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Aufsätze/Essay s „Oxbridge" in der ausgehenden Spätantike oder: Ein Vergleich der Schulen von Athen und Alexandrien von Markus Vinzent In der Vergangenheit war man es gewohnt, von einer „Akademie von Athen" zu sprechen und den theologischen bzw. philosophischen Unter- richt im spätantiken Alexandrien als „Schule" oder „Universität" zu bezeichnen 1 . Vor allem der französische Gelehrte Victor Cousin, Mitglied der Academie Fran9aise, hatte das Bild einer glorreichen und mächtigen „Schule von Alexandrien" mit ihrem jüdischen Vorreiter Philo gezeichnet, einer Bildungsinstitution, die schließlich die besten Köpfe, die die Spät- antike aufzuweisen hatte, als ihr zugehörig bezeichnen durfte, angefangen von Ammonius Saccas über Plotin bis hin zu Hypatia und ihren Nach- folgern. Schließlich verfeinerte der deutsche Philosophiehistoriker Karl Praechter in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts dieses von Cousin gezeichnete Bild und konturierte es inhaltlich. Praechter zeigte zweierlei: 1 Cf. hierzu A. Le Bouliuec, L'£cole d'Alexandrie. De quelques aventurcs d'un concept historiographique, in: . Heilenisme, Judaisme er Chrisrianisme a Alexan- drie, FSCl. Mondesert, Paris 1987,403-417 (ebd., auch zu Victor Cousin); Karl Praechter, Christlich-neuplatonischc Beziehungen, ByZ 21,1912, 1-27 (jetzt in: ders., Kleine Schrif- ten, hg. v. Heinrich Dörrie, Collectanea 7, Hildesheim/New York l973,138-164 (hiernach zit.j); ders., Richtungen und Schulen im Neuplatonismus, in: Genethliakon für Carl Robert zum 8.3.1910, Berlin 1910, 105-156 (jetzt in: ders., Kleine Schriften, 165-216 (hiernach zit.J). Der vorliegende Beitrag geht auf eine Gastvorlesung an der Faculty of Divinity der Universität Cambridge/Großbritannien im Jahr 1996 zurück. Für Anregungen danke ich den Herren Prof. Dr. Wolfram Kinzig (Bonn) und Dr. Wolf-Friedrich Schaufele (Köln). Leider gibt es keine tiefgreifende Übersicht zur höheren Bildung der Spätantike; es liegen lediglich Untersuchungen zu verschiedenen Hochschulorten vor; eine Reihe von Titeln findet sich bei: W. Kinzig, .Trample upon me ...*. The Sophists Asterius and Heccbolius: Turncoats in the Fourth Century A.D., in: L.R. Wickharn/C.P. Bammel (Eds.), Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity. FS G.C. Stead, SVigChr 19, Leiden u.a. 1993, 92-111; das Materia! für einen ersten Überblick stellt vor W. Liebeschuetz, Art. Hochschule, RAC 15, 1991, 858-911; für einzelne Hochschulorte gesichtet und sehr übersichtlich dargestellt wird es durch die leider unpublizierte und auch per internationale Fernleihe nicht zu erhaltende These d'Etat von Jean Frar^ois Duneau, Les ecoles dans les provinces de rempire byzantin ju&qu'ä la conquete arabe, Paris 1971. Man greift also in der Regel weiterhin zurück auf H.-!. Marrou, Histoire de l'Ütducation dans PAnriquitc, Paris M 965, der das Thema der höheren Bildung jedoch nicht erschöpfend behandelt, und auf das altere Werk von J.W.H. Waiden, The Universities of Ancient Grcece, London 1912, welches heute in vieler Hinsicht zu ergänzen ist; aufschlußreich für Tcilaspcktc (Umkreis Libantus) ist P. Wolf, Vom Schulwesen der Spätantike. Studien zu Libanius, Baden-Baden 1952. ZAC, vol. 4, pp. 49-82 O Walter de Gruyter 2000 Bereitgestellt von | Universitäts- und Forschungsbiblio Angemeldet Heruntergeladen am | 05.11.14 12:3

"Oxbridge" in der ausgehenden Spätantike

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Aufsätze/Essay s

„Oxbridge" in der ausgehenden Spätantikeoder: Ein Vergleich der Schulen von Athen und Alexandrien

von Markus Vinzent

In der Vergangenheit war man es gewohnt, von einer „Akademie vonAthen" zu sprechen und den theologischen bzw. philosophischen Unter-richt im spätantiken Alexandrien als „Schule" oder „Universität" zubezeichnen1. Vor allem der französische Gelehrte Victor Cousin, Mitgliedder Academie Fran9aise, hatte das Bild einer glorreichen und mächtigen„Schule von Alexandrien" mit ihrem jüdischen Vorreiter Philo gezeichnet,einer Bildungsinstitution, die schließlich die besten Köpfe, die die Spät-antike aufzuweisen hatte, als ihr zugehörig bezeichnen durfte, angefangenvon Ammonius Saccas über Plotin bis hin zu Hypatia und ihren Nach-folgern. Schließlich verfeinerte der deutsche Philosophiehistoriker KarlPraechter in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts dieses von Cousingezeichnete Bild und konturierte es inhaltlich. Praechter zeigte zweierlei:1 Cf. hierzu A. Le Bouliuec, L'£cole d'Alexandrie. De quelques aventurcs d'un concept

