau genutzt werden konnte262 . Insgesamt sechs Stufen führten von allen Sei-

ten zu dieser Plattform hinauf. Im stadtrömischen Bereich finden sich keine Vergleichsbeispiele:

weder die beiden mit Spiralreliefs versehenen Ehrensäulen, noch die sonstigen bekannten Eh-

rensäulen besitzen einen solchen Unterbau; sie gründen sich jeweils auf einen quadratischen, oft

reliefierten Kubus, der z. T. auch betretbar war. In Konstantinopel hingegen existierten mehrere

Beispiele eines solchen Stufensockels. Sicher belegt ist ein solcher für die Konstantinssäule, die

Markianssäule, das Säulenmonument Leos I. in den Pittakia und für die Justinianssäule auf dem Augusteion263.

258 Zur Pompejussäule in Alexandria s. u. S. 370. 259 Jordan, Top. 1,2, 246. 260 Hülsen, Forum 89; T. L. Heres, Paries. A Proposal for a Dating Structure of Late-antique Masonry Structures

in Rome and Ostia 235-600 AD, Amsterdam 1982, 255f. (Kat. 15). 261 Giuliani / Verduchi 185f. 262 Pläne bei Giuliani / Verduchi 174f. (Abb. 252f.). 263 Konstantinssäule: C. Mango, DeltChrA 4,10, 1980/1, 103-110, 107f. (Abb. 1). Markianssäule: R. Pococke,

Beschreibung des Morgenlandes, Erlangen 1755, III, 194. Angabe nach Kollwitz, Oström. Plastik 70. vgl. auch P. Schazmann in: Kollwitz, Oström. Plastik 73. Leosäule: Patria II, 31. Justinianssäule: Prok., aed. I, 2; Kedr. I, 656; Georg. Pach., PG 144, 917-921.

Das Forum Romanum in der Spätantike 47

3. Der Via-Sacra-Bereich

Obwohl nicht mehr zum eigentlichen Forum Romanum gehörig, soli auch der östlich hieran an-schlidende Bereich der Via Sacra (Abb. 18; Taf. 14.1) in diese ebersicht aufgenommen werden, und zwar aus zwei Grunden: Einerseits Nidet die Via Sacra den Zugang zum Forumsplatz von Osten her und ist somit in das Repräsentationssystem dieser Platzanlage integriert, anderer-

seits lassen sich gerade in diesem Bereich graangelegte spätantike Bau- bzw. Umbauprojekte b eobacht en .

a. Spätantike Umgestaltungen der Via Sacra

Der heutige geschwungene Verlauf der Via Sacra entspricht dem republikanischen Zustand dieser Strade. In der Kaiserzeit fanden mehrfach Umbauten und Neusystematisierungen des Bereichs östlich des Forums statt, die ein ganz anderes Erscheinungsbild der Via Sacra bewirkten. Nach dem neronischen Brand 64 n. Chr. begradigte man die Via Sacra, die jetzt zwischen den neuer-richteten Horrea Piperataria an der Nordseite und einer Portikus an der Sildseite verlief, bevor sie zu den Carinen fährte264. Ziel dieses urbanistischen Eingriffs war wohl die Ausrichtung der Heiligen Strade auf das neuerrichtete Amphitheater und die dort errichtete Kolossalstatue. Aber-mals gab ein schwerer Brand, diesmal der Brand des Tempels der Venus und Roma im Jahr 307, Anlaf3 zur Umgestaltung des Via-Sacra-Bereichs265. Durch den Bau der Maxentiusbasilika wurde der Verlauf der Via Sacra abermals verändert, so daf3 vor dem Tempel der Venus und Roma eine StraBengabelung entstand und der Tempel von beiden Seiten umgangen werden konnte266 .

Unter den insgesamt mindestens vier verschiedenen Strafienniveaus, die sich bislang fik die Via Sacra feststellen lassen, existiert auch ein spätantiker Belag, der auf dem Niveau der mittelal-terlichen Bauten (ca. 1,1m ilber dem von Lanciani entdeckten kaiserzeitlichen Pflaster) verlief267. Diese Pflasterung teilte das Schicksal des spätantiken Zugangswegs zum Severusbogen und wurde zunächst unter P. Rosa ansatzweise, dann unter R. Lanciani vollständig abgetragen268.

`Spätantike' Portikus entlang der Via Sacra Zu den Baumafinahmen an der Via Sacra in der Zeit des beginnenden 4. Jh. zählte man in der Forschung die Anlage einer Portikus gegenilber der Maxentiusbasilika269. Bei den Oberresten handelt es sich um Fundamente aus Gul3mauerwerk, die die älteren, darunterliegenden Bauten schneiden und auch die Via Sacra in ihrem bisher un-regelmäi3igen Verlauf fiberdecken. Das Etikett einer spätantiken Entstehung lid die Ausgräber

264 E. B. Van Deman schlägt die neronische Zeit vor, fiir die sie als Argument die Verbindung der Via Sacra mit der Domus Aurea und dem Kolof3 des Nero anfiihrt: E. B. Van Deman, The Neronian Via Sacra, AJA 27, 1923, 383ff.; E. B. Van Deman / A. G. Clay, The Sacra Via of Nero, MemAmAc 5, 1925, 116ff. F. Castagnoli wiederum geht von einer Umgestaltung in flavischer Zeit aus: F. Castagnoli, Note sulla topografia del Palatino e del Foro Romano, ArchCl 16, 1964, 195ff.

265 Chronogr. d. J. 354, 148. P. Werner, De incendiis urbis Romae aetate imperatorum, Diss. Leipzig 1906, 44f. 266 F. Coarelli, Il Foro Romano, I: Periodo arcaico, Rom 1983, 19f. 267 D. Palombi, Contributo alla topografia della Via Sacra, dagli appunti inediti di Giacomo Boni, in: Topografia

Romana. Ricerche e discussioni (= Quaderni di topografia antica. Università degli studi di Roma La Sapienza 10), Florenz 1988, 77.

268 P. Rosa, Ann. Ist. 1865, 350 (Taf. 23); G. Henzen, Bull. Ist. 1862, 228; Lanciani, Ruins and Excavations 208ff; ders., NSc 1876, 54 u. 87; ders., NSc 1878, 162f., 234 u. 341; ders., NSc 1879, 14 u. 113 (Taf. 7); ders., NSc 1882, 219 u. 222 (Taf. 15). Angaben nach A. Cassatella in: Roma I, 99 Anm. 5f.

269 D. Vaglieri, BuliCom 31, 1903, 24f. (Abb. 7f.).

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48

Rom

Abb. 18. Via-Sacra-Bereich, Grundriß.

Abb. 19. Via Sacra, verschiedene Bebauungsphasen.

Das Forum Romanum in der Spätantike 49

unter der Leitung Bonis auch diese Baureste abtragen. Inzwischen ist man hinsichtlich der Da-tierung anderer Meinung270. Man identifiziert heute die nördliche und südliche Portikus mit den Horrea Piperataria et Vespasiani und datiert ihre Erbauung in die Regierungszeit des Domiti-an271. Unter Maxentius und Konstantin nahm man Umbauten vor, wurde die Portikus allmählich aufgelöst, im Norden durch den Bau der Maxentiusbasilika, des sog. Romulustempels und der sog. mittelalterlichen Säulenhalle, im Süden durch das spontane Schließen der Interkolumnien der Portikus und durch den z. T. unregelmäßigen Vorbau von Räumlichkeiten, etwa Läden oder Brunnen (Abb. 19) 272.

b. Das Vestalinnenhaus und der Vestatempel

Hinter dieser Portikus befand sich das Haus der Vestalinnen (Abb. 20), dessen aufgehende Partien auf die Zeit Trajans zurückgehen273. Die spätantiken Baumaßnahmen sind meist nicht genau datierbar274 , so etwa die Vermauerung der Kolonnaden des Atriumhofs, Modifizierungen der Räumlichkeiten an der Südwestecke des Komplexes und der Einbau eines Bads in das zweite Geschoß. Genauer datierbar ist die Anlage eines Gartenpavillons (?) im Atrium, die wohl in konstantinischer Zeit erfolgte275. Reste eines spät antiken Paviments, die sich in mehreren Räumen ca. 70 cm über dem hochkaiserzeitlichen Bodenbelag fanden, wurden 1899 weggeräumt276.

Die Geschichte dieses Baus läßt sich anhand der erhaltenen Vestalinnenstatuen und der zu-gehörigen Inschriften bis ins späte 4. Jh. verfolgen277 , doch deuten verschiedene Funde darauf hin, daß der Bau auch noch im 4. und 5. Jh. in Benutzung blieb — wenn auch unter gewandelter Funktion, da der Vestalinnenkult 382 n. Chr. verboten wurde278. Hülsen und Van Deman vermu-ten, daß der Bau als Residenz kaiserlicher Beamter diente, da in einem der Räume der Südseite 1899 ein Schatz von 397 Solidi gefunden wurde, die aus der Zeit von 335-472 datieren — davon allein 345 Münzen aus der Regierungszeit des Kaisers Anthemius (467-472)279. Sicherlich war die Eroberung Roms durch die Vandalen unter Ricimer Anlaß für das Vergraben der Münzen. Zwei gestempelte Ziegel, die im Bereich des Atrium Vestae gefunden wurden, tragen den Namen Johannes' VII. (705-707), deuten also auf frühmittelalterliche Baumaßnahmen im ehemaligen

270 Vgl. die neueren Arbeiten von L. D'Elia / S. Le Pera Buranelli, Rilievi eseguiti nell'area della Via Sacra, in: Roma I, 97f., und A. Cassatella, Il tratto orientale della Via Sacra, in: Roma I, 99-105.

271 A. Cassatella in: Roma I, 102. 272 L. D'Elia S. Le Pera Buranelli in: Roma I, 98. So fanden sich im Erdaushub bei den Grabungen zwei

Marmorbasen mit Inschriften für Maximian und Maxentius. Da bei letzterer der Name nicht eradiert wurde, könnte der Block als Baumaterial verwendet worden sein (D. Vaglieri, BullCom 31, 1903, 25): ein Indiz, das Umbauten an der Portikus in konstantinischer Zeit nahelegt.

273 H. Bloch, I bolli laterizi e la storia edilizia romana, Rom 1947, 67ff. (= BuliCom 64, 1936, 207ff.). 274 Zusammenfassung der spät antiken Baumaßnahmen bei E. B. Van Deman, The Atrium Vestae, Washington

1909, 45ff.; LaBranche, Roma Nobilis 150f. 275 CIL XV, 1569 u. 1640. Lugli, Roma antica 209. 276 C. Hülsen, RM 17, 1902, 91. 277 CIL VI, 2131-2154 u. 32409-32428. Liste auch bei Hülsen, Forum 187. 278 Ausführlicher Überblick über die spät antike und frühmittelalterliche Geschichte des Vestalinnenhauses bei

G.B. DeRossi, NSc 1883, 480ff. 279 C. Hülsen, RM 17, 1902, 91; ders., Forum 192; D. Vaglieri, BuliCom 31, 1903, 75 Anm. 1; Van Deman, a. 0.

47; Ruggiero, Foro 292.

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50 Rom

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Abb. 20. Vestalinnenhaus, Grundriß.

Abb. 21. Vestalinnenhaus, Ziegelstempel Johannes' VII. Abb. 22. Vestalinnenhaus, Fibel mit dem Namen Marinus' I.

Das Forum Romanum in der Spätantike 51

Haus der Vestalinnen (Abb. 21) 280. Ein weiterer Münzfund datiert ins späte 9. und 10. Jh.281. Da sich unter den Münzen auch eine Gewandnadel mit der Aufschrift Domno Marino Papa befindet (Abb. 22), darf man davon ausgehen, daß ein päpstlicher Beamter während des Pontifikats des Marinus II. (942-946) den Schatz vergrub282 . Womöglich diente das einstige Vestalinnenhaus zu diesem Zeitpunkt als Sitz päpstlicher Beamter.

Vestatempel Über den benachbarten Vestatempel, dessen heutiges rekonstruiertes Erschei-

nungsbild auf den Zustand des beginnenden 2.Jh. zurückgeht, fehlen Nachrichten aus der Spätan-

tike. In einem Schacht im Podium des Tempels fand man einen Ziegel mit einem Stempel des Theoderich283. Der unter Theodosius I. geschlossene Tempel muß im 8.-9. Jh. in Trümmern gele-

gen haben, da zahlreiche Fragmente dieses Baus als Baumaterial für eine mittelalterliche Mauer

zwischen dem Lacus Iuturnae und dem Tempel der Dioskuren verbaut wurden284.

c. Der 'Tempel des Romulus'

Einer der rätselhaftesten Bauten am Forum ist immer noch der Rundbau im Anschluß an Ss.

Cosma e Damiano, der in Ermangelung einer besseren Bezeichnung unter der irrtümlichen Be-nennung 'Tempel des Romulus' bekannt ist (Abb. 23; Taf. 14.2). Wenn auch der Bau gut erhalten ist, so fließen doch die literarischen und epigraphischen Quellen nur spärlich. Zeichnungen von P.

Ligorio und 0. Panvinio, die im 16. Jh. angefertigt wurden, überliefern Teile der Widmungsin-schrift — allerdings in unterschiedlicher Lesart285. Aus den Angaben in der Zeichnung Panvinios ergibt sich folgende Rekonstruktion der Inschrift:

[Imp(eratori) Caes(ari) Fl(avio)] Constantin[o] maximo [triu]mp[hatori] .

bzw.

[Imp(eratori) Caes(ari) Fl(avio)] Constantin[o] maximo [se]mp[er victori Augusto s(ena-tus) p(opulus)q(ue) r(omanus)].

Die Inschriften in den Zeichnungen Ligorios geben den Namen des Kaisers Konstantin wieder286:

Imp(erator) Caes(ar) Constantinus Maximus Triumph(ator) Pius Felix Augustus .

280 CIL XV, 1694. G. B. DeRossi, NSc 1883, 494; R. Lanciani, BuliCom 28, 1900, 318f.; W. de Grüneisen, Sainte Marie Antique, Rom 1911, 47 u. 412.

281 G. B. DeRossi, NSc 1883, 487ff.; Hülsen, Forum 192. 282 G. B. DeRossi, NSc 1883, 487f. 283 D. Vaglieri, BuliCom 31, 1903, 63. Abb. bei Hülsen, Forum 24 Abb. 5. 284 Hülsen, Forum 176. 285 CIL VI, 1147. Hülsen, Forum 208. A.K. Frazer, Four Late-antique Rotundas: Aspects of Fourth Century

Architectural Style in Rome, Diss. New York 1964, 76f. u. 110f., äußert Zweifel an der Überlieferung der Inschrift: Ligorios Zeichnung, in der die Inschrift 'überliefert' wird, gibt Details wieder, die Ligorio gar nicht mehr sehen konnte, und ist somit zumindest teilweise phantastisch (Frazer, a. 0. 107ff.). Zur Rekonstruktion vgl. auch F. Coarelli in: Societä Romana II, llf.

286 Die zweite Version nennt zudem Kaiser Konstantius (oder Konstans?), ist aber insofern problematisch, als sie — soweit erkennbar — innerhalb der Namen und Titulatur der Kaiser zwischen Nominativ und Dativ wechselt: R. Stalla, Der römische Palazzo della Sapienza als „Gymnasion", in: An Architectural Progress in the Renaissance and Baroque: Sojourns in and out of Italy (FS H. Hager), Pennsylvania State University 1992, I, 113-146, hier 137 (Abb. 5-5): Imp. Caesar Costantino Maximo Triumph. Pius Semper Aug. Imp. Caes. Costanti Maximo Triumph.

52 Rom

Mögen die genannten Inschriften auch im Detail ungenau, ja phantastisch sein, so scheint doch

daraus hervorzugehen, daß im 16. Jh. eine Widmungsinschrift zu sehen war, die den Namen

Konstantins trug.

Was sagen die literarischen Quellen287? Mehrere Quellennotizen, die ein Templum Romuli, ein

Templum Romae o. ä. erwähnen, wurden auf diesen Bau bezogen, doch sind diese Gleichsetzungen

nicht gesichert, da mit dieser Bezeichnung der benachbarte Tempel der Venus und Roma gemeint

war (s. u.). Die früheste mit Sicherheit auf den 'Tempel des Romulus' zu beziehende Nachricht ist

die von der Umwandlung der südwestlichen Seitenaula des flavischen Forum Pacis in die Kirche

Ss. Cosma e Damiano unter Papst Felix IV. (526-530)288.

Datierung Ausgangspunkt für eine Datierung muß die Inschrift sein289 . Die Nennung Kon-

stantins, ob er nun Adressat der Weihung war oder selbst Weihender, legt eine Datierung des

Baus in die Regierungszeit dieses Kaisers nahe, doch sprechen archäologische Indizien dafür,

daß sich diese Widmungsinschrift nur auf eine zweite Bauphase bezieht, sie also nur einen ter-

minus ante quem markiert. Der Ursprungsbau stammt wohl aus der Zeit seines Widersachers

Maxentius, wie aufgrund der urbanistischen Situation zu vermuten ist. Der Rundbau und seine

Nebensäle wurden wahrscheinlich neu errichtet, als die Maxentiusbasilika entstand, der Venus-

und Roma-Tempel umgebaut und damit der Bereich der Via Sacra neu geordnet wurde290. Die

Änderungen unter Konstantin wären dann - ebenso wie im Falle der Maxentiusbasilika - als pro-

grammatische Maßnahme zu interpretieren291. Die wohl konstantinische Fassade des Rundbaus

befindet sich in einer Flucht mit dem ebenfalls konstantinischen Portal der Maxentiusbasilika.

Auch ähneln sich beide Portalfassaden in der Verwendung porphyrner Spoliensäulen, wodurch

sich der Eindruck gegenseitiger Bezugnahme verstärkt292 . Durch die Vorblendung einer konkaven

Fassade vor den Rundbau tilgte man die Erinnerung an den Usurpator Maxentius im Stadtbild.

Eine am Bau befindliche Inschrift nannte nunmehr den Namen des siegreichen Konstantin293.

Die Ziegelstempel, die im Bereich von Ss. Cosma e Damiano gefunden wurden, können die

Datierung nur ungefähr stützen294. Es fanden sich Ziegelstempel aus der Zeit des Diokletian

287 Zu den in Frage kommenden Quellennotizen s. G. Flacconio, storia degli studi, in: Il 'Tempi° di Romolo'

al Foro Romano (= Quaderni dell'Istituto di Storia dell'architettura ser. 26, 1980, fast. 157-162), Rom 1981,

7-16, bes. 7ff. 288 Lib. Pont. I, 2793f. P. B. Whitehead, AJA 31, 1927, lf. s. u. S. 69.

289 Zum Problem, daß sich die Bauinschrift nicht in situ befunden haben kann, s. Frazer, Rotundas (a. 0.) 110.

299 F. Castagnoli, a. 0. 103f. Zur Gleichzeitigkeit der Nebensäle und der Rotunde: F. P. Fiore in: `Tempio di Romolo' (a. 0.) 67 u. 72f.

291 Lugli, Monumenti minori 179-192; F. P. Fiore in: 'Tempi° di Romolo' (a. 0.) 66. 292 Vgl. Frazer, Rotundas (a. 0.) 120.

293 Ungeachtet dieser Überlegungen deutete J. J. Rasch eine Datierung 'kaum vor Mitte des 4. Jh.' an: J. J.

Rasch, Zur Rekonstruktion der Andreasrotunde an Alt-St.-Peter, RömQSchr 85, 1990, hier 17 Anm. 71;

ders., Zur Konstruktion spätantiker Kuppeln vom 3. bis 6. Jahrhundert, JdI 106, 1991, 311-383, hier 356ff. (mit Anm. 117) u. 371. Doch darf man einer solchen auf bautypologischer Basis gegründeten Datierung

skeptisch gegenüberstehen, da nicht nur historische und epigraphische Indizien. sondern auch städtebauliche Argumente gegen eine Spätdatierung sprechen: so auch H. Brandenburg in: Mouo-ini) Aviie. Festschrift für Max Wegner zum 90. Geburtstag, Bonn 1992, 31 Anm. 13.

294 M. Steinby in: Societä Romana II, 140: CIL XV, 1662; 1574b (Steinby, a. 0. 122; Konstantin); 1577 (Steinby, a. 0. 121f.; Konstantin).

Das Forum Romanum in der Spätantike 53

und Konstantin. Ein weiterer Ziegelstempel aus der Zeit des Theoderich ist bereits Zeugnis der

Umwandlung des Komplexes in die Kirche Ss. Cosma e Damiano295.

Hypothesen zur Funktion des Baus Verfolgen wir die Thesen zur Funktion des Rundbaus: Die Annahme, bei dem Rundbau könnte es sich um den Tempel des Romulus, des früh verstor-

benen Sohns des Maxentius, handeln, stützt sich auf eine mittelalterliche Nachricht von einem templum Romuli in dieser Gegend sowie auf Münzbilder aus der Zeit des Maxentius, die einen Rundbau zeigen296. P. Bracciolini bezog die Nachrichten von einem templum Romuli auf die Ro-tunde, wobei er allerdings an den legendären Stadtgründer dachte297. Die Verbindung mit dem früh verstorbenen Sohn des Maxentius gleichen Namens geht auf G. B. DeRossi zurück298. Die mittelalterlichen Nachrichten von einem Tempel des Romulus sind jedoch eine Verballhornung von templum Romae, also auf den Tempel der Venus und Roma zu beziehen, der bereits in der Spät antike die Bezeichnung templum Urbis bzw. templum Romae hatte299. Somit muß die Hy-pothese entfallen, daß es sich bei dem Rundbau einst um das Templum Urbis handelte3°°. Im übrigen bleibt das grundsätzliche Problem, wieso eigentlich ein Bau, den Konstantin sicherlich

umwidmete — wenn er tatsächlich dem Romulus geweiht war —, in den mittelalterlichen Quellen unter dem Namen des Maxentiussohnes auftauchen sollte3m.

Entsprechend skeptisch sind die Thesen zu beurteilen, die in dem Rundbau einen Konsekra-

tionstempel für den früh verstorbenen Maxentiussohn sehen, so auch eine jüngst von F. Coarelli geäußerte Vermutung, die auf Münzdarstellungen gründet302 . Mehr Wahrscheinlichkeit kann die Vermutung beanspruchen, bei der Rotunde am Forum habe es sich um ein Ehrenmal für die

Divi Maximian, Konstantius I., Galerius und Romulus gehandelt. Münzdarstellungen, die auf der Rückseite angeblich die Via-Sacra-Rotunde wiedergeben, zeigen auf der Vorderseite jeweils einen der genannten Divi3°3.

295 Lanciani, Ruins and Excavations 213; Krautheimer, CBCR I, 138. 296 Quellennachricht: Interpolierte Fassung des Regionenverzeichnisses, Reg. 8 (Valentini / Zucchetti I, 224).

Münzbilder: s. E. Talamo, Raffigurazioni numismatiche, in: 'Tempi° di Romolo' (a. 0.) 22-34. 297 P. Bracciolini: Valentini / Zucchetti IV, 234. 298 G. B. DeRossi, BullArchCrist 5, 1867, 61ff. 299 F. Castagnoli, ArchSocStorPatria 1, 1947, 163. Vgl. auch P. B. Whitehead, NuovBullArchCrist 19, 1913,

148ff., der vermutet, daß es sich bei dem Templum Romuli um die Konstantinsbasilika handelte. Zur Bezeich-nung als templum Urbis: HA, Hadrian 19,12; Chronogr. d. J. 354, 148; Amm. Marc. 16. 10, 14; Aur. Vict., Caes. 40, 26 (Fanum Urbis). Templum Romae: Curiosum, Valentini / Zucchetti I, 169; Chronogr. d. J. 354, 148.

300 So etwa zunächst G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/5, 83-122. J. Gage und schließlich auch Whitehead selbst widerriefen diese Möglichkeit und wiesen darauf hin, daß in den mittelalterlichen Quellen mit dem Templum Romae o. ä. der Venus- und Roma-Tempel gemeint ist: J. Gage, in: Melanges F. Cumont, Brüssel 1936, I, 151ff.; P. B. Whitehead, AJA 31, 1927, 3ff. Schließlich äußerten sich auch F. Castagnoli und L. Cozza gegen die Möglichkeit, daß es sich bei dem Rundbau um das Templum Urbis handeln könne (F. Castagnoli / L. Cozza, BullCom 76, 1956/58, 120).

301 So auch F. Castagnoli, ArchSocStorPatria 1, 1947, 163. Lugli, Monumenti minori 189, begegnet diesem Einwand mit dem wenig tragfähigen Argument, Konstantin habe wohl nicht den Sohn seines Rivalen belangen wollen.

302 F. Coarelli in: Societä Romana II, 10-22. Dieser Auffassung schloß sich H. Brandenburg in: Mouo- ttvb Festschrift für Max Wegner zum 90. Geburtstag, Bonn 1992, 30f., an.

303 E. Talamo, Raffigurazioni numismatiche, in: 'Tempi° di Romolo' (a. 0.) 23ff. (Typen II-IV).

54 Rom

Auch sah man in dem Rundbau mit seinen Nebenräumen den Neubau des alten Penatentem-

pels, der im Zuge der Errichtung der Maxentiusbasilika abgerissen wurde3°4. Ein Darstellungstyp

auf den Münzeditionen des Maxentius zeigt einen Rundbau mit säulengegliederter Fassade, in

deren Seitennischen zwei Standbilder, möglicherweise eben die Penaten, zu sehen sind3m.

Doch damit ist die Reihe der Identifikationsversuche noch nicht abgeschlossen. Denn da der

Bau in frühkonstantinischer Zeit offensichtlich einem Umbau unterzogen wurde, könnte er auch

seine Funktion gewechselt haben. So vermutet Coarelli, daß der Rundbau in konstantinischer Zeit

dem Jupiter Stator geweiht worden sei, dessen Tempel im Regionenverzeichnis in der Region 4

erwähnt wird3m. Er wertet als entscheidendes Argument, daß die Aedes Iobis bzw. Iovis Statoris

in der Region 4 der Regionenverzeichnisse zwischen dem Templum Romae bzw. Templum Romae

et Veneris und der Via Sacra genannt wird307. Eine genauere Betrachtung der Regionenverzeich-

nisse zeigt jedoch, daß die Abfolge der Bauten in diesen Listen nicht unbedingt topographischen

Vorgaben entsprechen mußte und gleichartige Gebäude oder Monumente entgegen der topogra-

phischen Anordung auch typologisch zusammengefaßt werden konnten3m.

Vestibülfunktion des Rundbaus Einen methodisch andersartigen, architekturikonographischen

Lösungsansatz verfolgt A. Frazer. Er äußert die Annahme, bei dem Rundbau und dem an-

schließenden Seitensaal des Templum Pacis könnte es sich um den Empfangssaal des Stadtpräfek-

ten gehandelt haben309. Die Rotunde wäre demnach das Vestibül zur Aula des Stadtpräfekten,

die in den Nebensaal des Friedensforums eingebaut wurde. Das Problem seiner Hypothese be-

steht darin, daß er keinerlei positive Argumente anführen kann, außer dem, daß nämlich die

Architektur für eine Funktion als Empfangshalle mit Vestibül spricht31°.

Auch neuere Untersuchungen unterstreichen die Richtigkeit der Grundidee Frazers, nämlich

daß eine Funktionsanalyse des Rundbaus nur im Zusammenhang mit dem dahinterliegenden

Rechtecksaal des flavischen Forum Pacis möglich ist311. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählt die

304 G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/5, 83-122; P. B. Whitehead, AJA 31, 1927, 11.

305 E. Talamo in: 'Tempi° di Romolo' (a. 0.) 26, Typ IIIb. Auch F. P. Fiore favorisiert diese Hypothese: F. P. Fiore, in: `Tempio di Romolo' (a. 0.) 63. Ebenso auch Coarelli, Rom 94, der allerdings später seine Meinung änderte.

306 F. Coarelli, Roma, Rom- Bari 1980, 86-88; F. Coarelli, Il Foro Romano, I: Periodo arcaico, 1983, 28-33; F. Coarelli in: Societä Romana II, 3-10.

307 Valentini / Zucchetti I, 101 u. 169. 308 Coarelli, Foro Romano I (a. 0.), 31, ist sich dessen bewußt, glaubt aber in diesem Fall an eine genaue

topographische Auflistung der Bauwerke. Der Bau muß dennoch nicht mit dem Via-Sacra-Rundbau identisch sein: der Tempel des Jupiter Stator kann durchaus auch im Inneren der Regio liegen; die Regionenverzeichnisse nennen nicht nur Bauten und Monumente am Rande der Regionen, wie Coarelli anmerkt — man betrachte nur die Auflistung der Monumente in der Region 8.

309 Frazer, Rotundas (a. 0.) 113ff.; CBCR I, 142f.; Krautheimer, Rom 18, 20 u. 85. 31° Eine vom funktionalen Aspekt gleichartige These stellte B. M. Apollonj Ghetti auf. Er vermutete gar eine

Erbauung der Rotunde im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Rechtecksaals in eine Kirche im 4. Jh. (!): B. M. Apollonj Ghetti, RACrist 50, 1974, 45 u. 50.

311 Wie die Rotunde mußte auch der Nebensaal des Friedensforums eine Vielzahl von Hypothesen über sich ergehen lassen. Lanciani vermutete einst in dem Saal das Katasteramt der Stadt, da hier ja auch der severische Marmorplan angebracht war (R. Lanciani, BullCom 10, 1882, 26-54; ders., Ruins and Excavations 213-217). Hülsen wiederum dachte an die Bibliothek des Forum Pacis (Hülsen, Forum 212). Vermutung, daß es sich um den Penatentempel gehandelt haben könnte, bei G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/5, 83-122.

Das Forum Romanum in der Spätantike 55

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Abb. 23. `Romulustemper und Nebensaal des Forum Pacis, Grundriß.

Abb. 24. Maxentiusbasilika, Grundriß.

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56

Rom

Abb. 25. Maxentiusbasilika, Rekonstruktion des Südportals nach A. Minoprio.

Abb. 26. Maxentiusbasilika, erste und zweite Bauphase.

Das Forum Romanum in der Spätantike 57

Feststellung, daß der Zugang zum flavischen Rechtecksaal aus der Erbauungszeit der Rotunde stammt und nicht erst nachträglich eingebaut wurde312. Damit ist bereits für die Erbauungszeit der Rotunde deren Vestibülcharakter gesichert313. Schließlich ist auch mit einiger Wahrschein-lichkeit davon auszugehen; daß der Rechtecksaal des Forum Pacis gleichzeitig umgestaltet wurde,

nämlich als man den Rundbau angefügte: in den Saal wurde eine Apsis eingezogen, auf der später

das Apsismosaik verlegt wurde. Die Wände verkleidete man mit einer opus-sectile-Dekoration (Taf. 15.1)314. Der Rundbau, der Apsidensaal sowie die beiden an die Rotunde anschließenden Nebensäle sind also als zusammenhängendes Bauprojekt anzusehen.

Über vier Portale waren über den Rundbau die Via Sacra, die beiden Nebensäle und der

rückwärtig schräg anschließende Saal des Forum Pacis miteinander verbunden315. Diese Gelenk-funktion eignete neben dem `Romulustempel' auch weiteren Zentralbauten der Spät antikem°. So

wie die Rotunde des Diokletianspalastes als Verteiler und als Vestibül zu den anschließenden

Raumfolgen diente, so diente auch die Rotunde an der Via Sacra dem Zugang zu verschiedenen Räumen317. Der `Romulustemper füllt genau das Dreieck aus, das zwischen der Via Sacra und

dem Seitensaal des Templum Pacis entstand. Durch die Errichtung des Rundbaus wurde die Fas-sadenfront entlang der Via Sacra vereinheitlicht und harmonisiert318 , andererseits aber auch der Konnex zum angrenzenden Forum Pacis geschaffen. Die Rundform des sog. `Romulustempels'

ermöglicht es, diesen Konflikt, also den Knick in der Achse des Zugangsweges, zu lösen319. Diesen Passagecharakter behielt der `Romulustempel' auch nach der Umwandlung des Nebensaals des Templum Pacis in die Kirche Ss. Cosma e Damiano bei320 . Der Bau wurde zum Vestibül der vom Forum aus zu betretenden Kirche.

d. Die Maxentiusbasilika

Schreitet man die Via Sacra weiter nach Osten, so folgt als nächster Bau die monumentale Ma-xentiusbasilika (Abb. 24). Sie entstand unter Maxentius über einer Reihe von Zweckbauten, die aus dem severischen Marmorplan bekannt sind und die wahrscheinlich einer Brandkatastrophe im Jahre 307 zum Opfer fielen321. Die Grundfläche der gewaltigen Anlage beträgt 100 m x 65 m.

312 F. P. Fiore in: `Tempio di Romolo' (a. 0.) 72f. (Abb. 94f.). Dies vermuteten bereits P. B. Whitehead, Nuov-BullArchCrist 19, 1913, 143ff., und G. Biasiotti / P.B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/5, 87. Dennoch wird der Durchgang nicht selten als Baumaßnahme Papst Felix' IV. angesehen: Coarelli, Rom 93.

313 P. B. Whitehead, AJA 31, 1927, 1-18; F. Castagnoli, RendLinc 38, 1983, 282. 314 Frazer, Rotundas (a. 0.) 113f.; F. Castagnoli, RendLinc 38, 1983, 282 Anm. 19. 315 Zu den Portalen s. F. P. Fiore in: 'Tempi° di Romolo' (a. 0.) 72. 316 Die Diskussion dieses Architekturtyps würde zu weit führen: hingewiesen sei nur auf das Vestibül des Dio-

kletianspalastes, das N. Duval als Verteiler zu den anschließenden Raumgruppen sieht (N. Duval, Le palais de Diocletien ä Spalato ä la lumiere des recentes decouvertes, Bulletin de la societe nationale des antiquaires de France 1961, 76-109, hier 102-4; ders., Urbs 4, 1961/2, 87-90). F. P. Fiore weist auch auf Thermenrundsäle hin und auf Parallelen im Villenbau (F. P. Fiore in: `Tempio di Romolo' (a. 0.) 81ff.).

317 Frazer, Rotundas (a. 0.) 114; F. P. Fiore in: `Tempio di Romolo' (a. 0.) 83. 318 P. B. Whitehead, NuovBullArchCrist, 19, 1913, 162f.; F. Castagnoli, RendLinc 38, 1983, 282. 319 F. Castagnoli, in: Topografia Romana. Ricerche e discussioni (= Quaderni di topografia antica. Universitä

degli studi di Roma La Sapienza 10), Florenz 1988, 103f. 320 F. Castagnoli, a. 0. 104. 321 Zu dem Brand, der den Venus- und Roma-Tempel zumindest teilweise beschädigte, s. Chronogr. d. J. 354,

148.

58 Rom

Zwei Bauphasen sind zu unterscheiden, die originale Bauausführung unter Maxentius und die

Umbauten unter Konstantin (Abb. 26)322 . Ursprünglich besaß die Maxentiusbasilika nur eine Ap-

sis im Westen, in der das große kreuzgewölbte Mittelschiff endete, an das sich paarweise auf

beiden Seiten drei tonnenüberwölbte Kompartimente anschlossen323. Betreten wurde die Anlage

zunächst über eine Vorhalle an der Ostseite. Unter Konstantin wurde der nunmehr Basilica Nova

genannte Bau auf die Via Sacra hin ausgerichtet: Im Norden entstand im Anschluß an das mitt-

lere Kompartiment eine weitere Apsis und an der Südseite eine neue Fassade. Diese bestand aus

einer der Basilika in voller Länge vorgelagerten Terrasse, die eine Abschrankung besaß. In der

Mitte öffnete sich die Vorhalle mit ihren drei Portalen (Abb. 25)324. Darüber befand sich vielleicht

eine Widmungsinschrift, auf die Aurelius Victor anzuspielen scheint325.

Zentrales Ausstattungselement des Baus war die kolossale Sitzstatue Konstantins, die nach

dem Sieg an der Milvischen Brücke in der Basilica Nova Aufstellung fand326. Es ist ein interessan-

tes Faktum, daß die einzelnen Teile der kolossalen Sitzstatue nicht in der konstantinischen Nord-

apsis gefunden wurden, sondern in der Westapsis des Baus327. Eigenartigerweise ist die Westapsis

unterkellert, was darauf hindeutet, daß diese Apsis ursprünglich nicht als Aufstellungsort für eine

Statue gedacht war. Kähler erklärt diesen Befund damit, daß nach der Umweihung der Basilica

auf den Namen des Siegers an der Milvischen Brücke das Kolossalbild Konstantins in der (dafür

nicht vorgesehenen) Westapsis untergebracht wurde, während das bislang hier untergebrachte

Tribunal in die Nordapsis verlegt wurde328.

Mehrfach wurde bereits vermutet, daß Konstantin für seine Kolossalstatue ein bereits vor-

handenes Bildwerk umarbeiten ließ — eine Annahme, die bei genauer Untersuchung des monu-

mentalen Porträtkopfes bestätigt wurde329. Ob die Statue mit der von Euseb beschriebenen, vom

Senat am belebtesten Ort Roms (gv -r(43 p,(i\ Laux r.Tiv 13Wpri 8e81µ,00- Levilgvy Tölzy) aufgestell-

ten Kaiserstatue identisch ist, ist zwar nicht sicher, aber doch äußerst wahrscheinlich33°. In der

rechten Hand trug die Statue Euseb zufolge ein kreuzförmiges Feldzeichen331:

322 Zum folgenden A. Minoprio, BSR 12, 1932, 1, und H. Kähler, JdI 67, 1952, 6ff. (Abb. 3f.).

323 Westapsis: A. Minoprio, BSR 12, 1932, 10-13. 324 Nordapsis: A. Minoprio, BSR 12, 1932, 14-16. Das Mauerwerk des Portals bindet nicht in das der Basilika

ein, was für eine nachträgliche Entstehung spricht: A. Minoprio, BSR 12, 1932, 3f.

325 Aur. Vict., Caes. 40, 26. 326 K. Fittschen / P. Zanker, Katalog der römischen Porträts in den Capitolinischen Museen und den anderen

kommunalen Sammlungen der Stadt Rom, I: Kaiser- und Prinzenbildnisse, Mainz 1985, 147-152 (mit älterer Lit.); J. Engemann, RAC 14, 1988, 977f. s.v. Herrscherbild.

327 T. Buddensieg, MüJb 13, 1962, 37ff. (Abb. 3-4). Das von Kähler identifizierte Schulter-Brust-Fragment der Kolossalstatue wurde 1951 unmittelbar hinter der Westapsis gefunden: H. Kähler, JdI 67, 1952, 12.

328 H. Kähler, JdI 67, 1952, 6ff. Abschrankung des Tribunals in der Nordapsis: A. Minoprio, BSR 12, 1932, lf. u. 14. Coarelli brachte jüngst das Tribunal in der Westapsis mit dem Sitz des Stadtpräfekten in Verbindung: F. Coarelli in: Societä Romana II, 22-35.

329 Fittschen / Zanker, a. 0. 149. R. Bianchi-Bandinelli und H. Jucker vermuten, daß Konstantin nach der Übernahme der Herrschaft in Rom eine Maxentiusstatue übernahm und deren Kopf auswechseln ließ: R. Bianchi-Bandinelli, Rom. Das Ende der Antike, München 1971, 85; H. Jucker, in: Von Angesicht zu Angesicht (= Festschrift M. Stettler), Bern 1983, 57. P. Zanker hingegen vermutet ein Götterbild.

330 Euseb, Hist. Eccl. 9. 9,10-11; ders., Vita Const. 1,40. Zanker, a. 0. 148. Zur Problematik dieser Eusebstelle s. auch R. Egger, AnzWien 1959/12, 195.

331 Euseb, Hist. Eccl. 9. 9,10-11. Übs. nach H.P. L'Orange, Diokletian bis zu den Konstantin-Söhnen (= Das Römische Herrscherbild III, 4), Berlin 1984, 74. Die Beschreibung der Statue in der Vita Constantini, 1, 40,

Das Forum Romanum in der Spätantike 59

Er ließ denn sobald einen mächtigen Speer in der Form eines Kreuzes (also Speer mit

Querstange) unter die Hand seines eigenen Bildnisses bringen in einer schon vollendeten

Statue, die sich in dem belebtesten Teil von Rom befand, und ließ darauf die folgende In-

schrift in der lateinischen Sprache eingraben: Durch dieses heilsame Zeichen, dem wahren

Zeugen von Tapferkeit (Manneskraft) habe ich Eure Stadt gerettet und vom tyrannischen

Joch befreit; ich habe auch den Senat und das römische Volk befreit und sie zum alten Ruhm und Glanz erhoben.

Portikus an der Südwestecke der Maxentiusbasilika An der Südwestecke der Maxentiusbasi- lika schließt eine Portikus an, die sich in fünf Jochen zur Via Sacra hin öffnet (Taf. 15.2). Dieser Bau, dessen Zugangsniveau deutlich höher als das der heutigen, also republikanischen Via Sacra liegt, wird meist als mittelalterlich bezeichne-032 . Diese Benennung leitet sich offensichtlich von dem unter Boni abgetragenen spätantiken Pflaster der Via Sacra ab, das zu Beginn des Jahrhun-

derts als mittelalterlich galt. Im Plan der Maxentiusbasilika von Minoprio wird das Mauerwerk

von dem der Basilika, aber auch von dem der konstantinischen Anbauten geschieden und als late classical bezeichnet (Abb. 24). In den jüngeren Untersuchungen zur Via Sacra zählt die Portikus zu den konstantinischen Baumaßnahmen333. Trifft die Datierung zu, dann wäre neben den Um-bauten am sog. Romulustempel und dem Via-Sacra-Portal der Maxentiusbasilika eine weitere

Baumaßnahme Konstantins gegeben, die der Umgestaltung des Via-Sacra-Bereichs diente. Der Bau stellt jedoch einen derart empfindlichen Eingriff in die Via Sacra dar, daß man an einem so

frühen Entstehungsdatum zweifeln möchte. Zum einen verengt sich durch die Anlage der Por-tikus die Breite der Via Sacra erheblich, was eine deutliche Zäsur zwischen dem Forumsbereich

und dem Vorplatz der einstigen Maxentiusbasilika bedeutet. Doch mag man das nicht unbedingt als Argument für eine spätere, nachkonstantinische Datierung werten, sondern als Versuch, dem Platz zwischen Basilica Nova und Venus- und Roma-Tempel mehr Gewicht gegenüber dem Fo-rum zu verleihen.

e. Der Tempel der Venus und Roma

Die Via Sacra läuft direkt auf die Fassade des Tempels der Venus und Roma zu, der in hadriani-scher Zeit errichtet und im Jahre 135 eingeweiht wurde (Abb. 27). Vom Umbau unter Maxentius nach einem schweren Brand im Jahre 307 berichten der Chronograph des Jahres 354 und Aurelius Victor334. An dem Bau lassen sich deutlich die Spuren der Bautätigkeit des Maxentius ablesen: Die mit dem Rücken zueinander gelehnten Apsiden sind eine Neuerung aus der Zeit nach 307; zuvor befand sich hier lediglich eine Trennwand zwischen den beiden benachbarten Cellae335 . Die Restaurierung des Venus- und Roma-Tempels ist im Zusammenhang mit der Umgestaltung

gleicht der in der Historia Ecclesiastica weitestgehend. Vgl. zur Kolossalstatue Konstantins L'Orange, a. 0. 70-7 u. 125. L'Orange erklärt die Tatsache, daß zwei rechte Hände vorhanden sind, mit dem Ersetzen des Zepters durch das kreuzförmige Feldzeichen.

332 Coarelli, Rom 94. 333 L. D'Elia / S. Le Pera Buranelli in: Roma I, 98. 334 Chronogr. d. J. 354, 148; Aur. Vict., Caes. 40. 335 A. Barattolo, RM 80, 1973, 247 u. 268f. Zum hadrianischen Erscheinungsbild des Tempels s. auch A. Cassatel-

la / S. Panella, Restituzione dell'impianto adrianeo del tempio di Venere e Roma, Archeologia Laziale 10, 1990, 52-4 (Abb. 2).

60 Rom

des Via-Sacra-Bereichs unter Maxentius zu sehen: Die Flucht der durch die Südseite der Basilica

Nova begrenzten Via Sacra setzt sich durch das mittlere Interkolumnium der Tempelfassade fort

und endet in der Westapsis.

Der Bau wechselte bereits in der Spätantike seinen Namen. Interessanterweise taucht er in

der Notitia noch unter dem vollen Namen, templum Romae et Veneris, auf, im Curiosum je-

doch nur als templum Romae336. Auch der Chronograph d. J. 354 erwähnt den Bau nur mehr

als templum Romae337 . Schließlich erwähnt Aurelius Victor den Tempel als Urbis Fanum, und

Ammianus Marcellinus bezeichnet ihn als Urbis templum338 . In Cassiodors Chronik heißt es zum

Jahr 135: templum Romae et Veneris factum est, quoll nunc Urbis appellatur339 . Die Benennung

templum Urbis begegnet auch in der Passio Sancti Terrentiani und in zwei Passagen des Liber

Pontificalis34°. Castagnoli hält es für möglich, daß es sich hier um die bewußte Wahl einer neu-

tralen Bezeichnung angesichts des erstarkenden Christentums im 4. Jh. handelt341. Auch mit der

Bezeichnung templum Romuli — eine Verballhornung von templum Romae — dürfte der Tempel

der Venus und Roma gemeint sein342 . Dies legen auch die Erwähnungen im Ordo Romanus XI

und in den Mirabilien nahe, in denen der Bau gar palatium Romulianum genannt wird343.

Statuen vor dem Venus- und Roma-Tempel Eine Passage in Prudentius' Contra Symmachum

gab Anlaß, vor dem Venus- und Roma-Tempel bzw. in dessen Vestibül an der Westseite eine

Gruppe von Statuen zu rekonstruieren, die der Autor noch zu Beginn des 5. Jh. gesehen ha-

ben muß344. Zu dieser Statuengalerie zählten offenbar bronzene Standbilder des Herkules, der

Dioskuren und der Könige Altitaliens sowie des eponymen Heros der Troer, die sich jeweils auf

steinernen Sockeln erhoben und zusätzlich eine kleine Ara besaßen. C. Gnilka vermutet ein ha-

drianisches Entstehungsdatum345, doch wäre durchaus auch eine spätere Aufstellung denkbar,

vielleicht sogar im Zusammenhang mit der Renovierung des Tempels unter Maxentius.

Mittelalterliche Einbauten Seit Papst Paul I. (757-767) erinnerte im Bereich des Tempels ein

Oratorium Ss. Petri et Pauli in Sacra Via an den hier lokalisierten Kampf der Apostelfürsten

mit Simon dem Magier346. Unter dem Pontifikat Leos IV. (847-55) wurde im westlichen Teil

des Tempels als Ersatz für die verfallene Kirche S. Maria Antiqua die Kirche S. Maria Nova

errichtet347.

336 Valentini / Zucchetti I, 101 bzw. 169. 337 Chronogr. d. J. 354, 148. 338 Aur. Vict., Caes. 40,26; Amm. Marc. 16.10,14.

339 Cass., Chron., Chron. Min. II, p. 142. F. Castagnoli, ArchSocStorPatria 1, 1947, 163.

34° Acta Sanctorum, Sept., I, 112; Lib. Pont. I, 2794 u. 4656. Die Passagen des Liber Pontificalis, die über die Regierungszeit Felix' IV. (526-30), Honorius' I. (625-38) und Pauls I. (757-67) handeln, bezog Duchesne fälschlich auf die Maxentius- bzw. Konstantinsbasilika.

341 F. Castagnoli, ArchSocStorPatria 1, 1947, 163f. 342 F. Castagnoli, ArchSocStorPatria 1, 1947, 165ff. 343 Ordo Rom. XI: P. Fabre / L. Duchesne, Le Liber Censuum, Paris 1910, II, 15428; Valentini / Zucchetti III,

219. Mirabilien: Valentini / Zucchetti III, 19 u. 21. 344 C. Gnilka, Das Templum Romae und die Statuengruppe bei Prudentius, Contra Symmachum 1,215/237,

in: Bild- und Formensprache der spät antiken Kunst. H. Brandenburg zum 65. Geburtstag (= Boreas 17), Münster 1994, 65-88.

345 Gnilka, a. O. 87f. 346 Lib. Pont. I, 4656_10. S. u. S. 70f. 347 S. U. S. 69.

J (?)S. Maria in Cannapara (approximate site) K S. Maria Antique and Oratory of the Forty Martyrs

15 Rostra 16 Umbilicus Urbis Romae 17 Temple of Satum 18 Temple of Vespasian and Titus 19 Temple of Concord 20 Portico of Dei Conserves 21 Equestrian statue of Constantine

Christian Churches

A S. Maria Nava B SS. Pietro 0 Paolo (approximate site) C SS. Cosma e Damiano 0 S. Lorenzo in Miranda E )?)S. Giovanni in Campo (approximate site) F S. Adriano G S. Martina H SS. Sergio a Bacco (approximate site)

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Pagan and Secular Buildings

1 Temple of Venus and Rome 2 Basilica of Maxentius 3 So-called Temple of Romulus' 4 House of the Vestals 5 Temple of Vesta 6 Temple of Antoninus and Faustina 7 Temple of Divus Julius 8 Atrium to the imperial palace 9 Temple of Castor and Pollux

10 Basilica Julia 11 Basilica Aemilia 12 Column of Phocas 13 Curia 14 Arch of Septimius Severus

Das Forum Romanum in der Spotantike 61

TEMPIO DI VENERE E ROMA

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VIA SACRA

Abb. 27. Tempel der Venus and Roma, GrundriB mit heutiger UTherbauung.

Abb. 28. Forum Romanum im Friihmittelalter.

62 Rom

4. Kirchenbauten im Forumsbereich

Die im Bereich des Forums befindlichen Kirchenbauten setzen die Reihe der Baustiftungen ab

dem 6. Jh. fort (Abb. 28). Meist handelt es sich um Umbauten bestehender Strukturen, gele-

gentlich setzen diese Einbauten auch den Verfall des Ursprungsbaus voraus. Doch gerade die

Umbauten sind ein Anzeichen für funktionale Kontinuitäten, in denen sich das Weiterleben des

Forums im frühen Mittelalter ausdrückt.

a. Überblick über die frühmittelalterlichen Kirchenbauten im Forumsbereich

S. Adriano In den Senatsbau ließ Honorius I. (625-638) am Anfang seines Pontifikats zu

Ehren des Märtyrers Hadrian eine Kirche einbauen348. Im Liber Pontificalis heißt es hierzu349:

Er (Papst Honorius) errichtete eine Kirche des seligen Adrianus bei den Tria Fata, die

er auch einweihte und mit vielen Geschenken bedachte.

Bei der Umwandlung der Kurie in eine Kirche wurden keine besonderen Veränderungen und

Umbauten vorgenommen (Abb. 31)350 . Man behielt die Stufenreihen für die Sitze der Senatoren

bei, ja restaurierte sie sogar. Und auch die opus-sectile-Dekoration der Wände, die wohl noch

aus tetrarchischer Zeit stammte, wurde belassen (Abb. 30). An die Nordseite baute man eine

Apsis an; vor dieser, zwischen den beiden Seitenzugängen, wurde ein Presbyterium angelegt351.

In einer zweiten Phase unter Papst Hadrian I. (772-795), als S. Adriano in eine diaconia umge-

wandelt wurde, wurde wohl die schola cantorum zwischen den Sitzreihen errichtet352 . Zudem zog

man eine Quermauer vor dem Presbyterium ein, was einen transeptähnlichen Eindruck hervor-

rief. Am Außenbau entstanden Anbauten für die Diakonie und eine Kapelle unmittelbar neben

der Apsis. Unter Gregor IV. (827-844) erfolgte die Renovierung des Dachs der Kirche353. Die

Arkadentrennwände entstanden erst um 1100, als auch der Kampanile errichtet wurde354 .

Aus der Zeit Hadrians I. datieren auch Reste von Malereien. Die rechte der beiden Türen

an der Nordostseite führte in eine Kapelle, deren Malereien einst Szenen aus dem Leben des heiligen Hadrian zeigten355. Die Malereien im Inneren der Aula werden von Inschriften begleitet,

die einen gewissen Gaiferius consul et dux und einen gewissen Sergius consol (sic), offenbar beide

Stifter der Ausmalung, nennen356. Hinter der Kurie befand sich eine kleine Kapelle aus dem 8. Jh., deren Reste in den Jahren

1936-38 entfernt wurden357.

348 Zum genauen Datum s. E. Russo, Bull. dell'Ist. Stor. Ital. 89, 1980/81, 108. 349 Lib. Pont. I, 32410f.: Fecit ecclesiam beati Adriani in Tribus Fatis, quam et dedicavit, et dona multa optulit.

350 A. Mancini, RendPontAcc 40, 1967/68, 195f. (Abb. 2). Plan der frühmittelalterlichen Baumaßnahmen bei C. Morselli / E. Tortorici, Archeologia Laziale 9, 1988, 50 (Abb. 13).

351 A. Mancini, RendPontAcc 40, 1967/68, 195ff. 352 Lib. Pont. I, 50929-5103. A. Mancini, RendPontAcc 40, 1967/68, 201ff.

353 Lib. Pont. II, 7612. 354 A. Mancini, RendPontAcc 40, 1967/68, 214ff.

355 Bartoli, Curia 74 (Taf. 68,2); G. Matthiae, Pittura romana del medioevo, I: secoli IV-X, Rom 19872, 291f.

356 Bartoli, Curia 74. 357 E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium 257.

Abb. 29. Secretarium Senatus und S. Martina, Grundriß. Abb. 30. S. Adriano, opus-sectile-Verkleidung.

Das Forum Romanum in der Spätantike 63

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Abb. 31. S. Adriano, Grundriß.

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64 Rom

S. Martina Die Geschichte der heute Ss. Luca e Martina genannten Kirche am Nordwestrand

des Forums läßt sich im Liber Pontificalis bis ins 8. Jh. zurückverfolgen; hier wird eine Kirche S.

Martina in einer Papst Hadrian I. betreffenden Passage erwähnt358. Diese Kirche wurde unter

Leo III. restauriert, wie das Papstbuch ebenfalls weiß, in dem sie an dieser Stelle S. Martinae

sita in tribus fatis genannt wird359. Vielleicht wurde die Kirche, die zur Zeit Hadrians bereits

bestanden haben muß, zusammen mit S. Adriano unter Honorius I. (625-638) angelegt36°. Für

diese Annahme sprechen im 16. Jh. verfaßte Beschreibungen des Apsismosaiks der Kirche361. Hier

liest man von einer Darstellung der Maria mit dem Christuskind, die von zwei Päpsten flankiert

wird, einer davon mit Stiftermodell. Die fragmentarisch erhaltene Beischrift ...orius pp ... läßt

an Honorius denken, obwohl auch andere Möglichkeiten denkbar sind362 . Abzulehnen ist wohl

die Vermutung, die Kirche sei unter Papst Donus (676-678) errichtet worden363. Die geläufige

Vorstellung, daß Alt-S. Martina aus einem Umbau des Secretarium Senatus hervorging, ist von

E. Nash wiederlegt worden364. Nashs Ansicht nach handelt es sich bei dem auf den Plänen

von A. Sangallo d. J. und B. Peruzzi eingezeichneten Apsidensaal um einen Neubau des 7. Jh.

(Abb. 29; Taf. 2) 365 . Allerdings sind zwei Ziegelstempel überliefert, die angeblich vom Dach von

Alt-S. Martina stammen und in die Zeit Theoderichs zu datieren sind366 . Diese bislang nicht

ausreichend berücksichtigte Tatsache spricht für eine Errichtung des Baus unter Theoderich367.

Denkbar ist auch die Verwendung von ostgotischen Spolienziegeln in noch späterer Zeit368 - doch

existieren keine Parallelen hierfür. Als wahrscheinlichste Lösung bleibt, daß Papst Honorius einen

bereits seit ostgotischer Zeit existierenden Bau mit einem Apsismosaik versah, wobei ungeklärt

bleiben muß, ob dieser bereits als Kirche diente.

Ss. Sergio e Bacco Die erste Erwähnung der Kirche der Heiligen Sergius und Bacchus am Fo-

rum datiert aus der Regierungszeit Papst Hadrians I. (772-795)369. Hadrian ließ die Kirche 789-90

wiederherstellen. Dieser Wiederherstellung ging offenbar eine Verlegung des Baus voran, der sich

in unmittelbarer Nachbarschaft eines vom Einsturz bedrohten Tempels befand370. Aus der Zeit

358 Lib. Pont. I, 5013; Valentini / Zucchetti II, 277.

359 Lib. Pont. 11,2821. Hülsen, Chiese 381.

360 Ein entsprechender Eintrag fehlt in der ansonsten genauen Biographie des Honorius im Liber Pontificalis.

361 B. Platina, De vitis pontificum Romanorum, ed. 0. Panvinio, Köln 1568, 98; A. Rocca, S. Gregorii eiusque

parentum imagines, Rom 1597, fol.***3v; E. Russo, Bull. dell'Ist. Stor. Ital. 89, 1980/81, 109f. Ich verdanke

den Hinweis auf diese Beschreibung Gregor Kalas.

362 Etwa Gregor d. Gr. Die Ikonographie des Mosaiks läßt sich unmittelbar mit dem von S. Agnese vergleichen,

was Honorius I. als Auftraggeber sehr wahrscheinlich macht: E. Russo, a. 0. 110f.

363 So etwa P. Franchi de' Cavalieri, RömQSchr 17, 1903, 222f.; Hülsen, Chiese 381; E. Nash, Secretarium Senatus, in: Essays in Memoriam 0. J. Brendel, 1976, 191-204, hier 202.

364 Nash, a. 0. 191-204. S. o. 5. llf. 365 Nash, a. 0. 202f.

366 CIL XV, 1669,2: in tegula reperta ad S. Martinae (in tecto add. Aringhius). CIL XV, 1665,7: in tegula rep.

ad S. Martinae (in tecto add. Aringhius). CBCR III, 82f.

367 Allerdings muß immer auch von Restaurierungen ausgegangen werden, die gerade aus ostgotischer Zeit häufig überliefert werden. Dies würde jedoch ein noch früheres Entstehungsdatum bedeuten, was aus den von Nash

genannten Gründen unwahrscheinlich ist. 368 So auch CBCR III, 82f. 369 Lib. Pont. I, 51220-23. Quellen und Inschriften zu Ss. Sergio e Bacco wurden von M. Bonfioli, RACrist 50,

1974, 55-85, zusammengefaßt.

370 Zur Interpretation der Passage in der Vita Hadriani s. M. Bonfioli, RACrist 50, 1974, 72.

Das Forum Romanum in der Spätantike 65

Leos III. (795-816) findet sich eine weitere Notiz, und auch der Anonymus v. Einsiedeln erwähnt

Ss. Sergio e Bacco insgesamt dreimal371. Zur Zeit Hadrians I. muß der Bau bereits eine Diakonie

gewesen sein. Da die früheste Erwähnung einer Diakonie in Rom überhaupt erst aus dem Jahr

684 stammt, sollte die Errichtung der Kirche nicht zu weit vor Hadrian I. datiert werden372 .

Der Bau befand sich nicht eigentlich am Forum, sondern hinter den Rostra, in unmittelbarer

Nachbarschaft zum Concordiatempel, neben dem Umbilicus Urbis, wo ihn der Anonymus Ein-

sidlensis sah und auch M. van Heemskerck wiedergab (Taf. 17.1)373. Im 16. Jh. wurde die Kirche

wohl abgerissen.

S. Salvatore de Statera Die früheste Erwähnung der Kirche S. Salvatore de Statera findet sich in den Mirabilien374. Dort wird ein Bogen mit einer Darstellung, offenbar ein Relief, beschrieben,

auf dem eine Soldausteilung an Soldaten mittels Waagen (statera) zu sehen warm. In dieser

Passage drückt sich bereits die Verknüpfung dieser Kirche mit dem alten Saturntempel, dem

einstigen Aerarium, aus. Die Kirche konnte in jüngster Zeit genau lokalisiert werden376. In einem rechteckigen Graben hinter dem Podium des Saturntempels fanden sich Reste des Mauerwerks

der Cella dieses Tempels sowie Freskenreste des 11. / 12. Jh., die offensichtlich mit S. Salvatore in Verbindung zu bringen sind377. Über das Datum der Umwandlung der Cella in eine Kirche besteht Unklarheit, die Erwähnung in den Mirabilien bildet den terminus ante quem. S. Salvatore de Statera wurde wohl in der 1. Hälfte des 15. Jh. zerstört378.

S. Maria in Cannapara In die westliche Seitenhalle der Basilica Iulia, dem Vicus Iugarius zu, baute man im 7. / B. Jh. die Kirche S. Maria in Cannapara ein, deren Beiname sich wohl von canapa = Getreide ableitet. Eine Contrada della Cannapara erstreckte sich an der Westseite des Forums zwischen dem Kapitol und S. Teodoro und beschränkte sich nicht nur auf die Basilica Iulia379. Zu den im Verlauf der Ausgrabungen aufgefundenen Resten des Baus und seiner Aus-stattung gehören u. a. Schrankenplatten mit Flechtbandornamenten, Säulen und Kapitelle, eine kleine Alabastersäule und Fragmente einer Mensa aus dem gleichen Material, des weiteren das Fragment eines Sarkophages mit der Darstellung einer Orans sowie ein Reliquienkästchen380 . Die Kirche bestand wohl bis ins 15. Jh.381.

371 Lib. Pont. II, 1112 ; Valentini / Zucchetti II, 177, 191 u. 195; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 145, 149 u. 151.

372 Lib. Pont. I, 3644. M. Bonfioli, RACrist 50, 1974, 70f. 373 Zur Lokalisierung M. Bonfioli, RACrist 50, 1974, 71ff. u. 80 (Abb. 11), und C. Hülsen, Vedute delle rovi-

ne del Foro Romano disegnate da Martino Heemskerk, BullCom 16, 1888, 153-8, hier 155ff. (Taf. 8). Zum archäologischen Befund s. G. Maetzke, AMediev 18, 1991, 79.

374 Mirabilia III, 9. Valentini / Zucchetti III, 55. 375 Hülsen, Forum 30. 376 G. Maetzke, La chiesa di S. Salvatore de'Stadera al Foro Romano, Archeologia Laziale 10, Rom 1990, 98-104. 377 G. Maetzke, Archeologia Laziale 10, 1990, 101ff. (Mauerfragmente: 4. Jh.); Freskenreste: ibid., Abb. 10 (2. Hälf-

te 11. Jh. / Anf. 12. Jh.). 378 G. Maetzke, Archeologia Laziale 10, 1990, 104. 379 Hülsen, Chiese 321; C. Cecchelli, Studi e documenti sulla Roma sacra II, Rom 1951, 106ff. 380 R. Lanciani, Bull. Ist. 1871, 232; ders., NSc 1883, 47 u. 80; ders., BullCom 19, 1891, 229; F. Mazzanti, Archivo

storico dell'arte 1896, 162ff.; A. Valeri, Rivista d'Italia 3, 1900, 724f.; Hülsen, Forum 62 (Abb. 21). 381 A. Valeri, Rivista d'Italia 3, 1900, 723f.

66 Rom

S. Maria Antiqua Die Existenz der zu Beginn unseres Jahrhunderts ausgegrabenen Kirche

S. Maria Antiqua (Abb. 32) war bereits aus De locis sanctis martyrum (ca. 635-642), dem Liber

Pontificalis und dem Anonymus Einsidlensis bekannt382 . In der Biographie Leos III. (795-816)

wird sie als diaconia bezeichnet383, doch hatte der Bau diese Funktion vielleicht bereits in der 1.

Hälfte des 8. Jh.384. Als was der Bau vor seiner Umwandlung in eine Kirche diente — er stammt

aus domitianischer Zeit — ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen; wahrscheinlich nutzte man ihn

als Vestibül des Kaiserpalastes385. Die bisweilen nicht leicht überschaubare Bau- und Ausstat-

tungsgeschichte dieses Baus läßt sich nach den Quellen und den jüngeren Forschungsergebnissen

wie folgt resümieren386:

Irgendwann im 4. und 5. Jh. erhielt das Innere des Baus eine Marmor- und Mosaikverkleidung,

von der sich Reste im Presbyteriumsbereich erhalten haben387. Später wurden Teile der Marmor-

verkleidung durch Fresken ersetzt, die vielleicht bereits mit der Umwandlung des Gebäudes in

eine Kirche zusammenhängen. In der 1. Hälfte des 6. Jh. wird das Gebäude mit der Darstellung

der Maria Regina versehen388. In der 2. Hälfte des 6. Jh. erfolgt der Einbau einer Apsis. Wohl

zur gleichen Zeit entstand die Verkündigungsszene der Palimpsestwand, aber auch die älteste

Schicht der Apsis389. Die dritte Schicht der Palimpsestwand stellt Kirchenväter in Frontalansicht

dar, die wohl unter Papst Martin I. (649-653) ausgeführt wurden39°. Zu dieser Ausstattungspha-

se sind nicht nur Reste eines Christuszyklus und das Bild der Anna im Bemabereich zu zählen,

sondern auch verschiedene Bildfelder an den Pfeilern des 'Hauptschiffs', die z. T. wohl auch von

privaten Stiftern stammen (Abb. 32). Wie der Liber Pontificalis anmerkt, versah Johannes VII.

(705-707) die Kirche mit Malereien und mit einem neuen Ambon391. Nicht nur der Triumph-

bogen erhielt ein vollständig neues Programm, auch die Wände des Presbyteriums sowie die

382 De locis sanctis martyrum: Valentini / Zucchetti II, 121; Lib. Pont. I, 3857 (Johannes VII.) u. II, 1422, 192 u. 264 (Leo III.); Anon. Einsidl.: Valentini / Zucchetti II, 191 u. 195.; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 149 u. 151.

383 Lib. Pont. II, 1422, 192 u. 264. 384 Diese Vermutung gründet sich auf die Titulatur des Theodotus, der in einer Inschrift der von ihm ausge-

statteten Kapelle dispensator Sce Dei genetricis ... qui appelatur antiqua genannt wird: F. J. Niederer, The Roman Diaconiae, New York 1950, 88; CBCR II, 250. vgl. außerdem J.-M. Sansterre, Les moines grecs et orientaux ä Rome aux époques byzantine et carolingienne, Brüssel 1983, 105.

385 Diskussion der einzelnen Vorschläge bei P. Romanelli / P. J. Nordhagen, S. Maria Antiqua, Rom 1964, 19ff.

386 S. hierzu den Überblick über die Forschungslage von H. Hurst / J. Osborne / D. Whitehouse, S. Maria Antiqua. Problemi e proposte, in: Roma I, 93-96. Zur Chronologie der Malereien s. E. Kitzinger, Römische Malerei vom Beginn des 7. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, Diss. München 1934, 40-45; P. J. Nordhagen, The Earliest Decorations in Santa Maria Antiqua and Their Date, ActaAArtHist 1, 1962, 53-72; Romanelli / Nordhagen, a. 0. 31ff.; P. J. Nordhagen, The Frescoes of John VII. (A. D. 705-707) (= ActaAArtHist 3), Rom 1968; ders., S. Maria Antiqua, the Frescoes of the Seventh Century, ActaAArtHist 8, 1978, 89-142; G. Matthiae, Pittura Romana del Medioevo, I, 19872, 93-103 u. 138-147.

387 P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 1, 1962, 54ff.

388 P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 1, 1962, 56f.; Matthiae, a. 0. 93ff. 389 P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 1, 1962, 57f.; Romanelli / Nordhagen, a. 0. 32; P. J. Nordhagen, ActaAArtHist

8, 1978, 90ff.; Matthiae, a. 0. 96f.

390 G. Rushforth, BSR 1, 1902, 68-73; P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 1, 1962, 58ff.; Romanelli / Nordhagen, a. 0. 32ff.; P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 8, 1978, 89-142; Matthiae, a. 0. 98.

391 Lib. Pont. I, 3856-8.

Das Forum Romanum in der Spätantike

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Abb. 32. S. Maria Antiqua, Grundriß.

I Kapelle des Theodotus II Kapelle der Medizinerheiligen

III Offene Privatkapelle A Makkabäer B Barbara C Anna D Heilige E Demetrios F Madonna mit Kind

Abb. 33. S. Maria Antiqua, Theodotuskapelle, Umzeichnung der Fresken.

68 Rom

Transennen zwischen den Schiffen wurden mit Malereien überzogen392 . Nach der Mitte des 8. Jh.

ließ ein gewisser primicerius Theodotus die Kapelle der hll. Quiricus und Julitta links neben

der Apsis ausmalen — eines der wenigen Beispiele öffentlicher Stiftungstätigkeit im Frühmittel-

alter (Abb. 33)393. Dem Liber Pontificalis zufolge ließ Gregor III. (731-741) das Marienbild der

Kirche versilbern394. Das Apsisfresko stammt aus der Zeit Pauls I. (757-767) wie auch der alt-

testamentarische Zyklus im linken Seitenschiff und die Heiligenfiguren zu Seiten des thronenden

Christus395. Die letzten sicher datierbaren Malereien wurden unter Hadrian I. (772-795) aus-

geführt; sie befinden sich im Atrium und stellen die thronende Maria, Heilige und den Papst

dar. Leo III. (795-816) soll dem Liber Pontificalis zufolge ein Ziborium, einen Kronleuchter und

Vorhänge gestiftet haben398. Dem späten 8. bzw. frühen 9. Jh. entstammen die 40 Märtyrer auf

der linken Wand des gleichnamigen Oratoriums. Das Erdbeben zu Beginn des Pontifikats Leos

IV. (847-855) führte dazu, daß man die Kirche aufgab und die Nachfolgerkirche S. Maria Nova

errichtete397. Daß dieses Erdbeben allerdings die völlige Zerstörung dieses Bereichs des Forums

zur Folge hatte, ist unwahrscheinlich398 .

S. Giovanni in Campo In drei Räumen in der östlichen Hälfte der Basilica Aemilia finden

sich frühmittelalterliche opus sectile-Böden aus Giallo, Porphyr und Serpentin399. Diese Räume,

zumindest aber einer davon, dienten wohl im frühen Mittelalter als Kirche; hierfür spricht das

Mauerfragment mit einer gemalten Inschrift: Sanctus I ...400 A. Valeri schlägt eine Identifikation

mit S. Maria in Foro vor401, doch identifiziert Bartoli den Einbau überzeugender mit der Kirche

S. Giovanni in Campo402. Diese Identifikation stützt sich auf den Katalog von Turin, der die

Kirchenbauten im Forumsareal in topographischer Reihenfolge nennt403: Ecclesia Sancte Marie

Nove, Ecclesia Sancte Marie in Palaria, Ecclesia Sanctorum Cosme et Damiani, Ecclesia Sancti

Laurentii in Miranda, Ecclesia Sancti Johannis in Campo. Hülsen zeigte sich 1927 bezüglich der

Lage der Kirche noch unsicher494. Als Datierung schlug Bartoli das 7. / 8. Jh. vor; früher könne

die Kirche aus archäologischen Gründen hier nicht eingebaut worden sein405.

392 P. J. Nordhagen, ActaAArtHist 1, 1962, 63ff.; P. J. Nordhagen, The Frescoes of John VII. (A. D. 705-707) (=-ActaAArtHist 3), Rom 1968; Matthiae, a. 0. 109ff.

393 Matthiae, a. 0. 138-147 u. 267-270 (Datierung). H. Belting, Eine Privatkapelle im frühmittelalterlichen Rom, DOP 41, 1987, 55-69.

394 Lib. Pont. I, 4199.

395 B. A. Vileisis, The Genesis Cycle of Santa Maria Antiqua, Diss. Princeton Univ. 1979. 396 Lib.1422 192 f. ‘-W

Pont.J. J.J., u. 397 G. Rushforth, BSR 1, 1902, 9; Hurst / Osborne / Whitehouse, a. 0. 94.

398 Hurst / Osborne / Whitehouse, a. 0. 94f.; J. Osborne, The Atrium of S. Maria Antiqua, Rome: a History of Art, BSR 55, 1987, 186-223, bes. 219ff.: Das Atrium der verfallenen Kirche blieb unter dem Patrozinium des hl. Antonius bis ins 11. Jh. in Betrieb, wie auch entsprechend zu datierende Malereien nahelegen.

399 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 762; Hülsen, Forum 124.

400 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 762f. 401 A. Valeri, Rivista d'Italia 3, 1900, 711-19. 402 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 763f. 403 Ed. G. Falco, ArchSocRomStorPatr 1909, 411-443; A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 763f. 404 Hülsen, Chiese 270. 405 A. Bartoli, RendLinc 21, 1912, 763.

Das Forum Romanum in der Spätantike 69

S. Lorenzo in Miranda Über die Kirche S. Lorenzo in Miranda, deren Einbau in den Tempel des Antoninus und der Faustina wohl zu dessen Konservierung bis heute beitrug, ist kaum etwas bekannt. Ein monasterium sancti Laurentii quod vocatur de Miranda findet erstmalig in einem Dokument des 11. Jh. Erwähnung, später auch in den Mirabilien, doch könnte der Einbau wesentlich früher erfolgt sein4°6 .

Ss. Cosma e Damiano Gestalt und Funktion des sog. `Romulustempels' und der anschließen- den Seitenaula des flavischen Forum Pacis wurden bereits besprochen (Abb. 23)407 . Unter Papst Felix IV. (526-530) wurde in den südlichen der beiden Seitensäle des Forum Pacis die den Ärzte-heiligen Kosmas und Damian geweihte Kirche eingebaut408. Bei der Umwandlung in eine Kirche beschränkte man sich auf die Verlegung von Mosaiken in der bereits bestehenden Apsis und dem Triumphbogen. Die aus dem 4. Jh. stammende opus-sectile-Dekoration, die bis 1632 zu sehen war, wurde übernommen (Taf. 15.1). Ein Dachziegel mit einem Stempel aus der Zeit Theode-richs deutet auf Ausbesserungen hin4m. Das Dach der Rotunde wurde unter Papst Sergius I. (687-701) repariert41°. Daß aus dieser Zeit auch einige der in der Kirche gefundenen Stücke frühmittelalterlicher Skulptur datieren, wurde von R. Kautzsch bezweifelt411. Das Dach der Au-la wurde unter Hadrian I. (772-795) und Leo III. (795-816) renoviert412. Unter ersterem wurde die Kirche zur diaconia413.

S. Maria Nova Unter Leo IV. (847-855) wurde die Kirche S. Maria Antiqua wegen Einsturz- gefahr geschlossen und als Ersatz eine neue Kirche an der Ostseite des Forums, auf den Ruinen des Tempels der Venus und Roma errichtet414. Dieser Bau wiederum fiel zu Beginn des 13. Jh. einem Brand zum Opfer, woraufhin ihn Honorius III. (1216-1227) 1216 restaurieren ließ415.

Ss. Pietro e Paolo Eine Petrus und Paulus geweihte Kirche wurde unter Papst Paul I. (757- 767) im Bereich der Via Sacra errichtet und trug auch den Beinamen in Sacra Via416. Der Legende nach entstand der Bau an der Stelle, wo die Apostelfürsten Petrus und Paulus auf

406 G. Ferrari, Early Roman Monasteries, Vatikanstadt 1957, 190f.; Valentini / Zucchetti III, 56 u. 122. Die Quellen und Geschichte des Tempels bzw. der Kirche zusammengefaßt bei A. Bartoli, Il Tempio di Antonino e Faustina, Antichi Monumenti 23, 1915, 949-62.

407 S. o. S. 51ff. 408 Lib. Pont. I, 2793f.: Hic fecit basilicam sanctorum Cosmae et Damiani in erbe Roma, in loco qui appellatur

Via Sacra, iuxta templum urbis Romae. Apsisinschrift: ICUR II, 71, 134, 152, 353 u. 439. 409 CBCR I, 138f. 410 Lib. Pont. I, 37516f.: fecit ambonem et cyburium in basilica sanctorum Cosmae et Damiani ubi et multa

dona obtulit; trullum vero eiusdem basilicae fusis chartis plumbeis cooperuit atque munivit. 411 G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/25, 107 (Abb. 30-32); R. Kautzsch, RömJbBH 3, 1939,

49 Anm. 75a. 412 Lib. Pont. I, 50821 ff. u. 11, 2820.

413 Lib. Pont. I, 50929 ff. vgl. auch Lib. Pont. II, 2120. 414 Erdbeben: Lib. Pont. II, 10820f. u. II, 1455f. 415 Hülsen, Chiese 352. 416 Lib. Pont. I, 465611.: Hic fecit noviter ecclesiam infra hanc civitatem Romanam in via Sacra iuxta templum

Romae in honore sanctorum apostolorum Petri et Pauli, ubi ipsi beatissimi principes apostolorum, tempore quo pro Christi nomine martyrio coronati sunt, dum Redemptori nostro funderent preces, propria genua flectere visi sunt . Die Kirche wird auch vom Anonymus Einsidlensis erwähnt: Valentini / Zucchetti III, 195; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 191.

70 Rom

Knien den Herrn um Hilfe gegen Simon den Magier anflehten417. Die Erzählung von dem wun-

dersamen Streit zwischen den Apostelfürsten Petrus und Paulus und Simon dem Magier, die auf

die Apostelgeschichte zurückgeht, wurde in einer römischen Redaktion der 2. Hälfte des 3. Jh.

auf die Via Sacra verlegt418: hier stieg Simon auf, stürzte jedoch dann zu Boden und wurde beim

Aufschlag auf das Pflaster in vier Teile zerrissen.

b. Formen der Umwandlung älterer Bauten in Kirchen

Bislang lassen sich, um es vorwegzunehmen, keine Kirchen innerhalb des Forums — oder unmit-

telbar daran anschließend — vor dem 6. Jh. nachweisen. Weder die angeblich unter Silvester auf

dem Forum errichtete Kapelle der Muttergottes ist gesichert, noch die fälschlich bereits für das

4. Jh. vermutete Umwandlung des Nebensaals des Forum Pacis in eine christliche Basilika419.

Das früheste sichere Beispiel ist die zur Zeit der ostgotischen Herrschaft unter Papst Felix IV.

eingerichtete Kirche zu Ehren der Heiligen Kosmas und Damian. Zur selben Zeit errichtete man

wohl auch den Bau, in dem sich spätesten seit Honorius I. (625-638) Alt-S. Martina befand. We-

nig später dürfte der Raum, aus dem später die Kirche S. Maria Antiqua hervorging, das Fresko

der 'Maria Regina' erhalten haben — was aber noch nicht die Umwandlung in einen christlichen

Kultraum bedeuten muß.

Offensichtlich bestanden unterschiedliche Absichten und Gründe, die den Einbau der ver-

schiedenen Kirchen im Forumsbereich begleiteten, ebenso wie in der Art der architektonischen

Vereinnahmung unterschiedliche Formen erkennbar werden420. Die erste Gruppe ist dadurch cha-

rakterisiert, daß Architektur, Ausstattung und — in gewisser Hinsicht auch — Funktion älterer

Bauten übernommen wurden. Ss. Cosma e Damiano stellt ein Beispiel für zwanglose Umwand-

lung und Vereinnahmung einer bereits bestehenden zeremoniellen Architektur durch und für

den christlichen Kultus dar. Wesentliche Elemente der Innenausstattung des einstigen Profan-

baus wurden übernommen (opus sectile-Dekoration), wie auch, was noch bezeichnender ist, die

Fassadengestaltung unangetastet blieb und auch die Widmungsinschrift an Kaiser Konstantin

erhalten wurde. Mit der Umwandlung in eine Kirche wurde das Ensemble in seiner einstigen,

offenbar verlorengegangenen Funktion als Vestibül- bzw. Versammlungsraum wiederbelebt und

konserviert421. Gleiches gilt auch für die etwa 100 Jahre jüngere Kirche S. Adriano, die das

Versammlungsgebäude des Senats in Anspruch nahm und hier ebenfalls mit wenigen Um- und

Einbauten auskam. Nicht nur die Innendekoration des Baus beließ man, auch die Sitzreihen für

417 Duchesne, Forum chrkien 11ff., erwähnt ausführlich die Legenden, die mit dem Bau der Kirche verbunden sind.

418 Apg. 8, 9-24; Acta Petri etc., Leipzig 1891, p. 83 Lipsius. Duchesne, Forum chrkien llf.

419 Silvesterkapelle: H. Grisar, Roma alla fine del mondo antico, I, Rom 1943, 215. Ss. Cosma e Damiano: B. M. Apollonj Ghetti, RACrist 50, 1974, 45 u. 50.

420 Vgl. zum Folgenden auch L. Reekmans, L'implantation monumentale chrkienne dans le paysage urbain de Rome de 300 ä 850, in: Actes 11. Congr. Int. Arch. Chrk., Lyon- Vienne- Grenoble - Genf- Aosta 1986 (Rom 1989), II, 861-915, hier 876ff.

421 Vgl. A. K. Frazer, Four Late-antique Rotundas: Aspects of Fourth Century Architectural Style in Rome, Diss. New York 1964, 119 u. 121. Zur Hypothese, bei dem Rundbau und dem anschließenden Rechtecksaal handle es sich um den einstigen Empfangssaal des Stadtpräfekten s. Frazer, a. 0. 114ff. Der Kontinuitätsgedanke liegt auch der Vermutung Whiteheads zugrunde, der Nebensaal des Forum Pacis habe einst als Tempel der Penaten gedient, die dann von den Ärzteheiligen Kosmas und Damian abgelöst wurden: G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924/5, 83-122; P. B. Whitehead, AJA 31, 1927, 11.

Das Forum Romanum in der Spätantike 71

die Senatoren wurden beibehalten. Diese Indizien bezeugen die ungebrochene Kontinuität dieses

Saals als Versammlungsraum422. Auch der Umbau des in seiner Funktion nicht sicher bestimm-

baren Gebäudes zur Kirche S. Maria Antiqua bestand lediglich im Einbau einer Apsis und dem

Ersetzen der Pfeiler des Peristyls durch Spoliensäulen423.

Eine weitere Gruppe bilden Kirchen, die in bestehende, oft bereits verfallene Bauten ein-

gebaut wurden, die ihren ursprünglichen Zweck verloren hatten und durch diesen Einbau nur

mehr teilweise genutzt wurden. Ein Beispiel dafür ist die Kirche S. Maria in Cannapara, die im

Frühmittelalter in die Basilica Julia eingebaut wurde und nur einen Bruchteil dieses monumen-

talen Baus in Anspruch nahm. Gleiches gilt für S. Giovanni in Campo, eine Kirche, die ebenfalls nur von einem Teil der ansonsten verfallenen Basilica Aemilia Gebrauch machte.

Schließlich sind noch die Kirchenbauten zu erwähnen, die am Rande des Forumsareals er-

richtet wurden und öffentlichen Raum beanspruchten. Die Diakonie der Heiligen Sergius und

Bacchus erhob sich auf einem offenbar vorher noch unbebauten Areal hinter der westlichen Red-

nerbühne. Nie jedoch wurde, soweit bekannt, der eigentliche Forumsplatz für einen Kirchenbau

genutzt. Lediglich am östlichen Abschnitt der Via Sacra, vor und im Bereich des Venus- und Roma-Tempels, wurde unter Leo IV. (847-855) die Kirche S. Maria Nova errichtet, wobei man

nicht nur bislang frei gebliebenen Baugrund in Anspruch nahm, sondern auch den Kirchenbau

und seine Fassade in die Achse der Via Sacra setzte, um eine repräsentative Fernwirkung zu erzielen.

In diesen drei Formen der Einrichtung von Kirchenbauten im Forumsbereich spiegelt sich

auch eine ungefähre zeitliche Entwicklung wider: Die frühesten Kirchenbauten waren die Folge

einer nahtlosen Übernahme architektonischer und funktionaler Gegebenheiten, die mit geringem

Aufwand für den christlichen Kultus adaptiert wurden. Diese Kirchen wurden bezeichnender-

weise zunächst nur in 'profane', also neutrale Gebäude eingebaut424. Das Errichten kleinerer Ka-

pellen in den einstigen Prachtbauten des Forums, der zeitlich wohl später, frühestens im 7. Jh.

anzusetzen ist, impliziert wiederum deren Funktionsverlust und wohl auch teilweise Zerstörung.

Verhältnismäßig spät wurden dann heidnische Tempel in Kirchen verwandelt. Hier existie-

ren allerdings keine verläßlichen Daten, weder für den Saturntempel, noch für den Tempel des

Antoninus und der Faustina. Die Kirchen S. Lorenzo in Miranda und S. Salvatore de State-

ra vereinnahmen die einstigen Cellae der Tempel, eine Vorgehensweise, die sich nicht nur in

Rom beobachten läßt, wie die entsprechenden Materialzusammenstellungen F. W. Deichmanns belegen425

Daß der eigentliche Forumsplatz nie von christlichen Sakralbauten überbaut wird, verwun-

dert. Hier standen Baumaterialien in Hülle und Fülle zur Verfügung, und auch Platz war vor-

handen. Dennoch begnügte man sich mit der Inanspruchnahme der umliegenden älteren Bauten

422 Für C. Cecchelli, SettSpoleto 6, 1958, 95, ist die Beibehaltung der Sitzreihen ein Beleg dafür, daß die Kurie nach wie vor als Sitzungssaal für den Senat diente.

423 Zu den Umbaumaßnahmen s. CBCR II, 254f. 424 M. Greenhalgh, The Survival of Roman Antiquities in the Middle Ages, London 1989, 94f.; L. Homo, Rome

m6cli6vale, Paris 1934, 138. 425 F. W. Deichmann, Frühchristliche Kirchen in antiken Heiligtümern, JdI 54, 1939, 105-136 (mit Nachträgen

wiederabgedruckt in: ders., Rom, Ravenna, Konstantinopel, Naher Osten. Gesammelte Studien zur spätan-tiken Architektur, Kunst und Geschichte, Wiesbaden 1982, 56-94).

72 Rom

als Kirchenbauten und verzichtete auf eine Belegung des Forumsplatzes. Das mag einerseits mit

einem fortdauernden Interesse an der urbanistischen Integrität des Forums als Platzanlage zu-

sammenhängen, anderseits aber auch mit einer bereits erfolgten Sättigung des Forumsbezirks

mit Kirchen. Daß der Grund hierfür nicht in der Abneigung gegenüber dem Forum als Ort ver-

gangener heidnischer Tradition lag, zeigt allein schon die bereitwillige Übernahme heidnischer

Tempel für Kircheneinbauten426. Weder lassen sich in Rom Exorzismen an Tempeln nachweisen,

wie sie im Osten des Reiches mehrfach belegt sind, noch ein gezieltes Abbrechen einstiger heid-

nischer Kultgebäude427. Durch den Einbau von Kirchen wurden nicht nur bereits bestehende

Räumlichkeiten übernommen, sondern auch der gesamte 'repräsentative Apparat' der Profan-

und Tempelbauten, mit dem man auch die Kirchenbauten ausgestattet wissen wollte.

5. Die statuarische Ausstattung des Forum Romanum in der Spätantike

Unser Wissen über die statuarische Ausstattung des spätantiken Forums beruht vornehmlich

auf dem epigraphischen Befund, der gerade ab tetrarchischer Zeit wieder stark ansteigt428. Aus

der frühen und hohen Kaiserzeit sind nur wenige Inschriftenbasen auf dem Forum überliefert;

in severischer Zeit reißt der epigraphische Befund völlig ab429. Erst gegen Ende des 3. Jh. setzte

wieder ein regelrechter Boom ein, was das Aufstellen von Ehren- und Kaiserstatuen betrifft. Dies

mag zum Teil mit den Zerstörungen des Carinusbrands in Zusammenhang stehen, mehr aber

wohl noch mit den im Anschluß hieran unternommenen Umwandlungen des Forumsbereichs

unter den Tetrarchen. Sicherlich entspricht also unser Bild über die Prinzipatszeit, wie es sich

aus dem epigraphischen Befund ergibt, nur bedingt der Realität; andererseits lassen sich für die

spät antike Epoche relativ fundierte Aussagen treffen. Doch gilt es grundsätzlich zu bedenken,

daß das Statuenprogramm des Forums auch in der Spätantike nie starr und unverändert blieb,

sondern stets um Neuzugänge bereichert wurde. Die verschiedenen Katastrophen, die Rom und

das Forum in der Spätantike heimsuchten, der Einfall unter Alarich 410, die Einfälle der Jahre 455 und 472 sowie das Erdbeben des Jahres 442, haben ebenfalls Schäden an der Statuenausstattung

hervorgerufen, wie aus den zahlreichen Wiederherstellungen hervorgeht.

a. Aufstellungsprinzipien

Von der konstantinischen bis zur theodosianischen Dynastie ist für jeden Kaiser mindestens

eine Statue belegt43°. Die Fundorte der zahlreichen spät antiken Inschriftenbasen zeigen, daß sich

manche Bereiche durch eine besonders intensive statuarische Ausstattung auszeichneten:

426 G. Carettoni, StudRom 11, 1963, 407, hält es für möglich, daß auch die Tatsache, daß die Tempel einst heid-nischen Göttern geweiht waren, davon abhielt, hier Kirchen einzubauen. Dies ist wohl eher unwahrscheinlich, bedenkt man die relativ frühe Umwandlung heidnischer Tempel in Kirchen im gesamten römischen Reich: vgl. hierzu F. W. Deichmann, Vom Tempel zur Kirche, in: Mullus, FS Th. Klauser, 1964, 52-9; ders., Frühchrist-liche Kirchen in antiken Heiligtümern (a. 0.).

427 Zu den Tempelzerstörungen s. P. Chuvin, A Chronicle of the Last Pagans, Cambridge / Mass. - London 1990, 59ff.

428 Katalog der spätantiken Inschriftenbasen des Forums im Anhang S. 401ff. 429 Zusammenfassung der Quellen und Inschriften bei Lugli, Roma antica 165ff.

43° S. Anhang S. 401ff.

Das Forum Romanum in der Spätantike 73

Rostra Nachrichten von Statuen auf den Rostra gehen bis in republikanische Zeit zurück431.

Die hohe Ehre, die es für einen Bürger bedeutete, auf den Rostra durch eine Statue geehrt zu

werden, wird von den republikanischen und kaiserzeitlichen Schriftstellern mehrfach hervorgeho-

ben432. Cassius Dio zufolge soll sich der Kampfwagen des Mark Anton vor den Rostra befunden

haben433, und mehrere Autoren erinnern an eine Reiterstatue des Oktavian an diesem celeberrimo

loco fori434. Seit der Neuanlage der Rostra an der Westseite des Forumplatzes in augusteischer

Zeit findet man nur mehr Nachrichten von Statuen der Kaiser und ihrer Verwandten auf der

Rednerbühne435. Dieses Prinzip hielt sich bis in die Spätantike. Auf der Adlocutio-Darstellung

des Konstantinsbogens sind Sitzstatuen des Hadrian und Mark Aurel an den Ecken der Ro-stra zu sehen (Taf. 5.1)43'. In der Historia Augusta wird die Nachricht von einer angeblich 1500

Pfund schweren Silberstatue des Claudius Gothicus auf den Rostra überliefert437. Auch das te-trarchische Fünfsäulenmonument befand sich auf der westlichen Rednerbühne. Eine Inschrift zu

Ehren des Honorius nennt explizit die Rostra als Aufstellungsort438. Nur Stilicho wurde in der Spätantike die Ehre einer Statue auf den Rostra zuteil, obwohl er kein Kaiser war439. Konse-quenter Abschluß dieser Entwicklung war die Umwandlung der Rostra in ein Ehrenmonument,

das wahrscheinlich den Kaisern Leo und Anthemius gewidmet warm.

Vorplatz der Kurie Die Kenntnis über die statuarische Ausstattung des Comitium-Bereichs ist, was die frühe und mittlere Kaiserzeit anbelangt, überaus dürftig441. In republikanischer Zeit wurden hier die Statuen der Heroen der Frühzeit aufgestellt442. Maxentius griff zu Beginn des 4. Jh. diese Idee erneut auf, indem er am Lapis Niger Statuen der Stadtgründer weihen ließ, die er um solche des Mars und seiner selbst ergänzte. Nach dem Sturz des Maxentius wurde dieses Statuenensemble zumindest um dessen Statue verringert. Der gesamte Vorplatz des Senats wurde neu gestaltet und gewann an Eigenständigkeit. Innerhalb dieses Bereichs fanden sich einige Elemente einer vollgültigen Platzgestaltung, so die Portikus vor der Kurie, die an einer Seite einen geraden, repräsentativen Abschluß bildete, dann die Brunnenschale davor, die dem ganzen Ensemble den Charakter eines Atriums verlieh. Im Lauf des 4. Jh. wuchs dem epigraphischen Befund zufolge die Zahl der vor der Kurie aufgestellten Kaiserstatuen weiter an443: Als Rahmen

431 Zusammenfassung bei Lugli, Roma antica 144-147. 432 Plin., nat. 34, 23f. vgl. auch Cicero, Deiot. 34 u. Phil. 9. 2, 5ff.; Dion. Hal. 1, 87. Lahusen, Untersuchungen

14ff. u. 97ff. 433 Cass. Dio 49. 18, 6. 434 Appian, bell. civ. 3. 51; Cass. Dio 46. 29, 2; Velleius Pat. 2, 61; Tacitus, ann. 4, 67. 435 Lahusen, Untersuchungen 17. CIL VI, 457 u. 458 (Augustus); CIL VI, 198 u. 200 (Vespasian). Die genannten

Inschriftenbasen fanden sich in unmittelbarer Nähe der Rostra, was auf den einstigen Aufstellungsort schließen läßt. Eine bedeutende Ausnahme, die die Regel zu bestätigen scheint, bildet die Reiterstatue (!), die dem Stadtpräfekten Volusius Saturninus proxime rostra errichtet wurde.

436 Wann die Statuen der beiden Kaiser aufgestellt wurden, ist nicht sicher: Lahusen, Untersuchungen 17, ver-mutet ein konstantinisches Aufstellungsdatum.

437 HA, Claud. 3, 5. 438 CIL VI, 1195. 439 CIL VI, 1731. Dies wird ausdrücklich in der Inschrift erwähnt. 440 S. 0. S. 25. 441 Herod. 1. 14, 9 berichtet von einem Bildnis des Commodus als Herakles. 442 Lahusen, Untersuchungen 12f. 443 Lugli, Roma antica 126-130.

74 Rom

dieses Vorplatzes begegneten Standbilder von Kaisern der konstantinischen Dynastie, später

errichtete man ein Monument der Kaiser der theodosianischen Dynastie, das Valentinian II.,

Theodosius I. und Arkadius zeigte.

Via Sacra Der Ausbau des Via-Sacra-Abschnitts östlich des Forums in der Regierungszeit des

Maxentius und Konstantin wurde von der Errichtung zahlreicher Kaiserstatuen begleitet. Man

fand Inschriftenbasen der Kaiser Maximian, Maxentius, Konstantius II., dann der Mutter Theo-

dosius' I., und des ostgotischen Königs Theoderich444. Der Befund deutet darauf hin, daß auch

hier in großer Dichte Kaiserstatuen und solche der Angehörigen des Kaiserhauses aufgestellt

wurden.

Reiterstandbilder445 Eine eigene Betrachtung erfordern die Reiterstandbilder der römischen

Kaiser auf dem Forum Romanum. Reiterstandbilder auf dem Forum besitzen eine Tradition, die

bis ins 4. Jh. v. Chr. zurückreicht446. Die Nachrichten von Reiterstatuen aus republikanischer Zeit

zeigen, daß diese Ehrung meist erfolgreichen Feldherren zuteil wurde, so etwa Sulla, Pompeius,

Caesar, L. Antonius, Lepidus und Oktavian447. Seit Augustus sollte das Forum bis auf wenige

Ausnahmen der statuarischen Repräsentation des Kaisers vorbehalten bleiben448, wobei als Auf-

stellungsort der Reiterstandbilder zunächst die Rostra erwähnt werden. Erst im Jahre 91 n. Chr.

wurde dem Kaiser Domitian aus Anlaß seiner Feldzüge in Germanien ein kolossales Reiterstand-

bild inmitten des Forumsplatzes gestiftet449. Der Equus Domitiani stellt den ersten Versuch eines

Kaisers dar, sich in Form einer Reiterstatue im Zentrum des Forumsplatzes ein Denkmal zu schaf-

fen. Daß diese 91 n. Chr. errichtete Statue des Domitian nach dessen Tod wieder entfernt wurde,

mag nicht nur an der damnatio memoriae gelegen haben, der dieser Kaiser verfiel, sondern auch an den kolossalen Dimensionen des Standbilds, das ca. 8 m hoch und dessen Sockel ca. 12-13 m

lang war, und das damit einen erheblichen Störfaktor im Forum Romanum darstellte. Eine ver-

gleichbar zentrale Lage muß auch das Reiterstandbild des Septimius Severus besessen haben45°.

Anders hingegen die beiden Reiterstandbilder des Konstantin und seines Sohnes Konstantius II., die mit hoher Wahrscheinlichkeit seitlich des Severusbogens lokalisiert werden können. Die Folgerung, daß sich die spätantiken Reiterstandbilder wie ihre kaiserzeitlichen Vorgänger auf der

Platzmitte befunden haben, trifft nicht zu. Statt der zentralen Position auf dem Forumsplatz

wurde offensichtlich ein Standort an der Straße bzw. an einem Tordurchgang erstrebt.

444 Maximian: Klio 2, 1902, 243 Nr. 25; Maxentius: CIL VI, 36949; Konstantius II.: CIL VI, 31397; Mutter Theodosius' I.: CIL VI, 36960; Theoderich CIL VI, 1795.

445 E. Babut, Les statues equestres du Forum, MEFR 20, 1900, 209-222; Giuliani / Verduchi 122. Allg.: J. Bergemann, Römische Reiterstatuen, Mainz 1990.

446 Bergemann, a. 0. Kat. L9-10. 447 Bergemann, a. 0. Kat. L19-21, L23-25. 448 Isoliert stehen die Reiterstatuen des Senators L. Volusius Saturninus aus dem Jahr 56 n. Chr. sowie eines

Unbekannten, die sich beide bei der westlichen Rednerbühne befanden: Bergemann, a. 0. Kat. E2-3. vgl. ibid. 41. Pekäry 49 u. 86: Daraus ist ersichtlich, daß weder Reiterstatuen noch die Aufstellung von Statuen an so wichtigen Stellen kaiserliche Reservatrechte dai•stellten.

449 Bergemann, a. 0. 164ff. Kat. L31. Zur beherrschenden Position des Pferdes auf dem Forum Romanum vgl. P. Zanker, Forum Romanum. Die Neugestaltung durch Augustus, Tübingen 1972, 26 u. 50; Th. Kraus, RM 81, 1974, 121ff.

450 Bergemann, a. 0. 166f. Kat. L34.

Das Forum Romanum in der Spätantike 75

b. Statuen von Magistraten und Privatleuten

Es dürfte bereits deutlich geworden sein, daß sich die spätantiken statuarischen Ehrungen immer mehr auf die Person des Kaisers konzentrierten. Gegenüber der Fülle an überlieferten Kaisersta-tuen im Forumsbereich sind die Hinweise auf Standbilder von Magistraten spärlich. Bereits seit Augustus und seiner Forumsneugestaltung waren öffentliche Ehrungen durch das Setzen einer Statue auf dem Forum dem Kaiserhaus und allerhöchsten Würdenträgern vorbehalten451. Doch lassen sich für die Spät antike auch Ausnahmen feststellen. Vor der Kurie fand sich das Frag-ment einer Inschriftenbasis des Clodius Octavianus, des Prokonsuls der Provinz Africa im Jahre 363452, und im Bereich der Rostra und der Basilica Iulia mehrere Statuenbasen des Stilicho453. Nicht sicher ist, ob sich auf dem Forum auch Stadtpräfektenstatuen befanden. Sub Capitolio wurde die Statuenbasis des L. Aurelius Avianus Symmachus Phosphorius gefunden, deren In-schrift besagt, daß Symmachus (der Vater des Symmachus) in Konstantinopel und Rom eine goldene Statue erhielt. Symmachus war bereits 364-365 Stadtpräfekt gewesen und bekleidete im Jahre 377, dem Zeitpunkt der Errichtung der Statue, das Konsulat. Problematisch bleibt allerdings die ungenaue Fundortangabe; Chastagnol vermutet das Trajansforum oder die Kurie als Aufstellungsort454. Zuverlässig erscheint der Fundort der Inschriftenbasis des Vettius Agorius Praetextatus, der im Jahre 367-8 die Präfektur innehatte455. Die bei der Phokassäule gefundene Basis deutet darauf hin, daß die Statue des Praetextatus im Westabschnitt des Forums Auf-stellung fand, ja vielleicht sogar bei der Porticus Deorum Consentium, für deren Wiederaufbau Praetextatus verantwortlich war. Die Vermutung, Gabinius Vettius Probianus, der praefectus urbi des Jahres 416, habe Statuen auf dem Forum besessen, ist nicht belegt. Die in Frage kom-menden Inschriftenbasen sprechen nur von Statuen, die Gabinius in der Basilica Julia aufstellen ließ456. Dabei handelte es sich sicher nicht um Standbilder dieses Stadtpräfekten, sondern wohl um ältere Bildwerke.

Der Befund ist eindeutig: es lassen sich kaum Statuen von hohen Magistraten oder Stadt-präfekten dem Forumsbereich zuweisen; als einzige Ausnahme möchte man die des Praetextatus ansehen, der sich um den Wiederaufbau der Zwölfgötterportikus verdient machte. Selbst die Statue des Prokonsuls von Afrika des Jahres 363 steht so isoliert, daß man vermuten muß, der Block sei vom Trajansforum zur Kurie gewandert. Erst Stilicho erhielt als überaus verdienter magister militum mehrfach statuarische Ehren im Westbereich des Forums. Gleiches gilt für die Statue des Aetius, die 437/446 wohl in der Kurie errichtet wurde.

451 Lahusen, Untersuchungen 18-22. Überblick über die Statuenausstattung des Forums während der Republik bei Lugli, Roma antica 103-107.

452 CIL VI, 37124. 453 CIL VI, 1730 (FO: Severusbogen); CIL VI, 1731 (StO: in rostris); CIL VI, 3868 = 31988 (FO: Basilica Iulia);

CIL VI, 3868 (FO: Basilica Iulia). Letztere zwei Inschriften sind nicht sicher auf Stilicho zu beziehen, da fragmentiert.

454 Chastagnol, PrAfecture 366 Anm. 8. 455 CIL 1779a (FO: in Foro Romano, parte orientem et septentrionem versus sita ponem columnam Phocae,

1874). 456 CIL VI, 1658c u. d.

76 Rom

c. Die Stifter

Noch in tetrarchischer und frühkonstantinischer Zeit begegneten die verschiedensten Ämter und

Institutionen als Stifter einer Statue, etwa Prokonsuln, rationales und Prätorianerpräfekten; ja

auch der curator aquarum und ein Tribun der städtischen Kohorten X, XI, XII und des Forum

Suarium bewiesen ihre Loyalität zum Kaiser durch die Stiftung von Statuen der regierenden

Herrscher457. Seit 331 aber wurde keine Statue im Forumsbereich mehr nicht vom Stadtpräfekten

aufgestellt458.

Mehrfach läßt sich beobachten, daß ein Stadtpräfekt mehrere Kaiserstatuen auf dem Forum

Romanum aufstellen ließ. Der Stadtpräfekt des Jahres 357-9, Memmius Vitrasius Orfitus, stif-

tete mindestens drei Statuen des Kaisers Konstantius II. und eine, vielleicht zwei, des Caesars

Julian459. Die Fundorte der Inschriften weisen deutlich in den Bereich vor der Kurie bzw. in

den Westabschnitt des Forums, wo der Stadtpräfekt offensichtlich den Kaiser und seinen Caesar

mehrfach durch Statuen ehrte. Eine vergleichbare Systematik hinsichtlich der Kaiserehrung liegt

auch den Stiftungen des Ceionius Rufius Volusianus zugrunde. Volusianus machte sich während

seiner zweiten Präfektur im Jahre 365-6 um die Ehrung des valentinianischen Kaiserhauses ver-

dient. Von ihm fanden sich im Bereich zwischen Kurie und Severusbogen Inschriftenbasen für

Valentinian I. und Valens46°. Ceionius Rufius Albinus, der Präfekt des Jahres 389-91, ließ die

Kaiser Theodosius, Valentinian II. und Arkadius statuarisch ehren461. Eine weitere Inschriftenta-

fel ehrte Thermantia, die Mutter Theodosius' I., wobei unklar ist, ob hier überhaupt eine Statue

errichtet wurde462 .

457 Amt des Stifters Prokonsul rationalis rationalis rationalis Praef. Praet Praef. Praet. rationalis curator aquarum tribun. coh. urb. X, XI, XII et Fori Suari

Adressat Maximian Maximian Konstantius I. Konstantius I. Maxentius Maxentius Konstantin Konstantin Konstantin

CIL-Nummer VI, 1125 VI, 36946 VI, 1132 VI, 1133 VI, 36949 unpubl. (Inst. Neg. 66 184) VI, 36952 VI, 36951 VI, 1156a

458 Chastagnol, Prdecture 364. 459 Konstantius II.: CIL VI, 1161 (FO: beim Severusbogen, 1803). CIL VI, 1162abc (FO: beim Severusbogen,

1833 (c), zwischen dem Severusbogen und der Phokassäule, 1835 (a), FO von b unbek.). CIL VI, 31395 (FO: zwischen Comitium und Argiletum 1885). Caesar Julian: CIL VI, 1168 (FO: Forum). C. Hülsen, RM 17, 1902, 33 (FO: vor der Kurie). Letztere Inschrift unsicher.

460 Valentinian I.: CIL VI, 36955 (FO: im Portal von S. Adriano verbaut). Valens: CIL VI, 1174 (FO: zw. S. Adriano und Severusbogen). Ähnlich planmäßig ging Volusianus auch in den Caracallathermen vor, in denen die von ihm gestiftete Statuen der Kaiser Valentinian I. (CIL VI, 1171 u. 1173) und Valens (CIL VI, 1172) zu sehen waren.

461 Theodosius: CIL VI, 36959 (FO: vor S. Adriano). Valentinian II.: CIL VI, 3791a = 31413 (FO: stand beim Severusbogen). Arkadius: CIL VI, 3791b = 31414 (FO: bei der Phokassäule). R. Lanciani in: G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 222ff., ders., Ruins and Excavations 259; Lugli, Roma antica 127; Stichel 83 Kat. 49. H. v. Heintze, RM 91, 1984, 415, äußert die Vermutung, daß der spätantike Kaiserkopf aus Tivoli einst Bestandteil dieses Denkmals war.

462 CIL VI, 36960 (FO: Clivus Palatinus).

Das Forum Romanum in der Spätantike 77

d. Maßnahmen zur Erhaltung der Statuenausstattung

Darüberhinaus läßt sich beobachten, daß im 4. und 5. Jh. auch der Stadtpräfekt Konservie-rungsmaßnahmen ergriff und dabei ähnlich planvoll vorging, wie es bereits für die Kaiserstatuen festzustellen war. Drei Stadtpräfekten, Fabius Titianus, der Stadtpräfekt des Jahres 339-41, Gabinius Vettius Probianus, der seine Präfektur höchstwahrscheinlich 416 innehatte, und Pe-tronius Maximus, der spätere Augustus des Jahres 455, sorgten nach Ausweis der auf dem Fo-rum gefundenen Inschriftenbasen für die überkommene statuarische Ausstattung, für Bildwerke, Kunstwerke, vielleicht aber auch für Statuen früherer Kaiser463.

Die von Fabius Titianus gestiftete Wiederaufstellung bzw. Konservierung von Bildwerken erstreckte sich von der Basilica Aemilia bis mindestens zum sog. `Romulustempel'464. Innerhalb dieses Abschnitts der Via Sacra fanden sich insgesamt fünf Inschriftenbasen, die, z. T. in si-tu, jeweils die stereotype Formel Fabius Titianus vir clarissimus consul praefectus urbi curavit tragen (Taf. 16.1)4°5. Angesichts des frühen Datums dieser Inschriftenbasen mag man auch an Neuaufstellungen von älteren Statuen bzw. Bildwerken denken466. Für großangelegte Wiederher-stellungen existierte noch kein konkreter Grund, sieht man einmal vom 'Zahn der Zeit' ab. Zwei vor dem Tempel des Antoninus und der Faustina gefundene Inschriftenbasen mit dem Namen des Gabinius Vettius Probianus nennen als Ursache für die Zerstörung der darauf befindlichen Bild-werke eine fatalis necessitas467 . Damit könnte zwar auch eine Naturkatastrophe oder ein Brand gemeint sein, wahrscheinlicher jedoch die Eroberung Roms durch Alarich 410468. Der Name des Gabinius wurde auf insgesamt neun Basen gefunden469. Ein erster Formulierungstyp, der dreimal begegnet, besagt, daß Gabinius statuam conlocari praecepit quae ornamento basilicae esse possit inlustri. Ein zweiter Typ erwähnt, daß der Stadtpräfekt statuam quae Basilicae Iuliae a se no-viter reparatae ornamento esset adiecit. Ein dritter Typus teilt mit, daß Gabinius statuam fatali necessitate conlabsam celeberrimo urbis loco adhibita diligentia reparavit (Taf. 16.0470. Schließlich begegnet noch die Formulierung Gabinius Vettius Probianus v(ir) c(larissimus) praef(ectus) ur-bi provisis statuis471. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Gabinius Vettius Probianus im großen Stil die Wiederherstellung der zerstörten bzw. gestürzten Bildwerke im Forumsbe-reich vorantrieb. Daß es sich wahrscheinlich um ältere Statuen und nicht um Statuen aktueller

463 Vgl. auch R. Lanciani, Forum Romanum, Rom 1910, llf. 464 Vgl. Lanciani, Destruction 34. 465 CIL VI, 1653 (FO: beim `Romulustemper); CIL VI, 31879 (FO: vor dem `Romulustempel'); CIL VI, 31880

(FO: vor dem `Romulustempel'); CIL VI, 37107 (FO: vor der Basilica Aemilia); CIL VI, 37108 (FO: im Bereich des `Romulustempels').

466 Daß es sich dabei um Basen von Statuen aus Tempeln handelte, wie es J. F. Merriman, Aristocratic and Imperial Patronage of the Decorative Arts in Rome and Constantinople, A.D. 337-395, Diss. Univ. of Illinois 1975, 251ff., vermutet, ist unwahrscheinlich: s. auch u. S. 312ff.

467 CIL VI, 3864a = 31883 u. 3864b = 31884. 468 Daß mit diesem Ausdruck der allmähliche Verfall by the accident of history gemeint ist — so Ward-Perkins

43 —, ist wohl unwahrscheinlich angesichts der großen Gruppe der von Gabinius wiederaufgestellten Statuen. 469 C. Hülsen, RM 17, 1902, 54. 470 Lugli vermutete, daß mit dem celeberrimus urbis locus der Bereich der Rostra gemeint sein müsse: Lugli,

Roma antica 170. vgl. Bergemann, Reiterstatuen (a. 0.) 17-19. Die Fundorte der Inschriften wie auch die Formulierung celeberrimus urbis locus lassen jedoch vermuten, daß das Forum in seiner Gesamtheit gemeint ist.

471 CIL VI, 1658e (FO: S. Clemente).

78 Rom

Persönlichkeiten handelte, in jedem Fall aber um bekannte Bildwerke, zeigt die fehlende Nen-

nung des Objekts in all diesen Inschriften472. Noch eine weitere solche Fürsorgemaßnahme ist

bekannt. Petronius Maximus bekleidete, bevor er 455 für kurze Zeit Kaiser des Westens wur-

de, zweimal das Amt des Stadtpräfekten und einmal das Konsulat473. Es erhielten sich mehrere

Inschriftenbasen mit seinem Namen, die wohl zu einer Galerie von Standbildern gehörten, die

er am Forum anlegen ließ474. Diese Statuenreihe erstreckte sich nach den Fundorten der ent-

sprechenden Inschriftenbasen entlang der Via Sacra an der Nordseite des Forumsplatzes vor der

Basilica Aemilia475. Drei, vielleicht vier Inschriftenbasen erwähnen jeweils in einer stereotypen

Formel den Namen des späteren Kaisers und das Verb curavit, ohne eine Objektsbezeichnung zu

geben (Taf. 16.3)476 . Da Petronius Maximus den Inschriften zufolge bereits zum zweitenmal die

Präfektur innehatte (iterum praefectus urbi), muß die Anlage der Statuengalerie in den Jahren

421/433 erfolgt sein. Zum ersten Mal war Petronius im Jahre 421 Stadtpräfekt, zum zweiten Mal

in der Zeit bis 433, ohne daß ein genaueres Datum bekannt wäre. Interessanterweise sind zwei

Inschriftenblöcke wiederverwendet, einer stammt ursprünglich aus dem Jahre 242, der andere

war einst Kaiser Valens gewidmet. Auf den Einfall des Geiserich im Jahre 455 ist möglicher-

weise eine Inschrift des Stadtpräfekten Castalius Innocentius Audax zu beziehen, die sich bei S.

Maria Nova fand, also im Bereich der Via Sacra477. Sie spricht von der Wiederherstellung eines

nicht genannten Objekts, das durch eine barbarica incursio niederfiel. Bereits erwähnt wurde die

Inschrift, die an die Wiederherstellung des 472 beschädigten Minervastandbilds bei der Kurie

erinnert478. Noch eine weitere Inschrift ist in diesem Zusammenhang anzuführen. Sie befindet sich im

Lapidarium des Forums, wurde also aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Forumsbereich ge-

funden479:

Fl(avius) Macrobius Pl[otinus] 1 [E]ustathius, v(ir) [c(larissimus) ...] I ... 1 [ex ab]strusis

lo [cis ...] [...] AEN [...] .

472 So bereits G.B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7; H. Brandenburg in: Migratio et Commutatio. Studien zur Alten Geschichte und deren Nachleben (= FS Th. Pekäry), St. Katharinen 1989, 239.

473 Zum cursus honorum des Petronius Maximus s. L. Cantarelli, BullCom 16, 1888, 47-60; Chastagnol, Fastes 281ff.

474 G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 229f. CIL VI, 37109 (FO: in der Basilica Aemilia vermauert); CIL VI, 37110 (FO: Basilica Aemilia); CIL VI, 36956 (FO: Basilica Aemilia). Hinzuzuzählen ist vielleicht noch eine vierte Basis: Ein vierter ganz ähnlicher Cippus ist so gründlich ausradiert, dass auch nicht ein Buchstabe mehr sicher zu erkennen ist (C. Hülsen, Klio 2, 1902, 266).

475 G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 229f. 476 CIL VI, 37109 (Inschrift auf radiertem Grund); CIL VI, 37110 (an den Seiten Inschriften, deren eine ins Jahr

242 datiert werden kann); CIL VI, 36956 (ursprünglich dem Valens geweiht). Zu einem eventuellen vierten Block vgl. C. Hülsen, Klio 2, 1902, 266.

477 CIL VI, 1663 (FO: vor S. Maria Nova). G.B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 8; Lanciani, Destruction 36; L. Cantarelli, BullCom 16, 1888, 202; C. Hülsen RM 10, 1895, 62. In der PLRE II, 184f. (Audax 3) wird er als PUR d. J. 474-5 aufgeführt, doch beruht diese Datierung auf einer nicht gesicherten Gleichsetzung dieses Audax mit einem anderen Audax, der in einer Inschrift erwähnt wird, die in die Zeit des J. Nepos (474-480) zu datieren ist (CIL III, 6335 = XV, 7110a-e = ILS 814). Auch Dessau I, p. 180, ist sich nicht sicher, ob die beiden Personen gleichzusetzen sind.

478 CIL VI, 526. G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 8; A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 33f.

479 S. Panciera in: Epigrafia e ordine senatorio 1 (= Tituli 4), Rom 1982, 658-660 zu Nr. 38.

Das Forum Romanum in der Spätantike 79

Der Editor, S. Panciera, nahm diese Inschrift zum Anlaß, auf eine Gruppe weiterer spätantiker Inschriften hinzuweisen, in denen von der Verlegung von Bildwerken die Rede ist48°.

Denn die Inschrift erwähnt die Verlegung eines Bildwerks ex abstrusis locis, um es der Öffent-lichkeit zugänglich zumachen. Als Aufstellungsort wählte man das frequentierte Forum. Der Stifter war Fl. Macrobius Plotinus Eustathius, Sohn des Verfassers der `Saturnalien' und Stadt-präfekt zwischen 457 und 472481. Zu einer Zeit als Rom wiederholt Opfer von Einfällen und das Forum mit seinen ehernen Standbilder Opfer von Plünderungen war, begann man aus ent-legeneren Orten der Stadt Bildwerke aufs Forum zu verlagern, um die verlorene statuarische Ausstattung zu ersetzen482 .

480 Beispiele bei G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7, und S. Panciera, a. 0. 659 Anm. 400. H. Brandenburg, Die Umsetzung von Statuen in der Spätantike, in: Migratio et Commutatio. Studien zur Alten Geschichte und deren Nachleben (= FS Th. Pekäry), St. Katharinen 1989, 235-246.

481 Zur Person s. PLRE II, 436 (Eustathius 13). Skeptischer verhält sich in der Zuweisung Panciera, der auch Fl. Macrobius Ambrosius Theodosius, den Autor der Saturnalien, PP 430 (PLRE II, 1102f. (Theodosius 20)) und Fl. Macrobius Plotinus Eudoxius, Konsul 485, Enkel des Autors Macrobius und Hg. des Kommentars (PLRE II, 413 (Eudoxius 7)) in Erwägung zieht. Keiner von beiden war jedoch Stadtpräfekt; und so fallen die beiden wohl als Kandidaten aus.

482 Deutung in diesem Sinne bereits bei G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7.

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II. Die Kaiserfora Roms in der Spätantike

Verglichen mit dem Forum Romanum waren die benachbarten Kaiserfora (Abb. 34) keine solch

geschichtsträchtigen Organismen, sondern einheitliche architektonische Räume, deren Ausstat-

tung auf die Verherrlichung eines bestimmten Kaisers ausgerichtet war. Wie wurde mit diesen

Anlagen in der Spätantike verfahren?

1. Das Caesarforum

Das Caesarforum wurde wahrscheinlich bereits 54 v. Chr. geplant'. 46 v. Chr. erfolgte die Einwei-

hung des Tempels der Venus Genetrix und des Forums'. Ergebnis war eine Platzanlage von etwa

160 m x 75 m, deren nordwestliche Schmalseite der Tempel besetzte und deren Längsseiten von Portiken vereinnahmt wurden. Unter Domitian wurde das Caesarforum weitgehend neu errich-

tet, wie auch der archäologische Befund zeigt3. Trajan setzte die Bauarbeiten fort und weihte die

Anlage 113 n. Chr. neu ein''. Die Platzanlage diente der Abhaltung öffentlicher Geschäfte und der

Rechtsprechung; außerdem traf sich der Senat auf dem Caesarforum5. Vor dem Tempel befanden

sich die Rostra des Caesarforums; also wurde der Platz auch als Rahmen für die Auftritte von

Rednern genutzt. Die Basilica Argentaria diente spätestens ab dem 3. Jh. als Schulraum6.

Schließlich war das Caesarforum auch Monument der Verherrlichung des Diktators. Es feierte seine Siege in Gallien und Eroberungen im Osten und Westen — ein Reiterstandbild Caesars nahm die Platzmitte ein. Zudem aber glorifizierte der Tempel Venus als Stammherrin der Gens Iulia.

a. Spätantike Baugeschichte

Zwei jüngere Untersuchungen zum Caesarforum belegen, daß diese Platzanlage auch in der

Spätantike mehrfach umgebaut wurde (Abb. 35)7 . Ausgangspunkt für die spätantiken Baumaß-

Anderson, Topography 39ff. 2 Sueton, Caes. 26. 3 G. Fiorani, Problemi architettonici del Foro di Cesare, in: Studi di topografia romana (= Quaderni dell'istituto

di topografia antica della Università di Roma 5), Rom 1968, 91-103, hier 93 u. 97; H. Bloch, I bolli laterizi e la storia edilizia romana, Rom 1947, 61-7; Amici, Foro di Cesare 65ff.

4 R. Paribeni, NSc 1932, 201; Amici, Foro di Cesare 75ff.

5 Livius, Per. 116; Appian, bell. civ. 2, 102; Sueton, Caes. 78, 1; Cass. Dio 44. 8, 1-2.

6 Der Name des ludi magister Q. Caecilius Epirota ist auf der Westwand der Basilica Argentaria eingeritzt: M. Della Corte, BullCom 61, 1933, 111; Fiorani, Problemi (a. 0.) 102. Aus der Kaiserzeit stammt eine Inschrift, die den Usus, auf dem Caesarforum Gedichte zu deklamieren, belegt: CIL VI, 33960.