historiographique, in: . Heilenisme, Judaisme er Chrisrianisme a Alexan-drie, FS Cl. Mondesert, Paris 1987,403-417 (ebd., auch zu Victor Cousin); Karl Praechter,Christlich-neuplatonischc Beziehungen, ByZ 21,1912, 1-27 (jetzt in: ders., Kleine Schrif-ten, hg. v. Heinrich Dörrie, Collectanea 7, Hildesheim/New York l973,138-164 (hiernachzit.j); ders., Richtungen und Schulen im Neuplatonismus, in: Genethliakon für Carl Robertzum 8.3.1910, Berlin 1910, 105-156 (jetzt in: ders., Kleine Schriften, 165-216 (hiernachzit.J).

Der vorliegende Beitrag geht auf eine Gastvorlesung an der Faculty of Divinity derUniversität Cambridge/Großbritannien im Jahr 1996 zurück. Für Anregungen danke ichden Herren Prof. Dr. Wolfram Kinzig (Bonn) und Dr. Wolf-Friedrich Schaufele (Köln).Leider gibt es keine tiefgreifende Übersicht zur höheren Bildung der Spätantike; es liegenlediglich Untersuchungen zu verschiedenen Hochschulorten vor; eine Reihe von Titelnfindet sich bei: W. Kinzig, .Trample upon me ...*. The Sophists Asterius and Heccbolius:Turncoats in the Fourth Century A.D., in: L.R. Wickharn/C.P. Bammel (Eds.), ChristianFaith and Greek Philosophy in Late Antiquity. FS G.C. Stead, SVigChr 19, Leiden u.a.1993, 92-111; das Materia! für einen ersten Überblick stellt vor W. Liebeschuetz, Art.Hochschule, RAC 15, 1991, 858-911; für einzelne Hochschulorte gesichtet und sehrübersichtlich dargestellt wird es durch die leider unpublizierte und auch per internationaleFernleihe nicht zu erhaltende These d'Etat von Jean Frar^ois Duneau, Les ecoles dans lesprovinces de rempire byzantin ju&qu'ä la conquete arabe, Paris 1971. Man greift also inder Regel weiterhin zurück auf H.-!. Marrou, Histoire de l'Ütducation dans PAnriquitc,Paris M 965, der das Thema der höheren Bildung jedoch nicht erschöpfend behandelt, undauf das altere Werk von J.W.H. Waiden, The Universities of Ancient Grcece, London1912, welches heute in vieler Hinsicht zu ergänzen ist; aufschlußreich für Tcilaspcktc(Umkreis Libantus) ist P. Wolf, Vom Schulwesen der Spätantike. Studien zu Libanius,Baden-Baden 1952.

ZAC, vol. 4, pp. 49-82O Walter de Gruyter 2000

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a) daß die Art und Weise, wie Phiiosophieunterricht in Alexandrienund Athen betrieben wurde, miteinander vergleichbar sei, doch

b) daß man inhaltlich zwischen dem stärker christianisierten Alexan-drien und dem rein paganen Athen zu unterscheiden hätte.

Cousins und'Praechters Bild, so eindrucksvoll es war, wurde jedoch inder Folgezeit Zug um Zug destruiert, sowohl betreffs der Vergleichbarkeitder Unterrichtsweisen wie der Differenzierung der gelehrten Inhalte. DieKritik ging bald so weit, daß mitunter überhaupt die Rede von einerSchule von Alexandrien als historiographisches Abenteuer bezeichnetwerden konnte2. Herausragendster Kritiker war wiederum ein Franzose,Henri-Irenee Marrou. In seinem Gefolge trat dann auch Ilsetraut Hadotmit ihren weiterführenden Untersuchungen hervor, um der Bezeichnung„Schule von Alexandrien" eine radikale Absage zu erteilen.

Marrou bezweifelte die erste Hypothese Praechters, die die institutio-nellen Parallelen zwischen Athen und Alexandrien betraf. Er verdeutlichte,daß sich der Philosophieunterricht in Athen völlig anders gestaltet habe alsin Alexandrien und ein Vergleich darum unangebracht sei. In Athen, hieltMarrou Praechter entgegen, hätten die Studenten an einem Institut miteiner klaren Struktur und einer ungebrochenen Abfolge von Leiterpersön-lichkeiten die Vorlesungen verfolgt, während in Alexandrien lediglichprivate Philosophielehrer vorhanden gewesen seien, die ohne institutionel-le Unterstützung unterrichtet hätten. Tatsächlich finden wir in Athen eineSukzession von Lehrern über mehrere Generationen, bei der jeweils derfrühere Schüler beim Tod des Meisters dessen Stelle in der Leitung derPhilosophenschule einnahm. Dies gilt zumindest für die Zeit Plutarchs, derim Jahr 432 n.Chr. stirbt, und reicht über Syrianus, Proclus3, Marinus,Isidorus4 bis zu Zenodotus und in gewisser Hinsicht bis zu Damasciusherab5. Und in der Tat läßt sich eine solche ungebrochene Leitungsüber-gabe für Alexandrien nicht feststellen.