7 C. Morselli / E. Tortorici, Nei Fori di Cesare e di Nerva, Archeo 48, 1989, 60-65; Amici, Foro di Cesare bes. 143ff.

82 Rom

nahmen war der Brand 283 n. Chr., der auch Teile des Caesarforums zerstörte'. Der Chronograph

des Jahres 354 berichtet, daß Diokletian und Maximian die Anlage wiederherstellten':

Unter diesen Kaisern (Diokletian und Maximian) wurden viele öffentliche Bauwerke

(wieder-)hergestellt: Der Senat, das Caesarforum, die Basilica Julia .

Darüber hinaus ist aber auch davon auszugehen, daß die Anlage 410 n. Chr. Schaden nahm,

daß also nicht alle spätantiken Wiederaufbaumaßnahmen auf den Carinusbrand zu beziehen

sind. Die spät antiken Baumaßnahmen erstreckten sich auf folgende Bereiche: Die südliche Por-

tikus des Forums wurde neu errichtet, wie die etwas kleineren Säulen aus rotem bzw. grauem

Granit zeigen (Taf. 17.2). Diese standen auf quadratischen Marmorplinthen und trugen korinthi-

sche Spolienkapitelle aus domitianischer Zeit, deren Provenienz unbekannt istm. Dabei blieben

die Standorte der Säulen die gleichen, wie die Abdrücke der Basen der vormaligen Portikus

beweisen». Auf der Höhe der Fassade des Tempels der Venus Genetrix wurde als Querriegel

über das Forum eine Ziegelmauer errichtet, die die Frontsäulen des Tempels inkorporierte und

sich jeweils bis zu den Portiken fortsetzte. Bogendurchgänge sicherten den Zugang zu den hin-

ter dem Tempel gelegenen Räumlichkeiten (Abb. 36)12. Die Basilica Argentaria wurde unter den

Tetrarchen umgebaut und verstärk-03. Auch der unmittelbar hinter der Kurie gelegene Bereich

des Caesarforums wurde in der Spät antike umgebaut (Abb. 37-39). Bemerkenswert ist, daß hier

die mittlere Säulenreihe der Doppelportikus fehlte, so daß ein eigener Hof hinter der Kurie ent-

stand'''. Auch die östliche Außenmauer des Caesarforums datiert spätantikm. Hier wurde als

Abschluß zum Argiletum in tetrarchischer Zeit eine Ziegelmauer errichtet, die zwei Zugänge

zur Ostportikus des Caesarforums aussparte. Der an der Kurie gelegene Eingang erhielt eine

Rahmung aus Säulen und Architrav. Das Gebälk, auf dem eine Widmung an den Genius des Se-

nats zu lesen war, ist wiederverwendet, wie die im Vergleich zum Säulendurchmesser zu schmale

Auflagefläche zeigt16 .

Wenn auch das tetrarchische Datum für die abschließende Ostwand plausibel erscheint, dürf-

ten die übrigen Baumaßnahmen — entgegen Amicis Annahme — erst später erfolgt sein''. In erster Linie betrifft dies die unmittelbar hinter der Kurie gelegene doppelte Portikus des Caesarforums,

die in einen Säulenhof umgewandelt wurde, sowie die Wiederaufrichtung der Südportikus des

8 Chronogr. d. J. 354, 146. 9 Chronogr. d. J. 354, 148: His imperatoribus (Diokletian und Maximian) multae operae publicae fabricatae

sunt: senatum, forum Caesaris, basilica Julia 10 Amici, Foro di Cesare 145. 11 Fiorani, Problemi (a. 0.) 91 (Abb. 6f.).

12 Amici, Foro di Cesare 153f. (Abb. 301); RE VII Al (1939) 402 Nr. 46 s. v. Triumphbogen (H. Kähler). 13 Amici, Foro di Cesare 101ff. u. 1491T. 14 Amici, Foro di Cesare 146f. 15 C. Morselli / E. Tortorici in: Archeologia Laziale 9, 1988, 51; C. Morselli / E. Tortorici in: Curia, Forum

Iulium, Forum Transitorium, 216 u. 253; Anderson, Topography 123 (Abb. 24). Tetrarchische Datierung auch bei H. Bauer, RM 84, 1977, 302f.

16 Amici, Foro di Cesare 146. 17 Das Problem in den Ausführungen Amicis besteht in den mangelnden Indizien für eine tetrarchische Datie-

rung, unter der alle spät antiken Bau- und Ausbesserungsmaßnahmen subsumiert werden. Als Datierungskri-terien werden lediglich so fragwürdige Argumente wie der Vergleich des Ziegelmauerwerks mit dem der Kurie genannt (Amici, Foro di Cesare 145).

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 83

Caesarforums, deren Säulen auf jenen charakteristischen würfelförmigen Basen stehen. Morselli und Tortorici verbinden diese Umwandlungen mit dem Einfall unter Alarich im Jahre 410 oder aber mit einer stark fragmentierten Bauinschrift, die den Namen des Virius Nicomachus Flavia-nus erkennen läßt18. Flavianus war dreimal Stadtpräfekt — in den Jahren 392-4, 399-400 und 408. Vielleicht ist aber auch der Stadtpräfekt d. J. 417-8, Rufius Antonius Agrypnius Volusianus, mit den Wiederaufbaumaßnahmen an der Südportikus in Verbindung zu bringen. Eine der beiden Inschriften, die Baumaßnahmen bzw. Wiederherstellungen nennen, erwähnt ausdrücklich eine Portikus, die andere den Namen dieses Praefectus urbi19 . Zudem ist zu erwägen, ob die Inschrif-tenbasis der Statue des Kaisers Arkadius vielleicht im Zuge der Wiederherstellungsarbeiten am Caesarforum aufgestellt wurde2°.

Daß die Spätdatierung der Wiederaufrichtung der Südportikus des Caesarforums die wahr-scheinlichere ist, zeigt der Vergleich mit der spätantiken Portikus an der Basilica Aemilia, de-ren Säulen ebenfalls auf jenen würfelförmigen Basen stehen (Taf. 9.3). Diese können mit den Verwüstungen durch Alarich in Zusammenhang gebracht werden. Zerstörungen des Jahres 410 und anschließende Ausbesserungen sind auch für die Kurie und das Secretarium Senatus epigra-phisch bezeugt21. Auch die Datierung der Ziegelbögen zu seiten des Pronaos, die einen durch-gehenden Riegel quer über das Caesarforum bildeten, blieb nicht unbestritten22 . Da die Ziegel-mauer jedoch in die spätantike Portikus einbindet, kann diese Baumaßnahme nur gleichzeitig oder später, also wohl ins 5. Jh. datiert werden.

b. Statuarische Ausstattung in der Spätantike

Weder für die Prinzipatszeit, noch für die Spätantike ist der Befund an Inschriftenbasen groß23. Aus dem 4. und 5. Jh. sind überhaupt nur zwei Statuenweihungen bekannt, eine Statue des Arka-dius und eine der Galla Placidia24. Hinweise auf magistratische Repräsentation im Caesarforum fehlen völlig. Dieser geringe Umfang des epigraphischen Befunds des Caesarforums ist wohl zum

18 C. Morselli / E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium, 253. Mehrere Forscher interpretieren die Säulen der Südportikus des Caesarforums und den damit verbundenen Wiederaufbau dieses Abschnitts der Platzanlage als Baumaßnahme des endenden 4. Jh. bzw. des beginnenden 5. Jh.: C. Ricci, Capitolium 8, 1932, 379; R. Thomsen, Acta Instituti Romani Regni Sueciae 5, 1941, 198; G. Lugli, Itinerario di Roma Antica, Rom 1975, 333f.; Fiorani, Problemi (a. 0.) 99f. Fiorani denkt sogar an einen Zusammenhang mit dem Einfall unter Alarich. Inschrift des Virius Nicomachus Flavianus: R. Paribeni, NSc 1933, 452 Nr. 50 = P. Sabbatini Tumolesi / C. A. Vicard in: Epigrafia e ordine senatorio 1 (= Tituli 4), Rom 1982, 652-5 Nr. 35: ...BAS.. ...MAR... I [Virio Nicoma]cho Fla[viano] . Zur Person des Flavianus s. PLRE I, 345ff. (Flavianus 14). Sabbatini Tumolesi und Vicard vermuten nicht ohne Grund, daß diese Inschrift mit dem Secretarium Senatus zu tun haben könnte: Die Reparationsinschrift des Secretarium Senatus erwähnt ja, daß Flavianus es einrichtete: CIL VI, 1718 = ILS 5522 (s. o. S. llf.).

19 R. Paribeni, NSc 1933, 446 Nr. 18; Lugli, Fontes 16, 86 Nr. 482. R. Paribeni, NSc 1933, 445 Nr. 16; Lugli, Fontes 16, 86f. Nr. 484. Zur Person des Rufius Antonius Agrypnius Volusianus s. Chastagnol, Fastes 276-9. PLRE II, 1184f. (Volusianus 6).

20 R. Paribeni, NSc 1933, 434 Nr. 7; AE 1934, 147; Lugli, Fontes 16, 5 Nr. 32; Stichel 93 Kat. 83. 21 CIL VI, 1718 = ILS 5522; CIL VI, 37128 in der Lesung Chastagnols, PrAfecture 269ff. Dieser Befund bewegt

Morselli und Tortorici zur Annahme, das Atrium Minervae bzw. das Secretarium Senatus hätte sich in den an die Kurie anschließenden Portiken des Caesarforums befinden können (C. Morselli / E. Tortorici, Archeologia Laziale 9, 1988, 51.). Vgl. hierzu S. 11 u. 14.

22 Anderson vertrat als Datierung die tetrarchische oder konstantinische Zeit: Anderson, Topography 62 u. 123. 23 Lugli, Fontes 16, 5f. Nr. 27-29. Lahusen, Untersuchungen 22. 24 R. Paribeni, NSc 1933, 436 Nr.8; Lugli, Fontes 16, 6 Nr. 33; Stichel 97 Kat. 94. S. Anhang 5.408.

84 Rom

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Abb. 35. Caesarforum, Bereiche spätantiker Baumaßnahmen.

Abb. 36. Caesarforum, Rekonstruktion des spätantiken Erscheinungsbilds nach C. M. Amici.

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Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 85

Abb. 37. Kurie, Caesarforum und Forum Transitorium, Bautätig-keit in tetrarchischer Zeit.

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Abb. 39. Kurie, Caesarforum und Forum Transitorium, Bautätig-keit im Frühmittelalter.

111

86 Rom

Teil damit zu erklären, daß das Caesarforum nur für kurze Zeit die zentrale Platzanlage Roms

war, und das Augustusforum ab 2 v. Chr. die Funktion eines Sammelplatzes offizieller Statuen-

ehrungen übernahm25. Für die Spätantike reicht diese Erklärung nicht mehr aus. Denkbar wäre,

daß die Überlieferung im Falle des Caesarforums besonders schlecht ist und somit ein falsches

Bild von der einstigen Ausstattung entsteht. Angesichts des durchaus reichhaltigen Befunds in

den benachbarten Platzanlagen wird man aber eher von einer Vernachlässigung des Caesarforums

ausgehen, das dem spät antiken Repräsentationsbedürfnis nicht mehr genügte.

c. Das Caesarforum im Mittelalter

Innerhalb der Basilica Argentaria, die in trajanischer Zeit entstand, fanden sich neben zahlreichen

frühmittelalterlichen Skulpturfragmenten die Spuren eines mittelalterlichen Einbaus26. Dabei

handelt es sich um einen Abschnitt polychromen opus-sectile-Paviments, offenbar eine Arbeit

aus frühmittelalterlicher, präkosmatesker Zeit27. Dieser Fußbodenbelag ist wohl mit der Kapelle

S. Habakuk in Verbindung zu bringen, die sich in diesem Bereich befunden haben muß28. Im

Bereich des südlichen Schiffs der Basilica Argentaria fanden sich auch Reste von kleinen Mauern,

die vielleicht zu dieser Kapelle zählten29. Ein gemauerter Ofen hinter der Kurie diente seit

dem 9. Jh. der Kalkbrennung30. Ansonsten existieren kaum mittelalterliche Nachrichten über

das Caesarforum. Außer in den Mirabilien wird es auch noch in den Miracole und im Ordo des

Benedikt erwähntm

2. Das Augustusforum

Im Jahre 2 v. Chr. wurden das Augustusforum und der zugehörige Tempel des Mars Ultor einge-

weiht. Bereits 42 v. Chr., vor der Schlacht bei Philippi, verpflichtete sich Augustus zum Bau die-

ser Platzanlage. Wie das Caesarforum war auch das Augustusforum als Tempelplatz konzipiert

und auf den beherrschenden Tempel des Mars Ultor ausgerichtet32 . Über die nachaugusteische Geschichte der Anlage ist wenig bekannt. Hadrian soll der Historia Augusta zufolge hier Wieder-

herstellungssarbeiten durchgeführt haben; dies kann auch archäologisch nachgewiesen werden33.

25 Lahusen, Untersuchungen 22f. 26 L. Pani Ermini, La diocesi di Roma II: La raccolta dei fori imperiali (= Corpus della scultura altomedievale

VII), Spoleto 1974, 168-174 Kat. Nr. 304-319. 27 C. Ricci, Capitolium 8, 1932, 390 (Abb. 31).

28 C. Cecchelli, S. Abacuc, in: ders., Studi e documenti sulla Roma sacra, I, Rom 1951, 55-93, bes. 55ff. u. 83ff.; Pani Ermini, a. 0. 20f.; Anderson, Topography 62; F. Guidobaldi / A. Guiglia Guidobaldi, Pavimenti marmorei di Roma dal IV al IX secolo ( = Studi di antichitä cristiana 36), Rom 1986, 83; Amici, Foro di Cesare 156.; A. Trinci, LTUR I, 13 s. v. S. Abacuc.

29 Amici, Foro di Cesare 156 (Abb. 303). 30 E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium 257f. 31 Mirabilien: Valentini / Zucchetti III, 56; Lugli, Fontes 16, 7 Nr. 35a. Le Miracole: Valentini / Zucchetti III,

122; Lugli, Fontes 16, 7 Nr. 35b. Ordo XI: Valentini / Zucchetti III, 219; Lugli, Fontes 16, 41 Nr. 243b. 32 P. Zanker, Forum Augustum, Tübingen 1968, 6. 33 HA, Hadr. 19,10. Zanker, a. 0. 11.

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 87

a. Ausstattung

Die augusteische Ausstattungsphase P. Zanker konstatiert ein überaus durchdachtes, sinnrei- ches Ausstattungsprogramm, das sich sowohl auf die Bauplastik als auch auf die statuarische Ausstattung erstreckte34 . Erstere rezipierte in hohem Maße Vorbilder der archaischen, klassischen und hellenistischen Zeit und drückte somit dignitas aus. Innerhalb dieses Rahmens fanden sich Monumente, die Augustus ganz konkret verherrlichten, so die vorn Senat gestiftete Quadriga, die wohl in der Mitte des freien Platzes stand, oder weitere Statuen des Kaisers, die sich innerhalb des Augustusforums verteilten35. Daneben wurden in einer Vielzahl von Bereichen mythologische Themen aufgegriffen, so im Giebel des Mars-Ultor-Tempels, wo das augurium des Stadtgründers dargestellt war36 , aber auch in den Portiken und Exedren, die eine Fülle von Statuen mythischer Figuren aus der Geschichte Roms zeigten.

Schließlich waren auch die Statuen der summi viri zu sehen, von deren Basen sich Reste erhielten37. In der nördlichen Exedra versammelten sich wahrscheinlich urn die zentrale Gestalt des Aeneas die mythischen und historischen Ahnen des Augustus, in der südlichen Nische um die Gestalt des Romulus die summi viri, die Rom zu seiner Größe verholfen hatten38.

Spätere Statuen Der epigraphische Befund postaugusteischer Zeit ist überaus spärlich, wie die Zusammenstellung im Anhang zeigt39. Die wenigen nachaugusteischen Statuenehrungen galten weiteren Angehörigen des julisch-claudischen Hauses sowie Nachfolgern auf dem Kaiserthron. Daneben erscheinen auch Triumphalstatuen, die bezeichnenderweise vortrajanisch sind. Das Fo-rum des Trajan übernahm zu Beginn des 2. Jh. die Funktion des Augustusforums als Ort der Aufstellung von Statuen, wie wohl auch ganz allgemein das Forum des Augustus im Lauf der Zeit neben dem des Trajan an Bedeutung verlor40. Für die weitgehende Konservierung dieser Ausstattung spricht auch, daß noch in der 1. Hälfte des 3. Jh. der Statuenkomplex des Augustus-forums offenbar so gut erhalten war, daß er Alexander Severus als Vorbild für eine Statuengalerie dienen konnte, die im Forum transitorium angelegt wurde.

b. Funktion

Anlaß für die Errichtung des Augustusforums war die hominum et iudiciorum multitudo, wie Su-eton schreibt42. Augustus bestimmte, daß es weder von Marktbetrieb noch von Verkehr belastet sein sollte, sondern in erster Linie dem täglichen Verwaltungs- und Schulbetrieb, vor allem aber

34 Zanker, a. 0. 7ff. S. a. Lahusen, Untersuchungen 23ff. 35 Quadriga: Res gestae div. Aug. 35. Zanker, a. 0. 12; Th. Kraus, RM 81, 1974, 125 Anm. 37. Statuen des

Augustus: Lugli, Fontes 16, 17 Nr. 104-7; hundert Pfund Gold schwere Statue des Augustus, die von der Provinz Baetica gestiftet wurde: CIL VI, 31267 = ILS 103.

36 Zanker, a. 0. 14. 37 Zanker, a. 0. 14f. HA, Alex. Sev. 28, 6. Lugli, Fontes 16, 19-22 Nr. 117-141. 38 Zanker, a. 0. 17f. 39 S.1.1. S. 409.

Lahusen, Untersuchungen 26; Anderson, Topography 98. 41 HA, Alex. Sev. 28,6. Es spielt dabei keine Rolle, ob dies Alexander Severus wirklich tat, wie in der Historia

Augusta behauptet wird. Noch zur Zeit der Abfassung der Historia Augusta, also gegen Ende des 4. Jh., war anscheinend die Ausstattung des Augustusforums so weit erhalten, daß man von Alexander Severus behaupten konnte, sie habe ihm als Vorbild gedient. S. u. S. 91f.

42 Sueton, Aug. 29,1.

88 Rom

den Gerichten dienen sollte'". Zudem sollten auf dem Augustusforum Staatsakte stattfinden, die

bislang auf dem Kapitol stattgefunden hatten44.

Doch interessiert hier eher die spätantike Geschichte dieser Platzanlage, wenn auch diese

kaum mit wünschenswerter Klarheit geschrieben werden kann. Zwei subscriptiones auf Hand-

schriften der Metamorphosen des Apuleius bzw. eines Martialtexts bezeugen, daß das Augustus-

forum in der Spät antike der Ort rhetorischer Darbietungen war. Die eine subscriptio wurde von

einem gewissen Sallustius verfaßt, der 397 n. Chr. auf dem Augustusforum einen Apuleiustext

korrigierte, während sein Lehrer Endelechius eine Rhetoriksitzung

Ich, Sallustius, habe es (das Buch IX der Metamorphosen) gelesen und verbessert in

Rom unter dem Konulat der viri clarissimi Olybrius und Probinus, im Forum des Mars,

während der Redner Endelechius46 seine Rhetoriksitzung hielt. Ein zweites Mal traf ich

ihn in Konstantinopel unter dem Konsulat des Caesarius und Atticus.

Die andere subscriptio stammt von einem gewissen Torquatus Gennadius, der ebenfalls auf dem

Augustusforum einen Martialtext korrekturlas47.

Ich, Torquatus Gennadius, habe während des Konsulats der Viri clarissimi Vincentius

und Fravitus im Forum des Augustus und Mars gerne ihn (den Martialtext) verbessert.

Die subscriptiones des Sallustius und des Torquatus Gennadius, die aus dem Jahre 397 bzw. 401

n. Chr. stammen, sind ein Zeugnis dafür, daß das Augustusforum in der Spätantike als Ort für

Lehrveranstaltungen genutzt wurde'''. Rhetorikprofessoren bildeten hier ihre Schüler aus und

hielten hier ihre Sitzungen.

Sonstige Zeugnisse über das spät antike Leben auf dem Augustusforum fehlen. Bekannt ist le-

diglich noch ein Umhänger für einen Sklaven, der dazu auffordert, den Sklaven, falls er entlaufen

sollte, festzuhalten und zu Maximianus, einem antiquarius auf dem forum Martis, zurückzubrin-

gen — offenbar konnten, die Abschreiber älterer Handschriften ihren Sitz auf dem Augustusforum

haben49.

43 Zanker, a. 0. 7 (die hier zitierte Arbeit von H. I. Marrou hat nur für die Spät antike Gültigkeit). In flavischer Zeit hatte der praetor urbanus hier sein tribunal (Anderson, Topography 97).

44 Sueton, Aug. 29; Cass. Dio 55.10, 2ff. Zusammengefaßt bei Anderson, Topography 88f.

45 Subscriptio unter den Metamorphosen des Apuleius, lib. IX, in zwei Manuskripten. Florenz, Laurentianus 68,2; Vatikan, Ottobonianus 2047; H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 93f.: Ego Sallustius legi et emendavi Romae felix Olibrio et Probino v(iris) c(larissimis) cons(ulibus) in foro Martis controversiam declamans oratori Endelechio; 1 rursus Constantinopoli recognovi Cesario et Attico cons(ulibu)s. Zur Übersetzung vgl. H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 94f.

46 Der hier genannte Redner Endelechius ist durchaus bekannt: RE V 2 (1905) 2552 s. v. Endelechius (A. Jülicher); H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 94; W. Schmid, RAC 5, 1962, 1-3 s. v. Endelechius.

47 Subscriptio ad Martial XIII, 3, in secundae familiae codicibus, Lugli, Fontes 16, 27 Nr. 160: Emendavi ego Tor-quatus Gennadius in foro divi Augusti Martis, consulati Vincenti et Fraviti virorum clarissimorum feliciter. Datierung: 401 n. Chr. (Konsulatsangabe).

48 Der Ausdruck `emendavi', der in beiden Beischriften vorkommt, bedeutet, daß Sallustius und Torquatus Gennadius den jeweiligen Text korrekturgelesen haben: H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 94.

49 Diehl, ILCV 712a = CIL V, 8722 = ILS 7758: Tene me 1 et revoca me in 1 foro Martis ad 1 Maximianum antiquarilum. Zum Begriff antiquarius vgl. Cod. Theod. 4. 8, 2.

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 89

c. Das Augustusforum im Mittelalter

Einige wenige Kirchen wurden im Mittelalter in das Augustusforum eingebaut, von denen wohl

auch das eine oder andere Fragment frühmittelalterlicher Skulptur herrührt, das im Antiqua-

rium aufbewahrt wird50. Die 955 erstmalig erwähnte Kirche S. Basilio wurde über den Ruinen

des Marstempels errichtet51. Die Kirche war Bestandteil eines Klosters, das wahrscheinlich das

gesamte Areal des Augustusforums einnahm; im Tempelpodium wurde eine Krypta angelegt, in

der die Klosterbrüder bestattet wurden52. Grabungen im Bereich der Kirche förderten zahlreiche

Fragmente frühmittelalterlicher ornamentaler Skulptur zutage, die ins 9. Jh. weisen53. Die zweite

Kirche ist S. Maria in Foro. Diese Kirche muß sich zwischen S. Adriano und S. Basilio, also im

Bereich des Augustusforums befunden haben54. In der Nähe des Augustusforums befand sich die

Kirche Ss. Quirico e Giulitta, die erstmals in den Mirabilien erwähnt wird55. R. Krautheimer

hält die Kirche für einen Bau aus der Zeit des Papstes Vigilius (537-555), der, wie inschriftlich

überliefert ist, den Altar weihte56 . Die Tatsache, daß es sich um zwei östliche Heilige handelt,

deutet ebenfalls darauf hin, daß die Kirche unter der byzantinischen Herrschaft angelegt wurde57.

3. Das Forum Pacis

a. Name und Baugeschichte

Die gängige Bezeichnung 'Forum Pacis' ist für die hohe Kaiserzeit unzutreffend; erst in der

Spätantike, ab dem 4. Jh., wurde die flavische Anlage als Forum bezeichnet. Ammianus Marcel-

linus, Marcellinus Comes und Prokop nennen es Forum Pacis bzw. eö@oS Etelivq0, Josephus,

Cassius Dio, Herodian und Galen nennen es Tgµ,cvog TFj EivjurK9.

Das Templum Pacis wurde unter Vespasian begonnen, allerdings erst unter Domitian voll-

ende-00. Für das Jahr 192 ist ein Brand überliefert; unter Septimius Severus wurde die Anlage

erneuer-01. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der severische Marmorplan der Stadt Rom an-

gefertigt und an der Außenwand des südlichen Seitensaals aufgehängt. Über den Grundriß der

50 L. Pani Ermini, La diocesi di Roma II: La raccolta dei fori imperiali (= Corpus della scultura altomedievale VII), Spoleto 1974, 25-56 Kat. Nr. 1-37.

51 Hülsen, Chiese 208f. Nr. 12; C. Ricci, Capitolium 6, 1930, 172ff.; G. Ferrari, Early Roman Monasteries, Vatikanstadt 1957, 62ff.; L. Pani Ermini, a. 0. 18f.; L. Barroero in: L. Barroero / A. Conti / A. M. Racheli / M. Serio (Hgg.), Via dei Fori Imperiali, Rom 1983, 171ff.

52 C. Ricci, Foro di Augusto: La Scala Mortuorum, Capitolium 2, 1926/27, 4-9; ders., Capitolium 6, 1930, 172f. 53 Pani Ermini, a. 0. 62-77 Kat. Nr. 46-78. 54 Hülsen, Chiese 335 Nr. 46. 55 Valentini / Zucchetti III, 26, 54, 83, 121 u. 189. Hülsen, Chiese 428f. Nr. 7; A. Rava, Santi Quirico e Giulitta,

BuliCom 62, 1934, 217-234; S. Corbett, The Church of Ss. Quirico e Giulitta in Rome, BSR 28, 1960, 33ff.; CBCR IV, 37-50.

56 CBCR IV, 49f. Diese Tradition stützt sich allerdings auf eine Inschrift d. J. 1584 (V. Forcella, Iscrizioni delle chiese e d'altri edificii di Roma dal secolo XI fino ai giorni nostri, VIII, Rom 1876, 302).

57 Vgl. Krautheimer, Rom 89. 58 Amm Marc. 16. 10,14; Marc. Com. 69 (an. 408); Prok., bell. Got. 4. 21, 11. 59 Joseph., bell. Iud. 7. 5, 7; Cass. Dio 65. 15, 1; Herodian 1. 14. 2; Galen, comp. med. 1.1. 60 Joseph., bell. Iud. 7. 5, 7, 158-61; Sueton, Vesp. 9, 1; Aur. Vict., Caes. 9, 7; Statius, Silv. 4. 1, 11, 15 u. 4.3, 16, 17. 61 Cass. Dio 73. 24,1; Herodian 1, 14; Galen, comp. med. 1, 1; HA, Severus 23, 1; CIL VI, 935 (zur Inschrift: A.

Chastagnol, RivFilClass 76, 1948, 285 Anm. 1).

90 Rom

Anlage geben die entsprechenden Fragmente dieses Marmorplans ein Bild62. Es handelt sich um

eine annähernd quadratische Platzanlage, die auf drei Seiten von Portiken, an einer Seite aber

von einer Trennmauer mit den Zugängen eingefaßt war63. Gegenüber der Eingangsseite erhob

sich die Fassade des Templum Pacis; zu seiten des Tempels befanden sich weitere Räume, zu

denen auch der später in die Kirche Ss. Cosma e Damiano umgewandelte Saal zählt64 .

b. Spät antike Geschichte

Spät antike Erwähnungen des Friedensforums sind selten. Ammianus Marcellinus erwähnt es im

Zusammenhang mit dem Rombesuch Konstantius' II.65. Diese Textstelle zeigt, daß das Friedens-

forum ganz summarisch unter die übrigen Prachtbauten eingereiht wurde und keiner besonderen

Erwähnung bedurfte. Für das Jahr 408 wird überliefert, daß aus dem Boden des Forum Pa-

cis für eine Woche seltsame Geräusche gedrungen seien66. In der Historia Augusta wird das

Templum Pacis und seine zugehörige Bibliothek beiläufig als Ort der Zusammenkunft von Ge-

lehrten erwähnt, der es im endenden 4. Jh. offenbar war67. Schließlich ist noch an Prokop zu

erinnern, der sich zur Zeit der Gotenkriege in Rom aufhielt und somit das Stadtzentrum aus

eigener Anschauung beschreibt68:

Ich hörte aber auch während meines Aufenthalts in Rom folgende Geschichte aus dem Munde eines Römers, der dem Senat angehörte. Dieser Römer nun erzählte mir, es habe einst Atalarich, der Tochtersohn des Theoderich, über Italien geherrscht und zu dieser Zeit sei eine Rinderherde am Spätnachmittage vom Lande über den Platz, der bei den Römern Forum Pacis heißt, nach Rom hereingekommen. Dort steht nämlich seit alter Zeit ein vom Blitz getroffener Tempel der Pax. Und vorne an diesem Platz befindet sich ein alter Brunnen mit einem ehernen Rind darauf, einem Werke, wie ich glaube, des Atheners Pheidias oder des Lysippos. An diesem Ort stehen ja viele Kunstwerke von der Hand beider Künstler, so auch ein zweites von Pheidias, wie die Aufschrift bezeugt. Ferner findet sich dort das Kalb des Myron. Denn die Römer ließen es sich angelegen sein, gerade die schönsten Kunstwerke Griechenlands nach Rom zu bringen. Nun sei, so erzählte mir mein römischer Gewährsmann, von den damals vorüberziehenden Rindern ein verschnittener Stier hinter der Herde zurückgeblieben, sei auf den Brunnen hinaufgestiegen und habe sich dort über das eherne Kalb gestellt.

Offenbar waren noch zu Prokops Zeiten im Stadtzentrum Roms und auch auf dem Forum Pacis ein Teil der ursprünglichen Ausstattung erhalten und selbst Bronzewerke den Plünderungen des

5. Jh. entgangen. Ob man tatsächlich glauben kann, daß Viehherden über das Friedensforum getrieben wurden, bleibt zweifelhaft. Die auch ansonsten phantastische Erzählung des römischen Gewährsmannes, die Prokop referiert, kann wohl nicht im Detail ernst genommen werden.

62 FUR 15a.b.c; 16a. 63 Vgl. die Rek. von I. Gismondi: A. M. Colini, BullCom 65, 1937, Taf. IV. 64 S. 0. S. 69. 65 Amm. Marc. 16. 10, 14.

66 Marc. Com. 69 (an. 408): ... in foro Pacis per dies septem terra mugitum dedit. 67 HA, Tyrann. Trig. 31,10.

68 Prok., bell. Got. 4.21,10-15 (Übs. 0. Veh, Prokop: Gotenkriege, München 1966, 881).

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 91

4. Das Nervaforum / Forum transitorium

a. Name und Baugeschichte

Eine Fülle von Bezeichnungen sind für das Nervaforum bekannt69. Martial bezeichnet es als Forum Palladium, Aurelius Victor nennt es im 4. Jh. Forum Pervium, in der Historia Augusta begegnet es unter dem Namen Forum Divi Nervae, zugleich aber auch als Forum transitorium70. Letztere Bezeichnung verwenden auch Servius, Eutropius, Cassiodor, Hieronymus und Polemius Silviusn.

Bei dem Forum transitorium handelte es sich um eine monumentale Ausgestaltung des Ar-giletum, also des Verkehrsweges vom Forum zur Subura, die unter Domitian begonnen wurde72. Zum Zeitpunkt des Todes Domitians (96 n. Chr.) muß es bereits kurz vor der Vollendung ge-standen haben, da es Nerva bereits im folgenden Jahr einweihen konnte73. Die Ausmaße der langgestreckten Platzanlage betrugen 120 m x 45 m. Den Längsseiten waren Säulenstellungen vorgeblendet, die den Eindruck von Portiken hervorriefen. An der nordöstlichen Schmalseite befand sich der Minervatempel.

Nachrichten über das spätantike Nervaforum sind überaus spärlich. Im 5. Jh., offenbar im An-schluß an die Ereignisse des Jahres 410, wurde der Platz komplett neu gepflastert (Abb.38)74. Da dieses Pflaster sich über die Fundamentierung eines Tempelfundaments und der gekrümmten Mauer im Süden erstreckt, kann hier — zumindest in der Spätantike, wahrscheinlich aber auch zuvor — nicht der Janustempel gestanden haben, wie dies H. Bauer vermutete75.

b. Ausstattung

Ehrenstatuen auf dem Nervaforum werden kaum überliefert. Eine hier gefundene Inschrift er-innert an eine Statue des Trajan76. Weitere Inschriftenbasen nennen privati der späteren Kai-serzeit77. Mehr ist aus den literarischen Quellen zu erfahren. Die Historia Augusta berichtet, daß Kaiser Alexander Severus in Anlehnung an das Augustusforum eine Statuengalerie der vergöttlichten Kaiser im Nervaforum anlegen ließ78:

Alexander errichtete auf dem Forum des vergöttlichten Nerva, das auch transitorium ge-nannt wird, Kolossalstatuen, die die vergöttlichten Kaiser teils zu Fuß und unbekleidet,

69 S. hierzu Anderson, Topography 130. 7° Martial 1, 2, 7-8; Aur. Vict., Caes. 12, 2; HA, Alex. Sev. 28, 6 (Forum divi Nervae)u. 36, 2 (Forum transitorium). 71 Servius, ad. Aen. 7, 607; Eutr. 7. 23, 5-6; Cass., Chron. ad. an. 94 (= Chron. Min. II, p. 140); Hieron., Chron.

p. 190 Helm; Polem. Silv. 545; Prosper Tiro 516 (= Chron. Min. I, p. 417). 72 Martial 10, 28; Statius, Silv. 4. 3, 9-10. 73 Sueton, Dom. 5, 1. 74 C. Morselli / E. Tortorici, Archeologia Laziale 9, 1988, 51; dies. in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium,

255; R. Meneghini, Il Foro di Nerva, Rom 1991, 20. 75 H. Bauer, RM 84, 1977, 302f. S. hierzu auch Meneghini, a. 0. 20ff. Bei mehreren Autoren wird ein Janustem-

pel auf dem Nervaforum erwähnt: Statius, Martial und Servius (Statius, Silv. 4, 3, 9-10; Martial 10, 28, 5-6; Servius, ad Aen. 7, 607). Im 6. Jh. sah Johannes Lydos die Statue des Janus angeblich im Forum transitorium (Joh. Lyd., mens. 64). Vgl. o. S. 37f.

76 CIL VI, 31296; Lugli, Fontes 16, 39 Nr. 230. 77 NSc 1933, 477 Nr. 132 u. 480 Nr. 136 (= Lugli, Fontes 16, 39 Nr. 232 u. 233). 78 HA, Alex. Sev., 28, 6. Ubs. n. E. Hohl, Historia Augusta. Römische Herrschergestalten I: Von Hadrianus bis

Alexander Severus, Zürich - München 1976, 332.

92 Rom

teils hoch zu Roß darstellten, mit allen Titeln und einem Tatenverzeichnis auf Bronze-

postamenten nach dem Vorgang des Augustus, der auf seinem Forum Marmorstatuen

hervorragender Männer aufgestellt und mit Tatenberichten versehen hat.

Die Statuen sollten also auf Bronzepostamenten aufgestellt werden, auf denen die ruhmreichen

Taten zu lesen waren. Diese Nachricht wird durch den Fund von Inschriften mit den Elogen

bestätigt, die zu den Porträts gehörten79 .

c. Das Nervaforum im Mittelalter

Das Nervaforum diente bis in die Neuzeit als Zugangsweg zum Forum Romanum bzw. Campo

Vaccino. Die Neupflasterung des Argiletum in frühmittelalterlicher Zeit läßt sich auch im Nord-

bereich des Forum transitorium beobachten80 . Aus den Wagenspuren ist zu ersehen, daß man

wie in der Antike die Platzanlage diagonal querte. Mehrere Kirchen wurden im Bereich des Nervaforums errichtet. Seit dem Anfang des 12. Jh.

existierte hier eine Kirche mit dem Namen S. Andrea in Arcu Aureo81. Über die genauere Loka-

lisierung besteht Unklarheit. Wurde sie üblicherweise im Nervaforum lokalisiert82 , so schlug G.

Marchetti-Longhi eine Lokalisierung am Abhang des Oppius vor83. Bereits 1192 erwähnt wird

eine Marienkirche mit dem Beinamen in Macello bzw. degli Angeli, die sich bei den Colonacce

befunden haben muß84. Die Vermutung Armellinis, daß im Nervaforum eine Kirche S. Silvestro

in Foro Nervae gestanden habe, wurde von Hülsen widerlegt85.

Einige mittelalterliche Quellen, so etwa die Mirabilien, erwähnen noch das Nervaforum86.

Da Forum transitorium und Argiletum das Mittelalter hindurch passierbar blieben, fanden sie

entsprechend auch in die Prozessionsbeschreibungen Eingang. Der bei der porticus absidata

gelegene arcus aureae (bzw. aurae) wird zweimal im Ordo XI erwähnt, jeweils im Zusammenhang

mit Prozessionen, die durchs Nervaforum führten87. Das gleiche gilt für den arcus Nervae, der

ebenfalls zweimal in diesem Ordo erwähnt wird88 .

79 CIL VI, 31296; R. Paribeni, NSc 1933, 447 Nr.132, 480 Nr.136. Pekäry, 37f., hält die Notiz dennoch für unglaubwürdig. Th. Pekäry, Statuen in der Historia Augusta, Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1968-69 (= Antiquitas, ser. 4, Bd. 7), Bonn 1970, 151-172, hier 155.

80 E. Tortorici in: Curia, Forum Iulium, Forum Transitorium 258 mit Anm. 617. 81 Hülsen, Chiese 177 Nr. 29.

82 Hülsen, Chiese 177. 83 G. Marchetti-Longhi, RendPontAcc 25/6, 1949/51, 200-204.

84 R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma, I, Rom 1902 (Ndr. Bologna 1975), 183; Hülsen, Chiese 341f.; L. Barroero in: L. Barroero / A. Conti / A. M. Racheli / M. Serio (Hgg.), Via dei Fori Imperiali, Rom 1983, 190f.; Anderson, Topography 139.

85 Hülsen, Chiese 524 Nr. 75. 86 Mirabilien: Valentini / Zucchetti III, 54; Lugli, Fontes 16, 40 Nr. 235.

87 Valentini / Zucchetti III, 213f. u. 218; Lugli, Fontes 16, 41 Nr. 242f. 88 Valentini / Zucchetti III, 213f. u. 219; Lugli, Fontes 16, 41 Nr. 243 u. 243b.

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 93

5. Das Trajansforum

Traiani forum vel sub assiduitate videre miraculum est — mit diesen Worten beschreibt Cassio-dor das größte der Kaiserfora, über dessen spätantike Geschichte wir vergleichsweise detailliert informiert sind89.

a. Architektur und Baugeschichte9°

Das Trajansforum wurde wahrscheinlich bereits unter Domitian begonnen91. Die Einweihung des Forums und der Basilica Ulpia erfolgte unter Trajan im Jahre 112. 117 n. Chr. wurde aus An-laß der Dakersiege ein Triumphbogen errichtet92 . Der Tempel des vergöttlichten Trajan wurde unter Hadrian nach 121 n. Chr. eingeweiht93. Allerdings spricht einiges dafür, daß der Tempel bereits zu dem Projekt Trajans gehörte". Die Forumsanlage gliedert sich in drei Teile, das von Portiken gesäumte Atrium Fori Traiani mit dem zentralen Reiterstandbild Trajans (Abb. 46), die hieran anschließende Basilica Ulpia sowie den Bereich jenseits dieses Baus, in dem sich die Reliefsäule, die Bibliotheken und der Tempel des vergöttlichten Trajan befanden. Wie Roden-waldt unterstrich, ist der Plan des Trajansforums durch die Lagerarchitektur beeinflußt95. Inder charakteristischen Abfolge von Platz, quergestellter Basilika und dahinter gelegenem Heiligtum ähnelt es den Principia der Militärlager.

b. Statuarische Ausstattung

Hochkaiserzeitliche Ausstattungsphase Aus dem epigraphischen Befund des Trajansforums, aber auch aus vereinzelten Funden von Porträtköpfen geht hervor, daß diese Platzanlage im 2. und 3. Jh. über eine reiche Statuenausstattung verfügte. Nicht nur Trajan und Hadrian, auch Angehörige des julisch-claudischen Herrscherhauses sowie Vorgänger auf dem Kaiserthron waren hier vertreten, vielleicht auch die Kaiser Aurelian und Numerian". Inschriften von Beamtensta-tuen fanden sich in beachtlichem Ausmaß, wobei auffällt, daß sich kein Stadtpräfekt beobachten läßt; statt dessen überwiegen Statuen von Prätorianerpräfekten und Konsuln97. Darüberhinaus

89 Cass., Var. 7, 6. 99 Zusammengefaßt bei Anderson, Topography, 141ff.; M. Milella / P. Pensabene, ArchCl 41, 1989, 33ff. 91 Quellen, die dies bezeugen, zusammengefaßt bei M. Milella / P. Pensabene, ArchCl 41, 1989, 33f. 92 Cass. Dio 68. 29, 3. 93 Widmungsinschrift: CIL VI, 966 = 31251; HA, Hadrian 19, 9. 94 P. Zanker, AA 1970, 538. 95 Rodenwaldt, Gnomon 2, 1926, 338f.; P. Zanker, AA 1970, 505f. 96 Porträt Caesars (FO: S. Maria in Carleb): M. Milella, ArchC1 41, 1989, 57; Autori vari, guida del Museo

Nazionale di Napoli, 1908, Nr. 685. Porträt der Agrippina Minor (?): P. Zanker, AA 1970, 518ff.; Lahusen, Untersuchungen 27. Fragmentierter Porträtkopf des Nerva: P. Zanker, AA 1970, 518ff.; Lahusen, Untersuchun-gen 27. Reiterstandbild des Trajan in der Platzmitte: Amm. Marc. 16. 10, 15. Inschriftenbasen mit Statuen Trajans: CIL VI, 959 = ILS 292; Lugli, Fontes 16, 58f. Nr.359 (FO: Trajansforum). Hadrian: CIL VI, 967 = ILS 309; Lugli, Fontes 16, 59 Nr. 361 (FO: Trajansforum, bei der Säule). Sabina: CIL VI, 996 s. 31220a; Lugli, Fontes 16, 59f. Nr. 364. Marmortafel (FO: bei Ss. Apostoli, 1555). Aurelian: HA, Tac. 9, 2; Lugli, Fontes 16, 64 Nr. 381; CIL VI, 1112 (FO: Trajansforum?). Numerian: HA, Numerian 11, 3; Lugli, Fontes 16, 52 Nr. 316.

97 Siehe hierzu die Zusammenstellung bei Lugli, Fontes 16, 59ff. Nr. 360, 363, 365, 367, 368, 371, 372, 373, 374 u. 375.

94 Rom

wurde besonderer Wert auf die militärische Repräsentation gelegt, wie die zahlreichen statua-

rischen Ehrungen verdienter Feldherrn zeigen98. Trajan verfügte ebenso wie Augustus, daß auf

seinem Forum die Standbilder erfolgreicher Heerführer aufgestellt werden sollten99. Geehrt wur-

den aber nicht nur die an den Eroberungszügen Trajans beteiligten Einheiten, auch in post-

trajanischer Zeit setzte man diese Tradition fort. Hadrian ließ Statuen seiner comites auf dem

Forum Traiani aufstellen100. Unter Mark Aurel erhielten Offiziere, die während seiner Kriegszüge

fielen, ebenfalls Standbilderm. Ergänzt wurde die Statuenausstattung dieser Platzanlage durch

Standbilder von Freunden und Angehörigen der Kaiser Hadrian und Mark Aurelw2. Der Historia

Augusta zufolge soll Alexander Severus Statuen der summi viri von überall her zusammengeholt

und auf dem Forum aufgestellt habeni°3.

Spätantike Ausstattungsphase Nach einer Pause im 3. Jh. setzt erst wieder seit dem 4. Jh. ein

reicher epigraphischer Befund ein. Dabei zeigt sich, daß einer der bereits in der hohen Kaiserzeit

bestimmenden thematischen Bereiche, die Ehrung verdienter Beamter, fortgesetzt wurde, wie ja

auch im Gegensatz zum Forum Romanum keine tiefgreifenden Zerstörungen überliefert werden,

die eine Neuordnung der Statuenausstattung notwendig gemacht hätten. Konsulstatuen begeg-

nen erst wieder seit konstantinischer Zeit; gleiches gilt für das Amt des Prätorianerpräfektenw4.

Statuen von Stadtpräfekten begegnen auf dem Trajansforum erst in der Spätantike, was sicher-

lich mit der gewachsenen Bedeutung dieses Amts im 4. und 5. Jh. zu erklären ist. Die späteste

bekannte Inschriftenbasis für einen Stadtpräfekten datiert aus dem Jahre 441105. Neben den Be-

amtenstatuen lassen sich zahlreiche Statuen für Dichter und Rhetoren feststellen, die allerdings

oftmals ein politisches Amt bekleideten, so etwa Claudius Claudianus und Merobaudes'96 . Die

auffallende Häufung von Dichter- und Rhetorenstatuen ist sicherlich durch die Funktion des Tra-

jansforums als schola für Oratoren und Rhetoren zu erklären, auf die H. I. Marrou hinwies'97.

Gegenüber den Beamtenstatuen fällt die verhältnismäßig geringe Anzahl von Kaiserstatuen auf,

vergleicht man den Befund des Trajansforums etwa mit dem des Forum Romanum. Gesichert

sind an spätantiken Kaiserstatuen solche des Konstantin, Konstans, Theodosius und Honoriusm.

98 Siehe hierzu die Zusammenstellung bei Lugli, Fontes 16, 61ff. Nr. 370, 371, 373, 374, 375, 376, 377 u. 378 sowie CIL VI, 1540 u. 31675 = ILS 1112, CIL VI, 1497 = ILS 1094, CIL VI, 1549 u. CIL VI, 1566.

99 Lahusen, Untersuchungen 28f. Aul. Gell., 13, 25, 1-3; Lugli, Fontes 16, 57f. Nr. 352.

loo Cass. Dio 69.7,4 u. 69.18,1 (Hadrian); Cass. Dio 68.16,2 (Trajan). 101 HA, Marcus 22,7; Lugli, Fontes 16, 60 Nr.369; E. A. Gordon, Quintus Veranius Consul A.D. 49. A Study

Based upon his Recently Identified Sepulchral Inscription, Univ. California 1952, app.2: Triumphal Honors and Statues, and Other Official Honorary Statues set up in Rome, During the Empire, Nr.68. Anderson, Topography 168f.

102 Freunde des Hadrian: Lugli, Fontes 16, 59 Nr.362. Freunde der Eltern Mark Aurels: Lugli, Fontes 16, 60 Nr. 366. Lehrer Mark Aurels: Lugli, Fontes 16, 60 Nr. 368.

1°3 HA, Alex. Sev. 26,4. Lugli, Fontes 16, 63f. Nr. 376-8, bezieht drei Inschriftenfragmente, aus denen nicht der Name der Geehrten hervorgeht, auf diese Nachricht.

104 Verzeichnis der spätantiken Beamtenstatuen auf dem Trajansforum auf S. 410ff. Anderson, Topography 163. 105 CIL VI, 1725 = ILS 1284. 106 S. u. Anhang S. 411f. 107 S. u. S. 96f. los Konstantin: CIL VI, 1140 = ILS 692; CIL VI, 1143. Konstans: CIL VI, 1157. Theodosius: CIL VI, 1186 =

ILS 2945. Honorius: CIL VI, 1194. S. u. Anhang S. 410.

Die Kaiserfora Roms in der Spdtantike 95

ber die genauere Anordnung der Statuen ist nichts bekannt. Die Analyse der Fundorte

durch M. Milella fhrte zu dem allgemeinen Ergebnis, daf3 sich die Statuen in den Portiken befanden und wohl weniger auf dem freien Platz".

c. Funktion und Nutzung des Trajansforums in der SpMantike

Das VerstAndnis der spaantiken Nutzung und Ausstattung des Trajansforums erschlief3t sich nur mit einem Blick auf die Funktion dieses Komplexes in der hohen Kaiserzeit. Dabei zeich-

nen sich mehrere funktionale Bereiche ab, die auch in der Spà,tantike ihre Giiltigkeit wahrten. Gerichtssitzungen unter dem Vorsitz von Konsuln (Anklage von Senatoren) fanden einer Notiz des Aulus Gellius zufolge auf dem Trajansforum statt"°. Dies blieb noch in der SpMantike so. Einer Bemerkung des Sidonius Apollinaris ist zu entnehmen, daf3 hier noch im 5. Jh. Tribunale und Gerichte tagteni". Der Historia Augusta zufolge gab Kaiser Commodus ein congiarium in der Basilica Ulpia112 . Auch manumissiones fanden im Trajansforum statt, da das hochkaiser-zeitliche Atrium Libertatis in der Sdwestapsis der Basilica Ulpia zu lokalisieren ist. Hadrian

auf dem Trajansforum Ufentlich Schuldblicher verbrennenln. Gleiches geschah auch unter Aurelian"4. Mark Aurel versteigerte hier Wertobjekte aus kaiserlichem Besitz, da er bei seinen Kriegsztigen die Staatskasse geleert hatte"5. Auch diente das spaantike Trajansforum als Rah-men fur die Ernennung der Konsuln, wie eine Passage in Claudians Panegyricus zu Ehren des 6. Konsulats des Honorius zeigt116 . AuBerdem war hier der Aufbewahrungsort des senatorischen VermQgens. Bis zum Jahre 352-3 wurden im Trajansforum Schatztruhen der Senatoren aufbe-wahrt, in denen sie ihre Wertgegenstnde deponierten117 . Bereits diese wenigen Hinweise auf die Funktion des Trajansforums zeigen, daf3 es kein starrer, wenig flexibler Sakralbezirk war, son-dern ein Ort administrativer ntigkeit, kaiserlicher Auftritte und damit ein gegenwartsbezogener Bereich"8.

Eine Vielzahl von Gesetzen wurde im Trajansforum publiziert119. Die Gesetze wurden jeweils mit der stereotypen Formel p(ro)p(osita) in Foro Divi Traiani und der Konsulatsangabe abge-

109 M. Milella / P. Pensabene, ArchCl 41, 1989, 48. Bereits Th. Kraus vermutete als Aufstellungsort die umlau-fenden Hallen oder den Bereich unmittelbar davor: Th. Kraus, RM 81, 1974, 120f.

110 Aul. Gell. 13.25,2. 111 Sidonius Apoll., carm. 2, 544f. 112 HA, Comm. 2,1; Lugli, Fontes 16, 50 Nr. 303; Expos. mundi 558; Lugli, Fontes 16, 50 Nr. 304. 113 Cass. Dio 64,8; HA, Hadrian 7,6. 114 HA, Aurelian 39,3; Lugli, Fontes 16, 46 Nr. 279. 115 Cass. Dio, fragm. dub. III, p. 280 Boissevain; HA, Marc. 17, 4f. u. 21,9.; Eutr. 8.13,2; Epit. de Caes. 16,9

(zusammengefaf3t bei Lugli, Fontes 16, 45f. Nr.274-8). 116 Claudian, de VI. cons. Honorii v. 643-8. 117 Schol. Juv. ad Sat. X, v. 34 p. 163 Wessner; Lugli, Fontes 16, 45 Nr. 270-2. Chastagnol, Préfecture 137. 118 Anderson, Topography 161. 119 Lugli, Fontes 16, 73-78 Nr.408-427 (mit Text); P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 284 Anm. 47f.

Cod. Theod. 10. 10, 2 (an. 312 oder 319); Cod. Theod. 10. 1, 2 (an. 319); Frgm. Vatic. 249, 10 (Huschke, Iurispr. Anteiustin. quae supersunt, Leipzig 1886, pp. 781-85; Lugli, Fontes 16, 73 Nr. 410) (an. 323); Cod. Theod. 9. 19, 2 (an. 320 oder 326); Cod. Theod. 9. 17, 3 (an. 355 oder an. 356); Cod. Theod. 10. 1, 2 (an. 319 oder 357); Cod. Theod. 1. 9, 1 (an. 359); Cod. Theod. 14, 2,1 (an. 364); Cod. Theod. 10.10, 31 (an. 422); Cod. Theod. 11. 20,4 (an. 423); Nov. Valent. 2,2 (an. 442); Nov. Valent. 11 (an. 443); Nov. Valent. 19 (an. 445); Nov. Valent. 21,1 (an. 446); Nov. Valent. 21,2 (an. 445); Nov. Valent. 23 (an. 447); Nov. Valent. 25 (an. 447); Nov. Valent. 27 (an. 449); Nov. Valent. 31 (an. 451).

96 Rom

schlossen. Dies deutet darauf hin, daß der Gesetzestext in schriftlicher Form öffentlich ausgestellt

wurde. Es handelte sich um Steuergesetze, um Gesetze gegen die Spolisierung von Gräbern, um

Privilegienbekundungen für Zunftmitglieder, um Regelungen der Rangfolge von Würdenträgern,

um Erbrecht, Gesetze gegen Mord bzw. Totschlag etc. — ein thematischer Nenner der auf dem

Trajansforum erlassenen Gesetze läßt sich jedenfalls nicht feststellen.

Zahlreiche Informationen existieren über die Bibliothek. Angeblich sollen dort die Tagebücher

und die Korrespondenz Aurelians aufbewahrt worden sein'20. Außerdem wurden dort auch die

Aufzeichnungen von Ereignissen aus der Regierungszeit dieses Kaisers verwahrt121 . Einer weiteren

Notiz in der Historia Augusta zufolge sollen auch die Senatsbeschlüsse in der Bibliotheca Ulpia

archiviert worden sein'22 . Zur Zeit der Abfassung der Historia Augusta waren die Bücher dieser

Bibliothek in den Diokletiansthermen ausgelager-023. In diesen Zusammenhang gehört auch die

Erwähnung von regesta scribarum porticus porphyreticae, also von Verzeichnissen von Schreibern

der porticus porphyretica, in einer Passage der Historia Augusta124 . Dieselbe Portikus wird in

einer Inschrift auf dem Bronzeanhänger eines Sklaven aus konstantinischer Zeit genannt125. Ob

sich der Name von den aus Porphyr gefertigten Dakerstatuen ableitet, die sich heute im Boboli-

Garten in Florenz befinden und wohl vom Trajansforum stammen, ist ungewiß'26. Möglicherweise

sind auch Fragmente von porphyrnen Wandverkleidungen auf die porticus porphyretica zu bezie-

hen. Die Ausstattung dieser Portikus muß nicht aus trajanischer Zeit stammen, sondern könnte

auch später entstanden sein127.

Das Trajansforum als intellektuelles Zentrum in der Spätantike H. I. Marrou behandelt das

intellektuelle Leben auf den Fora des Trajan und des Augustus in der Spät antike anhand dreier

Textstellen aus der Zeit um 400 n. Chr.128. Zwei der das Trajansforum betreffenden Quellen-

notizen stellen Beischriften zu Textausgaben des Apuleius bzw. der pseudoquintilianeischen 19

declamationes dar, die dritte ist eine Grabinschrift für einen Rhetor. In den subscriptiones wird

erwähnt, daß ein gewisser Domitius Dracontius diese Quintiliantexte korrekturlas und edierte'29.

Die Grabinschrift erwähnt einen grammaticus namens Bonifatius, der auf dem Trajansforum

tätig warm. Alle drei Zeugnisse zeigen, qu'ä la fin du IVe siede les deux fora voisins de Tra-

jan et d'Auguste 6taient un centre d'activit6 intellectuelle et plus particulierement scolaire, le

120 HA, Aurelian 1, 7 u. 10; Lugli, Fontes 16, 51 Nr. 312. HA, Aurelian 8, 1; Lugli, Fontes 16, 52 Nr. 313. 121 HA, Aurelian 24,7; Lugli, Fontes 16, 52 Nr. 314. 122 HA, Tac. 8, 1; Lugli, Fontes 16, 52 Nr. 315. 123 HA, Probus 2,1. 124 HA, Probus 2, 1; Lugli, Fontes 16, 86 Nr. 480. Platner / Ashby 239. 125 Diehl ILCV 774 = CIL XV, 7191 = ILS 8729; Lugli, Fontes 16, 86 Nr. 481 (Inschrift auf einer Bronzemünze

Konstantins, deren Oberfläche zu diesem Zweck geglättet wurde): Tene me, ne fugiam, et revoca me in foro Traiani in purpuretica ad Pascasium dominum meum.

126 So etwa M. Milella / P. Pensabene, ArchCl 41, 1989, 50. 127 M. Milella / P. Pensabene, ArchC1 41, 1989, 50. 128 H. I. Marrou, La vie intellectuelle au Forum de Trajan et au Forum d'Auguste, MEFR 49, 1932, 93-110.

129 Subscriptio 1: auf zwei Handschriften der 19 declamationes maiores des Ps.-Quintilian, jeweils nach der 10. declamatio: a.) Parisinus B. N. fonds lat. 16230, olim Sorbonianus 496: legi I et emendavi ego Dracontius cum fratre Ierio incomparabili arrico (sic) urbis Romae in schola fori Traiani, feliciter. b.) Sorbonianus Bibl. Univ. Paris ms. Nr. 629. Subscriptio 2: ibid., bei der declamatio 18: escripsi et emendavi Domitius Dracontius de codice fratris Hieri feliciter I mihi et usibus meis et diis omnibus.

130 CIL VI, 9446 = CIL VI, 33808; Lugli, Fontes 16, 48 Nr. 293: Benemerenti Bonifatio sc... grammatico Aeliana

Die Kaiserfora Roms in der Spätantike 97

siege de l'enseignement des grammariens et des rh6teurs131. Im Bereich des Trajans- und Augu-stusforums befand sich nach Marrou gewissermaßen die Universität von Rom132 . Er lokalisiert die schola fori Traiani, die in der Beischrift des Dracontius zur Ausgabe der declamationes des

Ps.-Quintilian erwähnt wird, in den Exedren das Trajansforums133 . Noch zu Beginn des 7. Jh. beschreibt Venantius Fortunatus, ein Zeitgenosse Gregors d. Gr., den Brauch der Poeten, sich

im Trajansforum zu versammeln und dort zu rezitieren'34:

Also geglätteten Stil pomphafter Poeme vernimmt wohl

Rom, die erhabene, kaum dort im Forum Trajans.

Hättest du solches Gedicht vor dem Ohr des Senates gelesen,

Goldene Teppiche dann legten zu Füßen sie dir.

d. Das Trajansforum im Mittelalter

Das Fehlen jeglicher Hinweise auf Zerstörungen (Brand etc.) des Trajansforums läßt darauf

schließen, daß die Ereignisse der Jahre 410, 455, 472, aber auch die Wiedereinnahme der Stadt

Rom durch die Byzantiner weitgehend spurlos am Trajansforum vorübergingen135 . Einer Hypo-these C. Cecchellis zufolge befand sich am Ende des 6. Jh. im Bereich der Trajansmärkte eine Garnison der Byzantiner, die unter dem Kaiser Tiberius I. (578-582) eingerichtet wurdei36 . Die traditionelle Nutzung als städtisches Verwaltungszentrum wurde auch in frühmittelalterlicher

Zeit beibehalten; so hatte wahrscheinlich der Militärkommandant der Stadt seinen Sitz unweit der Kirche Ss. Apostoli137 . All diese Indizien deuten darauf hin, daß das Trajansforum ein fre-quentierter Ort im Herzen Roms blieb. Auch die Erzählung von der Befreiung der Seele Trajans durch die Fürbitten Gregors d. Gr. spielte Ps.-Paulus Diaconus zufolge auf dem Trajansforum138: Um die Wende zum 7. Jh. war die Anlage, die z. T. als Rhetorenschule diente, offensichtlich noch passierbar und ein Teil der Ausstattung erhalten. Der Anonymus von Einsiedeln konnte im 8. Jh.

c[oniux caris]Isima posuit, qui vixit ann[is] ... 1 in pace, et fecit cum uxor[e annis] ... 1 depositus kal(endis) ianuaris 1 Traiani qu(a)erent atria m[e] ... 1 tota Roma flebit et ipse .

131 H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 99. 132 H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 99f. 133 H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 100ff. u. 104ff. 134 Gregorovius I, 277; H. I. Marrou, MEFR 49, 1932, 110. Venantius Fortunatus, Carm. 3,18, 7-10 (= MGH

AA 4,1, p. 70; Lugli, Fontes 16, 46f. Nr.280): Vix modo tam nitido pomposa poemata cultu 1 Audit Traiano Roma veneranda foro. 1 Quid si tale decus recitasses in aure senatus? 1 Stravissent plantis aurea fila tuis. Übersetzung nach Gregorovius I, 277. vgl. auch Venantius Fortunatus, Carm. 7,8, 25f. (MGH AA 4,1, p. 162; Lugli, Fontes 16, 47 Nr. 281 (bei Lugli fehlerhaft zitiert): Si sibi forte fuit bene notus Homerus Athenis 1 Aut Maro Traiano lectus in erbe foro.

135 M. Milella / P. Pensabene, ArchCl 41, 1989, 36. 136 C. Cecchelli, Esercito e Nazione 4, 1930, 98; R. Lanciani, Storia degli scavi di Roma, Rom 19892, 37. 137 Krautheimer, Rom 89. 138 Die Passage stammt aus der interpolierten Fassung der Gregor-Vita des Paulus Diaconus: Ps.-Paul. Diac. 24

(PL 75, 56f.): Idem vero perfectissimus et acceptabilis deo sacerdos, cum quadam die per forum Traiani, quod opere mirifico constat esse exstructum, procederet, et misericordiae eins conspiceret, inter quae memorabile illud comperiret, videlicet quod cum idem orbis princeps in expeditionem, circumvallatus militum cuneis, pergeret, ibidem obviam habuerit vetustissimam viduam, senio simulque dolore ac paupertate confectam, cuius lacrymis atque vocibus sic compellatur. Gregorovius I, 276f.; C. Ponti, Capitolium 9, 1933, 74; C. Cecchelli, Le chiese della colonna Traiana e la leggenda di Traiano, in: ders., Studi e documenti sulla Roma sacra, I, Rom 1938, 97-125.

98 Rom

noch die Inschrift der Trajanssäule kopieren139 . In den Itinerarien durch die Stadt Rom, die der

Anonymus gibt, begegnet das Trajansforum mehrfach als Station14°. Der Anonymus Mabillon aus dem Ende des 8. Jh. bzw. Anfang des 9. Jh. zitiert vollständig die Dankesinschrift an Hadri-

an für die Schuldbuchverbrennung; diese Inschrift wurde 1838 gefunden141. Ab dem 11. häufen

sich schriftliche Nachrichten zum Forum Traiani142 . Im Ordo XI wird das Trajansforum zweimal

erwähnt143 , und auch in den Mirabilien wird es genannt144. In einem Diplom Leos XI. aus dem

Jahr 1049 ist von einem palatium, das Basilica Ulpia genannt wird, die Redelos. Der Anonymus

Magliabechianus lokalisiert im 15. Jh. das Palatium Traiani in La Militia146 .

Kirchen im Bereich des Trajansforums Mehrere Kirchen wurden seit frühmittelalterlicher Zeit

auf dem ausgedehnten Areal des einstigen Trajansforums errichtet und hinterließen zahlreiche

frühmittelalterliche Skulpturfragmente147 . Bereits im 4. Jh. wurde unter Julius I. (337-352) in der

Nähe des Trajansforums (iuxta forum divi Traiani) eine basilica Julia errichtet148. An dieser Stelle

entstand später die Kirche der Apostel Philippus und Jacobus, die unter Papst Pelagius I. (555-

60), also nach der byzantinischen Rückeroberung Roms, begonnen und unter Johannes III. (560-67) vollendet wurde149 . Im nördlichen Hemizyklium des Trajansforums wurden im Jahre 1929

die Reste der Kirche S. Abbaciro de Militiis gefunden15°. Nahe der heutigen Torre delle Milizie,

war bis 680 eine den ägyptischen Heiligen Cyrus und Johannes geweihte Kapelle — später, wie

es scheint, als S. Abbacyrus bekannt — gebaut worden151 . In der Nähe des Trajansforums befand

sich auch S. Laurentius de Biberatica, eine Kirche, die im Katalog des Jahres 1492 genannt

wird und im Katalog des Jahres 1555 unter der Bezeichnung S. Laurentioli prope Forum Traiani

regione Montium begegnet'52 . Ebenfalls dem hl. Laurentius war die im 10. Jh. entstandene Kirche

S. Lorenzo de Ascesa Proti am Clivus Argentarius geweiht153. Die 1864 demolierte Kirche S.

139 CIL VI, 960 = ILS 294; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 72f.; R. Meneghini, AMediev 20, 1993, 84. 140 Lugli, Fontes 16, 48 Nr. 290-2; Valentini / Zucchetti II, 176f., 185 u. 195; Walser, Einsiedler Inschriftensamm-

lung 162, 173 u. 189. 141 CIL VI, 966, 31215. A. Nibby, Roma nell'anno MDCCCXXXVIII, II, Rom 1839, 205. 142 Quellen zusammengefaßt bei R. Meneghini, AMediev 20, 1993, 87ff. 143 Lugli, Fontes 16, 41 Nr. 242f. u. 49 Nr. 295f.; Valentini / Zucchetti III, 213f. u. 218f. 144 Valentini / Zucchetti III, 54 u. 184; 145 Diplom Leos XI. (1049): ... itemque et palatium, qui vocatur Basilica Ulpia. C. Rasponi, De Basilica et

Patriarchio Lateranensi, Rom 1656, lib. 2, cap. 4. (R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 554). 146 Anon. Magliabechianus 6, 9, 11 u. 13. R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 554. 147 L. Pani Ermini, La diocesi di Roma II: La raccolta dei fori imperiali (= Corpus della scultura altomedievale

VII), Spoleto 1974, 78-167 Kat. Nr. 79-303. 148 Katalog des Jahres 354, Lib. Pont. I, 9; Lib. Pont. I, 2053f. mit Anm. 4. Zusammenfassung der Forschungslage

bei G. De Spirito, LTUR I, 180f. s. v. Basilica Iulii iuxta Forum Traiani. 149 Lib. Pont. I, 30314 u. 1,3053f.; ILCV 1766. Hülsen, Chiese 201f.; CBCR I, 77-81; H. Geertman, RendPontAcc

59, 1986/7, 68. lso Hülsen, Chiese 159ff. Nr. 1; P. Spezi, Una chiesa dell'alto medio evo identificata nella Via Biberatica presso

il Mercato di Traiano, RivAC 7, 1930, 69-89; M. Milella, ArchCl 41, 1989, 71. 151 Krautheimer, Rom 89. Zur Lokalisierung vgl. Valentini / Zucchetti III, 218. 152 Hülsen, Chiese 281. 153 Hülsen, Chiese 280f.; L. Barroero in: L. Barroero / A. Conti / A. M. Racheli / M. Serio (Hgg.), Via dei Fori

Imperiali, Rom 1983, 191ff.

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100 Rom

Maria in Campo Carleö erinnert mit ihrem Beinamen wohl an einen adligen Römer des 10. oder

11. Jh."4.

Erst wesentlich später erfahren wir von Kirchenbauten, die im Areal des Forums errichtet

wurden. Aus dem Jahre 1029/32 stammt die Erwähnung einer ecclesia S. Nicolai confessoris

posita subtus columnam Traiani155. Möglicherweise wurde S. Niccolö de Columna bereits früher

errichtet, denn eine Mehrfachbestattung, die nachträglich unter der Säulenbasis angelegt wurde

und vielleicht mit der Kirche zu tun hat, enthielt datierbares Fundmaterial des 8. / 9. Jh. (Abb. 40

u. 41)156 . Zu dieser Kirche gehört wohl auch eine frühmittelalterliche Altarplatte, die im Bereich

der Säule gefunden wurde157 . Ein Oratorium auf der Trajanssäule ist seit 1032 bezeugt; vielleicht

geht es sogar auf einen Styliten zurück, der sich im frühen Mittelalter auf der Säule niederließ158 .

Verfall des Trajansforums und Zerstörung Keramikfragmente im Mörtel von Mauerfragmen-

ten, die im Bereich der Basilica Ulpia gefunden wurden, datieren aus römischer Zeit bis ins

15. Jh.159 . Dieser Befund zeigt, daß Einbauten in die bzw. Überbauungen der Basilica Ulpia erst

im 15. Jh. stattfanden. Der allmähliche Verfall des Trajansforums spiegelt sich auch in einer

Reihe von Quellenangaben: Sowohl auf dem Plan eines Anonymus der ersten Hälfte des 15. Jh.

erscheinen Reste der Basilica Ulpia180 , als auch auf einer Stadtansicht in Mantua, die auf eine

Vorlage des späten 15. Jh. zurückgeht181. Quellen des 16. Jh. bewundern bereits die Ruinen der

einst großartigen Architektur162. Offenbar war die Basilica Ulpia in der ersten Hälfte des 14. Jh.

noch in gutem Zustand. Erst die Erdbeben 1349/50 und 1425 bzw. 1448 brachten sie nach und

nach zum Einsturz'83.

154 Hülsen, Chiese 319; R. Meneghini, Roma - ricerche nel Foro di Traiano. Nuovi dati archeologici d'archivio riguardanti le vicende medievali del monumento e la chiesa di S. Maria in Campo Carleö, AMediev 19, 1992, 409-436.

155 Hülsen, Chiese 394f.; A. Bartoli, Cento vedute di Roma antica, Florenz 1911, Taf. 39; Pani Ermini, a. 0. 19f. 156 G. Boni, NSc 1907, 365f. (Abb. 3 u. 4) u. 381ff.; C. Cecchelli, Le chiese della colonna Traiana e la legenda

di Traiano, in: ders., Studi e documenti sulla Roma sacra, I, Rom 1938, 97-125, hier 98 u. 106ff.; R. Me-neghini, AMediev 20, 1993, 84f. Andererseits kopierte der Anonymus von Einsiedeln noch die Inschrift des Säulensockels, die durch den Kirchenbau verdeckt wurde, so daß der Bau erst im 9. Jh. entstanden sein kann.

157 Pani Ermini, a. 0. 25ff. Kat. Nr. 1.

158 C. Cecchelli, Studi e documenti (a. 0.) 105ff., hier 105 mit Anm. 3.

159 R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 541ff.

160 A. P. Frutaz, Le piante di Roma, Rom 1962, II, Taf. 154. 161 Frutaz, a. 0. Taf. 167-9; R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 555f. (Abb. 8).

162 R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 555.

163 R. Meneghini, AMediev 16, 1989, 557.

III. Interpretation

Die zurückliegenden Seiten dienten einer Zusammenfassung des archäologischen, epigraphischen und literarischen Befunds der wichtigsten Platzanlagen Roms. Es war die Rede von verschiede-nen Arten von Fora, zunächst dem Forum 'schlechthin', dem Forum Romanum, dann von den Kaiserfora. Wie läßt sich der dargelegte Befund deuten?

1. Interpretation der spätantiken Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora

a. Tetrarchische Zeit (Abb. 43)1

Ausgangspunkt für die Umgestaltung des Forum Romanum, aber auch des Caesarforums unter Diokletian und den Tetrarchen war der Brand des Jahres 283, dessen zerstörerische Auswirkun-gen wohl schwerer waren, als bisher vermutet wurdet. Dieser Brand verursachte die Zerstörung der Kurie, der Basilica Iulia, der Rostra und auch von Teilen des Caesarforums. Der Chronograph des Jahres 354 schreibt3:

Unter diesen Kaisern (Carinus und Numerianus) ereignete sich eine große Hungersnot und es brannten öffentliche Bauten ab, der Senat, das Caesarforum, die Basilica Iulia und die Graecostasis.

In der Folgezeit wurden diese Bauten wiedererrichtet, wobei man sich, wie inzwischen z. T. auch aus genaueren archäologischen Indizien hervorgeht, weitgehend an dem einstigen Erscheinungs-bild der Bauten orientierte, im Detail jedoch modifizierte4.

Neuausrichtung des Forumsplatzes Nach H. P. L'Oranges und H. Kählers Untersuchungen zum tetrarchischen Fünfsäulenmonument, in denen die bedeutende Rolle der Tetrarchen bei der Neugestaltung des Westteils des Forums unterstrichen wird, wiesen vor wenigen Jahren erneut C. F. Giuliani und P. Verduchi auf den tiefgreifenden Wandel dieser Platzanlage unter den Tetrar-chen und insbesondere unter Diokletian hin. Mit der Errichtung zweier Fünfsäulenmonumente auf den einander gegenüberliegenden Rednerbühnen gewann der Platz eine deutliche Ausrich-

1 Kähler, Fünfsäulenmonument bes. 31ff.; Giuliani / Verduchi 185-187; H. Brandenburg, Die konstantinischen Kirchen in Rom. Staatstragender Kult und Herrscherkult zwischen Tradition und Neuerung, in: Mcruo- LKö 71.vii2. Festschrift für Max Wegner zum 90. Geburtstag, Bonn 1992, 27-58, hier 27-33; Richardson, Top. Dict. 173.

2 P. Werner, De incendiis urbis Romae aetate imperatorum, Leipzig 1906, 44; Kähler, Fünfsäulendenkmal 34. 3 Chronogr. d. J. 354, 148: His imper(atoribus) (Carinus und Numerianus) fames magna fuit et operae publicae

arserunt senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam, et Graecostadium. 4 Chronogr. d. J. 354, 148: His imperatoribus (Diokletian und Maximian) multae operae publicae fabricatae

sunt: senatum, forum Caesaris, basilica Iulia, scaena Pompei .

102 Rom

tung auf die Schmalseiten (Abb. 42) 5. Mit dem Bau der östlichen Rostra wird der Forumsplatz

spürbar begradigt, wenn auch deutlich verkleinert. Die nunmehr rechteckige Platzanlage durch-

zog eine Achse, der sich auch die später errichteten Monumente unterwarfen6 . War bisher noch

die Fassade der Basilica Iulia für die Ausrichtung des Forumsplatzes bestimmend gewesen, so

wurde es nun die zwischen den Mittelsäulen der einander gegenüberliegenden Rostra gedachte

Achse.

Die Säulenmonumente an der Südseite des Forumsplatzes Ungelöst ist die Datierung der sie-

ben Säulenmonumente an der Südseite des Platzes, die wohl unter den Tetrarchen oder Maxentius

entstanden (Taf. 13.1)7 . Durch deren Errichtung verstärkte sich der Eindruck eines gleichförmi-

gen Rahmens, den bereits die beiden einander gegenüberliegenden Rostra mit ihren Säulenmo-

numenten hervorgerufen hatten8. Der eigentliche Platz wurde von den umgebenden Monumenten

isoliert und abgeschlossen. Die dem Handel, der Rechtsprechung, der Verwaltung und dem Kult

dienenden Gebäude, die Tempel des Divus Iulius, der Dioskuren, des Saturn, des Vespasian und

der Concordia sowie die Basilica Iulia traten hinter einen Vorhang von Ehrensäulen in die zweite

Reihe zurück'. Die Nordseite des Forumsplatzes wurde durch die Via Sacra begrenzt, die als

befahrbare Rampe zum Severusbogen ausgebaut wurde". Kulissenhaft öffnete sich der Platz

dem Passanten, der sich entlang der Nordseite des Platzes bewegte". Das Forum Romanum ver-

lor an Transparenz, wurde zu einem abgeschlossenen Raum, in dem nun Monumente imperialer

Selbstdarstellung dominierten. Der Platz wurde, um mit den Worten Zankers zu sprechen, in

seiner Abgeschlossenheit erfahrbar und damit selbst zum Monument".

Wessen Statuen sich auf den insgesamt 17 Säulenmonumenten befanden, läßt sich nur zum

Teil rekonstruieren. Die Säulen auf den Westrostra zeigten die Genien der Tetrarchen und Jupiter;

möglicherweise befand sich auf den Ostrostra eine gleichartige Gruppe. Die übrigen Säulenmo-

numente an der Forumsüdseite trugen vielleicht Statuen von Vorgängern auf dem Kaiserthron,

vielleicht aber auch solche der Familie des Kaisers, der sie errichten ließ.

Statuarische Ausstattung Zahlreiche Inschriftenbasen mit dem Namen des Tetrarchen Ma- ximian fanden sich am Forum — auf den Kaiserfora hingegen fehlen Hinweise auf Statuen der

Tetrarchen. Als Fundorte fallen der Bereich vor der Kurie und die Basilica Iulia auf". Drei

weitere Statuen könnten sich im Bereich der Via Sacra befunden haben14 . Statuenbasen des

5 Kähler, Fünfsäulenmonument 34 u. 36. 6 Giuliani / Verduchi 185f.

7 Vgl. hierzu C. F. Giuliani in: Roma I, 14; Giuliani Verduchi 163 (Abb. 232f. u. 185-187). Die Autoren beziehen ihre Schlußfolgerungen auf die tetrarchische Zeit, da sie auch die Säulenmonumente tetrarchisch datieren.

8 P. Verduchi in: Roma I, 31; Giuliani / Verduchi 185f. 9 Giuliani / Verduchi 186.

1° Giuliani / Verduchi 35 u. 187. 11 Vgl. auch P. Verduchi in: Roma I, 31. 12 Vgl. P. Zanker, AA 1970, 504f. 13 CIL VI, 36947 (FO: S. Adriano, in einer mittelalterlichen Mauer verbaut); CIL VI, 1127 (FO: Basilica Iulia,

1849); CIL VI, 31241 = 1128 (FO: Basilica Iulia, 1871). 14 CIL VI, 1125 (FO: in foro sub Palatino); D. Vaglieri, BullCom 28, 1900, 65; C. Hülsen, Klio 2, 1902, 243

Nr. 25; Ruggiero, Foro 487f. (FO: westl. des Titusbogens, in einem mittelalterlichen Fundament); CIL VI, 36948. Lugli, Roma antica 169 (FO: befand sich 1909 vor der Basilica Aemilia).

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 103

Konstantius Chlorus fanden sich beim Severusbogen und bei der Phokassäule". Damit deu-

ten sich zwei Schwerpunkte statuarischer Ausstattung des Forums an, die Via Sacra und der

ehemalige Comitium-Bereich. Gegenüber der Vielzahl von Statuen des Maximian sind die In-

schriftenbasen mit dem Namen Diokletians auffallend spärlich. Doch dürfte dieses Mißverhältnis

aus der Regierungszeit des Maxentius herrühren.

Trotz aller Wandlungen und Neuerungen waren Diokletian und die Tetrarchen bestrebt, das

ehemalige Erscheinungsbild des Forums wiederherzustellen. Dieser Versuch einer ideellen Resti-

tution des römischen Reichs drückt sich im übrigen auch in der Darstellungsform der Tetrar-

chen (bzw. deren Genien) auf dem Fünfsäulenmonument aus, die in der Toga erscheinen". Das

Fünfsäulenmonument ist auch das einzige Denkmal, das genauer über die ideologischen Grund-

lagen der tetrarchischen Neuausstattung informiert. Zentrale Aussage dieses Monuments war —

ausgedrückt durch die Opferszenen auf allen fünf Sockeln — die pietas der Tetrarchen als Basis für

Glück und Gedeihen des Staates''. Zudem wird durch die Viktorien und die besiegten Barbaren

auf die Sieghaftigkeit der Kaiser hingewiesen, die Garantin für den Fortbestand des Reiches ist.

Damit sind die wesentlichen Tugenden angesprochen, derer sich auch bereits die Vorgänger auf

dem Kaiserthron rühmten, die pietas erga deos und die Eigenschaft als semper victores.

b. Die Zeit des Maxentius"

Die Neugestaltung des Via-Sacra-Bereichs Die Bau- bzw. Ausstattungstätigkeit des Maxenti- us konzentrierte sich auf den Bereich der Via Sacra sowie auf den Vorplatz der Kurie. Anlaß zur Umgestaltung des Abschnitts der Via Sacra östlich des Forums war ein Brand im Jahre 307,

der den Tempel der Venus und Roma teilweise zerstörte, vielleicht aber auch die benachbarten Bauten erfaßte". Im Mittelpunkt der Bautätigkeit des Maxentius stand die Errichtung der Ma-xentiusbasilika, eines gewaltigen Repräsentationsbaus, der sich auf den Fundamenten einstiger

Nutzbauten, der Horrea Piperataria, erhebt. Daneben wurde der Tempel der Venus und Ro-ma tiefgreifend restauriert sowie auch der Rundbau an der Via Sacra errichtet. Ein einstiger Nutzbereich wurde in einen gewaltigen Repräsentationsbereich, in einen einheitlichen Raum im Anschluß an das Forum Romanum und die Kaiserforen umgewandelt20. So entstand in Konkur-renz zum Forum Romanum ein eigenständiges Toro di Massenzio' (Fiore), dessen Ausmaße ca. 25 m x 140 m betrugen und das von der Maxentiusbasilika, dem `Romulustemper, dem Tempel der Venus und Roma sowie der Portikus gegenüber der Basilica des Maxentius begrenzt wurde.

15 CIL VI, 1132 (FO: beim Severusbogen); CIL VI, 1133 (FO: bei der Phokassäule, 1835). In beiden Fällen ist der Geehrte noch Caesar.

16 H. G. Niemeyer, Studien zur statuarischen Darstellung der römischen Kaiser (= MAR 7), Köln 1968, 47. 17 H. P. L'Orange, RM 53, 1938, 32f.; J. Engemann, FMSt 18, 1984, 341. 18 C. Hülsen, Das Grab des Romulus, Das humanistische Gymnasium 11, 1900, 149-158; ders., Rivista di storia

antica 5, 1900, 383-399; ders., Klio 2, 1902, 228ff.; A. K. Frazer, Four Late Antique Rotundas: Aspects of Fourth Century Architectural Style in Rome, Diss. New York 1964, bes. 64ff.; F. P. Fiore in: Il 'Tempio di Romolo' al Foro Romano (= Quaderni dell'Istituto di Storia dell'architettura ser. 26, 1980, fasc. 157-162), Rom 1981, 63f.; F. Coarelli, L'Urbs eil suburbio, in: Societä Romana II, 1-58, hier 1-35; H. Brandenburg, Die konstantinischen Kirchen in Rom. Staatstragender Kult und Herrscherkult zwischen Tradition und Neuerung, in: MovcruKCK 'Airrip. Festschrift für Max Wegner zum 90. Geburtstag, Bonn 1992, 27-58, hier 28-32.

19 Chronogr. d. J. 354, 148: hoc imperatore (Maxentius) templum Romae arsit et fabricatum est. P. Werner, De incendiis urbis Romae aetate imperatorum, Diss. Leipzig 1906, 44f.

20 Fiore, a. 0. 63f.

104 Rom

Sicherlich ist die Konzentrierung der Bautatigkeit auf den Via-Sacra-Bereich als Reaktion auf die

tetrarchische Umgestaltung des Forums zu verstehen, das ganz von Monumenten der Tetrarchie

vereinnahmt war21.

Das Monument fur Mars und die Zwillinge Romulus und Remus Das Augenmerk des Ma-

xentius galt auch einer Reihe von Monumenten, an die sich uralte stadtromische Traditionen

ankniipften. So liel3 Maxentius im Zusammenhang mit einer Erneuerung des alten 'Romulus-

grabes' vor der Kurie eine Gruppe von Statuen aufstellen, die Mars mit Romulus und Remus

darstellten. Hierin ist ein Riickgriff auf Romulus, den mythischen Grunder Roms, zu sehen, den

Maxentius nicht nur auf seinen Miinzen propagiert hatte, sondern mit dem er sich offenbar auch

gleichsetzte22. Wrede sieht als Interpretationsgrundlage zudem die Verbindung dieser Statuen-

gruppe zum Fiinfsaulenmonument. Maxentius suchte die im Fiinfsaulenmonument ausgedriickten

Ideen durch eine eigene Programmatik zu iiberlagern: Das tetrarchische Regierungsjubildum und

den Aufstellungsort seines Denkmals am Platz der Griindungsopfer beantwortete Maxentius mit

dem Geburtstag Roms und mit einer Weihung fur die Criinder der urbs aeterna. Bekundeten

die genii imperatorum, zu den Seiten Jupiters die Idee des tetrarchischen Wahlkaisertums, so

lief3 die Weihung fur Mars pater und seine &Vine den Gedanken an Erbfolge anklingen23. Be-

tonte Maxentius in einer ersten Phase seiner Herrschaft noch seinen Anspruch auf Zugehorigkeit

zum tetrarchischen Herrschaftssystem, wie auch seine Miinzpragungen verdeutlichen, welche die

Portrats aller Tetrarchen zeigen, so bewog ihn die ausbleibende Anerkennung als Tetrarch sowie

die zunehmende Isolierung und Achtung als Usurpator zu einer Betonung der nationalromischen

Komponente und Propagierung des dynastischen Systems24. Vielleicht sind auch die vor dem

Tempel der Venus und Roma befindlichen Statuen des Herkules, der Dioskuren, der altitalischen

Konige und des eponymen Stammvaters der Troer, die noch Prudentius sah, Maxentius zuzu-

schreiben25. Die Betonung der uralten Wurzeln Roms, die Propagierung der urbs aeterna, die in

dieser Statuengruppe zum Ausdruck kommt, fide sich gut in die Herrschaftsideologie des Ma-

xentius einfiigen. Die restaurative Einstellung auf3ert sich schliefilich auch in der Munzlegende

Conserv(ator) Urbis Suae26.

Statuarische Austattung Obwohl Maxentius der damnatio memoriae verfiel, ist der epigra-

phische Befund eigenartigerweise alles andere als sparlich. Auf3er dem erwahnten Monument fiir

die Stadtgriinder im Bereich vor der Kurie fand sich noch eine bislang unpublizierte Inschrif-

tenbasis am Argiletum27. Schlief3lich sind noch die beiden Inschriftenbasen des Maxentius und

seines Vaters Maximian westlich des Titusbogens zu erwahnen, die zur Ausstattung der Via

21 Frazer, Late Antique Rotundas (a. O.), 68f.

22 C. Hiilsen, Das humanistische Gymnasium 11, 1900, 151f. Von einem Panegyriker Konstantins wird Maxentius als falsus Romulus bezeichnet (Anon., paneg. in Const. 18, 1 ed. Galletier II, p. 138).

23 H. Wrede, BJb 181, 1981, 142. 24 Vgl. hierzu A. Frazer, The Iconography of the Emperor Maxentius' Buildings on Via Appia, ArtB 48, 1966,

385ff., und S. Elbern, RomQSchr 85, 1990, 37f. 25 S. O. S.60. 26 H. Mattingly / E. A. Sydenham / C. H. V. Sutherland (Hgg.), Roman Imperial Coinage, VI: From Diocletian's

Reform (A. D. 294) to the Death of Maximinus (A. D. 313), London 1967, 110f. 27 S. U. S. 402.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 105

Sacra zählten28. Diese beiden Inschriftenbasen sind, obwohl von verschiedenen Stiftern und auch

verschiedenen Datums, deutlich aufeinander bezogen, wie die Bearbeitung der Basen zeigt. Der

umgewandelte Via-Sacra-Bereich östlich des Forums war also Rahmen für die statuarische Re-

präsentation des Maxentius, die auch seinen Vater einbezog. Abermals klingt das dynastische

Prinzip an, das Grundlage der Herrschaftslegitimation des Maxentius war. Es wurde bereits vor-

hin vermutet, daß die auffallend hohe Zahl von Statuen des Maximian im Gegensatz zur geringen

Anzahl von Statuen des Diokletian ein Ergebnis dieser zweiten Phase der Herrschaftslegitimation

ist. Maxentius betonte bewußt die Abkunft vom Augustus Maximian und vermied Hinweise auf das tetrarchische System.

Mit der tetrarchischen Umwandlung des Forumsplatzes und den Großbauten des Maxentius

entlang der Via Sacra ist ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte des Forum Romanum

erreicht. Von nun an beschränkte sich die Bautätigkeit nur mehr auf Restaurierungsarbeiten,

Umwandlungen bestehender Bauten und kleinere Veränderungen.

c. Konstantinische Zeit"

Regionenverzeichnisse Die in konstantinische Zeit zu datierenden Regionenverzeichnisse in- formieren uns über den Zustand des Stadtzentrums zu dieser Zeit, aber auch über die zeitgenössi-sche Auffassung des Forum Romanum und der angrenzenden Kaiserfora30 . Beide Verzeichnisse nennen regionenweise Monumente in der Reihenfolge ihrer topographischen Abfolge, was auch zur Vermutung führte, bei den Regionenverzeichnissen könnte es sich um Angaben der Regio-

nengrenzen handeln, die durch Monumente am Rande der Regionen definiert würden31. Gerade aber die Region 8 (Forum Romanum Magnum), zu der nicht nur das Forum Romanum, sondern auch die Kaiserfora und das Kapitol zählten, macht hier öfter eine Ausnahme32 . Wenn man nicht von späteren Interpolationen dieses Schriftstücks ausgehen will, dann bleibt als Erklärung nur die Annahme, es handle sich um ein halboffizielles Schriftstück, in dem der Versuch einer Angabe von Regionengrenzen verunklärt wird durch die Bewunderung der vielen Sehenswürdigkeiten im

Forumsbereich, die aufzuzählen der Verfasser nicht unterlassen kann. So strebt er an, die am Westrand des Forums versammelten Denkmäler anzugeben, die er als bedeutend empfindet. Da-bei fällt die Nennung des Miliarium Aureum und des Umbilicus Urbis auf, also von Monumenten,

28 Maxentius: CIL VI, 36949. Maximian: CIL VI, 36946. 29 A. Lüning, Die Kunstpolitik des Kaisers Konstantin in Trier, Rom, Konstantinopel und Jerusalem, unpubl.

Diss. Jena 1985, 21-25; Giuliani / Verduchi 187. 3° Texte bei Valentini / Zucchetti I, 113ff. bzw. 173ff. Zur Datierung der Regionenverzeichnisse s. A. Nordh,

Libellus de Regionibus Urbis Romae, Lund 1949, 61ff. 31 Nordh, a. 0. 58ff. 32 Gerade in diesem Abschnitt werden mehrere Monumente genannt, deren topographische Aussage als Regio-

nengrenze sehr fraglich ist. Die zusammenfassende Auflistung dreier Rostra ist nicht nur eine topographische Ungenauigkeit, sondern zumindest im Falle der Augusteischen Rostra auch ungerechtfertigt, da diese nicht an einer Regionengrenze liegen. Aber auch die anderen beiden Rostra werden überflüssigerweise genannt, da der Castortempel ohnehin aufgelistet wird, und auch die diokletianischen Rostra sich nicht an der Re-gionengrenze befinden. Der in einer Zeile mit dem Genius populi Romani genannte (und demnach offenbar benachbarte?) Equus Constantini ist ebenfalls nicht als Markierung der Regionengrenze zu verstehen. Auch die Nennung des Umbilicus Romae sowie des Miliarium Aureum läßt sich topographisch nicht begründen. Andererseits kann auch eine in unserem Sinne komplette Erfassung des Forums und seiner Monumente nicht erstrebt gewesen sein, denn wo blieben sonst der Severusbogen und die Monumente in der Forumsmitte?

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Abb. 42. Abb. 43.

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Abb. 44.

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Abb. 42. Das Forum zu Beginn des 4. Jh., Rekonstruktion nach P. Verduchi.

Abb. 43. Forum Romanum, tetr-archische Baumaßnahmen.

Abb. 44. Forum Romanum, nach-tetrarchische Baumaßnahmen.

Abb. 45. Forum Romanum, früh- mittelalterliche Baumaßnahmen. Abb. 45.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 107

in denen sich die Mittelpunktstellung und damit die Bedeutung Roms ausdrückt. Auch nennt er das Reiterdenkmal des regierenden Kaisers und das Minervastandbild beim Senat. Die Angaben zu Höhe, Stufenanzahl und Fensteranzahl der Trajanssäule enthüllt den Enzyklopädismus, der hinter den Regionenverzeichnissen steckt. Hier werden neben topographischen Angaben auch in der Manier eines Reiseführers staunenswerte Zahlen genannt, die beeindrucken sollen. In typisch spätantiker Art und Weise wird eine Katalogisierung verschiedener Monumente vorgenommen, in denen sich Glanz und Bedeutung Roms zu Beginn der Spät antike widerspiegeln.

Konstantinische Bautätigkeit Eigenartigerweise sind kaum Eingriffe Konstantins in den Be- stand des Forums und der Kaiserfora überliefert; sichere archäologische Befunde fehlen, wie auch die Quellen hierüber schweigen. Allerdings sind im Bereich der Bauten an der Via Sacra östlich des Forums mehrfach Umbauten belegt (Abb. 18). Diese Veränderungen an den Bauten östlich des eigentlichen Forumsplatzes sind zunächst als Maßnahmen zu verstehen, die den Sieg über den Usurpator Maxentius öffentlich darstellen sollten. Dies äußert sich in Umgestaltungen, Um-weihungen und Umbenennungen der Bauten des Maxentius, mit denen das Andenken an den Staatsfeind ausgelöscht werden sollte33:

Alle Werke, die er (Maxentius) errichtet hatte, das fanum urbis (Tempel der Venus und Roma) und die Basilica Flavii (Maxentiusbasilika), weihten die Väter den Verdiensten (des Konstantin).

Entscheidende Veränderungen erfuhren die Basilica Nova und der `Romulustemper. Erstere wur-de auf die Via Sacra hin umorientiert, erhielt eine neue Apsis, ein Kolossalbild Konstantins in der alten Westapsis sowie ein aufwendiges Portal. Die Rotunde und ihre Nebenräume im Anschluß an das Forum Pacis bekamen ebenfalls eine neue Fassade. Durch eine Abfolge von Prachtfassaden, die sich zur Via Sacra öffneten, gewann dieser Bereich gegenüber dem Forum an Eigengewicht. Unter Konstantin verstärkte sich der Platz-Charakter, den dieser Straßenabschnitt bereits un-ter Maxentius erhalten hatte. Die Maxentiusbasilika selbst wurde in einen Raum umgestaltet, der ganz von dem gewaltigen, gottgleichen Kaiserbild an der Schmalseite beherrscht wurde. Die Basilica Constantini, so ihr neuer Name, stand jetzt ganz im Dienst der Verehrung des Siegers an der Milvischen Brücke34 .

Statuarische Ausstattung Aurelius Victor zufolge soll Konstantin die Stadt mit goldenen und silbernen Statuen geschmückt haben35. Daß diese Nachricht durchaus zutreffen könnte, belegen die verhältnismäßig zahlreichen Inschriftenbasen des Kaisers, die auf dem Forum und im Bereich des Trajansforums gefunden wurden. Neben der Kolossalstatue Konstantins in der Westapsis der ehemaligen Maxentiusbasilika erhielt der Forumsplatz mit der Reiterstatue Konstantins, die sich an der Südostecke des Severusbogens befand, ein weiteres Denkmal des Siegers an der Mil-vischen Brücke. Außerdem fanden sich mehrere Inschriftenbasen mit dem Namen Konstantins. Deren Fundorte deuten darauf hin, daß der Vorplatz der Kurie ein Schwerpunkt statuarischer

33 Aur. Vict., Caes. 40, 26: Cuncta opera, quae magnifice construxerat urbis fanum atque basilicam Flavii meritis patres sacravere. Kähler, Fünfsäulenmonument 38; Lüning, Kunstpolitik (a. 0.) 27.

34 H. Kähler, JdI 67, 1952, 24f. 35 Aur. Vict., Caes. 40, 28.

108 Rom

Repräsentation blieb". Hier mußten Statuen des konstantinischen Kaiserhauses neben das von

Maxentius gestiftete Monument für Mars und die Zwillinge treten, das offenbar belassen wurde.

Weitere Inschriftenbasen fanden sich beim Vespasianstempel, beim Lacus Iuturnae und in der

Basilica Aemilia". Für den eigentlichen Forumsbereich sind keine Baumaßnahmen überliefert. Es scheint, als

habe Konstantin bewußt das Forum Romanum als Bühne für monumentale herrscherliche Re-

präsentation gemieden". H. Brandenburg erklärt dies einleuchtend mit dem neuartigen Baupro-

gramm Konstantins, das sich nicht mehr dem traditionsreichen Stadtzentrum zuwandte, sondern

der Peripherie der Stadt, in der ein Kranz von Kirchenbauten entstand39. Dieses Baukonzept

konstantinischer Zeit ist — so Brandenburg — gekennzeichnet durch das vielfache Aufgreifen des

Architekturtyps der Basilika, der sich als Kultbau und Versammlungsort für eine stetig an-

wachsende christliche Religionsgemeinschaft anbot40. Auf dem Forumsplatz war dafür weder

architektonisch noch ideell Platz'".

Die Zeit der Konstantinssöhne Aus der Zeit der Konstantinsöhne sind keine tieferen Eingriffe

in das Forum und die Kaiserfora überliefert. An der Nordostecke des Severusbogens, also in

unmittelbarer Nähe zum equus Constantini, wurde Konstantius II., dessen Staunen über den

equus Traiani Ammian überliefert, ein Reiterstandbild errichtet, dessen Widmungsinschrift sich

erhalten hat. Ansonsten existieren kaum Hinweise auf eine Bautätigkeit am Forum: lediglich die

unter Fabius Titianus wiedererrichteten Statuen entlang der Via Sacra verdienen Erwähnung

(Taf. 16.1), doch stellen diese kein kaiserliches Projekt dar, sondern eine Erhaltungsmaßnahme

des Stadtpräfekten des Jahres 339-41. Das auffallende Fehlen von Nachrichten über eine Bautätigkeit am Forum oder an den Kaiser-

fora unter Konstantius II. hängt sicherlich auch mit dem gleichzeitigen Ausbau Konstantinopels

zur Residenzstadt zusammen. Die meisten der dortigen großen Bauprojekte wurden erst unter

Konstantius II. eingeweiht und beanspruchten somit einen Großteil der zur Verfügung stehenden

Finanzmittel42. Das Forum Romanum stagnierte in dieser Zeit spürbar, das einzige Triumphal-

36 a.) CIL VI, 36952. Lugli, Roma antica 126 (FO: vor der Front von S. Adriano), b.) CIL VI, 36953 (FO: Ostseite von S. Adriano).

37 CIL 1156a (FO: in hortis prope tres columnas = Vespasianstempel bzw. iuxta columnam (prope columnam) = Phokassäule, 1554); CIL VI, 36951 (FO: Beim Lacus Juturnae); CIL VI, 36990. Lugli, Roma antica 169 (FO: vielleicht in der Basilica Aemilia).

38 Vgl. LaBranche, Roma Nobilis 121. 39 H. Brandenburg, Die konstantinischen Kirchen in Rom. Staatstragender Kult und Herrscherkult zwischen

Tradition und Neuerung, in: Mouumb AvAe. Festschrift für Max Wegner zum 90. Geburtstag, Bonn 1992, 27-58, hier 33. vgl. auch R. Krautheimer in: Costantino il Grande, II, Macerata 1993, 545f., der in der Verlagerung der frühkonstantinischen Bauprojekte aus dem Zentrum Roms u. a. eine bewußte Vermeidung eines Konflikts mit den Nichtchristen sieht.

40 Brandenburg, a. 0. 56ff. 41 Vgl. auch L. Reekmans in: Actes 11. Congr. Int. Arch. Chrk., Lyon - Vienne - Grenoble - Genf- Aosta 1986

(Rom 1989), II, 873f. Reekmans führt als Argument für das Fehlen christlicher Kultbauten in den monumental ausgebauten Stadtzentren u. a. auch den dortigen Platzmangel an.

42 Die meisten der Großprojekte Konstantins in Konstantinopel, etwa die Stadtmauer, die H. Sophia, die Apo-stelkirche oder die Konstantinianai-Thermen, wurden erst unter Konstantins II. vollendet und eingeweiht: Müller-Wiener 20.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 109

monument Konstantius' II., der Obelisk, der sich heute im Lateran befindet, wurde nicht auf dem Forum errichtet, sondern auf der Spina des Circus Maximust".

d. Die Zeit der valentinianisch-theodosianischen Dynastie

In die Zeit der valentinianisch-theodosianischen Dynastie datieren einige Reparations- und Wie-deraufbaumaßnahmen an Bauten, die im Lauf der Zeit baufällig oder durch Brand zerstört wor-

den waren. 367 wurde die Porticus Deorum Consentium durch den Präfekten Vettius Agorius Praetextatus repariert44. Wohl zwischen 360 und 380 wurde der durch Brand zerstörte Saturn-tempel von Senat und Volk tiefgreifend erneuert. Eine weitere Bauinschrift bezeugt Reparaturen

an einem nicht sicher bestimmbaren Bauwerk unter den Kaisern Gratian, Valentinian II. und Theodosius durch den Stadtpräfekten L. Valerius Septimius Bassus45. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die östlichen Rostra, die in ein Monument zu Ehren des regierenden Kaiserhauses umgewandelt wurden. Ein weiteres Architravfragment nennt ebenfalls den Namen dieses Stadt-präfekten46. Die genannten Baumaßnahmen wurden ausschließlich vom Stadtpräfekten oder dem

Senat durchgeführt. Daß man sich wieder verstärkt dem Forum als Bühne imperialer Repräsen-tation zuwandte, zeigen das Monument der Kaiser Theodosius, Valentinian II. und Arkadius vor der Kurie sowie das aufwendige Denkmal zu Ehren der Kaiser Arkadius und Honorius, das wahr-

scheinlich auf dem Postament mit den wiederverwendeten Anaglypha Traiani errichtet wurde.

Dieser Befund deckt sich damit, daß gegen Ende des 4. Jh. und zu Beginn des 5. Jh. Rom wieder verstärkt als Kaiserresidenz diente47.

e. Das 5. Jh. und die Eroberungen durch Alarich, Geiserich und Ricimer

Noch im Jahre 404 beschrieb der Dichter Claudian in seinem Panegyricus auf das 6. Konsulat des Kaisers Honorius die Straßen und Fora Roms als von einer Menge von Statuen aus Marmor und Bronze gesäumt48:

Über die Rostra erhebet den Gipfel die Regia hoch auf,

Schaut so viele der Tempel umher: und der Götter so viele

Stehn als Wächter um sie. Schön unter dem Dache des Tonans

Sind ob Tarpejischem Felsen zu schaun hochschwebende Riesen,

Schön gebildete Türen, und Statuen mitten in Wolken

Fliegend, und dicht vom Gedränge der Tempel und dichter der Äther.

43 Zu diesem Obelisken s. H. Wrede, IstMitt 16, 1976, 185ff. 44 CIL VI, 102 -= ILS 4003; H. Bloch, A New Document of the Last Pagan Revival in the West, 393-394 A.D.,

HarvTheolR 38, 1945, 199-244, hier 203-9. 45 CIL VI, 1184a. 46 CIL VI, 37132. C. Hülsen, Klio 2, 1902, 271 Nr. 51 (FO: zwischen Castor- und Vestatempel, in eine mittel-

alterliche Mauer verbaut): L(ucius) Val(erius) Sep[timius Bassus]. 47 S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 40ff. 48 Claudian, de VI. cons. Honorii v.42-52: Attollens apicem subiectis regia rostris I Tot circum delubra videt

tantisque deorum Cingitur excubiis! Iuvat infra tecta Tonantis I Cernere Tarpeia pendentes rope Gig antas Caelatasque fores mediisque volantia signa Nubibus et densum, stipantibus aethera templis Aeraque vestitis numerosa puppe columnis Consita subnixasque iugis inmanibus aedes, I Naturam cumulante manu, spoliisque micantes I Innumeros arcus. Acies stupet igne metalli I Et circumfuso trepidans obtunditur auro. Übs. nach Gregorovius I, 28.

110 Rom

Auf den geschnäbelten Säulen so viel auch erzener Bilder,

Und die Gebäude sodann ob riesigem Grundbau ruhend,

Wo die Natur aufhäufete Kunst; und unzählige Bogen

Spolien-schimmernd; es starrt das Auge von Flammen des Erzes,

Und den geblendeten Blick macht ringsum strömendes Gold stumpf

Dieses Erscheinungsbild sollte sich mit den Zerstörungen infolge der Erdbeben und Plünderun-

gen Roms im 5. Jh. ändern. In den Jahren 408, 442, 447 und 470 ereigneten sich Erdbeben,

deren Schäden sich allerdings nur selten archäologisch feststellen lassen49. Etwas besser lassen

sich die Auswirkungen der zahlreichen Einfälle im 5. Jh. verfolgen: 410, 455 und 472 n. Chr.

zogen Barbarenhorden plündernd durch Rom, die nicht nur Schäden an der Bausubstanz ver-

ursachten, sondern auch die Stadt eines Großteils ihrer statuarischen Ausstattung beraubten.

Wenn auch allgemein darauf hingewiesen wird, daß die Plünderungen und Zerstörungen sich in

Grenzen hielten, so bedeutete dieses Ereignis, wie der archäologische und epigraphische Befund

nahelegt, zumindest im Westen des Forums und im Caesarforum einen erheblichen Einschnitt5°.

Nachweislich nahmen die Kurie, das Secretarium Senatus, die Südportikus des Caesarforums,

die Basilica Aemilia und die Basilica Iulia Schaden, vielleicht auch das kleine Janusheiligtum.

Abermals scheint man sich um eine Wiederherstellung des vormaligen Zustands bemüht zu ha-

ben. Allerdings wurden im Zuge des Wiederaufbaus auch Veränderungen vorgenommen, in denen

sich die Baugesinnung des beginnenden 5. Jh. ausdrückt. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll

am Beispiel der Umgestaltungen an der Basilica Aemilia und am Caesarforum. Die Südporti-

kus des Caesarforums wurde im alten Erscheinungsbild wiederhergestellt, wobei man auf jene

typisch spätantike Säulenordnung, deren Basen aus würfelförmigen Blöcken bestanden, zurück-

griffm. Das 410 zerstörte Mittelschiff der Basilica Aemilia wurde auf der Westseite durch eine

Ziegelfassade maskiert, die Raum gab für statuarische Repräsentation (der Kaiser?). Die in den

Nischen dieser Wand errichteten Statuen konnten ganz unmittelbar auf den Betrachter wirken,

wenn dieser das Forum betrat. Die Umgestaltung der Fassade der Basilica Aemilia orientierte sich ebenfalls an spätantiken ästhetischen Vorstellungen. Auch hier schob man den Säulenbasen

würfelförmige Blöcke unter. Die Basilica Aemilia wurde durch diese beiden Baumaßnahmen zu

einer Kulisse, hinter der sich das zerstörte Mittelschiff verbarg52 . Die Bemühungen der Stadt-

präfekten um die Konservierung des Forums gingen so weit, daß man die Schaufassade eines

Baus wiedererrichtete, der seine einstige Funktion verloren hatte; nur aus der Erinnerung an die verlorene Größe Roms bezog er seine Bedeutung und seinen Anspruch auf Schutz.

Als Bauherren begegnen fast ausschließlich stadtrömische Instanzen, der Stadtpräfekt und der Senat. Nebenbei werden auch die Kaiser genannt, was aber nicht auf einer tatsächlichen Beteiligung an diesen Wiederaufbaumaßnahmen beruhen muß, sondern auf gesetzlichen Bestim-

49 Quellen zu den Erdbeben zusammengefaßt bei Lugli, Fontes I, 67ff. Möglicherweise erinnern spätantike Zie-gelstempel, die in der Basilica Aemilia gefunden wurden, an Ausbesserungen infolge des Erdbebens des Jahres 442 (Paul. Diac., Hist. Rom. 13, 16): M. Steinby in: Societä Romana II, 126, 140 u. 145f.

59 Keine größeren Zerstörungen im Zuge der Eroberung und Plünderung durch Alarich vermuteten Gregorovius I, 75ff.; Ruggiero, Foro 95; Ward-Perkins 34f. Lanciani, Destruction 56ff., hingegen weist auf die schweren Zerstörungen auf dem Aventin, dem reichen Villenviertel, hin.

51 G. Fiorani in: Studi di topografia romana, Rom 1968, 99; H. Bauer, RM 84, 1977, 302 u. 318f. 52 Vgl. hierzu H. Bauer, RM 84, 1977, 318 (Anm. 63).

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 111

mungen53. Der Stadtpräfekt d. J. 412, Neratius Palmatus, sorgte für die Wiederherstellung des Senatsbaus54. Der Stadtpräfekt Flavius Annius Eucharius Epiphanius (412-414) kümmerte sich um den Wiederaufbau des zerstörten Secretarium Senatus, wobei die Inschrift als Ursache ein fatalis ignis nennt55. Es wird betont, daß er den Bau ad pristinam faciem reduxit, also in sei-nem ursprünglichen Erscheinungsbild wiederherstellte. Die Umgestaltungen der Basilica Aemilia gehen wahrscheinlich auf den Stadtpräfekten Aurelius Anicius Symmachus (418-420) zurück56. Gabinius Vettius Probianus bemühte sich um eine Reparatur der Basilica Iulia, die wohl durch den Einfall 410 ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden war57. Vom selben Stadtpräfekten wissen wir, daß er mehrere fatali necessitate umgestürzte Standbilder wiederaufstellen ließ.

In diesen Jahren wurde das Forum auch als Rahmen von Versammlungen genutzt, bei denen es nicht selten turbulent zuging: Als Papst Zosimus (417-418) im Dezember 418 starb, entwickelte sich eine Auseinandersetzung um die Nachfolge zwischen dem vom Volk begünstigten Bonifatius und dem vom Stadtpräfekten Aurelius Anicius Symmachus bevorzugten Eulalius. Im Zuge der Auseinandersetzungen kam es zu einer Versammlung des Volkes auf dem Forum am 21.3.419. Symmachus begab sich, gefolgt von dem Vikar, dorthin, versuchte die Gemüter zu beruhigen und eine Ansprache zu halten. Jedoch wurden die beiden Funktionäre von der aufgebrachten Menge bis zum Forum Pacis zurückgedrängt, befanden sich einen Moment in großer Gefahr, konnten sich aber schließlich einen Weg bahnen und entfliehen58.

Auf den Einfall des Geiserich im Jahre 455 ist möglicherweise eine Inschrift des Stadtpräfek-ten Castalius Innocentius Audax zu beziehen, die von einer barbarica incursio spricht59. Einen tumultus civilis erwähnt die Inschrift des Stadtpräfekten Anicius Acilius Aginatius Faustus, der das Minervastandbild am Senat wiederherstellen ließ60 — vermutlich ist damit die Plünderung Roms durch die Horden Ricimers im Jahre 472 gemeint. Schließlich ist noch an die Widmungs-inschrift des Präfekten Plotius Iunius Valentinus für die Kaiser Leo und Anthemius zu erinnern, die wahrscheinlich an der westlichen Rednerbühne befestigt war und diese so in ein imperiales Monument verwandelte61. Vom selben Stadtpräfekten sind weitere Inschriftenfragmente bekannt, die einen hostilis impetus erwähnen und somit ebenfalls auf Zerstörungen durch Ricimer Bezug nehmen62. Die Plünderung Roms im Jahre 472 führte wohl auch dazu, daß man im Haus der Vestalinnen einen Münzschatz vergrub.

53 Cod. Theod. 15. 1, 31 -= Cod. Iust. 8. 11, 10 schrieb vor, daß der Kaiser auch auf Bauinschriften zu nennen sei, wenn er sich nicht an der Finanzierung der Baumaßnahme beteiligte. S. u. 5.138.

54 CIL VI, 37128. Chastagnol, Prgecture 269ff. 55 CIL VI, 1718 = ILS 5522. 56 CIL VI, 36962 (FO: vor der Basilica Aemilia, an der Nordwestecke des Caesartempels, 1902 bzw. 1904). 57 CIL VI, 1658c, 1658d, 31886. 58 Symmachus, rel. 29, 3-5. 59 CIL VI, 1663 (FO: vor S. Maria Nova). S. o. S. 78. Zur Eroberung Roms durch Geiserich s. Lanciani, De-

struction 74-6. 60 CIL VI, 526. S. o. S. 14f. 61 CIL VI, 32005a-e (FO der Fragmente bei der Phokassäule bzw. Mitte des Forums). 62 CIL VI, 37106 = 31890; CIL VI, 1788 = 31891. Der Einfall des Jahres 455 unter Geiserich wird inschriftlich

als barbarica incursio bezeichnet (CIL VI, 1663), nicht so der Bürgerkrieg 472.

112 Rom

Bereits zuvor, in den Jahren 421/433, ließ Petronius Maximus Statuen entlang der Via Sacra

aufstellen63. In der zweiten Jahrhunderthälfte begann man damit, Standbilder aus entlegeneren,

verwahrlosten Stadtteilen auf belebte Platzanlagen zu transferieren, deren statuarische Ausstat-

tung ergänzt bzw. erneuert werden mußte'''. Diese Praxis beschränkte sich nicht nur auf das

Forum Romanum und Rom, sondern läßt sich im gesamten Mittelmeerraum in der Spätantike

feststellen.

f. Nicht datierte Monumente des 4. und 5. Jh.

Die sicherlich weit vor 608 errichtete Phokassäule bleibt das größte Fragezeichen in der Geschichte

des spät antiken Forums. Bisher ist nicht geklärt, wessen Statue sich vorher auf dieser Säule

befand. Das Forum Romanum glich sich durch diesen Eingriff den Konstantinopler Fora an, die

von Anfang an stärker auf das zentrale Säulenmonument ausgerichtet und von diesem beherrscht

waren65. Die Lage der Säule wird wohl von zwei wesentlichen Komponenten bestimmt: Zum einen

war es die optische Flucht des Argiletum, in der die Säule stehen sollte, zum anderen wird der

Versuch erkennbar, das Forum als Versammlungsplatz zu erhalten und einen größeren Bereich

zwischen dem Aufgang zum Severusbogen, den Rostra und der Säule selbst freizuhalten. Dies

bewirkte eine Plazierung der Säule an den Südrand des Forumsios.

Ein der Phokassäule in Aufstellung und Wirkungsweise grundsätzlich verwandtes Monument

ist der spätantike Sockel, in den die Anaglypha Traiani sekundär vermauert wurden, und der

wohl eine Quadriga der Kaiser Arkadius und Honorius trug. Auch dieses Monument wurde in

einer platzbeherrschenden Lage errichtet und vereinnahmte nun auf neue Weise den eigentlichen

Forumsplatz. Zudem wurde es wie die Phokassäule in der Flucht des Argiletums aufgestellt, so

daß man auch dieses Monument bereits von fern wahrnahm. Beide Beispiele zeigen, daß man

bei der Wahl des Aufstellungsortes durchaus überlegt vorging, um eine größtmögliche optische

Wirkung zu erreichen. Gewiß trifft es nicht zu, daß die beiden spätantiken Monumente auf dem

Forumsplatz ohne Konzeption auf dem noch verbliebenen freien Platz errichtet wurden67.

g. Die Zeit Theoderichs und der Ostgoten68

Vereinzelte Hinweise deuten darauf hin, daß zur Zeit Theoderichs zahlreiche Anstrengungen

unternommen wurden, die bereits beschädigte Bausubstanz in Rom zu erhalten und vor wei-

terer Beschädigung zu schützen. Das Hauptaugenmerk liegt nach den Worten Cassiodors nicht

63 G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 229f.

64 G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7; S. Panciera in: Epigrafia e ordine senatorio 1 (= Tituli 4), Rom 1982, 659 Anm. 400. H. Brandenburg, Die Umsetzung von Statuen in der Spätantike, in: Migratio et Commutatio. Studien zur Alten Geschichte und deren Nachleben (= FS Th. Pekäry), St. Katharinen 1989, 235-246.

65 S. U. S. 302ff. 66 Giuliani / Verduchi 187 (185 Abb. 262). vgl. auch Jordan, Top. 1,2, 246.

67 So etwa P. Zanker, Forum Romanum, Tübingen 1972, 52.

68 Gregorovius I, 133ff.; Lanciani, Destruction 77ff.; L. Danese, Rinascita edilizia di Roma ed ultimi bagliori d'arte classica sotto re Teodorico (493-526), Trani 1924; W. Enßlin, Theoderich der Große, München 19592, 244ff.; H. Bloch, Ein datierter Ziegelstempel Theoderichs d. Gr., RM 66, 1959, 196-203; G. Della Valle, Teoderico e Roma, RendAccNapoli, Lettere e Belle Arti di Napoli 34, 1959, 119-76, bes. 143ff.; Ward-Perkins 204 u. 207f.; M. Steinby in: Societä Romana II, 146ff.; M. J. Johnson, Toward a History of Theoderic's Building Program, DOP 42, 1988, 73-96, bes. 76ff.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 113

auf prestigeträchtigen Neubauten, sondern offensichtlich auf einer Wiederherstellung der älte-ren, allmählich verfallenden bzw. zerstörten Bausubstanz. An die städtischen Funktionäre Roms schrieb der König, daß es sein Anliegen sei, Neues zu errichten, aber noch mehr das Alte zu bewahren69:

Propositi quidem nostri est nova construere, sed amplius vetusta servare.

Die Mahnungen Cassiodors, den Tempeln und anderen öffentlichen Bauten mehr Fürsorge zu-kommen zu lassen70, verhallten nicht ungehört, wie der archäologische Befund zeigt, der sich auf ostgotische Ziegelstempel stützt, die sich an zahlreichen Stellen Roms finden und Zeugnis von den Restaurierungen älterer Bausubstanz leisten71. Wie diese Ziegelstempel zeigen, erstreckten sich die Bau- und Wiederherstellungsarbeiten nicht nur auf Zweckbauten wie auf die Stadtmau-er, Aquaedukte, öffentliche Bauten, sondern auch auf Kirchen72. Theoderizianische Ziegelstempel fanden sich im Forumsbereich innerhalb der Basilica Aemilia, im Dach von Alt-S. Martina, in Ss. Cosma e Damiano und im Vestatempel73. Zudem wurde von im Zuge der Arbeiten an der Kurie eine Inschrift zu Ehren Theoderichs und Kaiser Anastasius' gefunden, die an die Restaurierung des Gebäudes durch den Stadtpräfekten Valerius Florianus erinnert74. Selbst für Theodahat (534-36) wird überliefert, er habe auf Anfragen des Stadtpräfekten Honorius einen Bronzeelefanten an der Via Sacra, die das Altertum mit mancherlei Denkmalen des Aberglaubens ausgestattet hat, restauriert 75 .

Die Fürsorge der ostgotischen Herrscher erstreckte sich auf die immer noch zahlreichen Bildwerke in der ewigen Stadt, die Cassiodor als quidam populus copiosissimus statuarum um-schreibt76. Dem Kanzler Theoderichs zufolge befanden sich in Rom greges abundantissimi equo-rum. Mehrere Ämter hatten für den Erhalt der Gebäude und der Ausstattung der Stadt Rom zu sorgen. Der comes Romanus wachte selbst in der Nacht darüber, daß weder Gebäude noch Statuen beschädigt wurden. Ein architectus hatte auf die Schönheit und Erhaltung der öffentli-chen Gebäude zu achten77. Mehrfach berichtet Cassiodor vom Vorgehen gegen die Statuenräuber unter der ostgotischen Herrschaft78. Der Zwiespalt zwischen der Versuchung nach einer Wieder-verwendung des Metalls, aus dem die Statuen gegossen waren, einerseits und dem Bemühen um

69 Cass., Var. 3, 9. 70 Cass., Var. 3, 31. 71 Lanciani, Destruction 78f.; G. Della Valle, RendAccNapoli 34, 1959, 143ff.; H. Bloch, RM 66, 1959, 196-203;

M. Steinby in: Societå Romana II, 114f. u. 146ff. 72 G. Della Valle, RendAccNapoli 34, 1959, 129. Steinby in: Societä Romana II, 114f. (Auflistung der in Rom

gefundenen ostgotischen Ziegelstempel). 73 Basilica Aemilia: CIL XV, 1726 u. 1563. Alt-S. Martina: CIL XV, 1665a u. 1669,2. Kurie: 1563a (Steinby in:

Societä. Romana II, 128f.). Ss. Cosma e Damiano: CBCR I, 138f. Schacht im Sockel des Vestatempels: CIL XV, 1665a.

74 A. Bartoli, Lavori nella sede del Senato romano al tempo di Teodorico, BuliCom 73, 1949/50, 77ff. 75 Cass., Var. 10, 30. Zu diesem Bronzeelefanten, der vielleicht von der Porta Triumphalis stammt, s. S. Lusuardi

Siena, SettSpoleto 39, 1992, I, 240ff. 76 Cass., Var. 7,13. 77 Cass., Var. 7, 15. 78 Cass., Var. 2, 35 u. 36.

114 Rom

Konservierung der Statuen andererseits drückt sich in jener Cassiodorstelle aus, in der es heißt,

daß die Statuen nicht schweigend ihre Zerstörung ertrugen":

Denn die Bildsäulen sind nicht gänzlich stumm, weil sie doch durch ihren Glockenklang

die Wächter warnen, sobald sie von den Schlägen der Diebe getroffen werden.

Dennoch hatte Athalarich wohl guten Grund, in einem Brief an den Senat auf die guten Zustände

hinzuweisen, die unter der ostgotischen Herrschaft währten80:

Die Zuwendung der Fürsten läßt feststehen, daß den Bronzebildwerken die fides imaginis

gewahrt wird, damit die kommende Generation als Vorbild sehen könne, wer sich die res

publica durch viele Wohltaten verpflichtet hatte.

Die zahlreichen Hinweise auf die verschiedenen Versuche, das überkommene traditionsreiche

Stadtbild zu konservieren, zeigen, daß Theoderich im Sinne einer renovatio des Altertums um

die Revitalisierung Roms bemüht war. Wahrscheinlich geschah dies in bewußter Rivalität zur

neuen Hauptstadt Konstantinopel. Der ostgotische Herrscher aktivierte das alte Rom als Stütze

und Legitimation seiner angefochtenen Herrschaft über Italien. Darüberhinaus trat Theoderich

in Rom als römischer Kaiser auf, das er aus Anlaß seines dreißigjährigen Regierungsjubiläums im

Jahre 500 besuchte81: So bezog er den Palatin als Residenz82. Wie einst die römischen Kaiser, so

hielt auch der ostgotische König ad palmam eine Ansprache an das Volk und ließ die Senatoren

in der Kurie zusammentreten83:

Nach seiner Ankunft betrat er (Theoderich) die Stadt, kam zum Senat und richtete 'ad

palmam' Worte ans Volk und versprach, er wolle mit der Hilfe Gottes alle früheren An-

ordnungen der römischen Kaiser unverändert bestehen lassen.

Die Wiederherstellungsarbeiten an der Kurie in ostgotischer Zeit sollten die Fiktion einer unge-

brochenen Bedeutung des römischen Senats aufrechterhalten. Trifft die Vermutung Gregorovius'

zu, so tagte der synodus palmaris, die von Theoderich einberufene Schlichtungskonferenz zwi-

schen den beiden Gegenpäpsten Symmachus und Laurentius, in denselben Räumlichkeiten am Forum, in denen sich die Senatoren zu dieser Zeit versammelten84. Warum sollten nicht die

Räumlichkeiten des zunehmend bedeutungslosen römischen Senats für Versammlungen kirchli-

cher Funktionäre verwendet worden sein?

79 Cass., Var. 7, 13, 4: statuae nec in toto mutae sunt, quando a furibus percussae custodes videntur tinnitibus ammonere. Übs. nach Gregorovius I, 137.

80 Cass., Var. 8, 2, 5: amore principum constat imenturn, ut simulacris aeneis fides servaretur imaginis, quatenus ventura progenies auctorem videret, qui sibi rem publicam multis beneficiis obligasset. Blanck, Wiederverwen-dung 22. Blanck interpretiert den Begriff fides imaginis wohl richtig als Verzicht auf Wiederverwendung, also Umarbeitung der Porträts.

81 Vgl. M. J. Johnson, DOP 42, 1988, 74.

82 Exc. Vales. 67. Hier wird auch die Wiederherstellung des Kaiserpalastes erwähnt.

83 Exc. Vales. 66 (vgl. die Übs. von 0. Veh, Prokop: Gotenkriege, München 1966, 1227). s. hierzu auch Fulgentius v. Ruspe, prolegomena c. 13 (= PL 65, 130f.).

84 Gregorovius I, 148; Ruggiero, Foro 114. Zur Synode vgl. E. Caspar, Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft, II: Das Papsttum unter byzantinischer Herrschaft, Tübingen 1933, 92ff.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 115

Schließlich ließ Theoderich sein Versprechen, die Rechte und Privilegien Roms zu wahren, auf Bronzetafeln am Kapitol aufstellen". Eine parallele Maßnahme wird auch für Konstanti-nopel überliefert: hier soll Konstantin eine Stele errichtet haben, auf der die Privilegien der neuen Residenzstadt festgehalten wurden86. In beiden Fällen handelt es sich um Maßnahmen zur Konservierung bzw. Festlegung der Bedeutung der jeweiligen Stadt.

Ein letzter Punkt ist die unter Theoderich einsetzende Vereinnahmung des Forumareals durch Kirchenbauten87. Neben Ss. Cosma e Damiano entstand vielleicht auch die Kirche S. Martina in ostgotischer Zeit. Insbesondere der Einbau der Kirche für die Ärzteheiligen Kosmas und Damian in den Nebensaals des Friedensforums ist unter dem Aspekt der funktionalen Kontinuität zu sehen. Es ist sicherlich nicht zu weit hergeholt, wenn man auch in dieser Maßnahme eine Bewahrung des Forums und seiner Bauten als eines städtischen Zentrums sieht — dies umso mehr als sich an der zum Forum gerichteten Fassade des Rundbaus nichts ändert.

Die von Papst Felix IV. gestiftete Kirche Ss. Cosma e Damiano illustriert, daß auch das antike Stifterwesen im 6. Jh. nicht abbricht. Zwischen den letzten nachweisbaren Tätigkeiten römischer Stadtpräfekten im Forumsbereich und dem Auftreten des Papstes als Stifter und Bauherr liegt eine zeitlich nicht allzugroße Lücke. Eine Inschriftenbasis des Stadtpräfekten Anicius Acilius Aginatius Faustus datiert in die Zeit nach 47288. Eine weitere Inschrift aus dem Bereich der Kurie, die den Stadtpräfekten Valerius Florianus nennt, datiert in die Jahre 507-51889. Nur wenig später, im Jahre 526, begann Papst Felix IV. mit dem Umbau des Nebensaals des Forum Pacis in die Kirche zu Ehren der Ärzteheiligen. Bautätigkeit des Stadtpräfekten und päpstliches Stiftertum schließen auf dem Forum Romanum nahtlos aneinander an. Durch die Integration von Kirchenbauten in das traditionsreiche Umfeld des Forums gelang es, das Forum als Zentrum städtischen Lebens zu bewahren und dadurch der stadtrömischen Bevölkerung tagtäglich die glorreiche Vergangenheit Roms vorzuführen.

h. Justinianische Zeit

Dabei sind aber die Römer von allen Menschen, die wir kennen, ihrer Stadt in treue-ster Liebe zugetan und eifrig bemüht, sämtliche Denkmäler der alten Zeit zu pflegen und zu schützen, damit nichts von dem früheren Glanze Roms zugrunde geht. Und obwohl sie schon eine ziemlich lange Zeit unter Barbarenherrschaft gestanden hatten, haben sie tatsächlich die öffentlichen Bauten und die meisten Kunstwerke vor dem Verfall zu retten vermocht, soweit man eben dank deren gediegener Ausführung imstande war, der Länge der Zeit und der Vernachlässigung zu begegnen.

85 Exc. Vales. 69. Ruggiero, Foro 95f. 86 S. U. S. 227. 87 Vgl. L. Reekmans, L'implantation monumentale chrkienne dans le paysage urbain de Rome de 300 ä 850, in:

Actes 11. Congr. Int. Arch. Chrk., Lyon- Vienne- Grenoble- Genf- Aosta 1986 (Rom 1989), II, 861-915, hier 876ff.

88 CIL VI, 526. Zur Datierung der Inschrift s. A. Fraschetti, OpuscFin 1, 1981, 35 Anm. 51. 89 CIL VI, 1794 = ILS 825; A. Degrassi, BullCom 72, 1946, 38 Anm 38; A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50,

77ff. (neue Fragmente) (FO: S. Adriano). A. Bartoli, BullCom 73, 1949/50, 86f.; ders., Curia 72 (datiert die Inschrift in die Jahre 507/11-518).

116 Rom

So beschreibt Prokop die Sorge der Römer um ihre altehrwürdigen Bauten, um deren Bedeutung

man durchaus noch wußte90. Prokop konnte sogar das Schiff des Aeneas bewundern und beschrieb

auch den offensichtlich erhaltenen bzw. wiederhergestellten Janustempel am Forum". In einem

Brief beschwört Belisar den Gotenkönig Totila, der 546 Rom eingenommen hatte und nunmehr

drohte, die Stadt niederzubrennen, er möge die Stadt Rom verschonen, da sie doch die größte

und schönste aller Städte sei und über Generationen erbaut92 .

Bei der Lektüre der entsprechenden Prokoppassagen gewinnt man den Eindruck, daß das

Stadtzentrum im wesentlichen noch intakt gewesen sein muß und auch noch eine bedeutende

statuarische Ausstattung besaß — man denke nur an die Episode von den auf dem Friedensforum

befindlichen Skulpturen93. Andererseits schreibt Prokop ebenso, daß der Tempel der Pax schon

seit langer Zeit die Spuren eines Blitzeinschlags trage. Auch die einschlägigen Gesetzestexte justinianischer Zeit drücken das Bemühen um den Er-

halt der öffentlichen Bausubstanz in Rom und besonders auch auf dem Forum Romanum aus94:

Zur Erhaltung der öffentlichen Gebäude. Wir haben angeordnet, daß jene Bräuche und

Privilegien der Stadt Rom erhalten werden sollten, sofern sie sich auf die Instandsetzung

öffentlicher Gebäude beziehen, auf das Tiberufer, auf das Forum, auf den Hafen von Rom,

und auf die Reparatur der Aquädukte: auf eine solche Weise, daß diese Privilegien mit

den Mitteln finanziert werden, mit denen sie seit Alters gestützt werden.

Doch dürfen diese Nachrichten nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich nach dem Ende der ostgo-

tischen Herrschaft die Nachrichten über das Forum Romanum verlieren. Über den Senat finden

sich keinerlei Nachrichten mehr, und auch Hinweise für weitere Wiederaufbau- und Konservie-

rungsmaßnahmen, wie sie für die ostgotische Herrschaft so häufig sind, fehlen. Dafür mögen

sicherlich die verheerenden Folgen der Gotenkriege verantwortlich sein, die zur weitgehenden

Entvölkerung Roms führten. Doch darf man Justinian wahrscheinlich auch mangelndes Interes-

se an der Wahrung nationalrömischer Institutionen und Traditionen unterstellen95. Das auffällige

Schweigen der literarischen, epigraphischen und archäologischen Quellen ist sicherlich weniger Zufall als Ausdruck einer bewußten Vernachlässigung des römischen Stadtzentrums, das von den

ostgotischen Königen mit soviel Mühe aufrecht erhalten worden war. Möglicherweise wollte man

sich demonstrativ von dem ostgotischen Erbe distanzieren.

Byzantinisches Viertel Um das Forum herum entstand nach der Wiedereroberung ein byzan-

tinisches Verwaltungsviertel. Zwischen dem Palatin und der Gegend um die Torre delle Milizie

scheint somit im Verlauf des 6. und frühen 7. Jahrhunderts ein byzantinisches Viertel gewachsen

zu sein. Dies erweckte den Repräsentations- und Regierungsbezirk zu neuem Leben, wenn auch unter veränderter Bedeutung. Das Projekt, diese Zone zu verlassen und das christliche Rom

um den Lateran herum zu konzentrieren, das vielleicht den großen Päpsten des 5. Jahrhunderts

90 Prok., bell. Got. 4.22,5f. Übs. nach 0. Veh, Prokop: Gotenkriege, München 1966, 885.

91 Prok., bell. Got. 4.22, 7ff. u. 1. 25, 18ff. S. o. S. 37.

92 Prok., bell. Got. 3. 22, 8-17. 93 Prok., bell. Got. 4. 21, 10-15. S. o. S. 90.

94 Nov. App. VII, 25 p. 802. Ward-Perkins 47.

95 So auch G. Carettoni, StudRom 11, 1963, 407.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 117

vorgeschwebt hatte, war gescheitert96 . Krautheimer führt als Argument für dieses 'byzantinische Viertel' im Herzen Roms die hohe Zahl östlicher Heiliger an, die in den Kirchen im Stadtzen-trum verehrt wurden, des weiteren die Militiae Tiberianae, ein offenbar von Tiberius I. (578-82) zusammengeschlossenes Regiment, das seinen Sitz im Bereich der Trajansmärkte hatte, bei der heutigen Torre delle Milizie, in deren Namen der Name dieses Regiments weiterlebt97. In der fraglichen Gegend finden sich zwei Kirchen, die Salvatorkirche und die des hl. Abbacyrus, je-weils mit der Bezeichnung de militiis98. Auf dem Palatin schließlich befand sich der Sitz des byzantinischen Dux, und seit dem beginnenden 7. Jh. ist hier eine Kirche namens S. Cesario de Graecis bzw. in Palatio überliefert99. In dieser Kirche 'residierten' die Bilder der byzantinischen Kaisern°.

Auffallend ist, wie gesagt, daß im Stadtzentrum, also auch am Forum, eine hohe Zahl von Kirchen erbaut wurde, die östlichen Heiligen geweiht warenun. Der Kult der kilikischen Heiligen Kosmas und Damian erreichte Rom wohl zu Beginn des 6. Jh. über Konstantinopel. Auch die Kulte der syrischen Heiligen Sergius und Bacchus und des Soldatenheiligen Hadrian stammen aus dem Osten. Die Märtyrer Quiricus und Julitta erhielten zunächst in Tarsos und Kilikien Verehrung. Cyrus und Johannes stammen aus Alexandria; deren Kult wurde in Rom vielleicht schon zu Beginn des 7. Jh. seßhaft102 . Die Verehrung der Apostel Philippus und Jakobus hatte ihren Schwerpunkt im Osten und wurde in Rom mit dem Bau der Kirche Ss. Apostoli heimischm3. Mit den östlichen Heiligen hielt auch byzantinisches Formengut in Rom Einzug: Die beiden nach der Rückeroberung Roms beim Trajansforum errichteten Kirchen Ss. Quirico e Giulitta sowie Ss. Apostoli schließen mit ihrem Dreikonchenchor an östliche Baugepflogenheiten an, obwohl es sich zumindest bei letzterer um eine päpstliche Stiftung zu handeln scheintum.

i. Das 7. und 8. Jh. (Abb. 45)1°5

Forum Romanum und Kaiserfora waren im frühen Mittelalter sicherlich keine verödeten Plätze. Das wird bereits durch die Phokassäule nahegelegt, deren Statue wohl kaum als ein Denkmal

96 Krautheimer, Rom 90. 97 C. Cecchelli in: F. Castagnoli u. a., Topografia ed urbanistica di Roma, Bologna 1958, 259f.; ders., Esercito

e Nazione 4, 1930, 98; Krautheimer, Rom 89f. 98 Hülsen, Chiese 159ff. Nr. 1 u. 447f. Nr. 28. 99 G. Carettoni, Il Palatino nel medioevo, StRom 9, 1961, 508-518, bes. 511; Hülsen, Chiese 232f. Nr. 10; CBCR

I, 112. 100 Vgl. Lanciani, Destruction 121; W.F. Volbach, RendPontAcc 17, 1940/1, 124f. Bilder des Phokas und der

Leontia in der Kirche: Gregor d. Gr., reg. epist. 13,1 = p. 364f. Hartmann. F. Dvornik, Early Christian and Byzantine Political Philosophy. Origins and Background, Washington 1966, II, 654.

101 Krautheimer, Rom 89. Zu den östlichen Heiligen in Rom während der byzantinischen Epoche s. auch J.-M. Sansterre, Les moines grecs et orientaux ä Rome aux epoques byzantine et carolingienne, Brüssel 1983, 147ff.

102 Sansterre, a. 0. 148. 103 Krautheimer, Rom 89. 104 CBCR I, 80f.; CBCR IV, 50; Krautheimer, Rom 80f. Lib. Pont. I, 30314 u. 3053f. ILCV 1766. 105 C. Cecchelli, Continuitä, storica di Roma antica, SettSpoleto 6, 1958, 89-149, bes. 140ff.; C. F. Giuliani, Una

rilettura dell'area centrale del Foro Romano in: Pr6sence de l'architecture et de l'urbanisme romains (= Caesarodunum 18bis), Paris 1983, 83-93; Giuliani / Verduchi 187.

118 Rom

ohne Publikum errichtet wurde, sondern ebenso wie alle früheren Säulendenkmäler Adressaten

besaß, eben das Volk, das immer noch das Forum frequentierte"6.

Phokassäule Die Übernahme einer bereits bestehenden monumentalen Ehrensäule durch den

Kaiser Phokas, dem hier durch den Exarchen von Italien, Smaragdus, eine Statue errichtet wur-

de, bedeutet zwar keinen substantiellen Eingriff in das Forum, doch zeigt diese Maßnahme die

Aktualität spät antiker Repräsentationsformen auch noch im beginnenden 7. Jh. Phokas schuf

sich durch den Austausch der bekrönenden Statue und die Anbringung einer Widmungsinschrift

auf dem Säulensockel gleichsam ein Forum Focae. Diese Maßnahme fiel in die Phase vorüber-

gehender Wiederbelebung bzw. wohl eher Aufrechterhaltung des Forums im Zeitraum nach der

byzantinischen Wiedereroberung. Der byzantinische Einfluß macht sich v. a. in der optischen

Angleichung dieses Säulenmonuments an die Konstantinopler Säulenmonumente (Stufensockel)

bemerkbar. Auf den monumentalen Platzanlagen des zweiten Rom sind wohl auch die geistigen

Grundlagen dieses Monuments zu suchen, das in der bisherigen Forschungsliteratur fast aus-

nahmslos als Sinnbild der tyrannischen Herrschaft des Usurpators Phokas gilt. Als Exportartikel

aus dem Konstantinopel der frühbyzantinischen Zeit wurde es auf dem Forum Romanum in Rom

errichtet, zu dem sich Phokas ohnehin mehr hingezogen fühlte107 .

Darüber hinaus ist zu ersehen, daß man sich nach wie vor auf dem antiken Niveau bewegte, da

sich der aus diesem Anlaß errichtete Stufensockel der Säule auf dem severischen Forumspflaster

erhebt. Der Platz galt immer noch in seiner durch die diokletianische Neuordnung definierten

Abgrenzung und wurde als solcher wahrgenommen. Die Tatsache, daß die Widmungsinschrift an

der Nordseite der Säule angebracht war, zeigt, daß man sich an ein Publikum wandte, das sich

in diesem Bereich versammeltem'.

Kirchenstiftungen Auch die steigende Zahl von Kirchen(ein)bauten im Bereich des Forums

spricht gegen eine Verödung dieses Platzes. Im allmählichen Funktionsverlust der Forumsbauten

sind die eigentlichen Voraussetzungen für die breite Umwandlung von öffentlichen Gebäuden

in Kirchen zu sehen109 . Mit S. Maria Antiqua entsteht neben den ostgotischen Gründungen bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jh. eine weitere Kirche am Forum, die spätestens im 8. Jh.

als Diakonie gedient haben muß. S. Adriano folgt in den 20er- bzw. 30er-Jahren des 7. Jh., wohl in der 2. Hälfte des 8. Jh. errichtete man Ss. Sergio e Bacco. Nur grob lassen sich die

Kirchen S. Giovanni in Campo und S. Maria in Cannapara datieren, die wohl dem 7. bzw. 8. Jh. zuzuweisen sind. Zeugen dieser Kircheneinbauten sind die zahlreichen im Bereich des Forums

aufgefundenen Fragmente frühmittelalterlicher ornamentaler Skulptur, von denen nicht wenige

106 Vgl. C. Cecchelli, SettSpoleto 6, 1958, 115. 107 Vgl. G. Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates (= HdAW XII 1,2). München 19633. 71. Auch

in Konstantinopel existierten Säulenmonumente des Kaisers Phokas: Bildnis (crTAXTI) des Phokas auf einer gemauerten Säule in einem Hof bei ta Armamentu: Kedr. 1, 7099; Par. 74; Patria II, 34. Leon Grammatikos zufolge handelte es sich um ein Säulenstandbild: Leon Gr. 1461. Stichel 114 Nr. 143; Berger 380f. Säulenmonu-ment des Phokas bei der 40- Märtyrer-Kirche: Chron. Pasch. 69820 u. 70313; Nikeph. Greg. I, 460f.; Chronicon Nr. 32, 15 ed. P. Schreiner, Chron. byz. brev. CFHB XII, 1. Das Monument wurde 608 n. Chr. vollendet, 612 n. Chr. wurde die Säule mit einem Kreuz bekrönt. Stichel 114f. Nr. 144. s. u. S. 351ff.

1°8 Jordan, Top. 1,2, 246. los Duchesne, Forum chretien 42f. vgl. auch L. Reekmans, L'implantation monumentale chretienne dans le paysa-

ge urbain de Rome de 300 ä 850, in: Actes 11. Congr. Int. Arch. Chr&., Lyon- Vienne - Grenoble- Genf- Aosta 1986 (Rom 1989), II, 861-915, hier 876ff.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 119

Ziborien zuzuordnen sind"°. Die Kirche S. Maria Nova aus der Zeit nach der Mitte des 9. Jh. ist

das erste größere Bauunternehmen ex novo im Forumsbereich seit dem 4. Jh.m.

Diese Kirchenbauten bildeten nicht nur den Rahmen für päpstliche Bildpropaganda, die

seit dem beginnenden 8. Jh. auch antikaiserlichen bzw. antibyzantinischen Charakter annehmen

konnte"", sondern auch für öffentliche Stiftungstätigkeit, die sich im 8. Jh. mehrfach feststellen

läßt: Der primicerius Theodotus ließ die Kapelle der hll. Quiricus und Julitta nach der Mitte

des 8. Jh. ausmalen, ein consul et dux Gaiferius sowie ein consul Sergius ließen unter Hadrian I.

(772-795) S. Adriano mit Malereien ausstatten"".

Diakonien Mehrfach fiel im Zusammenhang mit den frühmittelalterlichen Kirchenstiftungen

der Begriff Tiakonie'. Diese Diakonien waren kirchliche Wohlfahrtseinrichtungen, die in Rom

selbst erst für das Pontifikat Benedikts II. (684-5) bezeugt sind, in anderen Küstenstädten Ita-

liens, Ravenna, Rimini und Neapel, bereits unter Gregor d. Gr. existierten und wohl aus dem

Osten übernommen wurden114 . Archäologische Befunde, aber auch vereinzelte Schriftquellen aus

der Zeit Gregors deuten jedoch darauf hin, daß diese diaconiae seit dem beginnenden 7. Jh. auch in Rom heimisch waren"5. Zu den Aufgaben der Diakonien zählten die Bereitstellung und Ver-teilung von Lebensmitteln, die Sorge um Badegelegenheiten (die die Thermen nicht mehr boten)

und der Unterhalt von Herbergen für die Pilger und die Kranken. Interessanterweise lassen sich

auch hier Kontinuitäten in der Nutzung feststellen. Wie R. Krautheimer bemerkt, setzten diese kirchlichen Institutionen die Tradition staatlicher Fürsorge fort und waren nicht selten an den

Orten eingerichtet, wo auch in der Kaiserzeit Verwaltung, Verteilung und Lagerung von Lebens-mitteln erfolgte"6 . In Rom fand sich eine Vielzahl von Diakonien entlang der Contrada della Cannapara, also im Bereich zwischen dem Ostufer des Tibers und dem Forum Romanum"7. Hier war nicht nur die Getreidezufuhr per Schiff leicht zu bewältigen; offenbar war auch die

Masse der Bedürftigen auf dem Forum anzutreffen"8. Die Diakonien S. Maria Antiqua und Ss. Sergius und Bacchus trugen dazu bei, daß das Forum in frühmittelalterlicher Zeit seine Bedeu-

lio Die frühmittelalterliche Skulptur des Forums ist immer noch nicht zusammenfassend publiziert. Vgl. R. Cattaneo, L'architecture en Italie du Vie au XI' siècle, Venedig 1890, 175f.; G. Biasiotti / P. B. Whitehead, RendPontAcc 3, 1924, 107 (Abb. 30-32); R. Kautzsch, RömJbBH 3, 1939, 8f. (Abb. 8), 13f. (Abb. 17) u. 45 (Abb. 75); L. Pani Ermini, Boll. d'arte 59, 1974, 116f., 121 u. 123 Anm. 19 (Abb. 6, 9, 10-12, 13-14 u. 28).

111 Ward-Perkins 222f. 112 Vgl. hierzu P. J. Nordhagen, The Frescoes of John VII (705-707) in S. Maria Antiqua in Rome, ActaAArtHist

3, 1968, 95-98. 113 Ward-Perkins 81f. u. 240f. S. o. S. 62. 114 Zur Geschichte der Diakonien s. H.-I. Marrou, L'origine orientale des diaconies romaines, MEFR 57, 1940,

95ff.; 0. Bertolini, Per la storia delle diaconie romane, ArchSocStorPatria, ser. 3, 1, 1947, 1-145; F. J. Niederer, The Roman Diaconiae, New York 1950; ders., Early Medieval Charity, Church History 21, 1952, 285-95. Erste Erwähnung einer römischen Diakonie: Lib. Pont. I, 3644.

115 0. Bertolini, ArchSocStorPatria 1, 1947, 14ff.; Krautheimer, Rom 370 Anm. zu S. 90ff. 116 Krautheimer, Rom 91; F. J. Niederer, Church History 21, 1952, 288: Als Beispiel verweist Niederer auf die

statio annonae, die in die Diakonie S. Maria in Cosmedin verwandelt wurde. Es fällt auf, daß nur öffentliche Gebäude als Diakonien wiederverwendet wurden, keine Privatgebäude.

117 G. Lugli, RendLinc 4, 1949, 10; F. J. Niederer, Church History 21, 1952, 289 Anm. 24: S. Adriano, S. Angelo, Ss. Cosma e Damiano, S. Giorgio, S. Lucia in Septem Vias, S. Maria Antiqua, S. Maria in Cosmedin, Ss. Sergio e Bacco, S. Teodoro. Zur Contrada della Cannapara s. C. Cecchelli, Studi e documenti sulla Roma sacra, II, Rom 1951, 106ff., bes. 112f.

118 Auch in Gerasa und Neapel fanden sich Diakonien in Forumsnähe: F. J. Niederer, Church History 21, 1952,

120 Rom

tung als Zentrum sozialer Wohlfahrt behielt und Mittelpunkt städtischen Lebens blieb. Unter

Hadrian I. (772-795) erfuhr das Forum eine nochmalige Aufwertung, indem durch die Umwand-

lung der Kirchen S. Adriano und Ss. Cosma e Damiano in Diakonien die Zahl dieser karitativen

Versorgungseinrichtungen auf vier erhöht wurde.

Öffentliches Leben auf dem Forum Romanum und den Kaiserfora Was sagen die literarischen

Quellen über das frühmittelalterliche Forum? Bis in die Zeit Gregors d. Gr. war der Gang aufs

Forum (neben dem Besuch von Thermen) offenbar eine Selbstverständlichkeit; der berühmte

Papst forderte seine Zuhörer auf 119:

Wenn einer von Euch, Brüder, sich zum Forum oder zum Bad aufmacht, so soll er doch

jemanden, von dem er glaubt, er sei unbeschäftigt, dazu einladen.

Ähnlich belebt müssen wir uns das Trajansforum vorstellen, das um 600 n. Chr. von demselben

Gregor überquert wurde. Er konnte sogar noch Teile der statuarischen Ausstattung sehen. Sein

Zeitgenosse Venantius Fortunatus deutet in einigen wenigen Passagen seines Werks an, daß das

Trajansforum als Ort rhetorischer Betätigung diente12°.

Das Forum Romanum behielt noch länger seine Funktion als Versammlungsort. Noch für den

1. August 768 wird eine Volksversammlung auf dem Forum erwähnt: Nach dem Tod Papst Pauls

I. (757-767) versammelte der Primicerius Christophorus in tribus fatis, d. h. vor S. Adriano,

die Priesterschaft, die vornehmen Krieger, die angesehenen Bürger, und die ganzen Einwohner

vom Größten bis zum Geringsten, und ließ den Presbyter Stephanus zum Papst ausrufen121 .

Bereits zuvor, im Jahre 713, fand auf der Via Sacra eine Schlacht zwischen Anhängern des Dux

Christophorus und dem neuen Gouverneur Petrus statt, der seine Ernennung einem häretischen

Usurpator verdankte122 . Bei der blutigen Auseinandersetzung hatte es bereits 30 Tote gegeben,

als der Papst intervenierte. Schließlich existiert noch ein weiterer Hinweis auf ein im Frühmittel-

alter als administratives und öffentliches Zentrum aktives Forum. Eine Nachricht aus der Vita

Johannes' VII. (705-707) im Liber Pontificalis berichtet, daß dieser Papst seine Residenz in

den Bereich zwischen S. Maria Antiqua und den Palatin verlegte123. Sicherlich beabsichtigte der

Papst damit im Verwaltungszentrum der Stadt und am Schauplatz des öffentlichen Geschehens

präsent zu sein124 . Darüberhinaus mag auch eine Rolle gespielt haben, daß der Papst in einer

Zeit, in der sich Rom von Byzanz zu lösen beginnt, die Nähe zum Palatin, der einstigen Kai-

serresidenz, suchte125 . Im übrigen bestätigt auch der Fund zweier Ziegelstempel zwischen dem

286f. Zur Diakonie in Gerasa: J. W. Crowfoot, Churches at Jerash, London 1931, 13-16; C. H. Kraeling, Gerasa. City of the Decapolis, New Haven / Conn. 1938, Taf. 35.

119 Gregor d. Gr., Horn. in Evangelium 6. 1, 6 (= PL 76, 1098): Si quis vestrum, fratres, ad forum auf fortasse ad balneum pergit, quern, otiosum esse considerat ut secum veniat invitat.

120 S. O. S. 97. 121 Lib. Pont. I, 47110_15. Duchesne, Forum chretien 73f.; Hülsen, Forum 16f. 122 Lib. Pont. 1,3928_13. Duchesne, Forum chretien 71ff.; E. Caspar, Geschichte des Papsttums II: Das Papsttum

unter byzantinischer Herrschaft, Tübingen 1933, 641. 123 Lib. Pont. I, 3857f.: Basilicam itaque sanctae Dei genetricis qui Antiqua vocatur pictura decoravit, illicque

ambonem noviter fecit et super eandem ecclesiam episcopium quantum ad se construere maluit, illicque pon-tificati sui tempus vitam finivit. E. Tea, La basilica di S. Maria Antiqua, Mailand 1937, 82-86. G. B. DeRossi, NSc 1883, 495ff., und L. Duchesne, Forum chretien 71 u. Lib. Pont. 1,386 Anm. 6, gingen noch davon aus, daß S. Maria Antiqua an der Stelle von S. Maria Nova stand, und lokalisierten die Papstresidenz falsch.

124 Vgl. auch P. Verzone in: Roma e l'etä Carolingia, Rom 1976, 39. 125 Vgl. Th. F. X. Noble, The Republic of St. Peter. The Birth of the Papal State, Philadelphia 1984, 18f.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 121

Haus der Vestalinnen und S. Maria Antiqua die Bautätigkeit Johannes' VII. in diesem Bereich des Forums (Abb. 21)126 .

Aber auch archäologische Indizien deuten ein reges Leben auf diesem Platz an. Daß das Forum immer noch Ort des Handels war, wird durch Spuren von Einlassungen im Forumspflaster um die Ehrensäulen an der Südseite und an der östlichen Rednerbühne nahegelegt. C. F. Giuliani interpretiert sie als Verankerung für frühmittelalterliche Läden aus Holz (Abb. 45)127. Die geringen Dimensionen dieser Anbauten sprechen nicht für dauerhafte Quartiere. Auch die Neupflasterung des Argiletum im 8. / 9. Jh. zeigt, daß der Platz rege frequentiert wurde128 .

Anonymus Einsidlensis Die Einsiedler Wegbeschreibungen aus karolingischer Zeit geben wichtige Anhaltspunkte dafür, daß nicht nur das Forum Romanum, sondern auch die angren-zenden Kaiserfora immer noch wichtige Verkehrsknotenpunkte waren129 . Vier der insgesamt elf Itinerare führten durchs Forum oder endeten dor-U-3°. Mehrfach werden auch das Trajansforum und seine Säule als Sehenswürdigkeit entlang des Wegs genannt131. Man hat als Grundlage für diese Itinerare eine kreisrunde Romkarte rekonstruiert, deren Mittelpunkt das Forum Romanum ist ( Taf. 18)132. Ob nun der Verfasser der Itinerare sich auf seine Ortskenntnis verließ, sich an einer solchen Romkarte orientierte oder nur eine Bestandsaufnahme der wichtigsten Monumente intra muros geben wollte: das Ergebnis sind Wegbeschreibungen, die neben kirchlichen Monumenten auch Monumente der Antike nennen133. Zentrum der Itinerare, gewissermaßen Straßenknoten-punkt ist das Forum mit dem arcus Severi, das also auch in karolingischer Zeit seinen zentralen Platz im Stadtbild Roms bewahrte134 .

Liturgische Prozessionen Forum und Kaiserfora wurden als Standort zahlreicher Kirchen in die liturgischen Prozessionen des mittelalterlichen Rom einbezogen, wie aus dem Papstbuch und den römischen Ordines hervorgeht135 . Seit Papst Sergius I. (687-701) hielt man im Jahr vier Ma-

Ob man diese programmatische Verlegung der Papstresidenz in das einstige Stadtzentrum allein auf das Sicherheitsbedürfnis Johannes' VII. zurückführen kann (so J. - M. Sansterre in: Rayonnement grec. Hommage

Ch. Delvoye, Brüssel 1982, 386f.), bleibt fraglich. Sansterre zufolge seien die exponierte Lage des Lateran und die daraus resultierende Gefährdung durch feindliche Angriffe Auslöser dieser Entscheidung gewesen.

126 CIL XV, 1694. W. de Grüneisen, Sainte Marie Antique, Rom 1911, 47 u. 412; G. Carettoni, StudRom 9, 1961, 512. Man hat diese Ziegelstempel mit dem Bau der Residenz am Palatin in Verbindung gebracht: G. B. DeRossi, NSc 1883, 494; R. Lanciani, BuliCom 28, 1900, 318f.; Tea, a. 0. 83.

127 C. F. Giuliani in: Caesarodunum 18bis, Paris 1983, 85f.; Giuliani / Verduchi 187. 128 S. o. S. 37. Spuren im mittelalterlichen Pflaster zeigen, daß auch Gespanne zum Forum fuhren. 129 Valentini / Zucchetti II, 176-201. Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 143-211. 139 (1) Valentini / Zucchetti II, 176-180; (3) Valentini / Zucchetti II, 184-185; (7) Valentini / Zucchetti II,

190-194; (8) Valentini / Zucchetti II, 195-197. Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 162, 173, 181f. u. 189. 131 (1) Valentini / Zucchetti II, 177; (3) Valentini / Zucchetti II, 185; (8) Valentini / Zucchetti II, 195. Walser,

Einsiedler Inschriftensammlung 162, 173 u. 189. 132 G. B. DeRossi, Roma sotteranea cristiana I, Rom 1864, 154; R. Lanciani, L'itinerario di Einsiedeln e l'ordine

di Benedetto Canonico, Monumenti antichi I, Rom 1891, 437-552; C. Hülsen, La pianta di Roma dell'Anonimo Einsidlense, Atti della Pont. Accad. Romana di Archeologia, ser. 2, Bd. 9, 1907, 377-424.

133 Vgl. Ward-Perkins 224f.; Krautheimer, Rom 131; Walser, Einsiedler Inschriftensammlung 159. 134 Auch zahlreiche Inschriften der Einsiedler Sylloge stammen vom Forum Romanum, so etwa Walser, Einsiedler

Inschriftensammlung Nr. 33, 34, 35, 37. Trajansforum: Nr. 13 u. 14. 135 Duchesne, Forum chretien 59-71; Gregorovius II, 275; Valentini / Zucchetti III, 210-22; G. Carettoni, 11 Foro

Romano nel medio evo e nel rinascimento, StRom 11, 1963, 406-416, hier 409f.; S. de Blaauw, Cultus et Decor. Liturgia e architettura nella Roma tardoantica e medievale, Vatikanstadt 1994, I, 437ff. Zu den Ordines s.

122 Rom

rienprozessionen ab, wie der Liber Pontificalis hervorhebt, nämlich am 2. 2. (Mariae Lichtmeß),

am 25. 3. (Verkündigung), am 15. 8. (Mariae Himmelfahrt) und am 8. 9. (Mariae Geburt)136.

Ausgangspunkt der Prozessionen war jeweils die Kirche S. Adriano auf dem Forum. Hier ver-

sammelten sich die von den anderen Kirchen heranziehenden Festzüge. Von hier aus zog man

dann über das Forum transitorium und die Subura nach S. Maria Maggiore. Dar überhinaus fand

am 1. November eine Prozession statt, die nach S. Cesario auf dem Palatin führte und ihren Aus-

gangspunkt bei Ss. Cosma e Damiano nahm. Sie endete mit einer Messe auf dem Palatin. Diese

Prozessionen lassen sich über das 9. Jh. bis ins Hochmittelalter verfolgen137. Wie eine solche

Prozession im 12. Jh. vonstatten ging, wird im Ordo XI genauer beschrieben, der um 1143 von

einem gewissen Benedikt, einem Kanoniker von S. Peter, verfaßt wurde138 . Bereits in der Nacht

vom 14. zum 15. August (Mariae Himmelfahrt) verließ der Papst mit der Christusikone den

Lateranpalast und begab sich nach S. Maria Maggiore. Von hier aus begann dann die Prozession

in Richtung Forum, an der nicht nur Papst und Klerus, sondern auch der Stadtpräfekt und die

duodecim,viri, also die Anführer der Regionalverteidigung, teilnahmen. Bevor man S. Adriano

erreichte, machte man Station bei S. Maria Nova, wo man die Ikone wusch. Schließlich erreichte

man über die Via Sacra S. Adriano, wo diese Handlung wiederholt wurde. Dann brach der Zug

wieder auf nach S. Maria Maggiore, wobei man unter anderem den arcus Nervae, das Trajansfo-

rum, den arcus aureae und die porticus absidata passierte. Im Ordo des Benedikt wird auch die

Ostermontagsprozession beschrieben139 . Die Route verlief vom Lateran aus am Kolosseum vorbei

ins einstige Stadtzentrum. Man passierte den arcus aureae (al.: arcus Nervae), das Trajansfo-

rum, S. Basilio, die Militiae Tiberianae, S. Abbaciro und Ss. Apostoli. Über die Via Lata, das

Marsfeld, den pons Adrianus und die Engelsburg verlief die Route nach S. Peter. Auch auf dem

Rückweg passierte man den arcus Nervae und die Via Sacra. Auch der Überblick über den Ordo

Romanus XVI zeigt, daß die am Forum gelegenen Kirchen Ss. Cosma e Damiano, S. Adriano und

Ss. Sergio e Bacco häufig als Sammelstätten bzw. als Stationskirchen erwähnt werden, daß also

auch das antike Stadtzentrum als Aufmarschgelände für die Prozessionen verwendet wurde"°.

Besonders eindrucksvoll muß dies jeweils am 2. Februar gewesen sein, wenn sich 18 Marienbilder,

getragen von den Regionaldiakonen Roms, in Begleitung des Klerus und des Volks von Rom in

S. Adriano trafen141.

J. Kösters, Studien zu Mabillons Römischen Ordines, Münster 1905; H. Leclercq, DACL 12,2, 1936, 2401-24

s. v. Ordines Romani; A. Hänggi, LexThK VII, 1962, 1224f. s. v. Ordo, Ordines Romani.

136 Lib. Pont. I, 3764_6. Duchesne, Forum chrkien 61ff.; G. Wolf, Salus populi Romani, Weinheim 1990, 49f.

137 Lib. Pont. II, 11018ff. Duchesne, Forum chrkien 65; H. Belting, Bild und Kult, München 1990, 554f.; de Blaauw, a. 0. 440.

138 Ordo Rom. XI, 72 (= PL 78, 1052; P. Fabre / L. Duchesne, Le Liber Censuum, Paris 1910, II, 158f.; gekürzt bei Valentini / Zucchetti III, 221f.). Zu diesem Ordo s. Jordan, Top. II, 473 u. 664ff.; R. Lanciani, L'itinerario di Einsiedeln e l'ordine di Benedetto Canonico, Monumenti Antichi I, 1892, 519-552; Duchesne, Forum chrkien 65ff.; Belting, a. 0. 555f. Vgl. des weiteren Kösters, Studien (a. 0.) 46-54; H. Leclercq, DACL 12,2, 1936, 2401-2438, bes. 2432 s. v. Ordines Romani.

139 Ordo Rom. XI, 50 (= PL 78, 1045f.; Liber Censuum (a. 0.) II, 154; gekürzt bei Valentini / Zucchetti III, 217ff.). Jordan, Top. II, 665; Duchesne, Forum chrkien 70f.

140 J. Baldovin, The Urban Character of Christian Worship (= Orientalia Christiana Analecta 228), Rom 1987, 291 (Appendix 7).

141 Ordo Rom. XI, 29 (= PL 78, 1036; gekürzt bei Valentini / Zucchetti III, 213f.). Wolf, a. 0. 49; de Blaauw, a. 0. 442.

Spätantike Bau- und Ausstattungsphasen des Forum Romanum und der Kaiserfora 123

Voraussetzung für die Einbeziehung der einstigen Stadtmitte in die liturgischen Prozessionen

war die Einrichtung von Kirchen im Forumsbereich, was bereits seit dem 6. Jh. der Fall war.

Auffallend ist die Nennung der antiken Toponyme, die also noch präsent gewesen sein müssen. So

wurden neben den Kirchen auch die profanen Mirabilien Roms in ein Prozessionsnetz einbezogen, das die Stadt Rom ab dem 6. Jh. durchzog.

Verfall und Zerstörung Andererseits verdichten sich jedoch auch die Indizien eines allmähli- chen Verfalls der Platzanlagen im Herzen Roms, deren Instandsetzung bzw. Instandhaltung die

vorhandenen Mittel überfordert hätte. Doch bedrohte nicht nur die Entfunktionalisierung der Bauten am Forum deren Erhalt und Ausstattung, auch die Rombesuche der Kaiser Herakleios und Konstans II. im 7. Jh. bedeuteten für das Stadtzentrum Roms einen erheblichen Aderlaß. Der Besuch des Kaisers Herakleios im Jahre 629 war mit der Freigabe der Bronzeziegel auf dem Tempel der Venus und Roma verbunden, mit denen Papst Honorius I. (625-638) S. Peter neu eindecken ließ142 . Und auch Konstans II. (641-668) zeigte während seines Romaufenthalts im Juli 663 n. Chr. keine Scheu, die Stadt Roms um ihre letzten Preziosen zu bringen. Der Kaiser entführte alles, was als Zierde der Stadt existierte, einschließlich der Bronzeziegel des Panthe-on143. Nur zwölf Tage lang blieb Konstans in Rom; und diese Zeit reichte hin, die Stadt ihrer

letzten antiken Schätze von Erz bis auf einen kleinen Rest zu berauben144. Für den Herbst des Jahres 716, den Dezember 791 und den 30. Oktober 860 werden im Li-

ber Pontificalis Überschwemmungen überliefert145. Und auch das Erdbeben, das bereits zuvor, im Jahre 847 unter Papst Leo IV., stattgefunden hatte, wird der weiteren Zerstörung der Fora Vorschub geleistet haben'46. Die drei Kalköfen, die man beim Titusbogen, vor dem Tempel des Antoninus und der Faustina und in der Basilica Iulia fand, mögen aus dieser Epoche stammen'47. Interessanterweise gewinnt ab dem 8. Jh. der Campus Lateranensis als Ort der Gerichtsbarkeit, der Armenfürsorge, als Versammlungsplatz, insbesondere im Rahmen päpstlicher Stationsgot-tesdienste, sowie als Herberge antiker Bildwerke zunehmend Bedeutung und übernimmt damit Funktionen des Forum Romanum'48.

Länger als das Forum Romanum dürfte die Bausubstanz des Trajansforums überdauert ha-ben, wie die zahlreichen Erwähnungen dieser Anlage in den mittelalterlichen Quellen nahelegen, die seit dem 11. Jh. die Benennung Palatium Traiani prägen. Doch auch hier begann man ab dem 9. Jh. den Platz mit Bauten zu vereinnahmen149 . Erst im 15. Jh. wurde die teilweise schon verfal-lene Basilica Ulpia überbaut. Das ganze Mittelalter hindurch erkannte man die Bedeutung der noch heute aufrecht stehenden Reliefsäule: So bekräftigte der römische Senat in einem Dokument vom 27. März des Jahres 1162 den öffentlichen Besitz und die ideelle Bedeutung des Monuments,

142 Lib. Pont. I, 3238. 143 Lib. Pont. I, 34313_15. Ward-Perkins 90. 144 Gregorovius I, 382f. 145 Lib. Pont. 1,39910-4003, 1,51314-27 u. II, 15322ff. 146 Lib. Pont. II, 10820f.: Huius beati tempore praesulis terre motus in urbe Roma per indictionem factus est X,

ita ut omnia elementa concussa viderentur ab omnibus. 147 G. Carettoni, StudRom 11, 1963, 409. 148 Vgl. I. Herklotz, Der Campus Lateranensis im Mittelalter, RömJbBH 22, 1985, 1-43, hier 8f. u. 34ff. 149 R. Meneghini, AMediev 20, 1993, 110.

124 Rom

indem er betreffs der Säule gebot, daß diese sowie ihre Statue zur Ehre des Römischen Volkes

bis ans Ende der Zeiten unangetastet bleiben sollten'5°.

2. Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich

a. Funktion und Bedeutung des Forum Romanum in der Spätantike

Die Funktion des römischen Forums in der Spät antike zu beschreiben, kann nicht nur bedeu-

ten, die einzelnen Monumente am Rande der Platzanlage nach ihren spezifischen Aufgaben zu

befragen. Vielmehr sollen Position und Rang interessieren, die der Platz im Bewußtsein des

Forumsbesuchers einnahm. Einige wenige Beispiele mögen dies erläutern:

Das Forum als Rahmen für das Auftreten des Kaisers Die Adlocutio-Darstellung auf dem

Konstantinsbogen besitzt neben ihrer unmittelbaren Aussage als Wiedergabe einer kaiserlichen

Handlung, der Ansprache an das Volk von Rom, noch eine übergeordnete Bedeutungsebene,

in der sich die Auffassung vom Forum Romanum in konstantinischer Zeit ausdrückt (Taf. 5.1).

Bilden die Darstellungen der Monumente des Forums auf den Anaglypha Traiani lediglich den

örtlichen Rahmen einer Handlung, die durch die Exaktheit und Detailtreue der Darstellung

genau lokalisiert werden kann, so sind die Ortsangaben — also die Monumentendarstellungen —

auf der konstantinischen Adlocutio-Darstellung wesentlich enger, auch auf der Aussageebene,

mit der Handlung verbunden. Zu sehen sind von links nach rechts der Abschluß der Basilica

Iulia, dann der Tiberiusbogen, die Rostra, dahinter das tetrarchische Fünfsäulenmonument und

schließlich der Severusbogen. Das ganze topographische Umfeld ist nunmehr zentriert auf die

Gestalt des frontal wiedergegebenen Kaisers, zu dessen Hervorhebung es dient; das Forum und

seine Bauten bilden auf dieser Darstellung nur noch den Rahmen für die Verehrung des Kaisers.

Details der statuarischen Ausstattung der Rostra, das Fünfsäulenmonument mit den Statuen der

Tetrarchen und Jupiters sowie die Sitzstatuen der Kaiser Hadrian und Mark Aurel, die durchaus

realen Gegebenheiten entsprochen haben, werden detailgetreu inszeniert, um die Legitimation

des rechtmäßigen Nachfolgers der römischen Imperatoren zu versinnbildlichen, zugleich aber

auch um ein politisches Programm auszudrücken, das sich an den Vorbildern der 'guten Kaiser'

Hadrian und Mark Aurel orientiert. Alle Details der Adlocutio-Darstellung lassen sich in zwei

Richtungen deuten: Monumente vergangener Kaiser (Severusbogen, Tiberiusbogen) und solche,

deren Tradition bis in republikanische Zeit herabreicht (Rostra, Basilica Iulia) versinnbildlichen

die großartige Vergangenheit, als deren Fortsetzer sich der zentral dargestellte Kaiser versteht.

Andere Bildelemente führen eine gesellschaftliche Hierarchie vor Augen, die mit der göttlichen

Sphäre beginnt (Jupiter auf der Bildsäule), unmittelbar darunter den Kaiser vorsieht, dann die

um den Kaiser versammelte Aristokratie zeigt und schließlich das einfache Volk.

15° P. L. Galetti, Del Primicero della Santa Sede, Rom 1756, 323f. M. Milella, ArchC1 41, 1989, 79: ... ne umquam per aliquem personam obtentu investimenti huius restitutionis diruatur auf minuatur sed ut est ad honorem ipsius ecclesie (Ss. Apostoli) et totius populi Romani integra et incorrupta permaneat dum mundus durat sic eius stante figura.

Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 125

Dieses bildliche Dokument deckt sich auch mit den literarischen Nachrichten von den Rombe-suchen der spätantiken Kaiser, die sich bis ins 7. Jh. verfolgen lassen'51: Im Jahre 356 besuchte Konstantius II. aus Anlaß der Feier der Niederschlagung des Usurpators Magnentius Rom152 . Ein ausführlicher Bericht dieses Ereignisses wird Ammianus Marcellinus verdankt, anhand des-sen die einzelnen Stationen und Handlungen rekonstruiert werden können. Zunächst zog der Kaiser, begleitet von Soldaten und Feldzeichen, auf einem goldenen Wagen in die Stadt Rom ein und begab sich auf das Forum153:

Nach seinem Einzug in Rom, der Heimstatt des Reichs und aller Tugenden, kam der Kaiser zur Rednertribüne. Da setzte ihn das Forum, das die ehemalige Macht so deutlich erkennen läßt, in Erstaunen. Nach welcher Seite er auch den Blick wandte, blendete ihn die Menge der Wunderdinge. An den Adel richtete er in der Kurie eine Rede, an das Volk eine solche von der Rednertribüne aus, und als er im Palatium mit vielfachen Gunstbeweisen empfangen wurde, genoß er die Freude, die er sich gewünscht hatte.

Ammianus Marcellinus gebraucht in dieser Passage eine Formulierung, die den Rang verdeutlicht, den das Forum im Denken eines Römers einnahm: perspectissimum priscae potentiae forum —das Forum ließ die ehemalige Macht deutlich erkennen. Der Ausspruch zeigt, daß sich das Forum gewandelt hatte in einen gleichsam musealen Sakralbezirk, in dem sich die vergangene Größe und damit der immer noch gegebene Anspruch Roms auf Vormachtstellung konserviert hatte. Für einen Moment fand Rom zu seiner alten Rolle als erste Stadt des Reichs zurück'54. Stolz zeigte man dem Kaiser die Bauten und Monumente, die von den Römern als Abglanz ihrer Größe verstanden wurden und von den Kaisern ebenfalls als solche anerkannt werden mußten. Auch Symmachus erkennt die Geduld und das Interesse des Kaisers an, das er zeigte, als er durch alle Straßen Roms geführt wurde155:

... und er ist durch alle Straßen der Ewigen Stadt hinter den erfreuten Senatoren einher-geschritten. Mit ruhigem Antlitz hat er die Heiligtümer angesehen und die auf den Giebeln eingemeißelten Götternamen gelesen. Er hat nach dem Ursprung der Tempel gefragt, ihre Erbauer bewundert und, obwohl er selbst einer anderen Religion anhing, hat er die unsere dem Reich erhalten.

Nach dem Sieg über den Usurpator Magnus Maximus im Jahre 388 besuchte auch Kaiser Theo-dosius I., begleitet von Valentinian II., die Stadt Rom, um dort seinen Triumph zu feiern'56 . Im wesentlichen scheint man sich an das Vorbild des Konstantius II. gehalten zu haben. Zu den Handlungen, die die Kaiser in Rom vornahmen, zählte das übliche congiarium, ein Besuch des

151 J. Straub, Vom Herrscherideal in der Spätantike, Berlin 1939, 175ff.; Kollwitz, Oström. Plastik 63ff.; W. Hartke, Römische Kinderkaiser, Berlin 1951, 304ff.; C. Barini, Triumphalia, Turin 1952, 188ff.; H. Wrede, IstMitt 16, 1966, 179; S. Elbern, Das Verhältnis der spätantiken Kaiser zu Rom, RömQSchr 85, 1990, 19-49, bes. 43ff.; McCormick, Eternal Victory 84-91.

152 Straub (a. 0.) 175-190; S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 45f. 153 Amm. Marc. 16. 10, 13; Ubs. n. W. Seyfarth, Berlin 19886, I, 177. 154 Vgl. Straub, a. 0. 181f. 155 Symmachus, rel. 3, 7. 156 5. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 46f. Zu den spätantiken Triumphzügen in Rom s. McCormick, Eternal Victory

84-91.

126 Rom

Kaisers beim Senat und eine Ansprache an das Volk auf den Rostra157. Eine Beschreibung des

Rombesuchs des Kaisers Honorius im Jahre 404 liefert sein Panegyriker Claudian158. Anlaß war

ein Sieg über die Goten und der Antritt des sechsten Konsulats. Die Stationen glichen denen der

bereits geschilderten Rombesuche. Nachdem Honorius in Begleitung Stilichos auf einem Wagen,

umgeben von Feldzeichen und Reitern, im Stadtzentrum angelangt war, begab sich der Kaiser

auf das Forum, um vor der versammelten Menge zu sprechen und seinen Tatenbericht vorzubrin-

gen153 . Bei diesem Staatsakt waren nicht nur Honorius, sondern auch sein militärisches Gefolge

in die Toga gekleidet16°. Daraufhin verließ der Herrscher im Jubel der Menge das Forum über

die Via Sacra in Richtung Palatinm. Vielleicht vollzog Honorius zudem noch die traditionel-

le Schließung des Janustempels162 . An den folgenden Tagen verteilte er Spenden an das Volk

und veranstaltete Spieleros. Der zweite Rombesuch des Kaisers Honorius im Jahre 417, der die

Überwindung einer ganzen Reihe von Usurpatoren feierte, wird nur in einigen Chroniknotizen

erwähnt"4.

Die wenigen Andeutungen über das Prozedere spätantiker Rombesuche zeigen deutlich,

daß man bestrebt war, den althergebrachten Ablauf zu wahren'65. Der Einzug des Kaisers be-

stand üblicherweise aus seiner Begrüßung vor der Stadt durch eine Abordnung des Senats und

der Bürgerschaft, dann aus Ansprachen in der Kurie und auf dem Forum schließlich dem Zug

zum Palastlos. Kernpunkt aller Besuche war der Auftritt des Kaisers vor dem auf dem Forum

versammelten Volk. Hier wiederholte sich im 4. und 5. Jh. mehrfach ein festes Ritual, das geeig-

net war, dem römischen Volk, dem Senat und der senatorischen Oberschicht die Illusion einer

ungebrochenen Führungsrolle Roms zu geben.

Doch diente das Forum nicht nur als Rahmen für die Auftritte des Kaisers. Im Panegyricus

des Claudian an die Konsuln Olybrius und Probinus wird beschrieben, wie sich die Konsuln,

begleitet vom Senat und den Liktoren, zum Forum begaben167:

Hier tritt er hin und erblickt vom Uferdamm vor sich die überraschende Erfüllung seines

Herzenswunsches: Einmütige Brüder, umdrängt vom einigen Senat, ziehen zum Forum;

weithin blitzen die blankgezogenen Beile und die Fasces werden paarweise von einer ein-

zigen Schwelle aufgenommen.

157 Congiarium: Claudian, de VI. cons. Honorii v. 72f. Senatsbesuch: ibid. v. 73f. und Pacat., Paneg. 1, 3 u. 47, 3. Ansprache an das Volk: Pacat., Paneg. 47, 3.

158 S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 47f.; Gregorovius I, 53ff.; S. MacCormack, Historia 21, 1972, 738f. 159 Claudian, de VI. cons. Honorii v. 587ff. S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 48. 160 Claudian, de VI. cons. Honorii v. 594f. 161 Claudian, de VI. cons. Honorii v. 603f. 162 Claudian, de VI. cons. Honorii v. 637f. S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 48. 163 Dies wird zwar nicht explizit erwähnt, doch vgl. Straub, Herrscherideal (a. 0.) 196. 164 Philost. 12, 5; Prosper Tiro 1263 (= Chron. Min. I, 468). S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 48f.; Gregorovius I,

82f. 165 Vgl. S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 19-49, bes. 43ff.; zu den spätantiken Triumphzügen in Rom s. McCormick,

Eternal Victory 84-91. 166 Straub, Herrscherideal (a. 0.) 192f. 167 Claudian, Paneg. dictus Probino et Olybrio coss., v. 230-33: Hic stetit et subitum prospexit ab aggere votum:

unanimes fratres iuncto stipante senatu I ire forum strictasque procul radiare secures I atque uno biiuges tolli de limine fasces. Dt. Ubs. bei W. Taegert, Claudius Claudianus. Panegyricus dictus Olybrio et Probino Consulibus. Text, Übersetzung und Kommentar (= Zetemata 85), 1988, 77ff. u. 215.

Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 127

Auch im Jahre 408 war das Forum Schauplatz von Haruspicien, die der damalige Stadtpräfekt Pompeianus angesichts der Hungersnot, die durch die erste Belagerung Alarichs ausgelöst wurde, öffentlich vollzog168. Bezeichnenderweise fiel diese Handlung in die Zeit nationalrömischer Reakti-on unter dem Usurpator Attalus, auf den sich ein letztes Mal die Hoffnungen der stadtrömischen Aristokratie konzentrierten.

Doch konnte sich die Menge auch spontan auf dem Forum versammeln und nicht nur auf-grund eines zeremoniellen Anlasses. Bei Prokop wird überliefert, wie Belisar, der gerade über das Forum (enoecit) von Rom ritt, plötzlich von einem Mann namens Praesidius aufgehalten und mit einer Forderung bedrängt wurde, woraufhin sich eine Menschenmenge zum Schutze Belisars zusammenballte169 . Dieser von Prokop beiläufig erwähnte Vorfall ist insofern interessant, als er ein wenig Licht auf die Selbstdarstellung höchster Würdenträger in der Spätantike wirft. Denn sicherlich ist Belisar hier nicht zufällig vorbeigekommen; sicherlich konnte Praesidius den Feld-herrn am Forum erwarten, um ihm sein Gesuch zu übermitteln. Der Ritt übers Forum könnte Bestandteil der tagtäglichen Repräsentation Belisars gewesen sein. Belisar wandte die gleichen Formen öffentlicher Selbstdarstellung an, wie sie uns in anderen Zeugnissen für andere Städte überliefert sind. In Konstantinopel und in Antiochia erfahren wir von der Repräsentation reicher Bürger auf öffentlichen Plätzen, die zu Pferde einherritten und so ihren Stand und ihre soziale Stellung zum Ausdruck brachtenm.

Ein letztes Beispiel aus dem 4. Jh.: In der Basilica Aemilia fand sich das Fragment eines Edikts des Stadtpräfekten d. J. 375-6, Tarracius Bassus, das auf dem Forum veröffentlicht wurde und sich gegen die Betrügereien gewisser Gewerbetreibender richtet. Das Edikt, das aus mehreren Inschriftenfragmenten rekonstruiert werden kann, beginnt folgendermaf3en171:

Ex auctoritate Tarraci Bassi v(iri) c(larissimi) praef(ectus) urbi nomina aere incisa [?ta-ber]nariorum, qui sibi pecuniam [publicam] et locum spectaculis et panem populi contra disciplinam Romanam derel[icta urbe?] vindicare consueverant.

Es folgt eine Liste von Übertretern aus allen Stadtteilen Roms172 . Diese Inschrift bezeugt für das 4. Jh. die Bedeutung des Forums als Ort der Meinungsbildung und -lenkung: hier richtete sich der Aufruf nach Ordnung an die Bevölkerung, hier wurden Störer der Ordnung öffentlich genannt und angeprangert. Das Forum wurde zum Ort, an dem Rechts- bzw. Unrechtsbewußtsein gesteuert wurde. Was im Positiven durch Statuenehrungen bewirkt wurde, wurde im Negativen durch Anprangerung und Bloßstellung erreicht.

Das Schwinden althergebrachter Funktionen Mit der immer selteneren Nutzung der Bauten im traditionellen Sinn verringert sich auch die Aussagekraft des Forums als Abbild vergangener und gegenwärtiger Größe und sozialer Struktur.

168 Zos. 5, 41. Chastagnol, Prefecture 139. 169 Prok., bell. Got. 2. 8, 8f. 170 S. u. S. 181 (Reiter auf der Darstellung des Konstantinsforums auf den Reliefs der Arkadiussäule), 224 (Verbot

Justinians, in die Basilika zu reiten) und 181 (Angehörige der Oberschicht, die auf dem topographical border durch Antiochia reiten).

171 CIL VI, 37111 (CIL VI, 31893-31901). Fragmente aus der Basilica Iulia: CIL VI, 31894-31898 (letztes Frag-ment FO: Vicus lugarius). G. Gatti, BullCom 27, 1899, 230ff.; ders., NSc 1899, 335; C. Hülsen, Klio 2, 1902, 270f. Nr. 50; Chastagnol, Prefecture 273ff.

172 Siehe den erläuternden Kommentar Hülsens in CIL VI, p. 3171.

128 Rom

Das Verbot der Ausübung des heidnischen Kults in den Jahren 391 und 392 bedeutet

einen Einschnitt, der allerdings nicht überbewertet werden sollte. Denn daß dies noch nicht das

vollständige Sterben jeglicher heidnischer Kulthandlung bedeutete, zeigt das erst 394 erlassene

explizite Verbot des Vestakults durch Theodosius. Wenn auch nunmehr öffentliche Kulthandlun-

gen verboten waren, verloren die Tempel am Forum noch nicht gleich ihren Sinn. Diese konnten,

sofern sie neben der religiösen auch eine profane Funktion besaßen, diese fortsetzenm. So könnte

der Saturntempel weiterhin als Stadtkasse gedient haben'74. Prokops Beschreibung der Episo-

de von einer kleinen Schar Traditionalisten, die während des Gotenkriegs versuchten, die noch

intakten Türflügel des Janustempels zu öffnenm, belegt schlagend, daß der Symbolgehalt die-

ses Sacellums immer noch lebendig war, und wohl auch, daß hier weniger die Kontinuität des

heidnischen Kultes gesucht wurde als vielmehr die Kontinuität einer jahrhundertealten rituellen

Handlung. Offenbar konnten diese paganen Tempel, die noch im 4. Jh. mit einem bedeutenden

Aufwand wiederhergestellt wurden, durchaus noch als Aussageträger fungieren und trotz ihrer

offiziell geschmähten Kultzugehörigkeit Sinnbilder von Größe und Anspruch in Vergangenheit

und Gegenwart sein. Unklarheit besteht über die Funktionskontinuität der Rostra. Noch Dio-

kletian ließ an der Ostseite eine weitere Rednerbühne anlegen und so den Platz symmetrisch

einfassen. Daß auch hier fünf Säulenmonumente errichtet wurden, zeigt, daß an der Wende zum

4. Jh. die Funktion dieses Baus hauptsächlich unter dem Aspekt der imperialen Repräsentati-

on gesehen wurde. Einen bezeichnenden Einschnitt bedeutet die Umwandlung der westlichen

Rostra in ein Monument zu Ehren der Kaiser Leo und Anthemius in der zweiten Hälfte des

5. Jh. Der Bau verlor wohl seine Funktion als Rednerbühne und diente nur noch als kaiserliches

Ehrendenkmal.

Spätantike Beurteilungen des Forums Ammians knappe Erwähnungen ließen bereits ahnen,

daß das Forum als Spiegel einer großen Vergangenheit und des Vormachtanspruchs Roms angese-

hen wurde. Diese Beurteilung teilen auch diejenigen, die sich polemisch gegen die Konservierung

traditioneller Kulte und Instanzen richten. Orosius, Verfasser einer historia adversus paganos

im beginnenden 5. Jh., schreibt etwa, daß während des Wütens der Goten unter Alarich auch

göttliche Kräfte an der Zerstörung des Forums beteiligt warenm:

Da es über die menschlichen Kräfte gehen würde, eherne Balken in Flammen zu set-

zen und die Grundmauern großer Bauwerke zu zerstören, wurde das Forum samt den

nichtigen Bildern, die mit elendem Aberglauben Gott und Mensch belügen, schwer durch

Blitzschläge getroffen. All diese Scheusale, an die das vom Feind entzündete Feuer nicht

herankam, zerstörte das vom Himmel geschickte Feuer.

b. Bedeutung des Trajansforums in Spät antike und frühem Mittelalter

Bis ins Mittelalter hinein wurde das Trajansforum als gewaltigste stadtrömische Platzanlage

bestaunt. Polemius Silvius nahm es in seine Liste der Sieben Wunder Roms auf177 . Auch nach

173 Vgl. hierzu auch LaBranche, Roma Nobilis 72f.

174 P. Pensabene, Tempio di Saturno (= Lavori e studi di archeologia 5), Rom 1984, 63.

175 Prok., bell. Got. 1. 25, 18-25.

176 Orosius 2,15 (Übs. n. A. Lippold, 1985, 146). Gregorovius I, 76.

177 Polem. Silv. 545.

Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 129

mehrmaligem Besuch büßte das Trajansforum nichts von seiner beeindruckenden Wirkung ein, wie den Worten Cassiodors zu entnehmen istm:

Das Forum Trajans ist ein Mirakel, mag man es noch so lange betrachten, und wer zum erhabenen Kapitol hinansteigt, sieht ein Werk, welches 'über das menschliche Genie er-haben ist.

Architektur und Ausstattung fanden die Bewunderung spät antiker Kaiser und schließlich auch Nachahmung. An der Stelle des Göttertempels auf dem Forum Augustum begegnet nunmehr ein Tempel des vergöttlichten Kaisers, der sich im Sockel der Säule, also innerhalb der Stadtmauer, beisetzen ließ'79. Der Platz war kein Knotenpunkt im Verkehrsnetz des antiken Rom, sondern wurde durch den allseitigen Abschluß mittels Portiken ein abgeschlossener Bezirk, der auf das zentrale Monument, das Reiterstandbild Traj ans, ausgerichtet warm°. Dies empfanden auch die Betrachter in der Spät antike so. Über die Eindrücke, die Konstantius II. bei seinem Besuch des Trajansforums im Jahre 356 begleiteten, informiert uns der Bericht Ammiansi81:

Dann kam der Kaiser zum Trajansforum. Nach unserer Meinung läßt es sich mit keinem anderen Bauwerk unter dem Himmel vergleichen und verdient sogar nach der Meinung der Gottheiten Bewunderung. Da blieb er wie vom Donner gerührt stehen, und seine Gedan-ken schweiften um die gigantischen Konstruktionen, die Worte nicht schildern können und die von Menschen nicht noch einmal erreicht werden können. Ihm schwand die Hoffnung, einen ähnlichen Versuch zu wagen; nur das Pferd Trajans im Mittelpunkt des Atriums, das den Kaiser selbst trägt, wolle und könne er nachbilden, sagte er. Nahe bei ihm stand der Königssohn Hormisdas, dessen Flucht aus Persien ich oben berichtet habe. Mit ange-borener Gewandtheit erwiderte er: 'Vorher, mein Kaiser, laß einen solchen Stall bauen, wenn du dazu imstande bist; dann soll das Pferd, das du herstellen lassen willst, ebenso breit darin ausschreiten wie das, das wir hier sehen'.

Es ist bezeichnend, wie sehr bei Konstantius II. und seinen Begleitern der von den Planern dieses Kaiserforums intendierte Effekt zum Tragen kam. Sie waren beeindruckt durch die gewaltigen Ausmaße des Trajansforums und bemerkten auch sofort das zentrale Reiterstandbild Trajans (Abb. 46). Darüberhinaus faßte Konstantius II. sofort den Plan einer Imitation: offensichtlich entsprach das trajanische Monument den in der Spätantike geltenden Kriterien herrscherlicher Selbstdarstellung. Die im Trajansforum auf mehreren Ebenen geschehende Glorifizierung des vergöttlichten Kaisers und seiner Truppen und die Einbindung des Betrachters in eine Archi-tektur, die jeden darin befindlichen Besucher zum Spielball imperialer Repräsentation macht, ließen das Trajansforum und seine Bildpropaganda zu einem in der spät antiken Zeit überaus wirkungsvollen Monument werden. Es entsprach ganz den Anforderungen, die in der Spät antike an einen idealen Herrscher gerichtet und die in der spätantiken Bildersprache beständig wie-

178 Cass., Var. 7, 6 (Übs. nach Gregorovius I, 139). 179 P. Zanker, AA 1970, 542f. 180 Vgl. P. Zanker, AA 1970, 505, und Th. Kraus, RM 81, 1974, 120. 181 Amm. Marc. 16.10,15 (Übs. Nach W. Seyfarth, Berlin 19886 , 179). vgl. auch J. Straub, Vom Herrscherideal

in der Spätantike, 1939, 189f.; P. Zanker, AA 1970, 499f.; Th. Kraus, RM 81, 1974, 118. Philologische Untersuchung dieser Textstelle: R. 0. Edbrooke, Constantius II. and Hormisdas in the Forum of Trajan, Mnemosyne 28, 1975, 412-417.

130 Rom

derholt wurden: Sieghaftigkeit und Übermenschlichkeit. Diese Aussage perpetuierte sich auch

in den Reliefs des Trajansforums, die am Konstantinsbogen wiederverwendet wurden182 . Die

Schlachtenszene im Mitteldurchgang stellt den Kaiser auch in dieser stets sieghaften Qualität

dar, indem er die Feinde nicht durch unmittelbare Kampfhandlungen besiegt, sondern allein

durch seine Präsenz183.

Abb. 46. Reiterstandbild Traj ans, Münzdarstellung.

Das Trajansforum hatte durch die Anfügung des Tempels für den vergöttlichten Trajan und des-

sen Grabstätte unter dem Säulensockel eine Qualität gewonnen, die erst wieder in der Spät antike

Nachahmung fand und rezipiert wurde. Konstantins Grabstätte, die Apostelkirche, ähnelte in

einem Punkt der Trajanssäule: es handelte sich ebenfalls um eine Bestattung intra muros. Bei-

de Kaiser verwiesen durch diese Anlehnung an innerstädtische Heroengräber jeweils auf ihre

virtus184 . Auch zwischen der Trajanssäule und der Konstantinssäule lassen sich Analogien fest-

stellen185 . Wenn auch die Konstantinssäule im Gegensatz zur Trajanssäule kein Grabmal war und sie sich im Zentrum einer frei zugänglichen Platzanlage befand, so liegt doch beiden Säulen-monumenten die Absicht zugrunde, sich als Schutzheiligtum der Stadt zu präsentieren. Im einen

Falle war es die Asche des hier bestatteten Herrschers, im anderen Falle waren es das Palladi-

182 Dabei handelt es sich um Darstellungen der Dakerschlacht Trajans und des Durchreitens der Porta Capena. Es ist nicht völlig gesichert, woher genau die Reliefs stammen. Zanker vermutet mit Vorbehalten eine Aufstellung des Frieses, dem die Schlachtenszene entstammt, an den Rückwänden der Portiken des Trajansforums, über der noch erhaltenen Sockelzone der Pilastergliederung (P. Zanker, AA 1970, 517 (Abb. 26)). Auch dachte man an eine Aufstellung in der Basilica (A. M. Leander Touati, The Great Trajanic Frieze, Stockholm 1987, 90). S. Stuchi vermutete eine besser sichtbare Aufstellung am Außenbau der Basilica Ulpia an der Seite der Trajansäule. Der Fries könnte zwischen den beiden Portalen, die in den Bibliotheksbezirk führen, angebracht gewesen sein. Stuchi schlug jüngst eine Plazierung des Frieses mit den Schlachtenszenen an der Rückwand der Basilica Ulpia, zwischen den beiden Bibliotheken, vor (S. Stuchi, ArchCl 41, 1989, 267). Daß die Reliefs vom Trajansforum stammen, streitet Anderson, Topography 144, ab, da auf dem Trajansforum kein Platz für diese Platten gewesen sei. Anderson zieht in Erwägung, daß diese zwar für das Forum gemacht, aber nicht verwendet wurden. Vgl. hierzu auch A. J. B. Wace, BSR 4, 1907, 231-56; M. Pallottino, BullCom 66, 1938, 17-25; W. Gauer, JdI 88, 1973, 318-50.

183 P. Zanker, AA 1970, 514. 184 P. Zanker, AA 1970, 534ff. u. 543f. vgl. hierzu G. Waurick, Untersuchungen zur Lage der römischen Kaiser-

gräber in der Zeit von Augustus bis Constantin, JbMusMainz 20, 1973, 107-46, bes. 117ff. u. 142ff. 185 P. Zanker, AA 1970, 536f.

Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 131

um und vielleicht auch weitere christliche Reliquien, die den Schutz und Fortbestand der neuen

Hauptstadt garantierten186 .

Diese spezifische Ausstrahlungskraft schien die Trajanssäule auch im Frühmittelalter nicht

verloren zu haben: Die Legende von der Erlösung der Seele Traj ans durch die Fürbitte Gregors

d. Gr. illustriert das Bedürfnis, den durch seinen heidnischen Glauben belasteten Tugendkaiser

Trajan nachträglich zu christianisieren. Die Entstehungszeit dieser Legende deckt sich in etwa mit

den Gräbern, die unter der Basis der Säule angelegt wurden (Abb. u. 41). Wahrscheinlich suchte

man noch im Tod die Nähe zu dem im Säulensockel bestatteten Kaiser, der sein heidnisches

Gewand abgelegt hatte'87.

c. Die architektonische Erscheinung der stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich

Warum war es das Trajansforum, nicht das Forum Romanum, das Konstantius II. so sehr beein-

druckte? Wieso schildert Ammian so breit den imposanten Eindruck des Trajansforums, während

er das Forum Romanum kaum erwähnt? Der Schlüssel zur Antwort mag in der gänzlich unter-

schiedlichen Konzeption der beiden Platzanlagen liegen. Im Gegensatz zu den Kaiserfora besitzt

das Forum Romanum eine in der Spät antike bereits etwa 1000-jährige Geschichte. Bildete es auch

nach der tetrarchischen Umgestaltung immer noch eine uneinheitliche Platzanlage, auf der sich

zahlreiche Denkmäler und kleinere Bauten drängten, die alle für sich Transporteure unterschied-

licher Traditionen und Aussagen waren, so war das Trajansforum in seiner Größe, regelmäßigen

Anlage und einheitlichen Aussage ausschließlich auf die zentrale und übermenschliche Gestalt

seines Erbauers Trajan ausgerichtet, der sich hier nicht nur als siegreicher Eroberer darstellte,

sondern sich nach seinem Tod auch als gottgleich verehren ließ. Nicht das Forum Romanum mit

seiner geschichtsorientierten Ausstattung und Bausubstanz, deren Aussagen auf verschiedenen

Bedeutungsebenen oft nicht auf den ersten Blick ablesbar waren, rief die Bewunderung des Kai-

sers und seines Gefolges hervor, sondern das den einfacheren spät antiken Repräsentationsformen

näherstehende Forum Traiani.

Die großen Platzanlagen Roms sind von Entstehungsgeschichte und Sinngebung her völlig

verschiedenen Charakters: während das Forum Romanum sein Erscheinungsbild einem jahr-

hundertelangen Entwicklungsprozeß verdankt, liegen den Kaiserfora einheitliche Platzkonzepte

zugrunde, die nie einschneidend verändert wurden. Wurde das Forum Romanum erst allmählich

mit so elementaren Gestaltungsmerkmalen wie Pflasterung, Rahmenbebauung und Ehrenmonu-

menten versehen, so stellten die Kaiserfora Bauprojekte dar, die in kurzer Zeit realisiert wurden.

Die Abgeschlossenheit ist eine der Voraussetzungen dafür, daß diese Plätze nicht mehr nur als

Aufstellungsort von Monumenten aller Art dienten, wie das schon die griechischen Agorai ge-

tan hatten, sondern selbst als Monument ausgestaltet und verstanden werden konnten188. Hieran

änderte sich auch in der Spät antike nichts. Die spät antike Bautätigkeit beschränkte sich, was den

architektonischen Bestand dieser Platzanlagen angeht, auf Modifizierungen und Restaurierun-

gen. Nur selten, wie etwa im Falle des Caesarforums, gaben Zerstörungen Anlaß zu Umgestaltun-

186 Vgl. P. Zanker, AA 1970, 537. Zur Frage nach dem Alter der Überlieferung der Reliquien im Sockel der Konstantinssäule s. u. S. 259f.

187 So C. Cecchelli, Studi e documenti sulla Roma sacra, I, Rom 1938, 106ff. 188 P. Zanker, AA 1970, 505.

132 Rom

gen, in denen spät antike ästhetische Vorstellungen realisiert wurden. Das Augustusforum, das

Forum Pacis und das Trajansforum blieben nach Ausweis des (oft spärlichen) archäologischen

Befunds in ihrer baulichen Gestalt unangetastet.

Das Forum Romanum unterscheidet sich von den Kaiserfora durch die Vielzahl seiner Zu-

gangswege189 . Es war Stadtmittelpunkt, Zentrum des Wegenetzes, damit aber auch Durchgangs-

ort und vermittelnder Ort zwischen den Stadtteilen, der nicht nur um seiner selbst willen betre-

ten wurde, sondern auch als Weg zu einem andern Ziel. Umbilicus Urbis und Miliarium aureum

versinnbildlichen den auch ideellen Charakter des Forums als Mittelpunkt eines stadt- und reichs-

umspannenden Wegenetzes. Auch der Charakter der auf dem Forum befindlichen Monumente

war völlig anderer Art als der der Kaiserfora. Hier waren die einzelnen Architekturen und Mo-

numente Zeugen des Alters, der Würde und der Größe Roms, reliquienähnliche Male, die diesen

Reliquienwert durch die Bindung an einen bestimmten Ort hatten. Dies zog notwendigerweise

eine architektonische Uneinheitlichkeit der Gesamtanlage nach sich. Zu Beginn des 4. Jh. wur-

den die Weichen für das spätantike Erscheinungsbild gestellt und damit auch für die spät antike

Rezeption dieser Platzanlage. Säulenmonumente an der West-, Süd- und Ostseite sollten dem

Platz einen würdigen architektonischen Rahmen geben. Zugleich wurde das Forum mit neuen

Denkmälern ausgestattet, denen in die Zukunft wirkendes historisches Gewicht zugetraut wurde.

Trotz der spürbaren Vereinnahmung des Forums durch die Person des Kaisers, die sich in ei-

ner Reihe spätantiker Kaisermonumente ausdrückte, blieb der Sinn des Forum Romanum, seine

Bedeutung für Rom unangetastet, ja eher bewahrt und verteidigt.

d. Die statuarische Ausstattung der stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich

Der epigraphische Befund belegt, daß vor allem auf dem Forum Romanum und dem Trajans-

forum während des 4. und 5. Jh. weiterhin Statuen des Kaisers, hoher Beamter und verdienter

Männer öffentlich aufgestellt wurden. Dabei fällt eine deutliche Trennung zwischen den Aufstel-

lungsorten der Kaiserstatuen und denen hoher Beamter auf. Auf dem Forum Romanum sind

nur in Ausnahmefällen dem Stadtpräfekten Statuen gestiftet worden, auf dem Trajansforum

hingegen begegnete eine Vielzahl von Beamtenstatuen, die obendrein oft den Kaiser zum Stifter

hatten.

Das Forum Romanum war, was die aufgestellten Statuen betraf, seit augusteischer Zeit Ort

kaiserlicher Repräsentation geworden und gewährte auch in der Spätantike keinen Raum für

die statuarische Darstellung hoher Beamter oder gar von Privatpersonen. Während der gan-

zen Spätantike blieb also die Exklusivität des Forums als Ort der Kaiserehrung weitestgehend

gewahrt. Hier dominierte bis ins frühe 7. Jh. der Kaiser, der sich so als Teil der ehrwürdigen

Geschichte Roms begriff und sich durch Präsenz auf dem Forum Romanum in das Kontinuum

der römischen Geschichte einzureihen suchte.

Anders stellt sich die Statuenausstattung des Trajansforums dar. Auch hier zeigt sich, daß die

Direktiven zur statuarischen Ausstattung aus trajanischer Zeit noch unter dem spät antiken Do-

minat ihre Gültigkeit behielten, wenn auch bezeichnende Modifizierungen eintraten: Erst ab dem

2. Drittel des 4. Jh. begegnen Statuen von Stadtpräfekten, ein Phänomen, für das als Erklärung

mit Chastagnol auf die gehobene Bedeutung des Stadtpräfekten im 4. Jh. hingewiesen werden

189 Giuliani / Verduchi 187.

Die stadtrömischen Platzanlagen im Vergleich 133

muß190 . Auch die während der hohen Kaiserzeit gängigen Statuen verdienter Feldherren fehlen seit dem 4. Jh., was Anderson mit der Umstrukturierung und Reorganisation der Militärver-waltung erklärt — ein Argument, das hierfür kaum als Erklärung herangezogen werden kann191: Gemäß der spät antiken Kaiseridee wird der Sieg nicht mehr der virtus des Einzelnen zugeschrie-ben, sondern der Qualität des Kaisers als semper victor192 . Doch bedeutete dies nicht eine Fülle von Kaiserstatuen auf dem Trajansforum. Gerade für das Forum Traiani sind im Gegensatz zum Forum Romanum auffallend wenige Kaiserstatuen überliefert. Das Trajansforum war in der Spätantike vielmehr ein Bereich, in dem hohe Magistraten statuarische Ehren erhielten. Die Tatsache, daß auch zahlreiche Statuen von Dichtern, Geschichtsschreibern etc., kurz: verdienter viri illustres, zutage kamen, läßt vermuten, daß das Trajansforum, oder aber zumindest ein Teil davon, als eine Art Ruhmeshalle verdienter Persönlichkeiten gestaltet wurde. Als solche war sie mit dem besonderen Akzent auf dem militärischen Bereich bereits von Trajan konzipiert worden, und dies scheint auch in der Spätantike, wenn auch mit neuen Akzenten beibehalten worden zu sein.

In diesem Zusammenhang ist zu fragen, wer denn eigentlich als Stifter der spätantiken Kai-serstatuen fungierte. Ein Überblick über die Kaiserstatuen auf dem Forum Romanum und auf den Kaiserfora zeigt, daß Statuenstiftungen ab dem zweiten Drittel des 4. Jh. ausschließlich vom Stadtpräfekten vorgenommen wurden193. Chastagnol führt diesen Umstand auf eine Verwaltungs-reform Konstantins im Jahre 331 zurück, die die Kompetenzen des Amts des Stadtpräfekten auch auf die öffentlichen Bauten und Statuen erweiterte'94. Die Verengung des Kreises der Stifter auf die Person des Stadtpräfekten ergab ein beachtliches Maß an Systematik, was die statuarischen Ehrungen an Kaiser anbelangt. Nicht selten lassen sich regelrechte Galerien von Statuen der Angehörigen der Kaiserfamilie beobachten, die ein praefectus urbi stiftete195. Umgekehrt trat als Stifter der Statuen auf dem Trajansforum meist der Kaiser auf, wobei nicht unerwähnt blieb, wenn dies auf Empfehlung des Senats oder auf das ausdrückliche Verlangen des Volks geschah. Dieses streng reglementierte Austauschen von Ehrungen zwischen Kaiser und höchsten Beam-ten ist ein typisches Charakteristikum des spätantiken Ausstattungswesens in Rom. Nach dem Prinzip `do ut des' gestand man sich wechselseitig Standbilder zu, die weniger Ausdruck der Anerkennung einer bestimmten Leistung waren, sondern nur noch selbstverständliche Visuali-sierungen einer sozialen Hierarchie.

Als Rahmen dieser gegenseitigen Affirmation zwischen Kaiser und Beamtenadel dienten das Forum Romanum mit seinem ausschließlich auf die Person des Kaisers ausgerichteten Ausstat-tungsprogramm und das Trajansforum, das man als eine Art Ruhmeshalle des gegenwärtigen und zukünftigen Staates begriff. Im Gegensatz zu diesen beiden Platzanlagen besaß das Augustusfo-rum ein fertiges und abgeschlossenes Ausstattungsprogramm, das keine Ergänzungen zuließ. Dies ist nicht nur räumlich gemeint, sondern auch thematisch: Das Ausstattungsprogramm des Augu-

19° So auch Anderson, Topography 164f., ohne jedoch Chastagnol heranzuziehen. 191 Anderson, Topography 169 192 S. hierzu S. u. S. 321ff. 193 S. 0. S.76. 194 Chastagnol, Prdecture 51ff. 195 S. 0. S. 76.

134 Rom

stusforums war ganz auf die Person des Augustus ausgerichtet, der als Erfüllung der römischen

Geschichte gefeiert wurde'96. Es war als Sakralgefilde zur Verherrlichung des julisch-claudischen

Herrscherhauses unter der Schutzherrschaft von Mars und Venus gedacht und wurde als solches

konserviert. Anders als das Statuenprogramm des Forum Romanum, das erst allmählich anwuchs

und oft auch neugestaltet wurde, stellte das des Augustusforums eine einheitliche Schöpfung dar,

die auf verschiedenen Sinnebenen, historischen wie mythologischen, Augustus in seiner Qualität

als Sohn des Divus Iulius, als Retter in Kriegsnot und als Garant des kommenden Friedenszeital-

ters riihmte197. In diesem vollständig von der augusteischen Herrschaftsideologie vereinnahmten

Bereich war kein Platz mehr für Statuen späterer Kaiser, die obendrein nicht einmal mehr dem

julisch-claudischen Haus entstammten. Im fast ausnahmslosen Verzicht auf spätere Statuenwei-

hungen, aber auch in der Tatsache, daß man die Architektur dieser Platzanlage unangetastet

ließ und keinen Veränderungen unterwarf, zeigen sich nicht nur das fortdauernde Verständnis

des augusteischen Bildprogramms bis in die Spätantike, sondern vielleicht auch Verehrung und

Respekt für diesen Kaiser. Dies macht auch die Textstelle in der Historia Augusta deutlich, in

der es heißt, daß Alexander Severus das augusteische Konzept wiederaufnahm, jedoch anstelle

der summi viri seine Vorgänger auf dem Kaiserthron und sicherlich auch sich selbst hier ver-

ewigen wollte. Das Augustusforum bot hierfür nicht den ideellen Rahmen; es mußte eine neue

Statuengalerie auf dem Forum transitorium angelegt werden.

In spätantiker Zeit ist also vordergründig ein unterschiedlicher Umgang mit den einzelnen Fora zu

beobachten — gerade hinsichtlich der Aufstellung von Statuen. In Wirklichkeit ist das Verhalten

in allen Fällen ähnlich. Die jeweilige 'Grundidee' der verschiedenen Platzanlagen wurde auch in

der Spätantike noch gesehen und respektiert. Das Forum Romanum mit seiner von der Geschichte

bestimmten Ordnung wurde darüber hinaus zu einem Ort, wo Neuerungen möglich waren.

3. Erhalt und Konservierung der antiken Bausubstanz und Statuenausstattung

a. Maßnahmen zur Erhaltung der Statuenausstattung

Aus der Zeit vom 4. bis zum 6. Jh. sind zahlreiche Versuche überliefert, das überkommene Stadt-

bild Roms, Bauten wie Standbilder, zu bewahren. In den Jahren 331/3 wurde in Rom das Amt

des curator statuarum eingerichtet'98. Dieser curator statuarum war für den Erhalt der Statu-

en in den Straßen, Plätzen, Thermen, Parks und in den öffentlichen Gebäuden verantwortlich.

Dieselbe Sorge um die Wiederherstellung des Schmucks in den Straßen und an den öffentlichen

Plätzen drückt sich in den zahlreichen über die ganze Stadt verteilten Inschriftenbasen aus, die

aus dem 4. und 5. Jh. datieren und von der Wiederherstellung älterer Bildwerke sprechen'99. In

diesen Inschriften wird meistens der Name des Stadtpräfekten im Nominativ genannt sowie die

stereotype Formel curavit, reparavit oder auch dedicavitm° . Aus dem Unterbleiben des Namens

196 P. Zanker, Forum Augustum, Tübingen 1968, 20.

197 Zanker, a. 0. 20ff.

198 Notitia Dignitatum occ. IV p. 113f. Seeck. Chastagnol, Prefecture 51f., 139 u. 363-8.

199 So bereits G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7f. 200 Inschriften zusammengefaßt bei G. Gatti, BuliCom 27, 1899, 229f.: CIL VI, 1651-1672 u. 31879-31892.

Erhalt und Konservierung der antiken Bausubstanz und Ausstattung 135

des Geehrten ist zu schließen, daß keine zeitgenössischen Persönlichkeiten (Kaiser und Familie) auf solchen Inschriftenbasen Statuen erhielten201. Einen ganz eigenartigen Befund ergeben die in der Spät antike auf die Basen von Statuen eingeritzten Inschriften, die das Standbild als Werk des Polyklet, Timarchos, Phidias, Praxiteles bzw. Bryaxis ausweisen. H. Brandenburg denkt an die Möglichkeit, daß Werke dieser Bildhauer in der Spätantike aufs Forum transferiert wurden, doch wäre auch zu erwägen, daß es sich um eine 'Schutzmaßnahme' älterer Statuen handelt2°2 . Durch die Nennung eines berühmten Bildhauers könnte die Bedeutung des Werks in den Augen der Betrachter gehoben werden und das Werk der Zerstörung entgehen.

Diese Konservierungsmaßnahmen dürfen nicht religiös ideologisiert und damit mißverstanden werden, indem man sie gar als Akt eines christlichen Stadtpräfekten betrachtet, der heidnische Götterbilder in der Öffentlichkeit zur Schau stellen wil1203. Die Masse der Inschriften mit der Formel curavit etc. ohne Objektsangabe erklärt sich im spätantiken Rom am besten durch die Annahme von Zerstörungen als Folgen von Naturkatastrophen, Einfällen oder ganz einfach Alter und Baufälligkeit. Die Entnahme des Tempelschmucks war hingegen strafbar. Mehrere Gesetze richten sich gegen die Spolisierung öffentlicher Bauten, zu denen auch heidnische Kultbauten zählten204. Praetextatus etwa sorgte sich um die Einhaltung eines kaiserlichen Edikts, das die Plünderung der öffentlichen ornamenta verbot und die Privatleute, die sich den Schmuck der Stadt zu eigen machten, aufforderte, diesen zurückzugeben2°5.

Wiederverwendung In den Bereich der Konservierungsmaßnahmen fällt auch die Wieder- verwendung von Inschriftenblöcken. Aus dem gesamten Stadtgebiet Roms sind mehrere Repa-rationsinschriften bekannt, für die ältere Inschriftenblöcke wiederverwendet wurden206. Es ist fraglich, inwieweit die Wiederverwendung von Inschriftenbasen für eine absichtliche Zerstörung von Statuen spricht. Die Übernahme älterer Blöcke muß nicht unbedingt den Abbruch eines älteren Denkmals bedeuten; denkbar ist auch, daß dieser Block von einem Monument stammt, das infolge eines Brandes oder eines Erdbebens zerstört wurde und sich somit die Wiederver-wendung anbot. Die verschiedenen bereits erwähnten Katastrophen, die Rom und das Forum in der Spätantike heimsuchten, haben sicher auch Schäden an der Statuenausstattung gezeitigt. Bis auf eine Ausnahme sind alle wiederverwendeten Inschriftenblöcke dem 5. Jh. zuzurechnen, so daß man einerseits darin eine Erinnerung an die zahlreichen Einfälle und Zerstörungen im 5. Jh. sehen mag, andererseits aber auch ein Indiz für eine systematische Wiederverwendung

201 G. B. DeRossi, BullArchCrist 3, 1865, 7. 202 Vgl. J. Geffken, Ausgang der Antike, Berlin 1921, 181 u. 306 Anm. 34; Hülsen, Forum 58; C. Hülsen, Forum

und Palatin, München 1926, 51; G. Carettoni, StRom 11, 1963, 407; H. Funke, RAC 11, 1981, 815ff. s.v. Götterbild. Angaben z. T. nach Brandenburg in: Migratio et Commutatio (FS Th. Pekäry), St. Katharinen 1989, 240 u. 242 Anm. 18.

203 So R. Lanciani, BullCom 27, 1899, 185f.; Chastagnol, PrAfecture 157, 331 u. 364; Chastagnol, Fastes 201f. Angeblich soll Konstantin im Jahre 331 den Präfekten Anicius Paulinus autorisiert haben, Statuen aus heidnischen Tempeln in die Thermen zu transferieren. Die bei Chastagnol als Beleg zitierte Inschrift CIL VI, 1651 sagt hierüber nichts aus. Das gleiche gilt für Volusianus Lampadius (PUR 365 n. Chr., CIL VI, 1170), Olybrius (PUR 370 n. Chr., CIL VI, 1657) und Tanaucius Isphalangius (PUR 374-5 n. Chr., CIL VI, 1672a und b). Die Beispiele nach Chastagnol, Präfecture 347. S. hierzu auch u. S. 314ff.

204 Z.B. Cod. Theod. 16.10,15 u. 16.10,19; Nov. Maior. 4,1. etc. s. hierzu C. Kunderewicz, La protection des monuments dans le Code Theodosien, in: Studi in onore di E. Volterra, IV, Mailand 1971, 137-53.

205 Symmachus, rel. 21. 3, 5. 206 CIL VI, 1658d, 1670, 1659, 1662, 1656b (s. 1120) u. 1656c. s. G. Gatti, BullCom 27, 1899, 229f.

136 Rom

älterer Inschriftenblöcke207. Die Sockel älterer Statuen, die ihre Aktualität verloren hatten, oder

aber diejenigen unwiederbringlich zerstörter bzw. geplünderter Statuen konnten zwanglos wie-

derverwendet werden. Doch ist dies nicht a priori als Zeichen ökonomischen Niedergangs oder

als Nachlassen des Respekts vor dem Bildnis zu werten, sondern zunächst als Ausdruck einer

Rationalisierung208.

b. Maßnahmen zur Erhaltung der antiken Bausubstanz

Was sich für die statuarische Ausstattung des spätantiken Rom feststellen läßt, gilt auch für die

öffentlichen Bauten, auf deren Bewahrung und Wiederherstellung man achtete. Meist handelte

es sich bei den Baumaßnahmen der Stadtpräfekten um Wiederherstellungen bzw. 'Aktualisie-

rungen' älterer Bauten am Forum. Exemplarisch kann hierfür die Wiederherstellung der Porticus

Deorum Consentium durch Vettius Agorius Praetextatus genannt werden209 . Nach Ausweis der

Inschrift sorgte sich der Stadtpräfekt um die alte Form und Funktion dieses traditionsreichen

Baus, der in seiner baulichen Gestalt wohl aus flavischer Zeit stammte, seine Wurzeln jedoch

in weit älterer Zeit besaß. Der Kult der Zwölfgötter wurde in seiner alten Form wiederaufge-

nommen, wie auch das Bauwerk, das diesen Kult beherbergte, in seinem traditionellen Äußeren

bewahrt wurde210. Auch die Bauinschrift auf dem wohl in der 2. Hälfte des 4. Jh. erneuerten Sa-

turntempel betont den Aspekt der Wiederherstellung dieses Bauwerks. Seine ionischen Kapitelle

wurden sorgsam kopiert, obwohl dieser Kapitelltyp in Rom schon seit Jahrhunderten keine Tra-

dition mehr besaß (Taf. 7.2)211. Nicht selten begegnen in den Bauinschriften dieser Zeit Hinweise

auf das Alter der Bauten, indem man Formulierungen wie vetustate collapsum, incendio con-

sumptum oder in formam antiquam restituere verwendet212: Durch die inschriftliche Erwähnung

des Alters, der Zerstörungen und ihrer Ursachen sowie durch den Hinweis auf Wiederherstel-

lung des einstmaligen Äußeren trugen die Monumente ihre Geschichtlichkeit nach außen und

formulierten den Anspruch auf Bewahrung des status quo auch in der Zukunft213.

Ein Ereignis aus der Mitte des 5. Jh. erhellt die Fürsorge der Römer für ihre öffentlichen Bau-

ten, deren Zerstörung als gleichbedeutend mit der Zerstörung der eigenen Identität empfunden

wurde: Als Avitus 456 von den römischen Prachtbauten den Bronzedekor abreißen ließ, um die

Hilfstruppen zu bezahlen, revoltierten die Römer gegen diese Schändung214:

207 C. Hülsen, Klio 2, 1902, 269. 208 Vgl. hierzu A. Bammer, Ephesos. Stadt an Fluß und Meer, Graz 1988, 150f.

209 S. O. S. 27f.

210 Vgl. auch LaBranche, Roma Nobilis 26f. 211 F. W. Deichmann, Die Spolien in der spätantiken Architektur, SbMünchen 1975/6, 11; Krautheimer, Rom 46f.

Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu erfahren, daß in der Zeit nach 300 n. Chr. in Rom altüberlieferte Kapitelltypen weitergepflegt wurden, während Neuschöpfungen hauptsächlich im Osten und Konstantinopel zu beobachten sind: R. Kautzsch, Kapitellstudien. Beiträge zu einer Geschichte des spätantiken Kapitells im Osten vom 4. bis ins 7. Jh., Berlin 1936, 239 u. 300. Spätantike ionische Kapitelle Roms: ibid. 236.

212 CIL VI, 1794 + CIL VI, 31933 = ILS 825 (Atrium Libertatis); CIL VI, 89 (Concordiatempel; Datierung der Inschrift nicht sicher); CIL VI, 937 (Saturntempel); CIL VI, 102 = ILS 4003 (Porticus Deorum Consentium).

213 Vgl. hierzu auch E. Thomas / C. Witschel, Constructing Reconstruction: Claim and Reality of Roman Building Inscriptions from the Latin West, BSR 60, 1992, 135-177, bes. 174f.

214 Joh. Ant., frg. 202, FHG IV, p. 616. S. Elbern, RömQSchr 85, 1990, 41f.

Die Rolle des Stadtpräfekten 137

Und er (Avitus) entließ die Goten, die er über ihren Geldbeutel zu gewinnen suchte, indem er für die Verteilung ihres Solds auch vor öffentlichen Gebäuden nicht haltmachte und den Kaufleuten Erz wegnahm. Er entfernte sich von den Römern, die, um die Zierde ihrer Stadt beraubt, einen Aufstand unternahmen.

Doch war die gewaltige antike Bausubstanz allein ihres Alters wegen zunehmend dem Verfall

preisgegeben. Und so reagierte auch die Gesetzgebung auf den allmählichen Niedergang der

älteren Bauten215. Mehrere Gesetze der 2. Hälfte des 4. Jh. schreiben vor, daß man ältere Bauten

instandsetzen solle, anstatt Neubauten zu errichten216 . Dabei fällt auf, daß sich die Vorschriften

an den Stadtpräfekten von Rom wenden, daß sie also nur in Rom Gültigkeit hatten217. Zu den

bekanntesten Maßnahmen gegen die Spolisierung öffentlicher Bauten zählt die Novelle Majorians

(457-461) des Jahres 458218:

Wir, Regierer des Staats, wollen dem Unwesen ein Ende machen, welches schon lange unsern Abscheu erregt, da ihm gestattet wird, das Antlitz der ehrwürdigen Stadt zu ent-stellen. Wir wissen, daß hie und da öffentliche Gebäude, in denen aller Schmuck dersel-ben besteht, mit sträflicher Gewähr der Obrigkeit zerstört werden. Während man vorgibt, daß ihre Steine für öffentliche Werke nötig seien, wirft man die herrlichen Gefüge der alten Gebäude auseinander und zerstört das Große, um irgendwo Kleines herzustellen. Daraus erwächst schon der Mißbrauch, daß selbst, wer ein Privathaus baut, sich un-terfängt, aus Gunst der städtischen Richter das nötige Material von öffentlichen Orten zu nehmen und fortzutragen, da doch, was den Städten zum Glanze gereicht, vielmehr von der Liebe der Bürger sollte durch Wiederherstellung erhalten werden. Deshalb befehlen wir durch ein allgemeines Gesetz, daß alle Gebäude, welche von den Alten zum öffentlichen Nutzen und Schmuck errichtet worden sind, seien es Tempel oder andere Monumente, von niemandem dürfen zerstört noch angetastet werden ... .

Dieses Edikt kann stellvertretend für die zahlreichen Bemühungen des Staates stehen, das präch-tige Erscheinungsbild der Stadt Rom zu erhalten, als ginge es darum, die Illusion einer nicht mehr vorhandenen Bedeutung als politisches Zentrum der Welt zu wahren. Mit dem Verlust des

Machtmonopols und des Anspruchs, Hauptstadt des Weltreichs und Kaiserresidenz zu sein, wird das Bemühen spürbar, die Monumente und Bauten der vergangenen Größe als Zeugnisse der glorreichen Vergangenheit zu konservieren.

4. Der Antagonismus zwischen Kaiser und stadtrömischer Aristokratie

Es hat sich herausgestellt, daß den Stadtpräfekten im 4. und 5. Jh. eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung öffentlicher Platzanlagen zukam. Seit den Verwaltungsreformen der Jahre

215 LaBranche, Roma Nobilis 47f. Zusammenfassung der gesetzlichen Maßnahmen bei C. Kunderewicz, La pro-tection des monuments d'architecture antique dans le Code Theodosien, in: Studi in onore di E. Volterra, IV, Mailand 1971, 137-153.

216 Cod. Theod. 15. 1, 11 (an. 364); Cod. Theod. 15. 1, 19 (an. 376); 15. 1, 27 (an. 390); 15. 1, 29 (an. 393). Frühere Beispiele für Gesetze zur Instandhaltung älterer Bauten bei E. Thomas / C. Witschel, BSR 60, 1992, 141f.

217 LaBranche, Roma Nobilis 48. 218 Nov. Maior. 4, 1. Übs. nach Gregorovius I, 106.

138 Rom

331 und 357 war der Stadtpräfekt für öffentliche Bauarbeiten zuständig und konnte ohne kai-

serliche Genehmigung kleinere Bauprojekte durchführen219. Faktisch war der Stadtpräfekt zum

Stellvertreter des Kaisers in Rom geworden, zu einem vice-empereur, maftre de tous les pouvoirs

ä Rome22°. Seine in Rom fast unumschränkte Macht scheint in Gesetzen auf, die sich gegen

eine allzugroße Machtentfaltung dieses Amts richten: Ein Edikt des Jahres 394 gebot, daß im

Falle größerer Bauprojekte bei Beteiligung des Kaisers auch dessen Namen inschriftlich genannt

werden mußte221.

Wenn ein Statthalter (iudex) nach Vollendung eines mit öffentlichen Geldern ausgeführten

Baus an denselben seinen Namen ohne die Erwähnung Unserer Majestät hat einschreiben

lassen, so soll er als des Majestätsverbrechens schuldig haften.

Bei der Betrachtung der wichtigsten öffentlichen Baumaßnahmen der Stadtpräfekten in der

Spätantike läßt sich folgende Entwicklung deutlich erkennen: Zunächst fällt die Sorge um Kult-

bauten auf, die repariert und instandgehalten wurden222. Erst verhältnismäßig spät, gegen Ende

des 4. Jh., begegnen erste inschriftlich gesicherte kirchliche Bauprojekte, die vom Stadtpräfekten

durchgeführt wurden223. Im 5. Jh. fehlen jegliche Nachrichten über heidnische Kultbauten; es

dominierte nun die Instandhaltung von Profanbauten224.

219 Chastagnol, Prefecture 36-42, 52f. u. 335. 220 Chastagnol, Prefecture 182. 221 Cod. Theod. 15. 1, 31 (an. 394) = Cod. Iust. 8. 11, 10. J. - H. Michel in: Rayonnement grec. Hommages ä Ch.

Delvoye, Brüssel 1982, 296. Übs. n. C. F. F. Sintenis, Leipzig 1832, 180. 222 Wiederherstellung des Apollo-Sosianus-Tempels auf dem Marsfeld durch Memmius Vitrasius Orfitus Honorius

(357/9 n. Chr.): CIL VI, 45; Stiftung eines Mithräums durch den v.c. Augentius (PLRE I, 125 (Augentius 2)), 357/376 n. Chr.): CIL VI, 754 = ILS 4269; Wiederherstellung der Porticus Deorum Consentium durch Vettius Agorius Praetextatus (367 n. Chr.): CIL VI, 102 = ILS 4003; Wiederherstellung einer Porticus am Tempel des Bonus Eventus nach einer Tiber-Überschwemmung durch Claudius Hermogenianus (374 n. Chr.): Amm. Marc. 29. 6, 19; Wiederherstellung der mansiones Saliorum Palatinorum durch Plotius Acilius Lucillus: CIL VI, 2158; Stiftung eines Altars für die Magna Mater im Phrygianum am Vatikan durch Caeionius Rufius Volusianus (390 n. Chr.): CIL VI, 512 = ILS 4154; Wiederherstellung von Altären und Tempeln durch Justus: Eunap., Vita Soph. 23.4, 1-9. Katalog der `major restaurations' an Tempeln bei J. F. Merriman, Aristocratic and Imperial Patronage of the Decorative Arts in Rome and Constantinople, A. D. 337-395, Diss. Univ. of Illinois 1975, 326ff.

223 Einweihung der Basilika S. Paolo flm. durch Fl. Philippus (391 n. Chr.): AE 1959, 64. Die Arbeiten begannen jedoch 383/4 unter den Präfekten Sallustius Aventius und Symmachus; Errichtung des Baptisteriums bei S. Anastasia durch Fl. Macrobius Longinianus (401/2): G. B. DeRossi, ICUR II, p. 150 Nr. 19 = ILCV 92.

224 Errichtung bzw. Wiederherstellung eines Bads durch Neratius Cerealis (358): CIL VI, 31916; Errichtung eines Wasserspeichers für die Aqua Claudia durch C. Ceionius Rufius Volusianus Lampadius (365): CIL VI, 3866 = 31963; Wiederherstellung einer Naumachia (?) durch Fl. Antigonus (367/375): CIL VI, 1179; Errichtung eines stabulum durch Valerius Anthidius (379/383): CIL VI, 1774; Wiederherstellung von Brunnenanlagen durch Fl. Philippus (391 n. Chr.): CIL VI, 1728a-b u. 31912; Einrichtung des Secretarium Senatus durch Nicomachus Flavianus (392/4, 399/400 o. 408 n. Chr.): CIL VI, 1718 = ILS 5522; Forum des Acilius Glabrio Sibidius (um 400): CIL VI, 1678; Wiederherstellung des Sitzes des Stadtpräfekten durch Iunius Valerius Bellicus (408/23 n. Chr.): CIL VI, 31959 + AE 1897, 55 = 37114 = ILS 5523, sowie CIL VI, 31419, AE 1941, 62; Wiederherstellung des Secretarium Senatus durch Fl. Annius Eucharius Epiphanius (412 n. Chr.): CIL VI, 1718 = ILS 5522; Wiederherstellung der Decius(?)-Thermen auf dem Aventin durch Caecina Decius Acinatius Albinus (414 n. Chr.): CIL VI, 1703 = ILS 5715; Wiederherstellung der Basilica Iulia unter Gabinius Vettius Probianus (416 n. Chr.): CIL VI, 1658c = 1156a = ILS 722; CIL VI, 1658d = ILS 5537; CIL VI, 31886 = 37105; Wiederherstellung der Fassade der Basilica Aemilia unter Aurelius Anicius Symmachus (418/20 n. Chr.): CIL VI, 36962; Ausbesserungen am Kolosseum durch Rufius Caecina Felix Lampadius (nach 443?): CIL VI, 1763 = 32089 = ILS 5633. PLRE II, 655 (Lampadius 6); Errichtung eines Forums durch Petronius

Die Rolle des Stadtpräfekten 139

Man hat die Baupolitik des Stadtpräfekten im 4. und beginnenden 5. Jh. oft als heidnische

Reaktion auf das staatlich geförderte bzw. ab theodosianischer Zeit verordnete Christentum ver-standen225. Doch ließ sich am Beispiel des Forum Romanum zeigen, daß dies nicht der bestim-

mende Beweggrund war. In auffallender Zahl häufen sich ab der Mitte des 4. Jh. die Nachrichten

über Reparaturen und Wiederaufrichtungen von Bauten am Forum, die zumeist mit einer alten

Tradition verbunden sind und wohl auch im ursprünglichen Erscheinungsbild wiedererrichtet

wurden. Diese Konservierungs- und Wiederaufbaumaßnahmen von seiten des Stadtpräfekten

fielen in eine Zeit, in der Rom seine politische Führungsposition als Hauptstadt des Reiches

an Konstantinopel abgab und selbst der Kaiser des Westens seinen Hof nach Mailand und Ra-

venna verlegte. Der Fortzug des Kaisers bewirkte ein sowohl administratives als auch ideelles

Vakuum, zugleich aber auch einen Machtzuwachs des Amts des Stadtpräfekten. Wie man dieses

Vakuum zu füllen begann, läßt sich am Beispiel der Kurie illustrieren. Stets war der Senats-

bau ein symbolträchtiger Bau für die Weltherrschaft Roms und den politischen Anspruch des

Senats. Im 4. Jh. entstand mit der Neukonstituierung eines zweiten Senats in Konstantinopel

eine Kluft zwischen dem Anspruch des Senats und seiner tatsächlichen Bedeutung als lokale Administration Roms226 . Diesem Bedeutungsverlust begegnete die römische Aristokratie durch ein demonstratives Konservieren des status quo. Nach dem Schicksalsjahr 410 erfolgten Wie-

derherstellungsarbeiten am Senatsgebäude, ebenso nach dem Einfall des Ricimer 472. In der Konservierung des Bauwerks drückt sich der Versuch aus, die einstige Größe aufrechtzuerhalten

und sie nach außen, wie wohl auch sich selbst zu suggerieren. Ähnlich muß auch der Prozeß um Arvandus, den Präfekten Galliens 464/8 n. Chr., gesehen werden, der den Senat ein letztes Mal

zum höchsten Richtertribunal in einem Staatsprozeß nach republikanischem Vorbild machte227. Man warf dem Aristokraten Hochverrat gegen den Kaiser vor. Der außerordentliche Fall ver-

setzte den Senat in die Zeit des Verres und des Catilina zurück und gab ihm das Bewußtsein richterlicher Majestät wieder228.

Eine vergleichbare Aufwertung dieser Institution begegnet erneut in ostgotischer Zeit, für die abermals Reparaturen an der Kurie bezeugt sind. Dies ist sicherlich kein Zufall, war man

doch gerade unter den ostgotischen Königen bestrebt, ein Gegengewicht zum Kaiser in Byzanz aufzubauen, der nicht in so unmittelbarer Weise Zugriff hatte auf stadtrömische Traditions- und

Maximus (443/5 n. Chr.): CIL VI, 1198 =- ILS 807ff.; Vergrößerung der Trajansthermen durch Julius Felix Campanianus (5./6. Jh. n. Chr.): CIL VI, 1670 = ILS 5716. PLRE II, 256 (Campanianus 4); Wiederherstellung der Konstantins-Thermen durch Petronius Perpenna Magnus Quadratianus (443 n. Chr.): CIL VI, 1750 = ILS 5703. PLRE II, 931f. (Quadratianus 2); Wiederherstellung einer Portikus beim Pompejus-Theater durch Paulus (um 450): AE 1948, Nr. 98 (Datum nicht lange vor 467). PLRE II, 855 (Paulus 36); Reparaturen am Kolosseum durch Messius Phoebus Severus (470 n. Chr.): CIL VI, 100 = 32094 = ILS 5634. PLRE II, 1005 (Severus 19); Verschönerung des Vicus Patricius durch Rufius Valerius Messala (spätes 5. Jh.): CIL VI,1775. PLRE II, 761 (Messala 4); Reparaturen am Kolosseum durch Decius Marius Venantius Basilius (484 n. Chr.): CIL VI, 1716b = 32094b = ILS 5635. PLRE II, 218 (Basilius 13). Verzeichnis von profanen Baumaßnahmen in der Spätantike bei Merriman, a. 0. 331ff.

225 H. Bloch beschreibt das Ausmaß der traditionsbewußt-heidnischen Opposition innerhalb der römischen Ari-stokratie: H. Bloch, A New Document of the Last Pagan Revival in the West, 393-394 A. D., HarvTheolR 38, 1945, 199-244 (dt. Übs. in: R. Klein (Hg.), Das frühe Christentum im römischen Staat, Darmstadt 1971, 129-186).

22s P. de Francisci, RendPontAcc 22, 1946/47, 287-296, hier 291f. 227 Sidon. Apoll., Ep. I. 7, 1-13. Gregorovius I, 111f. Zur Person s. PLRE II, 157f. 228 Gregorovius I, 112.

140 Rom

Legitimationsformen. Die Wiederbelebung des Senats als Bau und als politische Institution bot

sich hierfür geradezu an229. Was für die Kurie zu beobachten ist, läßt sich auch für das gesamte

Forum Romanum feststellen. Es galt, die wachsende politische Bedeutungslosigkeit durch ein

nachdrückliches Beharren auf dem traditionellen Machtanspruch zu kompensieren230. Diese star-

ke Bindung des Präfekten und des Senats an die Pflege traditioneller Werte führte zwangsläufig

zum Konflikt mit dem Kaiser231. Es entstand eine Auseinandersetzung, die oberflächlich die Züge

eines religionspolitischen Konflikts trug, deren Ursache aber mit dem Begriffspaar 'heidnisch-

christlich' nur unzureichend erklärt werden kann.

Als symptomatisch für diese Auseinandersetzung kann der Streit um den Victoriaaltar ange-

sehen werden232 . Bei diesem Streit fällt auf, daß die Auseinandersetzung zwischen den führenden

heidnischen Aristokraten, Vettius Agorius Praetextatus, Quintus Aurelius Symmachus und Nico-

machus Flavianus einerseits und dem Kaiser bzw. dem ihn beeinflussenden Mailänder Erzbischof

Ambrosius andererseits nur in zweiter Linie eine religiöse bzw. religionspolitische Auseinander-

setzung war. Im Streben der traditionsbewußten stadtrömischen Aristokraten nach Duldung

ihrer religiösen Praktiken bzw. Wahrung ihrer Kultbilder und Sakralbauten233 äußerte sich wohl

nicht zuletzt ihre Furcht vor dem Verlust der kulturellen Identität Roms, dessen politische Be-deutung ja schon mit der Verlegung der Hauptstadt gesunken war. Symmachus forderte nicht

mehr die Vormachtstellung des heidnischen Glaubens; in seiner 3. Relatio drückt sich nur die

Bitte um Wahrung der Identität Roms aus, die für die konservative Aristokratie untrennbar mit

dem alten Glauben verbunden war234. Und so war das Eintreten für den Victoriaaltar und damit

für traditionelle Werte und die eigene ideelle Grundlage notwendigerweise mit der Verteidigung

der heidnischen Religiosität verbunden235. Die Entfernung des Victoriaaltars dürfte von der Par-

tei des Symmachus weniger als Entfernen eines paganen Kultobjekts empfunden worden sein,

denn vielmehr als Entfernung eines traditionellen Symbols der einstigen Weltherrschaft und des

politischen Anspruchs des römischen Senats, der seiner allmählichen Bedeutungslosigkeit entge-

gensah. Der Streit um den Victoriaaltar geriet so zu einem Mißverständnis, da der Altar der

229 Mit den ostgotischen Wiederherstellungsarbeiten endete aber die Kette der politisch motivierten 'Wiederbe-lebungsversuche' noch nicht. Zum Zeitpunkt der Neukonstituierung des römischen Senats im Jahre 1143/4 beschloß man, in S. Martina zu tagen, also unmittelbar neben der einstigen Kurie (E. Nash in: Essays in Memoriam O.J. Brendel, Mainz 1976, 198. vgl. auch C. Cecchelli, SettSpoleto 6, 1958, 94 Anm. 8). Zuletzt wurde unter Mussolini ein vergleichbarer Gedanke aufgenommen, als die Kurie erneut Opfer einer bemerkens-werten 'Fürsorge' wurde. Man entledigte sich ihrer postantiken Einbauten und stellte sie in ihrem vermuteten antiken Erscheinungsbild wieder her. Am Ende seines Tätigkeitsberichts 1938 schlug A. Bartoli vor, die Kurie sollte riprendere la sua funzione per l'Impero rinnovato (A. Bartoli, I lavori della Curia, Rom 1938, 11).

239 Zu einem vergleichbaren Schluß gelangt auch J. F. Merriman, a. 0. 4f. u. 40f.

231 Chastagnol, Pr6fecture 138-141. 232 R. Klein, Der Streit um den Victoriaaltar, Darmstadt 1972. 233 Vgl. etwa die erfolgreich durchgesetzte Forderung des Praetextatus nach Beibehaltung der vom Verbot be-

drohten nächtlichen Riten in Griechenland (Cod. Theod. 9. 16, 7; Zos. 4, 3) oder die Durchsetzung des Verbots, daß aedes sacrae nicht durch Mauern mit Privatbauten verbunden werden dürften (Amm. Marc. 27.9, 8). Auch erreichte Praetextatus ein Verbot der Spolienentnahme öffentlicher Gebäude (Symmachus, rel. 21).

234 Vgl. hierzu die einschlägige Stelle rel. 3, 9f., wo Symmachus die betagte Roma auftreten läßt.

235 Vgl. N. Casini, Le discussioni sull'Ara Victoriae nella Curia Romana, StRom 5, 1957, 501-17. Casini geht wohl zu Recht davon aus, daß die Episode erst in der christlichen Geschichtsschreibung zum Konflikt Heidentum-Christentum und damit letztlich zum Triumph des Christentums aufgebauscht wurde. vgl. auch H. Bloch, HarvTheolR 38, 1945, 215.

Die Rolle des Stadtpräfekten 141

einen Seite als Monument des Götzenglaubens, der anderen Seite als Sinnbild altehrwürdiger

Grundwerte galt, die von niemandem — auch nicht von den christlichen Römern — in Frage zu stellen waren236. Auch die zahlreichen Usurpationen in Rom, die des Maxentius 306-312, Nepot-

ianus 350, Magnentius 350-3, Eugenius 392-4 und Attalus 409, sind wohl weniger als Reaktionen

ewiggestriger Heiden zu interpretieren, denn vielmehr auch als Ausdruck einer restaurativen Ein-

stellung der Stadtrömer zu sehen237. Die übliche Kategorisierung 'christlich-heidnisch' wird dem geschilderten Phänomen nur bedingt gerecht. Das Wirken der Stadtpräfekten und der Senatsari-

stokratie sowie das Beharren auf althergebrachten Kunst- und Kulturwerten sind in erster Linie

als Bemühung um die Wahrung der eigenen historischen Identität aufzufassen. Insbesondere das

altehrwürdige Forum Romanum wurde zum Schauplatz einer weniger religiös inspirierten, als

vielmehr stadtrömisch-traditionalistischen Reaktion. Indem es mehr denn je zu einer Zone er-

starrte, die den Glanz und den Höhepunkt Roms widerspiegelte, wurde das Forum Romanum zu

einem fast sakralen Bereich. Es erfolgten kaum mehr Eingriffe, der Platz wurde zum Museum, die Vergangenheit konserviert.

236 Es sei denn von dem streitbaren Mailänder Erzbischof, der indirekt selbst zugibt, daß die in der Kurie versammelten christlichen Senatoren keine Veranlassung sahen, gegen den Victoriaaltar vorzugehen: Ambr., Ep. 17. 9-11 u. 18f.