Ilsetraut Hadot knüpfte bei ihren Überlegungen an denen Marrous an,konzentrierte sich jedoch auf die zweite Hypothese Praechters, nämlichauf die angebliche Lehrdifferenz zwischen Athen und Alexandrien. Anstel-le eines Unterrichts mit rein paganen Inhalten in der Stadt am europäi-schen Mittelmeerufer und eines vielfach mit christlichen Elementen durch-

Cf. etwa A. Le Boulluec, L'iLcole d'Alexandrie (wie Anm. 1).Cf. Damasc., vita Isid. (66,8 Zintzen).Cf. Damasc., vita Isid. (292,3-5 Z.).Cf. zu Syrianus: Marinus, vita Procl. (12 Boissonade); zu Proclus: ebd. (12 B.); Damasc.,vita Isid. (66,8; 111,5-8 Z.); zu Marinus: Damasc., vita Isid. (66,8; 111,5-8 Z.); zuIsidorus: Damasc., vita Isid. (292,3-5 Z.); und zu Zenodotus: Damasc., vita Isid. (111,5-8 Z.). Zur Datierung cf. I. Hadot, Le Probleme du Neoplatonisme Alexandrin. Hierocleset Simplicius, EAug, Paris 1978, 10 Anm. 1; Damascius mußte zusammen mit anderenwegen Justinians Gesetz aus dem Jahr 529 gegen heidnischen Philosophieunterrichtemigrieren und ging von Athen nach Persien, cf. hierzu weiter unten.

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setzten Lehrangebotes in Alexandrien stellte Hadot die vielfältigen Berüh-rungspunkte von Lehrern der einen wie der anderen Stadt heraus, wassowohl soziale Kontakte als auch inhaltliche Überschneidungen betrifft.Ihr zufolge waren die philosophischen Ideen, die in Athen und in Alexan-drien vertreten wurden, einander erheblich ähnlicher, als Praechter glau-ben machen wollte, auch wenn die Organisations- und Lehrformen, indenen diese Ideen vorgetragen wurden, sich wesentlich voneinander unter-schieden. Kurz gesagt, wir stehen heute im wesentlichen dem Negativbilddessen gegenüber, was Cousin und Praechter herausgearbeitet hatten.

Der neue Konsens lautet:a) daß die Art und Weise, wie Philosophieunterricht in Alexandrien und

Athen betrieben wurde, nicht vergleichbar sei, undb) daß man inhaltlich zwischen Alexandrien und Athen nicht grund-

sätzlich unterscheiden könne.Ist nun diesem neuen Bild unumwunden zu trauen?

Erst jüngst kam Clemens Schölten, der sich in seiner Bonner Antrittsvor-lesung mit der Schule von Alexandrien insbesondere der Zeit des Origenesbeschäftigte, zu dem Ergebnis, daß sehr wohl, zumindest für die Spannevon Origenes bis Didymus dem Blinden, von einer Schule in Alexandrienzu sprechen sei. Origenes' Unterricht und der seiner Nachfolger zeichnesich insbesondere durch deren Nähe zu paganer Wissensvermittlung aus,sei darum philosophisch geprägt und keineswegs nur als ein christlicheroder gar kirchengemeindlich-katechetischer Unterricht zu betrachten6.Seine These hat bereits erste Zustimmung gefunden7.

Nun möchte ich in den nachfolgenden Zeilen nicht so sehr auf dieErgebnisse Scholtens eingehen und sie einer Relektüre unterziehen, son-dern mein Augenmerk vor allem auf den Zeitraum richten, der an denje-nigen anschließt, den Schölten untersucht hat. Daß das hierbei zu gewin-nende Bild wiederum einen Rückblick auf die vorausgegangene Zeiterlaubt, mag als willkommene Ergänzung zu Scholtens Beitrag gelten. Essei mir verziehen, wenn ich mich in diesem Artikel zunächst auf dieDiskussion von Praechters erster These (a) beschränke, obwohl auch dieebenfalls umfangreiche Studien fordernde These (b) nicht weniger bedeu-tend für die adäquate Beschreibung spätantiken und frühbyzantinischenUnterrichts wäre und ein noch unerfülltes Desiderat der Forschung dar-stellt.

Zunächst scheinen mir zwei kurze Einwände gegen das neue, vonMarrou und Hadot entworfene Gegenbild zu sprechen:

O. Schφlten, Die alexandrintschc Katechetenschule, JhAC 38, 1995, 16-37.Cf. W „A. Lohr. Theodoms der Lederarbeiter und Theodotus der Bankier - ein Beitrag zurromischen Thcologicgeschichte des zweiten und dritten Jahrhunderts, ZNW 87, 1996,(101-125) 124f.