237 Zu den spätrömischen Usurpationen s. S. Elbern, Usurpationen im Spätrömischen Reich, Diss. Berlin- Bonn 1984. Außerdem: S. Elbern, Das Verhältnis der spätantiken Kaiser zu Rom, RömQSchr 85, 1990, 19-49, bes. 36ff. Die restaurative Einstellung drückt sich stets in den Münzlegenden aus. Zu den Usurpationen des Eugenius und Attalus s. H. Bloch, HarvTheolR 38, 1945, 225ff.; J. Szidat, Die Usurpation des Eugenius, Historia 28, 1979, 487-508; A. Mallä, Die Episode der Regierung des Priscus Attalus, Zbornfk Filozof. Fakulty Univ. Komenskäho. Graecolatina et Orientalia, Rocnik 15-16, 1983/4, 47-55.

B. KONSTANTINOPEL

Wollte ich die Denkmäler oder die Grabbauten, die Stelen oder Standbilder, die in unserer

Stadt sind oder waren, aufzählen, ich käme kaum in Verlegenheit. Vielleicht könnte ich

nicht so viele wie hier in Rom nennen, doch einige sind viel schöner und berühmter.

Mit diesen Worten beginnt Manuel Chrysoloras eine Beschreibung seiner Heimatstadt Konstan-

tinopel, die er als Brief an Johannes VIII. Palaiologos (1425-1448) sandte'. Für Manuel bestand

eine Stadt nicht nur aus einer Stadtmauer und repräsentativen Baulichkeiten. Sie war vor allem

Herberge der verschiedensten Bildwerke, welche die öffentlichen Plätze und Straßen säumten.

Dieser Brief, der in Rom verfaßt wurde, ist das letzte literarische Zeugnis über die statuarische

Ausstattung Konstantinopels vor der Eroberung im Jahre 1453. Doch konnte Manuel nur noch

den kleinen Rest einer einstmals großartigen Ausstattung der Hauptstadt beschreiben, da be-

reits 1204 der größte Teil von den Lateinern entweder eingeschmolzen oder aber abtransportiert

worden war.

Literarische Quellen bilden die Grundlage der Erforschung der Topographie und der statuari-

schen Ausstattung Konstantinopels. Ergänzt werden diese durch archäologische Befunde, die

allerdings oft auf unzureichend durchgeführten Grabungen beruhen oder aber mangelhaft pu-

bliziert sind. Zwei Standardwerke vermitteln einen profunden Überblick über die Topographie

Konstantinopels, einmal das in zweiter Auflage 1964 erschienene Handbuch von R. Janin mit dem

Titel Constantinople Byzantin, eine breit angelegte Quellenstudie, die alle verfügbaren Hinweise

der byzantinischen Geschichtsschreiber zu verwerten sucht, dann das Bildlexikon zur Topographie Istanbuls von W. Müller-Wiener aus dem Jahre 1977, eine detaillierte Erfassung der archäologisch

dokumentierten Monumente Istanbuls. Neue Impulse gingen in jüngerer Zeit von den Arbeiten

C. Mangos und A. Bergers aus. Mangos aus dem Jahre 1985 stammende Arbeit mit dem Titel Le developpement urbain de Constantinople (IVe-VIIe sicles) stellt die städtebauliche Entwicklung

Konstantinopels vom 4. bis zum 7. Jh. dar; dabei werden zahlreiche Detailprobleme erörtert und

vielerorts auch neuartige Lösungsvorschläge unterbreitet. In einer zweiten Auflage aus dem Jahr

1990 geht der Autor auf inzwischen geäußerte konträre Ansichten und auf Ergänzungen eine.

Bergers 1988 erschienene Untersuchungen zu den Patria Konstantinupoleos stellen eine Analy-se und einen Kommentar der topographischen Rezension der Patria dar. Der Autor nimmt die

einzelnen Abschnitte der Patria, in denen sich Informationen und Legenden zu den jeweiligen

1 Man. Chrys., PG 156, 45. Übs. nach F. Grabler, Europa im XV. Jh. von Byzantinern gesehen (= Byzantinische Geschichtsschreiber 2), Graz 19652, 132.

2 Mango, C'ple 69-72. Rezensionen: Av. Cameron, JHS 106, 1986, 266f.; Ch. Delvoye, Byzantion 57, 1987, 499ff.; J. M. Spieser, BMon 145, 1987, 326; W. Brandes, ByzS1 49, 1988, 59ff.; G. Dagron, JRA 1, 1988, 223ff.

144 Konstantinopel

Bauten und Monumenten durchdringen, zum Anlaß, Fragen zu Lokalisierung und Aussehen, et-

wa architektonischer Struktur und Ausstattung, zu stellen. In einer Vielzahl von Fällen gelingt

es ihm, neue Ergebnisse vorzulegen. Seit A. M. Schneiders Byzanz - Vorarbeiten zur Topographie

und Archäologie der Stadt aus dem Jahre 1936 bieten die Arbeiten Mangos und Bergers damit

erstmals wieder eine konsequente Koordination von quellenschriftlichen mit archäologischen Be-

funden'. Zudem zeigt sich, daß die wesentlichen Impulse zur Topographie Konstantinopels nach

wie vor von der Quellenforschung ausgehen, und nicht von der Archäologie. Einer neuentdeckten

bzw. -interpretierten Textstelle, die Aussagen über die Topographie zuläßt, kommt oft die gleiche

Bedeutung zu, die in einer anderen Stadt, etwa Rom, eine Ausgrabung hat.

Welche Quellen sind für Topographie und Ausstattung Konstantinopels relevant? Aus der

Zeit um 425 n. Chr. stammt die Notitia Urbis Constantinopolitanae, ein Verzeichnis der 14 Re-

gionen Konstantinopels, das jeweils eine knappe Beschreibung der Regionengrenzen gibt, dann

detailliert Bauten und Monumente auflistet, aber gelegentlich auch Denkmäler und Statuen

in den beschriebenen Stadtvierteln nennt4. In justinianischer Zeit verfaßte Prokop sein Werk

7E0, KTIZI-L&TWV, das einen Überblick über die justinianische Bau- und Ausstattungstätigkeit in

Konstantinopel vermittelt5. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Bauten, deren Pracht die Herr-

schaft Justinians, des eigentlichen Adressaten, verherrlicht6. Hervorgehoben werden besonders

Schönheit, Größe und Kosten. Nur selten, wie im Falle der Justinianssäule auf dem Augusteion,

liefert der Autor eine detaillierte Ekphrasis. Nicht wenig an Informationen ist den byzantinischen

Chroniken zu entnehmen, etwa der Osterchronik oder der Weltgeschichte des Theophanes, die

im 7. Jh. bzw. im 9. Jh. entstanden - um nur die beiden wichtigsten zu nennen. Am meisten

erfährt man zur statuarischen Ausstattung in der von Berger kommentierten und übersetzten to-

pographischen Rezension der Ilecrgua KG-TaTeVTIVOv7CAEUJ 7. Von den noch älteren Hoteciorezaet,

av-roi,toL Xeovuw4C liegen seit 1984 englische Übersetzung und Kommentar von Av. Cameron und

J. Herrin vor8. Das Interesse dieser beiden Quellenschriften richtet sich in erster Linie auf die

Bildwerke Konstantinopels, ihre Deutung und Bedeutung9. Die Parastaseis und die Patria ver-

wandeln die Stadt Konstantinopel in eine Ansammlung staunenswerter Bauten und Bildwerke,

die mit pseudohistorischen und legendären Geschichten verbunden werden. Eine kunsthistorische

Auswertung dieser beiden Quellen muß daher mit aller Vorsicht geschehen. Überdies datieren

diese Texte zu spät, um für die frühbyzantinische Epoche aussagekräftig zu sein. This text (die

Patria) reflects a city that lay in ruins and whose habitants had lost all genuine feeling of con-

3 Die in den Etudes I + II zusammengefaßten Studien R. Guillands basieren lediglich auf literarischen Quellen. Ansonsten erschienen nur zu einzelnen Bereichen solche 'interdisziplinäre' Arbeiten: s. Mango, Brazen House, oder etwa C. Strube, Die westliche Eingangsseite der Kirchen von Konstantinopel in justinianischer Zeit, Wiesbaden 1973.

4 Berger 149-153. 5 Prok., aed. 1, 1-11. C. Fenster, Laudes Constantinopolitanae (= MiscByzMon 9), München 1968, 83-87; Av.

Cameron, Procopius and the Sixth Century, London 1985, 84-112.

6 Dies zeigen die einleitenden Worte bei Prokop, aed. 1, 6ff.

7 Berger 87ff.

8 Av. Cameron / J. Herrin, Constantinople in the Early Eighth Century: the Parastaseis Syntomoi Chronikai, Leiden 1984.

9 Cameron / Herrin 30f.

Überblick über Literatur und Quellen 145

tinuity with the pastm . Eine weitere Quelle zur statuarischen Ausstattung Konstantinopels ist die Anthologia Palatina, eine wahre Schatztruhe an Statuenepigrammen. Nicht selten wird im Lemma zu den einzelnen Versen angegeben, wo der Abschreiber das Epigramm fand, werden also exakte Ortsangaben mitgeliefert. Eine eingehende Analyse der Epigramme auf die Wagenlenker verdanken wir Al. Cameron, der auch den Versuch einer Rekonstruktion der den Versen zugrun-deliegenden Denkmäler machtell. Schließlich ist noch auf die Schilderung der Eroberung Kon-stantinopels durch die Lateiner von Niketas Choniates hinzuweisen. Niketas beschreibt ebenso ausführlich wie erschütternd die Zerstörung der zahlreichen Bildwerke Konstantinopels im Jahre 120412 . Noch später, bereits zu Beginn des 15. Jh., verfaßte Manuel Chrysoloras einen Brief an Kaiser Johannes VIII. Palaiologos, aus dem bereits oben zitiert wurde. Doch konnte Manuel an Bildwerken nur noch das beschreiben, was die Lateiner hinterließen. Schließlich existiert noch als weitere Quellengattung der Städtelobpreis, ein in byzantinischer Zeit häufig aufgegriffenes Genus, das neben detaillierten Informationen zur Ausstattung auch über deren zeitgenössischen Stellenwert innerhalb der Stadtlandschaft informiert13. Der byzantinische Städtelobpreis ist oft nicht mehr als eine Verherrlichung der Relikte vergangener Zeiten: Die Sieben-Wunder-Listen der Parastaseis und des Konstantinos Rhodios sowie die Bautenliste des Kedrenos enthalten nur noch ältere Bauten14 . Das Stadtbild mit seinen Monumenten einer ruhmreichen Vergangenheit formuliert zugleich einen Anspruch für Gegenwart und Zukunft.

Im folgenden Abschnitt sollen die Platzanlagen Konstantinopels und ihre Ausstattung mit Denkmälern und Kaiserstatuen analysiert werden. Außerdem ist die Frage nach der Funkti-on dieser Kaiserfora wichtig, um neben architektonischen und städtebaulichen Aspekten auch den Stellenwert der Platzanlagen im öffentlichen Leben der Stadt zu beleuchten. Neben dem Au-gusteion verteilten sich mindestens sechs Kaiserfora über das Stadtgebiet und begleiteten den Einwohner bzw. Besucher auf seinem Weg durch die Stadt Konstantinopel (Abb. 7--4 9).

1° C. Mango in: rth int. Byz. Congress, Major Papers, New York 1986, 129. 11 Al. Cameron, Porphyrius the Charioteer, Oxford 1973. 12 Niketas Choniates verwendete für seine erst wenige Jahre nach 1204 verfaßten Schilderung z. T. auch schrift-

liche Quellen, kann also manchmal in die Irre führen: vgl. Berger 327. 13 E. Fenster, Laudes Constantinopolitanae (= MiscByzMon 9), München 1968. 14 Vgl. Berger 153ff. S.u. S. 373f.

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Apostel—kirche

Volens—aquadukt

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Mokios—Zisterne

Philo—delphion

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Konstantinopel

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Überblick über Literatur und Quellen 147

Abb.48. Konstantinopel, Plan der konstantinischen Stadt nach C. Mango.

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Abb. 49. Konstantinopel, Plan der theodosianischen Stadt nach C. Mango.

I. Das Augusteion und die Kaiserfora Konstantinopels

1. Das Augusteion

Die älteste Quelle, in der der Name `Augusteion' auftaucht, ist das Regionenverzeichnis aus der

Zeit um 425, das sich der latinisierten Form Augusteum bediente. Es ist wohl kaum anzuzweifeln,

daß sich die Benennung von augustus, also 'Kaiser' bzw. `kaiserlich', ableitete. Und so führt auch

Malalas den Namen darauf zurück, daß sich hier eine Statue der Helena befunden habe, die den Titel Augusta trug3.

a. Lage und archäologischer Befund

Die Grenzen des Bereichs, in dem das Augusteion lag, werden durch die Hagia Sophia im Nord-

osten, den Senat und Kaiserpalast im Südosten, die Zeuxipposthermen im Südwesten und die

Basilika im Nordwesten gebildet (Abb. 50). Die Position der Platzanlage läßt sich zwar eini-

germaßen genau festlegen, dennoch lassen die archäologischen Reste keine exakte Bestimmung ihrer Ausdehnung zu4. Von den im Umfeld des Augusteions aufgefundenen fraglichen Mauerre-

sten kann keiner mit Sicherheit auf diesen Platz bezogen werden. Dabei handelt es sich um einen

Mauerzug von 73,5 m Länge, der sich südöstlich des Augusteion-Bereichs befindet, von Nordwe-

sten nach Südwesten verläuft, nach einer Unterbrechung etwa 18 m nach Nordosten weiterführt

und sich in unmittelbarem Anschluß an die Baugruppen des Kaiserpalastes befindet5. Dieser

Mauerzug befindet sich zu weit südöstlich und bildete somit wahrscheinlich einen Bestandteil des Kaiserpalastes6. Auch der interessante Befund eines Paares von Basen für Zwillingssäulen (Abstand 6,50 m), die 1926 bzw. 1952 aufgefunden wurden, ist wohl nicht mit dem Augusteion in Verbindung zu bringen. Hier ist noch unsicher, ob es sich um eine monumentale Toranlage

oder um den Ausschnitt einer Säulenhalle handelt7.

1 Not. 232 (Reg.IIII). 2 Daß die seit Johannes Lydos mehrfach zu beobachtende Ableitung der Benennung von Fouo-rdov, also von

`Lebensmittelmarkt', abzulehnen ist, hat jüngst Berger wiederholt: Joh. Lyd., mens. 1633_9 i Patria 11,15. Berger 235.

3 Joh. Mal. 32110 ff. Sowohl der Platz als auch — im engeren Sinne — die Säule tragen die Bezeichnung Airyou-o-TeCov.Ps.-Kodinos verwendet den Namen sowohl für den Platz als auch für die Säule (Ps.-Kodin., off. 255), Theophanes bezeichnet nur die Säule als Airyouol-e‘k (Theoph. 22414), Kedrenos nennt explizit nur die Säule als Ainovcr-r[Lov (Kedr. 1,6573), und auch Georgios Pachymeres verwendet den Begriff Ainouo-TEL;Jv für das Säulenmonument, das er so detailliert beschreibt (Georg. Pach., PG 144, 917).

4 Zusammengefaßt bei Mango, Brazen House 19f. u. 42f.; E. Mamboury in: Mango, Brazen House 182-8 (Abb. 38).

5 E. Mamboury, Byzantion 13, 1938, 306f.; E. Mamboury / Th. Wiegand, Die Kaiserpaläste von Konstantino-pel, Berlin-Leipzig 1934, 35 (Taf. 90f.). Mauer E bei Mango, Brazen House Abb. 38.

6 Vgl. Mango, Brazen House 23 (Abb. 1).

7 E. Mamboury in: Mango, Brazen House 184-188. Die von Mango, Brazen House 20, erwogene Identifikation

Das Augusteion 149

b. Die verschiedenen Bauphasen nach den schriftlichen Quellen

Das Augusteion war keine Neuanlage. Wahrscheinlich nahm es den Bereich der einstigen Ago-ra von Byzantion ein, deren Existenz Xenophon bezeugt8. Somit ist einzurechnen, daß trotz mitunter schwerwiegenden Veränderungen und Zerstörungen stets Vorgaben in Lage und bereits vorhandener Bausubstanz bestanden, die die nachfolgenden baulichen Maßnahmen beeinflußten.

Vorkonstantinische Zeit Bis in jüngste Zeit ist man davon ausgegangen, daß das Tetrastoon, ein angeblich bereits vor Septimius Severus errichteter Hallenplatz, der bei Malalas erwähnt wird9, die Vorgängeranlage des Augusteions gebildet oder sich zumindest in seiner unmittel-baren Nähe befunden habe. Diese Auffassung schien eine Notiz bei Zosimos zu bestätigen, die besagt, daß es in Byzanz eine große Agora mit vier Säulenhallen (Ite-1(a-rn ecreez Te.Teticuroo0 gegeben habem. Bereits C. Du Cange vertrat die Meinung, das Augusteion habe vormals Te-trastoon geheißen, andere Forscher wiederum betrachten das Augusteion als Bestandteil die-ses Tetrastoons11. Zum Teil führte dies auch zur Rekonstruktion eines überdimensionierten Te-trastoons, das die Fläche des späteren Augusteions, der Zeuxipposthermen sowie den Bereich um das Milion einnahm". A. M. Schneider und R. Guilland hingegen gehen davon aus, das Te-trastoon habe den Platz der späteren Basilika eingenommen". A. Berger weist zudem darauf hin, daß das Tetrastoon in der angenommenen Form wahrscheinlich nie existiert hat, wie aus einer korrigierten Lesung der Notiz bei Malalas hervorgehtu. Bei dem Tetrastoon handle es sich vielmehr um einen kleineren Säulenhof, der unter Septimius Severus in die Zeuxipposthermen integriert worden und dort sogar bis ins 9. Jh. nachweisbar sei. Die Textstelle bei Zosimos bezieht Berger — wie vor ihm bereits Unger, Schneider und Guilland — auf die Basilikam.

Konstantinische Zeit Für das 4. Jh. ist die Errichtung oder Erneuerung einer Reihe von Bau- ten in unmittelbarer Nachbarschaft des Augusteions bezeugt. Im Nordosten entstand die erst im Jahre 360 eingeweihte Hagia Sophia, die trotz des späten Weihedatums wahrscheinlich be-reits seit frühkonstantinischer Zeit, möglicherweise sogar als Palastaula, existiertem. Im Südosten wurde das wohl unter Julian (361-363) eingeweihte Senatsgebäude errichtet, das als Ersatz für die inzwischen zur Kirche umfunktionierte Palastaula gebaut worden sein könnte. Die zu die-sem Bau gehörigen Fundamente konnten durch die Untersuchungen in den Jahren 1914/18 und

mit dem Milion ist nach dem fast sicheren Auffinden der Reste des Milions 1967/8 hinfällig (N. Firath / T. Ergil, IstanbAMüzYil 15/16, 1969, 199-212; Müller-Wiener 216-218). Xenophon, hell. 1. 3, 21; anab. 7. 1, 19. Mango, Brazen House 45, macht auf die gute verkehrstechnische Anbindung dieses Bereichs aufmerksam, der sich geradezu als Agora bzw. Forum mit den entsprechenden öffentlichen Bauten anbot. Joh. Mal. 29116-29211. Die Notiz wurde in die Osterchronik übernommen: Chron. Pasch. 49416-4954. Zos. 2, 31. C. Du Fresne Du Cange, Constantinopolis Christiana, Paris 1680 (Ndr. Brüssel 1964), I, 70f.; Mango, Brazen House 43ff.; Janin 16f. u. 59; Speck, Universität 92f. Speck, Universität 106.

Schneider, Byzanz 24; Guilland, Etudes II, 3. Berger, Altstadt 24-28.

Unger 5.132; Schneider, Byzanz 24f.; Guilland, Etudes II, 3. P. Speck, Die Beiträge stehen zur weiteren klärenden Diskussion, Rechtshistorisches Journal 3, 1984, bes. 28-31; Berger, Altstadt 12f. Eine Entstehung unter Konstantin d. Gr. vertrat jüngst R. Krautheimer in: Costan-tino il Grande, II, Macerata 1993, 548f. Anm. 88.

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Konstantinopel

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Abb. 50. Augusteion, archäologischer Befund.

Das Augusteion 151

1937 aufgedeckt werden17. Im Südwesten befanden sich die unter Konstantin renovierten Zeuxip-

posthermen, deren Reste ergraben sindm. Und im Nordwesten wurden vor der Basilika das Milion

sowie der Tempel der Rhea und Tyche errichtet bzw. restauriert'°. Die Basilika ist ebenfalls ein

vorkonstantinischer Bau, der sich ungefähr im Bereich der späteren Yerebatan-Saray-Zisterne

befunden haben dürfte.

Bergers Rekonstruktion des vorjustinianischen Augusteions geht von einem regelmäßigen

Straßenraster aus, dessen Insulae eine Seitenlänge von etwa 120-130 m hatten20. Einen sol-

chen Block habe auch das Augusteion umfaßt. Entsprechend wurde der rechtwinklige Platz

von Straßenzügen begrenzt, im Südwesten von einem Arm der Mese, der vom Milion an den

Zeuxipposthermen vorbei nach Südosten verlief, und im Südosten von einem Straßenarm, der

später Ktenaria benannt wurde und am Senat vorbei nach Nordwesten führten. Die Anlage einer

Säulenstraße, die vom Chalketor aus zum Milion und von hier aus weiter zum Konstantinsforum

verlief, soll laut Patria bereits unter Konstantin stattgefunden haben22. Die gleiche Information

entnehmen wir der Osterchronik, der zufolge Konstantin zwei Säulenhallen vom Eingang des Pa-

lastes bis zum Forum errichtete und sie Rh,egia nannte ("Ercricre Eµß6Xoi.c (Satö ein-68au

To1.51VOGMITC,CYU EWS TO'ö CYTÖTO;6 y6g01) Kei.X6004 Töv Tölt0V T65v 4,36\uiv TrnCeiv)23 . Die Südwest-

seite des Augusteions erhielt also bereits in konstantinischer Zeit einen geraden Abschluß in

Form einer Säulenhalle.

Während diese südwestliche Begrenzung gesichert ist, bleibt der Abschluß zur Südostseite

unklar. Von einer rahmenden Portikus, die sich zwischen Senatsbau und Augusteion legte, ist erst

in späteren Quellen die Rede24. Und so wird man davon ausgehen müssen, daß das Senatsgebäude

spätestens seit Julian den Platzabschluß bildete.

Die Situation auf der Nordwest- und Nordostseite ist auch nicht geklärt. Hier trat die Basilika,

deren Lage der der in justinianischer Zeit eingebauten heutigen Yerebatan-Zisterne entspricht,

nicht bis an das Milion heran, so daß eine Art Vorplatz um das Milion entstanden sein muß,

der zunächst möglicherweise noch vom Augusteion miteingenommen wurden. An der Seite der

Hagia Sophia wird man von Bauten zwischen Hagia Sophia und Augusteion ausgehen müssen,

etwa dem Patriarchenpalast, Läden o. ä. Sicherheit besteht hierüber nicht26 .

17 E. Mamboury / Th. Wiegand, Die Kaiserpaläste von Konstantinopel, Berlin- Leipzig 1934, 35ff. (Baugruppe A); Barsanti, Costantinopoli 121. Vgl. auch den Plan bei Müller-Wiener 232 Abb. 263.

18 St. Casson / D. Talbot-Rice, Second Report upon the Excavations Carried out in and near the Hippodrome of C'ple in 1928, London 1929, 5-21; Mango, Brazen House 37ff.; Müller-Wiener 51 (Abb. 29) u. 232 (Abb. 263).

19 Zur Basilika s. u. S. 218ff. Zur Lage des Milions s. N. Firath / T. Ergil, Divanyou „Milion" Sondaji (The „Milion" Sounding), IstanbAMüzYil 15/16, 1969, 199-212; Müller-Wiener 216-8. Der Bau befand sich an der Ecke Divanyolu Cad. / Alemdar Cad.

20 Berger, Altstadt 15-23 u. 29 (Skizze 1). 21 Zum Straßenverlauf s. Mango, Brazen House 78ff., Berger, Altstadt 14f., sowie Berger 236. 22 Patria I, 68. A. M. Schneider, Strassen und Quartiere Konstantinopels, MdI 3, 1950, 68-79, hier 71; Janin 37;

Mango, Brazen House 78f. 23 Chron. Pasch. 52819-21. Mango, Brazen House 79. 24 S. U. S. 156. 25 Ein solcher Platz wird erwähnt bei Cer. 845f (7XemoTov Toi) MuVou) und 10624ff. (110tV64Q01-01)).

26 Zur Lage der konstantinischen Hagia Sophia vgl. auch M. Restle, RBK IV, 1990, 368f. s. v. Konstantinopel. Die Tatsache, daß die theodosianische Hagia Sophia nur eine Wiederherstellung bzw. ein Wiederaufbau der

152 Konstantinopel

Theodosianische Zeit Im Jahre 404 brannten Sophienkirche und Senatsgebäude ab27. Beide

wurden wiederaufgebaut, wie ihre Erwähnung in der Notitia Urbis Constantinopolitanae aus

der Zeit um 425 zeigt28. Eigenartigerweise wird in dieser Quelle das Augusteion zur 4. Region

gezählt, während die Rahmenbebauung auf der Nordost-, Südost- und Südwestseite unter den

Bauten der 2. Region angeführt wird29. Zu dieser Rahmenbebauung zählen Hagia Sophia, Senat,

ein tribunal purpureis gradibus exstructum und die Zeuxipposthermen. Die eigenartige Vertei-

lung benachbarter Baukomplexe auf verschiedene Regionen scheint nach Berger vorauszusetzen,

daß sie durch eine Straße oder aber eine Mauer voneinander getrennt waren".

Läßt sich tatsächlich eine solche Abgrenzung des Augusteionplatzes beweisen? Umzogen wirk-

lich — zumindest teilweise — Straßen, Mauern oder Portiken den Platz? Zunächst zur Südostseite,

also der Seite, an der der neuerrichtete Senat stand: Gegen eine Abschirmung des Senats durch

eine Stoa oder eine Mauer spricht folgende Überlegung: Das Säulenmonument mit der Statue

der Kaiserin Eudoxia soll sich nach Sokrates weder nahe, noch fern von der Kirche, die Sophia genannt wird, (&uTe 7C6e6W '7(.3irupov Ecx,c)a) befunden haben31. Der zur

Zeit Theodosius' II. schreibende Sozomenos hingegen lokalisiert dieses Standbild an der Südseite der Kirche vor dem Hause des großen Rates (3reöc p,e6Tio*Lv T'11c b5,ario-Co6 Iteö TO15 OrK01) Trjc

µe-yeAri Poal))32 . Beide Ortsbestimmungen lassen sich nur sinnvoll miteinander in Einklang

bringen, wenn sich das Augusteion nicht zum Senat hin abschloß. Und auch ganz grundsätzlich

muß man sich doch fragen, ob die Fassade des Senatsbaus einfach durch eine Mauer oder eine

Portikus vom Augusteionplatz abgeschnitten werden konnte. Der Senat könnte beispielsweise ei-

ne Vorhalle besessen haben, in welche die beiden Säulenhallen entlang der Rhegia und der Hagia

Sophia einbanden. Somit wäre einerseits der Eindruck eines abgeschlossenen Platzes gegeben,

andererseits auch die optische Wirkung des Senats nicht beeinträchtigt worden (Abb. 51). Eine weitere Quelle aus der Zeit des Johannes Chrysostomos erlaubt Aufschluß über die

der Hagia Sophia benachbarte Nordostseite des Augusteions. In der Vita der Olympias werden

Läden, Handwerksbetriebe, auch Privathäuser, ein Tribunal, der Bischofspalast sowie ein Kloster erwähnt, die sich an der Südwest- und Südostseite der Hagia Sophia befanden, also auch zwischen

Augusteion und Hagia Sophia33:

Sie (Olympias) gab ihr (der Kirche) 10000 Pfund Gold, 100000 Pfund Silber und allen Grundbesitz, der ihr gehörte und der in den Provinzen Thrakien, Galatien, Kappadokien und Bithynien gelegen war. Zudem vermachte sie ihr auch die Immobilien, die sie in der

konstantinischen Kirche ist, belegt, daß sich der Bau des 4. Jh. an der Stelle der theodosianischen Kirche befunden haben muß: so auch Krautheimer in: Costantino il Grande, II, Macerata 1993, 548f. Anm. 88.

27 Sokr., PG 67, 721AB; Soz. 8, 22; Chron. Pasch. 62120-6222 ; P. C. Baur, Johannes Chrysostomos, II, München 1930, 258ff.

28 Not. 231 (Reg. II). 29 Not. 232 (Reg. IIII). Berger, Altstadt 10. 39 Berger, Altstadt 10f. 31 Sokr., PG 67, 716C-717A. 32 Soz. 8, 20. 33 Vita Olympiadis, ed. H. Delehaye, Analecta Bollandiana 15, 1896, 413f. A.-M. Malingrey, Jean Chrysostome:

Lettres ä Olympias, Vie d'Olympias (= Sources Chrkiennes 13bis), Paris 1968, 416ff. Mango, Brazen House 54ff.; ders. in: 17th int. Byz. Congr., Major Papers, New York 1986, 126f. Vgl. auch Dagron, Naissance 503ff. Zur Person der Olympias s. PLRE I, 642f. (Olympias 2).

Das Augusteion 153

Kaiserstadt besaß, jene nahe bei der Großen Kirche gelegenen, die man 'Haus der Olym- pias' nannte (Tiiv Te 7rXicrui(ovaocv 6u-liun-dcrn l_teldt)o] bario- Ce. 'rruXe-yop,gifrp) TGJV

'0X1.11TLÖt84, mit einem Tribunal er eißcyuvezeuov), bestens ausgestatteten Thermen und alle Bauten in der Nachbarschaft, wie auch das Silignarion (o-Otivdteiov); des weiteren, bei den Thermen des Konstantius, das Haus, das ihr gehörte und in dem sie sich aufhielt, und schließlich jenes andere Haus, das man 'Haus des Euandros' nannte, ebenso wie alle Besitzungen in den Vorstädten. Durch göttlichen Willen wurde sie zur Diakonin dieser Großen Kirche Gottes erhoben und sie errichtete ein Kloster bei der Portikus im Süden dieser Kirche (eis Tim) liecrrideuvbv Eill3oXov)34. All die dicht bei der heiligen Kirche gelegenen Häuser und all die Werkstätten (ericKsvie4, die sich bei besagter Portikus befanden, gehörten ihr nämlich; zudem errichtete sie eine Verbindung zwischen diesem Kloster und dem Narthex der heiligen Kirche.

In diesem Zusammenhang wird auch ein EµßoXoS genannt, eine Säulenhalle, die sich im Süden der Hagia Sophia befunden haben soll Gieurrip,htyö ei.ißoX4. Die Angaben lassen vermuten, daß sich an der Nordostseite des Augusteions also eine Säulenhalle befand, an die vor allem wohl Handwerksbetriebe, Läden etc. anschlossen, vielleicht auch das Kloster. Dieses Kloster war über einen eigens angelegten Weg mit dem Narthex der Hagia Sophia verbunden, was vermuten läßt, daß es nicht direkt am Augusteion gelegen war. An der Südwestseite verlief wohl nach wie vor die konstantinische Portikus, durch welche die Rhegia vom Augusteion getrennt wurde (Abb. 51).

Die Umbauten des Jahres 459 und die Zeit bis Justinian Für das Jahr 459 n. Chr. wird in der Osterchronik überliefert, daß unter dem Stadtpräfekten Theodosios an der Seite der Hagia Sophia Bauarbeiten vorgenommen wurden: Koi, EKTICTEV Tb A'iroycy-rezi,ov irXou-s4v b4,15,Xicrt;ez05. Immer wieder findet man in der Fachliteratur die Annahme, bereits in vorjusti-nianischer Zeit seien als Rahmung des Augusteions Portiken oder Mauern errichtet worden36 . Jedoch ist die Hypothese, daß durch den Stadtpräfekten Theodosios im Jahre 459 umlaufende Kolonnaden errichtet wurden, durch nichts zu belegen. Auch die Annahme Guillands, an der Seite der Hagia Sophia seien zu diesem Zeitpunkt Säulenhallen errichtet worden37, ist bereits eine Überinterpretation dieser Quellenstelle. Diese architektonische Rahmung mag durchaus be-standen haben, wie die obigen Überlegungen zeigen, es existiert jedoch kein plausibler Grund, sie auf den Stadtpräfekten Theodosios zurückzuführen. Erst für das 6. Jh. geben zwei Epigram-me der Anthologia Palatina wieder einen Hinweis auf eine rahmende Umfriedung38. Eine Wid-mungsinschrift spricht vom Bau einer Kapelle (v'q6) zu Ehren Justins I. und Justinians unter dem Stadtpräfekten Theodoros in den Jahren 52039 . Im Lemma wird dieser Bau b Tij MEX&rrl lokalisiert. Das Meletetor wiederum bildete das Zugangstor zum Augusteion an dessen Südwest-

34 Malingrey übersetzt eµßoXoS ungenau mit angle. Gemeint ist vielmehr eine Säulenhalle: vgl. Mango, Brazen House 55.

35 Chron. Pasch. 5934f. Zur Person des Theodosios s. PLRE II, 1101 (Theodosius 12). 36 So etwa Mango, Brazen House 60; Müller-Wiener 248; Berger 236. 37 Guilland, Etudes II, 40. 38 Anth. Pal. 1,97 u. 98. Vgl. hierzu Al. Cameron, GrRomByzSt 17, 1976, 274f. 39 Mango, Brazen House 83. Zur Datierung s. Al. Cameron, GrRomByzSt 17, 1976, 276.

154 Konstantinopel

seite, wie mittelbyzantinische Quellenangaben zeigen", als der Platz schließlich von Portiken

oder einer Mauer umgeben war. Dieser Torbau muß in die Portikus integriert gewesen sein, die

als Barriere zwischen dem Augusteion und der Rhegia bereits für konstantinische Zeit überlie-

fert ist. Problematisch ist allerdings die Frage, was denn mit dem Bau 532 geschah: wurde er

zerstört? Und warum wird in der Epigrammüberschrift ein Toponym verwendet, das sonst erst

aus mittelbyzantinischen Quellen bekannt ist41?

In die Zeit der Wende vom 5. zum 6. Jh. fällt auch die Ausweitung des kaiserlichen Palastes

nach Nordosten42. Um 500 wird das von der Notitia Urbis Constantinopolitanae erwähnte, wahr-

scheinlich neben den Zeuxipposthermen befindliche tribunal purpureis gradibus exstructum Teil

des Kaiserpalastes — gesetzt den Fall, es ist mit dem Tribunal der 19 Akkubita identisch". In

dieser Zeit entstand auch die von der Anthologia Palatina als anastasianischer Bau ausgewiesene

Chalke an der Südecke des Augusteions44.

Für die vorjustinianische Zeit darf man also eine Platzanlage rekonstruieren, die auf min-

destens drei Seiten von Portiken umgeben war. Nur an der Südwestseite bildete die Portikus

eine Barriere zu einer dahintergelegenen Straße, an der Nordost- und Südostseite schlossen die

Portiken an die Rahmenbebauung an (Abb. 51).

Justinianische Zeit Nachdem 532 im Verlauf des Nikaaufstands weite Teile des Augustei-

ons und seiner Rahmenbebauung durch Brand zerstört worden waren45, wurden unter Justinian

Wiederaufbaumaßnahmen eingeleitet. Neu errichtet wurden neben der Hagia Sophia auch die

Zeuxipposthermen sowie die Portikus zwischen Milion und Chalke, die ebenfalls abbrannte, wie

wir von Theophanes erfahren46. Das Senatsgebäude wurde renoviert47. Der zwischen Augusteion

und Hagia Sophia gelegene Patriarchenpalast wurde gleichfalls 532 zerstört. Sein Wiederaufbau

erfolgte allerdings erst in nachjustinianischer Zeit, unter dem Patriarchen Johannes III. Scho-

lastikos (565-577)48. Das Augusteion selbst erhielt einen neuen Belag aus Platten, von denen

einige bei Grabungen wieder aufgefunden werden konnten49.

40 Die Bezeichnung Melete begegnet ansonsten erst im Zeremonienbuch: Cer. 3723f. U. 5625f.

41 Al. Cameron, GrRomByzSt 17, 1976, 274. 42 Berger, Altstadt 13ff. 43 Die Lage dieses Tribunals ist unsicher; wahrscheinlich befand es sich jedoch an der Südwestseite des Au-

gusteions, südöstlich neben den Zeuxipposthermen, wie aus der Reihenfolge der Erwähnung in der Notitia hervorgeht: Berger, Altstadt 10; vgl. Guilland, Etudes I, 70-80. Zur Gleichsetzung mit den 19 Akkubita s. Berger, Altstadt 10 u. 14.

44 Anth. Pal. 9,656. Berger, Altstadt llf. sowie Berger 242f. Berger widerspricht der Annahme Mangos, Brazen House 22, daß die Chalke einen konstantinischen Vorgängerbau besessen habe. Vgl. auch A. Berger, Be-merkungen zur Chalke des Kaiserpalastes in Konstantinopel, in: 17th int. Byz. Congr., Abstracts of Papers, Washington 1986, 33.

45 Joh. Lyd., mag. 16217ff.; Prok., bell. Pers. 1, 24, 9-10; ders., aed. I,1, 20-22; Chron. Pasch. 62120-6222; Joh. Mal. 4741611,; Theoph. 18414-26; Kedr. I, 64711-20; Joh. Zon. III. 1548-1551. Kedrenos erwähnt unter den Rahmen-bauten lediglich die Hagia Sophia, den Vorhof (itgoarviivtov) der Basilika, das Augusteion selbst und das Bronzedach des Palastes.

46 Zeuxipposthermen: Brand überliefert bei Chron. Pasch. 62211 und Theoph. 18424 (Tad des Alexander') sowie bei Kedr. I, 64723f. und Joh. Zon. III, 15418. Portikus: Theoph. 18415.

47 Prok., aed. 1. 10, 5-9.

48 Joh. Eph. 73. Mango, Brazen House 52. s. hierzu R. Cormack / E. J. W. Hawkins, The Mosaics of St. Sophia at Istanbul: The Rooms above the Southwest Vestibule and Ramp, DOP 31, 1977, 200ff.

49 Prok., aed. 1. 2, 1-12; Patria II, 17. E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 230.

Basilika Hagia Sophia

Kloster ergasteria

Milion

/ Zeuxippos-Thermen

Patriarchat

Tribunal. purpureis gradibus exstructum

Kaiserpalast

Basilika Hagia Sophia

Kaiserpalast

Das Augusteion

155

Abb. 51. Augusteion, Rekonstruktion von Platz und Nachbarbebauung in vorjustinianischer Zeit.

Abb. 52. Augusteion, Rekonstruktion von Platz und Nachbarbebauung in nachjustinianischer Zeit.

156 Konstantinopel

Wichtigste Quelle für den justinianischen Zustand des Augusteions ist Prokop. Der Verfasser

der 'Bauten' beschreibt mit folgenden Worten den Platz und die Fassade des Senatsbaus5°:

Vor der kaiserlichen Residenz dehnt sich ein von Säulen umgebener Platz (6.-loeix Iregi,o--ru-

Xog), der bei den Byzantinern Augusteion heißt. Ich habe ihn schon früher erwähnt, als

ich von der Sophienkirche sprach und das aus Anlaß dieses Baues dem Kaiser zu Ehren

auf einer hohen steingefügten Säule errichtete eherne Bildnis näher schilderte. Auf der

Ostseite des Platzes steht die Kurie, eine Schöpfung Justinians, die sich aber wegen ihres

Prunkes und ihrer ganzen Ausstattung in Worten nicht beschreiben läßt. Hier tritt zu Jah-

resanfang der römische Senat zusammen und hält, indem er jeweils den herkömmlichen

Staatsakt begeht, eine Jahresfeier ab. Sechs Säulen stehen vor dem Gebäude; zwei davon

halten die Westmauer der Kurie in ihrer Mitte, die restlichen vier erheben sich etwas

nach außen hin. Sie alle sind weiß und übertreffen meiner Ansicht nach sämtliche Säulen

der Erde an Größe. Dabei bilden sie eine Halle mit Gewölbe (Zieoyov '36X(e) X('-rT01)-

0.0451. Marmorfelder, an Aussehen den Säulen gleichend, zieren sämtliche oberen Teile

der Säulenhalle, die im 'übrigen durch zahlreiche, in der Höhe angebrachte Bildwerke gar

wundervoll gegliedert ist.

Prokop lokalisiert den Platz vor dem Senatsgebäude (Iveb T013 ßoacurrieuu) bzw., an einer an-

deren Stelle, vor dem Kaiserpalast (wob TJA) ßeitou\dwv)52 und nennt das Augusteion eine cie-loeä

'rzceicr-ruXo 53. Hieraus ist wohl zu schließen, daß das Augusteion auf allen vier Seiten von Säulen-

hallen eingeschlossen war (Abb. 52). Er beschreibt das Senatsgebäude, als öffnete sich die Fassade

des Baus zum Platz hin. Im übrigen kann noch Georgios Pachymeres behaupten, daß das Au-

gusteion von altersher von öffentlichen Gebäuden eingeschlossen (oko8opip,otot 8rip,00l,oK iteet-

Te-rdma-r(kt) sei54. Für die Südostseite des Augusteions wird man wohl eine in die umlaufenden

Säulenhallen integrierte Fassade des Senats annehmen müssen, wie sie bereits in theodosiani-

scher Zeit existiert haben mag. Die Quellen, die einen Embolos zwischen Chalke und Heiligem

Brunnen bei der Ostapsis der Hagia Sophia erwähnen, entstammen dem Zeremonienbuch und

sind somit alle deutlich später.

Prokops Beschreibungen erlauben sogar eine gewisse Vorstellung von der Fassade des Se-

natsbaus55. Es muß sich um eine aus vier Frontsäulen, insgesamt jedoch sechs Säulen bestehende

Vorhalle gehandelt haben, die ein Gewölbe besaß und im Inneren mit Marmorinkrustationen,

aber auch bildlichen Darstellungen ausgestattet war.

Die nachjustinianische Zeit Im 7. Jh. wurde im Südostbereich, d. h. vor dem Senatsgebäude,

der Thomaites errichtet, wobei unklar ist, ob der Bauherr Patriarch Thomas I. (607-610) oder

aber Thomas II. (667-669) war. Dieser Palast bildete noch bis ins 16. Jh. den Südostabschluß des

5° Prok., aed. 1. 10, 5-9. Übs. nach 0. Veh, Prokop: Bauten, München 1977, 69.

51 Der problematische Ausdruck Prokops rechtfertigt nicht eine Übersetzung mit Kuppel, wie bei 0. Veh.

52 Prok., aed. 1. 2, 1; 1. 10, 5; 1. 10,10. 53 Prok., aed. 1. 10, 5.

54 Georg. Pach., PG 144, 917B. 55 Prok., aed. 1. 10, 8f. Vgl. die Rekonstruktion bei R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture,

Harmondsworth 19864, 240 (Abb. 194b) u. 242. Krautheimers Rekonstruktion eines Giebels mit 'syrischem Bogen' ist hypothetisch.

Das Augusteion 157

Augusteions56. Zwischenzeitlich jedoch, im Jahre 791, brannte der Thomaites ab und wurde daraufhin wieder aufgebaut57.

Ungeklart bleibt das raumliche Verhaltnis von Thomaites zu Senatsbau, der ja wohl auch in nachjustinianischer Zeit zunachst noch am Augusteion lag. Doch konnte das `Zubauen' des Senatsgebandes mit der Integration des Senats in den Kaiserpalast als Magnaura Hand in Hand gegangen sein58. Da die Magnaura auch spater noch als basilikaler Bau mit Ostapsis und einem Vorhof im Westen beschrieben wird59, muf3 der Thomaites einen gewissen Abstand zum ehema-ligen Senatsgebaude bewahrt haben. Vermutlich entstand gleichzeitig die `Ktenaria' genannte Passage zwischen Chalketor und Heiligem Brunnen an der Apsis der Hagia Sophia, die mehrfach im Zeremonienbuch erwahnt wird6°.

Spatere Quellen lassen es als sicher erscheinen, dal3 sich das Augusteion in eine abgeschlosse-ne Hofanlage verwandelte61. Hier werden Tore erwahnt, fiber die man das Augusteion betrat62 . Eines dieser Tore war das Meletetor, fiber das man von der Sildwestseite her in das Augusteion gelangte63. Das Chalketor wiederum fiihrte nicht ins Augusteion, wie Mango gezeigt hat, sondern verband den Palast mit dem Abschnitt der Mese, der zwischen Augusteion und Zeuxipposbad verlief64. Aus Niketas' Choniates' Schilderung des Kampfes zwischen Alexios II. Komnenos und seiner Schwester Maria im Jahre 1180 geht hervor, daf3 das Augusteion ein durch Tore ver-schliel3barer Hof war65. Von der Spitze des auf3erhalb gelegenen Milions konnte man das Augu-steion einsehen66 . Aus der Beschreibung der Kronung Michaels IX. Palaiologos am 21. 5. 1295 ergeben sich allgemeinere Anhaltspunkte zum Verhaltnis des Thomaites zum Augusteion67. Der Kaiser stieg nach der Weihung auf den Thomaites, von wo aus man auf das Augusteion sah, wo sich Volk und Armee versammelt hatten. Hier wurde dann der Kaiser vor den Augen aller auf den Schild gehoben. Die Hauptfassade des Thomaites richtete sich also - wie zu vermuten war -zum Augusteion hin und eignete sich offenbar als Biihne fur Zeremonien vor der versammelten Menge (Loggia o. Fur das 13. Jh. werden Bauten im Bereich des Augusteions bezeugt: in einer Chrysobulle Michaels VIII. Palaiologos aus der Zeit um 1270 ist die Rede von T( EVToS Kea

bcT0c Trlic Ceafic TOi.) A`6'101.)6TeWVOc Oki[IXITC468 .

56 Nik. Kall., PG 147, 417C. R. Guilland, Etudes sur Constantinople Byzantine. Le Thomaites et le Patriarcat, JbOByz 5, 1956, 27-40 (= Etudes II, 14-27); Muller-Wiener 248.

57 Theoph. 4674f.; Kedr. II, 252f.; Leon Gramm. 19714f.; Joh. Zon. 111,29216ff. Janin 162.

58 Mango, Brazen House 57f. Zur Magnaura s. Guilland, Etudes I, 141-150; Janin 117f.; Berger 267f. Die Bezeichnung begegnet zum erstenmal im Jahre 531: Kyrillos von Skythopolis p.178 Schwartz.

59 Guilland, Etudes I, 141-150. 6° Erwahnung dieser Passage erst im Zeremonienbuch: Cer. 69, 145f., 184 u. 608 (Angaben nach Mango, Brazen

House 76f.).

61 Zu dieser Frage allg. Guilland, Etudes II, 44ff.; Mango, Brazen House 92ff. 62 Guilland, Etudes II, 45f.; Mango, Brazen House 92.

63 Guilland, Etudes II, 45; Mango, Brazen House 82ff. 64 Mango, Brazen House 92-6. 65 Nik. Chon. 23533-23577. 66 Nik. Chon. 23635f.; Theodoros Skutariotes, ed. K. Sathas, Mesaionike Bibliotheke VII, Paris 1894, 312-314.

Mango, Brazen House 47 u. 94f.

67 Ps.-Kodin., off. 254f. R. Guilland, JbOByz 5, 1956, 27 (= Etudes II, 14). 68 riO4vE)gce 15, Athen 1865, 29. Angabe nach Janin 60.

158 Konstantinopel

c. Ausstattung

Ehrensäule Justinians Wichtigstes Ausstattungselement des Augusteions war zweifellos die

Säule mit dem Reiterstandbild Justinians69. Von diesem Monument liegen genaue Beschreibun-

gen von Prokop und Georgios Pachymeres vor, die eine Rekonstruktion des architektonischen

Aufbaus der Säule zulassen70. Das ebenfalls detailliert beschriebene Reiterstandbild ist obendrein

durch eine Zeichnung aus dem 15. Jh. bekannt (Taf. 19.1)7'.

Über die Lage dieses Säulenmonuments besitzen wir folgende Angaben72: Nach Malalas be-

fand es sich nahe beim Palast. auf dem sogenannten Augusteion (7XTIo-lIv TOI) itaXaTiou

Xvlogvu? Ainouo-Tcu3v)73. Harun ibn Yahia lokalisiert die Säule zehn Schritt westlich der Ha-

gia Sophia. und auch Zonaras setzt sie in den Vorhof der Großem Kirche gzeoocoMy Toi)

pz-yezXou vocoi3)74. Genauer ist Georgios Pachymeres, demzufolge die Säule in der Mitte des Au-

gusteion (aaeWv , ov tigoov ö Airfovo-TeWv to-Tarnt) stand, der aber ergänzend hinzufügt,

daß sie sich zur Linken desjenigen, der die Hagia Sophia betrat, befand (bt' ezeuo-TEee:c Töv VEWV

ei,13 1,01)6 LV ) 75. C. Buondelmonti schreibt, daß sich die Säule extra ecclesiam, ad meridiem, in pla-

tea befunden habe'''. P. Gyllius setzt sie gegenüber der Westecke der Hagia Sophia (non longe a

Sophiae angulo ad occasum vergente)77 .

Sicherlich befand sich also die Säule nicht genau im Zentrum des Augusteions. Aus der

Angabe des Pachymeres ergibt sich eine Lage im Nordwestbereich des Augusteions — ging man

diesem Autor zufolge doch rechts an der Säule vorbei. wenn man die Hagia Sophia betrat. Mit

diesem Zugang kann nur die (1)eoda 'narb das Schöne Tor, gemeint sein, das vom Augusteion

den Zugang zur Hagia Sophia erlaubte78. Schließlich bekräftigt auch die Angabe des Gyllius

diese Lokalisierung. Im wesentlichen treffen wohl die Pläne Mangos und Bergers den Standort

der Säule79; sie dürfte sich allerdings in der Flucht der Mese befunden haben und vielleicht

etwas näher bei der Hagia Sophia. Einen Sinn ergibt diese exzentrische Position nur, wenn man

die Säule bewußt als Fluchtpunkt des vom Konstantinsforum heranführenden Meseabschnitts

inszenierte. So konnte derjenige, der sich auf der Mese vom Konstantinsforum zum Augusteion bewegte, bereits von fern die Ehrensäule des Kaisers wahrnehmen (Abb. 51).

Die Reiterstatue wurde 543 auf der Säule aufgestellt80 . Wie die interpretierende Ekphra-

sis Prokops nahelegt, scheint ein Zusammenhang mit einem Sieg über die Perser zu bestehen,

69 Erschöpfende Zusammenstellung der Quellen bei Stichel 105ff. Kat. Nr. 132. 70 Prok., aed. 1. 2,1-12; Georg. Pach., PG 144, 917-24. Diskussion der Dimensionen von Säule und Reiterstand-

bild bei Stichel 109f. 71 Univ.-Bibliothek Budapest, Ms. 35 fol. 144v. Stichel 107fa.

72 Diskussion der Lage der Justinianssäule bei Guilland, Etudes II, 43. Vgl. auch Majeska 237f.

73 Joh. Mal. 48215. 74 J. Ebersolt, Constantinople Byzantine et les voyagers du Levant, Paris 1918, 29. Joh. Zon. III, 1579. Vgl. auch

Ps.-Kodin., off. 255. 75 Georg. Pach., PG 144, 917B. 76 C. Buondelmonti, Liber insularum archipelagi, Leipzig- Berlin 1824, 62 (vgl. Unger Nr. 331). 77 Gyllius 2,17. 78 Zur Lage der cleed,c2. 7rari s. C. Strube, Die westliche Eingangsseite der Kirchen von Konstantinopel in

justinianischer Zeit, Wiesbaden 1973, 50ff. 79 Mango, Brazen House 23 (Abb. 1); Berger 251 (Skizze 6). 80 Zur Datierung s. Joh. Zon. III, 1578ff.; Theoph. 22413-15; Kedr. I, 65618-23. Stichel 108.

Das Augusteion 159

und tatsächlich konnte Belisar im Jahre 540 einen erneuten Einfall der Perser zurückschlagen.

Da die Säule selbst bereits in theodosianischer, möglicherweise aber schon in konstantinischer

Zeit errichtet worden war, übernahm Justinian ein Aufstellungskonzept, das bereits einer seiner

Vorgänger entworfen hatte: Ein silbernes Standbild Theodosius' I. auf einer Säule im Augustei-

on bezeugen Marcellinus Comes, die Parastaseis und Zonaras81. Zonaras sagt explizit, daß die Reiterstatue Justinians eine Statue des Theodosius I. ersetzt habe82. Darüber hinaus wird in den Parastaseis auch eine Säule Konstantins d. Gr. auf dem Augusteion überliefert83, so daß der Verdacht naheliegt, auch Theodosius habe sich eine von einem Vorgänger errichtete Säule ange-eignet.

Zwei Autoren, der im folgenden zitierte Prokop und der von ihm abhängige Georgios Pachy-meres beschreiben ausführlicher den Aufbau des Säulenmonuments84 :

Vor dem Senatsgebäude dehnte sich ein weiter Platz, der bei den Byzantinern den Namen Augustaion trägt. Dort sind nicht weniger als sieben viereckige Steinpackungen und zwar alle nach Art einer Treppe aufeinander gesetzt, wobei diese nach oben zu immer kürzer und schmäler werden, so daß jeder mit seinem Rand vorspringende Stein eine Stufe bil-det und die Menschen, die sich hier versammeln, wie auf Bänken sitzen können. Auf der obersten Steinlage erhebt sich eine Säule zu gewaltiger Höhe; sie besteht nicht aus einem einzigen Stück, sondern setzt sich ringsum aus mächtigen Quadern zusammen, die recht-winklig zubehauen und von geschickten Steinmetzen ineinandergefügt sind. Festes Erz in Form von bildlichen Darstellungen und Kränzen umschließt allseits die Steine, fest bin-det es diese zusammen und verkleidet sie kunstvoll und leiht so fast dem ganzen übrigen Bauwerk, vor allem aber seinem oberen und unteren Teil, das Aussehen einer Säule. Das Erz hat eine etwas gedämpftere Farbe als reines Gold und bleibt an Wert nicht viel hinter Silber zurück. Oben auf der Säule steht ein gewaltiges Pferd aus Erz mit Blick nach Osten, ein sehr beachtliches Kunstwerk.

Die Angaben Prokops und des Georgios Pachymeres erlauben folgende Rekonstruktion85: Wäh-rend Prokop als Basis der Säule lediglich einen Stufensockel aus sieben umlaufenden Stufen

nennt, erwähnt die Beschreibung des Pachymeres zudem einen aus Ziegeln aufgemauerten, mit Marmorplatten verkleideten, würfelförmigen Baukörper, dessen vier Seiten jeweils mit vier Arka-den versehen wurden86 . Darüber folgte die eigentliche Säulenbasis und die angeblich aus Quadern bzw. Ziegeln aufgemauerte Säule, deren Äußeres mit Platten aus Bronze verkleidet war87. Hier-auf wiederum saß ein korinthisches Kapitell sowie zwei Plinthen, auf deren oberer das mehrfach

81 Marc. Com. 62 (an. 390); Par. 68; Joh. Zon. III, 15712 . Stichel 85 Nr. 55. Wahrscheinlich meint auch Johannes Lydos, mag. 124, dieses Standbild.

82 Joh. Zon. III, 1578-13. 83 Par. 68.

84 Prokop, aed. 1. 2, 1-5 (Übs. nach 0. Veh, Prokop: Bauten, München 1977, 35). Georg. Pach., PG 144, 917-924 (Unger Nr. 328; Mango, Sources 111ff.; C. Gurlitt, Antike Denkmalsäulen, München 1909, 6f.).

85 Diskussion und Rekonstruktion hei C. Gurlitt. Antike Denkmalsaulen in Konstantinopel. München 1909. 6-8: E.M. Antoniades, 'EK4DpozaK Tir-K A yic EcnipixK, Athen 1907 (Ndr. 1985), I, 56ff. u. 59 (Abb. 7); Kollwitz, Oström. Plastik 12-15; Stichel 108-112; C. Mango, Studies an Constantinople, Aldershot 1993, Study X, 3ff.

86 Stichel 110. Vgl. die Nischen in den Postamenten des Viersäulenmonuments in Ephesos (s. u. S. 271ff.).

87 Zur Bronzeverkleidung s. Prok., aed. 1. 2, 3. s. u. S. 325.

160 Konstantinopel

überlebensgroße Reiterstandbilds Justinians zu stehen kam. Das Reiterstandbild war nach Osten

ausgerichtet.

Graphische Rekonstruktionsvorschläge unternahmen bisher E. M. Antoniades (1907), C. Gur-

litt (1907) und R. H. W. Stichel (1988) (Abb. 53-55)88. Während die Rekonstruktion von Anto-

niades nur in Details zu kritisieren ist (Kapitellform, Postament, Anzahl der Säulenabschnitte),

kann die Rekonstruktion Gurlitts schlichtweg als phantastisch bezeichnet werden: das umlau-

fende Reliefband ist frei erfunden, ebenso die Kapitellform und die Details des Sockels89. Der

Rekonstruktionsversuch Stichels hingegen überzeugt durch den Verzicht auf unbewiesene Detail-

angaben und durch den Versuch, die Proportionen und damit das Gesamterscheinungsbild des

Monuments korrekt wiederzugeben.

Zu nicht näher bekannter Zeit erhielt der Sockel der Justinianssäule eine Brunnenanlage.

Gyllius schreibt, daß zum Zeitpunkt des Abrisses des Säulensockels, den er miterlebte, Wasser von diesem in ein großes Becken floß90. Man nutzte diese bereits bestehende Leitung und errich-

tete darauf ein Wasserschloß. Über diese Wasserleitung und die Brunnenanlage existieren keine weiteren Informationen.

Ein in der Forschung noch unbeantwortetes Problem ist das der Bronzeverkleidung der Säule, die 1204 von den Lateinern abgerissen wurde. Prokop berichtet, daß der Säulenschaft von Erz

umschlossen war, in der Form von bildlichen Darstellungen und Kränzen: xci.)o-vbg Czet,o--ro Ev TE 'TZ(VelV KOlt CYTE(pdtVOL SLO(x y0eLS ireet,MXXet, 'rzcyvmxciet, TovS Meoro01. Leider sagt Prokop nicht genauer, was denn dargestellt war. Kedrenos berichtet ebenfalls von der Bronzeverkleidung, de-

ren Platten angeblich vom Dach der konstantinischen Chalke stammten92. Pachymeres konnte nur mehr älteren Schilderungen entnehmen, daß die Säule eine solche Verkleidung besessen hat-te93: Die Kreuzfahrer rissen ja bekanntlich die Platten ab. Nikephoros Gregoras beschreibt im

Zusammenhang mit der Restauration der Säule unter Andronikos II. (1282-1328), wie dieser den

Säulenschaft, der von Befestigungslöchern überzogen war, glätten ließ, indem er diese mit einer Fugenmasse schloß94. Welcher Art also war diese Bronzeverkleidung? Prokop schreibt, daß die Bronzeplatten Kränze formten; damit können nur umlaufende Kränze gemeint sein, wie sie be-

reits von der Konstantinssäule her bekannt sind. Bei den bildlichen Darstellungen, die Prokop

erwähnt, muß es sich um Bronzereliefs oder Ritzungen gehandelt haben, die sich jeweils auf ein Register beschränkten und nicht kontinuierlich nach oben anstiegen. Wann die Bronzeverklei-

dung angelegt wurde, ist nicht sicher. Prokop spricht in seiner Ekphrasis nicht ausdrücklich von

88 Gurlitt, a. 0. Tafel im Anhang; ders., Die Baukunst Konstantinopels, Berlin 1907, Taf. 5g; Antoniades, a. 0. 59 (Abb. 7); R. H. W. Stichel, Zum Bronzekoloß Justinians I. vom Augusteion in Konstantinopel, in: Griechische und römische Statuetten und Großbronzen, Akten der 9. internationalen Tagung über antike Bronzen, Wien, 21.-25. April 1986 (hg.: K. Gschwandtler u. A. Bernhard-Walcher), Wien 1988, 130-136, hier 133 (Abb. 6).

89 Gerechterweise muß gesagt werden, daß Gurlitt, Denkmalsäulen (a. 0.) 7, selbst vor seiner Rekonstruktion mit folgenden Worten warnte: Vorsicht! Meistens Phantasie!

90 Gyllius 2, 17. 91 Prok., aed. 1. 2, 3. Vgl. W. Pülhorn in: 0. Veh, Prokop, Bauten, München 1977, 392: reliefierte Bronzeplatten.

Skeptisch jüngst R. H. W. Stichel, IstMitt 44, 1994, 319 Anm. 13. S. u. S. 325. 92 rz r c ura ou r‘eur. 23f.

93 Georg. Pach., PG 144, 920B. 94 Nikeph. Greg. I, 275 (Unger Nr. 329).

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162 Konstantinopel

einer Entstehung unter Justinian, doch wird man wohl davon ausgehen dürfen, daß im Zuge der

Bekrönung mit einer Reiterstatue auch die Verkleidung angebracht wurde.

Da eine Renaissancezeichnung, die heute in Budapest verwahrt wird, mit aller Wahrschein-

lichkeit diese Reiterstatue wiedergibt, kann man sich eine gewisse Vorstellung von deren Aussehen

machen (Taf. 19.1). Im Schema römischer Reiterstandbilder erscheint das Pferd in Trabhaltung;

es hebt seinen linken Vorderhuf. Der aufrecht sitzende Reiter hält seine Rechte erhoben, in der

Linken befindet sich ein Kreuzglobus. Bekleidet ist der Reiter mit einem Panzer über einer Tu-

nika, darüber wiederum mit einem Mantel und an den Füßen mit Schnürstiefeln. Auf dem Kopf

trägt Justinian die Tufa, den federgeschmückten Helm, der auch in den Quellen erwähnt wird

und auf Miniaturen der Justinianssäule zu erkennen ist". Bemerkenswert ist die Inschrift, die

sich entlang des Pferderückens sowie auf dem Pferdekörper erstreckt: FONS GLORIAE PER-

ENNIS THEODOSI. Die sich hieraus ergebende Vermutung, daß ein älteres Reiterstandbild von

Justinian übernommen wurde, erhärtet sich beim Lesen der Quellen. Malalas behauptet, daß Ju-

stinian das Reiterstandbild des Arkadius auf dem Tauros wiederverwendete". Zonaras schreibt,

daß für die Reiterstatue Material der Theodosiusstatue vom Augusteion verwendet wurde97.

Weitere Kaiserstatuen Von den Standbildern der Kaiser Konstantin und Theodosius, die der

Reiterstatue Justinians vorangingen, war bereits die Rede. Doch befanden sich noch zahlreiche

andere Kaiserstatuen auf dem Augusteion: Unter dem Säulenmonument Konstantins d. Gr. sol-

len sich Standbilder der drei Kaisersöhne Konstantius II., Konstans und Konstantin II. sowie

des Licinius und, später, des Julian befunden haben98. Eine in konstantinischer Zeit auf dem

Augusteion errichtete Ehrensäule der Kaisermutter Helena, nach der die Platzanlage möglicher-

weise auch ihren Namen erhielt, wird in den Quellen mehrfach erwähnt". Berger sieht in diesen

Angaben allerdings eine Verwechslung mit einem von Johannes Lydos erwähnten Helenastand-

bild in einem Hof beim Daphnepalastlim. Doch besteht für eine solche Annahme kein Grund,

da eine Statue der Kaisermutter auf dem Augusteion gut denkbar ist. Ein silbernes Standbild

Theodosius' I. auf einer Säule erwähnen Marcellinus Comes, die Parastaseis und Zonaraslm. In

den Parastaseis ist zudem von Standbildern seiner Söhne unter der Säule die Rede102 . Da diese

Nachricht in den Parastaseis mehrfach erscheint, handelt es sich wahrscheinlich um altes, vor-

justinianisches Quellenmaterial, das trotz veränderter Realitäten weitertradiert wurdel°3 — die

Säule wurde ja später von dem Reiterstandbild Justinians besetzt. Die Aufstellung der Statuen

95 Beispiele solcher Miniaturen finden sich bei Stichel, Bronzekoloß (a. 0.) 131 (Abb. 1-3) und S. Papadaki-

Oekland, The Representation of Justinian's Column in a Byzantine Miniature of the Twelfth Century, ByzZ

83, 1990, 63-71.

96 Joh. Mal. 48214_17.

97 Joh. Zon. III, 15714_16 • 98 Par. 68. Janin 73.

99 Joh. Mal. 32110ff.; Chron. Pasch. 5292 _4; Ps.-Hesych 40; Patria II, 15.

100 Joh. Lyd., mens. 1637_9. Berger 237.

101 Marc. Com. 62 (an. 390); Par. 68; Joh. Zon. IH, 15712.

102 Par. 68. In den Patria ist von Statuen Trajans und Theodosius II. in der Nähe des Milions die Rede -wahrscheinlich die Wiedergabe einer vorjustinianischen Situation und gleichzusetzen mit der Erwähnung des

Standbildpaars der Söhne des Theodosius bzw. des Arkadius und Theodosius II. in den Parastaseis (Berger

276). 103 Berger 238f.

Das Augusteion 163

der Söhne könnte mit der Vollendung der Hagia Sophia 415 in Zusammenhang stehen. Ein Brand

beschädigte oder zerstörte diese Standbilder'"

Im Jahr 403 erhielt die Kaiserin Eudoxia auf dem Augusteion ein Standbild auf einer por-phyrnen Säule'°5. Dieses Denkmal befand sich nach Sokrates weder nahe, noch entfernt von der Kirche, die Sophia genannt wirdl°6 . Dieselbe Ehrensäule erwähnt auch Sozomenos, der sie auf der Südseite der Kirche vor dem Hause des großen Rates auf einem hohen Unterbau lokalisiert'°7. Von dieser Säule konnte die Basis mit einer Weihinschrift in Griechisch und Latein aufgefunden werden'°8. Aus dieser Inschrift geht hervor, daß diese Statue von dem Stadtpräfekten Simpliki-

os errichtet wurdei°°. Der Fundort der Basis läßt sich nicht mehr exakt angeben; da die Basis

aber bei Fundamentierungsarbeiten für den um die Mitte des 19. Jh. errichteten und 1933 be-

reits wieder abgebrannten Justizpalast gefunden wurde, ist eine Lokalisierung am Südrand des

Augusteions, im Bereich vor dem Senat, anzunehmen"°.

Schließlich sind noch zwei Epigramme der Anthologia Palatina zu erwähnen, Widmungsin-schriften zu Standbildern, die sich beim Haus des Helikon (011,Ko `11Xuriao0 befanden und von einem Eparchen namens Julianos gestiftet wurdenm. In diesen Epigrammen ist einmal von ei-nem Kaiser, dann von Anastasius die Rede. Al. Cameron konnte zeigen, daß es sich wohl um Standbilder des Tiberius I. und seiner Frau Anastasia handelte, die vor dem Senat aufgestellt wurden"2.

Von den zahlreichen Kaiserstatuen im Bereich des Augusteions erhielten sich womöglich noch bis in die Neuzeit archäologische Reste: Reisende des 15. und 16. Jh. erwähnen mehrfach eine

Gruppe von Säulen, die sich im Bereich des Augusteions befunden haben muß"3. C. Buondel-monti beschreibt in seinem um 1420 abgefaßten Liber insularum archipelagi sechs weitere in ei-ner Reihe aufgerichtete große marmorne Säulen neben der Justinianssäule"4. B. de la Broquiere nahm diese Säulen 1432/3 ebenfalls wahr"". Manuel Chrysoloras erwähnt, daß diese Säulen einst

104 Suda III, 315 s. v. Maxoq. 105 Marc. Corn. 67 (an. 403). Zu dieser Ehrensäule s. J. Gottwald, La statue de l'imperatrice Eudoxie, EO 9,

1906/7, 274-6; Mango, Brazen House 58ff.; Janin 76f.; P. Speck, Eudoxia-Säule und Pittakia, Hellenika 22, 1969, 430-35; I. Sevicenko, Inscription in Honor of Empress Eudoxia, Annuals of the Ucrainian Acad. 12, 1969/72, 207f.; Müller-Wiener 52f.; F. van Ommeslaeghe, J. Chrysostome en conflit avec l'imperatrice Eudoxie, AnalBoll 97, 1979, 131-59; Stichel 96 Nr. 91.

106 Sokr., PG 67, 716C-717A. S. o. S.152. 107 Soz. 8, 20. 108 Schneider, Byzanz 80; E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 230; Müller-Wiener 52f. (ältere Lit.); CIL III,

736 = ILS 822: Dominae Aeliae Eudoxiae semper Augustae v(ir) c(larissimus) Simplicius praefectus urbi dedicavit. IG IV, 8614: Kqova -rcoQtpueriv Kul citg-yvOriv flotat,X dial/ I AceK6o Er19e476Xrit, 1541LCITEI.JOUCYLV ÖtVOLK.TeS

r1101.5V0110t 7o196eK, EU8oUot. Tic «v61911cev; EtpirVictoqi.telawv &TUN -yövoc eal9>öc 109 Zur Person s. PLRE II, 1014 (Simplicius 4); Dagron, Naissance 262. 110 So auch im Plan von Schneider, Byzanz, im Anhang, Planquadrat G7. Die Lokalisierung des Standbilds in

den Pittakia — so Theophanes 795f. und Zonaras III, 979f. — ist wohl falsch, da sich die Pittakia nordöstlich der H. Sophia und H. Eirene befanden: P. Speck, Hellenika 22, 1969, 430-35.

111 Anth. Pal. 16, 70 u. 71. Zur Person des Julianos s. PLRE II1,1, 731f. (Julianus 20). 112 Al. Cameron, Byzantion 47, 1977, 55f. 113 Mango, Brazen House 175-9; ders., The Columns of Justinian and his Successors, in: ders., Studies on Con-

stantinople, Aldershot 1993, Study X, S.3. 114 C. Buondelmonti, Liber insularum archipelagi, Leipzig-Berlin 1824, 62 (Unger Nr. 331). 115 Ch. Schefer (ed.), Le Voyage d'outremer de Bertrandon de la Broqui6re, Paris 1892, 159f.

164 Konstantinopel

Statuen trugen118. Vielleicht sind diese Säulenmonumente mit denen identisch, die zwei russi-

sche Pilger aus dem endenden 14. bzw. beginnenden 15. Jh. sahen"'. Angeblich trugen die Säulen

kniende Figuren, die Städte darbrachten. Genaue Maßangaben erhalten wir von P. Gyllius, der

sieben korinthische Säulen an der Westecke der Hagia Sophia beschreibt"8. Ihm zufolge wahrten

diese Säulen untereinander einen Abstand von über sechs Metern. Auf einer dieser Säulen war

der Name Konstantins eingehauen sowie die Beischrift b Tot3T(.9 vüse Wahrscheinlich standen

alle Säulen in einer Reihe entlang der Südwestseite der Hagia Sophia, parallel zur Nordostseite

des Augusteions"9. Über Datierung und Auftraggeber liegen keinerlei Informationen vor.

Klassisch-antike Bildwerke vor dem Senat Mehrere Quellennotizen berichten von antiken

Bildwerken, die vor dem Senat am Augusteion aufgestellt wurden. Zosimos erwähnt Statuen der

Athena Lindia und des Zeus von Dodona, die den Brand des Jahres 404 überstandenu°, meint

also sicherlich den Senat auf dem Augusteion und nicht den am Konstantinsforum, wo sich

ebenfalls eine Athenastatue befandul. Zudem werden Statuen der Musen überliefert, so neben

Zosimos auch bei Themistios. Ersterer berichtet über deren Zerstörung beim Brand des Jahres

404, letzterer nennt den Senat einmal veC Tal Mouo-C3v und erwähnt auch die Transferierung

der Musenstatuen von Rom an den Bosporus122 .

Es verdient festgehalten zu werden, daß in den Quellenschriften nur Standbilder der Kaiser

und ihrer Angehörigen erwähnt werden; andere gesellschaftliche Schichten scheinen hier zu keiner

Zeit statuarische Ehren erhalten zu haben. Bezeichnenderweise gruppierten sich die Statuen

stets um die Säulenmonumente. Die Parastaseisnotiz zur Konstantinssäule läßt unterhalb der

Säule (Kecrw Toi3 14,Iov(4 die Familie des Konstantin versammelt sein — einschließlich des später

hinzugekommenen Julian. Und auch die Theodosiussäule soll von den Statuen des Arkadius

und Honorius flankiert worden sein. Vorausgesetzt, die Angaben der Parastaseis sind wahr,

erhalten wir damit von zwei verschiedenen Ausstattungsphasen Nachricht, die zum Zeitpunkt der

Zusammenstellung der Parastaseis nicht mehr existierten. Erst im Zuge der Wiederherstellung

des Augusteions nach dem Nikabrand durch Justinian erhielt dieser Platz seine für die spätere

byzantinische Zeit bestimmende Gestalt.

116 Man. Chrys., PG 156, 45B.

117 Majeska 136, 184 u. 240. Mango, Studies (a. 0.) 3. Vielleicht müssen wir tatsächlich mit Mango davon ausgehen, daß hier unterworfene Völker personifiziert wurden, die dem auf der höchsten Säule befindlichen Justinian ihre Städte darbrachten.

118 Gyllius 2, 18. 119 Mango rekonstruiert aus der Lage der Säulen und deren Maßangaben die beiden Möglichkeiten einer Gruppe

von Ehrensäulen bzw. eines Triumphbogens (Milion?): Mango, Brazen House 176f. Gegen die Zugehörigkeit zu einer Portikus, einer Vorhalle o. ä spricht der übergroße Säulenabstand.

120 Zos. 5, 23f. 121 So auch Janin 156; Dagron, Naissance 139, Bassett, Reuse 171 (A-35) u. 313f. (Z-2), und jüngst Barsanti,

Costantinopoli 121. 122 Zos. 5,24; Themist. 215d (or. 17) u. 355b (or. 31). Al. Cameron, Byzantion 47, 1977, 52. Die Bezeichnung

`Helikons Haus' begegnet auch in den Epigrammen Anth. Pal. 16, 70-1. Bei Euseb, Vita Const. 3, 54, werden die Musenstatuen im Palast lokalisiert. Zu den Musenstatuen s. auch Bassett, Reuse 246ff. (M-5).

Das Augusteion 165

Die statuarische Ausstattung der Rhegia nach Berger Derselbe Eindruck entsteht bei der Be- trachtung der Quellen zur Ausstattung der Chalke und der Rhegia, der Berger einen detaillierten Rekonstruktionsversuch widmetei". In einem eigenen Kapitel beschreiben die Patria die Statu- en, die Xe4),Kfi zu sehen waren; die Informationen stammen weitgehend aus den verstreuten Angaben in den Parastaseis124 . Berger gelingt es, durch eine Analyse der Standortangaben die folgenden quellenschriftlich bezeugten Statuen auf die nördliche bzw. südliche Säulenhalle zu verteilen: In der nördlichen Säulenhalle sah man Statuen Belisars, Tiberius' I., Justins I. und sieben weiterer Angehöriger dieses Kaisers, zum Teil aus Marmor, zum Teil aus Bronze125 . Stand-bilder (a-nIXea) Justinians und Theodoras befanden sich gegenüber den Zeuxipposthermen, also ebenfalls in der nördlichen Portikus126 . Wahrscheinlich handelt es sich dabei um zwei der 'sieben Verwandten Justins 1.'127 .

Nach Ausweis von Parastaseis und Patria befanden sich Reiterstatuen von Gratian, seiner ganzen Familie (-1evo 667c4v) sowie von Valentinian II. und Theodosius I. im Peripatos128. An anderer Stelle nennen die Patria als Ort den Peripatos des Hippodroms, doch ist dies ein Über-tragungsfehler von Parastaseis zu Patria129 . Der Standort war nicht der Hippodrom, sondern der Peripatos, die südliche Meseportikus bei der Chalke. Statuen (a-niXce) von Theodosius I. und seiner Familie, die bei der Chalke standen, erwähnen ebenfalls Parastaseis und Patria13°. Berger vermutet, daß sich die Nachricht über die Reiterstandbilder der Familie Gratians, Theodosius' I. und Valentinians im Peripatos auf dieselbe Statuengruppe beziehen. An anderer Stelle berichten die beiden Quellenschriften noch von einer Statue der Pulcheria bei der Chalke im Peripatos'32 . Statuen des Zenon und der Ariadne sollen sich auf kurzen Säulen 'am selben Ort', also im Peripatos, befunden haben133. Schließlich errichtete der Stadtpräfekt Julianos am Eingang der Zeuxipposthermen Statuen dicu'iv) von Justin II. und Sophia134 .

Unsicher bleibt die genaue Lokalisierung der Standbilder des Maximian sowie des Maurikios, seiner Frau und seiner Kinder, die sich ebenfalls XotXqi befanden135.

123 Mango, Brazen House 98ff.; Berger 242-250. 124 Par. 33, 44a, 77 u. 80; Patria 11,28. Problematisch bleibt allerdings, daß trotz Zerstörungen (Nikaauf-

stand) und veränderter Gegebenheiten frühere Ausstattungsphasen weitertradiert werden, so daß verschie-dene Zustände ineinanderfließen, die tatsächlich nie nebeneinander bestanden haben: Berger 250.

125 Par. 44; Patria II, 28. Berger 247. 126 Par. 81. 127 Berger 248. 128 Par. 19; Patria I1,104a. 129 Patria II, 77. Berger 545f. 130 Par. 77; Patria 11,28. 131 Berger 249f. 132 Par. 33; Patria II, 28. 133 Par. 32 u. 80. Patria 11,27 u. 28; Anth. Pal. 16,69. Der Standort Peripatos geht aus Patria 11,28 hervor. 134 Anth. Pal. 9,803 u. 804. Standbilder von Justin II. und Sophia vor den Zeuxipposthermen erwähnt auch

Johannes von Ephesos 111. Nach Mango identisch mit Stichel Nr. 135. Stichel und Berger beziehen die in Par. 81 genannte Statue der Sophia auf diese Gruppe. Berger 248 glaubt, daß es sich bei den beiden Statuen um zwei der 'sieben Verwandten des Justin' handelt, die sich 6v rri XeAK4-1 befunden haben sollen.

135 Standbild des Maximian (Vater des Maxentius oder Galerius) tv Tij XaXKi: Par. 77; Patria II, 28. Statuen (cr-rfi) ott,) des Maurikios, seiner Frau und seiner Kinder im Peripatos bei der Chalke: Patria 11,28 u. 11,89. Die Lokalisierung bereitet Probleme, da Patria II, 28 eine Lokalisierung im Peripatos nahelegt, Patria II, 89

166 Konstantinopel

Milion Ausschließlich Kaiserbildern war auch das Milion vorbehalten138. Die zwischen sich

ein Kreuz haltenden Statuen Konstantins und Helenas befanden sich wohl auf dem Milion137.

Die theodosianische Dynastie war durch ein Reiterstandbild des Theodosius I. vertreten, das

sich beim Milion befand138. Eine weitere Patrianotiz spricht von Reiterstandbildern Trajans und

Theodosius' II. in der Nähe des Milions139 . Schließlich sah man im Umfeld des Milion auch

Statuen der Familie Justins II., nämlich des Kaisers selbst, seiner Frau Sophia, der Arabia,

seiner Tochter, und der Helena, seiner Nichte14°. Wie bereits vor dem Chalketor, so läßt sich

auch hier eine über Jahrhunderte währende Ausstattungstätigkeit feststellen, infolge derer die

Kaiserbilder stetig 'aktualisiert' wurden.

d. Funktion

Der Platz, im 4. Jh. zunächst nur durch seine Nachbarbebauung definiert, scheint ein frei zugäng-

licher Bereich gewesen zu sein, an dem die Mese vorbei führte und von dem aus wichtige öffentli-

che Bauten, wie die Zeuxipposthermen, der Senat und die Hagia Sophia in ihrer möglicherweise

zunächst profanen Funktion, aber auch der Tempel der Rhea und Tyche zu erreichen waren.

Bereits an der Wende zum 5. Jh. sind Handwerkerbetriebe und Läden an der Seite der Hagia

Sophia bezeugt, so daß man spätestens für die theodosianische Epoche, wenn nicht schon für

Konstantin bzw. auch für die vorkonstantinische Zeit, eine kommerzielle Nutzung vermuten darf.

Die Vorstellung von einem quasi-sakralen Bezirk verliert sich auch angesichts der Nachrichten im

Zusammenhang mit der Aufstellung der Statue der Kaiserin Eudoxia. Die Menge veranstaltete aus diesem Anlaß Aufführungen und Volksbelustigungen — sehr zum Unwillen des Patriarchen

Johannes Chrysostomos, der daraufhin in einer seiner Predigten gegen die übertriebene Aus-

gelassenheit wettedel-4'. Grund zur Klage bestand für Johannes in anderer Hinsicht nicht: Der

Besitzwechsel der im Bereich der Hagia Sophia befindlichen Immobilien der Olympias, die un-

ter seinem Patriarchat einschließlich weiterer riesiger Ländereien in den Provinzen der Kirche

Konstantinopels vermacht wurden, darf in seiner Auswirkung auf die Gestaltung des Augu-steionbereichs in der Folgezeit nicht unterschätzt werden. Schlagartig wurde die Kirche damit

zur Großgrundbesitzerin und dies vor allem im Altstadtzentrum142 . Die an der Südwest- und

Südostseite der Hagia Sophia gelegenen Bauten, die in Kirchenbesitz übergingen, verliehen dem Anspruch der Kirche auf das Augusteion Gewicht. Vielleicht war es letztendlich diese Schen-

kung, welche die auffällige Vereinnahmung des Augusteions in nachjustinianischer Zeit durch die

Kirche und den Patriarchen begünstigte.

jedoch eine Lokalisierung über dem Christusbild der Chalke. Berger 253 hält die Nachricht für die Umdeutung einer älteren Gruppe.

136 Müller-Wiener 216-8; Berger 271-6. 137 Patria II, 29. 138 Par. 18; Patria II, 104. Möglicherweise ist mit dem Reiterstandbild das auf der Augusteionsäule gemeint:

Berger 275f. 139 Patria II, 37. 140 Par. 35; Patria II, 30. Die Patria verwechseln Justin II. mit Justin I.: Berger 274f.

141 Sokr., PG 67, 717A; Soz. 8, 20. Zur Kritik des Johannes Chrysostomos gegen die Eudoxiastatue s. Dagron, Naissance 498-500.

142 Vgl. Dagron, Naissance, 503ff.; F. Tinnefeld, Die frühbyzantinische Gesellschaft, München 1977, 21.

Das Konstantinsforum 167

Die Notitia Urbis Constantinopolitanae aus der Zeit Theodosius' II. wiederum erwähnt nur die bereits bekannten Rahmenbauten — mit Ausnahme jenes tribunal purpureis gradibus exstruc-tum, das zumindest auch zeremonielle Funktionen des Augusteions in theodosianischer Zeit zu bezeugen scheint: Die Verwendung von Purpur läßt vermuten, daß es sich um eine Bühne für den Kaiser handelte.

Zwar nennt Prokop den Platz noch 'Agora', was auf eine nach wie vor öffentliche Platzanlage deutet, doch dürfte das Augusteion durch die Anlage umlaufender Portiken seinen Charakter als öffentliche Platzanlage allmählich verloren haben143. In nachjustinianischer Zeit, insbesondere durch den Bau des Thomaites im 7. Jh., verwandelte sich das Augusteion immer mehr in einen Vorhof der Hagia Sophia, der nunmehr auch abgeschlossen war und durch Tore betreten wer-den mußtel.'''. In mittel- und spätbyzantinischen Quellen wird das Augusteion stets 1teoezaLov,

o. ä., also Hof bzw. Vorhof genannt145 .

2. Das Konstantinsforum

Die früheste Quelle, in der das Konstantinsforum erwähnt wird, die Notitia Urbis Constanti-nopolitanae, nennt die offizielle Bezeichnung forum Constantini' 46 . Entsprechend begegnet bei den griechischen Autoren die Wendung T0i3 KUJUO-TOVT6101) e6p07. Doch führte die Bedeutung dieser Platzanlage als Mittelpunkt des städtischen Lebens dazu, daß man den Platz das Fo-rum schlechthin nannte, 6 e6eog148. Euseb und Zosimos hingegen bezeichnen die Platzanlage schlicht als örsioeci, und auch Prokop scheint mit diesem Begriff neben dem Augusteion auch das Konstantinsforum zu umschreiben'49.

a. Lage, archäologischer und quellenschriftlicher Befund

Zosimos zufolge soll das Forum unmittelbar nach der Neugründung der Stadt angelegt worden sein. Zosimos beschreibt den Vorgang folgendermaßen15°:

143 Prok., aed. 1.2,1. Mango, Brazen House 46 u. 60. 144 Guilland, Etudes, II, 44ff. Frühe Quelle aus dem 7. Jh.: Theophylaktos Simokattes p. 330 de Boor. 145 Q. bei Mango, Brazen House 46f. Anm. 56. 146 Not. 234 (Reg. VI) u. 236 (Reg. VIII). Zusammenstellung der Bezeichnungen des Konstantinsforums bei R.

Guilland, Etudes II, 73f. 147 Kwvoi-oarivio 4.6eog (Anna Komn., Alexias I, 769f., 10011, 111.6618 u. 1726). Kwvo-TedniveLo ecieo (Nik.-

Chon. 55848 ). ci)6Qoc Kwvaroarrilou (Chron. Pasch. 62913) bzw. KumaTcarrtyLoacb c1)6eog (Patria II, 102). Eine Variante ist 6 TO;(3 1.1e-y&Xou KWV0701/TivOU (Kedr. 1,61616f. u. I1,53622f.; Theoph. 22228f.; Joh. Zon. III, 15510f.)

148 Unter diesem vereinfachten Namen begegnet das Konstantinsforum etwa in den Patria, beim Fortsetzer des Theophanes, bei Kedrenos oder etwa im Zeremonienbuch bzw. dem Typikon der Hagia Sophia: Patria 11,16, 11,18 u. III, 11; Theoph. Cont. 42014; Kedr. 11,24114 u. 3135; Cer. p.514, 5615, 7415, 845, 10620 u. 5022; Typikon passim.

149 Euseb, Vita Const. 3,49 (Bezug zum Konstantinsforum nicht gesichert: s. u.); Zos. 2.30: Prok., bell. Vand. 3.1,5-6; Prok., bell. Pers. 1.24, 24 (cleop« Kuvo-Toadvou). Vgl. auch Ps.-Hesych 39 ((inopix Toi-) ßezcrt,Xe4; Joh. Lyd., mag. 163 (1) KUJUUTOWTCVELO örlopci); Nik. (Ion. 55541, (" KLJVCYTOWT(NELO &-yoecit). Die Gleich- wertigkeit von cp6Qoc und dryopee drückt sich in den Wendungen KOtTöt 13410e&V 11 $ögoS nocroryoevövrea, KuNcrroarri.vou bzw.') Toi') y62ou Xe-yogvri de-yoeci. aus: Theoph. Cont. 3391f.; Genesios p. 128 Lesmüller / Thurn; Nikeph. 5.

150 Zos. 2, 30 (Übs. nach 0. Veh, Zosimus, Stuttgart 1990, 98).

168 Konstantinopel

Nun legte Konstantin an der Stelle, wo ehedem das Tor gestanden hatte, ein kreisförmiges

(tvuao-rseA) Forum an, das von doppelgeschossigen Säulenhallen umgeben war (o--roozi,

81.6TelECTI, Tedrrly Irset,Xceßu3v), und schuf, einander gegenüberstehend, zwei riesige, gewölb-

te Durchgänge aus prokonnesischem Marmor, durch die man die severianischen Säulen-

hallen betreten und in die Altstadt hinausgehen kann.

Die Lage des Konstantinsforums kann durch das noch erhaltene Säulenmonument, den sog.

emberlita§, exakt bestimmt werden (Abb. 56; Taf. 19.4). Es befand sich auf dem zweiten Stadt-

hügel, der sich mehr als 50 m über den Meeresspiegel erhob151 , so daß das Säulenmonument einen

markanten Fixpunkt innerhalb der Stadtlandschaft bildete.

Wie die Passage bei Zosimos zeigt, wurde das Konstantinsforum in einem Bereich errichtet,

der in vorkonstantinischer Zeit außerhalb der Mauern lag und erst durch die gewaltige Ausdeh-

nung des Stadtgebiets infolge des Baus der konstantinischen Stadtmauer intra muros zu liegen

kam. Der Platz mit seiner zentralen Säule wurde wohl unmittelbar vor dem severischen Stadttor

angelegt, von dem aus sich eine ebenfalls severische Säulenstraße bis ins Stadtzentrum zog152 .

In hellenistischer und römischer Zeit diente das Gebiet des späteren Konstantinsforums als Ne-

kropole, bedingt durch die Lage außerhalb des Pomeriums, an der Ausfallstraße'53. Später, als

man das Konstantinsforum anlegen ließ, wurde die Nekropole planiert und ein ca. 1,5 m höheres

Niveau aufgeschüttet.

Zu den archäologischen Resten des Konstantinsforums zählen womöglich auch Fundamen-

tierungen einer dreibogigen Toranlage, die sich ca. 70 m östlich der Porphyrsäule fanden und

den Divanyolu im rechten Winkel schneiden154. Gesetzt den Fall, es handelt sich bei diesen Fun-

damentspuren wirklich um die Reste der östlichen Toranlage, so ließe sich für das Forum ein

Durchmesser von ca. 140 m rekonstruieren. In einer bislang nicht näher gedeuteten Notiz be-

merkt Marcellinus Comes, daß die große Zisterne bei der Porphyrsäule des Kaisers Konstantins,

auf dem Forum desselben unter dem Übergange der Straße (in foro eius sub plateae transitum)

gebaut wurde155. Wenn es stimmt, daß die Mauer an der Babiäli Caddesi mit dem Rest dieser Zisterne identisch ist, dann besäßen wir einen weiteren Anhaltspunkt für die Erstreckung des

Konstantinsforums156 .

b. Bauelemente des Konstantinsforums

Das Konstantinsforum im Regionenverzeichnis Wertvolle Hinweise hinsichtlich der Rahmen-

bebauung des Konstantinsforums ergeben sich aus der Notitia Urbis Constantinopolitanae, der-

151 Vgl. hierzu die Karte bei R. Mayer, Byzantion, Konstantinupolis, Istanbul. Eine genetische Stadtgeographie, Wien- Leipzig 1943, 7 (Abb. 1), sowie Janin Taf. 4.

152 Zos. 2, 30. 153 E. Mamboury in: Actes 6. Congr. Int. Et. Byz. (Paris 1951), II, 246; Müller-Wiener 255. 154 Cl. Barsanti in: Milion 2, 1990, 22; dies., Costantinopoli 138f. Die Fundamente finden sich auf der Höhe

der Türbe Mahmuds II. (Norden) und der Koprülü-Medrese (Süden). Die Reste befinden sich auf einem Plan eingezeichnet, der unpubliziert im DAI Istanbul lagert. Mamboury interpretierte die Fundamente als Überbleibsel des antiken Stadttores.

155 Marc. Com. 69 (an. 407). 156 N. Firath, IstanbAMüzYil 15/16, 1969, 192f. (Abb. 6). Zur Identifikation dieses Mauerabschnitts mit der

Cisterna Maxima bzw. Philoxenos-Zisterne s. Cl. Barsanti in: Milion 2, 1990, 21f. (mit älterer Lit.). Die Babiäli Caddesi zweigt im rechten Winkel nach Süden vom Divanyolu ab.

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169 Das Konstantinsforum

Abb. 56. Konstantinsforum, Plan der Umgebung des emberlita§.

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170 Konstantinopel

zufolge das Konstantinsforum auf die Regionen 6, 7, 8 und möglicherweise auch 3 verteilt war'57.

Die 6. Region umfaßte die columna purpurea Constantini und den senatus eiusdem loci' 58. Aus

den anderen in der Region 6 genannten Baulichkeiten und Lokalitäten geht hervor, daß sich

diese Region vom Konstantinsforum nach Norden bis zum Goldenen Horn erstreckte. Der Se-

nat befand sich also an der Nordseite des Platzes159 . Zur Region 8 zählte eine weitere pars fori

Constantinii6°. Damit ist wohl der südwestliche Bereich des Forums gemeint, wie sich aus der

Lage der Region ergibt, die sich bis zum Forum Tauri erstrecktem. Die nordwestlich gelegene 7.

Region zog sich von der Konstantinssäule nach Westen, umfaßte also den nordwestlichen Sektor

der Platzanlage162 . Die Region 3 beinhaltete ein tribunal fori Constantini, das wahrscheinlich

am, jedoch nicht innerhalb des Platzes lag'63. Da sich die 3. Region wohl innerhalb des Gebiets

der aufgelassenen konstantinischen Stadtmauer befand, konnte sie das Konstantinsforum nur

mehr an seiner Südwestseite berühren164 .

Erscheinungsbild des Konstantinsforums Die entscheidende Information zum einstigen Er-

scheinungsbild des Konstantinsforums findet sich bei Zosimos, der die Anlage als kreisförmig (141K)cOTeertiO und als von zweistöckigen Arkaden eingefaßt (o--mei; &a-Ts-1601, Tairrriv 7e@LXecPv)

beschreibt'65 . Auch eine Stelle bei Konstantinos Rhodios bestätigt die Kreisform; hier heißt es,

daß die Porphyrsäule von weiteren Säulen aus prokonnesischem Marmor im Kreis wie von einem

Chor umgeben wird166 . Die Arkaden waren groß genug, um Reiterstandbilder aufzunehmen167 .

Zwei Torbauten aus prokonnesischem Marmor befanden sich an den beiden Einmündungen der

Mese an der West- und Ostseite des Forums'68. Der Platz war gepflastert, was in mittelbyzan-

tinischer Zeit zur Bezeichnung II\cetc,w-rö (1.6eos, IIXon.krröv, 11 7XotKurrii &foe& bzw. 11 &fog&

EaTeWTOM TOLZS •TvXett; fiihrte'". Reste der originalen Pflasterung konnten bei den Grabungen

1929/30 aufgefunden werden'7°.

157 Vgl. hierzu Janin 43ff. (Taf. 3); Müller-Wiener 21 (Abb. 2); Berger 149-153, hier 148 (Skizze 2). 158 Not. 234 (Reg. VI). 159 Janin 52. 160 Not. 236 (Reg. VIII). 161 R. Janin, REByz 3, 1945, 36-38; Janin 54. 162 Not. 235 (Reg. VII). 163 Not. 232 (Reg. III). 164 Janin 50. Möglicherweise lag das Tribunal nicht auf dem Platz, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft —

vgl. Berger, Altstadt 11, sowie Berger 152. 165 Zos. 2,30. Zur Kreisform vgl. auch Patria II, 45; Patria III, 11. 166 Konst. Rhod. v. 119-124. 167 Par. 39. Cameron / Herrin 219. 168 Zos. 2,30. Auch die Patria II, 45 sprechen von zwei sigmaförmigen Portikus, was zwei gegenüberliegende

Toranlagen impliziert. Offensichtlich bewahrt Anth. Pal. 9, 785 die — spätere — Widmungsinschrift eines der beiden Torbögen des Konstantinsforums. Ein gewisser Menas, vielleicht ein Stadtpräfekt im ersten Viertel des 6. Jh. (PLRE II, 755 (Menas 5)), ließ den westlichen Bögen errichten bzw. wiederherstellen.

169 11X0MWTÖq CD6Qoq: Joh. Zon. III, 184. 11Xemumiv: Joh. Zon. 111,75511. fl IIXeoccort) örveä: Joh. Zon. III, 1817f u. III, 5361. 'II ciryogöt fjTl c Ecri-Qu.n-ed, Tot k irXetEL Joh. Zon. 111,511n•

1" E. Mamboury in: Actes 9. Congr. Int. Et. Byz., Athen 1953 (1955), I, 276. Dabei handelt es sich um Platten aus prokonnesischem Marmor, die 57 cm - 100 cm breit und 80 cm - 100 cm lang sind. Ihre Dicke beträgt 7 cm -25 cm.

Das Konstantinsforum 171

Rahmenbebauung Die Lage des Senats an der Nordseite des Forums läßt sich nicht nur aus den Angaben der Notitia erschließen, auch Konstantinos Rhodios und Kedrenos lokalisieren ihn dortm. Außerdem ergibt sich aus einer Angabe im Zeremonienbuch die Lage an der Nordseite des Forums'72. Über das Aussehen des 461 abgebrannten und daraufhin wieder instandgesetzten Senatsgebäudes unterrichtet Konstantinos Rhodios. Hierbei scheint es sich um einen Pantheon-ähnlichen Rundbau mit einer Vorhalle aus vier großen Porphyrsäulen gehandelt zu habeil173 .

Gegenüber dem Senatsgebäude (Toii8e. T0i) OtKOU 15,dlleV01) eiv-ruKe)) befand sich ein Nymphä-um, an dem die Leute, die keinen Wohnsitz in der Hauptstadt hatten, Hochzeit feierten'74. Viel-leicht ist damit dieselbe Brunnenanlage gemeint, die Euseb im Zusammenhang mit den Statuen Daniels zwischen den Löwen und eines Guten Hirten nennt'75. Euseb beschreibt den Brunnen als im Zentrum des Forums gelegen (brl go-ov örloeL7m). Demnach hätte er sich wohl in unmit-telbarer Nähe der Säule befunden, was aber sonst nirgends erwähnt wird. Ein Nymphäum wird in der wahrscheinlich ebenfalls bis ans Konstantinsforum heranreichenden Region 5 genannt'76. Ob es sich hierbei um das von Kedrenos erwähnte Nymphäum handelt, ist insofern unsicher, als die Region 5 höchstens von Nordosten das Forum berührt haben könntem. Die Ortsangabe `gegenüber dem Senatsgebäude' läßt vielmehr daran denken, daß sich diese Brunnenanlage in der Südportikus des Forums befand. Zur Bestimmung ihrer Lage dürfte auch der Verlauf des Valensaquaedukts von Bedeutung sein. Setzt man einen schnurgeraden Verlauf dieser Wasserlei-tung innerhalb des Stadtgebiets voraus, dann würde sie an der Südseite des Konstantinsforums vorbeiführen (A bb. 59)178 .

In unmittelbarer Nähe des Konstantinsforums, in der 5. Region, befand sich auch das Heoi.t,TW-eLov der Stadt, dem Guilland und Berger kurze Untersuchungen widmen'79. Ihnen zufolge befand sich der Sitz des Stadtpräfekten unmittelbar am Konstantinsforum, dort wo die Mese von Osten einmündete. Als weiterer Bau in unmittelbarer Forumsnähe wird neben dem Praitorion noch das daran anschließende Gefängnis erwähnt18°.

171 Konst. Rhod. v. 102ff.; Kedr. I, 5655f. 172 Cer. 16423ff.; ähnliche Prozession: ibid. 609. Berger 294f. 173 Konst. Rhod. v. 90-162. Beschädigung durch einen Großbrand: Kedr. I, 6109ff.; Joh. Zon. III, 12416ff . Zum

Senat allg. Berger 293ff. Zur Rek. des Senatsbaus vgl. Th. Reinach, REG 9, 1896, 88 (Sdr. 57); 0. Wulff, ByzZ 7, 1898, 319; Mango, C'ple 26 Anm. 18.

174 Kedr. I, 61014f,; Joh. Zon. III, 1255ff. Die Angabe steht isoliert und wird infolgedessen stets mit einer gewissen Skepsis betrachtet. Daß sie allerdings nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt der Blick nach Antiochia, wo sich ebenfalls eine Trinymphon genannte Brunnenanlage befunden hat, an der Hochzeiten gefeiert wurden: G. Downey, A History of Antioch in Syria, Princeton / N.J. 1961, 192; ders., Ancient Antioch, Princeton / N.J. 1963, 89.

175 Euseb, Vita Const. 3, 49. 176 Not. 233 (Reg. V). 177 Vgl. Berger 148 (Skizze 2) u. 152. 178 Vgl. Berger, Altstadt 30 Skizze 2. Dies konnte natürlich nur von Bedeutung sein, wenn der Aquädukt bereits

in konstantinischer Zeit existierte. Mango, C'ple 20, vertritt neuerdings ein hadrianisches Entstehungsdatum des `Valensaquädukts'. A. Berger machte mich darauf aufmerksam, daß für die Wasserversorgung der Altstadt allein der Aquaedukt zu hoch ist, daß also doch eine Planung und Entstehung dieser Wasserleitung im 4. Jh. anzunehmen ist.

179 Not. 233 (Reg. V): Prytaneum. Guilland, Etudes II, 36-39; Berger 738ff. 180 Guilland, ütudes II, 36-39; Janin 166ff. Vgl. Cer. 60917ff.

172 Konstantinopel

Die Konstantinssäule Das zentrale Monument der Forumsanlage war die porphyrne Säule,

die im Jahre 328 die bekrönende Statue Konstantins d. Gr. erhielt181. Die Konstantinssäule war

nicht nur als Statuensäule Teil der Ausstattung des Forums, sondern konstituierendes Element

der Platzanlage, ihr architektonisches Zentrum. Die Osterchronik berichtet, daß Konstantin jene

Säule in der Mitte des Forums gv gay) errichtet habe182; Konstantinos Rhodios beschreibt,

wie die Porphyrsäule von anderen Säulen kreisförmig umgeben wurde: KI3KX(J.,) weeio--rpgyouo- uv (;.)

xoeoo-rdcred,183. Die Entdeckung der zur Mese gehörigen Portiken bei Ausgrabungen am Lausos-

palast zeigt, daß die Konstantinssäule in der Flucht der Mese lag, also wohl den geometrischen

Mittelpunkt der Forumsanlage bildete184 .

Konstantinskapelle und Kionostasia Spätestens seit dem ausgehenden 9. Jh. befand sich auf

der Stufenplattform neben dem Säulensockel die kleine Konstantinskapelle (Abb. 58)185 . Unsere

Kenntnis über diesen Bau beruht auf den Erwähnungen im Zeremonienbuch, in dem sie mehrfach

als Prozessionsstation und als Ort zeremonieller Handlungen genannt wird186 . Demnach erhob

sich die Kapelle auf dem Sockel der Säule. Entsprechend kann dieser Bau kaum mehr als 2,5 m x

5 m gemessen haben187. Da die Nordseite der Stufenplattform als einzige nicht von den Grabun-

gen 1929/30 erfaßt wurde, befand sich die Kapelle wohl hier188. Nikephoros Kallistos erwähnt

zudem vier Bögen, die sich an den Seiten des Stylobats erhoben'": 6r.vt;o-t, 8e 6T ee@Ottg

au 'HIV TOZ) CrT1)%01) iCegtmk\u,..) ßcio- tv ebgäaox. Hierbei handelte es sich offenbar um Bögen, die,

jeweils an den Ecken des Stylobats aufsitzend, die Säulenbasis im Quadrat umspannten. Deren

einstmalige Existenz konnte auch durch die Grabungen bestätigt werdenffl. Im Zusammenhang

mit der Konstantinssäule sind wohl auch verschiedene Säulenbasen zu sehen, die bei Ausschach-

tungsarbeiten gefunden wurden. E. Mamboury berichtet, daß aus Anlaß der Verlegung einer

Abwasserleitung im Bereich westlich der Porphyrsäule in einer Tiefe von 2,40 m vier Säulenba-

sen ans Licht kamen161 . Diese Säulenbasen verteilen sich entlang einer gedachten Linie von 20 m.

181 Chron. Pasch. 5289_13; Theoph. 2825 ff. Uneinigkeit besteht in den Quellenschriften über die Herkunft der Porphyrsäule. Johannes Zonaras III, 183 und Nikephoros Kallistos Xanthopulos, PG 145, 1325C, treten für Rom ein, Michael Glykas 4649_11 zufolge stammt sie aus Heliopolis in Phrygien. In den Parastaseis 56 wiederum wird behauptet, sie habe sich bereits in der Nähe befunden, am jetzigen Philadelphis, das damals Proteichisma hieß, wo früher auch das von Carus erbaute Tor war. Zugleich wird Johannes Diakrinomenos zitiert, dem zufolge der einstige Standplatz bei der Magnaura war.

182 Chron. Pasch. 5289. 183 Konst. Rhod. v. 120. 184 R. Naumann, Vorbericht über die Ausgrabungen zwischen Mese und Antiochus-Palast 1964 in Istanbul,

IstMitt 15, 1965, 135-148, hier 145-7 (Abb. 5); Müller-Wiener 270 mit Abb. 321 auf S. 283. 185 C. Mango, Constantines Porphyry Column and the Chapel of St. Constantine, DeltChrA 10, 1980/81, 103-10. 186 J. Ebersolt, Les anciens sanctuaires de Constantinople, in: ibid., Constantinople, recueil d'etudes d'archeologie

et d'histoire, Paris 1951, 71-4, hier 71. Cer. 16415 ff. (Verkündigungsfest); 7416ff. (Ostermontag); 2822f. (Ma-riae Geburt); Cer. 60916 ff. (Triumph). Die Erwähnungen dieser Kapelle beschränken sich auf das ausgehende 9. und 10. Jh. C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 109.

187 J. Ebersolt, a. 0. 71-4; C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 107ff. 188 C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 107. 189 Nik. Kall., PG 145, 1325D. Vgl. hierzu die Beschreibung der Augusteionsäule durch Georgios Pachymeres

(s. o. S. 159f.). 190 E. Mamboury in: Actes 9. Congr. Int. Et. Byz., Athen 1953 (1955), I, 277. 191 E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 254. Mamboury identifiziert diese Säulenbasen mit den sog. XezXLv ezeiez

(Patria III, 206).

Das Konstantinsforum 173

Hierbei dürfte es sich wahrscheinlich um Reste der im Zeremonienbuch erwähnten Kuovoo-Tecatez

handeln192 . Mango rekonstruiert zwei zueinander parallele Säulenreihen, die von Westen her auf die Konstantinssäule zulaufen (Abb. 58)' 93.

Theotokoskirche Einen bedeutenden Einschnitt bedeutete für das Konstantinsforum der Bau der Theotokoskirche in den umlaufenden Portiken unter Basileios I. (867-886)194. Nach dem Bericht des Antonij von Novgorod sah man sie in der Nordportikus des Forums196 . Diese Kirche wurde bereits beim Brand des Jahres 931 zumindest teilweise zerstör-096 . Offenbar wurde sie wiederaufgebaut, da sie 1098 und 1200 wieder in den Quellen auftaucht197. In dieser Zeit spielte sie als Station bei kaiserlichen Triumphzügen eine Rolle.

c. Ausstattung

Unsere Kenntnis von der einstigen Ausstattung des Konstantinsforums beruht fast ausschließlich auf Quellennotizen. Abgesehen von der Säule haben sich keinerlei archäologische Reste erhal-ten198

Konstantinssäule und -statue Welche Qualität besaß nun die Konstantinssäule als zentraler Bestandteil der Ausstattung der Forumsanlage? Das einstige Erscheinungsbild des im Jahre 328 errichteten Säulenmonuments läßt sich durch eine anonyme Zeichnung im Trinity College in Ox-ford genau bestimmen, die nur im Detail zu korrigieren ist (Taf. 19.3)' 99. Weitere Informationen ergeben sich aus dem archäologischen Befund der Grabungen 1929/30 sowie aus den quellen-schriftlichen Erwähnungen. Auf einem auffallend breiten Stufensockel erhob sich ein weiterer ho-her würfelförmiger Sockel, auf dem wiederum die Säulenbasis aufsaß. Der heutige Quadersockel ist eine Verkleidung aus dem Jahre 1779200. Die Porphyrsäule setzte sich aus sieben Säulentrom-meln zusammen, deren Schnittstellen jeweils von einem Lorbeerkranz umzogen wurden201. Bis in jüngste Zeit blieb die Frage ungeklärt, ob nicht eine Seite des Säulensockels reliefiert war. Eine Zeichnung Melchior Lorichs aus dem Jahre 1561, die sich heute im Print Department des

192 Cer. 292. C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 106f. 193 C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 106f. 194 Patria III, 29a; Konst. Porph. in: Theoph. Cont. 3391_7; Kedr. II, 24114-16; Glyk. 54919ff.

195 Anton. Nov. p. 23f. u. 84 Loparev. 196 Theoph. Cont. 42013_16 ; Symeon Magistros in: Theoph. Cont. 74419 ; Leon Gramm. 3216; Theod. Mel. 229;

Joh. Skylitzes p. 164f. Thurn: Cer. 4395. 5023 u. 61215. 197 'Ei Tov de9XdOU Tljs gv A-14 -Oest, tc &S µovi 1-G3v 'Ißliewv Bli(ezvi-tvoi 8Lce19iiKoct,, ed. Ioakeim Iberites:

ALceeipyri Toll Eudocri,ou KoveoireeXcicrou Tut) 110MOUQMVH, Orthodoxia 5, 1930, 617; Anton. Nov. p. 23f. u. 84 Loparev. Angaben n. Berger 376 Anm. 49f.

198 Zu erwähnen sind lediglich zwei Gewölbeschlußsteine mit Medusenhäuptern, die 1869 im Bereich des Kon-stantinsforums gefunden wurden und möglicherweise zu den Gewölben der Portiken bzw. Tordurchgänge zu zählen sind: Firath Nr. 259a.b; Mango, C'ple 69; Cl. Barsanti in: Milion 2, 1990, 37f. Ein Medaillon mit einem Medusenhaupt scheint ebenfalls vom Forum Konstantins zu kommen; G. Mendel, Catalogue des sculptures grecques, romaines et byzantines des musees imperiaux ottomans, I, Istanbul 1912, Nr. 145. Mango, C'ple 25f. Anm. 17.

199 C. Mango, JdI 80, 1965, 306ff.; ders., DeltChrA 10, 1980/81, 104. 200 Die Angabe, diese Restaurationsmaßnahme habe 1701 unter Sultan Mustafa II. (1695-1703) stattgefunden (D.

Essad, Constantinople. De Byzance ä Stamboul, Paris 1909, 138; Müller-Wiener 256), ist falsch: C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 104.

201 Es handelt sich um sieben Trommeln, nicht um acht, zehn oder elf Trommeln, wie oft zu lesen ist: C. Mango, JdI 80, 1965, 312; ders., DeltChrA 10, 1980/81, 104.

Senat

Konstantins-säule

REGIO V

P\raitorion

REGIO VI

fori Constantini

REGIO III

174 Konstantinopel

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Abb. 58. Konstantinssäule, Rekonstruktion der späteren Anbauten nach C. Mango.

Abb. 59. Konstantinsforum, Rekonstruktion.

Das Konstantinsforum, 175

Statens Museum for Kunst in Kopenhagen befindet, zeigt einen Säulensockel, dessen eine Seite

eine symmetrische Komposition mit der Darstellung einer Übergabe des aurum coronarium auf-

weist (Taf. 20.1)202. Personifikationen unterworfener Provinzen bringen von zwei Seiten, jeweils

geleitet von übergroßen Niken, die Tropaia tragen, einem zentralen, jedoch auffallend klein wie-

dergegebenen Bildnis einer Person mit Strahlenkrone in einem Kranzmedaillon ihren Tribut dar.

In diesem Bildnismedaillon darf man wohl die Darstellung eines Kaisers vermuten. Zwischen den

Niken ist im unteren Bildbereich eine sitzende weibliche Gestalt, wohl eine Personifikation besieg-

ter Völker, zu sehen. Den Rahmen der Darstellung bilden wiederum auffallend groß wiedergege-

bene Barbaren. Eigenartigerweise wird diese Darstellung in keiner anderen Quelle erwähnt, auch

nicht bei Gyllius, obwohl das Relief offenbar noch 1561 an seinem Platz war203. Während J. Koll-

witz und G. Becatti an einer Identifikation dieses Reliefs mit dem Sockel der Konstantinssäule

festhielten204, schlug J. Engemann als Lösung vor, das Relief auf den Sockel des Säulenmonu-

ments Leos I. in den Pittakia zu beziehen205. Zunächst spricht für diese Vermutung die formale

Analogie zwischen der Konstantinssäule und der Leosäule. Beide Säulen wurden in regelmäßigem

Abstand von Lorbeerkränzen umzogen, wie die archäologischen Reste im Topkapi-Saray zeigen

(Taf. 25.3). Doch überging Engemann, daß die Ansicht der Konstantinssäule im Freshfield-Album

in Cambridge (Taf. 19.3) wie auch die Lorichs-Zeichnung einen ähnlichen Sprung an der Basis

zeigen. Die Zeichnung kann also nicht mit der Säule im Topkapi-Saray in Verbindung gebracht werden. Außerdem wird kein Kaiser des 5. Jh. mit einer Strahlenkrone dargestellt20s.

Auf der Säule erhob sich die vergoldete Bronzestatue des Kaisers. Zur Frage nach der Be-

schaffenheit dieser Statue und nach der Qualität, in der sich der Kaiser hier darstellen ließ, ist eine ausführliche Diskussion geführt worden, die hier nur kurz wiedergegeben werden kann207.

Zunächst zur Frage des Erscheinungsbilds der Statue: Einen ersten Eindruck gewinnen wir von der Darstellung auf der Peutingerschen Karte, die als besonders markantes Wahrzeichen Kon-stantinopels neben der thronenden Stadttyche das Säulenmonument mit der Statue Konstantins

zeigt (Taf. 19.2). Die Statue ist — soweit erkennbar — nackt wiedergegeben208. In der Linken hält

sie einen Speer, die ausgestreckte Rechte trägt einen Globus. Diese Darstellung deckt sich nur

teilweise mit den Quellennotizen209. Diese erwähnen nämlich als besonders auffälliges Detail die

202 E. Fischer, Melchior Lorck, Kopenhagen 1962, 28 Nr. 13.

203 C. Mango, JdI 80, 1965, 310. 204 Als erster R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke, Berlin 1932, 140-5; Kollwitz, Oström. Plastik 35 (Anm. 8).

54; Becatti 86f.

205 J. Engemann, Melchior Lorichs Zeichnung eines Säulensockels in Konstantinopel, in: Quaeritur inventus colitur (FS U. Fasola), Rom 1989, 247-65; U. Peschlow, Eine wiedergewonnene byzantinische Ehrensäule in Istanbul, in: Studien zur spätantiken und byzantinischen Kunst (= FS F. W. Deichmann), I, Bonn 1986, 21-33. S. u. S. 216f.

206 C. Mango, Constantine's Column, in: ders., Studies on Constantinople, Aldershot 1993, Study III, lf. Nach-trag: R. H. W. Stichel, Zum Postament der Porphyrsäule Konstantins des Großen in Konstantinopel, IstMitt 44, 1994, 317-327. In dieser Studie vertritt der Autor ebenfalls die Ansicht, daß die Zeichnung auf den Sockel der Konstantinssäule zu beziehen ist.

207 Jüngst hierzu E. La Rocca in: Costantino il Grande, II, Macerata 1993, 557ff.; C. Mango, Constantine's Column, in: ders., Studies on Constantinople, Aldershot 1993, Study III, 1-6, hier 2f.

208 Anders C. Mango, Studies (a. 0.) 3, der — m. E. unbegründet — ein Militärkostüm vermutet. 209 Quellennotizen in Ubs. bei Unger Nr. 350ff. Angaben zusammengefaßt auch bei A. Ryll in: Historisch-archäolo-

gische Quellen und Geschichte bis zur Herausbildung des Feudalismus, Berlin 1983, 171f.; Berger 297ff.

176 Konstantinopel

Strahlenkrone210. Bei dem Globus handelt es sich wohl um das Kreuzzepter, wie eine Bemer-

kung des Nikephoros Kallistos nahelegt, der von einem Apfel spricht, auf dem das heilige Kreuz

befestigt ist211. Die Lanze wiederum erwähnen Malalas und Theophanes212 .

Daß es sich in den Augen der Byzantiner um ein als klassisch empfundenes Bildwerk han-

delte, geht aus den Bemerkungen des Leon Grammatikos und Johannes Zonaras hervor. Leon

rühmt die Statue als ein Werk des Phidias, das aus Athen stammen soll, Johannes Zonaras preist

die vollendete Ausführung dieser Statue, die wie beseelt wirke213. Möglicherweise hängt es mit

der für einen Byzantiner ungewohnten Darstellungsweise als nackter Heros zusammen, daß man

das Bild als Wiedergabe Apollos interpretierte214. Die verschiedenen sich widersprechenden Her-

kunftsangaben sollte man am ehesten in diesem Zusammenhang sehen. Die bei mehreren Autoren

genannte Athener Herkunft ist mit einer ebenso fiktiven Zuweisung an Phidias verbunden, beides

ein Reflex des klassischen Erscheinungsbilds der Statue215. Die Behauptung, die Statue stamme

aus Ilion in Phrygien, ist wohl in Verbindung mit den Hauptstadtlegenden zu sehen, denen zufol-

ge auch die Stadt Ilion als Hauptstadtkandidatin von Konstantin in Erwägung gezogen wurde216.

Die Herkunftsangabe Heliopolis könnte sich aus einer Mißinterpretation des eine Strahlenkrone

tragenden Standbilds als Helios herausgebildet haben217.

Wahrscheinlich wurde ein älteres Standbild, vielleicht eine Apollostatue oder aber das Stand-

bild eines hellenistischen Herrschers, wiederverwendet. Vielleicht ersetzte man den Kopf der Sta-

tue durch das Porträt des Kaisers. An einer Stelle in den Chiliaden des Johannes Tzetzes wird

gesagt, daß ein Apollonkopf in den Palast geschafft wurde218.

Angesichts der Größe und Bedeutung des Monuments wird man auch eine Widmungsinschrift

erwarten dürfen. Es werden jedoch mehrere Varianten überliefert, die wohl unterschiedlichen Entstehungsdatums oder aber Fiktion sind. Bei Leon Grammatikos liest man folgende Version219:

Kwvo--rcarivy Xdtircov-rt, Stkp.

Dem Konstantin, der der Sonne gleich leuchtet.

210 Chron. Pasch. 52812 ; Patria II, 45; Leon Gramm. 8717; Joh. Zon. III, 1811f. 211 Nik. Kall., PG 145, 1325CD. Erwähnung der Sphaira auch bei Theoph. 1262. Ob die Statue bereits von Beginn

an den Kreuzglobus hielt, oder ob dieser erst nachträglich hinzugefügt wurde, ist fraglich: Auf Münzen ist der Kreuzglobus erst in der zweiten Hälfte des 4. Jh. nachweisbar: vgl. J. G. Deckers, RM 95, 1988, 305.

212 Joh. Mal. 4863; Theoph. 22228. Den beiden Autoren zufolge fiel die Lanze — nebst Globus — beim Erdbeben d. J. 542 herab.

213 Leon Gramm. 8718; Joh. Zon. III, 185ff. 214 So etwa Patria II, 45; vgl. Joh. Tzetzes, Chil. 8,332; Anna Komn., Alexias 111, 66; Joh. Zon. III, 188f. 215 Leon Gramm. 8718; Theod. Mel. 63; Kedr. I, 5185f. ; Joh. Tzetzes, Chil. 8,332. Vgl. auch Th. Preger, Hermes

36, 1901, 461. 216 So etwa Joh. Mal. 32013; Georg. Mon. 500; Joh. Zon. III, 189. Die Osterchronik 528 erwähnt lediglich Phrygien.

A. Ryll in: Historisch-archäologische Quellen und Geschichte bis zur Herausbildung des Feudalismus, Berlin 1983, 174.

217 Glyk. 46411. Zur Strahlenkrone s. A. Alföldi, Insignien und Tracht der Römischen Kaiser, RM 50, 1935, 3-158, hier 139ff. (= ders., Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, Darmstadt 1970, 257ff.).

218 Joh. Tzetzes, Chil. 8, 333. I. Karayannopoulos, Historia 5, 1956, 341ff. 219 Leon Gramm. 8717. Anspielung auf diese angebliche Widmungsinschrift bereits hei Ps.-Hesych 41 sowie Patria

I.45 u. II. 45: ... Kwvo-TowTivov 6eG3p.cv Stkir fiMou IrgoXcikurovTcx Tot woXiTezK bzw. ... 6v 6e4tev Skr)v fiXi,cro TOLS IroXizaK rs,X6t1.11VOUTOe bZW. C+A 1iXLCA TOLS IZOXITOLIA ga6q.LICLIN.

Das Konstantinsforum 177

Einer anonymen Konstantinsvita und Nikephoros Kallistos zufolge befand sich nur eine kurze Widmung auf der Säule22°:

E01,, Xel,CYTt 6 0E26, 'roteecrawl Tfiv 76XLV TOC13TTIV.

Dir, Christus, Gott, widme ich diese Stadt.

Kedrenos wiederum nennt folgende Version221:

14,60- p,01) Keel SEC7761-1,

Eoi, vin) [email protected]. rrivse oir 80,6\iv 76XL1)

KOC1 CrKfrZT@OL Tö/Se Kea TO Tiig `134LT]S Ke&TO. (6XCZTTE TOC1)T11V 13\613r .

0 Christus, dir, Gebieter du und Herr der Welt, Hab' ich zu Dienst nun untergeben diese Stadt Und dieses Szepter und die ganze Macht von Rom, Beschütze sie und rette sie aus aller Not.

G. Dagron nennt alle Inschriftenüberlieferungen inventions tardives222, doch könnte es sich bei der von Leon überlieferten Inschrift tatsächlich um die ursprüngliche Widmungsinschrift han-deln, da die Gleichsetzung des Herrschers mit der Sonne ein im 4. Jh. nicht unbekannter Topos ist und das Monument selbst auch diese Gleichsetzung andeutet223. Das Argument, daß man an einem derart hochoffiziellen Monument zu dieser Zeit eine lateinische Widmungsinschrift erwar-ten dürfte224, ist nur bedingt stichhaltig: wie die Obeliskenbasis und die Eudoxiasäule auf dem Augusteion zeigen, war es wohl üblich, lateinische und griechische Widmungsinschriften anzu-bringen. Die genannte Inschrift könnte also auch das griechische Pendant zu einer verlorenen lateinischen Inschrift wiedergeben.

Die übrige Ausstattung des Konstantinsforums läßt sich in zwei Hauptgruppen trennen, die der zeitgenössischen Bildwerke (Ehrenstatuen des Kaisers, seiner Familie, Würdenträger etc.) und die der im Zuge des Kunstraubs aus anderen Städten nach Konstantinopel geschafften älteren Kunstwerke.

Bildwerke des Kaisers und anderer Würdenträger Vergoldete Statuen Konstantins und sei- ner Söhne an der Nordseite des Forums überliefern die Parastaseis bzw. die Patria225 . Auf dem Osttor des Forums befanden sich Standbilder von Konstantin und Helena, die zwischen sich ein

220 Anon. Konstantinsvita, ed. M. Guidi, RendLinc, ser. 5, Bd. 16, 1907, 337; Nik. Kall., PG 145, 1325D (Unger Nr. 355).

221 Kedr. I, 5651-4 (Unger Nr. 352). Vgl. auch Konst. Rhod. v. 71-4. 222 Dagron, Naissance 38; vgl. auch Berger 299. 223 A. Lüning, Die Kunstpolitik des Kaisers Konstantin in Trier, Rom, Konstantinopel und Jerusalem, unpubl.

Diss. Leipzig 1985, 46f. Anzuführen wäre noch die in der Anthologia Palatina überlieferte Widmungsinschrift des Reiterstandbilds Theodosius' I. auf dem Tauros, in dem ebenfalls eine Gleichsetzung Kaiser - Sonne erfolgt: Anth. Pal. 16,65. Anders Berger 298f. A. Berger machte mich darauf aufmerksam, daß das Versmaß, ein Zwölfsilber, auf eine mittelbyzantinische Entstehung deutet. Für das 4. Jh. würde man eher einen Hexameter erwarten.

224 A. Frolow, RHistRel 127, 1944, 65ff. 225 Par. 15; Patria II, 18. In unmittelbarer Nähe befand sich zur Zeit der Zusammenstellung der Parastaseis ein

gemrnenbesetztes Kreuzmonument.

178 Konstantinopel

Kreuz hielten226; flankiert wurden die beiden von geflügelten Niken. Konstantin hat den Para-

staseis zufolge unter den dreißig Statuen, die er selbst in Auftrag gab, auch die Statue eines

Konsuls namens Kallistratos anfertigen lassen227. Eine gänzlich verworrene Stelle in derselben

Quelle berichtet von einem Standbild des Maxentius, der als Gott der Reitkunst verehrt und

von Konstantin entfernt wurde. Offenbar handelte es sich um eine Legende, die sich um ein

Reiterstandbild rankte228. Nur zwei Standbilder werden für die nachkonstantinische Zeit über-

liefert. Themistios, Philosoph und Stadtpräfekt des Jahres 384, erhielt angeblich eine Statue auf

dem Forum Constantini229. Niketas, Feldherr und Cousin des Herakleios, soll sogar eine Reiter-

statue auf einem Tetrakionion erhalten haben230. Die Nachricht von Schmähbildern des Arius

und zweier weiterer Ketzer, die Theodosius I. in unmittelbarer Nähe des Senats auf dem Boden

aufstellen ließ, bleibt höchst zweifelhaft231. Zu erwähnen sind noch die Bilder der ersten Patriar-

chen von Konstantinopel (Metrophanes, Alexander und Paulos), die an die Porphyrsäule gelehnt

wurden232 .

Klassisch-antike Bildwerke Zahlreich sind die Nachrichten von Bildwerken musealen Charak-

ters. Niketas Choniates beschreibt genau eine Bronzestatue der Athena, die sich vor dem Senat

des Konstantinsforums befand233. Diese Athenastatue wurde von den Lateinern eingeschmolzen.

Ebenfalls vor der Fassade des Senats muß ein Standbild der Amphitrite bzw. Thetis zu sehen

gewesen sein234. Beide Statuen müssen als Pendants aufgestellt gewesen sein, wie aus den jewei-

ligen Gegenüberstellungen bei Arethas und Kedrenos zu folgern ist. Die Parastaseis erwähnen

zudem Statuen der Artemis und der Aphrodite, die sich vor dem Senat befanden235. Ebenfalls in

den Schmelzofen wanderte eine auf dem Forum befindliche Statuengruppe, die Paris darstellte,

wie er Aphrodite den Apfel reichten'. Dasselbe Schicksal ereilte eine bronzene Herastatue, die

auf dem Forum zu sehen warn''. Die Parastaseis beschreiben zwölf Porphyrsäulen mit den Sta-

226 Par. 16; Patria II, 16; Kedr. I, 56420 f. ; Nik. Kall., PG 146, 121B. Aufgrund des Kreuzzeichens datiert Berger

289 die Statuengruppe nicht früher als Ende 4. Jh.

227 Par. 59. 228 Par. 39. Cameron / Herrin 220.

229 Themist. p. 2619 (or. 17), 4277 (or. 31) u. 45622-4571 (or. 34). Vgl. J. Straub, Vom Herrscherideal in der

Spätantike, Stuttgart 1939, 253 Anm. 61. Zur Person s. PLRE I, 889-94 (Themistius 1); Dagron, Naissance 252f.

239 Nikeph. 5. Auf dieses Standbild scheinen auch zwei Epigramme der Anthologia Palatina zu rekurrieren:

Anth. Pal. 16, 46 u. 47. C. Mango, Epigrammes honorifiques, statues et portraits a Byzance, in: ALpuggulioe

cyTÖll NiK0 El3oeGivo, Rethymno 1986, I, 23-35, hier 30f.

231 Patria II, 43. Berger hält es für ziemlich unwahrscheinlich, daß hier wirklich die Bilder dieser Häretiker dem

öffentlichen Spott ausgeliefert wurden. Vielmehr sei an die Umdeutung eines Reliefs zu denken: Berger 292f.

232 Par. 10; Patria II, 106.

233 Nik. Chon. 55847 ff. Erwähnungen auch bei Konst. Rhod. v. 153ff.; Kedr. 1, 56513f.; Arethas, Scholion in: Ari-stides II, 710 Dindorf. Berger 300; Bassett, Reuse 171ff. (A-35); R. J. H. Jenkins, The Bronze Athena at Byzantium, JHS 67, 1947, 31-33. Jenkins identifiziert eine Miniatur des 11. Jh., die eine Athena mit Helm

und Speer auf einer niedrigen Säule zeigt, als Wiedergabe dieser Statue (Jenkins Taf. X; J. Strzygowski, Der Bilderkreis des griechischen Physiologus (= Byz. Archiv 4), Wien 1899, 36f. (Taf. 19)).

234 Arethas, Scholion in: Aristides II, 710 Dindorf; Kedr. 1, 56516. Bassett, Reuse 301f. (T-2).

235 Par. 8. Bassett, Reuse 167f. (A-30). Ob die von den Parastaseis erwähnte Artemisstatue mit der Athenastatue

identisch ist, kann nicht bewiesen werden.

236 Nik. Chon. 64842f. Bassett, Reuse 216 (H-6).

237 Nik. Chon. 64838_41. Bassett, Reuse 216 (H-6).

Das Konstantinsforum 179

tuen von zwölf Sirenen und Fabeltieren, die alle vergoldet waren238. Berger vermutet, daß sich diese Bildwerke wohl beim Nymphäum an der Südseite des Platzes befunden haben239. Weiter sah man die Statue eines Elefanten und eines Schweins240. Der Elefant war neben dem großen Standbild (= Athena links vor dem Senat) zu finden. Außerdem zählte zur Ausstattung des Fo-rums ein nacktes Standbild, das die Schamlosigkeit der Käufer und Verkäufer darstellte. Hier wurde offensichtlich eine antike Statue umgedeutet241. Am Senat stand zudem eine Quadriga242 . Ferner werden in den Quellen genannt: Reliefs auf Säulen, die dort das künftige Schicksal der Stadt darstellten und angeblich von Apollonios von Tyana stammen sollten, und eine Sonnen-uhr243. Neben den bereits erwähnten, von Niken flankierten Statuen des Konstantin und seiner Mutter Helena auf dem Osttor des Forums werden noch folgende Bildwerke auf den Torbögen überliefert: Auf dem Ostbogen war eine Tyche mit einem Füllhorn (Modius?) zu sehen244. Doch ist nicht klar, ob es sich hierbei um die Niken handelte, die die Statuen Konstantins und Helenas begleiteten. Niketas Choniates berichtet zudem von zwei Statuen der Rhomaia und Ungrissa245.

Archäologischer Befund Zu den wenigen Funden, die im Bereich des Konstantinsforums ge- macht wurden, zählt ein spät antiker Kaiserkopf, der aus einem Tiberiusporträt umgearbeitet wurde246. Außerdem fand man einen marmornen Delphin247. Vielleicht sind Reste von Por-phyrsäulen, die 1962 ca. 30 - 40 m südlich der Konstantinssäule gefunden wurden, mit einigen der überlieferten Statuen in Verbindung zu bringen248.

Die Darstellung des Konstantinsforums auf der Arkadiussäule249 Neben den Schriftquellen und dem spärlichen archäologischen Befund ist ein weiteres wichtiges Zeugnis über die Forums-anlage heranzuziehen: die Zeichnungen der Reliefs der Arkadiussäule, die E. H. Freshfield 1922 bekannt machte. Die unteren Windungen zeigen den Auszug der Goten und ihres Anführers Gainas aus Konstantinopel im Jahre 400. Als Kulisse für den Exodus dienen Architekturdarstel-lungen, aber auch eine Vielzahl von Standbildern, die wohl vom Erscheinungsbild Konstantino-pels der Zeit um 400 inspiriert sind. Das zeigen die z. T. gut benennbaren Darstellungselemente, etwa die am oberen Rand entlanglaufende Portikus, mit der wohl die Säulenhallen der Mese angedeutet sind, dann einige Standbilder, die mitunter in den Quellen belegt sind. Innerhalb

238 Par. 15; Patria II, 100. Bassett, Reuse 271 (P-12). 295f. (S-9). Drei von diesen Bildwerken wurden nach H. Mamas gebracht.

239 Berger 304f. 240 Par. 17; Patria II, 102a. Cameron / Herrin 193; Bassett, Reuse 201f. (E-2); Berger 306f. 241 Par. 17; Patria II, 103. Berger zweifelt die Existenz eines derartigen Standbilds zu Unrecht an: Berger 307. 242 Par. 8; Patria II, 94. 243 Patria 11,103. Berger 307f. Sonnenuhr: Patria 111,12. 244 Patria II, 101. 245 Nik. Chon. 15165ff. Vielleicht meinte auch Niketas Choniates die Tyche- bzw. Nikestandbilder. 246 N. Firath, IstanbAMüzYil 11/12, 1964, 208 (Taf. 34,1-2); J. Inan / E. Alföldi Rosenbaum, Römische und

byzantinische Porträtplastik aus der Türkei, Mainz 1979, 68f. Nr. 14; Barsanti, Costantinopoli 139. 247 Barsanti, Costantinopoli 139. 248 Barsanti, Costantinopoli 136. 249 E. H. Freshfield, Notes an a Vellum Album Containing some Original Sketches of Public Buildings and

Monuments Drawn by a German Artist who Visited Constantinople in 1574, Archaeologia 72, 1921/2, 87-104; Becatti 192f. u. 210ff.; J. G. Deckers, Tradition und Adaption. Bemerkungen zur Darstellung der christlichen Stadt, RM 95, 1988, 303-382, hier 362f.; Barsanti, Costantinopoli 135.

180 Konstantinopel

dieser Wiedergabe von Bildwerken fällt eine kreisförmige Anlage auf, die sich auf der zweiten

Windung von unten befindet und die im folgenden analysiert werden soll (Taf. 19.2)250. Den Rah-

men bildet eine kreisförmige Portikus, die gegen die Gesetze der Perspektive in Aufsicht gegeben

ist. Lediglich zuoberst geht die Portikus in einen dreieckigen Giebel über. Keinerlei Tore sind an

den Seiten angedeutet. Innerhalb dieses runden Rahmens ist dicht gedrängt eine Vielzahl von

Figuren zu sehen, neben zwei frontal dargestellten Figuren, die sich an den Händen halten, ein

gebückter Lastträger, dann eine Person zu Pferd. Ebenfalls erkennbar ist ein Tier, vielleicht ein

Schwein oder ein Rind. Deutlich ablesbar ist eine auf einen großen Sockel gestellte Säule mit

einem Standbild. Zwei weitere Säulen ohne Standbilder sind im linken oberen Bereich zu sehen.

Das detailliert wiedergegebene Säulenmonument macht klar, daß es sich um eine Darstellung

des Konstantinsforums handeln muß. Die Darstellung ist in mehrfacher Hinsicht beachtenswert.

Sie bildet ein abgeschlossenes Ganzes, das in keinem kompositorischen Bezug zu den begleitenden

Darstellungen des Gotenauszugs steht. Die im Rund befindlichen Figuren sind deutlich kleiner

als die Standbilder und Personen außerhalb des Forums wiedergegeben. Gewann man bisher den

Eindruck, man befinde sich auf der Mese, so fühlt man sich nunmehr in die Vogelperspektive ver-

setzt, obwohl die Motive innerhalb der kreisförmigen Anlage von der Seite zu sehen sind. Für die

Eigenarten dieser Darstellung ist nicht nur die typisch spät antike Unbekümmertheit im Umgang

mit der Perspektive verantwortlich, sondern wohl das Bemühen des Bildhauers, das Forum als

eigenständiges, abgeschlossenes Monument wiederzugeben, das nicht in den Bildraum der fort-

laufenden Darstellung integriert ist. Durch den Wechsel der Perspektive hatte der Bildhauer die

Möglichkeit, die wichtigsten Monumente innerhalb des Konstantinsforums darzustellen251. Auch

die exzentrische Position des Säulenmonuments erklärt sich aus dem Bedürfnis nach prägnanter

Ablesbarkeit. Da eine Überschneidung mit der Kreisportikus vermieden werden sollte, befindet

sich der Sockel im unteren Abschnitt, die bekrönende Statue am oberen Rand der Innenfläche252 .

Eine Interpretation dieser Darstellung sowie der Versuch, aus diesem Bild Informationen

über das tatsächliche Aussehen der Forumsanlage zu erhalten, muß mit äußerster Vorsicht ge-

schehen und stets berücksichtigen, daß hier keine photographische Aufnahme vorliegt, sondern

eine aus mehreren Architekturchiffren zusammengesetzte Darstellung. Zudem besitzen wir ja

auch nur eine Zeichnung des 16. Jh., die zwar als genau und zuverlässig gilt253, dennoch aber

Ungenauigkeiten und Mißverständnisse bergen kann.

Zunächst fällt auf, daß die kreisförmige Portikus zuoberst aufgebrochen ist und in einen

flachen dreieckigen Giebel übergeht. Dieser Giebel erscheint zwar als Abschluß der Säulenhallen

der Mese, die am oberen Rand des Reliefs entlanglaufen, kann aber einen solchen wohl kaum

darstellen, da das Ende der Portikus bereits zuvor, durch das Auslaufen der Arkaden und einen

kleineren Giebel angedeutet wird. Mit dem Giebel an höchster Stelle der Forumsdarstellung

kann nur das Senatsgebäude am Konstantinsforum gemeint sein, das im Norden des Forums lag

250 Vgl. Becatti 210ff. 251 Becatti 278. 252 Becatti 210 nimmt die Abbildung zu wörtlich, wenn er daraus folgert, daß sich die Säule nicht im Zentrum

des Forums befunden habe.

253 Freshfield, a. 0. 89: Dies läßt sich an einem Vergleich der Zeichnungen der Obeliskenbasis im Hippodrom mit dem noch erhaltenen Monument belegen.

Das Konstantinsforum 181

und dessen Fassade wohl in die nördliche Halbkreisportikus eingebunden war254. Diese Fassade muß beim Bildhauer des Reliefs einen derart bleibenden Eindruck gemacht haben, daß er sie in seiner schematisierten Darstellung andeutete.

Es ist zu fragen, ob die abgebildeten Figuren Standbilder sind oder ob es sich um Besucher der Forumsanlage handelt, die der Bildhauer in seine Darstellung integrierte. Daß Denkmäler dargestellt werden, zeigen die Säule mit der Konstantinsstatue und zwei weitere kleinere Säulen ohne erkennbare Standbilder255. Auch das Tier im unteren Bereich der Darstellung, das wie ein Schwein aussieht, ließe sich über die Quellen erklären256. Becatti denkt bei der Figur und dem weidenden Tier an die von Euseb erwähnte Statue des Guten Hirten — was aber wenig wahr-scheinlich ist257. In dem Reiter zu Pferd könnte man ein Reiterstandbild sehen; zwar ist für das Konstantinsforum nur ein Reiterstandbild aus der Zeit des Herakleios sowie ferner eine Quadriga am Senat überliefert258, doch läßt die Vielzahl der sonst für Konstantinopel belegten Reiterstand-bilder es nicht unmöglich erscheinen, daß sich ein solches bereits in theodosianischer Zeit auf dem Konstantinsforum befand259. Es wäre auch möglich, die Abbildung eines über das Forum reiten-den Würdenträgers anzunehmen; daß dies denkbar ist, zeigt das Verbot Justinians, mit dem Pferd die Basilika zu betreten. Auch der topographical border des Megalopsychia-Mosaiks zeigt Angehörige der Oberschicht zu Pferd, wie sie durch die Stadt reiten. Auf diesem Mosaik findet sich auch ein frappierendes Pendant zu dem gebeugten Lastträger, der auf seinem Rücken eine längliche Fracht trägt (Taf. 20.3). Also wird man auch in dem Lastträger in der Forumsdarstel-lung einen Arbeiter auf dem Konstantinsforum sehen280. Die übrigen Figuren sind schwieriger zu interpretieren, da sie in den schattierten Teil der Zeichnung fallen und deshalb weniger deutlich erkennbar sind. Zweimal begegnen je zwei aufeinander bezogene Figuren. Das eine Paar, frontal zu sehen, reicht sich die Hände, die Figuren des anderen Paars scheinen sich einen Gegenstand zu übergeben. Unter den quellenmäßig überlieferten Standbildern kämen nur noch die Statuen

254 Anders Becatti 192, der hier die Angabe des Eingangs zum Forum sieht. 255 Neben der Konstantinssäule sind weitere, kleinere Säulen mit Standbildern überliefert, so etwa zwölf Por-

phyrsäulen mit den Statuen von zwölf Sirenen und Fabeltieren, die alle vergoldet waren: Par. 15; Patria II, 100.

256 Statue eines Elefanten, eines Schweins und anderer Tiere, die Apollonius von Tyana geschaffen haben soll: Par. 17; Patria II, 102a.

257 Becatti 210f. Bei einer Darstellung des Guten Hirten (Euseb: KezXCK Ito4triv) würde man eher ein geschul-tertes Tier erwarten. Doch muß man grundsätzlich festhalten — wie auch Becatti anmerkt —, daß Euseb aus propagandistischer Absicht die Statue eines Hirten neben der eines Tieres als Darstellung des 'Guten Hirten' interpretiert haben könnte: vgl. hierzu W. N. Schumacher, Hirt und 'Guter Hirt' (= RömQSchr Supplh. 34), Rom- Freiburg- Wien 1977, 109.

258 Reiterstandbild des Niketas: Nikeph. 5. Anth. Pal. 16, 46 u. 47. Quadriga: Patria II, 94. Man könnte sich ange-sichts des späten Entstehungsdatums der Niketasstatue fragen, ob das Reiterstandbild nicht eine Umweihung eines bereits bestehenden Bildwerks war. Zu erinnern ist noch an die merkwürdige Nachricht, auf dem Kon-stantinsforum habe man einen Reitergott Maxentius verehrt: Par. 39. Vielleicht liegt hier die Reminiszenz an ein Reiterstandbild vor.

259 Auch Becatti 193 tendiert zu einer Deutung als Wiedergabe eines Standbilds. 260 Becatti 212ff. mißversteht die Darstellung völlig: er hält den nach vorne Gebeugten für den Teil einer Rin-

gergruppe. Die auf dem Rücken gebundene Last scheint er als Flügel mißzuverstehen: Nachträglich sei-en einer Statue aus einer Ringergruppe Flügel angebracht worden, um sie im christlichen Sinne als Engel umzuinterpretieren!

182 Konstantinopel

Paris' und Aphrodites in Frage, wobei ersterer letzterer gerade den Apfel reicht261. Becatti denkt

an das Motiv der concordia Augustorum, wie es sich ab tetrarchischer Zeit nachweisen läßt,

doch ist auch dieses unwahrscheinlich: für den Gestus zweier sich an den ausgestreckten Händen

haltender Personen ist in der imperialen Ikonographie kein Vergleichsbeispiel beizubringen262.

Aus der Abbildung läßt sich die Frage, ob Standbilder gemeint sind oder Personen, kaum

beantworten. Vielleicht ist die Frage in dieser Form nicht zu entscheiden, sind doch Motive

gewählt, die mehrere Deutungsmöglichkeiten besitzen und die auch der spätantike Betrachter auf

verschiedene Weise interpretieren konnte. Wie auch immer, der entwerfende Bildhauer bemühte

sich um eine Wiedergabe des Konstantinsforums in seiner Gesamtheit, mit den entsprechenden

Bildinformationen zu allgemeinem Aussehen, Architektur, Ausstattung und auch Personen, die

das Forum frequentierten.

Zusammenfassung Betrat man das Konstantinsforum von der Altstadt her, so schritt man un-

ter einer Toranlage durch, auf der sich die Statuen Konstantins und Helenas befanden. Flankiert

wurde die Statuengruppe von zwei geflügelten Niken. Nach dem Durchschreiten des Tors befand

man sich in einer kreisrunden Platzanlage, deren rahmende Portiken und Pflaster aus prokonne-

sischem Marmor bestanden, von dem sich der Porphyr des zentralen Säulenmonuments absetzte.

Der Platz war mit zahlreichen Bildwerken, vornehmlich antiken Kunstwerken, angefüllt, doch

scheinen einige wenige Statuen von Würdenträgern und Angehörigen des Kaiserhauses später

hinzugekommen zu sein. Offenbar war auch Raum für die öffentliche Repräsentation hoher Beam-

ter gegeben. Neben der vielleicht fragwürdigen Überlieferung einer Statue des prosopographisch

nicht näher bekannten Konsuls Kallistratos existiert immerhin die Nachricht von der Statue eines

Stadtpräfekten aus der Zeit Valentinians I. Zu Beginn des 7. Jh. kam noch das Reiterstandbild

eines verdienten Feldherrn dazu. Doch blieben die Statuen des konstantinischen Kaiserhauses

bestimmend. Im Nordbereich des Forums sah man vergoldete Statuen des Konstantin und sei-

ner Söhne mit einem Kreuz263, auf dem Ostbogen des Forums Konstantin und seine Mutter, im

Zentrum des Platzes den sonnengleichen Kaiser auf einer Säule.

d. Weitere Geschichte

Zahlreiche Brände ereigneten sich im Lauf der Zeit auf dem Konstantinsforum: 461 wurde der

Senat durch einen Großbrand beschädigt, weitere Brände verursachten in den Jahren 475, 497/8

und 509 mehr oder weniger gravierende Schäden. 512 verheerte ein Brand das Gebiet zwischen

Chalke und Forum. Ein gewisser Menas, offenbar ein Eparch, ließ den Westbogen des Konstan-

tinsforums im frühen 6. Jh. wiedererrichten264. 575 und 603 brachen weitere Brände aus, 931

in der Nähe der Marienkirche265. Auch das Säulenmonument wurde mehrfach beschädigt: 418

n. Chr. wurde die Säule durch Eisenringe gesichert, nachdem aus einer der unteren Trommeln

261 Nik. Chon. 64842f.

262 Becatti 214f. vermutet völlig hypothetisch die Gruppe Helena-Konstantin, die zwischen sich ein Kreuz halten,

als Vorbild. 263 Par. 16; Patria II, 18. 264 Anth. Pal. 9, 785. PLRE II, 755 (Menas 5).

265 461: Joh. Zon. III, 12416ff . 475: Kedr. I, 61616f . 497/8: Chron. Pasch. 60814_18; Joh. Mal. 39422f f . 509: Marc.

Com. 97 (an. 509). 512: Victor Ton., Chron. Min,. II, 195. 575: Theoph. 25227_29. 603: Chron. Pasch. 6955_9. 931: Kedr. II, 3137_9.

Das Konstantinsforum 183

ein Stück herausgebrochen war266. Im Jahre 477 stürzte bei einem Sturm die Sphaira der Sta-tue herab und wurde daraufhin wieder befestigt267. 542 fielen erneut die Kugel und Lanze der Konstantinsstatue herab, wurden aber ebenfalls wieder am alten Platz angebracht268. Die Sphai-ra stürzte im Jahre 869 abermals herab269. Zu Beginn der Regentschaft Basileios' I. (867-886) wurde in die Portiken des Forums eine kleine Marienkirche eingebaut270. Bereits zuvor entstand am Fuße der Säule eine kleine Kapelle zu Ehren des Gründungskaisers271. 1105 verursachte ein Sturm schwere Schäden an der Konstantinssäule272. Die häufig wiederholte Behauptung, bei diesem Sturm seien neben der Statue und dem Kapitell auch die obersten drei Säulentrommeln herabgerissen worden, ist falsch; der von Michael Glykas verwendete Begriff (WariieeS meint wohl die Metallringe und nicht die Säulentrommeln273. Erst Manuel I. Komnenos (1143-80) ließ die Säule wiederherstellen und ein neues korinthisches Kapitell aufsetzen. Statt der Statue Konstan-tins trug die Säule nunmehr ein Kreuz274. Folgende Inschrift erinnert an diese Renovierung275:

Tö 8etov gelov -L)196.8e (peezeb xeciKt.) KoaveI, Med) oufiX vöcf oc)ToKeciTwe

Das heil'ge Werk, dereinst im Lauf der Zeit zerstört, Erneuerte der fromme Kaiser Manuel.

Bei fast allen Festtagsprozessionen wird das Konstantinsforum als Station erwähnt, was zunächst durch seine Lage an der Mese begründet ist, über die ein Großteil der Prozessionen führte. In dem gegen Ende des 9. Jh. zusammengestellten Typikon der Großen Kirche werden insgesamt 68 litur-gische Prozessionen im Verlauf eines Kirchenjahrs genannt276. 46 von diesen Prozessionen mach-ten an der Porphyrsäule und der Kapelle des Konstantin für einen kurzen Zwischengottesdienst Station277. Auch dem Zeremonienbuch Konstantins VII. Porphyrogennetos' läßt sich entnehmen, daß die Säule mit dem Konstantinsbild wie auch die Kapelle auf dem Stufensockel bei einer Reihe von Festlichkeiten und Prozessionen, die von Kaiser, Patriarch, sonstigen Würdenträgern und dem Volk begangen wurden, eine zentrale Rolle spielte. Jeweils am Tag der Mariengeburt, des Ostermontags, der Verkündigung sowie am Jahrestag eines Siegs über die Sarazenen stiegen der

266 Chron. Pasch. 5739-12. 267 Theoph. 1262. 268 Joh. Mal. 4872_5; Theoph. 22228; Kedr. I, 6564. 269 Leon Gramm. 25413. 279 Patria III, 29a. R. Janin, La g6ographie ecclesiastique de l'empire byzantin, I: Le sige de Constantinople et

le patriarcat cecumenique, 3: Les eglises et les monastk.es, Paris 19692, 236f. (mit weiteren Quellenangaben). 271 S. o. S.172. 272 Glyk. 61717_20; Anna Komn., Alexias III, 66f. 273 C. Mango, JdI 80, 1965, 312; M. Karamouzi, BalkSt 27, 1986, 227f. 274 Janin 77-80; M. Karamouzi, BalkSt 27, 1986, 228 Taf. 3. So ist sie auch auf der Stadtansicht Buondelmontis

zu sehen: Zu den verschiedenen Kopien des (verlorenen) Originals Buondelmontis s. G. Gerola, Le vedute di Costantinopoli di Cristoforo Buondelmonti, StudBizNeoell 3, 1931, 247-279 (mit Abb.).

275 C. Comidas de Carbognano, Descrizione topografica dello stato presente de Costantinopoli, Bassano 1794, 34 (Unger Nr. 363). Wiedergabe nach Janin 80. Die Inschrift ist bei Comidas wohl unkorrekt wiedergegeben: Unger S.155 Anm. 2.

276 Typikon passim. Feste zusammengefaßt bei R. Janin, Les processions religieuses ä, Byzance, REByz 24, 1966, 69-88.

277 J. Baldovin, The Urban Character of Christian Worship (= Orientalia Christiana Analecta 228), Rom 1987, 212 u. 233f.

184 Konstantinopel

Kaiser und der Patriarch auf den Stufensockel der Säule, während die Angehörigen des Hofstaats,

des Klerus, des Senats und der Demen sich einer festgelegten Anordnung gemäß vor dem Sockel verteilten, die durch die Kuovoo-Tao-Ca vorgegeben wurde278.

Zudem war dieser Platz Ort spontaner Versammlung des Volkes. Der Ascheregen von der

Vesuvexplosion des Jahres 469 führte zu Bittflehen an der Konstantinssäule279. In der Folgezeit

traf man sich am Jahrestag dieses Ereignisses immer auf dem Konstantinsforum280 . Während

des Erdbebens des Jahres 533 floh die Bevölkerung mitten in der Nacht zur Konstantinssäule281.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Ausrufung des Gegenkaisers Hypatius während

des Nikaaufstandes auf dem Konstantinsforum stattfand282 . Man wählte die Konstantinssäule

als Ort sicherlich bewußt, um dem Gegenkaiser Legitimation zu verschaffen.

e. Funktion

Städtebauliche Funktion Mehrfach wurde bereits in der Forschungsliteratur auf Vorbilder des

Konstantinsforums eingegangen. H. G. Beck bemerkt zur Gestalt des Konstantinsforums, daß die-

ses in Anlehnung an die seit der zweiten Hälfte des 3. Jh. einsetzende Mode runder Stadtzentren

entstanden sei283. Als Vorbilder bzw. Nachfolger der Architekturform des Konstantinsforums

ist eine Reihe von Rundplätzen im östlichen Reichsteil zu nennen, so etwa der Ovalplatz und

der kleine Rundplatz in Gerasa (Taf. 21) und der auf der Mosaikkarte von Madaba dargestellte

Säulenplatz in Jerusalem (Abb. 89), des weiteren das Atrium Thermarum Constantianarum in

Ephesos sowie der Platz vor den hadrianischen Thermen in Leptis Magna284. Später greifen — in

allerdings reduzierter Größe — Antiochia und Cariüin Grad auf diese Platzform zurück285. Das

278 Mariengeburt: Cer. 2822 ff. Ostermontag: Cer. 7414 ff, Verkündigung: Cer. 16414ff. Sieg über die Sarazenen: Cer. 60910ff. C. Mango, DeltChrA 10, 1980/81, 105f.

279 Chron. Pasch. 59810-14. Baldovin, a. 0. 187. 280 Marc. Com. 97f. (an. 512). 281 Chron. Pasch. 62910_15. Bäldovin, a. 0. 187. 282 Prok., bell. Pers. 1, 24, 22-25. 283 H. G. Beck, Großstadt-Probleme, in: ders. (Hg.), Studien zur Frühgeschichte Konstantinopels (= MiscByzMon

14), München 1973, 1-26, hier 4f. 284 Vgl. Becatti 84f. und Barsanti, Costantinopoli 133. Gerasa, Ovalplatz: C. S. Fisher, The Forum, in: C. H.

Kraeling, Gerasa, City of the Decapolis, New Haven / Conn. 1938, 153-158; G. L. Harding, Recent Work an the Jerash Forum, PEQ 81, 1949, 12-16 (Ausgrabungsbericht); F. Rakob in: PropKG 2, 169 Nr. 37; M. Lyttleton, Baroque Architecture in Classical Antiquity, London 1974, 212f.; I. Browning, Jerash and the Decapolis, London 1982, 80ff. u. 131ff. (Abb. 26); A. Segal, Town Planning and Architecture in Provincia Arabia. The Cities along the Via Traiana Nova in the lst_3rd Centuries C. E. (= BAR 419), Oxford 1988, 30. (allg.: Datierung ins 1./2. Jh.). Gerasa, Tetrapylon-Rundplatz: Kraeling (a. 0.) 103-115; C. Mango, Byzanz (= Reihe: Weltgeschichte der Architektur), Stuttgart 1986, 20; Lyttleton, a. 0. 227f.; Segal, a. 0. 25f. (Datierung der Rundfassade in den Beginn des 3. Jh. Jerusalem: Zur Madabakarte J. G. Deckers, RM 95, 1988, 318ff. (mit weiterer Lit.). Über das architektonische Erscheinungsbild dieses Säulenplatzes am Damaskustor ist zu wenig bekannt, als daß er als Vergleichsbeispiel herangezogen werden könnte (s. u. S. 367). Von einem weiteren Platz, der am Zugang der Muttergotteskirche in Jerusalem gelegen war und der von zwei gegenüberliegenden Hemizyklen eingefaßt wurde, berichtet Prokop, aed. 5, 6, 25.

285 M. Restle, RBK IV, 1990, 401 s. v. Konstantinopel. Antiochia: J. Lassus, Antioch an the Orontes V, Princeton 1972, 13-5 Taf. V Anm 5 Lassus vermutet allerdings eine Vorgängeranlage. Cariöin Grad: V. R. Petkoviö, Les fouilles de Tsaritchin Grad, CahArch 3, 1948, 40-48; A. Grabar, Les monuments de Tsaritchin Grad et Justiniana Prima, CahArch 3, 1948, 49-63, bes. 57-63; V. Kondiö / V. PopoviC, Cariöin Grad, Belgrad 1977, 51-4 u. 322f. 'Kurvenplätze' in Ephesos und Leptis Magna: RE III A2 (1929) 2116 s. v. Städtebau (K. Lehmann-Hartleben). Ephesos: J. Keil, Führer durch Ephesos, Wien 1964, 76-9. Leptis Magna: R. Bartoccini,

Das Konstantinsforum 185

Konstantinsforum ist formal weniger durch die westlichen, d. h. stadtrömischen Kaiserfora inspi-

riert, als vielmehr durch eine Platzform, wie sie im östlichen Reichsteil bereits gängig war. In all

diesen Beispielen einschließlich des Konstantinsforums zeigt sich die Verbindungs- bzw. Gelenk-

funktion solcher Anlagen. Die Rund- bzw. Ovalform eignet sich besonders gut zur Überbrückung

von divergierenden Achsen, wie das besonders anschaulich der Ovalplatz in Gerasa zeigt. Dane-

ben begegnen Rundplätze auch als monumentale Ausgestaltungen von Straßenkreuzungen und fassen meist ein zentrales Monument ein, das diese Straßenkreuzung markiert286.

Das Konstantinsforum als Marktplatz Die Annahme, beim Konstantinsforum habe es sich um einen Marktplatz gehandelt, läßt sich durch eine Vielzahl von Indizien stützen. Auf einer

Marmorplatte, die zum Bodenbelag des Forums gehörte, fand man die Inschrift: Topos ... Saras Haziras287. Scheinbar handelt es sich um die Markierung des Standplatzes eines Ladens; das

läßt darauf schließen, daß eine Vielzahl von — wohl mobilen — Verkaufsständen innerhalb des

Forumsbereichs bestand. Auch die Patria bezeugen einen regen Marktbetrieb im Bereich des Forums288. Eine nackte Statue soll den Patria zufolge auf die Unverschämtheit der offenbar zahl-

reich auf dem Konstantinsforum versammelten Verkäufer angespielt haben. Die Errichtung der Theotokoskirche unter Basileios I. geschah, wie es heißt, aus Sorge um die Seelen der Städter und Handwerker auf dem Forum289. Zudem sollte die Kirche der Menge Schutz vor Schnee und Regen gewähren. Beim Brand des Jahres 931 wurden neben der Theotokoskirche in den Porti-ken auch die auf dem Forum befindlichen Wachs- und Pelzläden vernichtet290. N. Oikonomides macht auf eine Urkunde in Patmos aufmerksam, die für das Jahr 959 einen Leinwandladen (60o-vurcgea(uskiv)) und einen Seidenstoffladen (itgew8mceecr(uv:iv)) bezeugt, die sich auf dem Forum befunden haben291. Dies deckt sich mit einer Anordnung des Eparchenbuchs, die vorschreibt, daß Seidenhändler ihre Ware auf dem Forum verkaufen sollten292. Weitere Quellennotizen bei Glykas und Kedrenos bezeugen die Existenz von Händlern auf dem Forum293. Vielleicht sind die Reste von gewölbten Kammern im Bereich des Konstantinsforums, die noch H. Dernschwam sah, Überreste der Läden auf diesem Platz294. Die zahlreichen Hinweise auf den Vertrieb von teuren Waren, Stoffen, Pelzen etc. auf dem Konstantinsforum spricht gegen die Vorstellung Kir-stens, daß es sich beim Konstantinsforum um einen Markt gehandelt habe, auf dem Bauern ihre

Le Terme di Lepcis (Leptis Magna), Bergamo 1929, 25ff.; G. Caputo / E. Caffarelli in: R. Bianchi-Bandinelli (Hg.), Leptis Magna, 99ff.

286 Tatsächlich existieren auch für das Konstantinsforum vage Hinweise für Zugänge von Norden bzw. Süden: In den Parastaseis 39 ist von Armenspeisungen die Rede, die an einer Treppe des Konstantinsforums stattfanden. Cameron und Herrin 219 denken an eine Treppenanlage an der Südseite, die den Geländeabfall nach Süden überwand.

287 E. Mamboury in: Actes 9. Congr. Int. Et. Byz., Athen 1953 (1955), I, 276f. 288 Patria II, 103. 289 Theoph. Cont. 3391_7. 290 Theoph. Cont. 42013-16. 291 Cod. Patmiacus 177, p.516: N. Oikonomides, DOP 26, 1972, 345-7. 292 Ep. Bibl. 6,13. 293 Glyk. 54919 ff.; Kedr. II, 24116 : ituevaToiöp,evoi. 294 F. Babinger, H. Dernschwams Tagebuch, München-Leipzig 1923, 37-40; Müller-Wiener 344.

186 Konstantinopel

Waren feilboten295; vielmehr deuten alle Indizien darauf hin, daß der Rundplatz — zumindest in

mittelbyzantinischer Zeit — als Verkaufsort von gehobenen und Luxusartikeln diente.

Die administrative Funktion des Konstantinsforums wird bereits durch die Existenz des Se-

nats und eines Tribunals angedeutet. Dessen Funktion ist schwer zu bestimmen. Ein Tribunal mit

möglicherweise verwandten Aufgaben befand sich am Forum Romanum; dort diente es als Sitz

ziviler Behörden, etwa der Magistrate oder des Prätors296. Zudem befand sich in unmittelbarer

Nähe westlich des Konstantinsforums, an der Mese gelegen, das Praitorion297. Auch die offizielle

Einsetzung in politische Ämter erfolgte auf dem Konstantinsforum. Aus einer Notiz in derselben

Schrift geht hervor, daß angeblich der erste Konsul Konstantinopels, Kallistratos, hier von Kon-

stantin sein Kodizill erhielt298. Daß in den ersten Jahrhunderten im Senat am Konstantinsforum

die Konsuln ernannt wurden und hier ihre Amtstracht erhielten, bestätigen auch Kedrenos und

Zonaras299. Ein Problem im Zusammenhang mit der Funktionsfrage stellt die doppelte Existenz eines

Senats in Konstantinopel dar. Neben dem wahrscheinlich erst unter Julian errichteten Senat

am Augusteion existierte an der Nordseite des Konstantinsforums bereits seit konstantinischer

Zeit ein weiteres Senatsgebäude. Die Annahme Bergers, daß die Einrichtung der politischen

Institution 'Senat' am Konstantinsforum erst seit Julian denkbar istm°, bleibt unwahrscheinlich:

zwar wird der Senat am Konstantinsforum erst im Regionenverzeichnis um 425 genannt361, doch

darf man wohl von einer Entstehung im Zusammenhang mit der Neugründung Konstantinopels

ausgehen. Zunächst ist die Übertragung dieser Institution nach Konstantinopel unter dem Aspekt

der Legitimation der Stadt am Bosporus als Nachfolgerin Roms zu sehen362 .

Die zentrale Lage des Konstantinsforums brachte es mit sich, daß es zur Bühne der Selbst-

darstellung der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten wurde. Prokop berichtet von Belisar,

daß dieser jeden Tag von seinem Haus aufs Forum ging (bn Tfig 6u-foe84 und von dort wieder

nach Hause zurückkehrte363. Begleitet wurde Belisar bei seinen Umzügen von Vandalen, Goten

und Maurusiern, eben Angehörigen seiner privaten Garde, die dem Auftritt den Charakter eines Festzugs verliehen. Auch diente das Konstantinsforum als Ort für Heiraten. Am Nymphäum

an der Südseite der Platzanlage vermählten sich die Leute, die in der Hauptstadt keinen festen

Wohnsitz hatten364. Wie sehr das Konstantinsforum als Bühne der Massen fungierte, zeigen auch

die verstreuten Nachrichten, in denen von karitativen Tätigkeiten die Rede ist. Eine Notiz in

295 So E. Kirsten, Straßen und Plätze im frühen Konstantinopel, Sdr. Karawane Taschenbuch Istanbul (hg. K. Bachteler), Ludwigsburg, 1967, 131-142, hier 137.

296 RE VI A2 (1937) 2428-2432 s. v. Tribunal (F. Lammert).

297 Guilland, Etudes II, 36-9. 298 Par. 59; Patria II, 44. Kallistratos ist ansonsten unbekannt. Kommentar zu dieser Parastaseisnotiz bei Dagron,

Naissance 315f.

299 Kedr. I, 61013f.; Joh. Zon. III,1253f. 300 Berger 294. 301 Not. 234 (Reg. VI). 302 Vgl. Dagron, Naissance 138f. Zum Konstantinopler Senat allg. vgl. Dagron, Naissance 119ff. 303 Prok., bell. Vand. 3.1, 5-6. Die Lokalisierung auf dem Konstantinsforum ist nicht gesichert; andererseits ist

kein anderer Platz in Konstantinopel vorstellbar, der lapidar mit dere& bezeichnet werden könnte.

304 Kedr. I, 61014f.

Das Theodosiusforum 187

den Parastaseis deutet auf öffentliche Speisungen an einer Stelle des Forums, wo sich Treppen befanden, hin305. Andere Quellen sprechen von Speisungen am Stufensockel der Porphyrsäule306.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Konstantinsforum als Schauplatz gesellschaft-

licher Repräsentation allen sozialen Klassen offenstand. Neben dem allpräsenten Kaiser auf der

Porphyrsäule traten auch hohe Beamte und Würdenträger hervor, sowohl in den hier abgehalte-

nen Zeremonien, als auch in der Ausstattung. Der Markt- und Handwerksbetrieb, der sich hier

— vielleicht nur temporär — abspielte, tauchte die Platzanlage in eine profane Sphäre und machte sie zu einem Ort der Begegnung des einfachen Volks.

3. Das Theodosiusforum

Das Theodosiusforum lag im südlichen Bereich des 3. Stadthügels, dort wo sich heute der Beyazit-

Platz befindet (Abb. 59). Auch im Falle des Theodosiusforums ist das Regionenverzeichnis die früheste Quelle: Forum Theodosii307 . Entsprechend nennen es griechische Quellen Oeo800- Le46c pp6poS bzw. Lp6eos Oeo8oaCcru308. Häufiger verwendet wird der Name Taurus bzw. Toti5@o 3°9. Die im Zeremonienbuch auftauchende Umschreibung ö (4)6ecK OeckoaCcre 6 KocXo'ilevo Toti3goO° zeigt, daß beide Benennungen in etwa gleichbedeutend waren. Daß sie nicht exakt dasselbe mei-

nen, geht aus der Notitia hervor: In dieser Quelle wird eine Unterscheidung zwischen Forum Theodosii und Taurus vorgenommen, die einer Erklärung bedarf. In der Vorbemerkung zur 7.

Region heißt es, daß sich deren Regionengrenze von der Konstantinssäule bis zum Forum Theo-dosii hinzieht, in der Vorbemerkung zur Region 8 hingegen steht, daß diese Region einen Teil des Tauros (ex parte tauri) einschliel3t311. Ursprünglich war das Theodosiusforum wohl Bestandteil des Tauros, doch übertrug sich der Name des Hügels allmählich auf die dort befindliche Platz-

anlage. Die volkstümliche Bezeichnung `Tauros' verdrängte allmählich die offizielle Bezeichnung der Platzanlage als `Theodosiusforum'. Auch läßt sich beobachten, daß — wie im Falle des Au-gusteions und des Xerolophos — sich der Name Tauros allein auf die Säule beziehen konnte312 .

a. Vorgängerbebauung und Ausbau des Forums unter Theodosius I.

Im Gebiet des späteren Forums befanden sich in hellenistischer und römischer Zeit Nekropolen (4. Jh. v. - 3. Jh. n. Chr.), die sich beiderseits der damaligen Ausfallstraße entlangzogen313. Seit

305 Par. 39. Cameron / Herrin 219. 306 Par. 39 sowie Unger S.157. 307 Not. 235 (Reg. VII). 308 Chron. Pasch. 5654u.7; Cer. 49618 = p.138695 Haldon. Diskussion der Benennungen der Anlage bei Guilland,

Etudes II, 56f. 3°9 Z. B. Not. 236 (Reg. VIII); Parastaseis und Patria: Preger II, p. 372 Index s. v. Taiigoq; Theoph. 7020f

14912; Kedr. 1, 5664; Joh. Zon. III, 12412 . Daneben liest man noch die Wendung T& Tecügov, was soviel wie `das Gebiet des Tauros' meint (Par. 14 = Patria II, 99 u. Par. 44a = Patria II, 28). Marcellinus Goings verwendet den lat. Begriff Forum Tauri (Marc. Corn. 92 (an. 480)). Malalas das griechische Pendant cp6Qoc T0i5 TociiQou (Joh. Mal. 4015f.), Kedrenos die Bezeichnung öryoeei TO Todieou (Kedr. I, 6111)•

310 Cer. 49618 = p. 138695 Haldon. 311 Not. 235f. (Reg. VIII). 312 Par. 66; Patria II, 47. Berger 184. Xerolophos: s. u. S. 203. 313 Müller-Wiener 258 (ohne Lit.-Verweis).

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188 Konstantinopel

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Abb. 60. Theodosiusforum, Plan der Umgebung des Beyazit-Platzes.

Abb. 61. Archäologischer Befund im Bereich des Beyazit-Platzes.

Das Theodosiusforum 189

konstantinischer Zeit würde dieses Areal in das Stadtgebiet miteinbezogen und vermutlich auch ausgebaut. Den Patria ist zu entnehmen, daß in einem AXuivt-r(i,v genannten Ort im weiteren Bereich des späteren Forums von Konstantin Paläste und eine Herberge errichtet wurden314 .

Das exakte Datum des Baubeginns ist nicht bekannt. An der Säule baute man seit dem Jahre 386315; erst 393/4 erhielt sie ihre bekrönende Statue316 . Um eine ebene Baufläche zu gewinnen, wurden größere Erdbewegungen unternommen und Substruktionen errichtet. Überflüssige Erd-massen transportierte man, wie den Patria zu entnehmen ist, zum Eleutherioshafen317. An der Südseite der Platzanlage entstanden aufwendige Substruktionskammern, deren Reste 1957/58 aufgefunden, aber größtenteils abgeräumt wurden315. Die Einweihung der Forumsanlage erfolgte nach Ausweis der Osterchronik erst im Jahre 393 n. Chr., noch vor der Aufstellung des Kaiser-standbilds auf der Säule319.

b. Bauelemente des Theodosiusforums

Basilica Theodosiana Im Regionenverzeichnis wird in der Region 8 eine Basilica Theodosiana genannt, die sich offenbar am Theodosiusforum befanc132°. Es ist das einzige Mal, daß dieser Bau bei seinem offiziellen, wenn auch lateinischen, Namen genannt wird; alle anderen Quellen verzichten auf diese Benennung. Kedrenos, der den Bau nicht mehr kennen konnte, da dieser 462 zerstört wurde, beschreibt ihn folgendermaßen321:

Im fünften Jahr (Leos I. = 462 n. Chr.) entstand eine Feuersbrunst in Konstantinopel, die vom Neorion begann und bis zum heiligen Thomas der Amanten fortschritt. (Der Brand verheerte) ... auf dem Tauros aber das Haus (ä) T6-.3 Too 011A4 das ebenfalls den Stadtverordneten und dem Kaiser diente, jenen um zusammenzukommen und über die Geschäfte zu beraten, diesem, wenn er im Konsularrat den Vorsitz führte, mit zwölf bunten Säulen aus Troischem Stein, 25 Fuß hoch, welche das Dach auf der Süd und Nordseite trugen, samt den Apsiden( aus ) e. ., 322 auf beiden Seiten nach Osten und Westen, dessen Länge 240, die Breite aber 84 Fuß betrug.

Bei dem Bau, den Zonaras als otKog ev -r(;) Tea5ey ßeccriXush 7roXu-rEXTI -rs Bai g-p,o--rog bezeichnet, handelte es sich also um ein ca. 28 m x 80 m großes, dreischiffiges Gebäude mit zwölf Säulen,

314 Patria II, 47; Patria III, 7. 315 Kedr. 1,5664_6; Theoph. 702of. Zwar erwähnt Theophanes für dieses Jahr die Fertigstellung der Säule, doch

ist, wie schon Unger kommentierte, sicherlich der Baubeginn der Säule gemeint: vgl. hierzu auch Mango, C'ple 43 Anm. 36.

316 Chron. Pasch. 5656 _8. Nur so läßt sich der scheinbare Widerspruch zwischen Theophanes und der Oster-chronik erklären: Theophanes erwähnt lediglich die Säule, die Osterchronik, die als Zeitangabe das Jahr 394 nennt, nimmt ausdrücklich Bezug auf die Statue. Fraglich ist allerdings, ob in der Osterchronik überhaupt die Säulenstatue gemeint ist oder das Reiterstandbild: Mango, C'ple 43 Anm. 36.

317 Patria II, 63 u. 111, 91. 318 Müller-Wiener 264 u. 259 (Abb. 291). Reste von Substruktionskammern eingezeichnet auf dem Plan bei

Müller-Wiener 261. 319 Chron. Pasch. 5652_8. C. Mango, C'ple 43 Anm. 36, weist darauf hin, daß mit dieser Nachricht auch das

Reiterstandbild gemeint sein könnte. 329 Not. 236 (Reg. VIII). 321 Kedr. 1, 60923ff. (Unger Nr. 153).

322 Ungers Übersetzung mit 'Giebel' scheint unzutreffend.

190 Konstantinopel

deren Höhe ca. 8 m betrug323. Aus den Angaben des Kedrenos geht zudem hervor, daß der Bau

von West nach Ost, d. h. parallel zur Mese ausgerichtet war, da die Kolonnaden, auf denen das

Dach ruhte, also die Trennwände zwischen den Schiffen. sich im Norden und Süden befunden

haben324. Außerdem spricht der Autor von 11)ec\ (,.Se am West- und Ostende des Baus, mit denen

wohl Apsiden an der Schmalseite der Basilica Theodosiana gemeint sind. Problematisch ist

die Angabe von 12 Säulen, die sich auf einen Bau von ca. 80 m Länge verteilt haben müssen.

Doch scheint es Kedrenos bzw. dem Autor der Vorlage, von der er abschrieb, eher auf das

Material der Säulen angekommen sein: Nur die Säulen aus Troischem Marmor wurden erwähnt,

während diejenigen aus geringerwertigem Material ungenannt blieben. Lokalisiert werden konnte

die Basilica Theodosiana bislang nicht, doch befand sie sich in der Region 8, im Gegensatz zur

in der Region 7 gelegenen Säule und den ebenfalls hier aufgestellten Reiterstandbildern. Da sich

die Region 8 südlich der Mese befand325, darf man annehmen, daß die Basilica Theodosiana den Südabschluß des Theodosiusforums bildete.

Torbögen Die archäologische Kenntnis über das Theodosiusforum beruht im wesentlichen

auf dem ergrabenen Zugangsbogen der Anlage326. Neben den Fundamenten dieses Tores fand man aus prokonnesischem Marmor gefertigte Säulen, deren plastischer Dekor ein gleichförmiges

Muster von stilisierten Astnarben bildet (Taf. 22.1)327. Weitere Fragmente dieser Säulen zeigen Hände, die den Schaft umfassen (Taf. 22.2)328. Der Befund gab zu folgender Rekonstruktion An-laß (Abb. 64): Die dreibogige Toranlage erhob sich auf vier Sockeln, die jeweils vier Säulen im

Quadrat aufnahmen. Die mittlere Öffnung der Toranlage war mit 7,20 m doppelt so breit, wie

die Seitendurchgänge (3,60 m). Naumanns Rekonstruktion betont die Seitendurchgänge als ei-

genständige Toranlagen. Erst auf dem Gebälk zweier gewissermaßen nebeneinander gelegener

selbständiger Torbögen setzt der hohe Mittelbogen der Gesamtanlage auf. Müller-Wiener korri-

giert an dieser Rekonstruktion lediglich die Seitenbögen, denen er jeweils die äußeren Säulenpaare

abspricht329. Die Grabungen ergaben zudem, daß der Bogen, offenbar nach einer schwerwiegenden

Zerstörung, auf den Mitteldurchgang reduziert wurde33°. Naumann vermutete das Erdbeben des Jahres 557 als Ursache, doch ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß diese Reparaturmaßnahme auf das Erdbeben 599/600 n. Chr. zurückgeht, von dem es in einer anonymen Chronik explizit

323 Joh. Zon. III, 1258. Zur Rekonstruktion vgl. auch Speck, Universität 98 Anm. 37. 324 Mango, C'ple 44. 325 R. Janin, REByz 3, 1945, 30-36; Janin 52-4; Müller-Wiener 21; Berger 148ff. Skizze 2. R. Naumann, IstMitt

26, 1976, 133 (Abb. 8) u. 135, ordnet in Anschluß an R. Guilland, Etudes II, 57, die 8. Region nördlich der 7. Region an.

326 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 126ff. 327 Vgl. L. Kosswig, Zum botanischen Vorbild der Säulen des Theodosius-Bogens, IstMitt 18, 1968, 259ff.; R. Nau-

mann, IstMitt 26, 1976, 127; R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture, Harmondsworth 19864, 70. Zu einer ursprünglich für das Theodosiusforum vorgesehenen, jedoch verworfenen Astnarbensäule in den Steinbrüchen der Prokonnesos s. N. Asgari, IstMitt 39, 1989, 49-53.

325 Und so wurde auch mehrfach an Anspielungen auf die Keule des Herakles gedacht: M. Schede, AA 1929, 335; Müller-Wiener 262 (Bildunterschrift Abb. 296); Mango, C'ple 44; Zur Deutung als Keule des Herakles: M. Restle, RBK IV, 1990, 704f. s. v. Konstantinopel; H. Lauter, BullCom 87, 1980/81, 50f. Vgl. L. Faedo, CorsiRavenna 29, 1982, 166, die auf die Heraklesangleichung in der zeitgleichen Literatur hinweist. Zur Astnarbensäule als Szepter: H. Meyer, Kunst und Geschichte, München 1983, 151ff.

329 Müller-Wiener 263. 33° R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 130ff. mit Abb. 131.

Das Theodosiusforum 191

heißt, daß es den westlichen großen Torbogen des Tauros HTLK,i1 ii,elcikri 64g) umwarf331. Auch das topographische Umfeld spricht dafür, daß es sich bei den ergrabenen Resten um die Überbleibsel des westlichen Zugangstor zum Tauros handelt; im Westen fällt das Gelände so stark ab, daß man das Theodosiusforum östlich der Toranlage lokalisieren muß — es sei denn, man nimmt eine sehr viel kleinere Anlage ail332 .

Daß das Theodosiusforum zwei Toranlagen hatte, ist auch anderen Quellen zu entnehmen. In den Patria werden Standbilder des Arkadius und Honorius erwähnt, die sich jeweils Ev Trj XtitKirn ötil)C81 euseeev T(.7.)v ,Neetßxglub.‚v p,e,y5ixwv Kii5vwv T(V TsTece81ol,wv befunden haben sol-len, also jeweils auf steinernen Bögen über den sehenswerten großen vierfachen Säulen333. Der Begriff c 4C,6es gab Anlaß zu unterschiedlichen Interpretationen. Schneider und Kollwitz sahen in ihnen halbkreisförmige Exedren, in denen sich die Standbilder der Kaisersöhne befunden hätten334. Naumann wiederum interpretierte die beiden seitlichen Bögen des von ihm ergrabe-nen Monuments als jene 648es335 . Beide Annahmen sind jedoch falsch, worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde. Der Begriff eak wird in den Patria stets im Sinne von Eingangs- und Tor-bogen verwendet. Die in der Patrianotiz erwähnten ärtlasS müssen also mit den Zugangstoren zum Theodosiusforum identisch sein336. Aber auch die übrigen Details der Beschreibung in den Patria passen vorzüglich zum archäologischen Befund, wie Berger bekräftigt. Die in den Patria genannten großen vierfachen Säulen können nur die im Quadrat angeordneten Astnarbensäulen sein337.

Theodosiussäule Auch die mit Spiralreliefs versehene Theodosiussäule wird im Regionen- verzeichnis als Bestandteil der 7. Region erwähnt: columnam Theodosii, intrinsecus usque ad summitatem gradibus perviam338. Daraus läßt sich eine Lage nördlich der Mese erschließen, zog sich doch diese Region von hier aus bis zum Goldenen Horn nach Norden339. Die Frage der Loka-lisierung der bis ins 16. Jh. aufrecht stehenden Säule wird in der Forschung kontrovers beurteilt. I. M. Angiolello sah sie noch 1477 beim Eski-Saray, dessen Areal später von der Universität über-nommen wurde34°. Kaum zu vereinbaren scheint diese Nachricht mit den Aufzeichnungen von

331 M. Guidi, RendLinc, ser. 5, Bd. 16, 1907, 6522; A.M. Schneider, ZNtWiss 40, 1941, 247. Der von Naumann zitierte Theophanes (Theoph. 23127) erwähnt nur das Herabfallen der Arkadiusstatue von dem Bogen des Tauros, der auf der linken Seite steht.

332 M. Schede, AA 1929, 332f.; Schneider, Byzanz 20; Becatti 88f. u. 97; C. Striker, The Myrelaion (Bodrum Camii) in Istanbul, Princeton / N.J. 1981, 7; Berger 325f.; Mango, C'ple 44; M. Restle, RBK IV, 1990, 704 s. v. Konstantinopel; Berger 325f.; unentschieden bleibt Müller-Wiener 263f.

333 Patria II, 47. 334 Schneider, Byzanz 20f.; Kollwitz, Oström. Plastik 7. Später korrigierte sich Schneider und ging von einer

Umschreibung für 'Bogentoreingang' aus: A.M. Schneider, ZNtWiss 40, 1941, 248. 335 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 129. Naumann zufolge hätten sich die Statuen des Arkadius und Honorius

auf diesen Seitenbögen befinden müssen. Doch widerspricht dem eindeutig die Angabe, daß die Statuen im Westen und Osten aufgestellt wurden; der Rekonstruktion Naumanns zufolge hätten sie sich jedoch im Norden und Süden befinden müssen.

336 So bereits Becatti 88f. 337 Berger 325f. 338 Not. 235 (Reg. VII). 339 Janin 52f.; Berger 148ff. 340 Zur Lokalisierung der Säule im Bereich des heutigen Universitätsgeländes: P. A. Dethier. *0 gy Kwvo-reorrt,

vovivact, `EXXrivi,K2) Evaaayos 3, 1867, 62-7; vgl. auch ders., Der Bosphor und Constantinopel, Wien 1873

192 Konstantinopel

P. Gyllius, der zwar die Säule nicht mehr sah — er kam ja erst 1544 nach Konstantinopel —, der

aber von älteren Stadtbewohnern die Information erhielt, sie habe sich beim Beyazit-Hamam

befunden, in dessen Fundamentsockel Reste der Reliefs vermauert sind341. Wann aber wurde

die Säule abgetragen? Die Nachricht bei Gyllius erweckt den Eindruck, als wäre die Säule von

Beyazit II. (1481-1512) abgetragen worden, um das Bad zu errichten, in dessen heute sichtbares

Fundament ja auch mehrere Relieffragmente vermauert wurden342. Unklar ist, wann Beyazit das

Bad errichten ließ. Geht man davon aus, daß er es zu Lebzeiten vollendete, mindestens aber

beginnen ließ, so müßte der Bau bereits im Jahre 1512 zumindest teilweise gestanden haben343.

Gelegentlich wird die Zerstörung der Säule mit dem Erdbeben des Jahres 1509 in Verbindung

gebracht, das der Säule schwere Schäden zugefügt haben so11344. Andererseits geht aus osmani-

schen Quellen hervor, daß die Säule erst 1517, also nach dem Tod Beyazits, bei einem Orkan

einstürzte und daraufhin abgetragen wurde345. Dies wird auch durch eine weitere Quellenstelle

unterstrichen, auf die K. Bittel aufmerksam macht: Alvise Mocenigo, ein venezianischer Gesand-

ter in Konstantinopel, war Augenzeuge des Unwetters am 10.11.1517 und sah die Zerstörung der

Säule346 . Diese Nachricht scheint der von Gyllius zu widersprechen. Es gibt nur eine Möglichkeit,

beide Überlieferungsstränge in Einklang zu bringen: Die Säule wurde schrittweise zerstört347.

Relieffragmente der 1509 erdbebengeschädigten Säule wurden bereits unter Beyazit II. verbaut;

die Säule stürzte 1517 endgültig ein. Doch bedeutet dies, daß das Bad nicht am Ort der Säule

steht348. Meist wird von der offenbar falschen Lokalisierung der Säule an der Stelle des Beyazit-Hamam

ausgegangen, die ja auch der Identifizierung der ergrabenen Bogenfundamente als westlichem

Zugangstor widerspräche349. Erst jüngst bemerkte Mango, daß durch die Vermauerung der Spi-

ralreliefs im Beyazit-Hamam noch kein Ortshinweis gegeben ist, und daß selbst P. Gyllius den

Sockel nicht mehr lokalisieren konnte und sich auf Augenzeugen berufen mußte35°. Er tendiert

zu einer Lokalisierung im Bereich des heutigen Universitätsgeländes, also nordöstlich der ergra-

benen Reste des Bogens, im Nordbereich des Forums. Schließlich zeige auch die Stadtansicht von

(Ndr. Kerpen 1981), Plan auf S.2; D. Essad, Constantinople, Paris 1909, 42. Zur Erstreckung des Eski-Saray jüngst A. Berger, IstMitt 44, 1994, 342ff.

341 Gyllius 3,6. 342 Vgl. Becatti 99. Indes beweist dies noch nicht die Lage der Säule, da die Relieffragmante nicht übermäßig

groß sind und somit leicht zu transportieren waren.

343 Zum Beyazit-Hamam s. Müller-Wiener 385-390. Müller-Wiener datiert den Baubeginn nach dem vollständi-gen Einsturz der Säule 1517.

344 Guilland, ttudes II, 59.

345 J. v. Hammer-Purgstall, Geschichte des Osmanischen Reiches, großentheils aus bisher ungenützten Hand-schriften und Archiven, II, Pest 1827-35, 527, 670.

346 K. Bittel, AA 1942, 80. I Diarii di Marino Sanuto, Venedig 1889 (Ndr. Bologna 1969), XXV, 273.

347 K. Bittel, AA 1942, 80f.

348 Anders Müller-Wiener 264, der davon ausgeht, daß das Bad erst nach 1517, also auch nach dem Tod Beyazits, errichtet wurde.

349 Z. B. Kollwitz, Oström. Plastik 4; K. Bittel, AA 1942, 78ff.; Guilland, Etudes II, 58f.; R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 132 (5. Eyice, IstMitt 8, 1958, 144, legt sich — entgegen der Angabe Naumanns — nicht auf einen Standort der Säule fest); S. Sande, ActaAArtHist 1, 1981, 2.

359 Mango, C'ple 45.

Das Theodosiusforum 193

Vavassore die Säule noch innerhalb des Eski-Saray, was ebenfalls eine Lage weiter östlich als das Beyazit-Hamam nahelege"'.

Die Frage nach der genaueren Lokalisierung der Säule muß angesichts des Fehlens weiterer

Anhaltspunkte offenbleiben. Doch darf man davon ausgehen, daß sie sich nicht im Bereich des Beyazit-Hamam befand.

Nymphäum Zwei Quellen deuten die Existenz eines Nymphäums auf dem Tauros an: In der Region 10 befand sich nach Ausweis der Notitia das Nymphaeum Maius. Möglicherweise ist dieses Nymphäum jene Brunnenanlage, die Valens Sokrates und Kedrenos zufolge im Jahre 372/373 auf dem Tauros errichten ließ352 . Und wahrscheinlich ist dieses Nymphäum mit den ergrabenen

Resten einer Exedra und Pfeilerhalle identisch, die nordwestlich der Bogenfundamente gefunden wurden (Abb. 62). Doch gehörte diese Anlage nicht eigentlich zum Forum Theodosianum353.

Daß sich am Tauros fließendes Wasser befand, wird bereits durch die Zisternen im Forums-bereich nahegelegt354 .

Exedren? Mehrfach liest man, daß sich auf dem Theodosiusforum Exedren befanden. Zum einen sah man fälschlicherweise in den quellenschriftlich erwähnten ä(SeS Exedren, zum ande-ren folgerte man aus den angeblichen Analogien zum Trajansforum unzulässigerweise, daß auch das Theodosiusforum solche Halbkreisportiken besessen haben müßte355. An der Stelle der neu-errichteten Bibliothek der Universität, also östlich des Beyazit-Hamam und nördlich der Bogen-

fundamente, fanden sich drei Architravblöcke, die eine Krümmung aufweisen, aus der sich ein Radius von ca. 3,60 m ergibt (Taf. 22.3)356. Dadurch wird ausgeschlossen, daß diese Epistylblöcke zu der Exedra gehörten, die nordwestlich der Bogenfundamente ergraben wurde. Statt dessen ist

davon auszugehen, daß diese Gebälkstücke zu den Apsiden der Basilica Theodosiana gehörten357. Solche Apsiden ('@)4XtIe.) werden bei Kedrenos erwähnt; sie befanden sich an den Schmalseiten des Baus358.

c. Rekonstruktion der Forumsanlage und ihrer Ausdehnung

Die Ausmaße des Theodosiusforums wurden in der älteren Forschung häufig überschätzt, und

nicht selten eine monumentale Platzanlage rekonstruiert, die in der Antike nicht ihresgleichen gehabt hätte. Schneider ging von einer Ausdehnung von ca. 450 m x 360 m aus (!), und auch bei Janin ist von einer 450 m x 300 m großen Anlage zu lesen359 . Wie bereits erwähnt zwang die

351 Mango, C'ple Abb. 6. Anders jüngst A. Berger, IstMitt 44, 1994, 344. 352 Not. 238 (Reg. X); Sokr., PG 67, 477A; Kedr. 1,54316. So Schneider, Byzanz 18, und Janin 55. Anders

offenbar R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 133 (Abb. 8), der in seiner Planskizze die 10. Region nicht an das Forum heranführt.

353 S. u. S. 195. Die von Schneider vorgeschlagene Lokalisierung dieses Nymphäums bei einer Zisterne, die sich heute im Universitätsgelände befindet, ist abwegig

354 Zu diesen Zisternen vgl. E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 256f.; A. Pasadaios in: Xciet,cmjet.ov A.K. Orlan-dos, Athen 1965, I, 187-192; E. Atacery, AyasofyaMüzYil 6, 1965, 67-73; N. Firath, IstanbAMüzYil 13/14, 1966, 227f. Taf. 62 (Angaben nach Müller-Wiener 264).

355 Vgl. hierzu S. 196f. 356 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 136 (Abb. 10 Taf. 34,1-3). 357 Vgl. R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 136. 358 Kedr. I, 61020f.: ... (TÜV TOtg 14.6.crEeCi 15.0tT& TÖ ciliCkTOXLIChV KOtt 81.YrIM61/ `l0LX(.011). S.O. S. 189f.

359 Schneider, Byzanz 22; Janin 68.

Nymphaeum Maius

Forum Theodosianum

Columna Theodosii

El

Equus

Theodosii

El

Equus

Arcad H

Regio X Regio VII

194 Konstantinopel

-7-72711

5.11 B EYA ZIT HAMAPAI

O

LL M. N.

THEODOSIUS -

M ESE

BOGEN

0 10 20

Abb. 62. Theodosiusforum, archäologischer Befund nordwestlich der Toranlage.

I Regio VIII

Basilica Theodosiana

Abb. 63. Theodosiusforum, Rekonstruktion.

Das Theodosiusforum 195

stillschweigend vorausgesetzte Plazierung der Säule an die Stelle des Beyazit-Hamam Naumann dazu, die Platzanlage so weit nach Westen zu verlegen, daß der ergrabene Bogen, der sicherlich ein Zugangstor war, zu einem isolierten Monument auf dem Forumsplatz werden mußte36°. Naumann verlegte die Westgrenze in den Bereich zwischen Bad und den noch weiter westlich gelegenen Universitätsbau361. Kehren wir für einen Moment zur Naumannschen Rekonstruktion zurück.

Als problematisch für diese Rekonstruktion der Westgrenze des Forums erwies sich der Wi-derspruch zwischen den Quellennotizen und dem archäologischen Befund. Naumanns Rekon-struktion des Tauros wird außerdem kompliziert durch den Fund einer Pfeiler- bzw. Säulenhalle, deren Fundamentreste sich westlich des Beyazit-Bades und nordwestlich an den Theodosius-bogen anschließend befinden (Abb. 62)362. Nach dem spärlichen Befund scheint es sich um eine nördlich an die Mese angrenzende Hofanlage zu handeln, die auf drei Seiten von Säulenhallen begrenzt wurde; die Nordhalle besaß eine Exedra.

Der Bau, den Naumann in Übereinstimmung mit Mamboury in mehrere Bauphasen unter-teilt, würde nach seiner Rekonstruktion einen empfindlichen Eingriff in die Platzanlage bedeuten und diese in zwei Hälften teilen. Bezugnehmend auf Guilland erinnert er an eine mögliche Tei-lung des Forums in ein Forum Theodosii und ein Forum Tauri363. Dieser komplizierten Erklärung steht, wie bereits betont, entgegen, daß der Theodosiusbogen, wie sich aus den Hinweisen in den Patria ergibt, ein Zugangstor der Anlage sein muß, und zwar höchstwahrscheinlich das westliche. Auch die nicht gesicherte Lage der Theodosiussäule, die sich auch weiter östlich, d. h. östlich des Bogens, befunden haben könnte, spricht gegen Naumann, sowie außerdem die Tatsache, daß die von Guilland vertretene Hypothese einer Teilung des Forums in ein Forum Tauri und ein Forum Theodosii sich an der Regioneneinteilung orientiert, also einen Nordteil (Reg. 8) und einen Südteil (Reg. 7) fordert und nicht, wie es sich aus den Überlegungen Naumanns ergäbe, einen West-und einen Ostteil. Als Gegenthese ließe sich vielmehr vermuten, daß die ergrabene Pfeilerhalle, trotz ihrer möglicherweise theodosianischen Datierung, gar nicht zur eigentlichen Forumsanlage gehörte und vom eigentlichen Forumsbereich durch die von Norden auf den Bogen hin verlaufende Mauer getrennt wurde364. Statt dessen ist vielmehr anzunehmen, daß es sich bei der Pfeilerhalle mit der Exedra um das Nymphäum gehandelt hat, das unter Valens begonnen wurde und sich in der 10. Region befand. Dafür spricht nicht nur der archäologische Befund — man fand unter dem Pflaster Wasserkanäle, die an der Bogenmauer der Exedra enden365 —, sondern auch die Typolo-gie dieses Baus, der sich gut anderen Brunnenanlagen an die Seite stellen läßt366 . Doch gehörte dieses monumentale Nymphäum nicht eigentlich zum Theodosiusforum, sondern schloß westlich

36° S.o. S.195. 361 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 132. 362 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 117-126 (Abb. 3-5). 363 Guilland, Etudes II, 57; R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 135. 364 Zu dieser Mauer R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 125. Naumann vermutet, daß diese Mauer die Trennwand

zwischen zwei Hallen darstellt. Im Anschluß an Mamboury, aus dessen Aufzeichnungen offensichtlich zitiert wird, datiert Naumann diesen Mauerabschnitt ins ausgehende 6. Jh. Da sich diese Datierung lediglich auf eine Analyse des Mauerwerks gründet, muß sie wohl fraglich bleiben.

365 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 124. 366 Vgl. hierzu den umfangreichen Katalog von W. Letzner, Römische Brunnen und Nymphaea in der westlichen

Reichshälfte, Münster 1990, bes. 143-145.

196 Konstantinopel

an dieses an. Die Westmauer des Theodosiusforums bildete also die Grenze zwischen 10. und 7.

Region (Abb. 63).

Wenden wir uns der Südgrenze zu: nach Naumann markieren die Reste, die westlich des Sim-

ke§ Han, also westlich der Bogenfundamente, gefunden wurden, die Südgrenze des Forums367.

Nach dem bisher Gesagten wird man hier jedoch widersprechen müssen und in den Resten Fun-

damentierungen für Portiken entlang der Südseite der Mese westlich des Theodosiusforums sehen

wollen. Die Südgrenze des Theodosiusforums dürfte sich allerdings auf derselben Höhe befunden

haben, wie der archäologische Plan Müller-Wieners zeigt, in dem die Befunde im Bereich des

Tauros eingezeichnet sind368. Hier sind südlich der Beyazit Medrese, also östlich des Bogenfunda-

ments, Reste von Substruktionskammern eingetragen, jedoch ohne weitere Kommentierung369.

Da an dieser Stelle das Gelände stark abfällt, dürfte damit auch dem südlichen Rahmen des

Theodosiusforums eine Grenze gesetzt sein: möglicherweise trugen diese Substruktionen, die

nach beiden Seiten hypothetisch zu verlängern sind, Säulenhallen.

Über die Ostgrenze des Tauros sind keinerlei Anhaltspunkte gegeben: Der Geländeverlauf

setzt einer durchaus möglichen weiteren Erstreckung nach Osten keine Grenze.

Auch die Nordgrenze des Forums kann nicht genau bestimmt werden. Schneiders falsche

Lokalisierung des Nymphaeum maius bei einer Zisterne nahe der Südwestecke des Universitäts-

gebäudes führte zur Rekonstruktion einer Forumsanlage gigantischen Ausmaßes370. Die Platzan-

lage hätte sich über 400 m nach Norden erstreckt und obendrein noch ca. 5m Niveauunterschied

überbrücken müssen371.

Tatsächlich war der Platz wohl wesentlich kleiner. Schließlich besitzen wir mit der Anga-

be der Länge der Basilica Theodosiana, die Kedrenos zufolge knapp 80 m betragen haben soll,

einen gewissen Anhaltspunkt für die Erstreckung der Anlage. Zwar gibt diese Zahl nur eine mi-

nimale Erstreckung der Platzanlage, doch ist auch nicht anzunehmen, daß das Theodosiusforum

wesentlich über die an der Südseite befindliche Basilika hinausgriff.

Aufschlüsse über die Form des Theo dosiusforums erhoffte man sich aus einem Vergleich mit

dem Trajansforum in Rom372. Es ist bekannt, wie sehr Konstantius II. bei seinem Rombesuch

im Jahre 356 über das Trajansforum staunte, und es ist nicht auszuschließen, daß die Idee zur

Errichtung einer vergleichbaren Anlage aus dieser Zeit stammt373. Auch Theodosius I. besuchte

388 Rom und hat mit Sicherheit das Trajansforum kennengelernt — allerdings war der Bau

367 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 135f. 368 Müller-Wiener 260f. (Abb. 294). 369 Müller-Wiener betrachtet diese Substruktionskammern ebenfalls als Bestandteil des südlichen Terrassierungs-

systems des Forum Tauri: Müller-Wiener 259, Bildunterschrift zu Abb. 291.

379 Byzanz 22 Anm. 14. Plan E6. Zisterne auf dem Plan Müller-Wieners im Planquadrat E6, bei Kapudan Ibrahim Pa§a Camii (Nr. 20). P. Forchheimer / J. Strzygowski, Die byzantinischen Wasserbehälter von Konstantinopel, Wien 1893, lila.

371 Vgl. auch die Rek. bei P. Verzone, MonAnt 43, 1956, Abb. 47. In einer solchen Anlage hätte das Trajansforum mit seinen insgesamt 300 m x 185 m bequem Platz finden können.

372 Schneider, Byzanz 21; W. Hartke, Römische Kinderkaiser, Berlin 1951, 333f. (Hartke liefert zugleich den ideologischen und programmatischen Hintergrund: ibid. 324-351); Kollwitz, Oström. Plastik 7f.; Th. Kraus, RM 81, 1974, 118; Mango, C'ple 43ff.; J. Engemann, RAC 14, 1988, 984f. s. v. Herrscherbild. Vorsichtiger Becatti 88f. und M. Restle, RBK IV, 1990, 403 s. v. Konstantinopel. Der Gedanke findet sich bereits bei Petrus Gyllius 3, 6.

373 Amm. Marc. 16. 10, 15. S. o. S. 129f.

Das Theodosiusforum 197

des Theodosiusforums zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend abgeschlossen. Als zusätzliches Argument wird angeführt, daß Theodosius wie Trajan aus Spanien stammte und dieser jenem auch in der Panegyrik gleichgesetzt wurde374. Jüngst erst versuchte Mango den Nachweis zu erbringen, daß sich die Säule nördlich der westöstlich ausgerichteten Halle befand, die ihrerseits nördlich der Mese lag und als nördliche Platzgrenze einen eigenen Hof für die Säule abteilte, mit anderen Worten: daß also enge konzeptionelle Analogien zum Trajansforum bestanden375. Die im nördlichen Bereich befindliche Säule sei durch die westöstlich gelegene Basilica Theodosiana vom übrigen Forum abgetrennt gewesen376 .

Mangos Rekonstruktion postuliert eigenartige Regionengrenzen. Die Region 8, zu der ja auch die Basilika zählt, hätte sich über die Mese hinaus nach Norden erstreckt. Statt dessen wäre doch vielmehr anzunehmen, daß die Mese die Grenze zwischen Region 7 und Region 8 bildete. So wird man eher davon ausgehen müssen, daß die Basilika südlich der Mese lag; die eingangs genannte pars Tauri ist einfach der schmale Abschnitt des Theodosiusforums südlich der Mese.

Versuchen wir also eine graphische Rekonstruktion der Anlage unter folgenden Prämissen (Abb. 63): Das Forumsareal befand sich östlich der Bogenfundamente und erstreckte sich wohl in den Bereich des heutigen Universitätsgeländes hinein. Die fast 80 m lange Basilika lag südlich, der Hauptteil des Platzes nördlich der Mese. Die ergrabene Pfeilerhalle mit Exedra, das Nymphäum maius, schloß westlich an die Platzanlage an, gehörte also nicht zum eigentlichen Forum377 . Säule und Reiterstandbilder (Theodosius I. und Arkadius) befanden sich nördlich dieser Straße. Die Säule erhob sich im Bereich des ehemaligen Eski-Saray. Säule und Reiterstandbilder standen in optischem Bezug zueinander378 .

d. Ausstattung

Theodosiussäule Den Quellen zufolge wurde mit der Errichtung der Säule im Jahre 386 be- gonnen. Erst 393/4 erhielt sie ihre bekrönende Statue: das Standbild Theodosius' 1.379 . Unsere Kenntnis über die Theodosiussäule ist gering, da im Gegensatz zur Arkadiussäule keine sicher zuweisbaren zeichnerischen Reproduktionen existieren. Den Quellen, allen voran die im folgenden zitierte Beschreibung des Konstantinos Rhodios und des von ihm abhängigen Kedrenos, lassen sich nur allgemeine Informationen entnehmen38°:

Die glänzende Säule des Tauros, welche der berühmte Arkadius vor alter Zeit gründete, urn alle Heldentaten, Siege und unvergleichlichen Schlachten des Vaters zu verherrlichen, soll jetzt den sechsten Rang einnehmen. Sie trägt an allen Seiten Reliefs, die in schönster

374 Pacatus, III. 12, 4 p. 71ff. Galletier; Claudian, de IV. cons. Honorii v. 18-20 (= MGH AA 10, 151); Aur. Vict., Caes. 48, lff. Zu den Textstellen Becatti 83f. Gleichsetzung des Trajan und des Theodosius auch bei Orosius 7.34, 2ff. Allg. zur Vorbildhaftigkeit des Trajan s. Hartke, a. 0. 324ff., und R. Syme, Emperors and Biography: Studies in the Historia Augusta, Oxford 1971, 89-112.

375 Mango, C'ple 45. 376 Auf Plan II der Publikation Mangos erscheint ein graphischer Rekonstruktionsversuch der Anlage. 377 Nachtrag: A. Berger vertritt neuerdings eine Lokalisierung des Theodosiusforums gerade in dieser dreiseitigen

Pfeilerhalle, also westlich der ergrabenen Bogenfundamente: A. Berger, Tauros e Sigma. A proposito di due piazze a Costantinopoli, in: Bisanzio e l'Occidente: arte, archeologia, storia (= FS F. de'Maffei), im Druck.

378 Kedr. I, 5666-9. 379 Stichel 85ff. Nr. 57. 389 Konst. Rhod. v. 202-218; Kedr. I, 5664-9.

198 Konstantinopel

Weise gestaltet und wohlgeformt sind (- a.patc Te -164g ii,CALo-Tot avvTe-rongveag eic K&XXoq

eiry\int-rous), und mannigfache Gemetzel an den barbarischen Skythen wie auch ihre auf

einmal zerstörten Städte. Aber was für ein verborgenes Wunder trägt sie im Inneren?

Einen festgefügten Weg, der nach oben führt zur Spitze der großen Säule, für die, die

leicht hinaufsteigen und wieder nach unten umkehren wollen. Und auch ich bin vor langer

Zeit diesen Weg hinaufgestiegen, weil ich mich danach sehnte, von oben auf die gepriesene

Stadt hinabzuschauen, auf ihre Länge und Breite, wie viel sie auch ausmacht.

Daß es sich um eine Reliefsäule handelte, geht aus den Passagen bei Konstantinos und Kedre-

nos eindeutig hervor; wenn Kedrenos an anderer Stelle von der Gleichartigkeit des Xerolophos

und des Tauros spricht, meint er wohl auch die Ähnlichkeit der Reliefsäulen381. Konstantinos

zufolge soll Arkadius seinem Vater Theodosius zu Ehren die Säule errichtet haben, um dessen

Heldentaten zu verherrlichen. Dies ist jedoch falsch, wie aus der entsprechenden Kedrenospas-

sage hervorgeht, die gerade hier Konstantinos Rhodios korrigiert und Theodosius als Bauherrn

nennt. Auch über das Thema der auf den Reliefbändern dargestellten Ereignisse informieren die

beiden Autoren: Auf den umlaufenden Reliefs sah man die Schlachten gegen die Skythen sowie

die siegreiche Zerstörung ihrer Städte.

Die im Louvre aufbewahrten Zeichnungen eines Triumphzugs nach Konstantinopel gerieten in

den Verdacht, Ausschnitte aus den Reliefs der Theodosiussäule wiederzugeben382. Doch zeigt der

Vergleich dieser Zeichnungen mit den Freshfield-Zeichnungen der Arkadiussäule, daß es sich um

die — mißverstandene — Wiedergabe eines Ausschnitts dieser Säule handeln muß. Einziger sicherer

Anhaltspunkt für das Aussehen der Theodosiussäule sind die in das Fundament des Beyazit-

Bads vermauerten und die im Archäologischen Museum befindlichen Relieffragmente (Taf. 22.4-

0383. Sie zeigen in der Mehrzahl bewaffnete Soldaten. Die Darstellungen eines Stadttors (oder

einer anderen Architektur?), eines mit Soldaten besetzten Schiffs und sich (vor dem Kaiser?)

verbeugender Soldaten zeigen, daß im wesentlichen die Themenbereiche aufgegriffen wurden, die

auch später auf der Arkadiussäule dargestellt werden sollten.

Reiterstandbild Theodosius' I. Dem Regionenverzeichnis zufolge sah man auf dem Forum

equites magnos duos384. Ihre Nennung zwischen der Theodosiussäule und der pars eiusdem fori

läßt als gesichert erscheinen, daß sich diese beiden Reiterstandbilder auf dem Forum befanden.

In den übrigen Quellen ist von einer Reiterstatue Theodosius' I. sowie von einer weiteren des

Arkadius die Rede.

Genauere Angaben liegen nur über das Reiterstandbild des Theodosius vor, das sein Sohn

Arkadius stiftete385. Kedrenos beschreibt, daß sich die Reiterstatue Theodosius' I. cocr& Tö 64.po-

Soy befunden habe386. Über diese Wendung ist viel nachgedacht worden. Th. Reinach und Th.

Kraus dachten an eine Umschreibung für Platz; J. Engemann hielt es gar für möglich, daß sich

381 Kedr. I, 5673f.

382 Die Überlieferungsgeschichte der Zeichnungen sowie deren forschungsgeschichtliche Beurteilung bespricht Becatti 111f.

383 S. Sande, Some New Fragments From the Column of Theodosius, ActaAArtHist 1, 1981, 2-78; Firath Nr. 55-60.

384 Not. 235 (Reg. VII). 385 Arkadius als Stifter erwähnt Konst. Rhod. v. 219ff. 386 Kedr. I, 5666f.

100- -7.20

Das Theodosiusforum 199

10

Abb. 64. Theodosiusforum, Rekonstruktion der Toranlage nach W. Müller-Wiener.

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Abb. 66. Theodosiussäule: Ausschnitt aus dem Stadtplan Valvassores.

Abb. 65. Reiterstandbild Theodosius' I., Rekonstruktion nach P. A. Dethier.

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200 Konstantinopel

diese Angabe auf eine mittelalterliche Straßenführung bezieht387. Erst ein Blick in die Beschrei-

bung der Sieben Wunder bei Konstantinos Rhodios, von dem ja Kedrenos abschreibt, erhellt

die Bedeutung dieser Wendung. Hier ist zu lesen, daß sich das Reiterstandbild µöS dtKedotemv

ge.po8ov µg-la, also auf einem hohen Sockel, der von zwei Wegen durchschnitten wird, erhob.

Damit kann nur ein auf vier Pfeilern bzw. Säulen ruhender Sockel gemeint sein, durch den man

hindurchschreiten konnte. Einen solchen hatte bereits 1867 P. A. Dethier rekonstruiert, aller-

dings unter Bezugnahme auf einen archäologischen Befund und eine Quellennotiz, die nicht auf

das Reiterstandbild zu beziehen sind (Abb. 65)388. Als mögliches Vergleichsmonument wäre das

Reiterstandbild des Niketas auf dem Forum Constantini zu erwähnen, das sich KOL'ainzcges tuövwv

befand389 . Daß sich der Reiter inmitten des Platzes befunden haben muß, geht wiederum aus

den Patria hervor (go-ov Se TT ezaiW39°. Nur Kedrenos sagt explizit, daß es sich um eine

Reiterstatue Theodosius' I. handelte, die Patria und Niketas Choniates erwähnen legendenhafte

Deutungen als Josua oder Bellerophon391.

In der Anthologia Palatina hat sich eine Widmungsinschrift erhalten, die wohl auf dieses

Standbild zu beziehen ist392:

'Ersi3oee (inrro\4.3e, yoteo.p6eo &xxo, oeuscsate, Ih1-Fot74 itacyö ga01), A1tI6eUP,E,

'91SZCZVÖll Iteee& 700-0- ,V Exum FieT'azdeova

II6.v-roeev odry\iieL, KEKoeut3p,gvo, 6t-IXozöv Zintov

Kea, byo-6p,evov Kccreg6wiv.

Fernher von Osten erstrahltest du, zweite lichtbringende Sonne,

Gnädig der Menschheit, du, Theodosios, Mitte des Himmels

Dir zu Füßen die riesige Erde, vom Weltmeer umflossen,

Allseits umglänzt, du mutiger Kämpfer im Helm, der du ohne

Mühe dein Streitrot zügelst, mag es auch vorstürmen wollen!

Unter dem Huf des Pferdes befand sich eine kniende Figur, ein besiegter Barbar, wie aus der

Patrianotiz hervorgeht393. Den Sockel umzogen sicherlich Reliefs, die Schlachten o. ä. zeigten; nur

so ist die von den Patria überlieferte Legende zu erklären, auf dem vierseitigen Sockel hätten sich

Reliefs mit der Darstellung des Endschicksals der Stadt befunden. Drei Autoren, Konstantinos

Rhodios, Kedrenos und Niketas Choniates, nennen die Ausrichtung des Reiterstandbildes394 .

Wie bereits erwähnt sind sich Konstantinos Rhodios und der von ihm kritisch abschreibende

Kedrenos in diesem Punkt einig. Der Kaiser wies mit seiner Rechten zur Stadt erzelb Tfiv 76XL,v)

und zugleich auf die in die Säule gehauenen Trophäen (Kat 8ELKvi) T& h-lc-Igotppgvez -r(Zi aray

387 Th. Reinach, REG 9, 1896, 77 mit Anm. 3 (Sdr. 46 mit Anm. 3); Th. Kraus, RM 81, 1974, 118; J. Engemann, RAC 14, 1988, 984 s. v. Herrscherbild.

388 P. A. Dethier, Nouvelles &couvertes archeologiques faites ä Constantinople, Konstantinopel 1867, 17ff. Vgl. hierzu C. Mango, Travl\Um 12, 1994, 345ff.

389 Nikeph. 5. S. o. S. 178. 39° Patria 11, 47. 391 Nik. Chon. 64323 ff, u. 64961-65. 392 Anth. Pal. 16, 65. Übs. n. H. Beckby, Anthologia Palatina, IV, München 1958, IV, 337.

393 Patria II, 47. 394 Vgl. Berger 326f.

Das Theodosiusforum 201

Te61rotuct)395 . Lassen sich diese beiden Angaben nicht als Hinweis auf eine bestimmte Himmels-richtung interpretieren, so behauptet Niketas Choniates, die Hand des Reiterstandbilds habe in Richtung untergehende Sonne (teög LOV bS,TCiCTEL xeteö 181 813o- u 7zoed(24 also nach Westen gewiesen396. Dies deutet auch der erste Vers der Widmungsinschrift an.397.

Warum liegen nur Informationen über das Reiterstandbild des Theodosius vor, wenn sich doch zwei solche Bildwerke auf dem Tauros befunden haben sollen? Justinian ließ eine wieder-verwendete Reiterstatue auf der Säule im Augusteion aufstellen. Nach Malalas soll Justinian ein Reiterstandbild des Arkadius wiederverwendet haben, das sich auf dem Tauros befand398. Zum Zeitpunkt der Einweihung des Forums standen also zwei Kaiser zu Pferd auf der Platzanlage, Theodosius I. und Arkadius. In justinianischer Zeit wurde das des Arkadius entfernt, während das des Theodosius an seiner Stelle blieb und erst 1204 eingeschmolzen wurde399.

Weitere Standbilder auf dem Theodosiusforum Die wesentlichen Ausstattungselemente des Theodosiusforums waren die Säule mit der Statue Theodosius' I. sowie die beiden Reiterstand-bilder Theodosius' I. und seines Sohnes Arkadius. Jene vom Verfasser der Patria fälschlicherweise auf den Tauros bezogene Nachricht von Reiterstandbildern des Theodosius II., Arkadius und Ha-drian muß als unzutreffend angesehen werden: eine Darstellung Hadrians zu Pferd existierte auf dem Theodosiusforum nicht400. In den Parastaseis und den Patria wird noch ein Reiterstandbild Aspars erwähnt, das sich im Bereich des Tauros (b) Totg Tcyi)gov) befand491.

Schließlich wird überliefert, daß Anastasius auf der Säule seine eigene Bronzestatue aufstellen ließ. Marcellinus Comes, Malalas und Theophanes berichten, daß dieser Kaiser im Jahre 506 die bereits 480 infolge eines Erdbebens herabgestürzte und zerstörte Statue des Theodosius durch sein eigenes Kolossalbild ersetzen ließ, für dessen Guß er zahlreiche andere Bildwerke einschmolz492 .

Auf die Standbilder der Söhne des Theodosius I., die sich auf den Zugangsbögen des Forums befanden, wurde bereits eingegangen. Der westliche Bogen trug eine Statue des Honorius, der östliche eine des Arkadius493. Des weiteren soll auf dem westlichen Bogen ein 'verzaubertes Mückennetz' nebst Bronzebildnissen von Mücke, Fliege und Wanze zu sehen gewesen sein". Mit Berger wird man hier wohl ein Insektenapotropäum vermuten.

395 Kedr. 1, 5668f. ; Konst. Rhod. v. 237ff. 396 Nik. Chon. 64962f. 397 C. Mango, TravM6m 12, 1994, 346. 398 Joh. Mal. 48214-17- 399 Berger 326 u. 494f. vermutet, daß das von den mittelbyzantinischen Quellen erwähnte Reiterstandbild in

Wirklichkeit seinem Enkel Theodosius II. gewidmet war. Bergers Ansicht stehen die Quellenerwähnungen entgegen, die sämtlich das auf dem Tauros verbliebene Reiterstandbild Theodosius I. zuschreiben (Kedr. I, 5664 ff.; Patria II, 47). Das gilt insbesonders für Konstantinos Rhodios, der von der Beschreibung der Säule übergeht zur Beschreibung des Reiterstandbildes. Er erwähnt explizit, daß es sich um ein Werk des Arkadius für seinen Vater handle (Konst. Rhod. v. 219-240).

400 Noch Schneider, Byzanz 20, vermutete, daß es sich um ein Reiterstandbild Gratians handelte, das aufgrund der Namensähnlichkeit als das des Hadrian in die Quellen einfloß.

401 Par. 14; Patria II, 99. 402 Marc. Com. 92 (an. 480); Marc. Com. 96 (an. 506); Joh. Mal. 3853_5 u. 40022-4018; Theoph. 14910-14. Stichel

103 Nr. 124 (mit allen Quellenangaben). 403 Patria II, 47. 404 Patria III, 200.

202 Konstantinopel

Archäologische Funde Die auf dem Tauros gemachten archäologischen Funde beschränken sich

auf jenen berühmten Kopf eines jugendlichen Kaisers, der meist unter der Benennung `Arkadius'

erwähnt wird, aber wohl als ein Bildnis Theodosius' II. zu gelten hat, den Tierkampffries, der

möglicherweise zu einem Gebäude des Forum Theodosii gehörte, einen Fries mit einem Löwen

und einem Stier, dessen Reliefstil auf das 8. / 9. Jh. deutet, sowie eine Orpheusstatuette und

Marmorkapitelle, die beim Simke§ Han gefunden wurden4m.

e. Weitere Geschichte

Die Geschichte des Theodosiusforums ist zumindest für die byzantinische Zeit eine Geschichte der

Reparaturen. Beim Erdbeben des Jahres 407 fielen Ziegel des Theodosiusforums auf die Kirche

der Kainoupolis4°6. Erdbebenschäden sowie den Einsturz von Teilen des Forums erwähnen für

das Jahr 447 Marcellinus Comes und Theophanes407. 462 wurde die Basilica Theodosiana bei

einem Stadtbrand zerstört408. Für eine anschließende Wiederherstellung gibt es keine positiven

Hinweise409. Wie eben erwähnt ersetzte Anastasius die 480 herabgestürzte Kaiserstatue 506 durch

eine neue. Justinian entfernte 543 die auf dem Tauros befindliche Reiterstatue des Arkadius41°.

557 fiel das Standbild des Arkadius vom östlichen Bogen herab411. Das schwere Erdbeben des

Jahres 599/600 brachte den westlichen Torbogen zumindest teilweise zum Einsturz412 . Daraufhin

reduzierte man die beschädigte Toranlage auf einen Durchgang. Nach einer langen Pause setzen

die Nachrichten über den Tauros erst wieder in lateinischer Zeit ein.

f. Funktion

Wie bereits das Konstantinsforum bot sich also auch das Theodosiusforum an als administratives

und kommerzielles Zentrum und sei es auch nur für einen bestimmten Stadtteil. Die Lage an

der Mese machte diese Platzanlage zugleich zu einem Ort protokollarischer Handlung und des

Empfangs.

Die Nachrichten über eine Nutzung des Forumsareals als Markt sind verhältnismäßig spät und erlauben nicht unbedingt einen Rückschluß auf die frühbyzantinische Zeit. Einer Patrianotiz

zufolge diente der Forumsbereich seit Konstantin V. Kopronymos (741-775) als Viehmarkt413.

Gleiches geht aus dem Eparchenbuch hervor, dessen Grundsubstanz aus der Zeit Leons VI. (886-

405 `Arkadius': N. Firath, A Late Antique Imperial Portrait Recently Discovered at Istanbul, AJA 55, 1951, 67ff.; H. G. Severin, Zur Porträtplastik des 5. Jahrhunderts n. Chr. (= MiscByzMon 13), München 1972, Kat. Nr. 2. 17-20; M. Restle, RBK IV, 1990, 708 s. v. Konstantinopel; Firath Nr. 5; J. Meischner, JdI 106, 1991, 398. Tierkampffries: Firath Nr. 268. Fries mit Löwen und Stier: Firath Nr. 269. Orpheusstatuette: Firath Nr. 41. Kapitelle: N. Firath, IstanbAMüzYil 4, 1950, 17f. u. 61 (Abb. 13 u.14); Museum Istanbul Inv. Nr. 4935 u. 4936.

406 Chron. Pasch. 5703-6. 407 Marc. Com. 82 (an. 447); Theoph. 1262. 408 Kedr. I, 6111f.; Joh. Zon. III, 12416ff.

409 Speck, Universität 98 Anm. 37. 410 Joh. Mal. 48214_17. 411 Theoph. 23127. St. Casson / D. Talbot-Rice, Second Report upon the Excavations Carried out in and near

the Hippodrome of Constantinople in 1928, London 1929, 37. 412 M. Guidi, RendLinc, ser. 5, Bd. 16, 1907, 6522; A. M. Schneider, ZNtWiss 40, 1941, 247. 413 Patria III, 149.

Das Theodosiusforum 203

912) stammt414. Zu dieser Zeit wurde den xoLegirroecn (Schweinemetzgern) der Tauros als Ver-kaufsplatz zugewiesen415. Zwischen Ostern und Pfingsten fand hier auch Verkauf von Lämmern statt416 . Einzelne Baureste deuten eine Überbauung von Teilen des Forums an417. Aus welcher Zeit diese Überbleibsel stammen und ob es sich hierbei vielleicht um die Reste von Läden handelt, kann nicht gesagt werden.

In den Patria wird erwähnt, daß Theodosius auf dem Tauros fremdländische Gesandte emp-fing418. Dem 416 aus Herakleia in Thrakien zurückkehrenden Theodosius II. wurde hier vom Stadtpräfekten Ursos und vom Senat das aurum coronarium überreicht419. Eine Passage im Zeremonienbuch zeigt, daß hierin nicht nur eine einmalige Begebenheit, sondern eine feste Ein-richtung zu sehen ist. In dieser Quellenstelle wird vorgeschrieben, daß dem Kaiser, wenn er auf dem Landweg heimkehrt, das aurum coronarium auf dem Theodosiusforum überreicht werden müsse42°.

Daneben wurde auch versucht, den Tauros als Sitz des Senats zu etablieren. Dies erscheint zunächst seltsam angesichts der Tatsache, daß sich bereits auf dem Augusteion und dem Kon-stantinsforum jeweils ein Senatssitz befand. Die Hinweise darauf, daß das Theodosiusforum bzw. die Basilica Theodosiana auch den Senat Konstantinopels beherbergte, beschränken sich auf eine Stelle bei Kedrenos421. Es ist bezeichnend, daß Kedrenos diese Information unmittelbar an die Erwähnung des Senats auf dem Konstantinsforum anfügt, der seinen Worten nach ebenfalls als Ort der Beratung der Stadtverordneten unter dem Vorsitz des Kaisers in der Tracht des Konsuls diente. Offenbar bestanden zwischen dem Augusteion, dem Konstantinsforum und dem Theodosiusforum Funktionsüberschneidungen. Wie das Konstantinsforum wurde auch das Theo-dosiusforum nicht als zweckfreies, ausschließlich repräsentatives Monument angelegt, sondern als Ort mit administrativen und politischen Funktionen.

4. Das Arkadiusforum

Das Arkadiusforum begegnet in den Schriftquellen nur selten unter der Bezeichnung .p6 os e,„,61,04K6022 Sokrates nennt die Anlage arloeix 'A ence8Czu423 und Marcellinus Comes erwähnt

nur indirekt die Bezeichnung `Arkadiusforum'424. Dagegen verwendet der Verfasser des Regio-nenverzeichnisses den Namen Forum Theodosiacum, und auch in den Patria begegnet die Be-

414 A. Stöckle, Spätrömische und byzantinische Zünfte (= Beiheft 9 Klio), Leipzig 1911. 415 Ep. Bibl. 16, 2f. Stöckle, a. 0. 43 u. 80. 416 Ep. Bibl. 15,5 u. 16,2. Stöckle, a. 0. 43 u. 100. 417 Müller-Wiener 262 (Plan Abb. 294). 418 Patria II, 47. Diese Funktion könnte dieser Bereich bereits in konstantinischer Zeit besessen haben, da hier

angeblich Paläste für fremdländische Gesandte errichtet wurden. 419 Chron. Pasch. 5741_5. Mit der Bezeichnung ®co6oaieeK,ös (p6eog ist das Forum auf dem Tauros gemeint:

Guilland, Etudes II, 57. 42° Cer. 49617ff. = p.138664ff. Haldon. Vgl. McCormick, Eternal Victory 210f. 421 Kedr. I, 61012 _14: ... EV (Piree noti, oi, Xo i6e gf3ouXv6ovTo Keit 6 ßeicrt,Xei) TIVC,KOC 157 CeTiKilV nCeße CYTOXAV

... (vgl. Unger Nr. 153). 422 So etwa bei Chron. Pasch. 57916. 423 Sokr., PG 67, 745C; Georgios Sphrantzes 3,4. 424 Marc. Com. 75 (an. 421): forum eins (sc. Arcadii).

204

Konstantinopel

Abb. 67. Arkadiusforum, Plan der Umgebung des Avret ta§.

Das Arkadiusforum 205

zeichnung 06o8o6auKöq yögo025. Gängig ist die Bezeichnung Erie6XoLpoq (= Trockenhügel), die nicht nur den Hügel, sondern die Forumsanlage oder aber lediglich die Reliefsäule meinen kann, wie aus dem jeweiligen Zusammenhang hervorgeht426 . Daß hierin wie im Falle des Tauros eine wahrscheinlich ältere Benennung des Gebiets bzw. des Hügels zu sehen ist. die auf die Platz-anlage übertragen wurde, geht aus der Formulierung bei Sokrates hervor: Ev T6Try -rfN 76XEu.), lJ iTe06wvu4,i(1 ErigcSXoyo, (T.) vi3v 4:34-loe& 'Agt5,e4Kru 6vopg eToti427.

a. Anlage des Forums

Der Xerolophos erhebt sich gegenüber dem Lykostal an seiner Nordostseite auf ca. 40 m über dem Meeresspiegel (Abb. 67). Wie bereits zuvor das Konstantinsforum und das Theodosiusforum sollte auch das Arkadiusforum auf eine Hügelkuppe zu liegen kommen und von der Mese durchzogen werden. Die Lage des Forums kann verhältnismäßig exakt durch den noch in situ befindlichen Sockel der Arkadiussäule bestimmt werden: Dieser ist bei der Cerrahpa§a Caddesi, in einer nach Norden abzweigenden Seitenstraße, der Haseki Kadin Sokagi, zu sehen428. Die Ausdehnung des Arkadiusforums ist nicht bekannt.

In den Parastaseis und den Patria erscheint Septimius Severus als 'Gründer' der Vorgänger-anlage auf dem Xerolophos. Diese `Nachricht' entspricht jedoch dem öfter zu beobachtenden Bedürfnis der Patria, Bauherrn aus vorkonstantinischer Zeit auszumachen, und ist somit wahr-scheinlich unhistorisch429 . In konstantinischer Zeit befand sich das Gebiet innerhalb der kon-stantinischen Stadtmauer und war wohl auch schon eine Station der die Stadt durchziehenden Mese.

Den Baubeginn des Arkadiusforums markiert wahrscheinlich die Niederwerfung des Gainas-aufstandes 400/2 n. Chr.43°. Theophanes schreibt, daß die Reliefsäule im Jahre 403 errichtet wurde, doch scheint sich diese Theophanesnotiz, wie bereits im Falle des Tauros, nur auf den Baubeginn zu beziehen. Eine Vielzahl späterer Autoren behauptet, daß der Xerolophos ein Werk des Arkadius sei431; dennoch wurde die Forumsanlage wahrscheinlich erst unter seinem Sohn Theodosius II. fertiggestellt und eingeweiht. Die Osterchronik und Marcellinus Comes nennen als Einweihungszeitpunkt der Statue auf der Säulenspitze das Jahr 421432 . Während die späte-ren Quellen möglicherweise aus der Benennung unberechtigt auf eine Vollendung unter Arka-dius schließen, dürften die Osterchronik und die Chronik des Marcellinus mit ihren Angaben der Wahrheit näher kommen. Im übrigen deutet auch die Benennung cpögoc Oco8o6Loac6q bzw. Forum Theodosiacum in der Osterchronik bzw. in der Notitia an, daß die Anlage erst unter Theodosius II. vollendet wurde und sogar dessen Namen erhalten sollte. Dennoch darf nicht zu-viel aus diesem Nebeneinander an Benennungen geschlossen werden. Guilland konstruierte aus

425 Not. 239 (Reg. XII); Patria 11,105. 426 So etwa bei Joh. Mal. 4843; Par. 20; Patria 11,19, 11,53 u. 11,105; Theoph. 7724, 22634 u. 41211; Kedr. 1,5673;

Glyk. 47819; Joel 40; Joh. Zon. III, 9415, 26314 u. 4738. 427 Sokr., PG 67, 745C. Und auch in den Parastaseis scheint sich anzudeuten. daß es sich bei `Xerolophos' um

eine umgangssprachliche Wendung für das Forum handelt: ö Xeyöµrvoc Erigaoyo (Par. 71). 428 Plan bei Müller-Wiener 251 Abb. 284. 429 Berger 723f. 430 Kollwitz, Oström. Plastik 27f. 431 Kedr. I, 5673f.; Glyk. 47818ff.; Joel 40; Leon Gramm. 10420f.; Joh. Zon. III, 9414-16. 432 Chron. Pasch. 57915_18; Marc. Corn. 75 (an. 421).

206 Konstantinopel

den verschiedenen Benennungen des Forums folgende Abfolge433: Zunächst sei unter Arkadius

eine Statue Theodosius' I. errichtet worden; daher werde die Platzanlage in der Notitia auch

`Theodosiusforum' genannt. Des weiteren bezieht er das Kedrenoszitat I, 5673f., Xerolophos und

Tauros seien einander gleichartig, auch auf die auf der Säule befindlichen Standbilder des Theo-

dosius I.: auf beiden Säulen hätten sich Standbilder desselben Kaisers befunden. Erst 421 habe

dann Theodosius II. seinen Vater ehren wollen, indem er die Statue auf der Xerolophos-Säule

gegen eine solche des Arkadius austauschte bzw. die bestehende einfach auf den Namen sei-

nes Vaters umtaufte. Hierauf wiederum bezögen sich die Notizen des Marcellinus Comes und der

Osterchronik. Die Aussagen der späten Geschichtsschreiber434 betrachtet Guilland als unkorrekt:

Nicht Arkadius habe seine Statue auf die Säule gestellt, sondern erst sein Sohn.

Den Gedankengängen Guillands ist entgegenzuhalten: Die Benennung 'Forum Theodosiacum'

in der Notitia ließe sich dadurch erklären, daß die Anlage erst unter Theodosius II. fertiggestellt

wurde, oder aber dadurch, daß der Name im Sinne 'Forum der theodosianischen Dynastie' ge-

braucht wird. Die Osterchronik etwa verwendet den Namen yöeoq Oeo800taKk auch für den

Tauros. Bereits G. Millet erklärt die zwiespältige Namensgebung durch die Diskrepanz zwischen

Bauherr (Theodosius II.) und Geehrtem (Arkadius)435.

Die Kedrenosnotiz so eng auszulegen, geht nicht an: Es heißt bei Kedrenos nur, daß der

Xerolophos KcerCe -Fearra dem Tauros ählich sei, und nicht, wie Guilland übersetzt, que la colonne

du Xerolophos etait de tout point semblable a la colonne du Tauros. Daß Kedrenos gar auch

noch auf die Gleichartigkeit der Standbilder (jeweils Theodosius I. nach Guilland) anspielt, ist

gänzlich unwahrscheinlich, da die Theodosiusstatue auf dem Tauros ja bereits unter Anastasius

durch ein Standbild dieses Kaisers ersetzt wurde. Selbst wenn Kedrenos nur die Säulen meinte,

besäßen diese auch ohne entsprechende Standbilder ausreichend Analogien, um einen solchen

Vergleich zu rechtfertigen.

M. E. erklärt sich die unpräzise Namensgebung durch die lange Baugeschichte, die nach der

Jahrhundertwende begann und erst 421, dem Zeitpunkt der Einweihung der Arkadiusstatue unter

Theodosius II., abgeschlossen wurde. Die späten Autoren betrachten die Anlage als Werk des

Arkadius, dessen Statue auch auf der Säule stand. Den Baubeginn erst in die Regierungszeit Theodosius' II. zu verlegen436, widerspricht wiederum der Theophanesnotiz, deren Jahresangabe

vorzüglich mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Gotentriumphes übereinstimmt.

Eine weitere Notiz bei Marcellinus Comes aus dem Jahre 435 besagt, daß ein Forum Theodosii

imperatoris, in loco qui Helianae dicitur, aedificatum est ... 437. Die bisherige Verbindung dieser

Notiz mit dem Arkadiusforum muß wohl aufgegeben werden438. Die Helenianai, mit denen man

die von Marcellinus erwähnten Helianae gleichsetzte, befinden sich wesentlich weiter westlich, vor der konstantinischen Stadtmauer, wie V. Tiftixoglu feststellte439. Die Nachricht kann sich

433 Guilland, Etudes II, 60 f. 434 Glykas 47818ff.; Joel 40; Leon Gramm. 10420f.; Joh. Zon. III, 9414-16. 435 G. Millet, Le Forum d'Arcadius, la denomination, les statues, in: Memorial L. Petit, Bukarest 1948, 361-365,

hier 363. 436 So etwa Millet, a. 0. 363. 437 Marc. Com. 79 (an. 435).

438 So etwa Schneider, Byzanz 3, und Guilland, Etudes II, 61. 439 V. Tiftixoglu, Die Helenianai nebst einigen anderen Besitzungen im Vorfeld des früheren Konstantinopel, in:

Das Arkadiusforum 207

also nicht auf das Arkadiusforum beziehen44°. Wahrscheinlich ist diese Notiz in der Chronik des Marcellinus auf das Sigma zu beziehen441.

b. Erscheinungsbild der Platzanlage

Über das Erscheinungsbild des Arkadiusforums wird in den Quellen nur wenig gesagt. Wie bereits angedeutet bemerkt Kedrenos in einer vielzitierten Stelle, daß der Xerolophos ein Werk des Arkadius und in allem dem Tauros gleich sei: ön, ö Eile6Xoyo grov 4touov Kea& ItöLvTot TG:J Tede.p442. Zunächst mag man angesichts der Tatsache, daß mit `Xerolophos' bzw. `Tauros' nicht nur die Platzanlagen, sondern auch die Säulenmonumente selbst gemeint waren, annehmen, daß Kedrenos sich nur auf diese bezieht, doch deuten weitere quellenschriftliche Hinweise darauf hin, daß Kedrenos auch die Gleichartigkeit der beiden rahmenden Platzanlagen hervorheben wollte.

Toranlagen Die Patria bezeugen, daß sich auf dem Bus c34(,.Se in der Art derer auf dem Xerolophos befunden hätten443. Da in den Patria dieser Begriff in der Regel die Bedeutung von `Torbogen' hat, wird man wohl in Analogie zum Theodosiusforum und zum Konstantinsforum von zwei Toranlagen, einer im Westen und einer anderen im Osten, ausgehen444. Torbögen des Xerolophos erwähnt auch das Zeremonienbuch. Am Mittwoch der 4. Woche nach Ostern fand eine Prozession statt, die neben weiteren Stationen auch zum ersten Bogen des Xerolophos (i_tgxet-rfi beeil '7]S KOtlidLea TOZ) ElieoXciyou) gelangtem'. Auch ein Vergleich mit den Fora des Konstantin und des Theodosius macht es wahrscheinlich, daß die Mese durch die Tore des Arkadiusforums über den Platz führte.

Arkaden Mehrere Nachrichten in den Parastaseis und in den Patria deuten auf die Existenz von Portiken hin. In den Parastaseis ist an einer Stelle von sieben Säulen die Rede, zu denen das Standbild Theodosius' II. gestellt wurde446. Möglich wäre es, eine Gruppe von sieben klei-neren Säulenmonumenten anzunehmen, ebensogut könnten hier aber die Säulen einer Portikus gemeint sein. An anderer Stelle ist von 16 gedrehten Säulen (Kox)i,cu) die Rede, die den Xero-lophos erst zum Wunder (061[4 machen447. Daß es wohl eher unwahrscheinlich ist, den Begriff 14,0)(MOLL als Reliefsäulen mit spiralförmigem Fries zu interpretieren, braucht nicht eigens betont werden. Deswegen muß die Nachricht aber nicht unglaubwürdig sein. Es könnte sich bei diesen

H. G. Beck (Hg.), Studien zur Frühgeschichte Konstantinopels (= MiscByzMon 14), München 1973, 49-122, hier 53.

440 Marcellinus unterscheidet deutlich zwischen den beiden für die Jahre 421 (p. 75) und 435 (p. 79) erwähnten Forumsanlagen: im ersteren Fall spricht er von einem forum eins (sc. Arcadii), im zweiten Fall von dem nicht weiter spezifizierten Forum in den Helianae: offensichtlich meint er zwei verschiedene Platzanlagen.

441 Mango, C'ple 50 Anm. 81; ders. in: 17th int. Byz. Congr., Major Papers, New York 1986, 124. S. u. S. 212f. 442 Kedr. I, 5673f, Vgl. auch Konst. Rhod. v. 243f., der sich allerdings nur auf die beiden Reliefsäulen bezieht. 443 Patria II, 53. Berger 348. S. u. S. 235. 444 Berger 350. 445 Cer. 1062 . Da die Prozession entlang der Mese von Westen nach Osten zog, wird wohl der westliche der beiden

Bögen gemeint sein. Da von einem ersten Bogen des Xerolophos die Rede ist, darf man annehmen, daß es mindestens auch einen zweiten gegeben haben muß. Die nächste Station der im Zeremonienbuch erwähnten Prozession ist dann die Forumsmitte (pixeL TOZ EripoX6(puu): Cer. 1067.

446 Par. 71. 447 Par. 20; Patria 11,19 u. 11,105.

208 Konstantinopel

Säulen um tordierte Säulen handeln, wie sie sich beispielsweise an der Kolonnade in Apameia

beobachten lassen448. Möglicherweise existierte auf dem Xerolophos also eine Portikus mit sol-

chen Spiralsäulen. 1982 sah Mango auf der Cerrahpasa Caddesi, bei der Arkadiussäule, eine

Ansammlung großer Granitschäfte, die seines Erachtens ohne Zweifel zur Portikus des Forums

gehörten449.

Zur Lage der Säule Die Lage der Säule ist durch die Reste des Sockels genau bestimmt; zu

klären bleibt allerdings die Position der Säule innerhalb der Forumsanlage, deren Ausdehnung

unbekannt ist. Wenn man davon ausgeht, daß die Cerrahpasa Caddesi auf der Trasse der al-

ten Mese liegt und die Mese die Mittelachse der Platzanlage bildete (was aber nicht zwingend

vorauszusetzen ist), dann befand sich die Reliefsäule im Nordbereich des Forums. Diese Vermu-

tung ergibt sich auch aus der Betrachtung der Sockelreliefs der Arkadiussäule. Die Freshfield-

Zeichnungen geben die West-, Süd- und Ostseite des Sockels als mit Reliefs versehen wieder,

während die Nordseite, die man auf der Zeichnung der Westseite in steiler Schrägansicht sieht,

keine Reliefs trug (Taf 23 u. 24)450. Hier befand sich statt dessen das Portal, über das man das

Innere des Sockels und der Säule betrat. Berücksichtigt man, daß das Arkadiusforum von der

Hauptstraße Konstantinopels, der Mese, durchzogen und somit von einer Vielzahl von Passanten frequentiert wurde, so wird man wohl annehmen, daß versucht worden ist, die drei Sockelreliefs

und ihre Botschaft den Besuchern des Forums deutlich vor Augen zu führen. Dies berechtigt

zur Annahme, daß sich die Säule nördlich der Mese befunden haben dürfte. Nur so wurde der

über das Forum Schreitende sukzessive der drei Schauseiten des Sockels ansichtig, während die

schlichte Nordseite mit der Tür unbemerkt bleiben konnte451. Was für die Sockelreliefs gilt, ist

auch für die Spiralreliefs des Säulenschafts zu beobachten. Hier ist durch die Auswahl der Szenen

die Südseite als Hauptansichtsseite ausgezeichnet452 . Nur wenn die Säule im nördlichen Bereich

des Forums lag — zumindest aber nördlich der Mese — konnte sie ihre volle Aussagekraft für den

Betrachter entfalten.

Weitere Bauelemente des Arkadiusforums Die Parastaseisnotiz zur Ausstattung des Xero-

lophos erwähnt ein Teukuv dtXuov, zu dem nach dem Erdbeben des Jahres 740 die Statuen des

Markian und Valentinian gebracht wurden453. Wahrscheinlich handelte es dabei um ein regio-

nales Tribunal, das der Verwaltung, Rechtsprechung o. ä. diente454. Das Tet13crumiXtov auf dem

Arkadiusforum könnte somit für die 12. Region zuständig gewesen sein. Das Zeremonienbuch erwähnt im Zusammenhang mit der Christi-Himmelfahrts-Prozession eine Kapelle des H. Kalli-

448 Kolonnaden Apameia: J. Balty, Guide d'Aparnee, Brüssel 1981, 64ff. J. Strzygowski, JdI 8, 1893, 231, ver-mutete hinter diesem fragwürdigen Begriff noch Nischenarkaden, die mit Muscheln abgeschlossen waren.