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1. Ein methodologischer Einwand:Auch wenn wir recht gut über den Unterricht in Athen, speziell den der

ncuplatonischen Philosophen, informiert sind, so könnte doch ein Fehlensolcher Informationen für Alexandrien nicht als Argument genommenwerden, um zu behaupten, daß es in Alexandrien einen mit Athen ver-gleichbaren Unterricht nicht gegeben habe. Würde keine Quelle von einerAkademie von Alexandrien sprechen, wäre es weder möglich, die Hypo-these Praechters zu stützen, noch sie zu bestreiten8.2. Ein phänomenologischer Einwand:

Studenten und Lehrende beider Städte (und auch anderer bedeutenderZentren des Unterrichts) standen in engem Kontakt zueinander9. Henri-Irenee Marrou selbst schreibt, es habe sogar ein „Element der Rivalität"zwischen Alexandrien und Athen bestanden10, in etwa vergleichbar mitder Rivalität, die zwischen Cambridge versus Oxford oder Harvard versusYale besteht11!. Rivalität setzt jedoch Vergleichbarkeit voraus, wie etwaCambridge und Oxford oder auch Harvard und Yale vergleichbare Paarevon Instituten höherer Bildung sind, Universitäten, welche es sowohlLernenden wie Lehrenden ohne allzu große Mühe erlauben, von der einenzur anderen Hochschule zu wechseln. Der nämliche Austausch fand nunallerdings nachweislich auch zwischen Alexandrien und Athen und viceversa statt, nicht anders als zwischen anderen Städten und Unversitäts-zentren der Alten Welt12. Mobilität, speziell unter Akademikern, ist einesder herausragendsten Merkmale nicht nur modernen, sondern auch spät-antiken und frühbyzantinischen Gelehrtenlebens. Ein Blick auf die Abfol-8 Es ist methodisch problematisch, aus dem Fehlen von Information in dieser Sache Schlüs-

se zu ziehen, wie es I. Hadot, Le Probleme (wie Anm. 5), lOf. tut: „Si nous continuonsdonc de parier d'une ,ecole neoplatonicienne d'Alexandrie', nous le faisons en utilisant lemot ,ecole' dans le sens le plus large, c'est-ä-dire dans le sens d'une communaute d'espritet de doctrine, et non pas au sens d'une Institution permanente". Auch ist fraglich, ob die„Schule" wirklich eine „communaute d'esprit et de doctrine" war oder nicht.

9 Dies geht zwar immer wieder aus dem Werk von J.F. Duneau, Les ecoles (wie Anm. 1),136-144.197-223, hervor, es führt ihn aber nicht zu einem Vergleich zwischen beidenHochschulorten.

10 Cf. auch J.W.H. Waiden, The Universities (wie Anm. 1), 123f.11 H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene and Alexandrian Neoplatonism, in: A. Momigliano (Ed.),

The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, Oxford 1963,(125-150) 135; der Vergleich des Philosophieunterrichts im Museion von Alexandrien mitOxford, Cambridge oder einer deutschen Akademie der Wissenschaften findet sich bereitsin E. Müller-Graupa, Art. Museion, PRE 16, 1933, (798-821) 808, wobei zugleich einge-schränkt wird: „Indes trifft keiner dieser Vergleiche völlig den Kern der Sache. Am nächstenkommt ihr wohl die platonische Akademie in Florenz unter Cosimo I., die Marsilius Ficinusleitete, wenn man an die persönlichen Neigungen der ersten Ptolemäer für Kunst undWissenschaft, ihren ungezwungenen Verkehr mit den Gelehrten des M., ihre Teilnahme anden wissenschaftlichen Problemen und an den denkt."

12 Wenn in dieser Untersuchung und auch in der Grafik lediglich Alexandrien, Rom undAthen berücksichtigt sind, so zeigt dies natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus dertatsächlichen Welt der philosophischen Gelehrsamkeit. Man braucht nur Eunapius' Vitader Sophisten zu lesen, um etwas von der Weite und Breite der philosophischen Filiationvon Schulen und Lehren zu erfahren.

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ge der Gelehrten, wie sie sich für Alexandrien und Athen erstellen läßt,mag dies belegen:Alexandrien Rom Athen

4 phil. LehrstühleAmmonius Saccas (3. Jh.)13 (Stoa, Epic., Plat.

(- Origenes) und Arist.) (2. Jh.)(- Erennius)(- Plotin, 232-242)

Plotin (ca. 204 [Ägypten]"-269/270) Longinus (ca. 213-273)(- Amelius [aus Etrurien], ca. 246-270)15

(- Eustochius [aus Alex.], ca. 265,erster Editor Plotins)(- Porphyrius) (-Porphyrius)

Alypius17

Porphyrius (232/233 [Palästina]-ca. 304/305)(- Anatolius)16

(- lamblich)lamblicb (Rom oder Sizilien,ca. 250 (Syrien]-ca.320/325)18

ClaudianusOlympius20

(- Dexippus)22

Theon (ca. 379-395)Hypatia (ca. 370-415)

(- Cyrillus von Alexandrien?)(- Synesius, wird Bischof)

Proairesius (276-367/8,Rhetor und Christ)(- Libanius; - Julian)(- Basilius von Caes.)(- Gregor von Naz.)Priscus19

Theodor21

Plutarch (f 432)(- Hierocles)Syrianus (aus Alex.)

Man vgl. auch die Listen bei J.F. Duncau, Les ecolcs (wie Anm. 1), 364f. Zu Ammoniuscf. R. Goulet, Art. Ammonios dit Saccas, Dictionnaire des Philosophes Antiques l, 1989,165-168 (Nr. 140).Eunap., vita soph. 455; cf. Robert J. Pcnclla, Greck Philosophers and Sophists in theFourth Century A.D., Studies in Eunapius of Sardis, ARCA 28, Lceds 1990, 39.Cf. L. Brisson, Art. Amelius, Dictionnaire des Philosophes Antiques l, 1989, 160-164(Nr. 136).Cf. R. Goulet, Art. Anatolius, Dictionnaire des Philosophes Antiques l, 1989, 179-183(Nr. 157).Cf. R.J. Pcnclb, Greck Philosophen (wie Anm. 14), 48; R. Goulet, Art. Alypius d'Alcxan-drie, Dictionnaire des Philosoph« Antiques l, 1989, 153f. (Nr. 129).Cf. PLRE l, 451 f., nr. 2; cf. R.J. Pcnclla, Greek Philosophers (wie Anm. 14), 43-48 (mitwetterer Lit.).Cf. Eunap., vita soph. 473.497 (jeweils zu Oaudianus).481f. (zu Priscus); J.W.H. Waiden,The Universities (wie Anm. 1), 122; PLRE l, 730, nr. 5 (zu Priscus).Cf. Soz-, h*. VII 15,6.8.Cf. PLRE l, 896, nr. 4.G. Leroux, Art. Dexippe, Dictionnaire des Philosophes Antiques 2,1994, 748f. (Nr. 80).

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Alexandrien Rom Athen

Olympiodorus d. Ä.; Gregorius (- Hierocles, Proclus,Hierocles (aus Athen 415-450) Hermias, Domnius)

(- Eneas von Gaza) Proclus (410/2-485)(- Procop von* Gaza) (- Ascleipiodotus aus

Antonius; - Theosebius23 Alexandrien24; Perikles)Hermias (aus Athen)25 Isidorus (aus Alex.)(verh. mit Aidesia26, Syrianus' und MarinusTochter od. Nichte, Freund v. Isidorus'Familie)Ammonius (stud. in Athen)27,

(- Johannes Philoponus Zenodotusist/wird Christ)28

(- Simplicius)Eutocius29 HegiasOlympiodorus der J. (\ ca. 565) Damascius (aus Alex.,Horapollon d.Ä., Heraiscus, Isidorus 458/462-nach 53 8 )30

Johannes, Sopater (Heiden) und dieChristen Menas, Aphthonius31, Theodorus,Horapollon d.J. (Sohn d. Ascleipiodotus)32

Elias + David33 Simplicius (6. Jh., stud.Stephanus in Alex, und Athen)

Zu Antonius: cf. R. Goulet, Art. Antonius d'Alexandrie, Dictionnaire des PhilosophesAntiques l, 1989, 259 (Nr. 224); zu Theosebius: cf. K. Praechter, Art. Theosebios, PRE5A/2, 1934, 2245-2247.Cf. R. Goulet, Art. Asclepiodote d'Alexandrie, Dictionnaire des Philosophes Antiques l,1989, 626-631 (Nr. 453).Cf. PLRE 2, 547f., nr. 3.Cf. R. Goulet, Art. Aidesia d'Alexandrie, Dictionnaire des Philosophes Antiques l, 1989,74f. (Nr. 55).Cf. H.D. Saffrey, Art. Ammonios d'Alexandrie, Dictionnaire des Philosophes Antiques l,1989, 168f. (Nr. 141).Cf. HJ. Blumenthal, John Philoponus, Alexandrian platonist?, Hermes 114, 1986, 314-335; sehr zurückhaltend gegenüber fast allen biographischen Details zur Vita des Johan-nes Philoponus ist Cl. Schölten, Antike Naturphilosophie und christliche Kosmologie inder Schrift „De Opificio Mundi" des Johannes Philoponos, PTS 45, Berlin/New York1996, (124-143) insb. 142f. Er relativiert zu Recht die z.T. weitreichenden älterenHypothesen.Wahrscheinlich tritt Eutocius die Nachfolge des Ammonius an, doch ist dies ungewiß, cf.Cl. Schölten, Antike Naturphilosophie (wie Anm. 28), 124f.Cf. Ph. Hoffmann, Art. Damascius, Dictionnaire des Philosophes Antiques 2, 1994, 541-593.Die Liste von Horapollon bis Aphthonius findet sich bei Zach. Schol., vita Sev. (= Vie deSevere, ed. et trad. de M.A. Kugener, PO II l, 1902, 12.22.25); man vergleiche auch dieKorrekturvorschläge zu dem von Kugener erstellten Text bei E.W. Brooks, The Life ofSeverus, JThS 5, 1904, 369f.Zu ihm cf. M. Krause/K. Hoheisel, Art. Aegypten II, RAG Suppl. 1/2, 1985, (14-88) 44(M. Krause) und weiter unten die Erzählung von Zacharias Scholasticus.Cf. A. Ouzounian, Art. David l'invincible, Dictionnaire des Philosophes Antiques 2,1994, 614f. (Nr. 23).