449 Mango, C'ple 27 Anm. 32. 459 E. H. Freshfield, Archaeologia 72, 1921/2, Taf. 20.

451 Tatsächlich befinden sich die Reste des Sockels (Avret Tag) nördlich der heutigen Cerahpaga Caddesi, deren Verlauf mit dem des einstigen Mesestrangs zum Goldenen Tor übereinstimmen könnte. Zur Kontinuität des Verlaufs der Mese in byzantinischer und osmanischer Zeit s. Müller-Wiener 269f.

452 Kollwitz, Oström. Plastik 29; J. Engemann, RAC 14, 1988, 988 s. v. Herrscherbild. 453 Par. 71. S.u. S. 210f. 454 Cameron / Herrin 267. Vgl. auch Janin 174f.

Das Arkadiusforum 209

nikos, die auf dem Xerolophos zu lokalisieren ist (ei, Töv Erie6\oyov ezvTLKgi) Toi) ei)K,Triet;o1) Toi) Ko\XLvtkol))455. Diese Kapelle stand wohl an der Westseite des Arkadiusforums.

c. Ausstattung

Die Arkadiussäule Im Gegensatz zu ihrem älteren Pendant auf dem Tauros wissen wir über die Arkadiussäule verhältnismäßig gut Bescheid. Von der erst 1715 abgetragenen Reliefsäule existieren mehrere bildliche Wiedergaben, von denen die bereits erwähnten Zeichnungen im Freshfield-Kodex als die detailreichsten hervorzuheben sind (Taf. 23 u. 24). Diese zeigen die Säule in Gesamtansichten von Osten, Süden und Westen. Den Zeichnungen zufolge erhob sich die Säule auf einem ebenfalls reliefierten Sockel, der seinerseits auf einer etwas breiteren Basis aufsaß. Gyllius überliefert zudem einen Stufensocke1456 . Auf diesem dreiteiligen Unterbau stand die Säule, die mit einer Deckplatte auf einem umlaufenden Eierstab endete. Auf diesem Abakus setzte erneut eine Rundbasis mit Deckplatte auf, auf der sich endlich das Kaiserbildnis erhob. Thema der verlorengegangenen Reliefs war die Vertreibung der Goten unter Gainas und der Sieg des Kaisers und seiner Truppen über die Barbaren457. Nacheinander werden die verschiedenen Etappen des Aufzugs der Goten und des anschließenden Krieges gezeigt. Die Darstellung be-ginnt mit einem Einblick in die Mese und ihre Ausstattung mit Bildwerken. Es folgt der Auszug des Gainas und seiner gotischen Gefolgschaft. Nach dem Verlassen Konstantinopels betritt die-ser Zug ländliche Gegenden. Hierauf erkennt man Schlachtenszenen zu Wasser und zu Lande. Zwischen diese dynamischen Szenen sind statische Repräsentationsbilder eingefügt, die die thro-nenden bzw. triumphierenden Kaiser zeigen. Auf der Säule befand sich seit 421 n. Chr. die von Theodosius II. gestiftete Statue des Arkadius, wie aus den Notizen bei Marcellinus Comes und in der Osterchronik hervorgeht. Die Statue fiel bei dem Erdbeben des Jahres 740 herab458.

Weitere statuarische Ausstattung Weitere Kaiserbilder im Bereich des Arkadiusforums erwäh- nen die Parastaseis und die Patria459. Unterhalb der Reliefsäule (KetTweev Toi) Iflovc:,) sollen sich Statuen Theodosius' II., Valentinians III. und Markians befunden haben. Die Parastaseis erwähnen ein Erdbeben, in dessen Verlauf eine Statue herabstürzte und bei den sieben Säulen wiedererrichtet wurde. Die Statuen Markians und Valentinians Khingegen wurden zum Tribunal zurückgebracht. Welche Statue nun beim Erdbeben herabfiel, ist schwer zu entscheiden: Der Erzählzusammenhang läßt es als logisch erscheinen, daß die Statue Theodosius II. am Fuße der

455 Cer. 563f. R. Janin, La geographie ecclesiastique de l'empire byzantin, I: Le siege de Constantinople et le patriarcat cecumenique, 3: Les eglises et les monasteres, Paris 19692 , 275; Guilland, Etudes II, 62. Guilland glaubt, daß es sich bei den Stationen am ersten Bogen des Xerolophos und der Stelle gegenüber dem Oratorium des Kallinikos um denselben Ort handelt.

456 Gyllius 4, 7. 457 Kollwitz, Oström. Plastik 27ff.; J. H. W. G. Liebeschuetz, The Gainas Crisis at Constantinople. Cover up at

Constantinople: The Gainas Crisis and the Column of Arcadius, in: The Eastern Frontier of the Roman Empire. Proceedings of a Colloquium held at Ankara in September 1988, D. H. French / C. S. Lightfoot (Hgg.), BAR int. ser. 553(i), Oxford 1989, I, 277-285; ders., Barbarians and Bishops: Army, Church and State in the Age of Arcadius and Chrysostom, Oxford 1990, 273-78 (Appendix II: The Column of Arcadius). Zu den historischen Ereignissen vgl. G. Albert, Goten in Konstantinopel. Untersuchungen zur oströmischen Geschichte um das Jahr 400 n. Chr., Paderborn 1984.

458 Theoph. 4129_12 ; Nikeph. 63; Leon Gramm. 1807f.; Kedr. 1, 80112f.; Joh. Zon. III, 26311ff. Janin 83. 459 Par. 71; Patria II, 19.

210 Konstantinopel

Säule beim Erdbeben umstürzte. Andererseits denkt man an das Erdbeben d. J. 740, das zum

Sturz des Arkadiusbildes von der Säule führte46°. Eine auf dem Xerolophos befindliche Statue der

Aelia Flacilla findet in einer gegen Ende des 7. Jh. zu datierenden Konstantinsvita Erwähnung,

in der von einem Erdbeben im Jahre 599/600 die Rede ist461. Dieses Erdbeben brachte zahlreiche

Bauten und Statuen zum Einsturz, darunter den westlichen Torbogen des Tauros, die Statue der

Flacilla auf dem Xerolophos sowie das Kreuzmonument bei den Artopolia.

In den Parastaseis und Patria wird noch eine Statue des Severus genannt, offenbar die le-

gendäre Umdeutung eines dort befindlichen anderen Standbilds462. Zu den klassisch-antiken Aus-

stattungselementen zählt eine Artemisstatue, die ebenfalls von den Patria erwähnt wird463. Einer

weiteren Statue, die auf dem Bogen des Xerolophos (ek 7111) Kezi,t6pov) stand, wurde unter Roma-

nos der Kopf abgeschlagen, da man in ihr den Zaren Simeon sah, den man zu töten trachtete464.

Daß sich auf / bei den Bögen (ek -r(kq ectiaczg) noch zahlreiche andere Statuen und Bildwerke

befanden, geht aus einer weiteren Patrianotiz hervor466. In den Patria wird zudem ein Drei-

fuß erwähnt, an dem angeblich Severus opferte, an dem viele Orakel ergingen und an dem auch

eine Jungfrau geopfert worden sein so11466. Die Existenz eines sehr alten Dreifußes am Xerolophos

wird für die Zeit um 500 durch Priscian bestätigt, der mehrfach dessen altertümliche Inschrift

zitiert467. Als weiteres Ausstattungselement des Arkadiusforums nennen die Patriographen eine

excrT goy o LucJi 060. K468. Nahe dem Säulensockel fand man eine kleine Sphinxstatue, die sich heute

im Archäologischen Museum befindet469.

Interpretation der Ausstattungsphasen nach G. Millet G. Millet nimmt die Angaben über

die statuarische Ausstattung in den Patria als Grundlage für Überlegungen zu verschiedenen

Ausstattungsphasen sowie zu einer historisch-politischen Deutung derselben470. Sein Ausgangs-

punkt ist die Feststellung, daß sich unter der Säule mit dem Bildnis des Arkadius die Statuen

des Theodosius II. und Valentinian III. befanden. Er interpretiert diese Anordnung als gleichbe-

rechtigtes Nebeneinander des Westens und des Ostens, wie es sich auch in der Statuenanordnung

des Tauros mit den Standbildern des Arkadius und Honorius auf den beiden (54C8eq ausdrücke.

Nach jenem Erdbeben, das in den Parastaseis erwähnt wird471, veränderte sich diese Anordnung

folgendermaßen: Die Statue des Theodosius II. wurde nunmehr etvAev TC-3V t17-164 Kuivwv, also

460 Die Parastaseis wurden um diese Zeit verfaßt: Cameron / Herrin 17-29. 461 M. Guidi, RendLinc, ser. 5, Bd. 16, 1907, 6524f.; A.M. Schneider, ZNtWiss 40, 1941, 247. 462 Par. 20; Patria 11,19. Bassett, Reuse 290f. (S-6). Ein Bildnis des Severus befand sich auch auf dem Tauros:

Par. 57. Der PUCp. d. J. 398-399 besitzt einen ähnlichen Namen; ist vielleicht dieser gemeint? PLRE I, 830f. (Severinus 1); Dagron, Naissance 261.

463 Par. 20; Patria 11,19. Bassett, Reuse 168 (A-32). 464 Theoph. Cont. 41117 ff. Die Nachricht ist durchaus ernst zu nehmen, was die Basisinformation anbelangt,

nämlich daß sich auf dem westlichen Torbogen eine Statue befand. Vgl. die Kaiserstatuen auf den Zugangs-toren des Konstantinsforum und des Tauros.

466 Patria II, 105. 466 Patria II, 19. 467 Priscian in: Grammatici latini, ed. H. Keil, Bd. II, Leipzig 1855-59, 17 u. 253f. Angabe nach Berger 724. 468 Par. 20; Patria 11,19. 469 G. Mendel, Mus6es Imperiaux Ottomans. Catalogue des sculptures greques, romaines et byzantines, III,

Konstantinopel 1914 (Ndr. Rom 1966), 370 Nr.1136; Bassett, Reuse 297f. (S-11). 470 G. Millet, Le Forum d'Arcadius, la denomination, les statues, in: Memorial L. Petit, Bukarest 1948, 363-365. 471 Par. 71.

Das Arkadiusforum 211

auf den sieben Säulen, aufgestellt, während die des ursprünglich gleichberechtigten Westkaisers Valentinian III. beim Tribunal Aufstellung fand. Millet interpretiert die 'sieben Säulen' in Ana-logie zum Tauros als (östliche) Toranlage, auf der die Statue Theodosius' II. nunmehr zu sehen war. Wer allerdings auf dem westlichen Propylon stand, ist unbekannt. Als Zeitpunkt für diese Änderung der Aufstellung schlägt Millet die Zeit bis zum Erdbeben 740 vor, da die Forumsanlage den Patria zufolge nur bis Konstantin V. (741-775) Bestand gehabt haben so11472.

Die deutliche Abwertung des Kaisers des Westens gegenüber dem des Ostens, die Millet anhand der veränderten Aufstellung konstatiert, sei als Ausdruck der verlorengegangenen Be-deutung des Westteils des Reichs anzusehen. Das Reich beschränkte sich nunmehr auf den Osten, Byzanz und der Westen wurden zu getrennten Welten473 .

Millets Argumentation ist nicht unangreifbar. Zunächst ist zu fragen, ob mit den 'sieben Säulen' überhaupt eine Toranlage gemeint sein kann, oder nicht doch eine Portikus o. ä. Außer-dem ist nicht unmittelbar ersichtlich, warum in der Aufstellung Valentinians III. am Tribunal eine minderwertige Position zu sehen ist. Entsprechend müßte man sich überlegen, weshalb denn angesichts Millets Argumentation die Statue des Ostkaisers Markian ebenfalls ans Tribunal 'ver-bannt' wurde. Unbekannt bleiben zudem die Statuen auf den Torbögen, mindestens aber die auf dem westlichen Torbogen, wenn Millet recht hat mit der Annahme, die 'sieben Säulen' seien der östliche Torbogen. Überdies scheint es problematisch, für das 8. Jh. eine derart subtile politi-sche Programmatik zu postulieren, die obendrein durch das zu dieser Zeit bereits weitgehend bedeutungslose Medium der Vollplastik Ausdruck gefunden hätte. War vielleicht nur der Erhal-tungszustand der Statuen nach dem Erdbeben ausschlaggebend für ihre Wiederverwendung bzw. den Ort der Wiederaufstellung? Schließlich: hätte man durch die Abwertung des Westkaisers in der Aufstellung nicht auch den Anspruch auf Herrschaft im Westteil des Reiches aufgegeben?

Zusammenfassung Auf dem Arkadiusforum, das eine wahrscheinlich sehr lange Bauzeit in Anspruch nahm, befanden sich Statuen des regierenden Kaiserhauses: die des Arkadius auf der Säule, die des Theodosius II. und des Valentinian III. unterhalb der Säule sowie die der Ae-lia Flacilla an unbekannter Stelle. Unter Markian kam noch eine Statue dieses Kaisers hinzu. Zwar ist Andeutungen zu entnehmen, daß sich auf den Bögen durchaus noch weitere antike Bildwerke befanden, doch werden im Gegensatz etwa zum Konstantinsforum auffallend wenige antiquarische Bildwerke überliefert. Hinweise auf magistratische Repräsentation fehlen.

d. Weitere Geschichte

Von der weiteren Geschichte des Arkadiusforums sind nur einige Daten über Zerstörungen in-folge von Erdbeben bzw. Unwetter bekannt. 542 entstanden bei einem Erdbeben Schäden am Säulenstandbild474 . 549/50 beschädigte Blitzschlag die Säule475. Das Erdbeben des Jahres 740 führte zum Herabstürzen der Arkadiusstatue476. Die Statue wurde wohl nicht mehr aufgestellt.

472 So auch Cameron / Herrin 23. 473 Millet, a. 0. 365. 474 Theoph. 22229f.; Kedr. 1,6564f. 475 Theoph. 22612_15; Joh. Mal. 4842f. 476 Theoph. 41210f.; Nikeph. 63; Leon Gramm. 1807f.; Kedr. 1,80112f.; Joh.Zon. HI,2631iff. Janin 86.

212 Konstantinopel

Später interpretierte man die Reliefs der Säule als Darstellungen des Endschicksals der Stadt477.

Im 15. Jh. sah der Diakon Zosimos noch die vollständig mit Relief bedeckte Säule478. Im 16. Jh.

wurde sie mehrfach beschrieben und gezeichnet, so von P. Gyllius, G. Sandys, H. Dernschwamm

und M. Lorichs. Im späten 16. Jh. sicherte man sie nach Erdbeben und Brandschäden durch Ei-

senringe. Die Stadtbrände der Jahre 1633 und 1660 führten zu weiteren Beschädigungen479. 1702,

kurz vor dem Abbruch der Säule, publizierte F. Menestrier Zeichnungen des Reliefschmucks48°.

1715 erfolgte die Abtragung des Schafts wegen Baufälligkeit und Gefährdung der umliegenden

Häuser. Angeblich sollen das Steinmaterial für andere Bauten verwendet, die Reliefs ins Serail

gebracht worden sein481. D. Ainalov fand angeblich noch 1894 Fragmente der Säule vor Ort482.

5. Das Sigma: Ein Forum Theodosius' II.?

Möglicherweise setzte sich in Konstantinopel die Reihe der Kaiserfora auch unter Theodosius

II. fort. Einige Indizien deuten darauf hin, daß dieser Kaiser nicht nur für seinen Vater das

Arkadiusforum vollendete und einweihte, sondern auch eine 'eigene' Platzanlage an der Mese

errichten ließ. Mango weist auf die Möglichkeit hin, das Sigma mit jenem Forum Theodosiacum

zu identifizieren, das Marcellinus Comes zufolge 435 in loco qui Helianae dicitur gebaut wurde483.

Der Name Sigma ist zunächst kein Toponym, sondern eine Umschreibung für halbkreisförmige

Säulenhallen. Dementsprechend begegnet dieser Name in den Quellen zur Topographie Konstan-

tinopels für mehrere Baulichkeiten484. Im folgenden soll es um die 'Sigma' genannte Anlage an

der Mese gehen, die ein Säulenstandbild Theodosius' II. besaß. Die aufschlußreichste Quelle zur

Lokalisierung dieses Sigmas ist das Zeremonienbuch, das es als Station bei Prozessionen vom

Goldenen Tor zum Kaiserpalast erwähnt, so etwa im Falle des Triumphzugs des Theophilos im

Jahre 831, oder auch im Falle des Triumphzugs des Basileios I. im Jahre 879485. Aus diesen

Angaben geht hervor, daß sich das Sigma intra muros, und zwar zwischen dem Goldenen Tor

und dem Exakionion befunden haben muß. Da das Gebiet zwischen der konstantinischen und

theodosianischen Landmauer noch nicht im Regionenverzeichnis erfaßt ist, lassen sich dieser

Quelle keine topographischen Informationen entnehmen. Nur jene oben angeführte Notiz bei

Marcellinus Comes erlaubt weitere Aufschlüsse.

Ein Ort namens `Helianai' ist in Konstantinopel nicht bekannt, wohl aber einer mit dem Na-

men Helenianai; offenbar liegt in der Chronik des Marcellinus ein Übertragungsfehler vor. Bislang

477 G. Dagron / J. Paramelle, TravMem 7, 1979; Cameron / Herrin 32.

478 Majeska 184f. 479 M. Cezar, Osmanli devrinde Istanbul yapilarinda tahribat yapan yanginlar ye tabii "Metier, in: Türk San'ati

Tarihi Ara§tirma ye Incelemeleri, I, 1963, 335f. Angabe nach Müller-Wiener 253. 480 Franciscus Menestreius, Columna Theodosiana quam vulgo historiatam vocant ab Arcadio Imperatore Con-

stantinopoli erecta in honorem Theodosii iunioris a Gentile Bellino delineata, Paris 1702. 481 H. D. Andreasyan, TarihDerg 27, 1973, 62-84. Angabe nach Müller-Wiener 253. 482 A. Geffroy, La colonne d'Arcadius ä C'ple d'apres un dessin inedit, MonPiot 2, 1895, 99-129, hier 129.

483 Marc. Com. 79 (an. 435). Mango, C'ple 50 Anm. 81; ders in: 17th int. Byz. Congr., Major Papers, New York 1986, 124.

484 Janin 424f.; W. Müller-Wiener, Das 'Sigma' - eine spätantike Bauform, in: Akurgal'a Armaltan - Festschrift E. Akurgal (= Anadolu - Anatolia 21, 1978/80), Ankara 1987, 121-129.

485 Theophilos: Cer. 5067 = p.148851 Haldon. Basileios I.: Cer. 50119 = p.144776 Haldon.

Die Markianssäule 213

lokalisierte man die Helenianai südlich des Xerolophos486 . Daher bezog man auch diese Notiz auf das Arkadiusforum487. V. Tiftixoglu konnte die Helenianai jedoch deutlich weiter westlich, außer-halb der konstantinischen Stadtmauer lokalisieren, so daß bei Marcellinus Comes unmöglich das Forum auf dem Xerolophos gemeint sein kann488. Doch deuten auch weitere Indizien darauf hin, daß mit dem von Marcellinus erwähnten Forum Theodosiacum das Sigma gemeint ist. In den Patria findet sich der Hinweis, daß sich beim Sigma eine Statue Theodosius' II. auf einer Säule

tS,C,ov4 befand, die vom Spatharios und Kubikularios Chrysaphios gestiftet wurde489.

6. Die Markianssäule und das zugehörige Forum

Wer sich mit der Topographie Konstantinopels beschäftigt, bedauert oftmals die Tatsache, daß die Monumente nur in den Schriftquellen erwähnt werden, nicht aber archäologische Reste hinterlassen haben. Bei der Markianssäule ist das Gegenteil der Fall. Die Säule steht noch samt Sockel und Kapitell und trägt auch noch die Widmungsinschrift, die darüber Aufschluß gibt, daß dieses Monument in den Jahren 450/2 vom Stadtpräfekten Tatianos für Kaiser Markian errichtet wurde (Taf. 25.1 u. 2)49°. Dem vorzüglichen Erhaltungszustand steht die Tatsache ge-genüber, daß sich in keiner byzantinischen Quelle ein Hinweis auf diese Säule findet. Erst P. Gyllius hinterließ eine erste genaue Beschreibung494 .

a. Aufbau und Gestaltung des Säulenmonuments

Die ca. 17 m hohe Säule erhebt sich auf einem allseits reliefierten Sockel, der seinerseits auf einem Stufensockel stand. Diese Information verdanken wir dem Reisenden R. Pococke, der diesen Stufenunterbau noch sah492. Auf der Säule aus grauem Granit sitzt ein fragmentiertes korinthisches Kapitell auf, darüber schließlich folgt ein hoher Aufsatz, der die Kaiserstatue trug. Erwähnenswert ist die Tatsache, daß der Sockel eine Hauptansichtsseite besitzt493: Während auf der West-, Süd- und Ostseite Christogramme in Rundschilden zu sehen sind, zeigt die Nordseite des Säulensockels zwei geflügelte Niken, die zwischen sich einen Schild halten. Darüber befindet sich die einst in Bronzelettern eingelassene Inschrift.

486 Janin 355f.

487 Schneider, Byzanz 3 (Plan C7); Guilland, ütudes II, 61. 488 V. Tiftixoglu, Die Helenianai nebst einigen anderen Besitzungen im Vorfeld des früheren Konstantinopel, in:

H. G. Beck (Hg.), Studien zur Frühgeschichte Konstantinopels (= MiscByzMon 14), München 1973, 49-122, bes. 53.

489 Patria II, 57. Zur Person s. PLRE II, 295-7. Stichel 98 Nr. 98; Berger 360f. 49° Zur Person des Tatianos s. PLRE II, 1053f. (Tatianus 1). Wenn es stimmt, daß die Adler auf dem Kämpfer-

block des Säulenmonuments auf das Konsulat des Markian im Jahre 451 Bezug nehmen, dann ließe sich das Entstehungsdatum dieses Monuments auf das Jahr genau bestimmen: J. Kramer, Skulpturen mit Adlerfiguren am Bauten des 5. Jh. n. Chr. in Konstantinopel, Köln 1968, 83.

491 Gyllius 4, 2. 492 R. Pococke, Beschreibung des Morgenlandes, Erlangen 1755, III, 194. Angabe nach Kollwitz, Oström. Plastik

70. Vgl. auch P. Schazmann in: Kollwitz, Oström. Plastik 73. 493 Vgl. J. Engemann, RAC 14, 1988, 988 s. v. Herrscherbild.

214 Konstantinopel

b. Lage

Die Markianssäule ist ein Fixpunkt in der Topographie Konstantinopels; sie befindet sich an

der nach ihr benannten Kizta§i Caddesi, im Bereich südlich der Fatih-Camii494. Allerdings ist

dieses Monument nur schwer in das bislang rekonstruierte Straßennetz einzugliedern, da es in

keiner byzantinischen Quelle auftaucht. Die Vermutung, daß es sich an dem zur Apostelkirche

führenden Nordstrang der Mese befand, hat zwar einiges für sich, ist aber nicht mit Gewißheit

zu belegen, dies umsomehr, als auch Erwähnungen bei den entsprechenden Prozessionszügen

im Zeremonienbuch fehlen, die über diesen Straßenzweig führten. Vielleicht aber sind die auf

dem Weg zur Apostelkirche erwähnten Marmorlöwen (ot 1.tocatcieuvot X6ov-req)495 in unmittelba-

rer Nähe der Säule zu suchen. Innerhalb des heutigen Stadtplans finden sich keinerlei `Abdrücke'

dieser Straße, die vom Philadelphion zur Apostelkirche führte. Der Versuch, diese Straße parallel

zum Valensaquädukt, auf der Trasse der heutigen *ehzadebasi bzw. Macar Kardesler Caddesi zu

lokalisieren, scheitert, da man in diesem Falle als Ausgangspunkt der Abzweigung den Tauros

annehmen müßte, was wiederum durch die Quellen nicht gedeckt wird496. Jüngere Arbeiten zur

Topographie gehen somit auch von einem deutlich weiter südlich gelegenen Verlauf aus. Neue

Anhaltspunkte ergeben sich aus den nunmehr publizierten Grabungen bei der Polyeuktoskir-

che497. Die Mese schien die Südwestseite des Atriums der Polyeuktoskirche abgeschnitten zu ha-

ben. Berger geht von einem schnurgeraden Verlauf dieser Straße aus und verlängert einfach die

Linie Charisiostor, Südwestseite der Aetioszisterne, Südwestseite des Fatih-Camii-Komplexes,

Südwestseite des Atriums der Polyeuktoskirche bis hin zu einem hypothetischen Punkt 50 m

östlich der Laleli-Camii, an dem sich wohl das Philadelphion befand498. Bergers ansprechende

Hypothese würde wiederum bedeuten, daß sich die Markianssäule abseits des Mesenordstrangs

befunden hätte. Doch geht diese Rekonstruktion, wie gesagt, von der nicht gesicherten Tatsa-

che aus, daß der Mesenordstrang vom Charisiostor bis zum Philadelphion schnurgerade verlief.

Denkbar wäre ebenso ein unregelmäßiger Verlauf, der auch die Markianssäule mit eingeschlossen

hätte: Die Hauptansichtsseite der Säule richtet sich so auffällig zum Standort der ehemaligen Apostelkirche, daß man geneigt ist, diese und die Markianssäule miteinander zu verbinden. An-

dererseits ist das Kapitell des Säulenmonuments gegenüber dem Sockel derart verschoben, daß es

mit einer Seite zur Polyeuktoskirche weist. Möglicherweise ist hierin ein Indiz zu sehen, daß die Straße direkt zur Polyeuktoskirche verlief: Die Ansichtsseite der Kaiserstatue wies vielleicht in

diese Richtung499.

494 Müller-Wiener Plan D6,4. 495 Ostermontag: Cer. 498; Ostermontag bis Leon VI. (Rückweg): Cer. 8219 (beim Hinweg keine Erwähnung). 496 Vgl. etwa den Plan bei Müller-Wiener 21 Abb. 2, sowie im 1991 publizierten OxfDictByz I, 509 s. v. Con-

stantinople (C. Mango). 497 R. M. Harrison et al., Excavations at SaraQhane in Istanbul, I, Princeton 1986, 405f.; Berger 330; P. Speck,

Julia Anicia, Konstantin der Große und die Polyeuktoskirche in Konstantinopel, in: Varia III (= Bu(earrivee 11), Bonn 1991, 133-147.

498 Berger 330. 499 Zur Diskussion des Verlaufs des Nordstrangs der Mese s. u. S. 229f.

Das Forum Leos 1. 215

c. Die Inschrift der Markianssäule

Auf dem Sockel der Säule findet sich über der Darstellung der beiden Victorien folgende Wid-mungsinschrift500:

PRINCIPIS HANC STATUAM MARCIANI LERNE FORUMQUE

PRAEFECTUS VOVIT QUOD TATIANUS OPUS

Die hier wiedergegebene Lesung der Inschrift geht auf I. Seväenko und C. Mango zurück, die —offenbar als erste — erkannten, daß es nicht Torumque, sondern Forumque heißen muß501. Bis in jüngste Zeit plagte man sich mit der Übersetzung des Begriffs `Forum', der in etwa mit 'Thron' wiederzugeben ist502 . Dies verwundert umsomehr, als bei genauerem Hinsehen das 'F' gut zu er-kennen ist. Übersetzt würde die korrigierte Lesung lauten: Sieh diese Statue des Kaisers Markian und das Forum, ein Werk, das der Präfekt Tatianos weihte. Die Säule mit der Kaiserstatue bil-dete also den Mittelpunkt einer Platzanlage, eines Forum Marciani, von dem sich bisher keinerlei Überreste fanden5°3.

7. Das Forum Leos I.

Die Reihe der kaiserlichen Platzanlagen in Konstantinopel läßt sich noch weiter fortsetzen. Einige wenige Nachrichten, von Mango gedeutet und gesammelt, weisen darauf hin, daß auch unter Leo I. ein solches Forum geschaffen wurde.

Ausgangspunkt ist eine Notiz bei Johannes Lydos, in der von einem gewissen Konstantinos, Prätorianerpräfekt unter Leo I., die Rede ist5°4 :

Er (Konstantinos) ... errichtete eine großartige Agora, die er nach Leo benannte, und ließ dort seine Erhebung zum Kaiser in Mosaik darstellen. Nachdem er, wie ich sagte, die Errichtung aus eigener Tasche bezahlte, und selbst in der Nachbarschaft Quartier bezog, ... wies er seinem Amt ein bescheidenes Haus für seine Nachfolger zu.

Konstantinos habe also eine großartige Agora errichtet und alles aus eigener Tasche finanziert, schließlich hier Quartier bezogen und seinen Nachfolgern ein bescheidenes Haus als Amtssitz hinterlassen5°5.

500 CIL III/1, 738 = ILS 824. 5°1 Mango, C'ple 4. Falsche Version der Inschrift etwa noch bei Müller-Wiener 54. 502 Zu den Schwierigkeiten, die man bislang mit der Übs. dieser Inschrift hatte, vgl. C. Gurlitt, Antike Denk-

malsäulen Konstantinopels, München 1909, 8. 503 W. Müller-Wiener erinnert zudem daran, daß 1912 in der Umgebung der Markianssäule zahlreiche Säulen

und Kapitelle gefunden wurden: Müller-Wiener 54. Bereits E. Kirsten wunderte sich, warum entlang dieses Straßenzugs keine Platzanlage zu finden sei (E. Kirsten, Straßen und Plätze im frühen Konstantinopel, in: K. Bachteler, Istanbul, Ludwigsburg 1967, 131-142, hier 140).

5°4 Joh. Lyd., mag. 765_12 (Mango, Sources 48). Zur Person s. PLRE II, 312 (Constantinus 8). 5°5 Zu diesem Amtssitz des Prätorianerpräfekten s. C. Mango, Studies an Constantinople, Aldershot 1993, Ad-

denda S. 2.

216 Konstantinopel

a. Die Säule Leos I. in den Pittakia

Einigen wenigen Erwähnungen in den byzantinischen Quellen ist zu entnehmen, daß sich in den

Pittakia bei der H. Eirene ein Säulenmonument mit dem Standbild Leos befand566 . Parastaseis

und Patria erwähnen eine Pittakes genannte Statue des Leo, die seine Schwester Euphemia er-

richtet haben so11607. Erst Kedrenos präzisiert, daß sich dieses Standbild Leos auf einer Säule

befand: 6TL 6 et% Töz ITTT&IGLO4 KLJV Exei, A6ov-ro'68. U. Peschlow vermutet, daß es sich

bei dem Koloß von Barletta um das einstige Säulenstandbild Leos in den Pittakia handelt509: Im

Topkapi-Saray befinden sich ein Kolossalkapitell, ein Kämpferkapitell, ein Statuenpostament, ei-

ne Trommel sowie eine weitere fragmentierte Trommel einer monumentalen Ehrensäule (Taf. 25.3

u. 4). Diese Bauglieder entstammen einem insgesamt ca. 26 m hohen Säulenmonument, dessen

Säule aus acht Trommeln sowie einem korinthischen Kapitell und einem daraufsitzenden Kämp-

ferkapitell bestand510 . Von den Dimensionen würde der Koloß von Barletta sehr gut auf das von

Peschlow rekonstrierte Säulenmonument passen (Abb. 68).

Abb. 68. Rekonstruktion der Ehrensäule Leos I. nach U. Peschlow.

Daß das von Johannes Lydos erwähnte 'Forum Leonis' mit der Säule dieses Kaisers in den

Pittakia zusammenhängt, geht aus einer Textstelle in der Vita Daniels des Styliten hervor, in

der explizit eine Säule auf dem Forum des überaus frommen Kaisers Leo (6 0--raoq Toi3 yögov

T013 71,070'16:T0U Peto- uX6w A6ov-ro0 angeführt wird611. Ansonsten geben die Quellen nur spärlich

506 Stichel 101 Nr.114; Berger 394ff. 507 Par. 67; Patria II, 31. 508 Kedr. I, 56318f. 509 U. Peschlow, Eine wiedergewonnene byzantinische Ehrensäule in Istanbul, in: Studien zur spätantiken und

frühbyzantinischen Kunst (FS F. W. Deichmann), Mainz 1986, I, 21-33.

510 Peschlow, a. 0. 26f. 511 Vita des Daniel Stylites, p. 527f ed. H. Delehaye, Les saints stylites, Brüssel 1923; engl. Ubs. E. Dawes /

N.H. Baynes, Three Byzantine Saints, Oxford 1948, 37.

Das Forum Leos I. 217

Auskunft über dieses Säulenmonument. Der Patria ist zu entnehmen, daß die Ehrensäule einen Stufenunterbau hatte512 .

Auch der Fundort des Kapitells und der zugehörigen Säulentrommeln läßt vermuten, daß das

Säulenmonument einst zu dem in den Pittakia befindlichen Forum des Leo gehörte. Das Kapi-

tell wurde 1959 im südlichen Hof des Topkapi-Saray gefunden, vor dem südlichen Eingang zum

Küchenhof513. Da ein derart gewaltiges Werkstück nicht ohne weiteres seinen Standort wechselt,

darf man davon ausgehen, daß zwischen Fundort und einstigem Aufstellungsort ein Zusammen-

hang besteht; schließlich sind es von der hypothetischen Lage der Pittakia zum Fundort des

Kapitells nur etwa 300 m.

Die 1561 von Melchior Lorichs angefertigte Zeichnung eines reliefierten Säulensockels, die

sich im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen befindet, ist wohl nicht auf die Leosäule zu

beziehen, wie etwa J. Engemann vermutete (Taf. 20.1) 5' 4.

b. Lokalisierung des Forums

Es existieren keine eindeutigen Hinweise bezüglich der Lokalisierung dieser Platzanlage. Wie P. Speck zeigen konnte, befanden sich die Pittakia nordöstlich der Hagia Sophia und Hagia Eirene an der Straße, die vom Augusteion zur Serailspitze führte515.

Nach bisheriger Kenntnis ist das Forum Leos I. die letzte der kaiserlichen Platzanlagen. Daneben

existierten in Konstantinopel noch eine Vielzahl weiterer Platzanlagen, die über eine reiche statuarische Ausstattung verfügten. Diese sollen im folgenden besprochen werden.

512 Patria II, 31. 513 Publikation der Funde bei N. Firath / A. N. Rollas, IstanbAMüzYil 11/12, 1964, 199-202; Müller-Wiener 39;

H. Tezcan, Topkapi Sarayi ve Qevresinin Bizans devri Arkeolojisi, Istanbul 1989, 166-8. 514 J. Engemann, Melchior Lorichs Zeichnung eines Säulensockels in Konstantinopel, in: Quaeritur inventus

colitur (FS U. Fasola), Rom 1989, 247-65. S. o. S.175. 515 P. Speck, Eudoxia-Säule und Pittakia, Hellenilca, 22, 1969, 430-435. Berger 395f.

II. Die sonstigen Platzanlagen Konstantinopels und der Hippodrom

1. Die Basilika

Nordwestlich des Augusteions befand sich wohl schon seit vorkonstantinischer Zeit eine von

Säulenhallen umrahmte Platzanlage, die in den Quellen meist basilica bzw. ßoto- i,Xusaii, dann aber

auch ßeco- i,Xgco ßei.o- t;\euo o-Toci sowie ßew- i;Xeuez. CYTO6l2 genannt wird. Nach dem Einbau der

Zisterne in justinianischer Zeit wird auch die Benennung ßeesaLM,K,fi Kt,o-Tgewri geläufig3. In der

Suda findet sich auch die Bezeichnung 6.-loed.4.

Der Baukomplex der Basilika ist eindeutig lokalisierbar durch die heute noch erhaltene Zi-

sterne, die in justinianischer Zeit in die Anlage eingebaut wurde (Abb. 69).

a. Quellenschriftlicher Befund

Die Zeit bis zum Brand des Jahres 476 Die bekannte Notiz bei Zosimos, in der von einer &log& TeTecio-TooS die Rede ist, muß auf die Basilika bezogen werden und nicht auf das

Tetrastoon, das längere Zeit als Vorgängeranlage des Augusteions angesehen wurde5:

In Byzanz gibt es auch ein sehr großes Forum, das auf vier Seiten von Säulenhallen um-schlossen ist (öniogez TETecio-Toog). Am äußersten Ende einer dieses Säulenhallen, zu der nicht wenige Stufen emporführen (Kea& T& CrT0ÖS C3W6101)0- LV

O'ÜK 6XCIOL POtell0(,), ließ Konstantin zwei Heiligtümer erbauen und darinnen Statuen auf-stellen. In einem der beiden findet sich das Bildwerk der Göttermutter Rhea, das Iasons Reisegefährten auf dem Berge Dindymos, welcher die Stadt Kyzikos überragt, einstmals errichteten. Wie man sich erzählt, verstümmelte Konstantin in seiner leichtfertigen Denk-weise gegenüber der Gottheit auch dieses Standbild, indem er die Löwen auf ihren beiden Seiten entfernte und die Haltung ihrer Hände veränderte. Während sie nämlich zuvor die Löwen zurückzuhalten schien, hat man sie jetzt in die Haltung einer Betenden umgewan-delt, die ihre Blicke auf die Stadt richtet und sie beschirmt. Im anderen Tempel brachte Konstantin eine Fortuna aus Rom zur Aufstellung.

Aus dem von Zosimos verwendeten Terminus, enoe& TE-re(50-roo, ergibt sich, daß es sich um

einen abgeschlossenen, von vier Säulenhallen eingefaßten Platz gehandelt haben muß. Zu diesem

1 Z. B. Not. 232 (Reg. IIII); Cod. Tust. 8. 11, 21; Sokr., PG 67, 369AB; Joh. Mal. 4823; Ps.-Hesych 15 u. 34; Theoph. 18129; Kedr. 1, 64716.

2 Prok.. aed. 1. 11, 12; ders.. anekd. 14, 13; Menander, Müller, FGH 4, 201 (-= Suda III, 36128 s. v. MgvowSpo, -neoTim-og, krropus,4; Agathias 12720 u. 13815; Joh. Lyd., mag. 15619f.; Nov. 82, 3.

3 Joh. Mal. 4822; Par. 74: Patria 11.40.

4 Suda II, 372 s. v. 'EiriviKo (vgl. Müller, FGH IV, 618 frgm. 211 App.). Guilland, ütudes II, 4f.

5 Zos. 2, 31 (Übs. n. 0. Veh, Zosimus, Stuttgart 1990, 99). Berger, Altstadt 24ff. Ältere Ansicht etwa bei Mango, Brazen House 43ff. und Speck, Universität 92f.

Die Basilika 219

führte an einer Seite eine Treppe hinauf, an der sich auch der von Konstantin errichtete bzw. restaurierte Tempel der Rhea und Tyche befunden haben soll. Diese Treppe befand sich wohl an der Seite der Chalkopratenkirche, da nur hier ein größerer Geländeunterschied zu überbrücken gewesen sei'. Daß sich das Tycheion bei der Basilika befand, bestätigt auch Ps.-Hesych, der es am sogenannten Platz der Basilika (Kocrix Töv ßoto-u\miij Xelciiievov T67rov) lokalisiert'. Und auch Sokrates spricht von einem Tychebild gv Tlj (3occaXu,), also in bzw. bei der Basilika8.

Ob die Anlage konstantinisch ist, muß dahingestellt bleiben. Die Parastaseisnotiz, in der die Anlage als 1) ßoto- LXIA KLUO-TgeVil KLOVOTOWT1101) Toi) gyiXou bezeichnet wird, ist angesichts der Tendenz dieser Schrift, Bauten fälschlich auf Konstantin zurückzuführen, nicht stichhaltig9. Auch die Nachricht, Julian habe in seiner Jugend hier Schulunterricht erhaltenm, bedeutet noch kein konstantinisches Entstehungsdatum. Die Zosimosnotiz läßt eher an die vorkonstantinische Zeit denken.

Der Brand des Jahres 476 Im Jahre 476 wurden bei einem Großfeuer Basilika und Bibliothek zerstört. Daraufhin erfolgte im Jahre 478 die Wiederherstellung der Basilika durch Illos, der in diesem Jahr das Konsulat innehatten. Seit dieser Zeit ist auch die Benennung Boto- LXuA '1-XXou geläufig'2 . Die wichtigste Quelle für das vorjustinianische Erscheinungsbild der Basilika ist Prokop, der, bevor er auf die Umbauten Justinians eingeht, die Anlage mit einigen wenigen Worten beschreib-03:

Neben der Basileos Stoa (KALT& r30401,XglOg CYTO&V), d. h. da, wo Rhetoren, Lehrer und andere dieses Berufs das Recht auslegen, befindet sich ein sehr großer, hinreichend langer und breiter, auf allen vier Seiten von Portiken umgebener Hof (ocarrj T(S go-nv

Koti, E 3 ouS tiwtvC3 gxoucroc, gv Te-rpoun-Xv6ey SE weei,o-roXo daei), der nicht auf lockerem Boden, sondern auf gewachsenem Fels erbaut ist ... . Diesen Hof nun und die von den Portiken, die nach Süden zu sich öffnet (TGA) o-ToGiv gew filz 041)Til TgT(0t1T-

Tal ireö ör."vgi.tov v6-rov)14, ließ Kaiser Justinian in beträchtlicher Tiefe ausschachten und hob so das in den übrigen Jahreszeiten reichlich zuströmende Wasser für den Sommer in hinreichender Menge auf

Aus dieser Beschreibung geht klar hervor, daß sich bei der ßolaLXewc o-Toci eine Hofanlage er-streckte, die an allen vier Seiten von weiteren Portiken eingefaßt war. Das Erscheinungsbild der Anlage scheint sich also nicht grundlegend gewandelt zu haben15 .

6 Zur Frage der Lokalisierung des Tycheions s. Speck, Universität 93 (Anm. 6) u. 106; Berger, Altstadt 26; Berger 271ff.

7 Ps.-Hesych 15. 8 Sokr., PG 67, 409B. 9 Par. 74. Speck, Universität 94f.

1° Sokr., PG 67, 369AB; Zos. 3,23. 11 Joh. Ant. frg. 211, FGH IV, p. 618; Theoph. 17624_27; Suda III, 315 s. v. McitXxo; Kedr. 1, 6164ff.; Joh. Zon.

111,13015-1318. Zum Brand s. A. M. Schneider, ByzZ 41, 1941, 384. Zur Person des Illos s. PLRE II, 586ff. (Illus 1).

12 Chron. Pasch. 6191f.; Theoph. 17626f.; Kedr. I, 64514. Die Ansicht Schneiders, die Basilika des Illos sei eine andere Basilika, ist unbegründet: Schneider, Byzanz 25 Anm. 10.

13 Prok., aed. 1.11,12. Übs. nach Schneider, Byzanz 23. Speck, Universität 95. 14 Also die Nordportikus. Unkorrekt übersetzt bei 0. Veh, München 1977. 75. 15 Abermals deutet sich die ambivalente Bedeutung des Begriffs 134:xcriXimi' an. Die von Schneider kritisierte

220 Konstantinopel

Justinianische Zeit Während des Nikaaufstandes im Jahre 532 wurde wohl hauptsächlich die

dem Augusteion zugewandte Südostfront der Basilika zerstört. Dies geht aus den Anmerkungen

bei Theophanes und Kedrenos hervor, die beide den zerstörten Teil 7g06KLÖVLOV T171

bzw. 7zeourdiviov ßeitcyLM,Krij nennen16. In den folgenden Jahren erfuhr die Basilika durch den

Einbau einer Zisterne eine tiefgreifende Veränderung.

b. Die Zisterne

Außer Prokop berichten noch die Osterchronik, Theophanes und Kedrenos, daß unter Justinian

innerhalb der Basilika eine Zisterne errichtet wurde — die heutige Yerebatan-Saray-Zisterne''.

Malalas bezeugt, daß die Arbeiten abgeschlossen wurden, als Longinos Präfekt war, also im Jahre

54218. Dieser nämlich veranlaßte die Pflasterung des Innenhofs über der gedeckten Zisterne und

errichtete (gm- Lo- e) die umlaufenden Säulenhallen. Damit ist der terminus ante für die Errichtung

der Zisterne gegeben. Den terminus post bietet möglicherweise das Jahr 537, also der Zeitpunkt

der Vollendung der Hagia Sophia. Eine unsichere Patrianotiz deutet an, daß der Innenhof der

teilweise zerstörten Basilika als Werkplatz für den Bau der Sophienkirche verwendet wurde19 .

Die Yerebatan-Saray-Zisterne nimmt ein Rechteck von 138 m x 64,6 m ein (Abb. 70) 20. Für den

Bau dieser Zisterne ließ Justinian den Innenhof der Basilika ausschachten, zugleich aber auch

den Bereich unter der Nordhalle ausheben21. Die umständliche Angabe Prokops, er habe auch die

von den Portiken, die nach Süden zu sich öffnet, also die Nordportikus, ausheben lassen, deckt

sich bestens mit dem archäologischen Befund, der das etappenweise Vorgehen bei der Anlage

der Zisterne widerspiegelt22 . Daß auch die anderen Säulenhallen wiederhergestellt wurden, geht

aus der Pluralangabe in der Notiz bei Malalas zum Eparchen Longinos hervor: gKnoe 8e Kezi,

Taüg eµßöaovc TIPS oevTljS ßezat,Xuvii eincpurC3g23. Wahrscheinlich handelt es sich bei den ca. 40

Übersetzung von J. Strzygowski, in der ßctiQLXewS crTc.ci befindet sich ein sehr großer Hof, ist somit wohl

zutreffend: P. Forchheimer / J. Strzygowski, Die byzantinischen Wasserbehälter von Konstantinopel, Wien 1893, 177; Schneider, Byzanz 23f.; Guilland, Etudes II, 4.

16 Theoph. 18129; Kedr. 1, 64716- 17 Chron. Pasch. 6191_3; Theoph. 17626f.; Kedr. I,64514f. Wenn die Osterchronik und Theophanes den Bau der

Zisterne in das erste Regierungsjahr Justinians legen, so bedeutet das noch keine Datierung, sondern ist als eine summarische Auflistung der Bauten Justinians aufzufassen: Speck, Universität 96 Anm. 27.

18 Joh. Mal. 4821_3. Speck, Universität 96. Zum Datum der 2. Präfektur des Longinos s. Al. Cameron, GrRom-ByzSt 17, 1976, 286; PLRE 111,2, 795f. (Longinus 2).

19 Patria 111.192. Speck, Universität 96f.. und Berger 619 übersetzen den in dieser Notiz vorkommenden Begriff p.ocX6mme eez sinngemäß mit 'Steinbruch': während des Baus der H. Sophia habe der Innenhof der Basilika als

Bauplatz gedient.

20 Maßangaben und Pläne bei E. Unger, in: E. Mamboury / T. Wiegand, Die Kaiserpaläste von Konstantinopel, Berlin- Leipzig 1934, 55; Müller-Wiener 285 Abb. 323.

21 Prok., aed. 1. 11, 10-15.

22 Die Zisterne setzte sich einst aus 12 x 28 Säulenreihen, also insgesamt 336 Säulen zusammen. Der regelmäßig angeordnete Säulenwald läßt sich grob in drei Bereiche unterteilen. In den Längsreihen 1- 8 beträgt die Weite der Interkolumnien jeweils ca. 4,75 m, während sie in den Reihen 9 -12 ca. 5,10 m mißt. Die Längsreihen 1- 8 lassen sich nach ihren Kapitellformen in zwei unterschiedliche Bereiche unterteilen, die Querreihen I- XIV mit einem einheitlichen Kapitelltyp und die Querreihen XV - XXVIII, in denen nur noch rohe Kämpferkapitelle in den unterschiedlichsten Maßen auftreten (Unger, a. 0. 56-58). Ganz anders ist das Erscheinungsbild dagegen in den Längsreihen 9 -12: hier, wo der Säulenabstand auf 5,10 m erweitert wurde, begegnet eine einheitliche Bauweise (Unger, a. 0. 58). Zur Rek. der Bauabfolge s. Unger, a. 0. 69.

23 Joh. Mal. 4822f.

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Abb. 69. Lageplan der Yerebatan - Saray - Zisterne.

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Abb. 70. Yerebatan - Saray - Zisterne, Grundriß.

222 Konstantinopel

Säulenschäften, die zwischen der Basilika und dem Südschiff der Chalkopratenkirche gefunden

wurden, um herabgestürzte Reste dieser Portikus24.

Neubauten im Bereich der Chalkopratenkirche und der Basilika führten 1964 zur Entdeckung

von Mauerabschnitten, die mit der Basilika in Verbindung zu bringen sind25. Hierbei handelt

es sich um einen 1,16 m starken Mauerabschnitt, der in einem Abstand von 33 m parallel zur

Nordostseite der Basilika verlief und nur als Substruktionsmauer der Basilika gedient haben

kann.

Bei der Sakin Soguk, einer Seitengasse der Yerebatan Caddesi, im Bereich des Nordrands

der Zisterne, fanden sich weitere Reste von Substruktionen der Nordhalle der Basilika26. In

der Qatakesme Sokak, also nördlich der Basilika, wurden Reste der Portikus gefunden27. An

der Südostseite deuten weitere Mauerreste darauf hin, daß der Abstand der Säulenhallen zur

Zisternenostwand reduziert wurde: In der Alemdar Caddesi fanden sich Überbleibsel von Mauern,

die abschnittweise genau im rechten Winkel zur eben besprochenen Nordmauer ausgerichtet

sind. Sie bilden möglicherweise die Ostmauer der Basilika, die an dieser Seite nur mehr ca. 15 m

Abstand von der Ostseite der Zisterne hält28. Im Südwesten fehlen archäologische Anhaltspunkte.

Plattenbelag Natürlich trat die Zisterne innerhalb des Basilika-Komplexes nicht in Erschei-

nung. Über dem Gewölbe der Zisterne wurde, wie auch Malalas bestätigt, ein Pflaster verlegt29.

Von diesem Plattenbelag fanden sich 1934 Reste bei Bauarbeiten an der über die Zisterne ver-

laufenden Yerebatan Caddesi30 . Dabei handelt es sich um Platten aus prokonnesischem Marmor,

deren Größe von 0,70 m x 1,05 m bis 1,50 m x 2,00 m variiert.

c. Ausstattung

Die Ausstattung der Basilika muß prächtig gewesen sein, wie aus dem Erlaß von 440 hervorgeht,

der sie als inaurata et marmoribus decorata bezeichnet31. Xpo-ciyogos nennen sie die Parasta-

seis und die Patria, womit wahrscheinlich die Innendächer der Säulengänge gemeint sind32 . Die

Parastaseis erwähnen ein Standbild Justinians II. und seiner Gemahlin Theodora in (iv) der

Basilika33. Im Griechischen erscheint der Begriff -lovuKXLv6q, der nicht mit `kniend' übersetzt werden muß, sondern auch als an den Knien abgebrochen' interpretiert werden kann34. Als

wahrscheinlichste Lösung ergibt sich die Umdeutung einer älteren Statuengruppe; dabei wäre

24 Schneider, Byzanz 26; W. Kleiss, IstMitt 15, 1965, 167. 25 W. Kleiss, Neue Befunde zur Chalkopratenkirche in Istanbul, IstMitt 15, 1965, 149-167, bes. 166f. Aktueller

Überblick über die Forschungssituation bei M. Restle, RBK IV, 1990, 386ff. s. v. Konstantinopel. 26 E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 274. E. Mamboury spricht von voiites laterales, die als Unterbau für die

Säulenhallen am Rande der Zisterne dienten. 27 M. Schede, AA 1929, 358 Abb. 21f. Schneider, Byzanz 92 Abb. 46. 28 Vgl. den Plan von W. Kleiss, IstMitt 15, 1965, 150 Abb. 1. 29 Joh. Mal. 4822 . 3° E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 274. 31 Cod. lust. 8.11,21. Der Erlaß beschreibt somit den Zustand vor dem Brand 476. 32 Par. 37; Patria II, 41. Speck, Universität 98. Mango, Brazen House 51. 33 Par. 37. Die Patria II, 41 erwähnen nur mehr das Standbild Justinians II.

34 Über diese Nachricht ist viel gerätselt worden: Mango, Brazen House 32f.; Cameron / Herrin 210f.; Stichel 26; Berger 420.

Die Basilika 223

denkbar, daß es sich ursprünglich um eine Darstellung Justinians I. und Theodoras handelte, die seit dem 8. Jh. als Justinian II. und dessen Frau Theodora angesehen wurde.

Die Patria und die Suda erwähnen ein Et,ogiov des Kaisers Herakleios, das sich in/bei (b) der Basilika befunden haben so1135. P. Speck korrigiert Ecx,p,ov zu Eop,ov (= Statue) und will hier ein Bildnis des Herakleios sehen36. Angesichts einer weiteren Nachricht von einem vollplasti-schen Bildnis aus der Zeit dieses Kaisers könnte diese Vermutung durchaus zutreffen37. Eine auf zwei vergoldeten Pfeilern ruhende Statue Theodosius' I., die sich in (b) der Basilika befunden haben soll, nennen die Parastaseis38. Vielleicht ist dieses Standbild mit dem identisch, das als Salomostatue gedeutet wurde39. Angeblich sah man in der Basilika eine Statue Salomos, der in nachdenklicher Haltung dasaß, weil er von Justinians Sophienkirche so beeindruckt war, die den von ihm errichteten Tempel bei weitem übertraf4°.

Die Patria deuten auch eine Heraklesstatue an, die angeblich verehrt wurde und die man später ins Hippodrom versetzten. Ps.-Hesych zufolge soll von Kalliades bei der Basilika ein Denkmal des Byzas und seiner Frau Phidalia errichtet worden sein42. Von den Patriographen und der Suda wird auch das Standbild eines Elefanten genannt, das Severus gestiftet haben soll43. Dieses Bildwerk kann ziemlich genau lokalisiert werden. Der Elefant stand außerhalb der Basilika und zwar in der Gegend der Stufen, deren Zahl die Parastaseis mit 72 angeben. Hierbei handelt es sich wohl um die Treppenanlage, die auch Zosimos erwähnt und die zur tiefer gelegenen Chalkopratenkirche führte. Damit ergibt sich als Standort die Ostecke der Basilika44. Die Datierung in severische Zeit ist reine Phantasie; plausibler wäre ein Ansatz in die Zeit Theodosius I., in der auch eine ähnliche Erzählung der Patria über dasselbe Standbild spielt45. Es ist bisher nur von Becatti gesehen worden, daß sich dieser Elefant auf den Freshfield-Zeichnungen der Arkadiussäule wiederfindet46.

Fraglich ist hingegen, ob die in der Anthologia Palatina überlieferten Statuen des Zenon und der Ariadne wirklich bei oder in der Basilika gestanden haben47.

35 Patria II, 41; Suda I, 459 s. v. 13ao-tXml. 36 Speck, Universität 98f. Cameron und Herrin 211 sowie Berger 419 übersetzen den Begriff mit 'measure' bzw.

`Normalmaß'. 37 Reiterstandbild des Niketas, des Feldherrn und Cousins Kaiser Herakleios' auf dem Forum: Nikeph. 5:

Anth. Pal. 16.46f. C. Mango, Epigrammes honorifiques, statues et portraits a Byzance, in: [email protected] QTöv MAW Er3oglvo, Rethymno 1986, I, 23-35, hier 30f.

38 Par. 74.

39 Preger, krit. App. zur Textstelle; Speck, Universität 99; Berger 421. 49 Patria II, 40.

41 Patria II, 41. 42 Ps.-Hesych 34. 43 Par. 37; Patria 11,41; Suda 1,459 s. v. 3oLo- Okus,ij. 44 Zur Lokalisierung s. Speck, Universität 99 Anm. 45; Berger 420f. 45 Patria III, 89; Berger 421. 46 Becatti 190 u. 208f. 47 Anth. Pal. 16.69 und Suda IV. 432 s. v. cvriiXri. Die Angabe in der Suda, die Standbilder hätten sich

3eicriVickl befunden, wird von Berger zu Recht mit dem Argument angezweifelt, der Verfasser der Suda habe hier den Text gegenüber Parastaseis 32 und Patria II. 27 gekürzt: statt 6v Tti ßezcrLXL,Kij heißt es in der Suda nur mehr 6-t) Tfi 13occn,XL,Kfi. Die beiden Standbilder müssen also in der Nähe der Chalke lokalisiert werden. S. o. S. 165.

224 Konstantinopel

Als weiteres Ausstattungselement wäre noch die Sonnenuhr zu nennen, die bis zum Nikaauf-

stand in der Basilika zu sehen war und die Justin II. wiederaufstellen ließ48. Zu den archäolo-

gischen Funden im Bereich der Yerebatan-Zisterne zählt der Kopf eines bärtigen Mannes, der

1943 bei Fundamentierungsarbeiten zutage kam4°.

d. Funktion

Daß die Basilika als Lehranstalt diente, zeigt die Tatsache, daß Julian in seiner Jugendzeit hier

Unterricht genossen hatte und der Basilika später eine Bibliothek stiftete50 . Bis 425 beherbergte

also die Basilika die Universität Konstantinopels51. Die Novelle 82, 3 aus dem Jahr 539 bezeugt,

daß die Basilika als Ort von Gerichtssitzungen diente52. Diese Funktion behielt sie auch in der

Folgezeit53. Im 6. und 7. Jh. ist in manchen Quellen Rechtsprechung in der Basilika belegt: `b

flucTLX6u.) o-Toi5,z sitzen' wird als Synonym für juristische Tätigkeit verstanden54. Vom 7. Jh. an

finden sich wieder Belege, daß sich der private Unterricht in der Basilika konzentrierte55. Eine

Agathiasnotiz läßt darauf schließen, daß sich hier Buchhändler befanden56 .

Ein Erlaß von 440 untersagt das Aufhängen von Bildern, das Einlassen von Pferden, das Abhalten

von Hochzeiten und die Anlage von Verkaufsständen in der Basilika57. Zum einen drückt sich

hierin das rege Interesse der Öffentlichkeit an einer Nutzung des Platzes für die verschiedensten

Anlässe (private Feierlichkeiten, Handel etc.) aus, zum anderen aber sollte gerade dieses Verbot

natürlich die Basilika für öffentliche Zwecke freihalten58. Die Basilika war ab und zu Kulisse

für Volksversammlungen bzw. öffentliche Auftritte59; die Absetzung des Philippikos Bardanes

erfuhr dort ihre Bestätigung, und angeblich soll der Bulgarenchan Terbelis im Jahre 705 dort

gesprochen haben6°.

2. Das Strategion

Das Strategion war im Gegensatz zu den neuangele gten Kaiserfora eine ältere Platzanlage und

existierte wohl schon in vorkonstantinischer Zeit. Im Regionenverzeichnis wird es unter den Bau-

ten der Region 5 aufgeführt: Strategium, in quo est forum Theodosiacum et obeliscus Thebaeus

quadrus61. Im Strategion befanden sich also noch ein Theodosiusforum und ein Obelisk. Während

48 Anth. Pal. 9, 779.

49 Firath Nr. 24.

50 Sokr., PG 67, 369AB; Zos. 3, 11.

51 Cod. Theod. 14.9, 3 u. 15. 1, 53.

52 Nov. 83, 3.

53 Prok., anekd. 14, 13; Agathias 12720 ff. Speck. Universität 97 mit Hinweis auf eine Theophanesnotiz des Jahres

431 (Theoph. 8819), in der von einem axoXearrucöq TT1c ßaQt,Xtrcfjc KCJVCFTUVTLVOUIt6XCUJq die Rede ist.

54 Speck, Universität 97. Beispiele ibid. Anm. 36.

55 P. Speck, ByzZ 67, 1974, 392 Anm. 25. 56 Agathias 1272o ff 57 Cod. lust. 8. 11, 21.

58 Speck, Universität 97.

59 Speck, Universität 99.

69 Par. 37; Patria II, 41; Suda I, 459 s. v. Peeo- Amt'l. 61 Not. 233 (Reg. V).

Das Strategion 225

die Bezeichnung Strategion noch häufiger begegnet, erfahren wir über das forum Theodosiacum nichts mehrst.

a. Lage

Die Lage kann in etwa aus den Angaben im Regionenverzeichnis erschlossen werden. Die 5. Re-gion wird in den neuen Regionenplänen übereinstimmend als schmaler Streifen zwischen dem Meseabschnitt östlich des Konstantinsforums und dem Goldenen Horn angegeben63. Somit zähl-te die Region 5 wahrscheinlich zum vorkonstantinischen Stadtgebiet, da sie ebenso wie die 3. Region von Osten an das Konstantinsforum heranreichte, das man als Grenze zwischen Altstadt und Neustadt betrachten darf. Unmittelbar nach dem Strategion werden im Regionenverzeich-nis Horrea, ein Nymphäum und der Prosphorianoshafen genannt, woraus man schließen wird, daß sich das Strategion nicht allzuweit vom Meer entfernt befand. Dies geht auch aus der Nen-nung von Altären für Achilles und Aiax hervor, die in den Quellen sowohl am Strategion als auch am Bosporus lokalisiert werden, bei denen es sich aber wohl um ein und dieselbe Anlage handelte64. Eine ebene Platzanlage, als welche das Strategion in den Patria bezeichnet wird, ist wohl am ehesten im Bereich zwischen Sirkeci und Eminönü denkbar65. Die Erwähnung eines Pro-zessionszuges im Zeremonienbuch, der sich vom Hafen zum Stadtzentrum hinzog, zeigt, daß hier auch ein Straßenzug gegeben war, der vom Goldenen Horn zum Stadtzentrum führte und wahr-scheinlich auch das Strategion berührte bzw. vielleicht sogar durchzog66. Die enge Verbindung zum Hafen, zugleich aber die Anknüpfung an das alte Stadtzentrum lassen das Strategion als geeignet für einen Marktplatz erscheinen67.

b. Anlage und Ausbau des Strategion

Nach Malalas errichtete bereits Alexander das Strategion68. Möglicherweise spann sich diese Le-gende um das auf dem Strategion befindliche Standbild Alexanders (wenn es ein solches war), das die Patria erwähnen69. Doch ist nicht auszuschließen, daß es sich tatsächlich um eine Platz-anlage aus hellenistischer Zeit handelte. Möglicherweise ist es identisch mit dem bei Xenophon

62 Mehrfach wird in Verbindung mit dem Strategion auch die Bezeichnung 'Forum' verwendet: Marcellinus Comes (Marc. Com. 97 (an. 510)) verwendet 'Forum Strategii', Ps.-Hesych 39 und die Patria I.43 u. II, 59 nennen den Platz 6 ETecereytov Xey6i.tevop 4962ov, im Zeremonienbuch (Cer. 4979 = p.138703 Haldon) ist von einem .p6 oS T0i3 Erpcarffluu die Rede. Nach Ps.-Hesych 39 leitet sich der Name Strategion davon ab, daß früher an diesem Ort verdiente Feldherren militärische Ehren empfingen.

63 Janin 51f. Plan 3; R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 133 (Abb. 8) u. 135; Müller-Wiener 21 Abb. 2; Berger 148 (Skizze 2), 152 u. 408.

64 Ps.-Hesych 16; Patria I, 52; Dion. Byz. p. 17, 4ff. Güngerich. E. La Rocca in: Costantino il Grande, II, Macerata 1993, 556f. Anm. 15.

65 Patria II, 59 (5-ri ire8i,ov ?jv 6 1-674. Schneider, Byzanz 85 (Plan F6); Guilland, ttudes II, 55f.; Janin 432 (Plan I G6); Berger 204 (Skizze 5) u. 408: oberhalb vom heutigen Bahnhof Sirkeci. In Bergers Skizze wird das Strategion als Vorplatz vor der alten Stadtmauer wiedergegeben, die man an dieser Stelle durch das ebenfalls von den Patria erwähnte Urbikiostor durchschritt.

66 Cer. 497 = Haldon 138702ff. Berger 408; Guilland, ttudes II, 56. Der zurückkehrende Kaiser legte mitunter am Goldenen Horn an, stieg zum Strategion, um von den hier versammelten Würdenträgern das aurum coronarium zu empfangen, woraufhin sich der Zug in den Palast bewegte.

67 Im Eparchenbuch heißt es, daß hier mit Schafen gehandelt wurde: Ep. Bibl. 15, 1. 68 Joh. Mal. 19211-1931. 69 Patria II, 59. Bassett, Reuse 148f. (A-10).

226 Konstantinopel

erwähnten Thrakion, das ebenfalls als Ort für Truppenaufmärsche verwendet wurde70. Malalas

berichtet zudem, daß das Strategion von Septimius Severus erneuert wurden. Ps.-Hesych zufolge

soll der Ausbau des Strategion zu einer Forumsanlage bereits unter Konstantin stattgefunden

haben72. Die urbanistische Situation widerspricht dem nicht. Ähnlich dem Konstantinsforum

befand sich der Platz wohl an der einstigen Stadtmauer von Byzantion und verlor durch die

Stadterweiterung nach Westen seine Randlage zugunsten einer zentralen Position am Zugang

zur Altstadt.

Das Forum Theodosiacum und das kleine Strategion Aus mehreren Textstellen geht hervor,

daß das Strategion in zwei oder mehr Bereiche unterteilt war. In der Notitia wird erläutert:

Strategium, in quo est Forum Theodosiacum et obeliscus Thebaeus quadrus. Auch die Parastaseis

und die Patria lassen an eine Zweiteilung des Strategion in ein großes und ein kleines Strategion

denken. In den Parastaseis ist von einem ilt,Keiw ETeurrhuov die Rede, in dem dieser schwer ver-

ständlichen Passage zufolge mit Blei, Silber und Gold gehandelt wurde73. Offenbar wird auf einen

abgetrennten Teilbereich Bezug genommen, vielleicht auf einen Seitenhof des Strategion. Die ei-genartige Information in den Patria, der µixeös ETeocr1j"+Loc sei das Standbild des Leon Makelles,

ist wohl als Übertragung des Platznamens auf ein dort befindliches Standbild zu verstehen74.

Guilland schlug vor, daß das 'große' Strategion das eigentliche Strategion sei, während das

zweite, 'kleine' Strategion wiederum mit dem Forum des Strategion identisch sein könnte, das in

den Quellen mehrfach auftaucht75. Dieses Forum des Strategion sei seinerseits mit dem Forum

Theodosiacum identisch. Berger wies jedoch darauf hin, daß die Patria die Ausstattung (Statuen

und Obelisken) sowie das Tor eindeutig am 'großen' Strategion lokalisieren76. Offenbar scheint

Berger die umgekehrte Lösung zu bevorzugen, nämlich die, daß das Forum Strategii mit dem

`großen' Strategion identisch sei, sich also hier die Ausstattung, das Obeliskenfragment und der

Torbogen konzentrierten. Die Aufstellung des Obeliskenfragments führte wahrscheinlich dazu,

daß dieser Teil des Strategion als Forum Theodosiacum bezeichnet wurde.

An eine Zweiteilung des Platzes unter Theodosius II. und Umbenennung eines der beiden Tei-le nach dem Kaiser dachte bereits F. W. Unger. Ihm zufolge könnte das Bruchstück des Obelisken

auf dem Hippodrom zunächst in Athen gelassen worden sein, als Theodosius I. den Obelisken

nach Konstantinopel schaffte77. Erst unter Theodosius II. wäre er von Athen aufs Strategion in

Konstantinopel überführt worden, wo ihn dann auch die Regionenbeschreibung erfaßt. Wenn es

auch durchaus möglich ist, daß — wie die Patria angeben — der auf dem Strategion befindliche

Obelisk ein Bruchstück des auf dem Hippodrom befindlichen ist78, so zerbrach der Obelisk wohl

doch erst in Konstantinopel, entweder beim Transport oder beim Versuch ihn aufzustellen79.

70 Xenoph., Anab. 7.1, 24; Xenoph., Hell. 1.3,20 (Unger S.161). 71 Joh. Mal. 29215. 72 Ps.-Hesych 39; Par. 69. 73 Par. 24. 74 Patria 11,61. Berger 410.

75 Guilland, Ütudes II, 56. Marc. Com. 97 (an. 510); Ps.-Hesych 39; Patria 11,59; Cer. 4979. 76 Berger 411. 77 Unger 5.162 u. 163 Anm. 2.

78 Patria II, 60. Guilland, Etudes II, 55; Mango, C'ple 43 Anm. 35; Berger 408. 79 Berger 408.

Das Strategion 227

Die Verlagerung des Obeliskenbruchstücks zum Strategion erfolgte also nach 390, dem Datum der Aufstellung des Hippodrom-Obelisken, und vor 425, dem ungefähren Abfassungsdatum der Notitia. Auf jeden Fall ist in diesem Transfer der Anlaß zu sehen, einen Teil des Platzes Theo-dosiusforum zu nennen80 .

Bauten am Strategion Den Patria zufolge befand sich am Strategion das älteste Gefängnis der Stadt, das bereits in vorkonstantinischer Zeit existierte, unter Konstantin übernommen wurde und bis Phokas dort stand81. Zudem erwähnen die Patria ein Praitorion, das aus dem Haus einer verwitweten Patrizierin hervorging - eine Nachricht, die Berger für unhistorisch hält82 . In der Nachbarschaft des Strategion muß das Achillesbad gelegen haben, das wohl an der Stelle des früheren Altars des Achilles und Aiax errichtet wurde, woher es auch seinen Namen erhielt83. Die Patria erwähnen zudem ein Haus des Patriziers Urbikios am Strategion84.

c. Ausstattung

Standbilder Sokrates und Kedrenos erwähnen ein Reiterstandbild des Kaisers Konstantin85. Berger vermutet, daß dieses Reiterstandbild mit dem in den Patria erwähnten Standbild Alexan-ders identisch sei86. Es soll aus Chrysopolis stammen und von Konstantin nach Konstantinopel geschafft worden sein. Sokrates erwähnt im Zusammenhang mit dem Reiterstandbild eine Stele, auf der Konstantin festhalten ließ, daß Konstantinopel 'zweites Rom' genannt werden sollte87. Diese Inschriftentafel begegnet auch bei Ps.-Hesych und in den Patria, wo es heißt, daß Kon- stantin Xuat;vig Ca) erleoalle o-r1Pos88.

Marcellinus und die Patria berichten von der Statue einer Tyche bzw. Fortuna mit Füllhorn, die sich auf einem Torbogen (super fornicem residens) befunden habe, wohl dem Hauptzugang des Platzes89. Weiter nicht identifizierbare Säulen (Kiove) beim Strategion erwähnt Manuel Chrysoloras90. Hier ist allerdings nicht klar, ob es sich um Ehrensäulen oder um die Säulen einer Säulenhalle o. ä. handelt.

80 Die Notiz bei Marcellinus zum Jahre 435, bei den Helianae sei ein Forum Theodosiacum errichtet worden, ist mit Mango auf das Sigma in den Helenianai zu beziehen: Marc. Com. 79 (an. 435). Mango, C'ple 50 Anm. 81; ders. in: 17th int. Byz. Congr., Major Papers, New York 1986, 124.

81 Patria III, 13; Glyk. 4689_11. Janin 166. Berger 737 hält diese Nachricht für legendär. 82 Patria III, 14; Glyk. 46811 ff. Das Prätorium befand sich zwar wie das Strategion in der V. Region, jedoch an

der Mese, in unmittelbarer Nähe zum Konstantinsforum, wie aus Erwähnungen im Zeremonienbuch hervor-geht: Not. 233 (Reg. V) (Prytaneum); Cer. 518, 5617, 10621 u. 37618. Berger 738ff.

83 Ps.-Hesych 16. Janin 216; Guilland, ttudes II, 56. Das Achillesbad wird in den Patria I, 52 als Station des Verlaufs der Byzasmauer genannt und war, wie ebenfalls aus dem Text hervorgeht, eng mit dem Urbikiostor verbunden: vgl. hierzu auch Berger 203ff.

84 Patria III, 22. Zur Person des Urbikios, eines hohen Beamten und Militärschriftstellers, s. PLRE II, 1190 (Urbicius 2), und Berger 404.

85 Sokr., PG 67, 116C-117A; Kedr. 1, 5632of. 86 Patria II, 59. Berger 407. 87 Sokr., PG 67, 116C-117A. Skeptisch gegenüber dieser Tafel gibt sich Dagron, Naissance 45. 88 Ps.-Hesych 39; Patria I, 43. 89 Marc. Com. 97 (an. 510); Patria II, 61. Berger 410. Mango vermutet, daß es sich bei dem Urbikiostor und

dem Tor mit der Fortunastatue um ein und dieselbe Toranlage handelte: Mango, C'ple 19 Anm. 32. 90 Man. Chrys., PG 156, 45D.

228 Konstantinopel

Sonstige Ausstattungselemente In den Parastaseis und den Patria taucht ein Dreifuß auf dem

Strategion als Weihgeschenk Alexanders und in einer späteren Überlieferung als Dreifuß der

Hekate auf91. Die Parastaseis erklären diesen Dreifuß als Darstellung Alexanders, was entweder

meint, daß Alexander den Dreifuß als Weihgeschenk stiftete, oder daß ein Alexanderstandbild mit

diesem Dreifuß kombiniert war92. Ein ehernes Becken, das Basileios I. (867-886) vom Strategion

zur wiedererrichteten Michaelskirche T64 ET eCgov brachte, erwähnen die Patria93.

Mango weist das Fragment einer Beamtenstatue, die im Archäologischen Museum Istanbul

aufbewahrt wird, dem Strategion zu94. Die Statue wurde in Sirkeci bei der Post gefunden.

Das Bruchstück des Obelisken auf dem Hippodrom In der Notitia begegnet der Obelisk auf

dem Strategion als obeliscus Thebaeus quadrus. Die Patria bemerken, daß der auf dem Strategion

stehende Monolith ein Bruchstück des Obelisken im Hippodrom sei95. Dies ist durchaus möglich,

da der auf dem Hippodrom befindliche, 19,6 m hohe Obelisk, der dort 390 von dem Präfekten

Proklos errichtet wurde, tatsächlich nur das größere Oberteil des aus Karnak stammenden Obe-

lisken Thutmosis' III. bildet96 . Möglicherweise ist das Obeliskenfragment vom Strategion aber

auch mit dem im Garten des Istanbuler Museums befindlichen identisch, das aber sicherlich

nicht ein Bruchstück des Hippodromobelisken ist97. Doch handelte es sich wahrscheinlich um

das Bruchstück des Obelisken im Circus. Denkbar wäre, daß es bei der Aufstellung im Jahre

390 abbrach, das Bruchstück daraufhin auf dem Strategion aufgestellt wurde, das zu Ehren des

regierenden Kaiserhauses in Forum Theodosiacum umbenannt wurde".

3. Das Philadelphion

Der Name Philadelphion erinnert den Parastaseis und den Patria zufolge an das Treffen der

Konstantinssöhne an dieser Stelle nach dem Tod ihres Vaters":

Das sogenannte Philadelphion sind die Söhne Konstantins d. Gr. Als Konstantin d. Gr.

starb, war Konstantius im Osten, Konstans kam vom Westen und aus Gallien, und sie

trafen sich hier und umarmten sich. Nicht daß sie sich hier getroffen hätten, sondern ihre

Begegnung wurde hier dargestellt.

91 Par. 69; Patria 11,61; Kedr. I, 56320. Bassett, Reuse 212 (H-2).

92 Berger 407 u. 409. 93 Patria III, 24. 94 Mango, C'ple 70. Zur Statue: Firath Nr. 16. 95 Patria II, 60.

96 Guilland, Etudes II, 55; Mango, C'ple 43 Anm. 35; Berger 408. Zu Proklos s. PLRE I, 746f. (Proculus 6).

97 Zu diesem Fragment R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke, Berlin- Leipzig 1932, 145f. (Abb. 60); H. Tezcan, Topkapi Sarayi ye Ceyresinin Bizans devri Arkeolojisi, Istanbul 1989, 168-171. Das Fragment im Archäolo-gischen Museum stammt sicher nicht von dem Hippodromobelisken, da das Material des ersteren deutlich dunkler ist, und außerdem auch Hieroglyphen fehlen. Dieses Stück ist höchstwahrscheinlich auch das, welches P. Gyllius in den Gärten des Serail sah (Gyllius 3,1). J. Ebersolt, Mission archeologique de Constantinople, Paris 1921, 5 Anm. 3 Taf. 25. Barsanti, Costantinopoli 127. Anders Delbrueck, a. 0., 146.

98 Vgl. hierzu auch Berger 408f. und H. Wrede, Zur Errichtung des Theodosiusobelisken in Istanbul, IstMitt 16, 1966, 178-98.

99 Par. 70; Patria II, 48 (Om. nach Berger 330).

Das Philadelphion 229

a. Lage

Eine ungefähre Bestimmung der Lage des Philadelphion ermöglichen die Wegbeschreibungen des Zeremonienbuchs, in denen das Philadelphion zwischen Bus und Tauros bzw. zwischen Amastria-non und Modion angeführt wirdm°. Vom Philadelphion aus zweigte der nördliche Mesestrang ab zur Apostelkirche. Das Zeremonienbuch nennt mehrfach als erste (bzw. letzte) gemeinsame Station des Weges von der Apostelkirche bzw. vom Goldenen Tor zum Kaiserpalast das Phil-adelphionm

Aus diesen Angaben ergibt sich, daß das Philadelphion im weiteren Umfeld der heutigen Laleli-Camii gelegen haben muß. Über den genauen Ort der Einmündung des Mesenordstrangs in den Hauptstrang gibt es jedoch nur Hypothesen. Janin verlegt das Philadelphion entsprechend seiner Theorie von einem bogenförmigen Verlauf des Mesehauptstrangs westlich des Tauros weit nördlich der Laleli-Camii'°2 . Berger hingegen geht von einem schnurgeraden Verlauf des Mese-nordstrangs aus, der vom Charisiostor entlang der Aetioszisterne, Apostelkirche und Polyeuktos-kirche ca. 50 m östlich der Laleli-Camii in die Mesehauptachse einmündete. Diese Rekonstruktion nimmt im Gegensatz zu sonstigen Rekonstruktionsversuchen nicht mehr die Parallelität des Va-lensaquädukts zum unteren Abschnitt des Mesenordstrangs an103. Berger lehnt sich in seiner Rekonstruktion damit eng an die Naumanns an, der das Philadelphion ebenfalls am Mesehaupt-strang lokalisierte und den Mesenordstrang in einem deutlich steileren Winkel in den Hauptzug einmünden ließ — eine Rekonstruktion, die auch vom Ausgräber der Polyeuktoskirche akzeptiert wurdel". Auch Mango verzichtet auf eine Parallelität zum Valensaquädukt, verlegt allerdings die Trasse des Nordstrangs so weit südlich, daß zwar die Markianssäule, jedoch nicht einmal mehr die Apostelkirche berührt wirdl°5.

Gegenüber diesen Rekonstruktionsversuchen des Mesenordstrangs ist Skepsis angebrachtim. Einleuchtend erscheint die Rekonstruktion eines geraden Verlaufs vom Charisiostor entlang der Aetioszisterne bis zur Apostelkirche. Dies wird auch begünstigt durch die noch heute auffallende Blockbebauung im Gebiet um die Fatih-Camii, die wohl ein byzantinisches Raster in diesem Bereich widerspiegelff. Die Ausrichtung wechselt dann mit dem Verlauf des Valensaquädukts,

loo Christi Himmelfahrt: Cer. 569 ; Ostermontag: Cer. 5017f.; Ostermontag (bis Leon VI.): Cer. 7523 u. 8322 (Rückweg); Mittwoch der 4. Woche nach Ostern: Cer. 10613f.; Triumph Basileios' I. im Jahre 879: Cer. 5021 = p.144777f. Haldon. Vgl. die Skizze bei C. Striker, The Myrelaion (Bodrum Camii) in Istanbul, Princeton 1981, 8.

101 R. Janin, REByz 13, 1955, 101f.; Berger 330. 102 R. Janin, REByz 13, 1955, 85ff. 103 Berger 330f. mit Hinweis auf die Rekonstruktionen von Janin Plan V; Müller-Wiener 21-5. 104 R. Naumann, IstMitt 16, 1966, 209ff. Abb. 3; R. M. Harrison et al., Excavations at Sarachane in Istanbul, I,

Princeton 1986, 405. 1°5 Mango, C'ple Plan II (Abb. 48 n. 49). An einer Stelle des Zeremonienbuchs wird der Weg vom Charisiostor zum

Kaiserpalast beschrieben: Cer. 49713 ff , = p.1387o7ff. Haldon. Justinian betrat die Stadt über das Charisiostor, wo er begrüßt wurde, ging weiter zur Apostelkirche, wo er betete, setzte dann seinen Weg fort über das Kapitol zur Chalke. Die Apostelkirche kann also nicht an einer Abzweigung gelegen haben, wie es Mango rekonstruiert.

106 5. auch o. S. 214. 107 Vgl. zu dieser Frage auch M. Restle, Bauplanung und Baugesinnung unter Mehmet II. Fätih. Filarete in

Konstantinopel, Pantheon 39, 1981, 361-367, hier 362f.; ders., Istanbul. Bursa, Edirne, Iznik, Stuttgart 1976, 19ff.

230 Konstantinopel

der für den Bereich des heutigen SaraQhane das Straßenraster vorzugeben scheint: es spiegelt

sich in den beiden heutigen Hauptachsen Atatürk-Bulvari und Sehzadebasi- bzw. Macar Kardes-

ler Caddesi. Hierfür spricht auch, daß Markianssäule und Atrium der Polyeuktoskirche in einer

Linie parallel zum Valensaquädukt liegen. Für eine Parallelität der Mese zum Valensaquädukt

sprechen obendrein noch die Reste von Terrassenstützmauern, die sich entlang dem Höhenzug

vom Tauros zur Apostelkirche ziehen (Abb. 73)108. Die erhaltenen Reste verlaufen sämtlich par-

allel zum Valensaquädukt und es ist nicht anzunehmen, daß die nördliche Mese diese Terrassen

ignorierte und schräg quertel°9. Doch wird man wohl davon ausgehen, daß der Mesenordstrang

irgendwann nach Süden abknickte; ansonsten würde er in den Tauros münden. Ein solcher Knick

wird durch den Verlauf der Terrassenmauern nahegelegt, die nordöstlich der Laleli-Camii abbie-

gen und nach Süden verlaufen. Wäre es nicht möglich, daß der Mesenordstrang dem Lauf dieser

Terrassen folgte? Eine solche Rekonstruktion, die nicht nur durch den archäologischen Befund

begünstigt wird, sondern sich auch mit der heutigen Straßenführung in diesem Bereich deckt,

hätte den Vorteil einerseits die Parallelität zum Valensaquädukt zu wahren, andererseits auch

mit der Lokalisierung des Philadelphion bei der Laleli-Camii zu harmonieren. Die Mese hätte

also an der Markianssäule und Polyeuktoskirche vorbeiführen können, um dann etwa an der

Stelle der Balaban-aga-Mescidi nach Süden abzubiegen1".

b. Erscheinungsbild

Die Tatsache, daß das Philadelphion im Zeremonienbuch als Station von Prozessionszügen aufge-

listet wird, zeigt, daß es sich um eine Anlage handelte, die ausreichend Raum für Versammlungen

bot. Auch die Vielzahl der am Philadelphion ausgestellten Statuen und Denkmäler deutet dar-

auf hin, daß es sich um eine — wie auch immer dimensionierte — Platzanlage gehandelt haben

muß. Die Rekonstruktion Bergers wird den topographischen Voraussetzungen am ehesten ge-

recht, indem sie das Philadelphion in die Weggabel legt, die zwischen dem Mese-Hauptstrang

und dem Mese-Nordstrang entstand (Abb. 72). Er rekonstruiert eine kleine dreieckige Platzanla-

ge an der Gabelung der Mese, in deren Mitte sich der Porphyrpfeiler mit dem Kreuz befunden

haben mußm. Als westlichen Abschluß vermutet er eine Portikus mit einem Tordurchgang zum

Kapitol. Wahrscheinlich wird man jedoch davon ausgehen müssen, daß der Mese-Nordstrang

rechtwinklig in den Hauptstrang einbog (s. o.).

c. Ausstattung

Mehrere Statuen des konstantinischen Kaiserhauses werden für das Philadelphion in z. T. un-

durchsichtigen Quellennotizen überliefert. Gegenüber einem Porphyrpfeiler Toi-) w~ovos Toi)

108 Pläne bei R. Janin, REByz 13, 1955, 87.; Striker; a. 0. 9. 109 Als weiteres Argument für eine nicht allzugroße Distanz des Mesenordäragigs vom Valensaquädukt ließe sich

die Lage der KWV0701.1)TLOCIJOti anführen, die im Zeremonienbuch zwischen Tez '0Xußeiou und Polyeuktoskirche genannt werden (Cer. 7524) und sich aufgrund der dort befindlichen Thermenanlage nicht allzuweit vom Valensaquädukt befunden haben dürften.

110 Zur Balaban-aga-Mescidi, einem Bau aus dem 5. / 6. Jh., s. Müller-Wiener 98f. Plan E7/14. Nachtrag: Ein regelmäßiges Straßennetz im Bereich der konstantinischen Stadterweiterung postuliert neuerdings A. Berger, Überlegungen zur frühbyzantinischen Stadtplanung in Konstantinopel, in: L. Ry&n / J. 0. Rosenqvist (Hgg.), Aspects of Late Antiquity and Early Byzantium, Uppsala 1993, 163-165.

111 Berger 334.

Das Philadelphion 231

Abb. 71. Zwillingssäulen mit den venezianischen Tetrarchen, Rekonstruktion nach P. Verzone.

Abb. 72. Philadelphion, Rekonstruktion nach A. Berger.

ta Amastrian u späterer Platz des Modlons

Tauros

hiladeiphion ta Kuratoros

ta Diakonisses ...:t

Modlon

Rotunde Haus des Krateros

Myrelaion

5

DU FORUM BOVIS

AU

FORUM TAUBI

7I-rasses db,0,2s ifiombouo,

FORUM

TAURI

4-0"'

10'

Abb. 73. Verlauf der Terrassenmauern nördlich des Philadelphion.

232 Konstantinopel

-rcoNYueoi5), der ein mit Gold, Gemmen und Glas besetztes Kreuz trug, befanden sich Sitzsta-

tuen von Angehörigen der konstantinischen Kaiserfamilie. Während die Parastaseis Sitzstatuen

Konstantins, seiner Mutter und seiner Söhne überliefern, erwähnen die Patria nur solche seiner

Söhne112 . Späte russische Pilgerberichte kennen zwei große rote Steinfiguren, die als 'gerechte

Richter' bezeichnet und denen magische Kräfte zugeschrieben wurden. Diese Standbilder wur-

den von den Lateinern beschädigt, eines der Standbilder war in zwei Teile zerbrochen, das andere

hatte Hände, Nase und Füße verloren"". Manuel Chrysoloras lokalisiert die thronenden Porphyr-

gestalten an einer Straßengabelung (T@Co8o0114. Auch Statuen Kaiser Julians und seiner Frau

sollen sich den Parastaseis zufolge am Philadelphion befunden haben"5. Da einerseits Julian kei-

ne Frau namens Anastasia hatte, obendrein noch berichtet wird, daß jene Anastasia vom Thron

gestoßen wurde, da sie Christin war, dürfte diese Zuweisung legendär sein.

Die Porphyrtetrarchen Schließlich noch zu den porphyrnen Tetrarchengruppen, die sich heu-

te an der Ecke des Schatzhauses von S. Marco in Venedig vermauert befinden (Taf. 27): Bereits

1958 vermutete P. Verzone eine Herkunft der Porphyrplastiken aus Konstantinopel"6. Er deu-

tet eine Verbindung der Statuengruppen zum Philadelphion an und rekonstruiert als originale

Aufstellung zwei monumentale Säulen, an deren Schaft je ein Paar der sich umarmenden Kai-

ser appliziert war — analog der zum Vergleich herangezogenen Tetrarchengruppen im Vatikan

(Abb. 71)117 . 1965 wurde diese Vermutung bestätigt durch den Fund des porphyrnen Fußfrag-

ments im Bauschutt bei der Rotunde an der Bodrum Camii, also in unmittelbarer Nähe des

von Verzone vermuteten Aufstellungsorts"5. Über den Aufstellungsort der Säulen kann nur spe-

kuliert werden. Aus den Angaben der Patria ergibt sich ein Aufstellungsort gegenüber dem

Säulenkreuz. Berger rekonstruiert als möglichen Anbringungsort ein Säulenpaar der westlichen

Portikus, durch die man zum Kapitol gelangte119 . Geht man allerdings von der von Verzone

vorgeschlagenen Säulenhöhe von ca. 11 m aus, so ergäbe sich eine für eine Portikus unwahr-

scheinliche Höhe. So wird man wohl ein frei stehendes Säulenpaar annehmen müssen — auch

wenn zu diesem literarische Überlieferungen fehlen'2°. In den entsprechenden Passagen der Patriographen zum Philadelphion ist von einer Plastik

die Rede, welche die Konstantinssöhne darstellt, wie sie einander begegnen und sich dabei umar-men121 . Die Quellenangabe auf die venezianischen Tetrarchen zu beziehen, hieße, den Parastaseis

112 Par. 58; Patria 11,50. Der Pfeiler trug Reliefs mit den Taten des Kaisers (1QToei,ac Tä.c tOCUT0i) KW801)0 und lateinische Buchstaben (1Qcitp.p.ocra Twp.ozia), die angeblich auf das Endschicksal hinwiesen: s. Mango, C'ple 29 Anm. 37. Vielleicht sind damit (lie in der Anthologia. Palatina 9. 799-801 überlieferten Inschriften gemeint. die sich dem Lemma zufolge bi Tw iroQ(17oQq.) Ki,ovi, befanden und einen gewissen Muselios erwähnen. Zu dem Kreuzmonument s. u. S. 353.

113 Majeska 145, 187 u. 274f. Berger 334. 114 Man. Chrys., PG 156, 48A. 115 Par. 70. 116 P. Verzone, I due gruppi in porfido di S. Marco in Venezia ed il Philadelphion di Costantinopoli, Palladio 1,

1958, 8-14. 117 Zu den Tetrarchengruppen im Vatikan s. R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke, Berlin- Leipzig 1932, 91-94. 118 R. Naumann, IstMitt 16, 1966, 209; ders., Bodrum Camii (Myrelaion) Kazisi, IstanbAMüzYill. 13/4, 1966,

64ff.; Firath Nr. 1. 119 Berger 334f. 12° P. Verzone, Palladio 1, 1958, 13 Abb. 8. 121 Par. 70; Patria II, 48.

Das Philadelphion 233

und den Patria eine falsche 'Zuweisung' zu unterstellen, oder aber in den Porphyrtetrarchen bei S. Marco Darstellungen der konstantinischen Kaiser zu sehen. Tatsächlich wurde immer wieder angezweifelt, daß es sich bei den Dargestellten wirklich um die Tetrarchen handle. Verzone in-terpretierte die vier Porphyrstatuen als zweifache Wiedergabe des Konstantius Chlorus (bärtig) und seines Sohnes Konstantin122 . M. Cagiano de Azevedo schlug vor, die Statuen seien die zwei-fache Wiedergabe der Dyarchie Konstantius' II. und Konstans' (340-50) bzw. Valentinians I. und Valens' (364-7)123. A. Effenberger hält es für möglich, daß die Skulpturen auch konstantinische Bildwerke sein könnten, in denen die philadelphia Konstantins und seiner Söhne Konstantinus II., Konstantius II. und Konstans zum Ausdruck komme124. Doch ist trotz dieser alternativen Ansätze nach wie vor davon auszugehen, daß es sich hier um eine Darstellung der Tetrarchen handelt, und zwar aus folgenden Gründen125: Die Vierzahl läßt sich einleuchtender als Wieder-gabe von vier Kaisern — Augusti und Caesares — erklären als durch die Annahme, es handle sich um die doppelte Wiedergabe zweier Dyarchen. Die Tetrarchen und ihre Säulen könnten auch erst zur Zeit der Konstantinssöhne nach Konstantinopel gebracht und aus mehr antiquari-schem Interesse aufgestellt worden sein. In der Darstellung der Tetrarchen in der von Konstantin neu gegründeten Stadt drückt sich auch der Herrschaftsanspruch Konstantins aus. Da sein Vater Konstantius Chlorus unter den vier Tetrarchen erschien, konnte durch die öffentliche Aufstellung in der neuen Hauptstadt auch eine dynastische Kontinuität ausgedrückt werden126 . Der in den Patria vorgetragenen Deutung als Konstantinssöhne widersprechen die Rangabstufungen (bärtig bzw. unbärtig). Zudem müßte man davon ausgehen, daß von den drei Kaisern einer zweimal dar-gestellt wäre oder aber die Plastik vor 326, dem Todesjahr des Crispus, entstand. Bleibt also nur, den Patriographen einen Irrtum zu unterstellen und in der Interpretation der Tetrarchen als Konstantinssöhne ein wertvolles Dokument für die legendäre Deutungsweise in nachantiker Zeit zu sehen. Denn es bleibt Tatsache, daß neben der falschen Zuweisung dieser Skulptur an die Söhne des Stadtgründers auch Elemente der Darstellung 'richtig' erkannt wurden, so etwa die concordia Augustorum, die ein wesentliches, wenn nicht sogar das wesentliche Aussageelement der Tetrarchendarstellung war.

Lage und Ausstattung des Philadelphion sprechen für ein frühes Entstehungsdatum in konstan-tinischer Zeit. Bei einem verkehrstechnisch so wichtigen Punkt ist ein Ausbau bereits im Zuge der Neugründung der Stadt höchst wahrscheinlich. Für diese Datierung spricht auch, daß das Philadelphion als Startpunkt für die Einweihungsprozession der Stadt Konstantinopel im Jahre 330 genannt wird, die zum Konstantinsforum führte127.

122 P. Verzone, Palladio 1, 1958, 11. 123 M. Cagiano de Azevedo, I cosidetti Tetrarchi di Venezia, Commentari 13, 1962, 160-81. Die Bartangaben

erachtet Cagiano als sekundär: ibid. 161f. sowie ders., RendPontAcc 39, 1966/7, 153-9. 124 A. Effenberger, Probleme der Stilentwicklung in der Kunst des frühen 4. Jh., in: F. Möbius (Hg.), Stil und

Gesellschaft, 1984, 123-42, hier 128f. 125 H. P. L'Orange, Diokletian bis zu den Konstantin-Söhnen (= Das römische Herrscherbild 111,4), Berlin 1984,

6ff.; J. Engemann, RAC 14, 1988, 975 s. v. Herrscherbild; Firatli 1. 126 Vgl. Firath 1. 127 Patria 11,49.

234 Konstantinopel

4. Der Bus

Zwischen Tauros und Xerolophos befand sich an der Mese eine weitere Platzanlage, die meist

unter der Benennung 6 Boi begegnet. Neben dieser populären Bezeichnung wird auch die Be-

nennung Boö drioe& verwendet. Nie jedoch begegnet die lateinische Bezeichnung Forum Bovis,

die zwar in der Sekundärliteratur häufig anzutreffen ist, jedoch keine Grundlage in den Quellen

hat, weder im Regionenverzeichnis noch etwa in der ebenfalls auf lateinisch verfaßten Chronik

des Marcellinus Comes128. Im Regionenverzeichnis steht statt dessen die Bezeichnung Bos ae-

reus' 29. Bei diesem Bos handelte es sich, wie aus den verschiedenen Quellen hervorgeht, wohl um

einen Ofen in der Form eines Rindes bzw. um einen Ofen, der ein Rind oder einen Rinderkopf

trug.

a. Lage

Die Lage des Bus ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen und kann nur ungefähr im Gebiet

des heutigen Aksaray lokalisiert werden. Daß der Bus an der Mese lag, ist gesichert durch die

Erwähnungen im Zeremonienbuch, die ihn als Station der Prozessionen entlang des Weges vom

Goldenen Tor zum Kaiserpalast zwischen Xerolophos und Amastrianon anführen"°. Das Regio-

nenverzeichnis nennt den Bus in der 11. Region"'. Aus den übrigen in der Region aufgelisteten

Baulichkeiten, zu denen auch die Apostelkirche zählte, geht hervor, daß diese sich nördlich der

Mese befunden haben muß, daß also auch der Bus im nördlichen Anschluß an die Mese errichtet

wurde, wie bereits das Theodosius- und Arkadiusforum132 .

Im Gegensatz zu den beiden benachbarten Foren, dem Theodosiusforum auf dem Tauros

und dem Arkadiusforum auf dem Xerolophos befand sich der Bus nicht auf einer Geländeerhe-

bung, die künstlich terrassiert werden mußte, sondern wurde in einer Talsenke angelegt133. In

unmittelbarer Nähe zum Bus befand sich der Kaisarioshafen: ein von -r& Kat,o-c4ou ausgehender

Brand soll 562 n. Chr. die Werkstätten (ggl aa-rA eiez) und Torbögen des Bus vernichtet haben -

ein Hinweis auf die Existenz verarbeitender Betriebe in unmittelbarer Nähe des Bus134.

b. Datierung

Wahrscheinlich erfolgte die Anlage des Bus beim Ausbau der Mese stadtauswärts, der in den

Zeitraum zwischen 380 und 420 anzusetzen ist135. In dieser Zeit wurden auch die beiden Fora des

Theodosius und Arkadius angelegt. Diesem Datierungsansatz des Bus widerspricht auch nicht die

Nachricht, daß unter dem praepositus Valentinianos, der sein Amt, wie ebenfalls angemerkt wird,

unter Konstans (337-350) innehatte, das Rinderstandbild zunächst im Hippodrom aufgestellt

128 Erst bei P. Gyllius 4, 2 begegnet diese Wendung. 129 Not. 238 (Reg. XI). 130 Cer. 565 u. Cer. 10610• 131 Not. 238 (Reg. XI). 132 Berger 350. Zur Region 11 vgl. Janin 55f.; Berger 152f.

133 Janin 70. E. Kirsten, Straßen und Plätze im frühen Konstantinopel, in: K. Bachteler, Istanbul, Ludwigsburg 1967, 131-142, hier 138: Das war eine von Natur gut geeignete Stelle, leicht herzurichten für eine Platzanlage, denkbar auch als Mitte eines küstennahen, aber organisch gewachsenen, nicht geplanten Stadtteils.

134 Kedr. I, 6795_7. Zur Lokalisierung des Kaisarioshafens s. Berger 341.

135 Berger 348.

Der Bus 235

wurde"6 . Später, also in der Zeit bis spätestens 425 (Regionenverzeichnis), gelangte dann dieses Standbild offenbar an die Stelle der Platzanlage, die nunmehr nach dem Bronzerind benannt wurde.

c. Erscheinungsbild

Nur wenige Quellennotizen geben Aufschluß über das ursprüngliche Erscheinungsbild des Bus. Bei Kedrenos ist von Torbögen (cuXe(3)ve0 des Bus die Rede137. Einer dieser Torbögen ist viel-leicht identisch mit den Resten von zwei Pfeilern, die 1956 südlich der Murat Papa Camii gefunden wurden138. Jeder dieser Pfeiler erhebt sich auf einer Grundfläche von ca. 3 m x 4 m. Zwischen ihnen befindet sich ein Abstand von ca. 3 m. Die noch rund 2 m hohen Pfeilerreste wurden sofort nach der Entdeckung entfernt. Janin vermutet, daß es sich bei diesem Tor um den Zugang zum Weg vom Romanostor her gehandelt habe. In den Patria wird die Ähnlichkeit der Torbögen des Bus mit denen des Arkadiusforums betont139 .

Zum archäologischen Befund zählen auch einige weiße Marmorsäulen, die im Bereich nördlich der Murat Pa§a Camii, bei der Horhor Ce§me gefunden wurden14°.

d. Ausstattung

Neben dem Bus, jenem Ofen in Form eines Bronzerinds, der unter Herakleios eingeschmolzen wurdell, soll auch eine Statuengruppe Konstantin - Helena, die zwischen sich ein Kreuz hielten, gestanden haben142 . Ähnliche Gruppen existierten am Osttor des Konstantinsforums und am Milion.

Manuel Chrysoloras beschreibt zudem das Standbild einer gelagerten Figur, die er an der Mese sah, auf der Höhe des Lykos — eine Statue, die Mango unter den Skulpturen im Archäolo-gischen Museum Istanbul identifizieren zu können glaubt143 . Ansonsten besitzen wir als einzigen vagen Hinweis auf Standbilder im Bereich des Bus die Patrianotiz, daß Bus wie Xerolophos Torbögen besessen haben sollen, die Standbilder und steinerne Reliefs trugen144 .

136 Par. 42. Berger 348f. 137 Kedr. I, 6797. 138 F. Dirimtekin, AyasofyaMüzYill 1, 1959, 3 u. 19; J. Lafontaine, Byzantion 29/30, 1959/60, 374; R. Janin,

REByz 21, 1963, 256; Müller-Wiener 254. 136 Patria II, 53. 14° Schneider, Byzanz 80 u. 95 (Fundorte Nr. 19 Plan D6). Der FO entspricht auf dem Müller-Wiener Plan D6/24

(Hindiler Tekkesi Msc.). 141 Par. 42; Patria II

' 53. Bassett, Reuse 184ff. (B-3). Zur Frage der Hinrichtungen im Bus s. Berger 349 und P.

Speck, Hellenika 3 9, 1988, 7 Anm. 26. 142 Par. 52. 143 Man. Chrys., PG 156, 48A; Mango, C'ple 70. 144 Patria II, 53.

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236 Konstantinopel

Abb. 74. Plan der Umgebung des Bus.

Anastasiakirche

Doinninu emboloi

Diegesteas, • • • • • •Annakirche

Platonkirche

Sophianai Theodoros— kirche ta • • Karbunaria :Anemo—

:dulion • •

Mese

ta Basilisku, Anargyroikirche

rw'

1 Forum

Treppe

Vierzig—Märtyrer— Zistern Kirche

Agathonikoskirche Julianoskirche

Abb. 75. Artopolia und Anemodulion, Rekonstruktion nach A. Berger.

Die Artopolia 237

5. Die Artopolia

a. Lage und Erscheinungsbild

Artopolia, Anemodulion und Chalkun Tetrapylon Die Artopolia - dem Namen nach muß es sich um einen Brot- bzw. Getreidemarkt gehandelt haben145 - befanden sich auf halbem Weg zwischen Konstantinsforum und Theodosiusforum. Dies geht aus dem Zeremonienbuch hervor, in dem TÖL 'Ae-roituAda als Station von Prozessionen entlang der Mese genannt werden14°.

Bei den Artopolia muß auch das 'AvEp,o8crauov gestanden haben, ein quadratisches Gebäude, das ein pyramidenförmiges Dach besaß und dessen Außenseiten mit bronzenen Reliefs - Tier-darstellungen, Eroten, bukolischen Szenerien - überzogen gewesen sein müssen147. In den ent-sprechenden Abschnitten der Parastaseis und der Patria ist jeweils von Tieren die Rede, von einem Hund mit 20 Zitzen, Pfauen, Adlern, Löwinnen, Hasen und Widderköpfen, Straußen, Krähen, Turteltauben, einem Wiesel, einer Kuh und von zwei Gorgonen'48. Hierbei können nur die Reliefs dieses Anemodulions gemeint sein. Wahrscheinlich ist dieses Anemodulion mit dem Chalkun Tetrapylon identisch149 ; darauf deutet bereits die Beschreibung des Anemodulions als viereckiges Gebäude mit Pyramidendach hin, was an einen Tetrapylon denken läßt. Die Oster-chronik berichtet zudem von einem unter Herakleios geweihten Kreuzmonument, das sich zum einen bei der 40-Märtyrer-Kirche befunden hat, zugleich aber auch beim Chalkun Tetrapylon"°. Da dieses Kreuzmonument wohl mit dem bei den Artopolia identisch ist, muß auch das Chalkun Tetrapylon bei den Artopolia gestanden haben.

Auch die in den Patria überlieferte Episode von den Schweinen, die über den Artotyrianos topos laufen, ist auf die Artopolia zu beziehen151 . Schweine wurden auf dem Tauros verkauft und mußten vielleicht vom Neorion zum Tauros getrieben werden, also über eine hypothetische Nord-Süd-Achse, die die Artopolia mit dem Neorion verbandim. Das bronzene Tetrapylon könnte diese Straßenkreuzung - falls sie wirklich existierte - markiert haben153. Das Gewölbe (K,cquigot), durch das die Schweine liefen, dürfte das des Chalkun Tetrapylon resp. Anemodulion sein, und auch mit dem Gewölbe, das im Zeremonienbuch als Station genannt wird ((pole) LraSv), dürfte wohl das jenes Tetrapylons gemeint sein154 .

145 Vgl. A. Stöckle, Spätrömische und byzantinische Zünfte (= Beiheft 9 Klio), Leipzig 1911, 49f.; Berger 312f. Möglicherweise behielten die Artopolia diese Funktion bis in osmanische Zeit bei; auf der Vavassore-Ansicht steht an der vermutlichen Stelle der Artopolia masar de formenti. Freundlicher Hinweis von A. Berger.

146 C 5612f.: gy TG? (.p0U@VI,KG2 TJA) ciwrowOolv; Cer. 843: EWS rly CepTcnroMum; Cer. 10618f.: [1gXe, TWV 4701t0XLV.

147 Nik. Chon. 64844ff.; Kedr. 1,56520-5663; Konst. Rhod. v. 178-201. Berger 310 (Skizze 7) u. 312ff. 148 Par. 40; Patria 11,46. 149 Mango, C'ple 30f. Plan I und II (Abb. 48 u. 49); Berger 313f. lso Chron. Pasch. 69820-6992. S. u. S. 351ff. 151 Patria II, 46a. 152 Ep. Bibl. 16,2- 3. Berger 315. 153 Von ihm aus zog sich wahrscheinlich eine Straße nach Norden, die von dem in den Quellen häufiger erwähnten

Embolos des Domninos begleitet wurde: Mango. C'ple 31. Zum Embolos des Domninos s. R. Janin. Etudes de topographie byzantine: -430\ot, Toi). AoktvCvou. Tez Moweicepoi3, EO 36, 1937, 129-156; Janin 89f. 344f.

154 Cer. 5612f. Mango, C'ple 31. Berger 314f.

238 Konstantinopel

Das Kreuzmonument bei den Artopolia Konstantin soll bei den Artopolia innerhalb eines

gepflasterten Hofs (ä) TJ otail Tfi XueoaTQL3-ry) ein Kreuz errichtet haben155. Doch ist diese

Nachricht sicherlich legendär, und statt dessen eher den Quellen zu glauben, die berichten,

Herakleios habe dieses Kreuz aufgestellt166 . Wahrscheinlich erhob sich dieses Kreuz auf einer

älteren Säule, die bereits Maurikios oder Phokas errichtet hatten167.

In der Notiz der Osterchronik zum Jahre 609 steht, daß Phokas mit der Säule auch eine

Zisterne östlich der 40-Märtyrer-Kirche fertigstellen ließ. Über diesem Wasserreservoir wurde

eine gepflasterte Hofanlage angelegt, die von Hallenbauten eingefaßt war, wie aus der Patrianotiz

ableitbar is-058. Zudem läßt sich den Patria entnehmen, daß sich an den vier Seiten jeweils

Tordurchgänge bzw. Tore aus Bronze in den Säulenhallen befunden haben müssen.

b. Ausstattung

In den Quellen werden zwei Statuen der Verina überliefert: Eine Statue der Gemahlin Leos I. soll

auf einer Bronzesäule bei H. Agathonikos gestanden haben, die andere bei H. Barbara'59 . Berger

vermutet, daß die beiden Standbilder bei den Artopolia standen und durch die Mese voneinander

getrennt waren16°. TÖV NTOTteLOWÖV otisbv befand sich angeblich eine aus Silber getriebene

Statue des Wahrsagers der Kreter, Menander, wie die Patriographen behaupten161. Ob auf der

Säule über der gedeckten Zisterne eine Statue des Kaisers Phokas errichtet wurde, kann nicht

mit Sicherheit gesagt werden162 .

6. Das Amastrianon

In der Hauptquelle zum Amastrianon, den Parastaseis, wird diese zwischen Philadelphion und

Bus gelegene Platzanlage zu den sieben Wundern Konstantinopels gezählt, offenbar wegen der

reichen Ausstattung mit Bildwerken. Das Zeremonienbuch nennt das Amastrianon als Prozes-

sionsstation zwischen dem Forum Bovis und dem Philadelphion'63. Ta Amastrianu befand sich

also am Mesehauptstrang, allerdings bereits westlich des Philadelphion, das die Abzweigung des

Mesenordstrangs zur Apostelkirche markiert164 . Üblicherweise begegnet das Amastrianon in den

Quellen unter der Bezeichnung TÖ 'Ai.tezo-Tetav6v bzw. TÖ 'Ap,eco--reiowoi)165. Nur selten wird das

155 Patria 11,64.

156 Nik.Kall., PG 146, 121B-D.

157 Auszug aus einer anon. Konstantinsvita aus dem endenden 7. Jh., die das Erdbeben des Jahres 599/60

beschreibt: M. Guidi, RendLinc, ser. 5, Bd. 16, 1907, 651f.; A. M. Schneider, ZNtWiss 40, 1941, 246f., sowie auch Chron. Pasch. 69820ff. u. 70313_15. S. u. S. 352.

158 Berger 317. Die Vorgehensweise entspricht wohl der von Justinian angelegten Basilika: auch hier wurde über der Yerebatan-Saray-Zisterne ein Hof angelegt, der von Hallenbauten eingefaßt war.

159 H. Agathonikos: Par. 29; Patria 11,25. Stichel 101f. Nr. 115f. Berger 315 u. 583f.

160 Berger 315.

161 Par. 13; Patria 11.98. Cameron / Herrin 189; Bassett, Reuse 243f. (M-2); Berger 679. 162 C. Mango in: Atpuegulloz crTal Nko El3opamo, Rethymno 1986, I, 30. S. u. S. 352f.

163 Cer. 567 u. 10611. 164 Zur Lokalisierung vgl. auch R. Janin, REByz 13, 1955, 90f. Janin geht noch von einem bogenförmigen

Meseverlauf westlich des Tauros aus.

165 n 'AilocaTetow6v: Patria II, 179; Kedr. 11,31520. T& 44:10-reLotvoi3: Patria 11,46 u. III, 269; Georg. Mon. Cont.

Das Amastrianon 239

Amastrianon als .pöeoS bezeichnet166. Den Patriographen und Kedrenos zufolge leitet sich der Name von der Stadt Amastris ab, wobei jeweils verschiedene Legenden referiert werden'67.

Wann das Amastrianon entstand, ist ungeklärt. Gelegentlich wird seine Entstehung in die vorkonstantinische Zeit versetzt, ja von Kedrenos sogar mit dem legendären Stadtgründer Byzas in Verbindung gebracht. Kedrenos zufolge sollen einzelne Bildwerke von Tez 'Ap,a6-rgicivoi3 von Byzas, dem eponymen Gründerheroen von Byzantion, errichtet worden sein'68. Daß diese Nach-richt legendär ist, braucht nicht betont zu werden. Hypothetisch bleibt die Vermutung H. G. Becks, bei dieser Platzanlage habe es sich um ein Vorstadtzentrum aus vorkonstantinischer Zeit gehandelt169 .

Mittelbyzantinische Quellen deuten darauf hin, daß das Amastrianon als Richtplatz dienteil°. Dem Eparchenbuch zufolge wurde Tei. 'AilotaTeLotvoi) auch als Viehmarkt genutztm. Die Neeoi, d. h. die Viehprüfer, gingen hier ihrer Tätigkeit nach und prüften das Vieh vor dem Verkauf, offenbar um Betrügereien zu vermeiden172 .

a. Lokalisierung

Naumann und Berger schlugen vor, den halbrunden Platz vor dem Rundbau bei der Bodrum Camii, also das Myrelaion, mit Tix 'Apucuguezvoii zu identifizieren173 . Daß die hinter der Portikus gelegene Rotunde tatsächlich das Myrelaion ist, ergibt sich aus einer Kombination von Text-notizen in den Parastaseis, der Interpolation einer Zwischenstufe und der Suda174 . Das in den Parastaseis genannte Tledov wird als identisch mit dem M66Lov bezeichnet; in der Interpolation folgt die Erklärung, daß das M68Lov auch coeoMielLov hieß und sich in der Nähe des Hauses des Krateros (ireiA TÖV OZKOV TÖV viTiv Xelöllevov Keecreeoii) befand, wo auch Säulen und ein Bogen standen. In der Suda wiederum erhält man die Zusatzinformation, daß das Haus des Krateros das Myrelaion sei. Wahrscheinlich war somit das Haus des Krateros dasjenige, das auf der zur Zi-sterne umgewandelten Rotunde errichtet wurde, das sich später im Besitz des Kaisers Romanos I. Lakapenos (920-944) befand und später von ihm dem Kloster gestiftet wurdem.

Allerdings entwickelte Mango etwa gleichzeitig einen weiteren Lösungsvorschlag, der zu ei-ner anderen Lokalisierung führt. Ausgangspunkt ist der Fund einer fragmentierten Statue eines

83424, 8402 u. 91223 (= PG 110, 1065B, 1073B u. 1177C; Leon Gramm. 24823 u. 25321f.; Theod. Mel. 174, 177 u. 230.

166 ImEparchenbuch findet sich neben der Bezeichnung T& 'Ap.mrTpLavoii auch der Name 6 Toi) 'Alicog-TeLavoi3 (,o6eo: Ep. Bibl. 21,3 u. 21,8. A.-yogix Toi) 'Ap,otc:rTpLotvoi) bei Kedr. 11,1820 .

167 Patria 11,52; Kedr. 1,56612_16. Vgl. R. Janin, REByz 13, 1955, 85. 168 Kedr. I, 56620f.

169 H. G. Beck in: ders. (Hg.) Studien zur Frühgeschichte von Konstantinopel (= MiscByzMon 14), München 1973, 5 Anm. 13.

170 Angaben bei Janin 68 und Berger 343. 171 Ep. Bibl. 21, 3. 172 A. Stöckle, Spätrömische und byzantinische Zünfte (= Beiheft 9 Klio), Leipzig 1911, 53f. 173 R. Naumann, IstMitt 26, 1976, 133. Berger 344ff. 174 Par. 12 bzw. Patria II, 97. Zwischenstufe: Par. 12 (Preger p.27: in spitzen Klammern). Suda III, 616 s. v.

ngeiov.

175 Berger 345. Zur Zisterne s. P. Forchheimer / J. Strzygowski, Die byzantinischen Wasserbehälter von Kon-stantinopel, Wien 1893, 58f. Nr.7.

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Konstantinopel

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Abb. 76. Myrelaion, archäologischer Befund.

Das Amastrianon 241

Flußgottes, die gegenüber der Murat Pa§a Camii entdeckt wurde176. Dieses Bildwerk sei mit dem von den Parastaseis erwähnten von Lykos verehrten Fluß identisch - möglicherweise eine Perso-nifikation des durch die Stadt fließenden Lykos177. Schließlich erwähnt noch Manuel Chrysoloras eine auf den Ellenbogen gestützte Statue an der Mese, am Rande des durch die Stadt fließenden Baches, die zu Tisch zu liegen schien178. Setzt man nun die fragmentierte Statue im Archäologi-schen Museum, die bei der Murat Pa§a Camii gefunden wurde, mit der von Manuel erwähnten gleich - was auch durch die Übereinstimmung zwischen dem angegebenen und tatsächlichen Standort bzw. Fundort begünstigt wird -, dann ergibt sich eine Lokalisierung des Amastria-non westlich von Aksaray, im Bereich der Murat Pa§a Camii. Mangos Überlegungen besitzen allerdings gewisse Schwachpunkte. Die aufgefundene Statue und die von Manuel beschriebene Statue müssen nicht unbedingt miteinander identisch sein. Doch selbst wenn man davon ausgeht, daß sie miteinander identisch sind, muß das nicht eine Lokalisierung des Amastrianon bei der Murat Pa§a Camii bedeuten, da Bildwerke mobile Gegenstände sind und im Lauf der Zeit ihren Standort wechseln können.

b. Erscheinungsbild

Kedrenos zufolge soll sich am Amastrianon ein Tempel der Sonne und des Monds befunden haben; an dessen Nordseite bzw. nach Norden befand sich eine Säulenreihe (oe 414,TOU IGAove

6-rot,x11&v eto-ripsztacx.v). In der Mitte des Tempels aber lag ein r,6X7ros otez K6-fxrig ee6eot, also wohl eine Art Exedra in Form einer runden Nische, über der Helios auf einem Wagen und Selene in einer Kutsche aufgestellt waren179 . Die Patria erwähnen zudem noch eine Anzahl dünner Säulen, die im Halbkreis (airutoroeL6(14 standen18°.

Der Befund der Ausgrabungen unter Naumann am Rundbau bei der Bodrum-Camii läßt sich so gut mit den Quellennachrichten in Verbindung bringen, daß auch er für eine Lokali-sierung des Amastrianon beim Myrelaion spricht (Abb. 76). Reste einer Säulenstellung vor der Nordfassade des Rundbaus deuten darauf hin, daß dieser eine Portikus vorgelagert war, die wahrscheinlich Halbkreisform besaß181. Zwar ist innerhalb des vorhandenen etwa 10 m langen Abschnitts keine Krümmung festzustellen, doch könnte die Portikus in Analogie zur Portikus vor dem Antiochospalast ein gerades Mittelstück zwischen den beiden einschwingenden Seiten-armen besitzen182 . Für eine gekrümmte Vorhalle sprechen die nicht parallel zur Nordseite des Baus geführten, sondern in einem leichten Winkel vorgezogenen Wandvorlagen an den Pfeilern seitlich des Haupteingangs.

Berger rekonstruiert eine kleine, halbkreisförmige Anlage, die mit ihrer Sehne an die Me-se anschloß und über ein Tor betretbar war - offenbar der in den Quellen erwähnte Bogen,

176 Mango, C'ple 70, sowie ders., Brief an N. Firath vom 2.12.1988 (vgl. Firath Nr. 507 Anm. 5). Zur Statue: Firath 215 Nr. 507 (FO: Aksaray 1959).

177 Par. 41. So neben Mango auch Berger 342. 178 Man. Chrys., PG 156, 48A. 179 Kedr. I,56616-20. Die Passage ist sehr schwer zu übersetzen: vgl. hierzu Berger 342. 180 Patria II, 52. 181 R. Naumann, IstMitt 16, 1966, 202. 182 Zum Antiochospalast s. Müller-Wiener 122-125 Abb. 109.

242 Konstantinopel

auf dem sich das unter Valentinian errichtete Modion befand183. Die Sehne dieses abgeschlos-

senen halbkreisförmigen Hofs lief entlang der Mese. Problematisch bleibt dann aber die Frage

nach der Nutzung des Amastrianon als Prozessionsstation. Doch wäre denkbar, daß die gerade

Säulenstellung mit dem Zugangstor etwas zurückgesetzt stand, so daß ein zusätzlicher Vorplatz

gegeben war: hier hätte man Empfänge abhalten können. Zudem würde dadurch die ohnehin

etwas problematische Distanz von 55 m zwischen Rundbau und Mese verringert.

Wahrscheinlich war diese Halbkreisportikus zunächst einem Palast zugeordnet, wie ja auch

ta Lausu und ta Antiochu eine halbkreisförmige Portikus als Zugang besaßen. Später dann

führte das Amastrianon ein vom Haus des Krateros und dem Palast des Romanos Lekapenos

unabhängiges Eigenleben als abgeschlossene Hofanlage184 .

c. Ausstattung

Statuarische Ausstattung Von der Möglichkeit, die unverständliche Quellennotiz über den

`von Lykos verehrten Flußgott', die sich in den Parastaseis findet, mit der auch anderweitig

erwähnten Statue eines Flußgottes zu identifizieren, war bereits die Rede. Dem Bericht des Ma-

lalas zufolge soll Apollonios von Tyana unter Domitian ein Standbild dieses Flusses, Schildkröten

und andere Zauberfiguren aufgestellt haben185. Vielleicht ist diese Statue auch mit dem von den

Parastaseis, Patria und Kedrenos angeführten liegenden Herakles (bzw. Zeus) identisch186 . Pa-

rastaseis bzw. Kedrenos nennen noch eine Vielzahl weiterer Bildwerke, so einen Apollon, einen

Zeus-Helios auf einem Wagen, dann als Pendant dazu eine Selene auf einem Wagen, des weite-

ren den Peitschenträger des Zeus sowie einen Zepterträger auf einem Thron, welcher der Masse

einschärft, den Obrigkeiten zu gehorchen187. Außerdem werden eine Vielzahl weiterer zoomor-

pher Darstellungen erwähnt, etwa Vögel und 18 Schlangenweibchen. Da man hier wohl nicht

von vollplastischen Statuen ausgehen wird, ist eine Reliefdarstellung zu vermuten, vielleicht eine

zusammenhängende Darstellung von Tieren, Fabeltieren etc.