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Um den philosophischen Unterricht in Alexandrien mit dem in Athenzu vergleichen, sei mit Blick auf die angeführte Liste zunächst vorgestellt,welche Auskünfte wir aus den prosopographischen, archäologischen undweiteren Zeugnissen für Athen und schließlich für Alexandrien erhalten34.

/. Athen35

Keiner der vier oder acht Lehrstühle, die Kaiser Mark Aurel (161-180) imzweiten Jahrhundert geschaffen hatte36, scheint bis ins vierte Jahrhundertüberlebt zu haben. Eusebius weiß nur mehr von zwei Lehrmeistern inAthen, dem Peripatetiker Prosenes und dem Stoiker Callietes37. Offen-sichtlich war die Diadoche all dieser Lehrstühle zu einem Ende gekom-men38, auch wenn die ganze Zeit hindurch Studenten für ihre Grund-studien, aber auch für Rhetorik und Philosophie in die alte Zeusstadtzogen. Ob allerdings Plotin und seine Schüler, speziell Porphyrius, dernach Eustochius die Schriften seines Meisters sammelte, systematisierteund publizierte, offizielle Lehrstühle in Athen innehatten, ist ungewiß39.„After Porphyry's death the torch passed to his pupil lamblichus, atApamea in Syria. lamblichus too had many pupils, but no real successortill Plutarch of Athens at the end of the fourth Century."40 Die AthenerAkademie scheint folglich die Invasion der barbarischen Eruli des Jahres267 nicht überlebt zu haben41, auch wenn insbesondere gegen Ende desvierten Jahrhunderts wiederum ein Aufschwung des Philosophieunterrichtszu verzeichnen ist. Von dieser Zeit an besitzen wir in der Tat eine unun-terbrochene Abfolge von neuplatonischen Lehrmeistern, die nach ihremTod jeweils durch einen ihrer Schüler in der Leitung des Unterrichts

Gewiί hδtte die voranstehende Liste noch erweitert werden kφnnen (cf. F.J. Duncau, Lesecoles (wie Anm. 1), 364f.), wenn man die frόhen Philosophen wie Philo von Alexandri-en, Numenius von Apamea oder die lateinischen Denker wie Marius Victorinus, Augusti-nus und Boethius hδtte ein beziehen wollen. Doch geht es hier um die Hauptzeit desMittel- und Neuplatonismus in den Stδdten Athen und Alexandrien, nicht so sehr um dengesamten Rahmen, den die Forschung mit diesen philosophiehistorischen Kategorienumschreiben will.Cf. W. Liebeschuetz, Art. Hochschule (wie Anm. 1), 868-870.884f.Cf. Lucian, eun.; Philostr., vit. soph. 566; Dio Chrys., or. 71,31; Joh. Zonar., annal. 12,3(PC 134, 1008 B); cf. J.W.H. Waiden, The Universitics (wie Anm. 1), 92 Anm. 2; zuBerufungs- und Gehaltsfragen cf. ibid. 130-193.Cf. Eus., p.e. X 3,1.Cf. A. Cameron. The End of the Ancicnt Universitics, Cahiers d'histoirc mondiaie 1967,(653-673) 658 Anm. 27.Cf. A. Cameron, The End of the Ancicnt Universales (wie Anm. 38), 658: „ThoughPlotinus was patronised by the Emperor Gallienus, just δs a Century later Thcmistius wonthe favour of «icccssive Emperors at Constantinople ... there is no dircct evidcncc ( r achair at Athens)."A. Cameron, The End of the Ancicm Universities (wie Anm. 38), 658.Cf. HJ. Blumenthal, 529 and its Scqucl. What Happens to the Acadcmy?, Byz. 48, 1978,(369-385) 376.

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abgelöst wurden. Nachdem der junge Proclus als Neunzehnjähriger zuPlutarch kam, blieb er bei diesem bis zu dessen Tod im Jahr 432. Er wurdeschließlich Plutarchs Nachfolger als Leiter der Schule, wie aus der Vita desProclus hervorgeht, die dessen Schüler und Nachfolger Marinus verfaßthat42. Weitere Information über die Schule von Athen gewinnen wir ausdem „Leben des Isidorus4*, Marinus' Nachfolger, der über die Schulewachte, die zu dieser Zeit durch Richtungskämpfe zwischen Aristotelikern(so bereits die Tendenz des Marinus) und Platonikern (so Isidorus selbst)geprägt war43. Isidorus' Leben 'wurde von seinem Plato zugeneigten Schü-ler Damascius verfaßt44. Mit diesen Vitae besitzen wir folglich ein rechtplastisches Bild von der Schule in Athen der Zeit von Plutarch bis Zeno-dotus45. Ob Damascius selbst als Lehrmeister in Athen fungierte odernicht, konnte bislang nicht geklärt werden.

In Athen herrschte folglich spätestens zu Beginn des fünften Jahrhun-derts bis zum Ende des ersten Drittels des sechsten Jahrhunderts ein regesphilosophisches Studien- und Unterrichtsleben. Erst mit dem Jahr 529,dem Gesetz Justinians, welches den heidnischen Philosophieunterrichtverbot, und der Konfiskation der Güter der Schule46 wurde diesem Lebenein Ende bereitet47. Doch trotz dieses von außen herbeigeführten Endesscheint es noch nicht völlig ausgemacht zu sein, ob, wie manchmal be-hauptet wird, der heidnische philosophische Unterricht bereits den Todes-kampf gekämpft hatte, bevor ihm Justinian den letzten Schlag versetzte.Immerhin war auch in Alexandrien, wie noch zu zeigen sein wird, derPhilosophieunterricht nicht völlig christianisiert, und die christliche Schulevon Gaza war zwar eine gewisse Konkurrenz für Athen, aber sie hattenicht den Ruhm der Altehrwürdigkeit, den die griechische Stadt immernoch genoß. Vielleicht hatte in der Athener Schule mit Damascius undSimplicius sogar eine neue Phase der Produktivität begonnen, wie A.Cameron nachzuweisen sucht48. Ihm zufolge muß man zumindest mit derMöglichkeit rechnen, daß das Jahr 529 kein radikales Ende des heidnisch-

Cf. Damasc., vita Isid. (66,8 Z.).Cf. Damasc., vita Isid. (292,3-5 Z.); cf. H.-D. Saffrey, Le Chretien Jean Philopon et laSurvivance de l'ficole d'Alexandrie au VIe siecle, REG 67, 1954, (396-410) 397.Zur Datierung cf. I. Hadot, Le Probleme (wie Anm. 5), 10 Anm. 1.Cf. oben S. 50 mit Anm. 5.Cf. Procop., anecd. 26.Gegen ein definitives Ende der Schule, das etwa H.-D. Saffrey, Le Chretien Jean Philopon(wie Anm. 43), 408 annimmt, argumentiert A. Cameron, The last days of the Academyat Athens, PCPS.NS 15, 1969, 7-29; seinen Ansatz kritisiert wiederum HJ. Blumenthal,529 and its Sequel (wie Anm. 41).Cf. A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 664: „Indeed, thelist of philosophers who formed Damascius' school at this time is comment enough ofitself on the pull of the Academy even at this late hour. Damascius himself, a Syrian whohad studied at Alexandria before settling in Athens; Simplicius, from Cilicia; Eulamius,from Phrygia; Priscian, from Lydia; Hermeias and Diogenes, from Phoenicia; and Isidore,from Gaza."

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„Oxbridge" in der ausgehenden Sp tantike 57

philosophischen Unterrichts f r Athen bedeutete. Zwar flohen siebenPhilosophen im Jahr 532 nach Persien, weil ihnen wegen ihres Heiden-tums aufgrund von Justinians Edikt49 das ffentliche Auftreten als Philo-sophielehrer verboten worden war50, doch es ist ungewi , ob tats chlichkeiner von diesen jemals wieder nach Athen zur ckkehrte. A. Cameronmeint, f r Simplicius feststellen zu k nnen, da er seine durch und durchheidnischen Aristoteleskommentare im Athen der Zeit nach 533 geschrie-ben hat51. Doch auch wenn seine Gr nde nicht vollends berzeugen52 undmeines Erachtens Simplicius' fortw hrende Kritik gegen ber dem christ-lichen Zeitgenossen Philoponus von Alexandrien eher auf einen inner-alexandrinischen Streit zweier Sch ler desselben Lehrers Ammonius hin-deutet als auf einen solchen zwischen Lehrern zweier verschiedener St dte(etwaige Argumente, die sich auf unterschiedliche Traditionen, Orte oderSt dte bez gen, finden sich nicht)53, so spricht doch die Hauptquelle f rdie Beschreibung der Ereignisse der Jahre 532-533, Agathias, f r eineungehinderte R ckkehrm glichkeit der geflohenen Philosophen54. DieFrage ist also wohl offen zu lassen, ob die Jahre 529-532 das Ende derSchule von Athen bedeuteten oder nicht.