Das Modion In den Patria wird ein Modion genannt, das ein horologion war, also das Normal-

maß des Scheffels' 88. Dieses Modion stand auf dem Bogen (Eneivw TOS (34,8og) von ta Amastrianu

und soll von Valentinian angefertigt worden sein. Weiter heißt es in der Notiz, daß Valentinian einem betrügerischen Händler die Hände abhacken und sie zur Schau stellen ließ. Anna Kom-

nene erwähnt im Zusammenhang mit der Revolte des Michael Anemas im Jahre 1102 zwei Bronzehände über einem Tor zu einem Richtplatz, mit dem nur das Amastrianon gemeint sein

kann189 .

183 Patria II, 51; Par. 12 (Interpolation in spitzer Klammer). Berger 344f. 184 Berger 346. 185 Joh. Mal. 26321ff. 186 Par. 41; Patria II, 52; Kedr. 1,5671f. (Werk des Phidias'). Bassett, Reuse 219f. (H.10); Berger 342. 187 Par. 41; Patria II, 52; Kedr. 1,56616 _20. Bassett, Reuse 316f. (Z-4) u. 319f. (Z-8). 188 Patria II, 51. 189 Anna Komn., Alexias III, 74f. Ein Modion wird ebenfalls vom Zeremonienbuch (Cer. 8323 u. 10617) erwähnt,

diesmal zwischen dem Philadelphion und dem Forum Tauri, also deutlich weiter östlich. Denkbar wäre ein zweites Modion in Konstantinopel, oder aber eine nachträgliche Versetzung des Modions vom Amastrianon an einen weiter östlich gelegenen Platz: R. Janin, REByz 13, 1955, 89; Berger 340f. u. 347 (Skizze 8).

Das Exakionion 243

7. Das Exakionion

Eine weitere Station entlang der Mese war das Exakionion, ein Ort mit einem Säulenmonu-ment auf der Höhe der konstantinischen Stadtmauer. Die Patria bieten als Etymologie folgende Erklärung an190:

Das Exakionion war eine Landmauer, die Konstantin der Große erbaut hatte. ... Draußen (Et,weev) stand eine Säule (Kiwi)) mit einem Standbild Konstantins des Großen, und des-halb heißt es Exakionion.

Üblicherweise wird diese Namensableitung abgelehnt, so etwa durch Janin, der den Namen von einer 'äußeren Säulenstellung' (colonnade ext6rieure) ableiten will, oder aber durch Cameron und Herrin191. Berger vertritt die Ansicht, daß der Name mit dem Zahlwort `hex-' zusammenhänge. Analog zu dem Dikionion oder dem Tetrakionion stelle das Hexakionion eine Struktur mit sechs Säulen dar192 . Mango wiederum hält die in der Patria vorgeschlagene Lokalisierung für plausibel und auch Dagron scheint einer Ableitung des Begriffs von 'Et,w' und 414.1IM 7 zuzustimmen193.

a. Lage

Das Exakionion befand sich am Goldenen Tor der konstantinischen Stadtmauer194. Allerdings kann seine Position ebenso wie der Verlauf der Konstantinsmauer nur annäherungsweise be-stimmt werden. Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Zeremonienbuch, in dem das Exakionion als Station verschiedener Prozessionszüge entlang der Mese erwähnt wird195 . Diese Angaben zei-gen, daß sich dieser Ort zwischen Sigma und der westlich des Xerolophos gelegenen Münze bzw. zwischen H. Mokios und Xerolophos befand. Da die Mokioskirche im weitesten Umfeld der Mo-kioszisterne gelegen haben dürfte, muß vom Exakionion eine Abzweigung zu dieser Kirche und vielleicht weiter zum Polyandrostor geführt habeil'-96. Als fester topographischer Anhaltspunkt ist die Isakapi-Mescidi anzusehen, die heute noch den türkischen Namen des konstantinischen Hauptstadttors trägt197. Erst 1509 soll das angeblich benachbarte alte Goldene Tor infolge eines Erdbebens zerstört worden sein198.

190 Patria II, 54. 191 Janin 351; Cameron / Herrin 196f. 192 Berger 355. dikionion: Cer. 21118; tetrakionion: Joh. Mal. 2017. 193 Dagron, Naissance 100; Mango, C'ple 47. 194 Th. Preger, Studien zur Topographie Konstantinopels III: Konstantinsmauer, ByzZ 19, 1910, 450-461, hier

453; Janin 28; S. Y. Ötüken, Isa kapi mescidi und medresesi in Istanbul, Diss. Bonn 1974, 154-158. 195 Cer. 561 u. 10520; Triumphzug Basileios I.: Cer. 50120 = p.144777 Haldon. Vgl. auch Typikon I, 21212 (26.

Januar) u. 1, 33214 (6. Juli). 196 Zur Lokalisierung von H. Mokios vgl. R. Janin, La geographie ecclesiastique de l'empire byzantine, I: Le siege

de Constantinople et le patriarcat cecumenique, 3: Les eglises et les monasteres, Paris 19692, 358, und Berger 637.

197 Müller-Wiener 118f. Plan C8/8; S. Y. Ötüken, Isa kapi mescidi (a. 0.) 131-164. 198 A. v. Millingen, Byzantine Constantinople. The Walls of the City and Adjoining Historical Sites, London

1899, 21f.

244 Konstantinopel

b. Erscheinungsbild

Durch das konstantinische Goldene Tor verließ man das Stadtgebiet und betrat das Exakioni-

on. Hier sah man ein Säulenmonument mit der Statue des Kaisers Konstantin. Stadttor und

Säulenmonument werden auch von Manuel Chrysoloras im 15. Jh. genannt; er erwähnt zudem

noch eine Säulenhalle, vor der sich dieses Säulenmonument befand199:

Während ich mir das vergegenwärtige, fällt mir das Stadttor ein, das ehemals an derselben

Straße, in einer Linie mit den Säulen, nach Westen zu lag. Durch dieses hätte man ganze

Türme und Burgen, wären sie beweglich, in die Stadt schaffen können oder ein Schiff,

selbst mit Segelwerk und Masten. Und ober ihm leuchtete weithin eine Säulenhalle, und

aus gewaltigen Marmorblöcken war es errichtet. Ich erinnere mich auch der Säule davor,

die ebenfalls ein Standbild trug.

Mit diesen Elementen ließe sich eine bescheidene Platzanlage vor dem Stadttor rekonstruieren,

in deren Zentrum das Säulenmonument stand20°.

Attalostor In den Quellen taucht gelegentlich ein `Attalostor' auf, das möglicherweise mit

dem Goldenen Tor der konstantinischen Stadtmauer identisch ist201. Dieses Tor wird als Station

zwischen dem Konstantinsforum und dem (theodosianischen) Goldenen Tor genannt, so daß es

sich an der Mese befunden haben muß202 . Theophanes berichtet im Zusammenhang mit dem

Erdbeben des Jahres 740 folgendes2°3:

Im selben Jahr (740 n. Chr.) ... ereignete sich ein schweres und furchterregendes Erdbeben

in Konstantinopel. Es stürzten viele Kirchen und Klöster ein und viele Menschen star-

ben. ... Die Statue Konstantins d. Gr. auf dem Attalostor fiel herab, wie auch das Tor

einstürzte.

Demnach befand sich auf dem Attalostor eine Statue Konstantins, was wiederum die Wahr-

scheinlichkeit erhöht, daß es sich bei der Anlage um die konstantinische Porta Aurea handelte.

Doch wurde diese Theophanespassage auch anders übersetzt. In der Bonner Ausgabe heißt es

in der lateinischen Übersetzung zweideutig, daß statua Atali portae imposita cecidit, in einer

deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1964 gar: Auch das Standbild des Großen Konstantin,

das beim Atalostor aufgestellt war, stürzte zugleich mit dem des Atalos um204. Man sah hier die

Nachricht von einer Statue des Attalos, die sich auf dem Torbau befand. Eine solche Statue ist

199 Man. Chrys., PG 156, 45D (Übs. nach F. Grabler in: Europa im XV. Jahrhundert von Byzantinern gesehen (= Byzantinische Geschichtsschreiber 2), Graz 19652, 133).

200 Möglicherweise bezieht sich die Bezeichnung Exakionion auch auf eine aus sechs Säulen bestehende Säulen-stellung; Berger dachte dabei an die monumental ausgestaltete Toranlage: Berger 355.

201 Janin 28f. 202 Typikon 1, 3743. Zur Lokalisierung Mateos, Typikon 1, 375 Anm. 1.

203 Theoph. 4126 _10 . Die Übersetzung dieser Passage orientiert sich an der engl. Übersetzung von H. Turtledove, The Chronicle of Theophanes. An English Translation of Anno Mundi 6095-6305 (A. D. 602-813). with Introchiction and Notes. Philadelphia 1982. 103. In dieser wird der Satz gIVECre Se Kea 6 Ca»Spt,öt 6 eo-r- Tljs Azcixou 1v6erri Ile^piXIDU KLOUCTTOWT(NOU 4754µa. TC:9. OCÖTG2' 'AT64.) nicht im Sinne von 'es fiel das Standbild Konstantins auf dem Attalostor und das des Attalos' interpretiert, sondern in der genannten Weise übersetzt.

204 Theoph. p. 634 Niebuhr. L. Beyer, Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz. Das 8. Jahrhundert (717-813) aus der Weltchronik des Theophanes (= Byzantinische Geschichtsschreiber 6), Graz 1964, 50.

Die von Prokop erwähnten Platzanlagen Justinians 245

jedoch undenkbar205: Auf Stadttore kamen in der Spät antike stets nur Kaiserstatuen oder solche der Angehörigen des Kaisers zu stehen. So wird man wohl davon ausgehen müssen, daß sich der Name des Tors nicht von einer Statue des Attalos, sondern vom Erbauer des Tors ableitet2m. Nach der (zumindest teilweisen) Zerstörung des Baus wurde das Tor wiederaufgerichtet, da es im Typikon der Großen Kirche unter der Bezeichnung 'A-r-niXou 'v6 'ngenannt und von Manuel Chrysoloras im 15. Jh. beschrieben wird207.

Säulenmonument Konstantins VI.? Die Patria nennen neben den Statuen Konstantins d. Gr. noch ein Standbild Konstantins VI. (780-797) auf einer kurzen Säule gui, hex,gwS lii0VC4 im Exakionion208. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die Umdeutung einer älteren Sta-tue209 , vielleicht sogar des Säulenmonuments Konstantins d. Gr., das die Patria nur wenig vorher erwähnen. Ansonsten erfahren wir, daß Markian zahlreiche Standbilder, die sich beim Exakionion befunden haben, nach H. Mamas transferiertem.

8. Die von Prokop erwähnten Platzanlagen Justinians

In seinem Werk Iveel, K.Tualiecrwv erwähnt Prokop mehrere kleinere Platzanlagen, die aus anderen Quellen nicht oder kaum bekannt sind und die entsprechend den Angaben Prokops nur ungefähr zu lokalisieren, geschweige archäologisch nachzuweisen sind. Prokop beschränkt sich in seinen Beschreibungen weitgehend auf die Bauten, die Kaiser Justinian errichten ließ; so gewinnen wir eine Charakterisierung des Aussehens und der Nutzung von kleineren Platzanlagen im justinia-nischen Konstantinopel.

Der Akakioskirche waren zwei Stoai vorgelagert, die eine von einem Säulenkranz umgeben, die andere zur Agora hin gelegen (ui) 7oX\(.7,.) &-oe&S 'ciltor&ev)2". Welche Agora hier gemeint ist, ist unklar, da die Akakioskirche beim Staurion (= Zeugma) in der 10. Region stand212. Bei den Arkadianai-Thermen befand sich unmittelbar am Meer eine Hofanlage (ceali), die unter Justinian errichtet und mit Bildwerken aus Bronze und Stein ausgestattet wurde213. Die Anlage bot die Möglichkeit spazierenzugehen. Sie lag so nahe am Wasser, daß man sich von hier aus sogar mit der Besatzung der vorbeiziehenden Schiffe unterhalten konnte. Zu den Bildwerken an diesem Platz zählte die Statue Theodoras auf einer Porphyrsäule. In unmittelbarer Nachbar-schaft befand sich das Martyrion der Hh. Thyrsos und Theodoros214. Bei der Blachernenkirche

205 Vgl. Berger 354. Absehen sollte man auf jeden Fall von der Statue eines Magistraten oder gar eines Usurpators auf dem Torbau. Janin 317 vermutete hinter diesem Attalos den Usurpator des Westreichs der Jahre 409-10 und 414-5 (PLRE II, 180f. (Attalus 2)).

206 Dieser Attalos könnte der in der Osterchronik 57025 erwähnte Stadtpräfekt sein, der seine Präfektur im Jahre 407 innehatte. Kein Eintrag in PLRE und bei Dagron, Naissance 264f.

207 Typikon I, 3743; Man. Chrys., PG 156, 45D. 208 Patria 11, 56. 209 C. Mango in: Ayigewp.oz c:FTÖV 1\11k0 Erkein/0, Rethymno 1986, I, 33; Berger 352. 210 Par. 21. 211 Prok., aed. 1, 4, 27. 212 Berger 464ff. Zur Lage der Akakioskirche s. Janin, geographie ecclesiastique (a. 0.) 14f. 213 Prok., aed. 1, 11, 1-9. W. Pülhorn in: 0. Veh, Prokop: Bauten, München 1977, 404f. Zu den Arkadianai s.

Janin 311f. 214 Prok., aed. 1, 4, 28.

246 Konstantinopel

lag ebenfalls eine Platzanlage215. Über Gestalt und Ausstattung gibt Prokop keine Informatio-

nen. Das Temenos der Priskos- und Nikolaoskirche wurde direkt neben dem Meer angelegt, wie

aus Prokops Beschreibung hervorgeht216. Von der ebenen Hofanlage beim Anthimosmartyrium

in Galata, die (wohl nur dreiseitig) von Säulenhallen eingefaßt wurde, konnte man den Aus-

blick aufs Meer genießen217. Erst hinter dem Hof befand sich das Heiligtum in einer weiteren

Justinian ließ an der Michaelskirche am Anaplus eine Agora an der Mole errichten21s. Bei

geringem Seegang erfolgten angeblich sogar Handelsgeschäfte zwischen den Passanten auf der

Mole und den vorbeiziehenden Schiffen. Hinter der Agora erstreckte sich der eigentliche Hof des

Heiligtums, ein dreiseitig von Säulenhallen eingefaßtes Areal, das sich nach Osten, dem Meer zu,

öffnete.

Zu den fest definierten Bautypen wie Basiliken, Stoai und Thermen werden in Prokops Be-

schreibungen auch Platzanlagen gerechnet219: es handelt sich also — und dies zeigt auch eine

Analyse der einzelnen Komplexe — um architektonisch einheitlich definierte Ensembles, die nicht

als historisch gewachsene Gebilde aufgefaßt wurden, sondern als geschlossene Konzepte aus ju-

stinianischer Zeit, deren Beschreibung eine klare Ordnung erkennen läßt. Eine übergreifende

Charakterisierung dieser Anlagen zu geben, ist kaum möglich. Dennoch fallen in den Beschrei-

bungen des Prokop gewisse Motive auf, die sich wiederholen: Besonders wird hervorgehoben,

wenn sich eine Platzanlage bis ans Meer erstreckte oder sich terrassenartig ins Meer schob. Dies

wird beim Temenos der Priskos- und Nikolaoskirche betont, dessen Schönheit die ins Meer vor-

geschobene Lage ausmacht220. Auch der 'Meerblick' wird stets gelobt; dramatisiert wird diese

unmittelbare Nähe zum Meer, wenn Prokop versichert, daß man sich vom Ufer aus mit den Schif-

fern der vorbeiziehenden Schiffe unterhalten könne, wie es für die Platzanlage an den Arkadianai

zutraf221, oder daß man Handelsgeschäfte mit den vorüberfahrenden Schiffen treiben könne, wie

es angeblich an der Agora am Michaelion am Anaplus möglich war. Gelegentlich äußert sich

Prokop auch zur Funktion dieser Platzanlagen bzw. zu ihrer Nutzung durch die Konstantinopler

Bevölkerung. So bildete das Temenos der Priskos- und Nikolaoskirche einen Bezirk, in dem sich

die Byzantiner gerne aufhielten, teils um die Heiligen zu verehren, teils um sich an der Schönheit

des Bezirks zu erfreuen, der auf einer Terrasse ins Meer gebaut war. Auch die unmittelbar am

Meer gelegene Platzanlage bei den Arkadianai lud zum Spazierengehen ein.

Damit endet der Überblick über die Platzanlagen Konstantinopels. Vor einem Resümee muß al-

lerdings noch ein Blick auf den Hippodrom geworfen werden, der zwar keine Platzanlage ist,

dafür aber ein öffentlicher Raum, der durch enge Konfrontation der zahlreich versammelten

Betrachter mit den dort befindlichen Denkmälern charakterisiert ist.

215 Prok., aed. 1,6, 3.

216 Prok., aed. 1, 6, 4.

217 Prok., aed. 1, 6, 9-14. 218 Prok., aed. 1, 8, 6-11 u. 17-18. Die Michaelskirche am Anaplus, nördlich der Stadt am Bosporus, ist auch aus

anderen Quellen bekannt: Janin, Geographie ecclesiastique (a. 0.) 351f.; Janin 468.

219 Vgl. Prok., aed. 1,11,21. 220 Prok., aed. 1,6,4. 221 Prok., aed. 1,11,4.

Der Hippodrom 247

9. Der Hippodrom

a. Geschichtlicher eberblick

Im Zuge des Wiederaufbaus des von ihm selbst zerstorten Byzanz stiftete Kaiser Septimius Seve-rus den Hippodrom, doch scheint der Bau nach dem Tod des Kaisers unvollendet liegengeblieben zu sein222. Erst Konstantin lies im Zusammenhang mit der Neugrundung der Stadt den Hip-podrom vollenden223. Ergebnis war eine 420 - 440 m lange und 117- 125 m breite Anlage, an der in spaterer Zeit zwar Reparaturen von Erdbebenschaden vorgenommen wurden, nie jedoch sub-stantielle Eingriffe. 390 erfolgte die Aufstellung des Obelisken auf der Spina des Hippodroms. 407 lief3 Arkadius die durch Brand zerstOrten Zugange zu den Portiken des Hippodroms wiederher-stellen224. Ende des 5. Jh. bzw. Anfang des 6. Jh. ereigneten sich mehrfach teilweise Zerstorungen der baulichen Anlagen, so in den Jahren 491, 497/8 und 507225. In der ersten Halfte des 6. Jh. wurden zahlreiche Monumente zu Ehren der siegreichen Wagenlenker errichtet (s. u.). 532 lid Ju-stinian die im Hippodrom versammelten Anhanger des Hypatius durch Truppen niedermachen. Erneute Zerstorungen rief das Erdbeben des Jahres 557 hervor226. Konstantin VII. Porphyro-gennetos (944-959) lid an dem gemauerten Obelisken Bronzeplatten anbringen (oder bereits vorhandene restaurieren). Im 12. Jh. scheint der Hippodrom immer noch als Ort der Volksbe-lustigung gedient zu haben227. Mit der Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner endete die traditionelle Institution Hippodrom. Zahlreiche Bildwerke wurden eingeschmolzen, so etwa die Bronzestatuen eines Herakles, einer die Zwillinge saugenden Wolfin, Sphingen und andere Bilder228

Systematische Grabungen erfolgten erst in den Jahren 1927/8. Ober diese Grabungen, denen zahlreiche Detailkenntnisse fiber die Struktur des Hippodroms verdankt werden, liegen zwei Berichte vor229.

b. Die Spina und der Euripos

Zu den umstrittenen Fragen zahlt, ob es eine Spina im eigentlichen Sinne gab230 . An keiner Stelle wurden Mauern, eine Abgrenzung oder sonst eine Art Umfriedung des Mittelstreifens gefunden. Dennoch mud wohl von einer Art niedriger Mauer ausgegangen werden, die die Mittellinie der Arena entlanglief23'. Darauf deuten nicht nur bildliche Darstellungen des Hippodroms hin — allen voran die Darstellung auf dem Zirkusrelief der Obeliskenbasis sondern auch Quellentexte232 .

222 Zos. 2, 31; Chron. Pasch. 4958f.; Joh. Mal. 29212 ; Patria I, 40; Kedr. I, 44216. 223 Chron. Pasch. 5284; Patria I, 61. 224 Chron. Pasch. 5699_11 u. 5709f. 225 Chron. Pasch. 60812_14. Einsturz der tragenden Gewolbe: Marc. Com. 97 (an. 507). 226 Patria I, 40. 227 Belege bei Muller- Wienen 67. 228 Nik. Chon. 64984ff. 229 St. Casson / D. Talbot-Rice / A. H. M. Jones / G. F. Hudson, Preliminary Report upon the Excavation

Carried out in the Hippodrome of Constantinople in 1927, London 1928; St. Casson / D. Talbot-Rice, Second Report upon the Excavations Carried out in and near the Hippodrome of Constantinople in 1928, London 1929.

239 Preliminary Report (a. O.) 9f.; St. Casson, GazBA 72, 1930, 218ff. und passim. 231 C. Mango, L'euripe de l'hippodrome de Constantinople, REByz 7, 1949, 180-193. 232 Robert de Clari, La conquete de Constantinople, p. 88 u. 90 Lauer. C. Mango, REByz 7, 1949, 183.

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248 Konstantinopel

Abb. 77. Hippodrom, Stich von O. Panvinio.

Kathisma.

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RC

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Porphyrius' last Blue base

? ?Julian Red Uranius

H Obelisk of Serpent Obelisk of K J 1 6 X

A B C Theodosius Column ConstantineVll D E F

Porphyrius' third, second, and first Green bases

Faction grandstands: BLUE WHITE RED GREEN

Abb. 78. Hippodrom, Verteilung der Wagenlenkermonumente nach A. Cameron.

Litfasscmyr T.

Blue meta

Porphyrius' first, second, and third Blue bases

? White meta

Constantine / Faustinus

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Abb. 79. Hippodrom, Grundrif3.

Der Hippodrom 249

In den Quellen begegnen u. a. auch die Benennungen te1ipti5 oder Tor,xo, so daß allein schon aus terminologischen Gründen von einer Art Mauer auszugehen ist, die sich um den Mittelstreifen der Arena zog233. Mit dieser Spina ist der eveiitoS identisch, der bei einer Vielzahl byzantini-scher Chronisten Erwähnung findet und der sein Gegenstück in Rom hatte234 . Die Bezeichnung ev@tzot läßt an eine Art Kanal denken, der sich die Arenamitte entlangzog. Und tatsächlich konnten die Ausgrabungen im Hippodrom sowie die Untersuchungen an der Obeliskenbasis, an der Basis des gemauerten Obelisken und an der Schlangensäule zeigen, daß diese als Brunnen dienten, daß man also mit einer durchgehenden Wasserleitung spätestens ab theodosianischer Zeit rechnen muß. Der Widerspruch zwischen Ausgrabungsbefund und Quellenüberlieferung ist möglicherweise dadurch zu erklären, daß in osmanischer Zeit diese Spinamauer abgetragen wur-de, um als Baumaterial anderweitig verwendet zu werden. Sicherlich wird man auch mit einer Hebung des Bodenniveaus rechnen müssen235.

c. Ausstattung

Daß auch eine Unzahl anderer derartiger Standbilder in Konstantinopel war, beweisen die vielen Postamente, die man noch sehen kann, und die Inschriften darauf. Einige stehen an verschiedenen Punkten der Stadt, die meisten aber im Hippodrom236.

So beschreibt Manuel Chrysoloras im 15. Jh. den Rest der einstmals reichen Statuenausstattung des Hippodroms, die mit der Eroberung Konstantinopels 1204 zugrundeging. Neben den Quellen vermitteln zwei voneinander sehr unterschiedliche Darstellungen, einmal das Zirkusrelief an der Südwestseite der Obeliskenbasis sowie die Wiedergabe des Hippodroms durch 0. Panvinio aus der Zeit um 1600, eine gewisse Vorstellung von den Denkmälern inmitten der Arena (Abb. 77)237.

Auf dem Zirkusrelief der Obeliskenbasis wird die Spina von den beiden metae eingefaßt. Zwi-schen diesen beiden Wendemarken werden mehrere Monumente dargestellt. Links zunächst ein Obelisk, der wohl mit dem unter Theodosius I. errichteten gleichzusetzen ist. Darauf folgt das Ovarium, eine Ädikula, die zur Anzeige der bereits abgeleisteten Runden diente. Nach einem großen Zwischenraum ist bereits in der rechten Hälfte eine Säule zu sehen, die auf einer Basis steht und ein flaches Kapitell trägt. Weiter rechts folgt ein zweiter Obelisk. Bei dem Stich von 0. Panvinio fällt das Fehlen der Schlangensäule auf sowie die Tatsache, daß nur ein großer Obe-lisk dargestellt ist. Auch die Reliefsäule, die sich unmittelbar neben dem Hippodrom befindet, wirft Probleme auf. Ihrer topographischen Position zufolge könnte sie durchaus die Augustei-onsäule sein, doch die Reliefwindungen (die sich entgegen den beiden bekannten Reliefsäulen Konstantinopels von rechts unten nach links oben ziehen) erinnern eher an die theodosianischen Triumphalsäulen. Diese Unstimmigkeiten lassen vermuten, daß es sich bei dem Panvinio-Stich nur um eine freie Übernahme des Hippodroms aus der Stadtansicht Vavassores handelt238.

233 Cameron, Porphyrius 180f. 234 Joh. Mal. 17511; Chron. Pasch. 2087; Kedr. I, 25816. C. Mango, REByz 7, 1949, 183f. 235 Cameron, Porphyrius 181. 236 Man. Chrys., PG 156, 45 (Übs. nach F. Grabler, Europa im XV. Jahrhundert von Byzantinern gesehen, Graz

19652 , 133). 237 Onuphrius Panvinius, De ludis circensibus, Venedig 1600, II, 60f.; St. Casson, GazBA 72, 1930, 215; G. Bruns,

Der Obelisk und seine Basis auf dem Hippodrom zu Konstantinopel, Istanbul 1935, 58ff. 238 Vgl. Mango, C'ple 9.

250 Konstantinopel

Klassisch-antike Bildwerke Neben den prominenten Denkmälern, den Obelisken und der

Schlangensäule verteilten sich zahlreiche Bildwerke auf dem Euripos des Hippodroms in Kon-

stantinope1239. Es dominieren Fabelwesen, etwa die Skylla, dann wilde Tiere und Bestien oder ein

Fabeltier mit drei Köpfen (die Schlangensäule?)240 . Dann aber sah man zwei Heraklesstatuen,

eine Gruppe des Herakles mit dem Nemeischen Löwen, dann den Herakles des Lysipp sowie viel-

leicht auch ein Bildwerk, das Herakles bei den Hesperiden darstellte. S. Guberti-Bassett konnte

zeigen, daß man dort wohl ganz bewußt Bildwerke wählte, deren Aussage sich auf den Bereich

`Kampf', 'körperliche Anstrengung', 'Arbeit' etc. bezog, daß man also durchaus versuchte, diese

Statuen in einem Umfeld aufzustellen, in dem sie nicht nur dekorative Versatzstücke waren241.

Statuen der Wölfin und der Zwillinge Romulus und Remus sowie einer Sau, die Ferkel säug-

te, mußten an die Gründung Roms erinnern und diese mit der Neugründung Konstantinopels

gleichstellen242 .

Kaiserstatuen Neben den Statuen des Augustus und Diokletian werden auch eine Reihe von

Bildnissen byzantinischer Kaiser überliefert243. Eine bronzene Sitzstatue der Verina, der Frau

Leos I., die von den Patriographen überliefert wird, war wohl ein falsch interpretiertes Athe-

nabildnis244. Wahrscheinlich geht auch das von den Patria erwähnte angebliche Standbild der

Athenerin Eirene, das ihr Sohn Konstantin VI. (780-797) auf dem Brunnen des Hippodroms er-

richtet haben soll, auf diese Athenastatue zurück245. Ein angeblich eisernes Standbild (etkov) des

Anastasius im Hippodrom provozierte Spott246. Justinian erhielt nach einem Sieg über die Perser

eine Reiterstatue im Hippodrom247. Ein Bild des Phokas im Hippodrom wurde 610 verbrannt248.

Die Führer der beiden großen Zirkusparteien stifteten Priskos und Domentia Statuen auf der

Spina des Hippodroms249. Nicht nur Kaiser wurden im Hippodrom statuarisch geehrt. Man sah

239 Bassett, Reuse 45-84; S. Guberti-Bassett, The Antiquities in the Hippodrome of Constantinople, DOP 45, 1991, 87-96.

240 Zur Skylla vgl. B. Andreae, Laokoon und die Gründung Roms, Mainz 1988, 107-111. 241 S. Guberti-Bassett, DOP 45, 1991, 91f. 242 Nik. Chon. 6501737. S. Guberti-Bassett, DOP 45, 1991, 93.

243 Augustus: Patria II, 73; Diokletian: Patria II, 73. Zu den Statuen älterer Kaiser s. S. Guberti-Bassett, DOP 45, 1991, 91f.

244 Par. 61; Patria II, 78. Stichel 101f. Nr.116; Cameron / Herrin 251; Berger 546. H. Blanck, Wiederverwendung 20, denkt an eine Umarbeitung. Doch muß dies angesichts der häufigen legendären Deutungen in den Patria nicht unbedingt der Fall sein.

245 Patria III, 202. Auch Berger 549 hält das angebliche Standbild der Eirene mit Hinweis auf die nach dem 6. Jh. versiegende Produktion an vollplastischen Bildnissen für unrealistisch.

246 Joh. Lyd., mag. 13517ff. Vgl. hierzu den Spottvers Anth. Pal. 11, 270f. C. Mango, REByz 7, 1949, 186; Came-ron, Porphyrius 184f. (die Anspielung auf Skylla in dem Epigramm scheint auf die Nähe der Statue zur Skyllastatue hinzudeuten), 219f. (Datierung: wohl nach 500, da die Epigramme auf das Edelmetall des Por-phyrios anzuspielen scheinen); Stichel 103 Nr. 123.

247 Par. 61. Die Statue ist wohl identisch mit der in Anth. Pal. 16, 62 u. 63 gefeierten: Al. Cameron, Byzantion 47, 1977, 42-8, sowie Cameron / Herrin 251. Stichel 104f. Nr. 129; Al. Cameron, Byzantion 47, 1977, 42-7; Cameron / Herrin 251; B. Croke, Justinians Bulgar Victory Celebration. BvzSl 41. 1980. 188-95. hes. 192f.: P. Speck, Ein Reiterrelief Justinians I. im Hippodrom, in: Varia II (= IIoLdXot Bu(cxvi-tvä 6), Bonn 1987, 339-353. Kollwitöz, Oström. Plastik 12, vermutet als Anlaß den Friedensschluß des Jahres 562.

248 Chron. Pasch. 70115. 249 Theoph. 29411_16.

Der Hippodrom 251

seit Justinian auch die Statue des cubicularius Platon, der unter Kaiser Basiliskos verbrannt worden war25°.

Nur ein Wort zum archdologischen Befund: Bei den Hippodromgrabungen kamen 1959 und 1962 zwei Kapitelle zutage, die einst Statuen trugen und somit wohl zu kleineren Sdulenmonu-menten geh6rten251.

Die Wagenlenkermonumente Die wichtigste Gruppe unter den (zeitgen6ssischen' Bildwerken ist die der Wagenlenkermonumente, die nicht nur durch die Uberlieferung der Widmungsepigram-me in der Anthologia Planudea bekannt sind, sondern auch durch den Fund zweier Reliefbasen, die sich im Archaologischen Museum von Istanbul befinden. Die Epigramme wurden in einer breitangelegten Analyse von Al. Cameron untersucht; Ergebnis war die iiberzeugende Gruppie-rung der Epigramme in einzelne B16cke, die jeweils verschiedene Monumente auf der Spina des Hippodroms reprdsentieren. Cameron zerlegt die Wagenlenkerepigramme der Anthologia Planu-dea in elf B16cke252 . Jeweils eins von diesen geh6rte den Wagenlenkern Konstantinos, Phaustinos, Julianos und Uranios, sieben geh6rten allein Porphyrios. Je nach Zugeh6rigkeit der Wagenlenker zu bestimmten Zirkusparteinen befanden sich die Monumente in den entsprechenden xil)goi, der Demen (Abb. 78)253. Von den sieben Monumenten fur den Wagenlenker Porphyrios haben sich zwei Pfeilerbasen erhalten, die eine gewisse Vorstellung vom Aussehen dieser Denkmdler vermit-teln (Taf. 28.1 u. 2). Die Basen trugen etwa lebensgrof3e Standbilder des Porphyrios, wie sich aus den Befestigungskichern an der Oberseite ergibt254 .

Der eigyptische Obelisk Prominentestes Denkmal des Hippodroms, einst wohl ebenso wie auch heute, ist der dgyptische Obelisk mit seiner vierseitig skulptierten Basis aus theodosiani-scher Zeit (Taf. 24.3 u. 4). Innerhalb des Hippodroms nahm der Obelisk eine zentrale Position ein im Gegensatz zu dem gemauerten Obelisken, der sich bereits im Siidwestbereich der Spina befand. Im Jahre 390 wurde unter dem Stadtprdfekten Proklos die Aufstellung des Obelisken vorgenommen, der zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr vollstdndig war255. Die am Sockel befindlichen Stiftungsinschriften lauten256:

Widerstrebend einst, den erlauchten Herren zu gehorchen, ist mir befohlen, die Palme zu tragen auch ober die ausgeleischten Tyrannen. Alles weicht Theodosius und seiner ewig dauernden Nachkommenschaft. So bin ich bezwungen und besiegt in Brei mal zehn Tagen. Unter Proclus als Praefecten bin ich zu den hohen Liiften erhoben.

250 Par. 26; Patria II, 23. Unger S. 325; Cameron / Herrin 200; Berger 460f. 251 N. Firath / A. Rollas, Les nouvelles trouvailles de Topkapi Saray, IstanbAMiizYil 11/12, 1964, 201f. Taf. 27,1

u. 29,1; Cameron, Porphyrius 11. 252 Cameron, Porphyrius 143f.

253 Cameron, Porphyrius 182f. S. u. S. 332 254 Cameron, Porphyrius 13.

255 S. O. S. 228.

256 ILS 821 = CLE 286: Difficilis quondam dominis parere serenis Iussus et exstinctis palmam portare tyrannis Omnia Theodosio cedunt subolique perenni I Ter denis sic victus ego duobusque diebus I Iudice sub Proclo superas elatus ad auras. CIG IV. 8612: ICCova TeTp67rXetwv dal x06vi KeCilevov ót'Veq I Mo•Uvo civ(kcrthcr0a, OevSÓULOS PeanXeiN I TOXIACTOt 110100.4i 61Tell,61G,XETO Kea T600K EUTT) I ICLJV ijeMoK ÉV TQL&KOVTU SvO. Ubs. nach H. Kdhler, ActaAArtHist 6, 1975, 47.

252 Konstantinopel

Die viereckige Säule, die immer lastend auf der Erde lag, wagte als einziger Kaiser Theo-

dosius aufzurichten. Den Proclus rief er sich zu Hilfe. Und so stand diese gewaltige Säule,

als zum 32. Mal die Sonne aufging.

Hier interessiert in erster Linie die Inszenierung des Obeliskensockels, der auf allen Seiten ver-

gleichbare zeitlose Herrschaftsbilder des theodosianischen Kaiserhauses zeigt. Die Hippodrom-

grabungen 1927/8 ergaben, daß eine Wasserleitung die Basis umlief257. Eine genauere Unter-

suchung der verschiedenen Einarbeitungen in die Obeliskenbasis von G. Bruns und F. Krauss

belegt die Funktion dieses Denkmals als Brunnenanlage258. An der Nordostseite (Bruns B2) fin-

det sich eine senkrechte Rinne von ca. 20 cm Durchmesser, die sowohl den Reliefblock als auch

den unteren Basisblock durchschneidet. Diese Rinne war mit einem unter dem Obelisken entlang-

laufenden Kanal verbunden. Der untere Block wurde an der Oberseite umlaufend abgearbeitet,

ebenso die Granitblöcke. Diese Indizien führen zu folgender Rekonstruktion des Erscheinungs-

bilds der Brunnenanlage: Es muß also ringsum ein Trog gelegen haben, dessen Rückwand bis

an die Geländekante heraufreichte. Das Wasser wurde durch eine Röhre, die in der senkrechten

Rinne lag, bis zum oberen Basisrand hinaufgeleitet und kehrte in einer zweiten Röhre um. Den

Wasserausfluß muß man sich auf der Trogrückwand denken, wahrscheinlich auf allen vier Seiten,

da alle Ecken so zugerichtet sind, daß gut eine nicht allzu starke Röhre ringsum geleitet werden

kann. Der Abfluß ging direkt aus dem Trog in das Becken des Podestes259 .

Aus den kompositorischen Eigenarten des Reliefs an der Nordwestseite ergibt sich, daß die

Brunnenrinne nicht nachträglich eingearbeitet sein kann260. Die Würdenträger im oberen Register

treten zur Seite, ebenso die Zuschauer im unteren Register. Geschickt zwängt sich die Rinne

zwischen das Kathisma mit der Kaiserfamilie und den Würdenträgern rechts davon, so daß nur

die rechte Säule der kaiserlichen Loge gleichsam durch sie ersetzt wird. Bei einer Gleichzeitigkeit

des Sockels mit der Brunnenanlage bliebe noch die nachträgliche Abarbeitung des unteren Blocks

zu erklären. Bruns denkt an zwei verschiedene Meister, einen Meister der Reliefs A bzw. einen

Meister der Reliefs B, die die Reliefs in einem gewissen zeitlichen Abstand fertigten261; der

Meister der B-Reliefs und damit auch der Nordostseite habe seine Arbeiten erst später vollendet.

Da man gleichzeitig den Brunnen anlegte, die Unterbasis jedoch bereits fertig war, mußte diese

eben abgearbeitet werden.

Der gemauerte Obelisk Über den gemauerten Obelisken ist von den drei Monumenten am

wenigsten bekannt. Die Datierung ist nur annäherungsweise einzugrenzen, doch deuten zwei Indizien darauf hin, daß der gemauerte Obelisk bereits bestand, als der ägyptische Obelisk un-

ter Proklos errichtet wurde: einmal ist auf der Hippodromdarstellung des Basisblocks bereits ein Obelisk zu sehen, mit dem wahrscheinlich der gemauerte gemeint ist. Zudem umläuft die Wasser-leitung entlang der Spina zwar den ägyptischen Obelisken, nicht aber den gemauerten Obelisken,

257 St. Casson, GazBA 72, 1930, 224. 258 G. Bruns, Der Obelisk und seine Basis auf dem Hippodrom zu Konstantinopel, Istanbul 1935, 16ff., 52f.; F.

Krauss in: Bruns, a. 0. 85f. Vgl. auch den Bericht eines anonymen russischen Pilgers: Majeska 144. 259 Bruns, a. 0. 17. 260 Bruns, a. 0. 52f. Anders F. Krauss in: Bruns, a. 0. 85f. 261 Bruns, a. 0. 75. In der Beurteiligung der unterschiedlichen Reliefstile als Ergebnis zweier verschiedener Mei-

ster und nicht einer verschiedenen Entstehungszeit folgen G. Bruns J. Kollwitz, Gnomon 13, 1937, 427, E. Weigand, ByzZ 37, 1937, 457f., H. Kähler, PhW 59, 1939, 93ff. und H. Wrede, IstMitt 16, 1966, 192f.

Der Hippodrom 253

was ebenfalls auf ein älteres Datum schließen läßt262 . Die azentrische Position des gemauerten Obelisken spricht hingegen dafür, daß er versetzt wurde, als der Obelisk des Theodosius errichtet wurde263. Unter Konstantin VII. Porphyrogennetos wurden an dem Obelisken vergoldete Bron-zeplatten befestigt oder bereits vorhandene wiederhergestellt, wie die an der Ostseite der Basis angebrachte, wahrscheinlich sogar von Konstantinos Rhodios verfaßte Inschrift besagt264:

Dieses vierkant'ge Wunder von Erhabenheit, Durch Zeit verwüstet, hat nun Konstantin, der Herr, Des' Sohn Romanus ist, der Ruhm des Kaiserthums, Besser erneuert, als vor Alters es erschien, Denn der Koloss auf Rhodos war wohl staunenswerth, Gleich staunenswerth ist dieses Erz an dieser Statt.

Arbeiten im Bereich des Obelisken Konstantins VII. Porphyrogennetos haben gezeigt, daß dessen Basis in eine Brunnenanlage mit Ausflüssen an allen vier Seiten umgewandelt wurde265. Diese Ausflüsse befanden sich unterhalb der erwähnten Inschrift. Reste eines Mosaiks, das ebenfalls unterhalb der Inschrift angebracht war, deuten auf mosaizierte Becken hin266 . Man darf wohl davon ausgehen, daß diese Brunnenanlage bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Obelisken angelegt wurde, da ein Kanal durch den Sockel führt.

Die Schlangensäule Die Schlangensäule, der Rest des aus Anlaß des Siegs der Griechen bei Platää gegossenen Dreifußes, ist das älteste Denkmal Konstantinopels und — wenn auch ver-stümmelt — bis auf unsere Tage erhalten267. Wann sie an ihrer heutigen Stelle errichtet wurde, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln, da sie in den Quellen erst sehr spät im Hippodrom lokali-siert wird268. Zosimos erwähnt im 6. Jh. die Transferierung des Delphischen Dreifußes, über den künftigen Aufstellungsort sagt er allerdings nichts269 . Harun ibn Yahya (Ende 9. Jh.) spricht von vier Bronzeschlangen vor dem Tor zum Kaiserpalast, die sich in den Schwanz beißen, meint also

262 Bruns, a. 0. 58 Anm. 66; Janin 192f.; M. Restle, Istanbul. Bursa, Edirne, Iznik, Stuttgart 1976, 350. 263 H. Wrede, IstMitt 16, 1966, 187f. 264 Griech. Text bei Janin 193: T6 TeTeöenXeugov eeeüilot TL7N gTOZeCr(,WV xe6vy (.peczeb KwvcrTezvTi,vo vi3v

8coltörri / Pwi.tozvö ivaik 86eo41-7) annin-cruxize ned,TTOU veove-yd, Tfig IrcxXoti,19.ewei.cx . / 6 'y&e KOXOCICTÖg 196,1430 ,?iv 13664.) / nal ovTWs 1340(K &cr-ri,v gv15648z. Ubs. n. Unger Nr. 859. Zur Vermutung des Autors: 0. Wulff, ByzZ 7, 1898, 321.

265 St. Casson / D. Talbot-Rice / A. H. M. Jones / G.F. Hudson, Preliminary Report upon the Excavation Carried out in the Hippodrome of Constantinople in 1927, London 1928, llf.; St. Casson in: A. M. Woodward, Archaeology in Greece, 1926-27, JHS 47, 1927, 262; M. Schede, AA 1929, 329f.; St. Casson, GazBA 72, 1930, 223f.; E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 258.

266 St. Casson, GazBA 72, 1930, 224. 267 Vgl. hierzu Th. F. Madden, The Serpent Column of Delphi in Constantinople: Placement, Purposes, and

Mutilations, Byzantine and Modern Greek Studies 16, 1992, 111-145. 268 Euseb, Vita Const. 3, 54, und Sokr., PG 67, 417, können nicht auf die Schlangensäule bezogen werden. Euseb

und Sokrates sprechen von delphischen Dreifüßen im Plural. Auch Zosimos 2, 31 und Patria II, 79 meinen offenbar ein anderes Monument. Vgl. Bassett, Reuse 305ff. (T-6).

269 Zos. 2,31.

254 Konstantinopel

vielleicht ein anderes Monument270. Erst bei Ignatios von Smolensk begegnet ein sicher auf die

Schlangensäule im Hippodrom zu beziehender Hinweis271.

Die Quellenlage scheint ein spätes Aufstellungsdatum anzudeuten. Auch archäologischen In-

dizien, die Machart der Wasserleitung, deren schlechte Fundamentierung sowie die Tatsache,

daß man im Zuge der Umwandlung der Schlangensäule in eine Brunnenanlage diese auf ein

byzantinisches Kapitell setzte, sprechen für eine späte Datierung272 .

Auch die Schlangensäule diente als Brunnenanlage oder wurde nachträglich in eine solche

umgewandelt, wie bereits die Grabungen unter Newton im Jahre 1855 ergaben und wie auch

durch die Hippodromgrabungen 1927/8 bestätigt wurde273. Bei der Umwandlung in einen Brun-

nen verfuhr man so, daß aus den drei Schlangenköpfen Wasser hervorsprang274. Buondelmonti,

der die Stadt vor der Eroberung besuchte, bekundet, daß es aus allen drei Schlangenköpfen

hervorsprudelte, aus dem ersten Milch, aus dem zweiten Wein und aus dem dritten Wasser275.

270 J. Marquart, Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge, Leipzig 1903, 206ff.; R. M. Dawkins, Folklore 35, 1924, 234 Anm.51.

271 Majeska 92f. 272 Casson, Preliminary Report (a. 0.) 13. Anders Th. Madden, a. 0. 114ff., der zu Recht darauf hinweist, daß aus

dem Schweigen der Quellen keine Sicherheit bezüglich der Datierung zu gewinnen ist, jedoch selbst auch keine positiven Argumente anführen kann

273 C. T. Newton, Travels and Discoveries in the Levant, II, London 1865, 25-36; 0. Frick / E. Curtius, Ausgra-bungen der Schlangensäule auf dem Hippodrom zu Constantinopel, in: Monatsberichte der kgl. preuss. Akad. d. Wiss. Berlin, 1856, 162-81. 286f.; St. Casson in: A. M. Woodward, Archaeology in Greece, 1926-27, JHS 47, 1927, 262; Preliminary Report (a. 0.) 12ff.; St. Casson, GazBA 72, 1930, 220; E. Mamboury, Byzantion 11, 1936, 258 u. 231f.

274 Preliminary Report (a. 0.) 13; St. Casson, GazBA 72, 1930, 220. 275 C. Buondelmonti, Liber Insularum Archipelagi, Leipzig - Berlin 1824, 65 (Unger Nr. 834). Vgl. auch P. Tafur,

Andancas e Viajes, ed. M. Jimenez de la Espada, Madrid 1874, 177 (Übs.: M. Letts, Travels and Adventures 1435-1439, London 1926, 143). Preliminary Report (a. 0.) 14; St. Casson, GazBA 72, 1930, 220; Majeska 256.

III. Interpretation

Die zahlreichen Quellennotizen zur Ausstattung Konstantinopels belegen, daß 'Stadt' für den Bewohner als Kette von Eindrücken empfunden wurde, die in erster Linie von den Bildwerken ausgingen. Der Schwerpunkt der ausgewerteten literarischen Quellen liegt auf der Beschreibung der zahlreichen Denkmäler, die öffentliche Plätze und Straßen der Hauptstadt bereicherten. Während sich die statuarische Ausstattung der entlang der Mese aufgereihten Platzanlagen z. T. sehr detailliert rekonstruieren läßt, und auch einzelne chronologische Phasen voneinander scheidbar sind, steht hinter den Vermutungen zum architektonischen Erscheinungsbild dieser Anlagen noch ein großes Fragezeichen.

1. Platzanlage oder Forum?

Im 4. und 5. Jh. begegnete nach einer Pause von über 200 Jahren in Konstantinopel wieder das Kaiserforum. Die Kaiser von Konstantin bis Leo I. ließen entlang der Mese und an sonsti-gen frequentierten Orten der Stadt Fora anlegen, die der Verherrlichung des jeweils regierenden Kaiserhauses dienten. Daneben entstanden vielerorts noch weitere Platzanlagen, die, mehr oder weniger architektonisch definiert, Standort zahlreicher Bildwerke waren. Die Quellen nehmen eine Unterscheidung der Konstantinopler Platzanlagen in Fora und Nicht-Fora vor. Es stellt sich also die Frage. was denn eine 'normale' Platzanlage von einem Forum unterscheidet, wie denn der Begriff `cpcieo' in frühbyzantinischer Zeit zu definieren ist. Handelt es sich um einen funktio-nalen oder um einen administrativen Terminus? Oder wird damit ein bestimmter Architekturtyp umschrieben? Bezeichnet der Begriff eine 'kaiserliche' Platzanlage oder handelt es sich nur um eine traditionelle Benennung, wie sie bereits für die römischen Kaiserfora gängig war?

Wenn man sich fragt, worin sich denn ein Kaiserforum von den übrigen Platzanlagen unter-scheidet, betritt man ein terminologisches Problemfeld. Der dem Lateinischen entlehnte Begriff `43,6go' begegnet stets mit dem Zusatz des Kaisernamens oder aber allein, um das Konstan-tinsforum zu umschreiben. Dadurch unterscheidet er sich auch vom Begriff `6.-loeci'. Mit dem Wort deloper. scheint in byzantinischer Zeit öffentlicher Raum schlechthin umschrieben worden zu sein'. So wurden nicht nur Platzanlagen als (34-0@cd; betitelt, sondern auch Straßenabschnitte. Als Synonym für 'entlang der Mese' verwendete man den Ausdruck 'Suez Tfig

Doch scheint der Begriff (pö@oS auf mehrerlei Ebenen definierbar zu sein. Zunächst umschreibt er ein architektonisches Gebilde. Es begegnen als konstitutive Elemente meist rahmende Porti-ken und Torbauten. Ein Forum präsentiert sich als weitgehend abgeschlossener Platz, der durch Torbauten zu betreten ist. Zudem ergaben die Quellennachrichten über die Kaiserfora Konstan-

1 Guilland, Etudes II, 73f. 2 Joh. Zon. III, 2339.

256 Konstantinopel

tinopels, daß der Begriff Lp6goS auch auf einer funktionalen Ebene definiert ist. Auffallenderweise

konzentrierten sich administrative Einrichtungen an den Kaiserfora, wie schon der Umstand

zeigt, daß der Senat nicht nur am Augusteion, sondern auch am Konstantinsforum und auf dem

Tauros tagen konnte. Tribunale fanden sich neben dem Augusteion auch auf dem Konstantins-

forum und auf dem Arkadiusforum. Der Sitz des Stadtpräfekten lag am Konstantinsforum, der

des Prätorianerpräfekten war wohl am Forum Leos I. Die Kaiser waren offenbar bestrebt, ih-

re Forumsanlagen nicht als architektonische Hülsen stehenzulassen, sondern sie mit konkreten

Funktionen zu füllen, sie also zu administrativen Zentren zu machen und protokollarisch zu

nutzen.

Doch ist der Begriff (.p6 os darüberhinaus noch auf einer ideellen Ebene definierbar. Bereits

in den Sieben-Wunder-Listen deutet sich an, daß die Platzanlagen stets in Verbindung mit

der Ausstattung gesehen wurden, sei es, daß es sich um ein zentrales Säulenmonument, sei es,

daß es sich um verschiedenartige Statuen und Bildwerke handelte, die über den Platz verteilt

wurden. Da diese Ausstattungselemente meist kaiserliche Monumente darstellten, ist es zulässig,

im Begriff y6 os auch eine Umschreibung für einen im weitesten Sinne ideellen — wohl auch

architektonisch definierten — Wirkungsraum zu sehen, dessen Zentrum das kaiserliche Monument

war. In der Regel handelt es sich um ein Säulenmonument zu Ehren des regierenden Kaisers,

eine Ausnahme macht lediglich das Forum Theodosiacum des Strategion — doch ist auch das hier

befindliche Obeliskenfragment als abstraktes Herrschaftsmonument aufzufassen. Andererseits ist

einschränkend anzumerken, daß nicht jeder Platz, der ein Säulenmonument besaß, ein yöeos war,

wie das Augusteion zeigt.

Mehrfach konnte man feststellen, daß der Name einer Platzanlage auch für das zentrale

(Säulen-)Monument geprägt wurde. Die Justinianssäule war das bestimmende Monument des

Augusteions; wer in mittelbyzantinischer Zeit `Augusteion' sagte, konnte im engeren Sinne auch

die Säule meinen. Gleiches galt auch für die Reliefsäulen auf den theodosianischen Kaiserfora:

Wenn der Name Tauros bzw. Xerolophos fiel, so konnte damit auch nur die Triumphalsäule selbst

gemeint sein. Mit Berger ist daran zu erinnern, daß dieses Phänomen grundsätzlich durch die

byzantinische Sehweise zu erklären ist: Die Benennungen von weithin sichtbaren Landmarken

werden auch auf das Gebiet übertragen, das jene optisch dominieren3.

2. Chronologische Entwicklung

Wie in Rom, so bildeten auch in Konstantinopel meist Erdbeben und Brandzerstörungen Auslö-

ser für Umgestaltungen innerhalb des Stadtbilds4. Unter diesen Katastrophen stellte der Brand

im Verlauf des Nikaaufstands einen besonderen Einschnitt dar, der zur Neuerrichtung und damit

auch Neuausstattung des Altstadtzentrums führte. Auch dem Beben von 740 fielen neben Bauten

zahlreiche Bildwerke zum Opfers. Mit der Eroberung und Plünderung Konstantinopels durch

3 Berger 166ff.

4 Quellen zusammengefaßt bei Unger Nr. 194-232. Brände: A. M. Schneider, Brände in Konstantinopel, ByzZ

41, 1941, 382-403. Erdbeben: G. Downey, Earthquakes in Constantinople and Vicinity, Speculum 30, 1955, 596-600. Theoph. 4126-14; Nikeph. 63.

Chronologische Entwicklung 257

die Kreuzfahrer und schließlich mit der Entfernung des Reiterstandbilds Justinians durch die Osmanen endet die Geschichte der statuarischen Ausstattung der Stadt.

a. Konstantinische Zeit

In der neueren Forschungsliteratur zur Stadtentwicklung Konstantinopels wird immer mehr be-tont, daß Konstantinopel zunächst nicht als dominierende Hauptstadt über dem alten Rom geplant war, sondern als Residenzstadt Konstantins, wie seit tetrarchischer Zeit ja eine Vielzahl verschiedener Regierungssitze im Reich existierten'. Vergleicht man aber Konstantinopel mit anderen tetrarchischen Residenzstädten, deren Stadtentwicklung einigermaßen bekannt ist, so stellt man fest, daß nur im Falle von Konstantinopel eine so massive Erweiterung des Stadtge-biets vorliegt'. Innerhalb des großflächigen Areals, um das die Neugründung bereichert wurde, wurden bereits unter Konstantin und seinen Söhnen die Weichen für die weitere Stadtentwicklung gestellt. Als Kristallisationspunkte für die künftige Bebauung entstanden die Apostelkirche, die Konstantinianai-Thermen, schließlich auch das Konstantinsforum8. Auch die Mese wurde bereits unter Konstantin angelegt, da diese ja das Stadtgebiet am Goldenen Tor in der konstantinischen Stadtmauer verließ'. Und auch der Mesenordstrang wird spätestens unter Konstantius angelegt worden sein, da über ihn die Konstantianai und die Apostelkirche erreichbar wurden.

Zudem scheint Konstantin seine neue Residenzstadt mit reichen Privilegien versehen zu ha-ben, wie die Aufstellung einer Stele auf dem Strategion zeigt, deren Inschrift Konstantinopel angeblich mit Rom gleichstellte, der Stadt das ius italicum einräumte und sie mit weiteren nicht näher bekannten Vorrechten ausstattetel".

Neben dem Konstantinsforum, über dessen Erscheinungsbild die entsprechenden Quellen verhältnismäßig viel aussagen, gestaltete Konstantin zahlreiche weitere Plätze innerhalb der neuen Residenzstadt neu, ja überzog den öffentliche Raum planmäßig mit Bildwerken. Dies gilt nicht nur für die antiken Kunstwerke, die paene omnium urbium nuditate nach Konstantino-pel geschafft wurden, sondern gerade auch für die Statuen Konstantins und seiner Familie". Wer die Stadt von außen betrat, wurde geradezu mit einer Folge von imperialen Monumenten konfrontiert: Beim Betreten der Stadt passierte man das Exakionion mit dem Säulenmonument Konstantins und durchschritt das alte Goldene Tor, auf dem sich ebenfalls eine Statue dieses Kaisers befand. Die städtebauliche Situation des Exakionion fordert geradezu heraus zu einem Vergleich mit dem Konstantinsforumu. Wie das Exakionion vor dem Haupttor der konstantini-schen Stadtmauer lag, so befand sich auch das Konstantinsforum vor der Stadtmauer des alten Byzantion. Säulenmonumente mit dem Bild des Gründerkaisers markierten jeweils diese Orte.

6 H. Chantraine, Konstantinopel - vom zweiten Rom zum neuen Rom, Jahres- und Tagungsbericht der Görres-Gesellschaft 1989, 84-95; ders., Konstantinopel — vom zweiten Rom zum neuen Rom, Geschichte in Wissen-schaft und Unterricht (GWU) 43, 1992, 3ff.; Mango, C'ple 24.

7 Vergleichsbeispiele von Städten, deren Stadtgebiete durch 'Neugründungen' erweitert wurden, bei E. La Rocca, La fondazione di Costantinopoli, in: Costantino il Grande, II, Macerata 1993, 553-583, hier 573f.

8 Vgl. auch M. Restle, Istanbul. Bursa, Edirne, Iznik, Stuttgart 1976, 21. 9 Mango, C'ple 24f.

1° Zu dieser Stele s. S. Mazzarino, 11 basso impero. Antico, tardoantico ed erä Costantiniana, I, Bari 1974, 1286. S. o. S.227.

11 Zitat Hieron., Chron. p. 23224 Helm. 12 Vgl. Dagron, Naissance 100.

258 Konstantinopel

Wie bereits die Porphyrsäule den Passagepunkt zwischen Neustadt und Altstadt besetzte, so

markierte auch die Säule des Exakionion zunächst die Grenze zwischen intra und extra muros.

Das Philadelphion, die Gabelung zwischen den beiden Strängen der Mese, enthielt (neben den

Tetrarchen) Statuen des konstantinischen Kaiserhauses. Dann folgte das Konstantinsforum mit

der zentralen Konstantinssäule, dem Schutzheiligtum der Stadt. Auch am Strategion, das sich an

einer städtebaulich analogen Stelle befand, nämlich ebenfalls an der Schwelle zwischen dem alten

und dem neuen Stadtgebiet, am Ort des alten Stadttors, wurde eine Reiterstatue Konstantins er-

richtet. Schließlich erhielt auch das Augusteion, die einstige Agora von Byzantion wahrscheinlich

ein Säulenmonument mit der Statue Konstantins, das von weiteren Standbildern von Angehöri-

gen des konstantinischen Kaiserhauses begleitet wurde. An den wichtigsten Schwellenpunkten

innerhalb der Stadt, am Exakionion, am Konstantinsforum und am Augusteion, entstanden also

Säulenmonumente, die den Neugründer von Konstantinopel feierten. Daneben fällt auf, daß be-

sonderer Wert auch auf die Verherrlichung der ganzen Dynastie gelegt wurde, wie die häufigen

Statuen der Helena und der Konstantinssöhne zeigen, die an vergleichbar zentralen Orten in-

nerhalb der Stadt errichtet wurden. Hierin ist wohl eine Reaktion auf die zurückliegende und

überwundene Tetrarchie zu sehen, deren Legitimationsgedanke nicht dynastisch war, sondern

auf Leistungen beruhte.

Es kann kein Zweifel daran sein, daß unter diesen Plätzen dem Konstantinsforum die größte

Bedeutung zukam: Bereits die Tatsache, daß mit dieser Platzanlage die römische Tradition der

Kaiserfora wiederbelebt wurde, ist als Ausdruck der Neugründung Konstantinopels als zweites

Rom zu verstehen. Es wäre zu vordergründig, das Konstantinsforum als Pendant zum Forum

Romanum zu betrachten, weil es ebenso wie das Forum Romanum zwischen Palast und Kapitol

lag und von der Mese wie das Forum Romanum von der Via Sacra durchzogen wurden. Vielmehr

kam es zunächst darauf an, typisch hauptstädtische Elemente in die neue Residenzstadt zu

transferieren, und hierzu gehörte neben Kolonnadenstraßen und öffentlichen Bauten auch ein

Kaiserforum. Wichtige administrative Zentren vereinigten sich also auf dem öffentlichen Forum, wie es

seit Jahrhunderten Tradition war. In die nördliche Halbkreisportikus des Konstantinsforums

wurde ein Senatsbau integriert, ebenfalls am Forum bzw. in unmittelbarer Nähe fanden sich ein

Tribunal und das Prätorium. Doch traten in der architektonischen Konzeption auch 'autoritäre'

Züge zutage. Die Lage des Senats, der allem Anschein nach als integraler Bestandteil des Forums

geplant war, ist Ausdruck der schwindenden Bedeutung dieser Instanz, die gegenüber dem auf

dem Forum verherrlichten Kaiser deutlich zurücktrat. Der Senatsbau erscheint nur mehr als

Annex einer auf die zentrale Konstantinssäule ausgerichteten Anlage. Er sollte wohl auch mehr

eine römische Tradition formal weiterführen denn echtes politisches Gewicht erlangen.

Darüberhinaus besaßen Platzanlage und Säule eine ideelle Qualität, in der sich der Anspruch

auf Gleichberechtigung neben — wenn nicht Vorrangstellung vor — Rom manifestierte. Zentrum

des Forums war die Porphyrsäule, die als solche keine Vergleichsbeispiele besaß. Im Unterschied

zur Trajans- und Mark-Aurel-Säule besitzt die Konstantinopler Säule kein Reliefband — die

repräsentative Wirkung ging von dem Material selbst, Porphyr, aus. Der Verzicht auf eine Zur-

13 So C. Emereau, RevArch, V' sen, Bd. 21/1, 1925, 13f.

Chronologische Entwicklung 259

schaustellung der Gesta des Kaisers als Legitimationsmittel zeigt, daß die Herrschaft Konstantins nicht als das Ergebnis seiner militärischen Leistungen gesehen wurde, sondern als Berufung".

Um diese Säule nun, genauer: um deren Sockel, begannen sich im Laufe der Zeit verschiedene Legenden zu ranken, denen zufolge Konstantin einen Schatz traditioneller und biblischer Reli-quien hier verborgen haben soll. Neben dem trojanischen Palladium vermutete man hier auch die zwölf Körbe der Speisung der 5000, des weiteren die sieben Körbe der Speisung der 4000, außerdem die sieben Brote, die Axt des Noah, die beiden Kreuze der Schächer sowie das Salb-gefäß Christi". Außerdem soll sich ein Splitter vom wahren Kreuz im Sockel der Statue auf der Porphyrsäule befunden haben". Unter diesen Reliquien nimmt das Palladium, dessen Existenz im Säulensockel gleich eine Mehrzahl von Autoren bezeugt, eine Schlüsselrolle ein:

Noch in der Nacht der Zerstörung Trojas soll Aeneas aufgebrochen sein, um die Stelle für eine neu zu gründende Stadt zu suchen. Erst nach längeren Irrfahrten gelangte er schließlich an die Strände Latiums, wo es zur Gründung Laviniums und später Roms kam, in dem Troja trotz seines Untergangs durch seine Götter weiterleben sollte17. Eine zentrale Rolle innerhalb des Mythos von der Gründung Roms nimmt das Palladium ein, dessen Funktion bereits in Troja die des Schutzes der Stadt war", so daß Troja, erst als das Palladium durch Verrat entwendet wurde, seines Schutzes beraubt war und eingenommen werden konnte. Nach der Übertragung nach Rom, wo es sich im Vestatempel befand, übernahm es hier dieselbe Funktion und sicher-te den Fortbestand der Stadt". Damit ist die Geschichte des trojanischen Palladiums jedoch noch nicht beendet; mehrfach wird seine Übertragung durch Konstantin nach Konstantinopel überliefert. Bei dieser Verlegung des Palladiums in die neue Hauptstadt handelt es sich nicht nur um den Transfer einer Reliquie aus den Zeiten, als Rom noch Hauptstadt war, sondern um eine gezielte Übertragung des Anspruchs auf Weltherrschaft, des Rechts, fortan ideelles Zen-trum des Reiches zu sein. Konstantinopel präsentiert sich in der Nachfolge Roms als Sitz der Weltherrschaft, deren Rückkehr in den Osten vorherbestimmt war20. Die Stadt am Bosporus hatte mit dem Palladium zugleich die Garantie für den Fortbestand in alle Zukunft von Rom

14 S. u. S.321ff. 15 Palladium: Prok., bell. Got. 1, 15, 9-14; Joh. Mal. 32014ff.; Chron. Pasch. 52813_16; Ps.-Hesych 41 App.; Joh.

Zon. III, 1817; Patria II, 45. Berger 296f. Zwölf Körbe (der Speisung der 5000): Kedr. I, 5655; Nik. Kall., PG 145, 1325D; Patria II, 95; Anon. Merc. 13; Majeska 35, 145 u. 185. Berger 301. Sieben Körbe (der Speisung der 4000): Kedr. I, 5186; Nik. Kall., PG 145, 1325D; Majeska 262f. Berger 301. Sieben Brote: Nik. Kali., PG 145, 1325D. Axt des Noah: Nik. Kall., PG 145, 1325D; Majeska 262. Zwei Kreuze (der Schächer): Patria II, 20. Salbgefäß Christi: Patria II, 20. Zu diesen Reliquien jüngst R. H. W. Stichel, IstMitt 44, 1994, 325f.

16 Paulinus v. Nola, p. 271 Hartei; Sokr., PG 67, 120B. Angaben nach A. Frolow, La Relique de la Vraie Croix, Paris 1961, 167f.

17 Verg., Aen. I, 68, 205ff. u. 229ff.; III, 94ff., 154-171 u. 500-505; IV, 345-361; V, 728ff.; VII, 195-248; VIII, 36f. 18 Am trojanischen Palladium hing dem Mythos nach das Schicksal der Stadt (vgl. Dion. Hal. 1, 68; Verg., Aen.

II, 165; Ovid, Met. XIII, 380). Eine andere Variante erwähnt Odysseus und Diomedes, die das Palladium stahlen und hierdurch die Stadt ihres Schutzes beraubten (Prokl., Epic. Graec. Frg. 37 Kinkel; Apollod., epit. 5,13f.).

19 Mehrere Autoren erwähnen, daß sich das Palladium im Vestatempel befunden haben soll: Cic., Scaur. 48; Phil. 11. 10, 24; Prop. 5.4, 45; Liv. 5. 52, 7 bzw. 26. 27, 14 und Ovid, Trist. 3. 1, 29.

20 Zu dieser Orakeltradition, in der der Untergang Roms und die Rückkehr der Weltherrschaft in den Osten vorausgesagt wurde, s. Zos. 2, 36f. (die Passage fällt in die Herrschaft Konstantins d. Gr.); Chron. Pasch. 51721-23; Lact., div. inst. 7. 15, 11. Zur Prophezeiung, daß die Weltherrschaft wieder in den Osten zurückkeh-ren würde s. H. Fuchs, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, Berlin 1938, 31-35.

260 Konstantinopel

geerbt, das seinerseits diese Garantie von Troja übernommen hatte21. Durch die Übertragung des

Palladiums nach Konstantinopel wird Konstantin in Anlehnung an seine mythischen Vorgänger

als Gründerheros begriffen, der nicht nur für den Fortbestand seiner Gründung sorgte, sondern

zugleich das Unterpfand der Vorrangstellung der alten Hauptstadt auf seine neue Residenzstadt

übertrug.

Wann die Legende entstand, Konstantin habe in dem Sockel des Säulenmonuments auf sei-

nem Forum das Palladium verborgen, ist nicht sicher zu bestimmen. Die frühesten Nachrichten

stammen erst aus dem 6. Jh. F. Dölger vertritt eine Entstehung in theodosianischer Zeit, als

Konstantinopel der alten Hauptstadt Rom gleichgestellt werden sollte22 . A. Berger macht dar-

auf aufmerksam, daß das christliche Gegenstück zur Palladiumlegende, nämlich der Glaube an

in oder unter der Säule eingeschlossene Reliquien des hl. Kreuzes, bereits bei Sokrates, also un-

ter Theodosius II., belegt ist23. Vielleicht ist ein präzises Datum gar nicht zu nennen, sondern

von einem allmählichen Entstehungsprozeß auszugehen, der bereits in konstantinischer Zeit be-

gann. Möglicherweise säte Konstantin ganz bewußt Kristallisationskeime für spätere Legenden,

die dann in einer Zeit, als Konstantinopel die Vormachtstellung gegenüber Rom erlangte, ausge-

baut und verbreitet wurden24. Denn daß die Translationslegende eine historische Eigendynamik

entwickelte, die bis in unser Jahrhundert fortdauert, zeigt die Episode um die Grabungen am

Sockel der Konstantinssäule in den Jahren 1929/30. Ohne Erfolg wurde damals unter K. Vett

nach dem trojanischen Palladium und den anderen christlichen Reliquien gesucht25 .

Die eminente ideelle Bedeutung der Konstantinssäule läßt sich an der Rolle, die sie während

der Einweihungsfeierlichkeiten der Stadt innehatte, ablesen". In den Parastaseis wird die Ein-

weihungszeremonie auf dem Forum genau beschrieben27. Die auf der Porphyrsäule aufzustellende

Statue Konstantins wurde unter der Leitung des Stadtpräfekten und unter Begleitung höchster

Würdenträger auf einem Wagen vom Philadelphion (oder nach Johannes Diakrinomenos von der

Magnaura) zum Konstantinsforum überführt. Dabei wurden angeblich Gesänge angestimmt, in

denen die Statue als Tyche verehrt wurde. Am Forum wurde die Statue in Anwesenheit von Prozessionszug und Priestern auf die Porphyrsäule gehievt. Die Aufstellung soll von wiederhol-

21 Vgl. Dagron, Naissance 30 u. 39. Bis zuletzt wurde der Konstantinssäule eine Schutzwirkung zugesprochen. Noch Nikephoros Kallistos bezeichnet sie als `131juoeueo ö'tcracK' (Nik. Kall., PG 145, 1325). Vgl. auch J. Ebersolt, Les anciens sanctuaires de Constantinople, in: ibid., Constantinople, recueil d'etudes d'archeologie et d'histoire, Paris 1951, 71-4, hier 74.

22 F. Dölger, ZKG 56, 1937, 1- 42. 23 Sokr., PG 67, 120B. Berger 296f. L. Cracco Ruggini spricht sich für eine Translation das Palladiums unter

Konstantin aus: L. Cracco Ruggini, Costantino eil palladio in: Roma Costantinopoli Mosca, da Roma alla terza Roma, Studi 1, Atti del seminario int., Rom 21. - 23.4. 1981, Rom 1983, 241-51.

24 Man hat vermutet, daß Konstantin auch durch das Unterdrücken von Nachrichten über seine Kindheit bewußt den Nährboden für Legenden schuf: E. Gerland, Konstantin d. Gr. in Geschichte und Sage, Athen 1937, 12f.

25 Siehe hierzu die amüsante Schilderung von E. Mamboury, Le Forum de Constantin; la chapelle de St. Con-stantin et les mysteres de la Colonne Brulee, in: Actes 9. Congr. Int. Et. Byz., Athen 1953 (1955), I, 275-80. Vett entdeckte einen Raubgraben, der offenbar von einem bereits zuvor unternommenen Versuch das Palla-dium zu finden stammte. Der Reiz der Geschichte besteht darin, daß man sich einredete, das Palladium sei von den frustrierten Schatzgräbern verheizt worden, weil es aus Holz statt aus Gold war.

26 Zu dieser Frage s. D. Lathoud, EO 24, 1925, 195ff.; Dagron, Naissance 37ff.; E. Follieri, La fondazione di Costantinopoli: Riti pagani e cristiani, in: Roma Costantinopoli Mosca, Da Roma alla terza Roma, Studi 1, Atti del seminario internazionale, Rom 21.- 23.4.1981, Rom 1983, 217-231.

27 Par. 55f.

Chronologische Entwicklung 261

ten KügLe agrio-ov-Rufen begleitet worden sein. Man rief die Stadt bei ihrem neuen Namen Kwvo-Tcw-nvo'iynoXK. Schließlich erflehte man vom Herrn Wohlergehen für die Stadt: ek CareCemA cd,(1.)voc el)68wo-ov Tocürrjv KI5eLe. Doch mögen diese Details angesichts der auffallenden Häufung christlicher Elemente spätere Legende sein. Jedenfalls scheint diese Einweihungszeremonie am Konstantinsforum im alljährlichen, vom Patriarchen geleiteten Zug von der Hagia Sophia zur Konstantinssäule überlebt zu haben28.

Aber auch hohe kirchliche Feste und Jahrestage von Siegen wurden durch Zeremonien an der Säule mit der auf dem Sockel befindlichen Kapelle von Kaiser und Patriarch begangen, wie dem Zeremonienbuch Konstantins VII. Porphyrogennetos zu entnehmen ist. Die Mehrzahl an Prozessionen, die im Laufe eines Jahres abgehalten wurden, führte über das Forum, dessen Säule und Kapelle Ort liturgischer Handlungen waren. Noch in spätbyzantinischer Zeit begingen Kai-ser und Patriarch gemeinsam den Beginn des neuen Kalenderjahrs (1. September) mit einem Gottesdienst am Fuß der Säule29. Spontane Versammlungen auf dem Forum aus Anlaß von Na-turkatastrophen und Bränden zeigen, daß die Säule ihre Funktion als Tycheion in byzantinischer Zeit bewahrte, ja die Patriographen sprechen sogar davon, daß die Konstantinsstatue als Tyche verehrt wurde30 . Es ist denkbar, daß sie tagtäglich Gegenstand der Verehrung des kleinen Man-nes war: So sind die Stufen auf der Ostseite des Sockels deutlich mehr abgewetzt, als auf den anderen Seiten31. Wurden hier die im Sockel befindlichen Reliquien oder aber der auf der Säule gegenwärtige Stadtgründer vom Volk verehrt32?

b. Theodosianische Zeit

F. Dölger betonte in einer grundlegenden Arbeit zum Rom-Begriff bei den Byzantinern, daß Kon-stantinopel nicht als 'Neues Rom' gegründet, sondern zunächst als 'Zweites Rom' betrachtet wurde und erst im späteren 4. Jh. in den Quellenschriften die Ranggleichheit mit dem eigentli-chen Rom erlangte33. Diese Feststellungen decken sich durchaus mit der Tatsache, daß im 4. Jh. noch weitere Residenzstädte im Reich existierten: erwähnt seien neben Mailand und Ravenna im Westen vor allem Antiochia, das Julian und Valens über längere Zeit als Residenzstadt diente und noch im fortgeschrittenen 4. Jh. von dem gebürtigen Antiochener Libanios eifrig als Haupt-stadtkandidatin propagiert wurde34. Auch die Kaiser residierten zunächst nur temporär in Kon-stantinopel, wie eine zusammenfassende Analyse Dagrons zeigt35. Erst ab theodosianischer Zeit etabliert sich Konstantinopel als ständige Residenz des byzantinischen Kaisers36. Nun entstan-den mit dem Bau der theodosianischen Kaiserfora wieder monumentale Repräsentationsräume. Konstantius II., Julian, Valentinian I., Valens, Gratian und Valentinian II. sahen vom Bau eines

28 Typikon 28612-2906. 29 Ps.-Kodin., off. 242, 5ff. H. Belting, MüJb 23, 1972, 94. 30 Patria 11,49; Par. 56. 31 C. Vett, AA 1929, 340f. 32 Eine fast kultische Verehrung Konstantins legen die Textstellen bei Philostorgios, 2,17 p. 28 Bidez, und

Theodoret, Hist. Eccl. 1,32, nahe. J. Karayannopoulos, Historia 5, 1956, 350ff. 33 F. Dölger, Rom in der Gedankenwelt der Byzantiner, ZKG 56, 1937, 1-42. 34 C. Fenster, Laudes Constantinopolitanae (= MiscByzMon 9), München 1968, 42ff. 35 Dagron, Naissance 78-86. 36 Dagron, Naissance 84ff.

262 Konstantinopel

Forums in Konstantinopel ab. Bezeichnenderweise entstand unter Valens in Antiochia, seiner

Residenzstadt, durch den Umbau des dortigen Kaisareions das Valensforum37.

Die Bautätigkeit in theodosianischer Zeit war beachtlich: Neben den Platzanlagen auf dem

Tauros, dem Xerolophos und am Strategion entstand wohl auch das Sigma unter Theodosius II.

als Fortsetzung der bereits bestehenden Kaiserfora. Wie eine Perlenkette reihten sie sich entlang

der Mese auf; die Kaiser der theodosianischen Dynastie schufen sich jeweils eigene Kaiserfora im

Stadtbild, wobei man chronologisch von Osten nach Westen ging und damit auch die Ausweitung

des Stadtgebiets nach Westen nachzeichnete. Der Notitia Urbis Constantinopolitanae ist zu

entnehmen, daß sich in der Region 13, also jenseits des Goldenen Horns, in Sykai, eine weitere

Forumsanlage befand, die dem Westkaiser Honorius gewidmet war38.

Für die theodosianischen Fora sind spürbar weniger Bildwerke überliefert als für die kon-

stantinischen Platzanlagen. Mehrere Faktoren führten wohl zu dieser deutlichen Abnahme der

statuarischen Ausstattung gegen Ende des 4. Jh.: einmal die stetig sinkende Bedeutung, die

der Freiplastik als kaiserlichem Repräsentationsmedium eingeräumt wurde, dann aber auch das

Nachlassen des Kunstraubs, der für Konstantin eine unerschöpfliche Quelle für Bildwerke gewesen

war. Dennoch wird auch für die theodosianische Zeit das Bemühen erkennbar, die Stadt systema-

tisch mit Bildwerken zu überziehen. Goldenes Tor, Sigma, Arkadiusforum, Theodosiusforum und

Augusteion (mit dem Säulenmonument Theodosius' I.) sind die Stationen eines Wegs, an dem

neben dem konstantinischen Kaiserhaus nun auch die theodosianische Dynastie allgegenwärtig

war. Theodosius und seine Söhne belegten also nicht das bereits vorhandene Konstantinsforum

mit Statuen, sondern schufen neue, eigene Stadtzentren mit auf die eigene Dynastie abgestimm-

ten Statuenprogrammen. Neben dem Arkadiusforum, das Theodosius II. vollendete, und dem

Sigma, das dieser Kaiser im Bereich zwischen konstantinischer und theodosianischer Landmauer

anlegen ließ, gestaltete Theodosius II. offenbar auch das Strategion neu. Unter den Kaisern der

theodosianischen Dynastie perpetuierte sich nach einer Pause von einem halben Jahrhundert die

Idee des spätantiken Kaiserforums, um noch bis in die 2. Hälfte des 5. Jh. ihre Gültigkeit zu

bewahren.

Das Konstantinsforum hatte den Effekt einer 'Initialzündung'. Der Kaiser, der Konstan-

tinopel — zunächst nur als Residenzstadt — neugründete, setzte hinsichtlich der von ihm auf-

gegriffenen architektonischen Formen, aber auch was die Systematik des Ausstattungswesens

betraf, Maßstäbe für seine Nachfolger39. So griff man später auch auf typisch konstantinische

Herrschaftstopoi zurück, wie die Sol-Angleichung des Kaisers Theodosius I. in der Inschrift des

Reiterstandbilds auf dem Tauros zeigt. Doch zeigen sich auch funktional und 'verkehrstechnisch'

37 E. Sjöqvist, Kaisareion. A Study in Architectural Iconography, OpArch 1, 1954, 86-108, bes. 91ff.; G. Downey, A History of Antioch in Syria from Seleucus to the Arab Conquest, Princeton 1961, 403-407 u. 632-640 (Excurs 12); J. Lassus, ANRW II, 8 (1977), 73.

38 Not. 240 (Reg. XIII). Janin 56f. Über das Aussehen dieser Platzanlage ist nur wenig zu sagen, da die To-pographie des frühbyzantinischen Sykai im Dunkeln liegt. Archäologische Reste datieren aus mittel- und spätbyzantinischer Zeit: vgl. A. M. Schneider / M. I. Nomidis, Galata, Topographisch-archäologischer Plan, Istanbul 1944, 1-18. Doch besteht die Möglichkeit, daß die genuesische Piazza mit diesem Forum identisch ist. A. Berger wies mich darauf hin, daß ältere Ansichten diese Piazza mit einer Säule wiedergeben: Schneider / Nomidis, a. 0. 3f.

39 Dagron, Naissance 97f.: Les autres Forum imp6riaux qui jalonnent la grande voie triomphale de l'Hebdomon au Palais peuvent etre compris comme la r6p6tition du Forum de Constantin; ils ont la m6me signification.

Chronologische Entwicklung 263

Analogien: Wie bereits das Konstantinsforum waren auch die Fora des Theodosius und Arka-dius durch die Bipolarität von imperialem Triumphalmonument (Reliefsäulen) einerseits und Markt- und Handelsbereich bzw. administrativer Funktion andererseits gekennzeichnet. So wie das Konstantinsforum befanden auch sie sich am Hauptverkehrsweg Konstantinopels, waren al-so keine 'Sackgassenbezirke', sondern lebendige Zentren und Orte mit Durchgangsverkehr. Doch wurden auch Innovationen vorgenommen. Die Gestaltung der zentralen Säulenmonumente ori-entierte sich an den stadtrömischen Vorbildern der Traj ans- und Mark-Aurel-Säule. Sie bildeten optische Versinnbildlichungen der imitatio Romae und damit des Hauptstadtanspruchs, der in theodosianischer Zeit formuliert wurde4°.

Die Eigendynamik, die das Errichten von Kaiserfora als Zentren imperialer Repräsentation in theodosianischer Zeit erlangte, scheint für die Folgekaiser geradezu eine Verpflichtung darge-stellt zu haben, sich ebenfalls durch eine Forumsanlage im Stadtbild präsent zu halten. Auch Markian errichtete sich ein Säulenmonument, welches das Zentrum einer kaiserlichen Forums-anlage bildete; und schließlich nahm auch sein Nachfolger Leo I. die Tradition auf und ließ sich ein Säulenmonument auf einem eigens dafür angelegten Platz errichten. Noch Justin II. ließ am Eingang seines Palastes im Deuteron, also am Nordstrang der Mese, in der Nähe der Apostel-kirche, ein Säulenmonument errichten, über dessen architektonische Einbindung (Lage an der Mese? Platzanlage?) wir aber noch zu wenig wissen`". Eine weitere monumentale Ehrensäule dieses Kaisers sollte im Zeuxippus am Ufer des Meeres im Osten der Stadt (im Bereich der Zeu-xipposthermen?) entstehen, wurde aber unter seinem Nachfolger Tiberius wieder abgerissen42 .

Die stets vorhandene Vorbildrolle, die das Konstantinsforum und seine Säule unter den Platz-anlagen Konstantinopels einnahmen, läßt sich auch an der Leosäule nachvollziehen (Taf. 25.3 u. 4): Zu den Übereinstimmungen zählen der glatte Säulenschaft, der an den Schnittpunkten der einzelnen Säulentrommeln umlaufende Lorbeerkränze aufwies. Diese Lorbeerkränze zeigen an einer Seite Medaillons mit Christogrammen. Wenn auch das Material der beiden Denkmalsäulen ein gänzlich verschiedenes war, im Falle der Leosäule prokonnesischer Marmor, so ist wohl das Angleichen des Erscheinungsbilds der Leosäule an das der Konstantinssäule als Legitimationsver-such Leos zu werten, der ja seit fast einem Jahrhundert der erste Kaiser war, der nicht mehr der theodosianischen Dynastie entstammte bzw. in diese einheiratete wie sein Vorgänger Markian.

Die Kaiserfora und sonstigen Platzanlagen Konstantinopels sind im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung zu sehen, bedeuteten doch die Zeit Theodosius' II. und insbesondere der Bau der Landmauer hier einen fundamentalen Wendepunkt. Läßt sich die Zeit seit Konstantin d. Gr. nur als ungebundene Ausdehnung der Stadt bezeichnen, die allmählich auch gesetzliche Bestim-mungen gegen den uneingeschränkten Zuzug von Neubürgern notwendig machte, so bedeutete die Landmauer das Ende der Expansion der Stadt43. Dieser grundsätzliche Prozeß spiegelt sich auch in den Platzanlagen, die nach Theodosius II. in dieser monumentalen Form nicht mehr

40 W. Gauer, AuA 27, 1981, 185f. 41 S. vorerst Berger 519f. und C. Mango, Columns of Justinian (= Study X), in: ders., Studies an Constantinople,

Aldershot 1993, 8ff. 42 Joh. Eph. 111f.; Mango, Sources 125f.; Übs. bei J. M. Schröderer, Die Kirchengeschichte des Johannes von

Ephesos, München 1862, 118f. Stichel 112f. Nr. 135,2. 43 H. G. Beck, Großstadt-Probleme: Konstantinopel vom 4.-6. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Studien zur Frühge-

schichte Konstantinopels (= MiscByzMon 14), München 1973, 1-26.

264 Konstantinopel

gebaut wurden und mitunter wohl auch nur durch die Umgestaltung bereits bestehender An-

lagen entstanden (Strategion). Das Wachstum der Stadt stagnierte und forderte keine neuen

Bauprojekte mehr.

c. Justinianische Zeit

Die Zerstörungen des Nikaaufstands, die womöglich gar nicht so gravierend waren, wie bisher an-

genommen44, boten für Justinian gewiß eine willkommene Gelegenheit, im Zentrum der Altstadt

ein gewaltiges Bauprogramm zu verwirklichen und in begrenztem Maße eigene städtebauliche

Akzente zu setzen. Betroffen waren davon das Augusteion und die Basilika, beides Platzanlagen,

die jetzt weitgehend neu angelegt werden konnten und durch Rahmenbauten eine architekto-

nisch geschlossene Form erhielten. Justinian nützte die Neustrukturierung des Altstadtkerns für

eine Umgestaltung der statuarischen Ausstattung. Er räumte das Augusteion leer und verteilte

die 427 Statuen, die von Konstantin bei der Hagia Sophia aufgestellt worden waren, auf das

ganze Stadtgebiet45. Auf diese Weise schuf er Freiraum für ein neuartiges Ausstattungskonzept,

das ganz auf seine Person ausgerichtet war. Durch das Aufrichten eines Reiterstandbilds Ju-

stinians auf der Säule im Augusteion gewann diese Platzanlage deutlich d'en Charakter eines

Forum Iustiniani46. Der Aufbau der Justinianssäule bildete in seiner Kombination von umlau-

fenden Lorbeerkränzen, die eine vertikale Abfolge horizontaler Bänder erzeugten, und szenischen

Darstellungen, die sich in diesen umlaufenden Bildfeldern befanden, eine Synthese zwischen der

Konstantinssäule und den theodosianischen Reliefsäulen47. Justinian ließ damit im Stadtzentrum

ein Säulenmonument errichten, das sich bewußt an den Säulenmonumenten derjenigen Kaiser

orientierte, die den Stadtausbau betrieben hatten: auf der einen Seite Konstantin, der — aus

justinianischer Sicht — die Stadt zur Hauptstadt erkor und sie durch einen ersten Mauerring

erweiterte, auf der anderen Seite die theodosianische Dynastie, unter der Konstantinopel durch

die theodosianische Landmauer einen weiteren Ausbau erfuhr. Doch konnte Justinian keine urbanistischen Akzente mehr setzen. Seine Bauprojekte blieben

trotz der Großartigkeit, die jedes für sich besaß, nur punktuelle Veränderungen in einer bestehen-

den Stadtstruktur. Die Stadt war in ihren Grundzügen 'fertig', es standen in der Innenstadt keine

großen Bau- und Besiedlungsareale mehr zur Verfügung48. Dieses Bild ergänzen auch die Anga-

ben Prokops, der eine Vielzahl kleinerer Bauten und Umbauten Justinians nennt, so auch die

zahlreichen kleineren Platzanlagen, mit denen Justinian Konstantinopel überzog. Meist handelte

es sich dabei wohl um Hofanlagen, die an größere Baukomplexe anschlossen, Atrien etc. Auch hinsichtlich der herrscherlichen Repräsentation konnte Justinian nur noch bestehende Konzepte aufgreifen, wenn auch teilweise intensivieren: Das Reiterstandbild des Kaisers auf der Säule im

44 Zweifel an schwerwiegenden Zerstörungen infolge des Nikaaufstands hegt Berger 247 u. 250.

45 Patria II, 17 u. 96. Dagron, C'ple 137; Berger 238.

46 Auch wird die Reiterstatue — wie die Triumphalsäulen der theodosianischen Epoche — als Siegesmonument interpretiert, wie die Ausführungen Prokops, aed. 1, 2, 1-12, zeigen.

47 Vgl. hierzu S. 325.

48 Die Bebauungssituation diskutiert Dagron, Naissance 528ff. Bereits unter Justinian wurden weitere Maßnah-men gegen Bevölkerungszuzug getroffen: Beck, Großstadt-Probleme (a. 0.) 13ff.

Vergleich zwischen Augusteion und den Kaiserfora 265

Augusteion war wahrscheinlich bereits die dritte Statue eines Kaisers an dieser Stelle, unterschied sich aber hinsichtlich der Darstellungsform (Reiterstandbild) von den vorhergehenden49.

3. Vergleich zwischen Augusteion, Konstantinsforum und den theodosianischen Fora

Im Gegensatz zu den Kaiserfora war das Augusteion einem permanenten Wandel unterworfen, der die gewandelten Anforderungen an diese Platzanlage von Konstantin bis in spätbyzanti-nische Zeit illustriert. Die Baugeschichte deutet darauf hin, daß sich dieser Platz von einem durch Gebäude begrenzten Areal zu einer mehr und mehr architektonisch — durch Säulenhallen — definierten Platzanlage entwickelte und schließlich den Charakter eines Vorplatzes der Hagia Sophia und des Patriarchenpalasts gewann. War also das Augusteion in der frühbyzantinischen Zeit noch ein frei zugängliches, öffentliches Forum, so wurde es ab justinianischer Zeit zu einer innenhofähnlichen Anlage, die zeremoniellen Auftritten des Kaisers und Patriarchen diente5°. Wurde in vorjustinianischer Zeit das Augusteion noch von öffentlichen Bauten und staatlichen Institutionen vereinnahmt, so waren es nun Kaiser und Kirche, die dort einen bestimmenden Einfluß ausübten. Der Patriarchenpalast nahm zunächst die Nordostseite des Augusteions ein, während der Kaiserpalast sich allmählich auf die Bereiche südwestlich und südöstlich der Platz-anlage ausbreitete. In dieser Phase wurde das Augusteion auch der Öffentlichkeit entzogen: es schottete sich durch Mauern bzw. Portiken von den vorbeiführenden Straßen ab und konnte nur noch über Tore betreten werden. Mit dem fast hermetischen Abschluß des Augusteions scheint sich das öffentliche Leben endgültig in den Bereich um die Porphyrsäule verlagert zu haben, das Augusteion hingegen zu einem weihevollen Bereich kaiserlicher und auch kirchlicher Repräsen-tation geworden zu sein.

Wesentliches Charakteristikum des Augusteions ist dasVerhältnis zwischen Säulenmonument und Platzanlage. Der Standort der Säule richtete sich weniger auf den Platz aus, als vielmehr auf die Mese. Statt eine zentrale Position innerhalb des Platzgefüges einzunehmen, wurde die Säule in den nördlichen Bereich des Augusteions gerückt, um den optischen Zielpunkt des Zugangswegs zu bilden. Diese Unausgewogenheit in der Platzgestaltung ist sicherlich dadurch zu erklären, daß das Augusteion keine Anlage ex novo war. Der Platz war durch die Rahmenbebauung zumindest teilweise vorgegeben; das erst nachträglich errichtete Säulenmonument konnte nicht mehr die Lage in der Flucht der Mese mit einer zentralen Position innerhalb der Platzanlage verbinden.

Anders das Konstantinsforum, das als Neuanlage keine Vorgängerbebauung berücksichtigen mußte und somit von vornherein ein einheitlicher und spätantikem ästhetischen Bedürfnis ent-sprechender Denkmalplatz sein konnte. Es bedarf keiner Erklärung, daß gerade die Rundform des Platzes besonders geeignet ist zur Betonung eines zentralen Monuments. Wie eine Schale legt sich die rahmende Architektur um den Kern der Platzanlage, das Säulenmonument. Ähn-liche Konzepte begegnen auch in der Moderne, wenn es um die architektonische Fassung und Überhöhung eines zentralen Monuments geht5

49 Mögliches Vorbild war das Reiterstandbild Theodosius' II. auf einer Säule im Hebdomon: AE 1947, 185. R. Demangel, Contribution a la topographie de l'Hebdomon, Paris 1945, 35ff.

59 Mango, Brazen House 46; Guilland, Etudes II, 44-51; Berger 236. 51 Vgl. neben Berninis Petersplatz die an den Ecken abgeschrägte und damit an die Kreisform angenäherte

266 Konstantinopel

Zu keiner Zeit wurde diese Platzanlage trotz zahlreicher Brandzerstörungen schwerwiegenden

Umbauten unterzogen". Das Beharren auf dem konstantinischen Bau- und Ausstattungszustand

ist wohl mit der ideellen Position zu erklären, die das Konstantinsforum und sein Säulenmonu-

ment im Denken der Byzantiner einnahmen. Die Verehrung, die dem Neugründer Konstantino-

pels entgegengebracht wurde, verhinderte es offenbar, daß das 'Thema' der Ausstattung durch

die Statuen späterer Kaiserhäuser überlagert wurde. Als zentrales Wahrzeichen, eng mit dem

Stadtgründer verbunden, war es unantastbar und Garant für das künftige Fortbestehen der

Stadt. Ein Verändern insbesondere des zentralen Säulenmonuments hätte bedeutet, die Stadt

ihres Wohlergehens und Schutzes zu berauben. Nur das Kreuzzeichen, dem seit dem 7. Jh. eine

vergleichbare Funktion als Palladium für Konstantinopel zukam, konnte seit dem 12. Jh. an die

Stelle der zerstörten Konstantinsstatue treten.

Es fällt auf, daß kein Kaiser nach Konstantin sein Standbild im Bereich des Konstantinsforum

aufstellen ließ. Auch hier muß als Grund die quasisakrale Konzeption des Konstantinsforums

angeführt werden. Wie das Augustusforum in Rom bot es späteren Zeiten keinen ideellen Rahmen

für die Ergänzung des Ausstattungsprogramms.

Im Vergleich zum Konstantinsforum fällt beim Theodosiusforum das Entfernen von Kaiser-

statuen bzw. deren Ersetzen durch solche des regierenden Kaisers auf. Die Quellen, Malalas und

Theophanes, berichten, daß Anastasius eine neue Statue auf der Säule aufstellen ließ, da die

des Theodosius herabfiel und zugrundeging. Erst Justinian entzog dem Theodosiusforum eines

seiner beiden Reiterstandbilder (wohlgemerkt: er ließ das des Theo dosius I. unangetastet), um

es unter eigenem Namen auf die Augusteionsäule zu verpflanzen. Ließe sich das Wiederaufstellen

einer Kaiserstatue unter Anastasius noch als Konservierungsmaßnahme interpretieren, so wagte

erst Justinian eine Veränderung des Erscheinungsbilds des Tauros, indem er ein bedeutendes

Ausstattungselement fortnahm".

Vordergründig scheint dies im Falle des Augusteions anders gewesen zu sein. Hier werden zwar

mehrere Ausstattungsphasen überliefert, die von der konstantinischen über die theodosianische

bis in die Zeit nach dem Nikabrand reichen, doch blieb auch hier das 'Ausstattungskonzept'

gewahrt: das Augusteion blieb der kaiserlichen Repräsentation vorbehalten.

4. Kirche und Forum

Abgesehen vom südwestlich der Hagia Sophia gelegenen Augusteion beherbergte keiner der un-

tersuchten Plätze in frühbyzantinischer Zeit eine Kirche. Kleinere Platzanlagen entstanden ab

Place Vendöme in Paris mit der im Zentrum befindlichen Säule der großen Armee: A. Murat, La colonne

Vendöme, Paris 1970; J. Träger, Über die Säule der großen Armee auf der Place Vendöme in Paris, in: FS

W. Braunfels, Tübingen 1977, 405-418. 1939/40 entwarf A. Speer den Plan für ein Denkmal Mussolinis auf dem damaligen A. Hitler-Platz in Berlin, das in seiner Konzeption dem •Konstantinsforum nicht unähnlich

zu sein scheint (B. Nicolai, Das Denkmal und sein Standort, in: Denkmal, Zeichen, Monument. Skulptur und

öffentlicher Raum heute, E. Mai / G. Schmirber (Hgg.), München 1989, 105 Abb. 4.): Zwei halbkreisförmige

Arkaden sollten das zentrale Monument, einen zweigeschossigen Säulenunterbau mit der zuoberst befindlichen

Personifikation der Bereitschaft von A. Breker, einfassen. Im Osten und Westen sollten breite Tordurchgänge

die kreisförmige Arkade unterbrechen, so daß eine Ost-West-Achse entstanden wäre.

52 S. o. S. 182f. Das gilt auch für die osmanische Zeit: R. H. W. Stichel, IstMitt 44, 1994, 317f. mit Anm. 3.

53 S. o. 5.162 u. 201.

Die Rolle des Stadtpräfekten 267

dem 6. Jh. zwar im unmittelbaren Anschluß an Sakralbauten, wie die Untersuchungen zur Poly-euktoskirche und die Beschreibungen Prokops zeigen54, die Kaiserfora entlang der Mese erhielten jedoch erst in mittelbyzantinischer Zeit Kapellen und Kirchen: Abgesehen von der Konstantins-kapelle sprechen die Quellen von einem Kirchenbau auf dem Forum erst im 9. Jh. Bezeichnen-derweise wurde die Marienkirche auf dem Forum aus Sorge um die Seelen der hier versammelten Menschen errichtet sowie aus ganz praktischen Zwecken, als Schutz vor Regen und Schnee. Eine Kapelle des Kallinikos auf dem Arkadiusforum erwähnt das Zeremonienbuch55.

Es ist dies ein eigenartiger Befund, der einer Erklärung bedarf. Offenbar waren die imperialen Kaiserfora Konstantinopels ideelle Räume, die keinen Platz boten für die Präsenz der Kirche, die immer auch einen Gegenpol zum Kaiser bildete. Die Kaiserfora sollten abgeschlossene Repräsen-tationsräume bleiben, die allein auf die Person des Kaisers ausgerichtet waren. Kirchenbauten hätten hier nur ein Gegengewicht bedeutet und die Ausstattung in ihrer Wirkung geschwächt. Bezeichnenderweise begegnen Sakralbauten auf den Kaiserfora erst, als die Kraft statuarischer Repräsentation nachließ und damit auch die Wirkungsweise der Konstantinopler Kaiserfora ver-lorenging — wenn diese nicht ohnehin schon durch Erdbeben und anderweitige Zerstörungen beeinträchtigt worden war. Nun wurden die Kaiserfora frei für kleinere Kapellen, die in die bereits bestehenden Strukturen eingebaut wurden.

5. Die Rolle des Stadtpräfekten

Fragen wir auch im Falle von Konstantinopel nach der Bedeutung des Eparchen für die Ge-staltung des Stadtbilds. Die zurückliegenden Seiten suggerieren, daß der Stadtpräfekt kaum in Erscheinung trat und sich hinter der allgegenwärtigen Person des Kaisers verbarg. Doch wäre es verfehlt zu sagen, daß der Eparch in Konstantinopel kein Gewicht als Bauherr besaß. Einige we-nige Beispiele mögen illustrieren, daß selbst am Bau der Kaiserfora der Stadtpräfekt maßgeblich beteiligt sein konnte: Wenn es stimmt, daß die Anthologia Palatina eine Bauinschrift des West-bogens des Konstantinsforums bewahrt hat, dann ließ ein PUC aus dem ersten Viertel des 6. Jh., Menas, das offenbar beschädigte Tor wiederherstellen56. Das Nymphäum auf dem Tauros wurde von einem Stadtpräfekten namens Klearchos angelegt57, die Markianssäule ist nach Ausweis der Inschrift ein Werk des Präfekten Tatianos58.

Die Liste kann noch um weitere Bauprojekte ergänzt werden, so etwa um den Theodosius-obelisken im Hippodrom, mit dessen Aufstellung der Stadtpräfekt Proklos beauftragt war, die Eudoxiasäule auf dem Augusteion, deren Errichtung der Stadtpräfekt Simplikios besorgte, die Aetioszisterne, die der gleichnamige Eparch d. J. 421 anlegen ließ etc.59.

54 S. o. S. 245f. Platz vor der Polyeuktoskirche: R. M. Harrison, Excavations at Saraelane in Istanbul, I, Prince-ton 1986: P. Speck. Julia Anicia. Konstantin der Große und die Polyeuktoskirche in Konstantinopel, in: Varia III (= Ilot.KC,Xez Do(ccvnv6L 11), Bonn 1991, 133-147.

55 Cer. 563. 56 Anth. Pal. 9, 785. PLRE II, 755 (Menas 5). 57 Kedr. I, 543. 58 CIL II/1, 738 = ILS 824. 59 Theodosiusobelisk: CIG IV, 8612; ILS 821 = CLE 286; Eudoxiasäule: CIL III, 736; CIG IV, 8614; Aetioszi-

sterne: Berger 610f.

268 Konstantinopel

Doch beteilgten sich auch andere hohe Beamte am Ausbau der Stadt. Das Säulenmonument

Theodosius' II. am Sigma errichtete der Spathar und Vertraute des Kaisers Chrysaphios, während

die Finanzierung des Forums Leons I. durch den Prätorianerpräfekten Konstantinos erfolgte°.

Wenn auch mehrere Nutzbauten auf Betreiben des Eparchen errichtet wurden, so konzentrier-

te sich die Bautätigkeit des Konstantinopler Stadtpräfekten doch auf Monumente zur Verherr-

lichung des Kaiserhauses. Auffallend ist auch die geringe Statuenrepräsentation des Eparchen

und der Aristokratie innerhalb des Stadtbilds der neuen Hauptstadt61. In Konstantinopel fehlen

Bereiche öffentlicher Selbstdarstellung durch hohe Beamte; die wenigen Hinweise auf Beamtensta-

tuen ergeben das Bild einer weitgehend von der Person des Kaisers bestimmten Stadtlandschaft.

60 Joh. Lyd., mag. 75f.

61 Eine Zusammenfassung der statuarischen Ausstattung Konstantinopels existiert nur in Ansätzen. Einen Überblick über nicht-kaiserliche Statuen vermitteln A. Banduri, Imperium Orientale sive antiquitates Con-stantinopolitanae, Paris 1711, Index s. v. statuae; C. G. Heyne, Serioris artis opera quae sub imperatoribus byzantinis facta memorantur, AbhGöttingen 11, 1790/91, 39-62; ders., Priscae artis opera quae Constan-tinopoli extitisse memorantur, AbhGöttingen 11, 1791/92, 3-38; Richter. Index s. v. Bildsäulen: C. Mango. Epigrammes honorifiques, statues et portraits a Byzance, in: Atplipmie4 UTÖIJ Ni,Ko Eßcqlvo, Rethymno 1986, I, 23-35 (wiederabgedruckt in: C. Mango, Studies on Constantinople, Aldershot 1993); Dagron, C'ple bes. 127-159; Cameron / Herrin 48-51; Berger passim. Der archäologische Befund findet sich bei Kollwitz, Oström Plastik 84f.; Firath Nr. 14-16.

C. EPHESOS

Neben der alten und neuen Hauptstadt soll ein dritter 'Typus' von Stadt untersucht werden: die Provinzmetropole. Als aussagekräftiges Beispiel bietet sich Ephesos an, das in der Spätantike eine bemerkenswerte städtebauliche Aktivität besitzt und einen reichen archäologischen und epigraphischen Befund aufweist.

Die Erforschung der Stadt Ephesos setzte 1863 mit der Suche nach dem Artemistempel ein, den J. T. Wood 1869 auch lokalisieren konnte. Systematische Ausgrabungen im Stadtgebiet starteten unter österreichischer Leitung im Jahre 1898 und zogen sich mit den kriegsbeding-ten Unterbrechungen der Jahre 1914-1925 und 1936-1953 bis zum heutigen Tag hin'. Was die Ausgräber zunächst vorfanden, war die spätantike Stadt: etwa die Arkadiane mit dem spätanti-ken Viersäulenmonument, der Vorplatz der aufgelassenen Celsusbibliothek mit dem spätantiken Nymphäum, oder, seit der Wiederaufnahme der Grabungen im Jahre 1954, der Embolos mit seiner Fülle an spät antiken Statuenbasen — um nur die wichtigsten öffentlichen Räume der Stadt am Kaystros zu nennen.

Zahlreiche der ergrabenen Einzelkomplexe sind in der Reihe Forschungen in Ephesos publi-ziert, ergänzt wird diese durch die regelmäßig erscheinenden Jahresberichte in den Jahresheften des Österreichischen Archäologischen Instituts bzw. im Anzeiger der Wiener Akademie der Wis-senschaften. Die Inschriften von Ephesos wurden in einem mehrbändigen Repertorium vorgelegt. Zudem liegt eine von C. Foss verfaßte Studie über das spät- und nachantike Ephesos vor, die den Einstieg in die frühmittelalterliche Stadtgeschichte erleichterte. Gerade jüngere Arbeiten zu Ephesos beschäftigen sich nicht selten mit der spätantiken Epoche, die das Erscheinungsbild der Stadt maßgeblich geprägt hat, nicht nur dort, wo Kirchenbauten entstanden, etwa die Konzils-kirche oder die Johanneskirche, sondern auch entlang der Straßen und Plätze der Stadt Ephesos, wie der nun folgende Überblick zeigen soll.

1 Geschichte der Grabungen bei W. Alzinger, Die Stadt des siebten Weltwunders. Die Wiederentdeckung von Ephesos, Wien 1963.

2 C. Foss, Ephesus after Antiquity. A Late Antique, Byzantine and Turkish City, Cambridge / Mass. 1979.

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1. Vediusgymnasium; 2. Stadion; 3. Marienkirche; 4. Palast des Statthalters; 5. Konstantiusthermen; 6. Palästra; 7. Theatergymnasium; 8. Synagoge (?); 9. Hafentor; 10. Arkadiane; 11. Theater; 12. Villa oberhalb des Theaters; 13. Untere Agora; 14. Serapistempel; 15. Celsusbibliothek; 16. Monumente am Embolos; 17. Privathäuser; 18. Schlastikiathermen; 19. Hadrianstempel; 20. Hanghäuser; 21. Embolos (Kuretenstraße); 22. Heraklestor; 23. Do-mitianstempel; 24. Prytaneion; 25. Häuser; 26. Bouleuterion; 27. Variusbad; 28. Basilika; 29. Obere Agora; 30. Nymphäum; 31. 'Lukasgrab'.

60

Abb. 80. Ephesos, Plan der spätantiken Stadt.

I. Straßen und Platzanlagen des spätantiken Ephesos

Die Betrachtung der Straßen und öffentlichen Plätze von Ephesos und ihrer statuarischen Aus-stattung soll hier in Nachvollzug eines Wegs entlang der Hauptstraßen erfolgen, um die Ein-drücke zu rekonstruieren, die ein Bewohner oder Besucher des spät antiken Ephesos auf seinem Weg durch die Stadt empfing (Abb. 80). Dieser imaginäre Weg soll am Hafen beginnen, entlang der Arkadiane bis zum Theatervorplatz verlaufen, dann nach rechts (bzw. Süden) in die Marmor-straße abbiegen, dieser bis zum Knick an der Celsusbibliothek folgen und weiter den Embolos entlang verlaufen, über den man den Oberen Markt erreicht. An diesem Weg finden sich die wichtigsten öffentlichen Bauten und Plätze, die auch in der Spätantike umgestaltet wurden.

1. Die Arkadiane

Durch einen Torbau betrat man vom Hafen aus die Arkadiane (Taf. 29.1). Bei ihr handelte es sich um eine insgesamt ca. 600 m lange marmorgepflasterte Straße, die den Hafen mit dem Theater verband'. Die heute noch sichtbare Anlage datiert aus spätantiker Zeit und stellt, wie der auf einer spätantiken Inschrift genannte Name dieser Straße vermuten läßt, eine Stiftung des Kaisers Arkadius dar2 , doch wird man von einer Vorgängerstraße ausgehen müssen, die aus mindestens hellenistischer Zeit stammt. Das späte Erbauungsdatum deutet auf einen Zusammenhang mit den Erdbebenkatastrophen des 4. Jh. hin, deren letzte sich im Jahre 368 ereignete3. Überdachte Kolonnaden zu beiden Seiten der Straßen ermöglichten den Zugang zu den dahinter gelegenen Reihen von Läden. Der Boden unter den Portiken war mit geometrischen Mustern ausmosaiziert. Endpunkte bildeten jeweils Torbögen, am Hafen eine ältere Anlage aus der frühen Kaiserzeit, am Theaterplatz ein Doppelbogen. Der Bogen, der sich westlich des Theatergymnasiums über die Arkadiane spannt, wurde aus Spolien errichtet. Spolienmaterial verwendete man auch beim Verlegen des Pflasters der Straße — vereinzelt finden sich wiederverwendete Inschriftensteine4.

a. Das Viersäulendenkmal

Schon beim Betreten vom Hafen her geriet der Besucher des frühbyzantinischen Ephesos in den Bann eines Monuments, das sich etwa in der Mitte der mehr als einen halben Kilometer langen

1 W. Wilberg, Der Viersäulenbau auf der Arkadianestraße, in: FiE I, Wien 1906, 132-140; M. Restle, RBK II, 1971, 201 s. v. Ephesos; Foss, Ephesus 56f.

2 FiE I, 55f. (Skizze); IvE II, 557: (Kreuz) gxt, AeKe,s4vi-i EwS T0i5 I Eucinou ed, ß' crTooti, KotvibliXoc v' (Kreuz).

3 Zur Frage der spät antiken Erdbeben in Ephesos s. A. Schulten, ÖJh 9, 1906, 52 Anm. 50; Foss, Ephesus 188-191.

4 So z. B. IvE III, 683a.

• • ui-. 3.44 ---4- 3..21

191 10.

272 Ephesos

Säulenstraße erhob. Es handelte sich um ein Viersäulenmonument, dessen erhaltene Reste eine

ungefähre Rekonstruktion des einstigen Erscheinungsbilds zulassen (Taf. 29.2 u. 3)5.

Abb. 81. Arkadiane, Grundriß des Viersäulendenkmals.

Zwei Faktoren waren wohl für den Standort dieses Monuments maßgeblich. Zum einen sollte

es durch seine zentrale Position die Prachtstraße beherrschen, zum anderen wurde die Lage

durch eine Straßengabelung mitbestimmt; an der Stelle der vier Säulen mündet von Norden

die westliche Säulenhalle der Palästra in die Arkadiane (Abb. 81)6 . Die Säulen dieses Tetrastylons erhoben sich jeweils auf einem Stufenunterbau und einem runden Postament, in das vier Nischen

eingetieft waren. Bereits die Rundbasen dieser Säulen waren etwa 3 m hoch. Diese Basen besaßen

jeweils acht Nischen, die von korinthischen Säulchen eingefaßt waren. Die Bogenzwickel füllen florales Ornament und Kreuze. Auf diesen Postamenten erhoben sich die Säulen. Darauf saßen

korinthische Kapitelle, die ihrerseits wiederum Statuen trugen. Insgesamt erreichten die Säulen eine Höhe von etwa 10 m7. Ein zusammenhängender Aufbau über allen vier Säulen scheidet aus, da der seitliche Schub die Säulen zum Einsturz gebracht hätte. Es muß sich also um vier

eigenständige Säulenmonumente gehandelt haben, die im Quadrat zueinander standen. Die Postamente trugen an ihrer oberen Abschlußplatte umlaufende Inschriften8. Doch sind

diese Inschriften derart fragmentiert und unvollständig, daß R. Heberdey mit Sicherheit nur zwei Hexameter erkennen konnte, in denen ein gewisser Phrontinos — wohl als Stifter dieses

5 W. Wilberg, Der Viersäulenbau auf der Arkadianestraße, in: FiE I, Wien 1906, 132ff.; V. Schultze, Altchrist-liche Städte und Landschaften 11,2, Gütersloh 1926, 91f.; F. W. Deichmann, Zur spätantiken Bauplastik von Ephesus, in: Mansel'e Armagan / M6langes Mansel (FS A. M. Mansel), Ankara 1974, I, 549-570, bes. 568f. (wiederabgedruckt in: F. W. Deichmann, Rom, Ravenna, Konstantinopel, Naher Osten. Gesammelte Studien zur spät antiken Architektur, Kunst und Geschichte, Wiesbaden 1982, 664-689, bes. 683f.); Foss, Ephesus 57f.

6 W. Wilberg, FiE I, 134. 7 Vgl. hierzu die Angaben zu den einzelnen Baugliedern bei FiE I, 134ff. 8 R. Heberdey, FiE I, 141f.; H. Grgoire, Recueil des inscriptions grecques chraiennes d'Asie Mineure, Paris

1922, 101bis; IvE IV, 1306.

Die Arkadiane 273

Monuments — gefeiert wurde9. Der Inschrift zufolge errichtete er Bauten, größer als die aller früheren Zeiten'°:

(1) (Kreuz) epovrtvog [... ca. 40 Buchstaben ...] °Uitee cn'yx 6 Iticieovas [x]e6vo flyucrev (2) jum evoL[ailt]ourfie 'E[y]go-cno 7reet;Lp[euiv], dazu das Fragment: }i oS EK-ro[. (3) (Kreuz) 'AlviaTov TFIL lpeOVVIL, dazu drei Fragmente: jo..ecol I J.vo- (4) (peovTq8o a]ot eoti5µ,e4 To[i3T1 vü-ruAlo]vog.

Ein Frontin ist in der spätantiken Prosopographie nicht bekannt, doch dürfte es sich bei ihm um einen Prokonsul gehandelt haben'l.

F. W. Deichmann schließt sich mit seiner Datierung dieses Denkmals in das 2. Viertel des 6. Jh. W. Wilberg an, der als Vergleich die Kapitelle der Zentralraumempore von S. Vitale und Kapitelle aus Parenzo, ravennatische Säulensarkophage sowie den Ambon aus H. Georgios in Thessaloniki heranzieht'2 . Heberdey bekräftigt unter Verweis auf den Schrifttyp die Datierung in justinianische Zeit13 .

Wer oder was befand sich auf den Säulen dieses Monuments? Die Oberfläche der Kapitelle, die Aufschlüsse hierüber erlaubt hätte, ist nicht erhalten. Doch wird man wohl als Bekrönung dieser vier Säulen Statuen annehmen müssen. Wilberg dachte aufgrund der Vierzahl der Säulen an Standbilder der Evangelisten, äußerte diese Vermutung aber mit aller Zurückhaltung. Diese fragwürdige Deutung wurde mehrfach wiederholt, so auch von Miltner, Alzinger und Foss14 , doch können für eine solche Annahme keinerlei Vergleichsbeispiele erbracht werden. Statt dessen ist davon auszugehen, daß nur Kaiserstatuen bzw. Statuen von Angehörigen des Kaisers hier ge-standen haben könnenm. Aus der Spätantike ist kein Beispiel eines Säulenmonuments bekannt, auf dem nicht der Kaiser stand. Deichmann berührt diese Frage nicht, bemerkt jedoch, daß der Ornamentstil darauf hindeute, daß es sich um Werkstücke handle, die aus Konstantinopel im-portiert, oder vor Ort von Konstantinopler Handwerkern ausgeführt wurdetim — ein Hinweis, der ebenfalls ein imperiales Monument wahrscheinlich macht, bei dem die Initiative von der Haupt-

9 R. Heberdey, FiE I, 141; Gregoire, Recueil 101bis; IvE IV, 1306. 1° IvE IV, 5.166. 11 Foss, Ephesus 58 und Anm. 21. Foss erinnert an die Ähnlichkeit des Sprachstils der Inschrift mit denen

anderer Stiftungen von Statthaltern (L. Robert, Hellenica 4, Paris 1948, passim). 12 W. Wilberg, FiE I, 139f. (Abb. 70 u. 71). S. Vitale / Ravenna: F.W. Deichmann, Frühchristliche Bauten

und Mosaiken von Ravenna, Baden-Baden 1958, Taf. 304,1. Parenzo: B. Molajoli, La Basilica Eufrasiana di Parenzo, Parenzo 1940, Abb. 41, 42 u. 49.

13 R. Heberdey, FiE I, 142. 14 F. Miltner, Ephesos, Wien 1958, 106f.; W. Alzinger, RE Suppl. XII, 1970, 1597; Foss, Ephesus 57f. 15 Bereits V. Schultze, Altchristliche Städte und Landschaften (a. 0.) 92, hatte relativierend geäußert: Die

Statuen werden teils kaiserliche, teils biblische und Heiligen-Bilder gewesen sein. Zweifel an der Deutung als Evangelistenstatuen äußern M. Restle, RBK II, 1971, 201 s. v. Ephesos, und W. Eiliger, Ephesos. Geschichte einer antiken Weltstadt, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1985, 180.

16 Deichmann, Zur spätantiken Bauplastik von Ephesos (a. 0.) 568f. Deichmann erinnert an ein weiteres, etwa zeitgleiches Kapitell, das sich in Ravenna (Nationalmuseum) befindet (R. Olivieri Farioli, „Corpus" della scultura paleocristiana, bizantina ed altomedievale di Ravenna, II, Rom 1969, Nr. 38 Abb. 37) und s. E. ebenfalls von einem Säulenmonument stammen könnte. Handelt es sich bei diesem Stück ebenfalls um das Relikt eines Kaisermonuments, dessen Initiative von Konstantinopel aus ging?

274 Ephesos

stadt ausging. Entsprechend wird man wohl von Statuen des regierenden Kaisers und seiner

Familie ausgehen.

b. Inschriftlicher Befund

Entlang dieser Straße geben einige wenige Inschriften Informationen über Stiftungen und hier

aufgestellte Bildwerke. In einer Inschrift, die den Namen der Straße nennt, taucht der Begriff

El3oneos (= 'Wildschwein') auf. Vielleicht umschreibt er eine Darstellung des Eber—tötenden

Androklos oder aber des Ebers selbst'''. Eine Plastik oder ein Bild erinnerte wohl an die my-

thische Gründung der Stadt. Außerdem existieren Zeugnisse von Wiederherstellungen älterer

Standbilder bzw. Kunstwerke. Vor dem Eingang zum Atrium der Konstantiusthermen fand sich

eine Inschriftenbasis, in der von einem gewissen leotpxx-rel'A (sic) namens Marcus Ulpius Aristion

die Rede ist, der ein Standbild fand und dessen Wiederaufstellung überwachtem. Schwer inter-

pretierbar sind zwei Statuenbasen, die vollständig erhalten sind und die Inschriften Mciewv bzw.

Mfi\og tragen19 . Mit Maron könnte Vergil gemeint sein, mit Melos vielleicht die Inse120. Ange-

sichts des spärlichen Befunds lassen sich keine präzisen Aussagen zur statuarischen Ausstattung

der Arkadiane machen21. Hinweise auf Kaiserstatuen fehlen vollständig — sieht man von dem

Viersäulenmonument ab. Ebenso sind auch Bildnisse lokaler Würdenträger epigraphisch nicht

faßbar.

Auf zwei Säulen der Arkadiane finden sich Platzinschriften der Silberschmiede22. Auch auf

weiteren Säulen dieser Kolonnadenstraßen sind solche Platzinschriften zu lesen23, ebenso im

Atrium der Konstantiusthermen, wo die pueecrou (?) genannt werden24.

17 FiE I, 55f. (Skizze); Gr6goire, Recueil (a. 0.) Nr. 98; IvE II, 557.

18 IvE II, 519.

19 IvE III, 741.

20 Vgl. die Städte-Statuen IvE VI, 2053-6.

21 Aus der hohen Kaiserzeit ist der Befund besser. Es finden sich mehrere Inschriftenbasen von Kaiserstatuen, so

z. B. IvE II, 284d (Antoninus Pius und seine Enkelin Faustina), IvE II, 297a ([Septimius Severus, Caracalla

und] Julia Domna), IvE II, 319 (Kaiserinschrift, von der westlichen Hälfte der Arkadiane), IvE II, 337

(Fragment einer Kaiserinschrift), daneben aber auch Inschriftenbasen lokaler Honoratioren, IvE III, 627b

(Aurelius Orpheus, Mitglied der Gerusie und Agonothet), IvE III, 713a (Q. Roscius Coelius Murena

Pompeius Falco. evtl. von der Basis einer Reiterstatue, da der Text sehr breit war; gefunden im Schutt der

Hafenstraße), IvE III, 797 (Fragment einer Ehreninschrift, von der Hafenstraße), IvE III, 972 (Liste von

Schreibern der Gerusie, gef. im Schutt der Hafenstraße). Häufiger sind die hier gefundenen agonistischen

Inschriften (IvE IV, 1090, 1091, 1092, 1093, 1094, 1119, 1121a, 1154 u. 1155). Auch die Grabinschrift eines

Gladiators fand sich (IvE IV, 1179). Schließlich sind noch Weihungen an Götter anzuführen, bei denen

es sich sicher um Spolien handelt, IvE IV, 1210 (Weihung an Demeter Karpophoros, aus der Rückwand

der Säulenhalle der Hafenstraße), IvE IV, 1242 (Ara des Zeus Sabazios, verbaut in einer späten Mauer

der Arkadiane), sowie um die bei der Exedra gegenüber dem Thermenatrium gefundenen Inschriften (IvE

IV, 1143 (Die ewige Gymnasiarchie der Göttin und die Nearchoi, Deckplatte des Sockels), IvE IV, 1145

(Die Hymnoden-Knaben beim Besuch Hadrians, Deckplatte des Sockels), IvE IV, 1150 (Verzeichnis der

Gymnasiarchen, Deckplatte des Sockels), IV, 1151 (Ephebarchen, Agonothesie der Epheben)). Bei diesen

epigraphischen Zeugnissen der Vorerdbebenzeit muß ungelöst bleiben, ob es sich um ältere Statuen handelte,

die ihren Aufstellungsort beibehielten, oder ob diese Inschriftenblöcke, was wahrscheinlicher ist, als Spolien

wiederverwendet wurden.

22 IvE II, 547.

23 Platz der Cl. Tullia: IvE II, 548; Platz des Fl. Restitutus: IvE II, 550.

24 IvE II, 553. Der Wortsinn ist ungeklärt.

Die Untere Agora (Handelsmarkt) 275

Gegen Ende der Arkadiane, westlich des Theatergymnasiums spannt sich ein Bogen über die Straße, hinter dem sich die Fahrbahn verengt. Noch etwas weiter westlich verließ man durch einen weiteren kaiserzeitlichen Torbau die Hafenstraße und befand sich vor dem Theater25. Man verläßt den vor dem Theater gelegenen Platz nach Süden über die sog. Marmorstraße, die zwischen dem Unteren Markt und dem Panayir-Dagi entlangläuft. Unmittelbar südlich des Theaterplatzes schließt die Untere Agora an, der Handelsmarkt.

2. Die Untere Agora (Handelsmarkt)

a. Spät antike Baumaßnahmen

Mit dem sog. Handelsmarkt betrat man eine der beiden Agorai von Ephesos. Ob die Anlage bereits in hellenistischer Zeit existierte, ist nicht sicher". Die architektonische Substanz stammt überwiegend aus augusteischer Zeit, so die beiden Markttore im Süden und Westen und wahr-scheinlich auch die zugehörigen Markthallen sowie die Nordstoa27. Die Halle an der Ostseite entlang der Marmorstraße hingegen wurde wohl unter Nero angelegt".

Die Kolonnaden der Agora wurden in der Spätantike unter Verwendung von Spolienmateri-al wiederaufgerichtet, ebenso wie auch die Mauern der Läden aus Spolien aufgebaut wurden". Möglicherweise waren hierfür die Erdbeben der Jahre 358, 365 und 368 verantwortlich. In der südlichen Kolonnade wurden Säulen verwendet, die vom Domitianstempel stammen. Vielleicht wurde dieser Tempel in theodosianischer Zeit abgebrochen, was auch einen Datierungsanhalts-punkt für die Wiedererrichtung der Südkolonnade gäbe.

Das Platzniveau westlich des Zugangs wurde erhöht und rampenartige Zugänge in die Mauern geschnitten, so daß auch Vieh in die Agora getrieben werden konnte. Möglicherweise geschahen diese Umbauten im 4. oder frühen 5. Jh. Doch ist eine exakte Datierung der 'späten' Baumaßnah-men kaum möglich, da auch die Ausgrabungsberichte in ihren Angaben hier nur sehr summarisch sind30. In den dunklen Jahrhunderten verwandelte sich die einstige Untere Agora in den Vorplatz zum eigentlichen Stadttor an der Südseite des byzantinischen Befestigungsringes31. Die Umfas-sungsmauer des verringerten Stadtgebiets verlief entlang der Nordseite des Platzes, in die auch das Stadtor eingelassen war, das ausschließlich aus Spolien bestand.

b. Ausstattung

Viersäulendenkmal an der Agora Am Westtor der Unteren Agora von Ephesos kamen Bruch-stücke von vier ionischen Kämpferkapitellen zutage, die einem gemeinsamen Säulenmonument

25 Zum Theater-Vorplatz s. Foss, Ephesus 56. 26 Zur Unteren Agora s. W. Wilberg, Die Agora (= FiE III), Wien 1923, 1-90; RE Suppl. XII (1970) 1601 (W.

Alzinger); Foss, Ephesus 63f. 27 W. Wilberg, FiE III, 89; RE Suppl. XII (1970) 1601ff. (W. Alzinger). 28 W. Wilberg, FiE III, 89. 29 W. Wilberg, FiE III, 15f.; RE Suppl. XII (1970) 1603 (W. Alzinger); Foss, Ephesus 63. 30 Vgl. Foss, Ephesus 63 Anm. 34. 31 Foss, Ephesus 111f.

276 Ephesos

zuzuweisen sind (Abb. 84 32. Aufgrund des oberen Säulendurchmessers können Säulen von 7,50 m -

8,00 m Höhe angenommen werden. Die Kapitelle trugen leicht überlebensgroße Bronzestatuen.

Überlegungen zum einstigen Standort dieses Tetrastylons müssen vom Fundort der Relikte aus-

gehen. Danach dürfte sich dieses Monument an der sog. Weststraße befunden haben, die sich von

der Unteren Agora parallel zur Arkadiane zum Hafen zog. W. Jobst vermutet eine Aufstellung

in unmittelbarer Nähe des Agora-Westtores. Über das Aussehen dieses Viersäulenmonuments

können keinerlei Aussagen getroffen werden; es ist auch nicht zu entscheiden, ob diese Säulen im

Quadrat oder in einer Reihe standen.

Jobst datiert die Kapitelle früher als das in justinianischer Zeit auf der Arkadiane errichtete

Säulenmonument. Er schlägt das 4. Jh. vor und begründet dies mit der klassischen Formulie-

rung des ionischen Kapitells, dessen Kämpfer noch flach und wenig ausgreifend gebildet ist33.

Palmettenfries und Akanthusblätter an den Kämpfern der ephesischen Kapitelle vergleicht er

mit Ornamenten vom Gebälk der theodosianischen Hagia Sophia34. Die Tetrarchen kommen

Jobst zufolge nicht in Betracht, da diese bereits vor dem Hadrianstempel in einer gemeinsamen

Aufstellung geehrt wurden35.

Inschriften von der Unteren Agora Die besondere Problematik des inschriftlichen Befunds

auf dem Unteren Markt in Ephesos beschreibt J. Keil: Keine der Agorabasen ist in situ gefunden

worden und auch der sonstige Grabungsbefund hat keinerlei Anhaltspunkte für ihre ursprüngliche

Aufstellung geliefert. Da jedoch der freie Raum des großstädtischen Marktes schwerlich allzu sehr

durch Standbilder verstellt werden konnte und die in der Regel weniger sorgfältig bearbeitete oder

ganz roh belassene Rückseite der Basen selbst gegen eine allseits freie Aufstellung spricht, dürfen

wir uns die Ehrenstatuen hauptsächlich an der Rückwand oder vor bzw. neben den Säulen und

Pfeilern der umlaufenden Hallen angeordnet denken36 . Unter den gefundenen Inschriftenbasen

datiert nur eine einzige spätantik, die Basis einer Statue, die Julian gesetzt wurde".

c. Funktion

In erster Linie diente die Untere Agora — das zeigen die Vorrichtungen zum Einlaß von Vieh — dem

Handel. Die vereinzelten Topos-Inschriften deuten ebenfalls auf eine Funktion als Handelsplatz

hin38. Doch wurde der Platz auch noch im 5. Jh. für öffentliche Versammlungen genutzt: so wurde

431 der hier versammelten Menge die Absetzung des Nestorios verkündet39.

32 W. Jobst, Ein spät antikes Säulenmonument in Ephesos, IstMitt 39, 1989 (= FS W. Müller-Wiener), 245-255; ders., in: Pro arte antiqua (= FS H. Kenner), Wien 1985, II, 200.

33 W. Jobst, IstMitt 39, 1989, 254f. 34 W. Jobst in: Pro arte antiqua (= FS H. Kenner), Wien 1985, II, 200. 35 Doch ist zumindest dieses Argument kaum tragfähig: Gegen eine Mehrfachehrung der Tetrarchen spricht

nichts, da die vier Kaiser auch anderenorts in Ephesos Statuen erhielten. Außer den von Jobst erwähnten Tetrarchenstatuen vor dem Hadrianstempel (IvE II, 305) fanden sich innerhalb des Stadtgebiets von Ephesos noch folgende Inschriftenbasen: Diokletian: IvE II, 308 (FO: Vor dem Hydreion am Embolos); Maximian (?): IvE II, 309 (vor dem Hydreion am Embolos); IvE II, 307 (FO: Schutt auf der Straße vor dem Theater). Galerius: IvE II, 310 (Scholastikia-Therme).

36 J. Keil, FiE II, Wien 1923, 109. 37 FiE III, 111f. Nr. 21 (Skizze). Julian hielt sich längere Zeit in Ephesos auf: R. Sanz, Julian Apostata in

Kleinasien, IstMitt 43, 1993, 455-462, hier 460f. 38 Platz des Eutychianos, Osthalle der Agora, 2. Stufe bei der 4. Säulenbasis von Norden: IvE II, 578. 39 Acta Conc. Oec. I, 1, v, 14 u. 120.

Die Untere Agora (Handelsmarkt) 277

C.09-102.e-e

Abb. 82. Agora, Viersäulen-monument, Rekonstruktion nach W. Jobst.

Abb. 83. Marmorstraße, Konsole mit Ehreninschrift für Eutropios.

278 Ephesos

Der auffallende Mangel an spätantiken Statuenbasen kann nicht dadurch erklärt werden,

daß diese abgeräumt oder als Spolien anderenorts wiederverwendet wurden — dies wäre auch mit

den kaiserzeitlichen Inschriftenblöcken geschehen. Vielmehr muß man davon ausgehen, daß die

Untere Agora in der Spätantike ihre Bedeutung als Ort statuarischer Repräsentation verlor.

3. Die Marmorstraße

a. Spätantike Baumaßnahmen

Die Marmorstraße beginnt am Theaterplatz und führt von diesem die Ostseite der Agora entlang

nach Süden, bis sie in den Embolos einmündet. Ausgangspunkt ist ein Bogen am Theaterplatz4°.

An der Westseite der Straße zog sich eine Säulenhalle entlang, die sich an die Rückwand der

zur tiefer gelegenen Agora gehörigen Stoa lehnte. Die Säuleninterkolumnien wurden später ver-

mauert und das Bruchsteinmauerwerk mit Marmor verkleidet — der Zweck dieser Baumaßnahme

ist allerdings unklar41. Die Ostseite der Marmorstraße wurde etwa 100 m südlich vom Theater

ebenfalls von einer Kolonnade begleitet, die sich aus Spoliensäulen und -kapitellen zusammen-

setzte und hinter der sich Läden befanden42. Die Pflasterung der Straße besteht aus Spolien,

Marmorplatten und -blöcken, wie sie auch bereits von der Arkadiane bzw. dem Theatervorplatz

bekannt sind. Die Straße beherbergte Händler und Handwerker; dies geht auch aus einer Topos-Inschrift

der Zimmerleute auf einem Mauerquader hervor, der sich im Schutt der Marmorstraße fand43.

Baumaßnahmen des Eutropios Die frühbyzantinischen Baumaßnahmen an der Marmorstraße

sind mit dem Namen Eutropios verbunden, der uns auch durch sein Porträt bekannt ist (Taf.

30.1)44. Dieser Porträtkopf wurde an der Straße östlich der Agora gefunden45. Neben ihm fand

sich eine Konsole mit der Einlassung für eine Büste (Abb. 83). Da der Kopf auch tatsächlich zu

einer solchen Büste und nicht zu einer Statue gehört, ist die Verbindung Konsole-Büste nahelie-

gend46. Als ursprünglichen Anbringungsort darf man die Stoa an der Marmorstraße vermuten47.

Die Konsole trägt eine Inschrift, in der mitgeteilt wird, daß Eutropios, ein gebürtiger Ephesier,

eine geringe Entlohnung (= die Büste) für seine ruhelosen Mühen um die Verschönerung der

Stadt mit marmorgepflasterten Straßen erhielt48:

40 Dieser Bogen trug Akklamationen an die Kaiser und die Partei der Grünen, offensichtlich Inschriften aus der Zeit des beginnenden 7. Jh. Zur Marmorstraße s. Foss, Ephesus 61ff.

41 Foss, Ephesus 63. Foss, Ephesus 63 Anm. 32, erinnert an eine parallele Maßnahme in Edessa: Josua Styl., Chron. 32 c. 43.

42 Foss, Ephesus 63. 43 IvE II, 549. 44 Zum Folgenden F. Eichler, Das Denkmal des Eutropios von Ephesos, AnzWien 76, 1939, 5-13. 45 Zur genauen Fundangabe vgl. die bei F. Eichler, AnzWien 76, 1939, 6, mitgeteilten mündlichen Angaben von

Heberdey sowie die Skizze Abb. 3. Zum Porträtkopf s. J. Ivan / E. Rosenbaum, Roman and Early Byzantine Portrait Sculpture in Asia Minor, London 1966, 151ff. Nr. 194; E. Alföldi- Rosenbaum, Reflections on the Portrait of „Eutropius" from Ephesos, in: Studi in memoria di Giuseppe Bovini, Ravenna 1989, I, 1-12.

46 F. Miltner, AnzWien 76, 1939, 8ff., erläutert die technischen Details, die eine Zuweisung des Porträts zur Konsole durchaus erlauben.

47 F. Miltner, AnzWien 76, 1939, 8. 48 Gr6goire, Recueil (a. 0.) Nr. 99; J. N. Bakhuizen van den Brink, De oudchristelijke Monumenten van Ephesus,

Der Platz vor der Celsusbibliothek 279

(Kreuz) Se Lpt,\Or'f@'67CUUJV I Willy view etecio pAix0w(v) l Errecime, (;06T)c600v cri5veKet -FOcrelv paellaged.,c KOMITialac I EljaTeC3TOL6IV Ceyutatc (Kreuz).

Die Pflasterung der Marmorstraf3e wird man also dem Eutropios zuschreiben konnen. Foss erwagt zudem, ob nicht auch die spatantike Kolonnade und die dahinter gelegenen Laden auf Veranlas-sung des Eutropios errichtet worden sein konnten49.

b. Statuarische Ausstattung

Neben der Bliste des Stifters der friihbyzantinischen AusbesserungsmaBnahmen passierte der Be-sucher eine Vielzahl weiterer Statuen lokaler Wfirdentrager, wie die zahlreichen Funde spatanti-ker Beamtenstatuen im Bereich der Marmorstraf3e belegen50. Zu den Funden zahlen drei Torsen von Togati, die aus dem 5. Jh. datieren. Altere Statuen kamen hier nicht zum Vorschein. Die frilhbyzantinische Ausstattungsphase der Marmorstraf3e bestand also in einer Aufreihung von Beamtenstatuen lokaler Honoratioren. Wahrscheinlich handelt es sich um Prokonsuln der Pro-vinz Asia, deren Sitz Ephesos war51.

Inschriftlicher Befund Neben den Statuenfunden ist noch der inschriftliche Befund zu erwah- nen, der allerdings erst aus dem 7. Jh. datiert. Am Zugangstor zur MarmorstraBe las man Ak-klamationsinschriften an die Kaiser und die Partei der Griinen52. Aber auch auf den Saillen der Westportikus finden sich Ehreninschriften, diesmal fur Phokas und Herakleios53. Schlief3lich wurde noch ein Erlaf3 des Kaisers Maurikios in der Westkolonnade aufgestellt54 .

Am siidlichen Ende der Marmorstraf3e erreicht man den Vorplatz der Celsusbibliothek. Von hier aus wendet sich die Strafe nach Siidosten und fiihrt als Embolos weiter in Richtung Oberer Markt.

4. Der Platz vor der Celsusbibliothek

Am Knick zwischen MarmorstraBe und Embolos erstreckte sich vor der Celsusbibliothek ein weiter offentlicher Raum, der von der Prunkfassade dieses Gebaudes beherrscht wurde. Die Celsusbibliothek wurde von Tiberius Julius Celsus Polemaenus gestiftet, der zwischen 105 und 107 Prokonsul war. Vollendet wurde der Bau, der zugleich das Grab des Stifters beherbergte, gegen 135 n. Chr. Die zweigeschossige Fassade enthielt im Erdgeschof3 Statuen der Tugenden des Celsus und im ObergeschoB Statuen des Stifters selbst. Bau und Ausstattung wurden in der Spatantike modifiziert.

Den Haag 1923, 86ff. Nr. IV; IvE IV, 1304; C. Foss, Stephanus, Proconsul of Asia and Related Statues, in: Okeanos. Essays presented to I. SeVaenko on his Sixtieth Birthday by his Colleagues and Students (= Harvard Ukrainian Studies 7), Cambridge / Mass. 1983, 196-218, hier 202.

49 Foss, Ephesus 63. so Verzeichnis im Anhang S. 423. 51 C. Foss, Stephanus (a. O.) 196-218. 52 Gregoire, Recueil (a. O.) 114 ter a-c. IvE VI, 2090. 53 Phokas: IvE IV, 1191; Herakleios: IvE IV, 1195. 54 IvE I, 39; Gregoire, Recueil (a. O.) Nr.110.

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280 Ephesos

a. Das Nymphäum der Celsusbibliothek

In spätantiker Zeit wurde die Celsusbibliothek, durch einen Brand verwüstet und damit funkti-

onslos geworden, in ein monumentales Nymphäum umgewandelt. Dabei wurden die Portale der

intakt gebliebenen Fassade vermauert, das Innere der Bibliothek mit Schutt aufgefüllt und ein

Brunnenbecken auf der Freitreppe angelegt55. Dieser spätantike Zustand ging infolge der neu-

zeitlichen Rekonstruktion der Celsusbibliothek allerdings zugrunde. Aufnahmen aus dem Jahre

1903 zeigen noch den Zustand vor dem Entfernen der spätantiken Reste (Taf. 30.3)56. Vor der

Fassade der Celsusbibliothek befand sich ein Wasserbecken.

Die Inschriften Unmittelbar über dem Mittelfenster der Bibliotheksfassade befindet sich eine

auf drei Quader verteilte Inschrift, die einen gewissen Stephanos erwähnt (Abb. 84)57. In dieser

Inschrift wird gesagt, daß nicht nur Stephanos die Stadt — sie wird mit ihrem alten Namen Ptele

genannt —, sondern auch die Stadt Stephanos geschmückt habe.

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Abb. 84. Celsusbibliothek, Stiftungsinschrift des Stephanos.

Man darf also annehmen, daß eine Statue des Stephanos die Prachtfassade zierte58. Bereits R.

Heberdey, der Ersteditor, brachte die Inschrift mit der Umwandlung der funktionslos gewordenen

Bibliothek in ein Nymphäum in Zusammenhang59. Eine weitere Inschrift auf einem Statuensockel

des oberen Geschosses nennt die "Evvom e0M11tov60. Auch diese Inschrift ist spätantik und

ersetzt eine entsprechende Inschrift aus dem 2. Jh. Entweder wurde eine bereits bestehende

Statue, die personifizierte Einsicht des Celsus, auf Philippos umgewidmet oder es wurde in der Spätantike eine neue Statue errichtet und als 'Einsicht des Philippos' gekennzeichnet. J. Keil hält es für das Wahrscheinlichste, daß der inschriftlich genannte Philippos wesentlich bei

55 Zum Nymphäum vor der Celsusbibliothek s. W. Wilberg in: FiE V/1, Wien 1953, lff.; F. Eichler, Zum Partherdenkmal von Ephesos, ÖJh 49, 1971, Beih. 102ff.; R. Heberdey, ÖJh 7, 1904, B49ff.

56 Abgebildet bei FiE V/1, 1, u. E. Lessing / W. Oberleitner, Ephesos, Weltstadt der Antike, Wien-Heidelberg 1978, 185 Abb. 125.

57 Gregoire. Recueil (a. 0.) Nr.106: Bakhuizen van den Brink. a. 0. 84f. Nr.III: IvE VII/2. 5115: (Kreuz) AgeicE[o 7L7.4 Khaki:11ot TöcroK wocrotu-ygaw ge-yoK Koa E[rgyee.v* HTeXgriv Kai IlTeXgri ET4.1cevov (Kreuz).

58 J. Keil, FiE V/1, 80 u. 84.

59 R. Heberdey, ÖJh 8, 1905, B69. 60 FiE V/1, 57 u. 71 Nr. 10; IvE VII/2, 5110.

Der Platz vor der Celsusbibliothek 281

einer Reparatur der Fassade, ja vielleicht sogar auch an der von Stephanos vorgenommenen Umwandlung des Baus in ein Nymphäum beteiligt gewesen sei61. Er vermutet, daß Philippos der Baumeister war, während Stephanos den Umbau stiftete62 . Cl. Foss möchte dagegen in Philippos einen weiteren hohen Beamten oder Würdenträger (Prokonsul?) sehen, der sich ebenfalls um den Erhalt der Celsusbibliothek (bzw. des Nymphäums) verdient gemacht habe und so durch die Umwidmung einer kaiserzeitlichen Statue geehrt worden sei63.

Die wiederverwendeten Platten des Parthermonuments Das spätantike Brunnenbecken vor der Celsusbibliothek, das noch auf Photos aus der Zeit nach der Ausgrabung zu sehen ist (Taf. 30.3), wurde mit Reliefplatten ummauert, die vom Partherdenkmal stammen. An der Auswahl und Anbringung der wiederverwendeten Platten fällt auf, daß in keinem Fall aneinanderpassende Stücke nebeneinander gesetzt wurden". Hierfür können zwei Erklärungen zur Diskussion gestellt werden. Entweder verstand man den Darstellungskontext nicht mehr und entnahm der Gesamt-darstellung einzelne Reliefplatten, deren Motive ästhetisch ansprechend und/oder isoliert mit

61 J. Keil, FiE V/1, 72. 62 Man müßte sich dann fragen, ob der leitende Baumeister eine derart prominente Position einnehmen konnte,

während der finanzierende Stifter dies nicht tat. 63 Foss, Ephesus 65 Anm. 38. Foss vermutet eine Identifizierung mit dem Praetorianerpräfekten der Jahre

344/351, der nach seinem Tod von Kaiser Konstantius II. geehrt wurde, wie ein in Ephesos gefundener Brief an den Prokonsul Marinos zeigt (IvE Ia, 41). Diesem Brief zufolge, der in die Zeit nach 351 datiert werden kann (PLRE I, 696f.), sollte der einstige Prätorianerpräfekt mit goldenen Statuen in opimis urbibus geehrt werden. Handelt es sich bei der Ehrung der "Evvom des Philippos um die Reaktion auf diesen Brief? Der Hinweis Foss', daß sich auch dies mit der traditionellen Datierung des Umbaus in ein Nymphäum um 400 nicht vertrüge, ist nicht stichhaltig: Philippos könnte bereits geehrt worden sein, bevor man an den Umbau ging.

64 Unter den zahlreichen Platten wurden folgende als Verkleidung des Beckens ausgewählt (Angegeben sind die Inventarnummern, die Nummern des Katalogs: Funde aus Ephesos und Samothrake, Wien 1978, 66-94, sowie die Abbildungsnummern bei C. C. Vermeule, Roman Imperial Art in Greece and Asia Minor, Cambridge / Mass. 1968):

Links neben der Nische:

Stieropfer Ktesiphon und Seleukeia

L. Verus, Nike, Helios, Virtus, Tellus

Artemis, Selene Hesperos, Nyx Thalassa

Mit dem Schwert ausholender Römer zu Fuß und Teil eines Berittenen

Adopt.-fries I 859

Städtefries I 860

Apoth.-fries I 867

Apoth.-fries I 862

ISc8h616achtenfries

Kat. 62 Kat. 73 Kat. 82 Kat. 83 Kat. 67 Abb. 43 Abb. 48 Abb. 40 Abb. 49 Abb. 35 Rechts neben der Nische:

Gepanzerter Auf dem Pferd Pferdegespann Adoption des Ha- Demeter Reiter und zwei zusammengesun- des Lucius Verus drian, Antoninus berittene Feld-herrn

kener Barbaren-führer

(ohne Kaiser) Pius, Mark Aurel, L. Verus und des Genius des Aelius Verus

Schlachtenfries Schlachtenfries Schlachtenfries Adopt.-fries Apoth.-fries I 863 I 858 I 865 I 864 I 861 Kat. 68 Kat. 65 Kat. 66 Kat. 61 Kat. 81 Abb. 36 Abb. 37 Abb. 38 Abb. 42 Abb. 47

282 Ephesos

einer Aussage belegt wurden; oder das Partherdenkmal war zerstört worden und man wählte

aus den zerstörten Platten die besterhaltenen aus, um das Nymphäum zu schmücken. Letzterer

Fall ist wahrscheinlicher, stehen doch die unterschiedlichsten Themenkomplexe unvermittelt ne-

beneinander, während man bei einer bewußten Entnahme von Reliefplatten doch wohl versucht

hätte, zusammenhängende Szenenfolgen zu übertragen. So darf man sich fragen, ob nicht auch

der Partheraltar ein Opfer der zahlreichen Erdbeben der 50er- und 60er-Jahre geworden war. Der

Annahme einer gewaltsamen Zerstörung des Partheraltars, etwa durch Christen, widerspricht die

Tatsache, daß man die Darstellungen — wie deren Wiederverwendung zeigt — nicht als anstößig

empfand und somit kein Grund bestand, sie zu zerstören.

b. Umbauten am Platz vor der Celsusbibliothek

Wie W. Jobst zeigen konnte, begleitete eine Reihe von Baumaßnahmen im Umfeld der Bi-

bliothek deren Umwandlung in ein Nymphäum". Wahrscheinlich war es das Fundament des

Parthermonuments, das in der Spätantike zumindest teilweise mit der Säulenhalle im Süden der

Bibliothek und ihres Vorplatzes überbaut wurde66. Zugleich legte man neben dem Treppenauf-

gang zum sog. 'Auditorium', dem mutmaßlichen Parthermonument, als südlichen Abschluß des

Bereichs vor dem Bibliotheksplatz eine aus Spolien zusammengesetzte Mauer an, sowie einen

neuen Pflasterbelag. Über eine eigens errichtete Toranlage betrat man von hier den Vorplatz mit

dem Nymphäum. Die bauliche Neugestaltung dieses Bereichs ist mit einer bereits anderweitig

bekannten Person in Verbindung zu bringen, die sich durch zahlreiche öffentliche Aktivitäten

in Ephesos ausgezeichnet hatte67. Zwei in die Spolienmauer eingemeißelte Inschriften nennen

einen gewissen Andreas, der das Amt eines pLeX(X)g7re.exo, also eines designierten Eparchen,

innehatte".

Av8egoi. pz\Ne'rzcielxot (Kreuz) -1-67rog (Kreuz).

Kiez Neriaov Tiö(v) 8oao(v) 0-0'6 AvSeeCe(v).

Diese Topos-Inschrift ist wohl so zu verstehen, daß Andreas für die Umgestaltung des Platzes

verantwortlich gewesen sei69. Bei den ersten Grabungen im Bereich der Celsusbibliothek (1903/5)

kam auf der Theaterstraße, unweit der Südostecke der oberen Agorahalle, eine Statuenbasis zum

Vorschein, deren Inschrift das Wirken des 7reetaeµ,vog Avbo€as preist, der als Staatsmann wie

Minos, Lykurg und Solon für die Abhilfe verwirrter Verhältnisse in der Provinz gesorgt habe70.

65 W. Jobst, Embolosforschungen I, ÖJh 54, B149-242, bes. 230ff.

66 H. Vetters, AnzWien 113, 1976, 500; ders., AnzWien 114, 1977, 198-200; ders., AnzWien 115, 1978, 267f.;

ders., AnzWien 116, 1979, 124 u. 127; ders., AnatSt 29, 1979, 195; W. Jobst, Embolosforschungen, ÖJh 54,

1983, B149-242, bes. 218ff.; ders. in: Pro arte antiqua (= FS H. Kenner), Wien 1985, II, 197; H. Vetters, ÖJh

54, 1983, 26-34; ders., AnatSt 33, 1983, 242; ders. (zusammenfassend), AnzWien 123, 1986, 82f.

67 W. Jobst, ÖJh 54, 1983, B230f.; ders. in: FS Kenner (a. 0.), 197.

68 W. Jobst, ÖJh 54, 1983, B230 Abb. 48 u. 49.

69 W. Jobst in: FS Kenner (a. 0.), II, 198.

70 W. Jobst, ÖJh 54, 1983, B230 (Abb. 50); ders. in: FS Kenner (a. 0.), 198. J. Keil vermutet in dem Mann

einen Statthalter des späten 4. oder 5. Jh.: J. Keil, Antike und Christentum in Ephesos, in: FS V. Schultze,

1931, 99. B. Malcus, OpAth 7, 1967, 135, will in Andreas einen Proconsul der Zeit um 400 sehen.

Der Platz vor der Celsusbibliothek 283

c. Datierung der Umbaumaßnahmen

Wenn es stimmt, daß sich der Partheraltar an der Stelle des sog. 'Auditoriums' befand, dann ist wahrscheinlich in beiden Bauvorgängen, der Anlage des Nymphäums, wie auch der Errichtung der Spolienmauer und der Portikus durch Andreas, eine kombinierte Maßnahme zu sehen": Mit den Reliefplatten des aufgelassenen Partheraltars, dessen Fundament überbaut wurde, errichtete man eine Brunnenanlage vor der Celsusbibliothek.

Als Datierung des spätantiken Umbaus zum Nymphäum schlägt J. Keil die Jahre um 400 vor. Durch die Kreuze am Anfang und Ende der Inschrift sei das 4. Jh. als untere Grenze ge-geben. Die Wiederverwendung der Reliefplatten des Parthermonuments, eines Monuments des Kaiserkults, wie Keil annimmt, deute ebenfalls auf die theodosianische Zeit, in der alle noch bestehenden 'heidnischen' Kultstätten niedergerissen und abgetragen wurden72. Bereits C. Foss bemerkte, daß diese Datierung auf sehr unsicheren Indizien beruht". Aber auch eine Identifi-zierung des in der Inschrift genannten Stephanos mit dem, dessen Statue am Embolos gefunden wurde, erscheint ihm nicht zwingend74. Da die Statue aus stilistischen Gründen dem 6. Jh. zu-gewiesen werden kann, würde dies bedeuten, auch den Umbau so spät anzusetzen.

Die Statuenfunde vor der Celsusbibliothek legen eine Datierung der Umbaumaßnahmen ins 5. Jh. nahe. Im Bereich des sog. 'Auditoriums' fanden sich zahlreiche Togastatuen ephesischer Be-amter des 5. und 6. Jh. n. Chr.75; sicher können diesem Bereich wegen der vagen Fundortangaben der Ausgräber allerdings nur zwei Statuen zugewiesen werden76 .

Bildwerke am Knick zwischen Marmorstraße und Embolos Unmittelbar am Knick zwischen Marmorstraße und Embolos fand sich im Schutt auf der Straße vor dem Auditorium die Inschrif-tenbasis einer Statue des Stadtgründers Androklos77. Damit ist ein weiteres Monument gegeben, das an prominenter Stelle auf die mythische Vergangenheit der Stadt verweist. Schließlich ist noch ein besonderes Denkmal zu erwähnen, das ein übereifriger Christ namens Demeas neben dem Durchgang des Hadrianstors aufstellte78. Eine Inschrift erinnert daran, daß dieser Demeas ein Artemisbild stürzte und statt dessen ein Kreuz errichten ließ.

Vom Vorplatz der Celsusbibliothek führt die Kuretenstraße weiter zum Staatsmarkt.

71 Vgl. W. Jobst, ÖJh 54, 1983, B226. 72 J. Keil, FiE V/1, 80. Zur Datierung vgl. auch FiE V/1, 35 u. 42; V. M. Strocka / F. Hueber, AW 6, 1975/4,

7. vgl. auch W. Jobst in: Pro arte antiqua (= FS H. Kenner), Wien 1985, II, 198. 73 Foss, Ephesus 65 Anm. 38. 74 Die Statue wird üblicherweise bereits ins 6. Jh. datiert, was einen bedeutenden Abstand zu der von Keil

vertretenen Bibliotheksumgestaltung um 400 bedeutet. Wie Foss bemerkt, ist der Name `Stephanos' zu häufig, als daß man annehmen dürfte, es handle sich um dieselbe Person.

75 Kollwitz, Oström. Plastik 81ff., bes. 85ff. Nr.6-12. Zur Datierung vgl. auch W. Oberleitner, Fragment eines spätantiken Porträtkopfes aus Ephesos, ÖJh 44, 1959, 95ff.; 0. Feld in: B. Brenk, PropKG Supplbd.1, 1977, 171f. Nr. 145.

76 Torso eines Togatus: FO: Umkreis der Celsusbibliothek, 1905. Lit.: Kollwitz, Oström. Plastik 85f. Nr. 6, 99f. Taf. 20/1-2; W. Oberleitner, ÖJh 44, 1959, 96f.; A. Bammer / R. Fleischer / D. Knibbe, Führer durch das archäologische Museum von Sekuk - Ephesos, Wien 1974, 178f.; Museum Sekuk Inv. Nr. 388. Weibliche Gewandstatue: Jüngere Grabungen unter W. Jobst förderten in einer Sammelgrube des Kanals eine weibliche Gewandstatue zutage: W. Jobst, ÖJh 54, 1982, B232 Abb. 52.

77 IvE II, 501. Wiederverwendet. Auf der Rückseite IvE III, 647. 78 FiE I, 103f.; Gregoire, Recueil (a. 0.), Nr. 104; IvE IV, 1351. Zur Lokalisierung vgl. H. Thür, Das Hadrianstor

in Ephesos (= FiE XI/1), Wien 1989, 129-31.

284 Ephesos

5. Der Embolos (Kuretenstraße)

Der Embolos, die von den Ausgräbern so benannte 'Kuretenstraße', verbindet das 'Regierungs-

viertel' von Ephesos, die Obere Agora und die Verwaltungsbauten, mit der unteren Stadt. In

ihrem schrägen Verlauf von Nordwesten nach Südosten ignoriert diese Straße das hippodamische

System des Stadtplans von Ephesos. Der Embolos weist nicht nur einen reichhaltigen Befund an

spätantiken Umbauten auf, sondern auch zahlreiche Inschriftenbasen, die sich mitunter noch in

situ befinden. Auch wurden hier mehrere Beamtenstatuen gefunden, so daß sich ein detailliertes

Bild der spät antiken und frühbyzantinischen Ausstattungsphase ergibt.

a. Spätantike Umbauten

Wohl im 5. Jh. wurde das späthellenistische Heroon neben dem Hadrianstor in ein Nymphäum

umgewandelt — Marmorplatten mit Kreuzdekoration erinnern an diese Umwandlung79. Im Nor-

den wurde ein rechteckiges Wasserbecken angebaut sowie ein Kanal in den Sockel geschlagen.

Das benachbarte Oktogon, ein im 1. Jh. n. Chr. errichtetes Mädchengrab, diente im 4. Jh. als

Träger von Inschriften kaiserlicher Erlasse80: Das bereits eingangs erwähnte Reskript der Kaiser

Valentinian, Valens und Gratian an Eutropios aus dem Jahr 370/1 regelte die Einkünfte aus

den fundi rei publicae bzw. privatae, die für den Wiederaufbau der Stadt verwendet wurden. Im

Reskript derselben Kaiser an Phestos aus der Zeit zwischen 372 und 378 wurde die Abhaltung

der Spiele anläßlich des conventus publicus geregelt. Alle fünf Jahre sollten diese in einer anderen

der vier Provinzmetropolen stattfinden. Durch die Anbringung dieser Erlasse, in denen sich die

Bedeutung von Ephesos spiegelt, wurde das 'Heroengrab' in ein Monument der Stadtgeschichte

umgewandelt. Die schräg gegenüber befindlichen Scholastikiathermen sind in ihrem heutigen Erscheinungs-

bild das Produkt spät antiker Umbautätigkeit nach den Erdbeben der Jahre 358, 365 und 36881.

Neben der Sitzstatue der Scholastikia fanden sich in der Thermenanlage auch Statuen und Por-

träts, die bis ins 6. Jh. datieren und damit zeigen, daß man den Bau bis zu dieser Zeit nutzte82 .

Etwas weiter dem Verlauf des Embolos folgend begegnete man auf der rechten Seite der

sog. Alytarchenstoa, einer im 5./6. Jh. errichteten Säulenhalle, die mit einem Mosaikpaviment

versehen wurde und an deren Rückwand Läden anschlossen83. Diese Stoa, die dem Embolos

etappenweise das Gesicht einer Säulenstraße geben mußte, ist von zentraler Bedeutung, da sich

mehrere spätantike Beamtenstatuen fanden, denen z. T. sogar Inschriftenbasen zugewiesen wer-

den konnten (s. u.).

Gegenüber der Alytarchenstoa befindet sich der Hadrianstempel (Taf. 31.1). Auch er erfuhr

in der Spätantike eine Umgestaltung'''. In tetrarchischer Zeit setzte man vor die Fassade die

79 Foss, Ephesus 69. Zur Datierung vgl. F.W. Deichmann in: Meanges Mansel, Ankara 1974, I, 555ff. (zur Zeit der 1. Bauphase der Marienkirche).

80 IvE Ia, 42 u. 43. Foss, Ephesus 69. 81 RE Suppl. XII (1970) 1619f. (W. Alzinger). 82 Bammer / Fleischer / Knibbe, Führer (a. 0.) 13, 68, 83f.; Foss, Ephesus 70.

83 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B276; Foss, Ephesus 67f. u. 74.

84 F. Miltner, Ephesos, Stadt der Artemis und des Johannes, Wien 1958, 52-54, 85f. u. 104-106; J. Keil, Führer durch Ephesos, Wien 1964, 118-120; RE Suppl. XII (1970) 1650-52 (W. Alzinger); J. Keil / G. Maresch, ÖJh 44, 1959, B267-73; Bammer / Fleischer / Knibbe, Führer (a. 0.) 78-82.

Der Embolos (Kuretenstraße) 285

Statuen der vier Herrscher85, wohl in theodosianischer Zeit brachte man in der Vorhalle einen figürlichen Fries an, der seinerseits wiederverwendet wurde". Wahrscheinlich wurde der Fries einem anderen Bau entnommen, dürfte jedoch kurz vor seiner Verlegung in theodosianischer Zeit entstanden sein. Die Darstellungen scheinen auf die mythische Gründung von Ephesos an-zuspielen87. Der Hadrianstempel ist damit bereits das dritte Monument auf dem Weg vom Hafen zum Staatsmarkt, in dem in der Spätantike auf die mythische Gründung der Stadt hingewiesen wurde.

Beim Trajansnymphäum fanden sich mehrere Hermenpfeiler, die als Einlassungen für Schran-kenplatten dienten88. Diese Hermenpfeiler sind spätantike Produkte und können mit einem Wie-deraufbau bzw. einem Umbau des Nymphäums in der Zeit nach den Erdbeben der Jahre 358, 365 und 368 in Verbindung gebracht werden.

Am südöstlichen Ende des Embolos befinden sich die Reste einer Toranlage, die in spätantiker Zeit wenn nicht erbaut, so doch zumindest wiederhergestellt und umgestaltet wurde (Taf. 31.2)89 . Trotz der erhaltenen Inschriftfragmente läßt sich die Toranlage nur sehr ungenau datieren und wird allgemein ins 5. Jh. gesetzt90 . Die Inschrift läßt sich nur fragmentarisch rekonstruieren91:

(/:) aiitjet, (2:) TO'51TO TÖ 8X0[... (3:) ]ov ex(agiou) Kwvo-T[oarrtlou TOZ) XOhinte(OTÖLTCYU) i o [... (4:) ...] 'Epe[o

Zwar wird in der Inschrift der Name des Stifters genannt, aber auch dieser kann bislang nicht genauer bestimmt werden. An der Stelle der unter Konstanti(n)os errichteten Toranlage befand sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein Vorgängerbau. Zum Bau des Tors wurden Spolien wieder-verbaut, die einem Bau des 4. Jh. entstammen müssen. Die Zwickelreliefs mit den Niken zeigen, daß es sich dabei um einen Bogen gehandelt hat. Bammer datiert die Niken, aber auch Teile der Bauornamentik in die erste Hälfte des 4. Jh.92 .

Bereits außerhalb des spätantiken Torbaus, am Ausgang des Embolos, befindet sich der Memmiusbau, dem im Westen ein Brunnenhaus vorgesetzt wurde". Ende des 3. Jh. errichtete

85 IvE II, 305. 86 R. Fleischer, Der Fries des Hadrianstempels in Ephesos, in: FS F. Eichler, Wien 1967, 22-71; Bammer /

Fleischer / Knibbe, Führer (a. 0.) 78-82; B. Brenk, Die Datierung der Reliefs am Hadrianstempel in Ephesos, IstMitt 18, 1968, 238-258 (tetrarchische Datierung); H. P. Laubscher, Der Reliefschmuck des Galeriusbogens in Thessaloniki, Berlin 1975, 113f. u. 146f.; W. Jobst in: Pro arte antiqua (= FS H. Kenner), Wien 1985, II, 201.

87 Lesung nach Bammer / Fleischer / Knibbe, Führer (a. 0.) 78ff. Zu sehen sind von links nach rechts zunächst der sagenhafte Gründer Androklos, wie er seinen Speer gegen einen Eber schleudert, sowie die Quellnymphe Hypelaios. Die mittleren Blöcke zeigen die Auseinandersetzung der Griechen mit den Amazonen; am Altar in der Bildmitte stehen Herakles und (wahrscheinlich) Theseus, die beiden Anführer der Griechen im Ama-zonenkampf. Rechts erscheint Dionysos mit seinem Anhang. Auf dem rechten Block versammeln sich wohl alle jene Götter und Heroen, die eine besondere Beziehung zu Ephesos haben, Androklos in der Mitte, links Apollo und Artemis, rechts Herakles und Dionysos; die übrigen sind nicht eindeutig zu bestimmen.

88 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B339f. (Abb. 184-6); RE Suppl. XII (1970) 1607 (W. Alzinger). 89 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B353ff.; A. Bammer, ÖJh 50, 1972/75, B383; ders., Ein spät antiker Torbau aus

Ephesos, ÖJh 51, 1976/77, B93-126; W. Jobst in: FS Kenner (a. 0.), 201. 90 W. Jobst in: FS Kenner (a.0.), 201. 91 IvE II, 587. 92 A. Bammer, ÖJh 51, 1976/77, B125. 93 RE Suppl. XII (1970) 1606f. (W. Alzinger).

286 Ephesos

man hier vier Statuen der Tetrarchen — es erhielten sich Inschriftenbasen für Diokletian und einen

weiteren Tetrarchen94. Wahrscheinlich wurde zu dieser Zeit auch der Memmiusbau renoviert.

b. Ausstattung

Die statuarische Ausstattung des Embolos läßt sich, soweit archäologisch und epigraphisch nach-

vollziehbar, in drei Epochen gliedern. Die in den Scholastikia-Thermen wiederverwendeten In-

schriftenbasen datieren aus der hohen Kaiserzeit mit dem Schwerpunkt 2. Jh. Einige Basen tragen

Inschriften severischer Zeit, selten finden sich solche aus der Mitte des 3. Jh. Erst aus tetrarchi-

scher Zeit sind wieder Inschriftenbasen überliefert. Diese stehen z. T. noch in situ, manche wurden

noch später wiederverwendet, wobei man sich manchmal nur auf das Wenden und Neubeschrif-

ten des Inschriftensteins beschränkt hat. Keine dieser jüngeren Basen stammt jedoch aus den

Scholastikia-Thermen, deren Wiederaufbau mit Spolienmaterial stets als Folge der Erdbeben der

50er- und 60er-Jahre angesehen wird. Schließlich sind die Inschriftenbasen aus theodosianischer

Zeit und später zu nennen, die ebenfalls in situ aufgefunden wurden, mitunter sogar noch mit

der zugehörigen Statue.

Die spätantike Gestaltung des Embolos kann nur vor dem Hintergrund der hochkaiserzeitli-

chen Statuenausstattung gesehen werden. Wie diese aussah, kann in etwa rekonstruiert werden,

obwohl nur wenige Inschriftenbasen aus dieser Epoche an ihrem ursprünglichen Platz sind:

Hochkaiserzeitliche Ausstattungsphase In den Scholastikiathermen fanden sich besonders an

der südlichen Außenwand und im sog. Pfeilersaal zahlreiche Inschriftenbasen, die als Spolien

vermauert waren, ursprünglich jedoch am Embolos gestanden haben dürften95. Diese Inschrif-

tenbasen wurden in der 2. Hälfte der 60er-Jahre des 4. Jh. von Scholastikia als Baumaterial

wiederverwendet, nachdem ein Erdbeben den alten Thermenbau beschädigt hatte96. Das heutige

Erscheinungsbild der Außenwand der Thermen entspricht jedoch nicht dem der spätantiken Wie-

deraufbauphase: Die Inschriftenblöcke wurden nicht mit der Inschrift nach außen vermauert, so

wie es heute der Fall ist. Erst die Ausgräber haben nach dem Abtragen der Mauer dieselbe derart

wiederhergestellt, daß sowohl der Gesamteindruck in etwa dem spätantiken entsprach, außerdem

aber auch die Inschriften sichtbar blieben97. Da die Fundangaben jedoch stets ungenau sind, ist

es notwendig, sich auf die von Knibbe explizit als Spolien des Embolos besprochenen Inschriften

zu beschränken. Selbstverständlich sind neben den in den Thermen verbauten Inschriften auch

diejenigen anzuführen, die am Embolos gefunden wurden, die also auch in frühbyzantinischer

Zeit stehen gelassen wurden.

Eine oberflächliche Sichtung des epigraphischen Befunds ergibt, daß es sich fast ausnahmslos

um hochverdiente Bürger, Würdenträger und Militärs handelt, die entweder Ephesier waren, in

Ephesos amtierten oder sonst sich um die Stadt verdient gemacht haben98. Es treten die verschie-

densten Personen und Ämter auf. Unter den Geehrten finden sich einige Prokonsuln der Provinz

94 IvE II, 308 u. 309. 95 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B256ff.; ders., ÖJh 45, 1960, B51-64.; J. Keil / G. Maresch, ÖJh 45, 1960, 83ff.; D.

Knibbe, Neue Inschriften aus Ephesos II, OJh 49, 1968/71, B1-56; ders., Neue Inschriften aus Ephesos III,

ÖJh 49, 1968/71, B57-88; D. Knibbe, ÖJh 50, 1972/75, B411f.

96 D. Knibbe, ÖJh 49, 1968/71, B5f.; ders., ÖJh 50, 1972/75, B412.

97 D. Knibbe, ÖJh 49, 1968/71, Blff. 98 Im folgenden die IvE-Nummern. Auswahlkriterium war die Wiederverwendung in den Scholastikiathermen

Der Embolos (Kuretenstraße) 287

Asia, aber auch anderer Provinzen". Ein Großteil entfällt auf die verschiedenen Asiarchen'". Des weiteren werden mehrere Priester genanntml, aber auch Artemispriesterinnenim. Eine nicht geringe Anzahl der Inschriftenbasen nennt Feldherrn, wobei oft die Teilnahme an Ostfeldzügen erwähnt wirdl". Ansonsten sind Beamte verschiedenen Ranges sowie eine Reihe von Persönlich-keiten vertreten, die der Stadt Ephesos eine besondere Wohltat erwiesen haben; eine Geehrte vertrat Ephesos in einem Rechtsstreit erfolgreichim, ein anderer erhielt st atuarische Ehren ob eines in der Boule geleisteten Versprechensl°5, wieder ein anderer vererbte sein Vermögen der Artemis106. Auffälligerweise trugen nur wenige der erhaltenen Basen die Statue eines Kaiserslu.

Andere Inschriftenbasen aus der Kaiserzeit blieben am Embolos stehen, so etwa einige Sie-gesbasen, die heute noch den oberen Abschnitt des Embolos säumeni°8 .

Spätantike Ausstattungsphasen Der Fundort spät antiker Statuenbasen gibt oft einen wichti- gen Hinweis auf den einstigen Standort der Statue109 . Doch ist hier nur eine statistische Aussage möglich; gerade die Vielzahl von Inschriften und Architekturteilen, die sicher einem bestimmten Bau zugewiesen werden können, jedoch fernab von diesem gefunden wurden, zeigt, daß hier eine große Mobilität bestand, die präzise Aussagen erschwert. Schlüsse werden hier also nur gezogen, wenn eine größere Anzahl von Inschriften die Wahrscheinlichkeit einer genaueren Aussage hebt bzw. wenn anderweitige Gründe für die Annahme vorliegen, daß Fundort und Aufstellungsort identisch sindn°.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden nach einer Pause von etwa einem Dreiviertel-jahrhundert in tetrarchischer Zeit wieder neue Statuen geschaffen, um die Statuenausstattung des Embolos zu bereichern. Kaiserstatuen fanden sich an den wichtigsten Punkten innerhalb der Stadt, so u. a. am Hydreion am Embolos und vor dem Hadrianstempel, also in Verbindung mit repräsentativen Bautenm. Wie auch sonst begegneten die Tetrarchen in der Vierzahl, als Spiegel ihres Herrschaftssystems; keine Gestalt unter ihnen dominierte.

(bes. Pfeilersaal). IvE III, 620, 621a, 623, 623a, 624, 625, 629, 634, 634a, 636, 637, 638, 639, 642, 644, 648, 649, 653, 656, 657, 660, 664, 669, 671, 680, 682, 685, 686, 689, 691, 692, 692a, 693, 699, 707b, 713, 718, 720a, 721, 722, 723, 724, 728, 729, 730, 732a, 734, 735, 737, 739, 785, 786, 796, 802, 805, 810, 811, 813, 815, 816, 852, 854, 873, 892, 894, 895, 896, 980 u. 986. Auf dem Embolos gefunden wurden IvE III, 621, 635c u. 990. In unmittelbarer Nähe des Embolos wurden IvE III, 619, 633, 667, 672, 696a u. 712b gefunden.

99 So etwa IvE III, 623, 664, 656 u. 713. 100 IvE III, 637, 638, 642, 653, 671, 692a u. 810. 101 IvE II, 425; III, 625, 686 u. 721. 102 IvE III, 892, 894 u. 986. 103 IvE III, 620, 657, 680, 811. 104 IvE III, 689; D. Knibbe, ÖJh 49, 1968/71, B35. 105 IvE III, 644. 106 IvE III, 669. 107 IvE II, 297 (Caracalla), 298 (Caracalla), 299 (Caracalla) u. 310 (Galerius). 108 IvE II, 504-505 (FO: Aquädukt in Sekuk). 521-525 (FO: Embolos) und wohl auch 525a-526 (FO: Embolos). 109 Zusammenfassung der spätantiken Inschriftenbasen auf S. 424f. 110 Von dieser Prämisse gehen auch andere Arbeiten zur statuarischen Ausstattung von Ephesos aus, so etwa ein

1985 erschienener Aufsatz von H. Engelmann, der sich mit der Statuenbasis einer frühkaiserzeitlichen diony-sischen Gruppe beschäftigt: H. Engelmann, Statue und Standort, in: Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik, Festschrift für A. Betz (= Archäologisch-epigraphische Studien 1), Wien 1985, 249-255.

111 Hydreion: IvE II, 308 u. 309; Hadrianstempel: IvE II, 305.

288 Ephesos

Aber auch höhere Beamte gelangten in dieser Zeit wieder zu statuarischen Ehren, so etwa

Artorius Maximus, ein Prokonsul der Provinz Asien aus tetrarchischer Zeituz.

Die Erdbebenzerstörungen, die Ephesos in den Jahren 358, 365 und 368 heimsuchten, lassen

sich auch an den verschiedenen Phasen der statuarischen Ausstattung des Embolos nachvollzie-

hen. Kaiserstatuen setzen erst wieder in theodosianischer Zeit ein, was zeigt, daß ab den 70er-

Jahren eine Phase der Konsolidierung und des Wiederaufbaus eintrat. Entsprechend fehlen auch

Statuenbasen des konstantinischen Kaiserhauses113; die drei bekannten imperialen Statuenbasen

stammen von Angehörigen der theodosianischen Dynastie. Die umfassende Wiederherstellung

dieses Straßenabschnitts läßt sich nicht nur an den benachbarten Bauten ablesen, die im enden-

den 4. Jh. bzw. im beginnenden 5. Jh. wiedererrichtet wurden114 , sondern auch an dem Erlaß des

Valens an Eutropios, der der Stadt beim Wiederaufbau Hilfe zusagt und der entsprechend am

Embolos publik gemacht wurdel". Aber auch die Statuenbasen selbst deuten auf Zerstörung

und Wiederaufbau in der Spätantike hin, wurden sie doch wiederverwendet, indem man ihre

Rückseite mit neuen Inschriften versah. Die zugehörigen Statuen zerbrachen offenbar bei einem

Beben"6. Noch einmal entstanden in frühbyzantinischer Zeit ganze Statuenensembles, so etwa die Alyt-

archenstoa und die zugehörigen Standbilder gegenüber dem Hadrianstempel. Gerade dort ent-

wickelte sich im 5. und 6. Jh. ein Schwerpunkt statuarischer Repräsentation. Am Embolos fand

sich eine Gruppe von sieben spätantiken Statuen, die aus der Zeit des 5. und 6. Jh. datieren. Sie

stellen offensichtlich Magistraten dar, da die Personen eine innere Tunica, eine äußere Tunica

(Colobium), darüber eine Toga und calcei tragen. Die meisten halten noch in ihren Händen

ein Zepter bzw. die mappa. Es ist unwahrscheinlich, daß es sich hierbei um Konsuln handelte,

die ja Vertreter der Zentralmacht waren und ihren Sitz in Rom oder Konstantinopel hatten.

Überzeugend ist die Annahme von Foss, hier seien Prokonsuln dargestellt, deren Sitz Ephesos

war"7.

Von dieser zweiten spätantiken Ausstattungsphase besitzen wir einen tragfähigen Befund: Allein die Tatsache, daß sich zahlreiche Statuenbasen in situ befanden, ja sogar gelegentlich die

zugehörigen Statuen identifiziert werden können, zeigt, daß dieser Befund relativ wenig gestört ist. Eine Durchsicht der sicher zur vorletzten Ausstattungsphase des Embolos gehörenden Sta-

tuen ergibt folgendes Bild:

Kaiser bzw. Angehörige der Kaiserfamilie: 7

Prokonsuln: 1

Sonstige: 0

112 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B352. zur Person s. PLRE I, 589 (Maximus 43). Da diese Inschriftenbasis später am Embolos wiederverwendet wurde, muß der einstige Aufstellungsort unsicher bleiben.

113 Diese existieren durchaus an anderen Stellen in der Stadt: IvE II, 312 u. 313; IvE IV, 1314, 1315 u. 1316. 114 So etwa die Scholastikia-Thermen oder der Hadrianstempel: Foss, Ephesus 70ff. (mit Lit.-Angaben). 115 IvE Ia, 42.

116 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B340ff.

117 C. Foss, Stephanus, Proconsul of Asia and Related Statues, in: Okeanos. Essays presented to I. Sevöenko on his Sixtieth Birthday by his Colleagues and Students (= Harvard Ukrainian Studies VII), Cambridge / Mass. 1983, 204f.

Der Embolos (Kuretenstraße) 289

Die sicher zur letzten Ausstattungsphase gehörenden Statuen verteilen sich wie folgt: Kaiser bzw. Angehörige der Kaiserfamilie: 3 Prokonsuln: 7 Sonstige: 2

Die seit tetrarchischer Zeit wiederbeginnende statuarische Ausstattung öffentlichen Raumes war klar auf die Repräsentation des neuen Regierungssystems, der Tetrarchie, gerichtet: Da dies aber nur durch die Vierzahl der Kaiser eindrücklich versinnbildlicht werden konnte, ergab sich eine relativ hohe Zahl an Kaiserstatuen. Die Prokonsuln fielen ebenso wie Privatleute nicht ins Gewicht; man darf annehmen, daß ein Teil der Prokonsulstatuen nach dem Erdbeben entfernt wurde. Aber auch Kaiserstatuen konnten ersetzt werden, wie die Statue des Vaters Theodosius' I. zeigt, die jene des Maximian ablöste118. Im 5. und 6. Jh. verschob sich das Gewicht zugunsten der Statuen des Prokonsuls — Hinweise auf Kaiserstatuen aus dem 5. Jh. fehlen.

Grundsätzlich sind auch bestimmte Verteilungsprinzipen erkennbar. Der Hadrianstempel behält als Monument des Kaiserkults über seine Auflassung hinaus seine Funktion gewisser-maßen bei. Die Tetrarchen besetzten den Platz vor dem Tempel durch ihre Statuen und nur dem Vater des Theodosius war es erlaubt, die Statue Maximians zu verdrängen. Die Prokonsulstatuen waren auf der unteren Hälfte des Embolos verteilt, nahmen aber bevorzugt repräsentative Stand-orte ein, so etwa die Alytarchenstoa als architektonischen Rahmen. Auf der Nordseite des oberen Abschnitts des Embolos finden sich dagegen noch heute vornehmlich ältere Siegesbasen"9. Bei diesen handelt es sich den Inschriften zufolge um Nikestatuen, die von privaten Stiftern errichtet wurden: ... Tip) Nekqv ciweeriKe o. ä.120. Hier folgt als letzte Basis auf der linken Seite die des Arztes Alexander mit dem noch erhaltenen und wiederaufgerichteten Torso. Sonstige Inschriften Verschiedene kaiserliche Erlasse wurden am Embolos aufgestellt121: Die Reskripte des Kaisers Valens an Eutropios und an Phestos wurden bereits im Zusammenhang mit dem Oktogon erwähnt. Zu nennen ist noch ein Brief, den Konstantius II. an Marinos rich-tete und in dem er einen gewissen Philippos ehrte. Dessen Abschrift fand sich als Plattenbelag wiederverwendet vor dem Hadrianstempe1122 . Auf einer Säule der Alytarchenstoa befindet sich eine Ehrenbezeugung an den Prokonsul Heliodoros, der sein Amt um 440 innehatte123 . Bei den Scholastikiathermen wurde schließlich eine Inschrift gefunden, in der der Prokonsul Phlegethios aufgrund von Bitten der Ephesier den Smyrnäern vergab124 . Es zeigt sich, daß es sich fast durch-weg um Erlasse handelt, in denen entweder der Stadt konkrete Hilfeleistungen versprochen, oder

118 Dies könnte mit der damnatio memoriae zusammenhängen, der Maximian verfiel: Lact., de mort. persec. 42,1; Euseb, Hist. Eccl. 8, 13, 15.

119 F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B325. 12o IvE II, 522-526. 121 Zusammengefaßt bei Foss, Ephesus 67 Anm. 42. 122 A. Bammer / R. Fleischer / D. Knibbe, Führer durch das archäologische Museum in Sekuk- Ephesos, Wien

1974, 104-108 (mit Übs.); IvE Ia, 41 (mit Übs.). In dem Brief werden von Konstantius II. die Verdienste eines gewissen Philippos hervorgehoben, der nach 344 praefectus praetorio per orientem war. Dieser sollte in den reichen Städten (in opimis urbibus) mit vergoldeten Statuen (statuae inauratae) geehrt werden.

123 IvE la, 44 (mit Übs.); F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B283f.; PLRE II, 532f. (Heliodorus 9). 124 IvE IV, 1352. Gefunden bei den Scholastikiathermen. Ursprünglich in der Kolonnade an der Nordseite des

unteren Straßenabschnitts (Kuretensäulen Nr. 1035); jetzt im Prytaneion, von wo es in spät antiker Zeit verschleppt wurde. Zur Person s. PLRE II, 880 (Phlegetius 2).

290 Ephesos

aber, allgemeiner, die Privilegien von Ephesos anerkannt werden bzw. die Bedeutung der Stadt

betont wird. Unter die erste Kategorie fällt der Erlaß, mit dessen Durchführung der Prokonsul

Eutropios betraut wurde und der eine Reaktion auf die Erdbebenschäden zu sein scheint. Eine

Inschrift, in der sich die Bedeutung der Stadt ausdrückt, ist der an Phestos adressierte Erlaß. Die

übrigen epigraphischen Zeugnisse am Embolos sind stark personenbezogen, einmal wird der ver-

diente Philippos geehrt, ein andermal handelt es sich um eine Ehrenbezeugung für den Prokonsul

Heliodoros, und auch Phlegethios ließ seine Akklamationsrufe inschriftlich fixieren'25.

Die Anbringungsorte dieser Inschriften scheinen oft willkürlich und spontan. Wurde die

Sockelverkleidung des Oktogons offenbar genutzt, weil sich hier die große geglättete Fläche zur

Aufnahme eines längeren Inschriftentexts anbot, so scheinen die Säuleninschriften spontan auf-

grund eines konkreten Anlasses (Akklamation, sonstige Feierlichkeit) angebracht worden zu sein.

Funktion Nicht nur die Fülle der statuarischen Ausstattung, auch die zahlreichen Gesetzes-

texte und Erlasse, die hier ausgestellt wurden, zeigen die Bedeutung des Embolos als Zentrum

des spätantiken Ephesos. The Embolos, lined with shops, statues and monumental public buil-

dings, axis of a major residential district, was the center of late antique Ephesus' 26. Die Funktion

dieser Straße war vielfältig. Zunächst einmal ist die kommerzielle Bedeutung zu erwähnen. Da

ein Großteil des Embolos auch von Läden flankiert wurde, diente er sicher als Einkaufsstraße.

Die lebhafte Frequentierung des Embolos machte sich die Führungsschicht zunutze. Er wurde

zur Bühne einer reichen statuarischen Repräsentation, in der der Kaiser eine zunehmend gerin-

gere Rolle spielte, wohingegen die lokalen Magistraten, allen voran der Prokonsul, an Bedeutung

gewannen.

Über den Embolos erreicht man schließlich die Obere Agora, den sog. Staatsmarkt von Ephesos.

6. Die Obere Agora (Staatsmarkt) — das Forum des Theodosius

Der Staatsmarkt umfaßt ein Areal von 160 m x 56 m127. Begrenzt wird die langgestreckte Platz-

anlage im Süden, Norden und Osten von Hallenbauten. Die Ostseite ruht auf Substruktionen.

Inmitten des Platzes, leicht nach Westen verschoben, sind die Fundamente eines Tempels zu

sehen. Erst hinter den Hallenbauten finden sich im Norden das Prytaneion, die Heiligtümer der

Dea Roma und des Divus Iulius sowie das Bouleuterion/Odeion, im Osten das Variusbad und im

Süden ein Nymphäum. Wie sich besonders gut an der Modellrekonstruktion ablesen läßt, üben

diese Rahmenbauten keinerlei optische Wirkung auf den Platz aus, sondern bleiben hinter den

Säulenhallen verborgen. Eingefaßt war der freie Platz von Bänken, wie sich an der Ostseite der

südlichen Halle zeigt'28. In der Mitte des Platzes befand sich ein kleiner Rundtempel, der wahr-

125 Vgl. hierzu den Befund in Aphrodisias: C. Rouech6, Acclamations in the Later Roman Empire: New Evidence from Aphrodisias, JRS 74, 1984, 181-199, hier 197; C. Rouech6, Aphrodisias in Late Antiquity. The Late Roman and Byzantine Inscriptions Including Texts from the Excavations at Aphrodisias (= Studies for the

Promotion of Roman Studies 5), London 1989, 131.

126 Foss, Ephesus 66.

127 Zum Staatsmarkt s. J. Keil, ÖJh 23, 1926, B278ff.; F. Miltner, ÖJh 45, 1960, B25f; W. Alzinger, Das Regierungsviertel, ÖJh 50, 1972/75, B229-300, bes. 295-9; RE Suppl. XII (1970) 1606f. (W. Alzinger); Foss, Ephesus 80ff. u. 134.

128 Foss, Ephesus 82.

Die Obere Agora (Staatsmarkt) - das Forum des Theodosius 291

scheinlich der Isis geweiht war. Die Obere Agora war das Verwaltungszentrum von Ephesos, das auch zeremoniellen Anlässen diente129. Der eigentliche Handelsbetrieb fand auf der dem Hafen näher gelegenen Unteren Agora statt.

Die Geschichte des Platzes läßt sich bis in lysimachische Zeit verfolgen. Damals ließ man den alten Friedhof auf, der vom 6. bis ins 4. Jh. verwendet wurde, und legte den Platz an. Von den hellenistischen Bauten ist infolge der kaiserzeitlichen Überbauung kaum etwas erhalten. In augusteischer Zeit entstand an der Nordseite - auf erhöhtem Niveau - die dreischiffige ionische Halle mit den Stierkopfkapitellen. Mit der Planung begann vielleicht schon Antonius; ihm ist möglicherweise der Isistempel im Zentrum des Platzes zu verdanken. Bis ins 4. Jh. wurden keine einschneidenden Veränderungen an dem in augusteischer Zeit ausgestalteten Platz vorgenom-men13°.

a. Spät antike Baumaßnahmen

Ursächlich für die spätantiken Umbauten dürften die Erdbebenkatastrophen der 50er- und 60er-Jahre des 4. Jh. gewesen sein. Zwischen den weiten Kolonnaden des Mittelschiffs der Basilika an der Nordseite des Staatsmarkts wurden zusätzliche Stützen eingezogen, um die baufällige Dachkonstruktion zu sichern131 . Die vielen Säulenfragmente, Kapitelle und Basen, die z. T. noch in situ gefunden wurden, zeigen, daß man beim Wiederaufbau Spolien verwendete. In diese Zeit fallen möglicherweise Spuren der Christianisierung. So wurde - wie auch anderswo - der Name der Artemis auf der Bauinschrift der Halle ausgelöscht; auf den im Bereich der Stoa gefundenen Statuen des Augustus und der Livia finden sich in die Stirn eingehauene Kreuze132. Eine teilweise Zerstörung des Baus durch Brand ereignete sich gegen Ende des 4. Jh., die Zerstörung der Basilika geschah wahrscheinlich durch Erdbeben um 500 n. Chr.133 . Im Ostbereich der Halle wurde in byzantinischer Zeit ein Peristylhaus eingebaut; unter dem Pflaster fand sich ein Porträtkopf des 5. Jh., der für den Einbau einen terminus post quem liefert, sowie Münzen des Kaisers Anastasius134 . Etwa im 7. Jh., möglicherweise 614 n. Chr., bei der Eroberung durch die Araber, wurde auch dieses Peristylhaus zerstört.

Die Ostseite des Oberen Marktes begrenzte die Osthalle, die erst in spätantiker Zeit, vielleicht unter Theodosius I., erbaut wurde. Es handelt sich um eine einfache Kolonnade, die man auf dem erhöhten Platzniveau errichtete, nachdem der Isistempel eingeebnet worden war'35. Wahr-scheinlich wurde der Isistempel in theodosianischer Zeit zerstört und zugleich das Platzniveau um 30 cm gehoben'36 . Schließlich erfolgte die Überbauung des Platzes durch Privathäuser (vgl.

129 W. Eiliger, Ephesos. Geschichte einer antiken Weltstadt, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1985, 63. 13° W. Alzinger, ÖJh 50, 1972/75, B295. 131 RE Suppl. XII (1970) 1635 (W. Alzinger); ders., ÖJh 50, 1972/75, B295. 132 RE Suppl. XII (1970) 1635 (W. Alzinger). Das bedeutet wohl, daß die Statuen zunächst weiterhin in der

Halle öffentlich ausgestellt waren. 133 RE Suppl. XII (1970) 1635 (W. Alzinger); ders., ÖJh 50, 1972/75, B266. Verwendung von Spolienmaterial

für die Johannesbasilika und für ein Privathaus, das im östlichen Bereich der Portikus entstand. 134 RE Suppl. XII (1970) 1635f. (W. Alzinger). Porträtkopf: J. Inan / E. Alföldi-Rosenbaum, Römische und

frühbyzantinische Porträtplastik aus der Türkei. Neue Funde, Mainz 1979, Nr. 151. 135 W. Alzinger, ÖJh 50, 1972/75, B296. 136 RE Suppl. XII (1970) 1601 (W. Alzinger).

292 Ephesos

die Anlagen zur Wasserverteilung)137. Auch fanden sich im Bereich der Oberen Agora Gräber

aus byzantinischer Zeit.

Südlich der Oberen Agora befindet sich ein Nymphäum, das im 4. Jh. unter dem Prokon-

sul Caelius Montius wiedererrichtet wurde'38. Im Schutt vor dem Nympheion fand man zwei

Panzerstatuen, vermutlich des Konstantius II. und Konstans139 .

Aus spätantiker Zeit sind keine Inschriftenbasen erhalten; hierin gleicht der Befund dem

der Unteren Agora. Die Obere Agora scheint in spätantiker Zeit nicht als Ort statuarischer

Repräsentation genutzt worden zu sein.

b. Forum des Theodosius

Im British Museum in London existiert eine Inschrift aus Ephesos, die einen (1)6ec:K OeoSoo- Lowciq

erwähnt 140:

(Kreuz) X M F (Kreuz)

(1)6 os

eo8ocy Lavk

Die Übersetzung des Begriffs *Tog' bereitete Schwierigkeiten. Während noch C. Curtius den

Begriff mit `tragend. (yoe6q) übersetzte und hier einen Türsturz vermutete, erkannte Hicks den

wahren Wortsinn und äußerte die Ansicht, daß sich der Inschriftenstein wohl am Eingang eines

Forums des Theodosius befand'41. Umstritten ist die Interpretation der Abkürzung X M

Eine mögliche Auflösung ist X(et,a-rk ö bc,) M(oceice0 1 (evvelkk)'42. W. Alzinger nimmt an,

daß diese Inschrift vom Oberen Markt stammt, da J. T. Wood, der die Inschrift nach London

transferierte, gerade auch hier Grabungen unternommen hattem. An der Oberen Agora seien,

so Alzinger, im Gegensatz zur Unteren Agora, dem Handelsmarkt, größere spätantike Umbauten

vorgenommen worden, die möglicherweise mit der Umbenennung des Platzes in Zusammenhang

stünden. Alzinger vermutet, daß die Inschrift über dem Tor, das in der Osthalle des Staatsmarkts

festgestellt wurde, angebracht war. Foss äußert sich demgegenüber skeptisch'44: zunächst sei der

Fundort der Inschrift ungewiß, so daß es sich bei dem Theodosiusforum auch um eine andere

Platzanlage gehandelt haben könnte. Auch das Argument, daß sich an der Unteren Agora keine

spätantiken Umbauten feststellen lassen, treffe nicht zu: hier seien Wiederherstellungsarbeiten

an den Kolonnaden und den Läden vorgenommen und auch die Zugänge verändert worden145 .

137 F. Eichler, AnzWien 102, 1965, 96f.

138 IvE IV, 1316 u. 1317. F. Eichler, AnzWien 100, 1963, 47; RE Suppl. XII (1970) 1606 (W. Alzinger).

139 R. Heberdey, ÖJh 15, 1912, B175f. (Abb. 137f.). Die Panzerstatuen, die sich jetzt im Archäologischen Muse-um von Izmir befinden, stammen wohl aus dem 2. Jh., doch wurden ihnen offenbar nachträglich spätantike Porträtköpfe aufgesetzt.

140 E. L. Hicks, The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British Museum, Part III, Sect. II: Ephesos, London 1890, 185, Nr. 184; Gregoire, Recueil (a. 0.), 1014; J. N. Bakhuizen van den Brink, De oudchristelijke Monumenten van Ephesus, Den Haag 1923, 93ff. Nr. VII. IvE V, 1534.

141 C. Curtius, Hermes 4, 1870, Nr. 28, 214; Hicks (a. 0.) 185 Nr. 534.

142 Bakhuizen, a. 0. 96ff.; IvE V, S.58f.

143 RE Suppl. XII (1970) 1601 (W. Alzinger); ders., ÖJh 50, 1972/75, B297ff.; Doch grub Wood auch im Bereich der Unteren Agora: W. Wilberg, FiE III, 90.

144 Foss, Ephesus 82f. Anm. 70. 145 Foss, Ephesus 63.

Die Obere Agora (Staatsmarkt) - das Forum des Theodosius 293

Dennoch gesteht Foss zu, daß die Funktionsteilung, die zwischen diesen beiden Platzanlagen bestand - Handelsmarkt in Hafennähe und Verwaltungszentrum im oberen Stadtbereich -, eher für eine Identifizierung der Oberen Agora mit dem Theodosiusforum spricht146.

Die Frage nach der Datierung der Anlage ließe sich vielleicht anhand der Abbreviatur X M F lösen: Wenn mit diesen drei Buchstaben tatsächlich auf die Gottesmutterschaft Mariens angespielt wird, dann wäre das Konzil von Ephesos 431 n. Chr. ein plausibler Datierungsanhalts-punkt. Das Forum wäre dann zu Ehren Theodosius' II. angelegt worden.

Zum Vergleich: Das Arkadiusforum in Side Im spät antiken Side wurde ebenfalls ein Kaiserfo- rum angelegt, das hier als Vergleich herangezogen sei. Es trug den Namen des Arkadius, wie aus einem Inschriftenstein hervorgeht, der sich heute vor dem Nymphäum vor dem Stadttor befindet (Taf. 32.1). Die offenbar unvollendete Inschrift lautet'47:

Töv ycieov TÖV A eKUISLOCKÖV TÖV 'ICLI.71/1)1[10V TO`Ü SEGICÖTOU T1 oZicoup,(gvn).

Der Fundort läßt vermuten, daß der Platz zwischen Nymphäum und Stadttor mit dem inschrift-lich genannten Arkadiusforum gleichbedeutend war148. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die-ser Platz mit Steinplatten gepflastert wurde und an drei Seiten eine Einfassung aus steinernen Stufen erhielt (dies begegnete auch auf dem Oberen Markt in Ephesos). Über das gewaltige Nymphäum, das die Ostseite des Platzes begrenzte, ist nur wenig bekannt, da eine eingehendere Untersuchung fehlti-49.

Die Inschrift aus Side zeigt, daß der Befund in Ephesos nicht allein steht. Offenbar waren Kaiserfora in der Provinz nicht unüblich und dienten als Mittel des Loyalitätsbeweises gegenüber dem regierenden Kaiser. In beiden Fällen handelte es sich wohl nicht um Neuanlagen, sondern um Umgestaltungen bereits bestehender Anlagen. Vielleicht beschränkte man sich auch nur auf eine Neuausstattung mit Statuen des regierenden Kaiserhauses.

146 Foss, Ephesus 64 Anm. 34. 147 E. Bosch in: A. M. Mansel / E. Bosch / J. Inan, 1947 senesi Side kazilarina dair önrapor (Vorläufiger Bericht

über die Ausgrabungen in Side im Jahre 1947), Türk Tarih kurumu yayinlarindan, ser. V, 11, 1951, Nr. 32; A. M. Mansel, Die Ruinen von Side, Berlin 1963, 13. J. und L. Robert, BullEp 1951, 194 Nr. 219a; J. No116, Die Inschriften von Side, im Druck, Nr. 166. J. Nolld gewährte mir freundlicherweise Einblick in sein noch ungedrucktes Manuskript.

148 Anders J. und L. Robert, BullEp 1951, 194 Nr. 219a, die vermuten, daß die `agora principale' von Side sich in frühbyzantinischer Zeit Arkadiusforum nannte.

149 A. M. Mansel, Side Nymphaeum'unda Bulunan Ixion Kabartmasi, Anadolu 2, 1957, 79-85 (dt. Res. 'Ein Ixion-Relief aus dem Nymphäum von Side', ibid. 87f.). Die Errichtung des Baus wird in die Mitte des 2. Jh. datiert. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte über die statuarische Ausstattung dieses Nympäums, die sicherlich existierte; nur die noch in situ befindlichen Reliefplatten am Rand des Bassins zeugen von der einst wohl großartigen Ausstattung.

II. Interpretation

Die Veränderungen, die das Erscheinungsbild einer römischen Provinzmetropole in der Spätanti-

ke erfahren konnte, sind in Ephesos relativ gut erforscht und darzustellen. Es änderten sich nicht

nur das Aussehen der Stadt, sondern auch Inhalt und Vermittlungsweise städtischer Selbstdar-

stellung.

Wie in Rom bedeutete die tetrarchische Zeit auch in Ephesos einen Einschnitt in der Stadt-

geschichte. Spuren von Wiederherstellungstätigkeit in dieser Epoche zeigen beispielsweise das

Artemision, der Hadrianstempel, das Hydreion am Embolos und das Hafengymnasiums. Viel-

leicht wurde auch der Statthalterpalast in tetrarchischer Zeit errichtete. Die weitere spätantike

Architektur- und Ausstattungsgeschichte von Ephesos ist, wie so häufig, ein Wechsel von schwe-

ren Erdbeben und Wiederherstellung der zerstörten Bausubstanz. Ein Erlaß der Kaiser Valen-

tinian, Valens und Gratian an den Prokonsul Eutropios, der aus dem Jahre 371 n. Chr. datiert,

bezieht sich auf die Erdbebenkatastrophen der Jahre 358, 365 und 3683. Bereits nach dem ersten

Erdbeben hatte Kaiser Valens angeordnet, daß den Städten ein Teil ihres Eigentums zurückgege-

ben werden sollte, damit sie den Wiederaufbau finanzieren könnten. Durch großzügige Spenden

sollte Ephesos vom häßlichen Staub der alten Trümmer befreit werden und wieder sein eigenes

Aussehen zurückerhalten.

Doch brachten gerade die Zerstörungen des 4. Jh. die Bautätigkeit in Ephesos wieder in

Schwung, da für Neubauten Unmengen von Baumaterial frei wurden, die als Spolien wiederver-

wendet werden konnten'. Auch im 5. Jh. hielt die Bautätigkeit an, obwohl verläßliche Aussagen

hierüber aufgrund des weitgehenden Fehlens präziser Datierungen nicht immer möglich sind. Als

Bauherren begegnen meist die Prokonsuln der Provinz Asien: Viersäulenmonument, Pflasterung

der Marmorstraße, Umbau der Celsusbibliothek und der Vorplatzes, Scholastikiathermen, Hera-

klestor etc. waren Bauprojekte der lokalen Beamtenschaft bzw. reicher privater Stifter. Erst mit

dem Bau der Johannesbasilika erhielt Ephesos wieder eine bedeutende kaiserliche Stiftung. Das

Stadtzentrum verlagerte sich in justinianischer Zeit auf den Ayasolukhügel. Nach 614 wurde das

1 Artemision: Foss, Ephesus 86f. mit Anm. 84; Hadrianstempel: IvE II, 305; Foss, Ephesus 70f.; Hydreion: IvE II, 308-9; F. Miltner, ÖJh 45, 1960, B25f.; Foss, Ephesus 78; Hafengymnasium: IvE III, 621; Foss, Ephesus 27 (nicht sicher, welches Gymnasium).

2 Foss, Ephesus 51.

3 IvE I, 42. W. Eiliger, Ephesos. Geschichte einer antiken Weltstadt, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1985, 176.

Skeptisch gegenüber der Auswirkung dieser Erdbeben, die nie für Ephesos selbst überliefert werden, gibt sich Foss, Ephesus 188ff. (Appendix IV).

Vgl. W. Jobst, ÖJh 54, 1983, B241f., und A. Bammer, Ephesos. Stadt an Fluß und Meer, Graz 1988, 150f.

Obere und Untere Agora im Vergleich 295

Stadtgebiet verkleinert; man errichtete einen neuen Befestigungsrings. Das letzte bedeutende Bauprojekt der frühbyzantinischen Epoche war die Umwandlung der Marienkirche6.

1. Embolos und Arkadiane im Vergleich

Wichtige Schauplätze des städtischen Lebens waren in Ephesos bezeichnenderweise zwei Straßen, die Arkadiane und der Embolos7. Vergleicht man sie miteinander, so zeigt sich, daß sie unter-schiedliche praktische und ideelle Funktionen hatten. Der Arkadiane fehlte - wenn der inschrift-liche Befund nicht trügt - im Gegensatz zum Embolos eine reiche statuarische Ausstattung. Erst durch die nachträgliche Vereinnahmung dieser Straße durch das Viersäulenmonument im 6. Jh. verwandelte sich die Arkadiane in den Einzugsbereich eines weithin ausstrahlenden Monuments kaiserlicher Selbstdarstellung. Auch sind Graffitti vergleichsweise selten. Die Arkadiane war eine lebenswichtige Arterie, die dem Handel diente, aber nicht das Zentrum öffentlichen Lebens in der Spätantike. Hierfür sprechen auch die Topos-Inschriften bestimmter Händler und Handwer-ker, die ihrerseits auf dem Embolos fehlen. Zwar gab es auf dem Embolos auch Läden, aber allein die Sperrung der Straße für den Fuhrverkehr in der Spätantike zeigt, daß die Funktion dieses Straßenabschnitts nicht kommerzieller Natur gewesen sein konnte. Man verwandelte den Straßenabschnitt durch den Bau eines Tordurchgangs in eine langgestreckte Fußgängerzone, de-ren weihevolle Atmosphäre nun nicht mehr vom Lärm der Karrenfahrer beeinträchtigt wurde8. Der profane Charakter der Straße wurde reduziert; die Einschränkung ihres Gebrauchs durch die Sperrung für den Güterverkehr und ihre Auszeichnung durch den Torbau hoben auch den Gang durch den Embolos über die Alltäglichkeit hinaus. Durch die ausschließliche Nutzung der Straße durch Fußgänger intensivierte sich der Eindruck, den die zahlreichen Monumente entlang des Embolos ausübten9. Schließlich diente der Embolos wohl auch als eine Art Museum und Ruhmeshalle. Dokumente der Stadtgeschichte wurden hier konserviert, Kaiserbriefe öffentlich bekannt gemacht, verdiente Personen geehrt. Siegesbasen versinnbildlichten das Überlegenheits-gefühl und suggerierten die Prosperität der Stadt Ephesos. Der Straßenabschnitt zwischen Cel-susbibliothek und Oberem Markt war weniger verkehrstechnisch von Bedeutung, sondern diente vielmehr zur Rezeption der hier dargebotenen Monumente - der spätantike Embolos blieb dem betrachtenden Publikum vorbehalten'''.

5 Foss, Ephesus 105ff. u. 111; W. Müller-Wiener, IstMitt 11,1961, 86ff. 6 M. Restle, RBK II, 1971, 166-180 s. v. Ephesos; Foss, Ephesus 112. 7 Zum folgenden vgl. Foss, Ephesus 58. 8 Vgl. F. Miltner, ÖJh 44, 1959, B353f.; Foss, Ephesus 66. 9 So werden auch die zahlreichen Graffitti auf dem Straßenpflaster verständlich: Foss, Ephesus 66.

1° Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, daß der Embolos als Prozessionsweg diente: A. Bammer, ÖJh 50, 1972/75, B391f.; Engelmann in: FS A. Betz (a. 0.), 252ff. Eine jüngere Arbeit von G. Rogers behandelt eine Inschrift, in der eine Prozession aus dem Jahre 104 n. Chr. beschrieben ist, die sich vom Artemistempel zum Magnesischen Tor und von dort durch die Stadt zog: G. M. Rogers, The Sacred Identity of Ephesos, London 1991. An anderer Stelle ist von wilden dionysischen Prozessionen entlang der Kuretenstraße in der späteren Kaiserzeit die Rede: J. Keil, Zum Martyrium des hl. Timotheos in Ephesos, ÖJh 29, 1935, 82-92; H. Engelmann in: FS A. Betz, 252f. Für die Spätantike fehlen solche Zeugnisse, doch zeigt der reichhaltige Befund an Inschriftenbasen, daß der Embolos auch zu dieser Zeit nicht seinen Charakter als Prozessionsstraße verloren hatte.

296 Ephesos

2. Obere und Untere Agora im Vergleich

Ein vergleichbares Verhältnis wie zwischen Arkadiane und Embolos bestand in der Kaiserzeit

zwischen der Unteren Agora, dem Handelsmarkt, und der Oberen Agora, dem Staatsmarkt. Man

interpretierte dieses Nebeneinander im Sinne des Aristoteles, der entsprechend das Vorhanden-

sein einer 'freien' Agora für die Politik und einer 'Agora der Waren' für eine Stadt forderten.

Entsprechend sei auch die Obere Agora mit den anschließenden Bauten als administratives und

politisches Zentrum von Ephesos zu interpretieren, während für die Untere Agora eine Funk-

tion als Marktplatz naheliege. Eine solche Teilung nach Aufgabenbereichen kann auch für die

Spätantike vermutet werden. Zwar ist das Fehlen eines inschriftlichen Befunds aus dem 4. Jh.

und später auffallend, doch könnte dies im Falle der Unteren Agora mit deren Fortleben als

profaner Marktplatz erklärt werden, während die Obere Agora ihren weihevollen Charakter als

Theodosiusforum wahrte. Doch muß dies Vermutung bleiben. Aufgrund der spärlichen Anzei-

chen spätantiker Ausstattungstätigkeit auf der Unteren und Oberen Agora verstärkt sich der

Eindruck, daß sich in der Zeit seit den Erdbeben das öffentliche Leben von den Plätzen auf

die Straßen verlegt hat. Am meisten muß das völlige Fehlen spät antiker Ehrenstatuen auf den

Platzanlagen von Ephesos verwundern. Scheinbar ließ sich mit Ausnahme Julians kein Kaiser,

aber auch kein Magistrat eine Statue auf den Agorai von Ephesos setzen.

3. Statuarische Ausstattung

Statt dessen ist es die Säumung der Hauptverkehrswege durch Statuen, die gerade für Ephesos

in der Spätantike so typisch ist. Offenbar waren die in sich abgeschlossenen Platzanlagen keine

geeigneten Bühnen mehr für statuarische Repräsentation. Man suchte Straßen als Standorte für

spätantike Magistraten- und Kaiserstatuen, da man sich offenbar hier eine größere Wirkung ver-

sprach als auf den verkehrstechnisch abgelegenen Platzanlagen. Weder der Handelsmarkt noch

der Staatsmarkt waren als Passageplätze konzipiert. Die statuarische Ausstattung der Spätanti-

ke, die die Konfrontation mit der Menschenmenge suchte, mußte diese abgeschlossenen Bezirke

fast zwangsläufig übergehen.

Doch reihte man die Statuen nicht konzeptlos entlang der Straßen; statt dessen bediente man

sich gewisser 'Aufstellungsgesetze', wie die in situ gefundenen Inschriftenbasen deutlich machen.

Gerade Fassaden wurden häufig mit spätantiken Statuen ausgestattet, wie die der Tetrarchen

(und des Vaters Theodosius' I.) vor dem Hadrianstempel, die Statuen des Diokletian und Ma-

ximian vor dem Hydreion am Memmiusbau oder die Statuen der Kaiser Konstantius II. und

Konstans vor dem Nymphäum am Staatsmarkt zeigen. Auch in der spätantiken Alytarchenstoa

stand eine Gruppe von Magistratenstatuen, die in dieser Säulenhalle einen architektonischen

Rahmen fanden: Die Prokonsuln Messalinos, Stephanos und Ailios Dulkitios sowie ein gewisser

Probos waren hier dargestellt.

Die Celsusbibliothek ist ein besonders anschauliches Beispiel für den Wandel und gleich-

zeitigen Erhalt antiker Repräsentationsstrukturen in frühbyzantinischer Zeit. Das statuarische

11 W. Alzinger, ÖJh 50, 1972/75, B241; W. Eiliger, Ephesos. Geschichte einer antiken Weltstadt, Stuttgart -

Berlin-Köln- Mainz 1985, 64. Aristoteles, Politik VII 1331a.

Statuarische Ausstattung 297

Programm wurde z. T. usurpiert und neue Adressaten für die einst dem Celsus zugesprochenen Ehren wurden gefunden. Die markanteste Position innerhalb des zweiregistrigen Programms fiel nun Philippos zu. Dabei achtete man jedoch die Grundstruktur des Programms, die in einer Auflistung der Tugenden bestand: man besetzte die Eunoia des Celsus neu durch die Ennoia des Philippos. Ähnlich verhielt es sich mit der Bauinschrift des Stephanos. An zentraler Position, über dem Mittelfenster, entstand ein Lobvers, der in typisch spätantik-intellektualisierender Art und Weise den Nymphäumsumbau des Stephanos preist.

Der Befund am Embolos erlaubt auch Aufschluß über den jeweiligen Anteil, den die verschie-denen sozialen Gruppen an der Statuenausstattung der Stadt hatten: Vergleicht man die beiden spätantiken Ausstattungsphasen mit denen der hohen Kaiserzeit, so stellt man einen deutlichen Verlust der Herkunftsvielfalt bei den Geehrten fest. Führten zunächst noch die unterschiedlich-sten Gründe zu einer statuarischen Ehrung, Sieg bei einem Agon, hohes Amt, Stiftung, etc., so begegnete in der Spätantike nur noch ein kleines Spektrum an Würdenträgern. Diese Ent-wicklung verlief parallel mit dem Bedeutungsverlust der klassischen politischen Institutionen. Dieser Bedeutungsverlust läßt sich exemplarisch an der spätantiken Geschichte des Prytaneions verfolgen: Das Prytaneion wurde Ende 3. / 4. Jh. einem Umbau unterzogen, im 4. Jh. erfolgte die Entnahme von Baumaterial für die Thermen der Scholastikia, zuletzt wurde es schließlich in eine Zisterne umgewandelt12 .

Der Querschnitt der in der Kaiserzeit am Embolos aufgestellten Statuen vermittelt das Bild eines öffentlichen Raumes, in dem die tragenden sozialen Schichten gegenwärtig sind. Die Erd-bebenkatastrophe führte dazu, daß eine große Anzahl von Statuen offenbar zerstört wurde und deren Inschriftenbasen als Baumaterial frei wurden13. Doch zeigte sich, daß man zwar beim `Wegräumen' der Standbilder vergangener Lokalgrößen wenig Skrupel kannte, jedoch offensicht-lich 'neutrale' Statuenstiftungen konservierte. Die Selbstdarstellung der Oberschicht wurde im spätantiken Stadtbild gewissermaßen erneuert, während zeitlos gültige Standbilder, Niken, my-thologische Themen etc., beibehalten wurden. Darüber hinaus läßt sich feststellen, daß im 5. Jh. die statuarische Ehrung der Kaiser hinter der des Prokonsuls zurücktritt: Erst wieder mit den beiden Viersäulenmonumenten an der Arkadiane und an der Unteren Agora entstanden stadtbeherrschende Monumente zu Ehren der Kaiserfamilie.

Schließlich bedürfen die zahlreichen Nikebasen, welche die Erdbebenkatastrophen der 50er-und 60er-Jahre des 4. Jh. überlebt haben, einer Erklärung: Warum wurden sie belassen, mögli-cherweise sogar erneuert, während die Statuen der um Ephesos verdienten Männer aufgegeben wurden? Möglicherweise lag es an der Aktualität, welche die 'Siegesthematik' gerade in der Spätantike besaß; man denke bloß an die vielen Inschriften mit der Formulierung: 76xri Tal

VLIfi)t. Es wäre durchaus denkbar, daß die zahlreichen Nikestatuen, welche die Bildausstattung am Embolos auch in spätantiker Zeit bereicherten, Ausdruck des Selbstgefühls der 'siegreichen' Stadt Ephesos waren.

12 W. Alzinger, ÖJh 50, 1972/75, B248f. 13 D. Knibbe, ÖJh 49, 1968/71, B6.

298 Ephesos

4. Nobilitierung des Stadtbilds in der Spät antike

Die spätantike Ausstattungstätigkeit in Ephesos zeichnete sich auch dadurch aus, daß man ältere

Friese als Spolien wiederverwendete. Nicht nur die Einfassung des Nymphäums vor der Celsus-

bibliothek bestand aus Spolienreliefs, auch der Brunnen im Atrium der Konstantiusthermen

wurde aus wiederverwendeten Friesen errichtet. Daneben wäre noch der Fries in der Vorhalle des

Hadrianstempels zu erwähnen, der zwar spätantiken Entstehungsdatums ist, aber ebenfalls als

Spolie Neuverwendung fand. Diese Beispiele zeigen, daß man in der Spätantike um die Erhaltung

der älteren Reliefplastik bemüht war und diese in neue architektonische Kontexte einfügte. Auch

diese Maßnahmen trugen dazu bei, das Bild städtischen Reichtums aufrechtzuerhalten.

Exemplarisch kann hierfür die Umwandlung der Celsusbibliothek in die Fassade eines Nym-

phäums genannt werden, dessen Brunnenbecken sich aus den wiederverwendeten Reliefplat-

ten des Parthermonuments zusammensetzte. Unter den erhaltenen Platten wurden besonders

markante Szenen, Schlachtendarstellungen, dann aber auch frontale Personendarstellungen aus-

gewählt, die vom Passanten mit einem neuen Sinn belegt und damit uminterpretiert werden

konnten14 . Mit dem Bibliotheksplatz und dem Bereich davor entstand ein öffentlicher Raum mit

den wenigen, aber typischen Elementen einer spätantiken Platzanlage, einem Nymphäum mit

repräsentativer Fassadenwand, statuarischer Ausstattung und einer Portikus an einer Seite.

Bis ins 5. Jh. versuchte man die öffentlichen Bereiche von Ephesos repräsentativ zu erhalten

und zu gestalten. In erster Linie erreichte man dies durch die wiederholte Instandsetzung des

Bodenbelags sowie durch den Bau bzw. die Wiederherstellung der Portiken. Am auffallendsten

ist die fast verschwenderische Verwendung von Marmor als Bodenbelag. Auf seinem Weg vom

Hafen zum Oberen Markt bewegte sich der Besucher auf einem durchgehenden Pflaster aus

Marmorplatten, von denen ein großer Teil auch Spolien sind, also spätantiken Verlegedatums.

Der allgemeine Trend zur 'Veredelung' des Stadtbilds durch Marmorverkleidungen drückt sich

auch in einem Erlaß des Kaisers Zenon aus, der sich mit der privaten Überbauung öffentlichen

Raumes auseinandersetztn. Hierin heißt es, daß man die unerlaubte private Überbauung von

Säulenhallen nachträglich dadurch legalisieren könne, indem man die Einbauten mit Marmor

verkleide (!). Marmor wurde also als das Medium schlechthin zur Aufwertung des Stadtbilds an-

gesehen. Eine marmorgepflasterte Straße muß dem spätantiken Betrachter städtischen Reichtum

und Wohlergehen signalisiert haben.

Daneben fällt die hohe Anzahl von Brunnen auf, die das Stadtbild des spätantiken Ephe-

sos bestimmte. Man legte innerhalb des neuerrichteten Atrium Thermarum Constantianarum

Brunnenbecken an, für die möglicherweise Reliefplatten des Parthermonuments wiederverwen-

det wurden, man renovierte das Nymphäum an der Rückseite des Theaters, man errichtete

14 Ein bekanntes Beispiel einer späteren Uminterpretation sind die Reliefsäulen Konstantinopels, die vor und nach der lateinischen Eroberung als Darstellung des künftigen Schicksals Konstantinopels interpretiert wur-den. S. u. S. 323.

15 Cod. Iust. 8.10,12,6 (vgl. die Übs. von C. F. F. Sintenis, Leipzig 1832, 174f.): Zudem verordnen wir, daß es keinem erlaubt sei, in den öffentlichen Säulenhallen vom sogenannten Milion bis zum Kapitol viele Säulen hintereinander mit Buden aus bloßen Brettern zu verbauen ..., ferner daß dergleichen Buden oder Werkstätten auswärts mit Marmor verziert werden sollen, um der Stadt zur Zierde und den Vorübergehenden zum Wohl- gefallen zu gereichen. D. Claude, Die byzantinische Stadt im 6. Jh. Byz. Archiv 13), München 1969, 54.

Nobilitierung des Stadtbilds in der Spätantike 299

vor der Celsusbibliothek ein Brunnenbecken, ein Heroon am Embolos wurde im 5. Jh. in ein Nymphäum umgewandelt, das Trajansnymphäum erfuhr ebenfalls Umbauten in der Zeit nach den Erdbeben, das Hydreion westlich des Memmiusbaus wurde vermutlich in tetrarchischer Zeit neuausgestattet, vielleicht auch restauriert und erhielt Statuen des Diokletian und wohl auch Maximian, das Nymphäum am Oberen Markt wurde unter Konstantius II. umgestaltet. Ein weiterer Straßenbrunnen am Stadion datiert ebenfalls spätantikes.

Es stellt sich die Frage, warum in der Spätantike so viele neue Brunnen errichtet wurden. H. Thür erklärt dies durch die Zerstörung des Wasserleitungsnetzes infolge der Erdbeben des 4. Jh.17: Die öffentlichen Brunnen seien als Ersatz für die Wasserversorgung der Privathäuser gebaut worden. Diese Erklärung überzeugt nicht, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen wurden spätantike Brunnenanlagen z. T. einander eng benachbart im Stadtgebiet errichtet, was sich nicht mit einem plötzlichen Bedarf an öffentlichen Wasserstellen erklären läßt. Zum anderen findet sich eine hohe Dichte an spätantiken Brunnenanlagen auch an anderen Orten, so etwa in Sufetula und in Sidem. Es ist ganz offensichtlich, daß gerade fließendes Wasser und seine entsprechende architektonische Inszenierung zu einem der wesentlichen Elemente zählen, die in spätantiker Zeit als typisch städtischer Luxus empfunden wurden.

Das Charakteristische an der Provinzmetropole Ephesos — um dies noch einmal zu betonen —ist die völlige Vernachlässigung ihrer Platzanlagen am Ausgang der Antike; man verlagerte die Selbstdarstellung auf die Straße, die teilweise geradezu museal inszeniert wurde, wie die Stille-gung des Embolos für den Fuhrverkehr zeigt. Interessanterweise erfolgte diese Selbstdarstellung nicht nur durch statuarische Ehren für Magistraten und den Kaiser, sondern auch durch die Ehrung von Persönlichkeiten, die für die Stadt anderweitig von Bedeutung waren. Daneben fin-den sich aber auch zahlreiche Anspielungen auf die mythische Gründung der Stadt. Schließlich sind noch die öffentlich angebrachten Edikte zu erwähnen, in denen ebenfalls die Bedeutung der Stadt Ephesos, ihr Anspruch und ihre Förderungswürdigkeit betont werden. Durch die Anla-ge zahlreicher Brunnen sowie die (Wieder-)Verwendung von Marmor bewahrte die Stadt ihren Glanz und damit die Erinnerung an die wirtschaftliche Prosperität des 2. Jh. In einer überaus vielschichtigen Weise wird also die Selbstdarstellung von Ephesos inszeniert, einer Stadt, die sich nicht nur als bedeutende Metropole Kleinasiens und als Sitz des Prokonsuls vorführt, sondern in ihrer grundsätzlichen Privilegierung durch politisches Gewicht und mythisches Alter.

16 Brunnen im Atrium Thermarum Constantianarum: F. Eichler, ÖJh 49, 1971, Beih. 134f.; W. Oberleitner in: Funde aus Samothrake und Ephesos, Wien 1978, 90f.; Abb. bei Foss, Ephesus Abb.18. Nymphäum an der Rückseite des Theaters: FiE III, 273; Foss, Ephesus 56. Trajansnymphäum: F. Miltner, OJh 44, 1959, B339f. Abb. 184-6. Hydreion beim Memmiusbau: IvE II, 308 (Statuenweihung des Julius Antoninus an Diokletian). Nymphäum am Staatsmarkt: IvE IV, 1316/7 (Restauration durch den Prokonsul Caelius Montius); Foss, Ephesus 24f. Spätantiker Straßenbrunnen: W. Jobst, Ein spät antiker Strassenbrunnen in Ephesos, in: Studien zur spät antiken und byzantinischen Kunst (= FS F. W. Deichmann), Bonn 1986, I, 47-62. Vgl. zu den spätantiken Brunnen auch RE Suppl. XII (1970) 1607f. (W. Alzinger).

17 H. Thür, Das Hadrianstor in Ephesos (= FiE XI/1), Wien 1989, 127f. 18 N. Duval, Observations sur l'urbanisme tardif de Sufetula / Tunisie, Cahiers de Tunisie 12 (1964), Nr. 45/46,

87-103; A. M. Mansel, Die Ruinen von Side, Berlin 1963, 53-76.

D. DIE STÄDTE ROM, KONSTANTINOPEL UND EPHESOS IM VERGLEICH

Waren Rom und Ephesos gewachsene Organismen, deren städtebauliche Struktur feststand, so galt dies weit weniger für das neu zu gründende Konstantinopel, dessen Terrain nur zu einem Bruchteil von dem alten Byzantion vereinnahmt worden war. Besaßen die alte Hauptstadt und die Hauptstadt der Provinz Asia ein bereits vorgegebenes Stadtbild, in dem nur noch geringfügige Veränderungen und 'Korrekturen' möglich waren, so bildete die Stadt am Bosporus eine gigan-tische Neuanlage, die nur in geringem Maße auf bereits bestehende Bausubstanz Rücksicht neh-men mußte. In Konstantinopel boten das Gelände zwischen der alten und der konstantinischen Stadtmauer und schließlich auch das Gebiet der theodosianischen Stadterweiterung ausreichend Raum für die Entfaltung eines neuartigen urbanistischen Konzepts und den Neubau zahlreicher monumentaler Anlagen'.

Entsprechend entstanden mit den Kaiserfora Konstantinopels sehr homogene Platzanlagen, wie etwa der Blick auf das kreisrunde Konstantinsforum zeigt, dessen 'Idealplan' eine einheitliche Konzeption zugrundeliegt. Aber auch die neu angelegten Fora des Theodosius und des Arkadius waren architektonisch fest definierte Platzanlagen, die über Toranlagen betretbar waren und dem Betrachter jeweils als in sich geschlossenes Ganzes erschienen. In Rom und in Ephesos lassen sich Veränderungen, aber auch Konservierungen älterer Anlagen beobachten: Forum Romanum und Kaiserfora waren in der Spät antike bereits geschichtsträchtige Komplexe, und auch das im 4. / 5. Jh. in Ephesos angelegte Theodosiusforum war wohl nur die Umwandlung einer bereits bestehenden Platzanlage.

Erdbebenkatastrophen, aber auch Barbareneinfälle und Eroberungen bildeten entscheidende Faktoren für die Urbanistik der Spätantike. Nach einer jahrhundertelangen Pause begegnen zum ersten Mal wieder schwere Zerstörungen im Stadtbild. Die Bedrohung durch Feinde zwang im 3. und 4. Jh. reichsweit zum Bau von Stadtmauern. Die Baugeschichte von Rom und Ephesos zeigt, daß man die Zerstörungen nicht zum Anlaß für Neuanlagen nahm, sondern auf dem alten Erscheinungsbild der Stadt beharrte. Man beschränkte sich auf die Reparatur beschädigter oder zerstörter Bauten — wenn auch der Charakter der Reparatur und die spezifische Modifizierung des alten Bestands oft viel über die neue Auffassung der Stadt in der Spätantike aussagen.

Die spät antiken Eingriffe in das Stadtbild dieser drei Städte hatten unterschiedliche Auftrag-geber. Kaiserliche Bautätigkeit ließ sich am Forum Romanum kaum beobachten: im gesamten Rom der Spätantike dominiert der Stadtpräfekt als Bauherr. Die kaiserliche Bautätigkeit kon-zentrierte sich hingegen auf die junge Stadt am Bosporus. In Ephesos fällt die Rolle des Bauherrn meist dem Prokonsul der Provinz Asia zu.

1 Zur Stadtanlage des vorkonstantinischen Byzantion vgl. Berger, Altstadt passim.

302 Rom, Konstantinopel und Ephesos im Vergleich

Doch wäre es unzutreffend zu sagen, daß in Konstantinopel der Kaiser alleiniger Bauherr

war. Auch dort ist der Eparch teilweise verantwortlich für Planung und Ausführung öffentli-

cher Bauprojekte. Dabei läßt sich ein deutlicher Unterschied zur Stiftertätigkeit des römischen

Stadtpräfekten ablesen. Während die Stiftungen des Konstantinopler Stadtpräfekten stärker der

Verherrlichung des regierenden Kaisers dienten, spielte dieser Aspekt im Rom des 4. und 5. Jh.

nur noch eine untergeordnete Rolle. Abgesehen von der üblichen Aufstellung von Kaiserstatuen

richteten die Stadtpräfekten ihr Augenmerk dort vor allem auf die Konservierung des traditio-

nellen Stadtbilds.

Ausdruck dieses Gegensatzes sind die spätantiken Forumsstiftungen in den beiden Haupt-

städten. Während in Konstantinopel bis in die Regierungszeit Leons I. Kaiserfora entstanden,

errichteten hochrangige Aristokraten in Rom eine Gruppe von Forumsanlagen, die meist die

Namen von Stadtpräfekten trugeng. Diese auch auf die Selbstdarstellung der römischen Adels-

schicht ausgerichteten Platzanlagen sind deutlichstes Zeichen für die Autonomie, die die dortige

Aristokratie nach dem Fortzug des Kaisers erlangte. In Konstantinopel blieb der Kaiser innerhalb

des Stadtbilds die bestimmende Person. Der senatorischen Oberschicht in der neuen Hauptstadt

fehlte das Selbstbewußtsein, das gerade für die stadtrömische Aristokratie zu dieser Zeit so ty-

pisch war3. Ein Trajansforum, das auch in der Spät antike noch die Statuen verdienter Männer

aufnahm, war in Konstantinopel nicht vorhanden. Hier dominierte allein der Kaiser.

Vor diesem Hintergrund können überhaupt erst die Platzanlagen von Rom und Konstantino-

pel und ihre Ausstattungen miteinander verglichen werden. Vordergründige Übereinstimmungen

sind allein schon aus den genannten Gründen nicht zu erwarten; zu fragen ist auch weniger nach

oberflächlichen Parallelen, als vielmehr nach vergleichbaren Wirkungsstrukturen innerhalb des

architektonischen Umfelds und der statuarischen Ausstattung.

Der augenfälligste Unterschied zwischen den stadtrömischen Fora und den Konstantinopler

Platzanlagen war ihre städtebauliche Einbindung. Die römischen Fora bilden eine dicht bei-

einanderliegende Ansammlung von Platzanlagen, abgeschlossene Bezirke innerhalb des antiken

Stadtzentrums; nur wenige Verkehrsachsen wie das Argiletum führten durch diesen Bereich. Im

Gegensatz hierzu waren die Konstantinopler Kaiserfora nie abgeschlossene Bezirke; sie reihten

sich statt dessen wie die Perlen einer Kette entlang der Mese und waren Durchgangsstationen auf

der Hauptverkehrsstrecke Koristantinopels. Allesamt waren sie also Passagefora, und ihre Wir-

kung und Aussage richteten sich nicht nur an den auf dem Forum Verweilenden, sondern auch an

den Passanten, der des Wegs kam. Diesem Charakter als Durchgangsstation wurde auch die ar-

chitektonische Struktur der Konstantinopler Platzanlagen gerecht. Sie besaßen nach all dem, was

sich über ihr einstiges Erscheinungsbild aussagen läßt, kein architektonisches 'Ziel'; kein Tempel

bildete den Abschluß einer einseitig ausgerichteten Platzanlage, wie es etwa bei den stadtrömi-

schen Kaiserfora der Fall war; der Weg stoppte nicht vor einem abschließenden Heiligtum, sei

es nun der Mars-Ultor-Tempel, der Tempel der Pax, der Minerva oder etwa des vergöttlichten

Trajan. Hier waren Toranlagen und rahmende Portiken neben den zentralen Säulenmonumenten

die wesentlichen konstitutiven Elemente. Mit ihnen wurde ein durchschreitbarer Raum geschaf-

2 Zu dieser Gruppe von Forumsanlagen, die hier nicht näher besprochen werden konnte, s. R. E. A. Palmer, Studies of the Northern Campus Martius in Ancient Rome (= TransAmPhilSoc 80,2), 1990, 45ff.

3 Zum Senat und zur Aristokratie von Konstantinopel s. Dagron, Naissance 117-210.

Rom, Konstantinopel und Ephesos im Vergleich 303

fen, dessen Mittelpunkt ein Denkmal zu Ehren des Kaisers bildete. Hierfür eignete sich die Ehrensäule. Ähnlich wie der Tempel eines divus war sie zwar Ausdruck für die überragende, gottgleiche Stellung des Kaisers, benötigte aber wesentlich weniger Platz. Sie stellte sich in den Weg, ohne den Weg zu verstellen. War die Trajanssäule eng umbaut durch die Basilica Ulpia, die beiden Bibliothekssäle und den Tempel des vergöttlichten Trajan4, befand sich die Säule des Mark Aurel im Zentrum eines Platzes, der seitlich an die Via Lata anschloß, so standen die Säulenmonumente in Konstantinopel auf Plätzen, die entlang der Mese aufgereiht und damit Teil des Hauptverkehrsweges der Stadt waren. Nur so ließ sich das Bedürfnis einer intensiven Repräsentation mit der architektonischen Notwendigkeit des Durchgangs verbinden.

Vergleich des Trajansforums mit dem Theodosiusforum Ein Vergleich zwischen dem Trajans- forum und dem Theodosiusforum auf dem Tauros kann den grundsätzlichen Unterschied der Konstantinopler Fora zu den deutlich früheren Kaiserfora Roms veranschaulichen. Daß die Re-liefsäule ebenso wie die auf dem Xerolophos, von römischen Vorbildern, insbesondere von der Trajanssäule inspiriert wurde, ist unwidersprochen. Zu fragen ist jedoch, ob darüberhinaus auch die Anlage des Trajansforums als Ganzes kopiert wurde5.

Einige Bau- und Ausstattungselemente wiederholten sich auf den beiden Platzanlagen: Ne-ben der Reliefsäule besaßen beide, Trajans- und Theodosiusforum, eine Basilika, einerseits die Basilica Ulpia, ein dreischiffiger Bau mit Galerien und zwei Exedren an den Enden, der sich quer über die Forumsanlage legte und den Bereich der Bibliothek und der Säule von dem wei-ten Platz mit dem Reiterstandbild Trajans abtrennte, andererseits die Basilica Theodosiana, die von der Notitia erwähnt und von Kedrenos genauer beschrieben wird. Außerdem enthielt das Theodosiusforum als weitere Analogie ein Reiterstandbild des Theodosius — neben dem des Arkadius.

Doch dürfen diese Detailähnlichkeiten noch nicht zur Annahme verführen, beim Theodosius-forum handle es sich um eine Architekturkopie des Trajansforums In keiner byzantinischen Quelle werden explizit Analogien zwischen dem Trajansforum und dem Forum Tauri erwähnt. Die oben vorgeschlagene Rekonstruktion des Theodosiusforums6, die hinsichtlich der Standorte von Säule und Reiterstandbilder keinesfalls gesichert ist, hat offensichtlich sehr wenig mit dem Trajansforum gemein. Statt dessen ist hier von der Übernahme einzelner Elemente auszugehen, die dem spätantiken Repräsentationsbedürfnis gemäß neu kombiniert wurden.

Auch die verschiedenartige urbanistische Einbindung der beiden Platzanlagen spricht gegen eine architektonische Kopie des Trajansforums. Die Lage an der Mese, die das Theodosiusforum zu einer Etappe auf dem Hauptverkehrsweg Konstantinopels machte und die den transitori-schen Charakter dieser Platzanlage hervorrief, ist vom stadtrömischen Vorbild grundverschieden. Durch die Lage an der Hauptverkehrsachse wird auch die Lage der Säule determiniert: Befand sich auf dem Forum Traiani die reliefierte Triumphalsäule nicht in der Platzmitte, sondern ver-

4 Vgl. hierzu S. Stucchi, Tantis viribus. L'area della colonna nella concezione generale del Foro di Traiano, ArchCl 41, 1989, 237-92; C. M. Amici, Foro di Traiano. Basilica Ulpia e biblioteche, Rom 1982, bes. 88ff.

5 Vgl. zu dieser Frage auch Kollwitz, Oström. Plastik 7f.; Becatti 88f.; Mango, C'ple 43f.; M. Restle, RBK IV, 1990, 403 s. v. Konstantinopel.

6 S. o. S. 197 (Abb. 63).

304 Rom, Konstantinopel und Ephesos im Vergleich

steckt hinter der Basilica Ulpia, zwischen den Bibliotheksbauten, so wurde die Theodosiussäule

— wie auch die Konstantins- und Arkadiussäule — frei stehend errichtet.

Ein Vergleich der unterschiedlichen Gestaltung der Säulen weist darauf hin, daß zwar Einzel-

elemente von dem stadtrömischen Vorbild übernommen, jedoch völlig neuartig adaptiert wur-

den: Die Arkadiussäule — einziger Anhaltspunkt für das Aussehen der Theodosiussäule — zeigt,

daß man die Ablesbarkeit und Fernwirkung steigerte7. Wie im Falle der Reliefsäulen, so muß auch

für die Gesamt anlagen festgehalten werden, daß die spätantiken Fora kaiserzeitliche Vorbilder

rezipierten, diese jedoch für spätantike Rezeptionsgewohnheiten adaptierten. Nicht unser neu-

zeitlicher Kopiebegriff bestimmte das Konzept des Theodosiusforums. Es handelte sich beim

Theodosiusforum auch auch nicht um eine Kopie des Trajansforums im architektonischen Sinne,

sondern um ein Nachahmen von Wirkungsweise und Idee.

Vergleich des Forum Romanum‘ mit dem Augusteion Auch Forum Romanum und Augustei-

on können einige Gemeinsamkeiten beanspruchen. Beide Platzanlagen waren geschichtsträchtige

Organismen, deren spätantikes Erscheinungsbild nicht auf einen einheitlichen Entwurf zurück-

ging, sondern auf Umbauten und Modifikationen. Beide Platzanlagen erhielten in der Spätantike

ein Säulenmonument, das sich jedoch nicht im Zentrum befand, sondern in der optischen Flucht

der Zugangswege8. Auch eine einheitliche architektonische Rahmung wurde erstrebt, einerseits

durch den gleichförmigen Vorhang von Ehrensäulen, die seit tetrarchischer Zeit das Forum um-

gaben, auf der anderen Seite durch Säulenhallen, die die einstige Agora von Byzantion in eine

homogene, architektonisch fest definierte Platzanlage verwandelten. Obendrein soll sich P. Gyl-

lius zufolge entlang der Nordostseite des Augusteions eine Reihe von Säulen befunden, also eine

weitere enge Parallele zum Forum Romanum existiert haben: Wie das Forum erhielt auch das

Augusteion als Rahmung des Platzes Reihen von Säulenmonumenten, die es allmählich seines

profanen Charakters beraubten und in einen Bereich der Kaiserverehrung verwandelten.

Für Ephesos liegen kaum Nachrichten von Umgestaltungen seiner Platzanlagen in der Spätantike

vor. Hier zeigte sich vor allem entlang der Straßen, welche die Stadt durchzogen, wie man sich

selbst Bedeutung und Wohlstand suggerierte. Mit dem Embolos entstand in Ephesos ein pracht-

voller öffentlicher Raum von fast musealem Charakter, in dem den Einwohnern von Ephesos die

eigene Größe vor Augen geführt werden sollte — sicher letztendlich ein Ausdruck der Bedrohtheit

der eigenen Bedeutung, die so künstlich verlängert werden sollte.

Doch sind die Gemeinsamkeiten, die sich zwischen Rom und Konstantinopel auf der einen

Seite und Ephesos auf der anderen Seite ergeben, nicht als Abhängigkeit einer Provinzstadt von

der Hauptstadt zu interpretieren, vielmehr handelt es sich um parallele Phänomene, um gleichar-

tige Ursachen, die zu ähnlichen Verhaltensweisen führen. Die alte Hauptstadt Rom und die neue

Hauptstadt Konstantinopel übten keinen nennenswerten Einfluß auf die Provinzstädte aus. Alle

typisch großstädtischen Architekturen, Kolonnadenstraßen, Hippodrom, Thermen, Aquädukte,

waren bereits seit langem als Elemente einer Metropole im Bewußtsein verankert und können

nicht als Versuch, hauptstädtische Formen zu imitieren, gewertet werden. Die Ähnlichkeit zahl-

reicher spätantiker Metropolen — Trier, Mailand, Sirmium, Thessaloniki, Nikomedia, Antiochia

7 S. U. S. 324f.

8 S. U. S. 364f.

Rom, Konstantinopel and Ephesos im Vergleich 305

— ist Ergebnis der Bautatigkeit der Tetrarchen in ihren neuen Residenzstadten: deren Impulse nahm Konstantinopel auf, nicht umgekehrt9. Hier liegt weniger eine einseitige Abhangigkeit vor, als vielmehr das Ergebnis der urbanistischen Vereinheitlichung der Residenzstadte in tetrarchi-scher und friihkonstantinischer Zeit.

Die Beispiele von konkreten Obernahmen hauptstadtischer Vorbilder durch Provinzstadte sind selten. Man mag die Einrichtung von Kaiserfora in Ephesos und Side als Versuch zweier Provinzmetropolen ansehen, ein als typisch hauptstadtisch empfundenes Element in der Provinz einzurichten; doch wurden nicht die hauptstadtischen Architekturformen dabei imitiert, sondern nur bereits bestehende Platzanlagen umgewandelt. Nur der Name wurde nachgeahmt, nicht die Architekturen. Allenfalls ahnelten sich die Wirkungsstrukturen, wie die Inszenierung des Arka-diusforums von Side zeigt: Wie das Konstantinopler Arkadiusforum von der Mese durchzogen wurde und von jedem, der die Stadt betrat oder verlieI3, durchschritten werden mate, so befand sich auch das Arkadiusforum von Side am Nadelohr Stadttor und mul3te von jedem passiert werden. Doch mag bereits ein solcher Vergleich zu weit fiihren. Es zeigte sich bereits am Ver-gleich des Theodosiusforums mit dem Trajansforum, daf3 die Anwendung eines neuzeitlichen Kopiebegriffs das Besondere der Beziehung gerade nicht erfate. Vielleicht ergaben sich fur den spatantiken Betrachter Analogien, die wir heute nicht mehr wahrnehmen konnen.

Am ehesten mag man noch die bereitwillige Errichtung von Saulenmonumenten fur den Kai-ser und ihre Einbindung in die Stadtlandschaft als Reflex typisch Konstantinopler Losungen ansehen: Die Phokassaule in Rom ist gewif3 nicht ohne die Vorbilder am Bosporus denkbar, und auch das ephesische Viersaulenmonument geht wahrscheinlich auf Konstantinopler Anregungen zuriick. Auch die hier nicht eingehend besprochene Stadtanlage von Justiniana Prima (Abb. 93) orientierte sich in ihrer Ausrichtung auf den zentralen Rundplatz zwar an Konstantinopel, doch ergeben sich auch dort deutliche Unterschiede zur neuen Hauptstadt am Bosporus, die in die-sem Fall sogar eine Weiterentwicklung bedeutenw. Es wurde nie eine Anlage direkt als Vorbild iibernommen oder gar kopiert. Ein spatantikes urbanistisches Gestaltungskonzept schlechthin 15,13t sich nicht fassen, existierte wohl auch nicht. Die ausgehende Antike und das beginnende Mittelalter ani3ern sich nicht in festen stadtebaulichen oder ausstattungstechnischen Regeln. Zu bestimmend waren die Vorgaben der Antike. Statt dessen sind es die verschiedenartigen Formen des Umgangs mit der Vergangenheit, welche diese Epoche charakterisieren.

9 Vgl. zu den tetrarchischen Residenzstadten A. Frazer, The Iconography of the Emperor Maxentius' Buildings in Via Appia, ArtB 48, 1966, 385-92; G. Dagron in: P. Rossi (Hg.), Modelli di citta, Turin 1987, 156ff.

1° Zum Rundplatz von Justiniana Prima s. S. 370ff.