Wie nun aber sah das Leben in Athens Philosophenschule der Zeitdavor aus? Zumindest gegen Ende des vierten Jahrhunderts war es sehr4* Cf. Cod. Just. I 5,18, S 4 (Kr ger): åðß äå ôáÀò Üëëïéò ÜðÜóáéò áßñÝóåóéí (áßñÝóåéò äå

êáëïûìåí ôÜò ðáñÜ ôçí êáèïëéêÞí êáß ÜðïóôïëéêÞí Ýêêëçóßáí êáé ôçí üñèüäïîáí ôôßóôéíöñïíïýóáò ôå êáß èñçóêåõïýóáò) ôïí Þäç ôåèÝíôá íüìïí ðáñÜ ôå çìþí êáé ôïÏ ôçò èåßáòëÞîåùò ðáôñüò çìþí (cf. ibid. É 5,12 des Jahres 527) êñáôåÔí âïõëüìåèá ... þóôå ôïõò ôáôïéáýôá íïóïïíôáò ìÞôå óôñáôåýåóèáé ìÞôå ôéíüò áîéþìáôïò Üðïëáýåéí, Üëëá ìçäÝ åíó÷Þìáôé äéäáóêÜëïõ ðáéäåßáò äÞèåí ôßíïò ôÜò ôùí áðëïýóôåñùí øõ÷Üò åéò ôçí åáõôþíÜíèÝëêåéí ðëÜíçí êáé êáôÜ ôïûôï ðïéåÔí áõôïýò áñãüôåñïõò ðåñß ôçí áëçèÞ êáß êáèáñÜí ôùíïñèïäüîùí ðßóôéí. ìüíïéò äå Ýêåßíïéò äéäÜóêåéí êáß óéôÞóåùò äçìïóßáò ôõã÷Üíåéí Ýößåìåí ôïÔòôçò ïñèïäüîïõ ðßóôåùò ïÏóéí; und É 11,10, $ 2: ðÜí äå ìÜèçìá ðáñÜ ôùí íïóïýíôùí ôçíôùí Üíïóßùí 'ÅëëÞíùí ìáíßáí äéäÜóêåóèáé êùëýïìåí cf. Job. Malalas, chron. XVIII (187Ï÷.) des Jahres 529: ÉôÇ äå ôçò õðáôåßáò ôïõ áõôïà Äåêßïõ ü áõôüò âáóéëåýò (Justinian)èåóðßóáò ðñüóôáîéí Åðåìøåí åí ÁèÞíáéò, êåëåýóáò ìçäÝíá äéäÜóêåéí öéëïóïößáí ìÞôå íüìéìáÝîçãåÀóèáé.

*° Cf. Agathias, hist. H 30,3f. (80,7.22 Keydell): ÄáìÜóêéïò ü Óõñïò êáé Óéìðëßêéïò ü ÊßëéîÅýëÜìéüò ôå ü Öñõî êáÀ Ðñéïêéáíüò ü Ëõäüò Åñìåßáò ôå êáß ÄéïãÝíçò ïé åê Öïéíßêçò êáéÉóßäùñïò ü Ãáæáúïò.... ðñïò ã« ÜðåéñçìÝíïí áýôüÔò åê ôùí íüìùí Üäåþò åíôáýèá Ýìðïëéôåýåóèáé,ùò ôù êáèåóôþôé ïý÷ åðïìÝíïéò, ïÀ äå áýôßêá Üðéüíôåò þ÷ïíôï åò áëëïäáðÜ êáß Üìéêôá Þèç,ùò ÝêåÀóå ôï ëïéðüí âéùóüìåíïé.

Μ Α. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 664f.*z Cf. H.J. Blumenthal, 529 and its Sequel (wie Anm. 41), 378-381; allerdings lassen auch

die von Blumenthal vorgetragenen Gegenargumente noch einige Fragen offen, wie imHaupttext gezeigt wird.

'J Cf. A. Cameron, The End of the Ancient Universities, 664f.; cf. W. Wicland, Die Ewigkeitder Welt. Der Streit zwischen Joannes Philoponus und Simplicius, in: D. Henrich (Hg.),Die Gegenwart der Griechen im neueren Denken. FS H.-G. Gadamer, T bingen 1960,291-316.

" Agathias, hist. I! 31,4 (81,17-21 K.): ôï ïåÀí åêåßíïõò ôïõò Üíäñáò åò ôá óöÝôåñá Þèçêáôßïíôáò âéïôåíêí Üäåþò ôï ëïéðüí Éö* ÉáíôïÔò, ïõäÝí üôéïàí ðÝñá ôùí äïêïõíôùí öñïíåÀíÞ ìôôáâÜëëééí ôçí ðáôñþïí äüîáí Üíóãêá^ïìÝíïíí ïí ãáñ Üíçêåí ü ×ïóñüçò ìç ïõ÷ß êáéåðß ôþä« óõóôÞíáé Kai êñóôåÔí ôçí Ý÷ô÷áñßáí; cf. Ph. Hoffmann, Art. Damascius (wie Anm.30), 561-563.

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58 Markus Vinzent

verschieden von dem Bild, das Raphael in den Jahren 1510/1511 ihrgewidmet hatte und das als „Schule von Athen" bekannt ist55. ObwohlPlutarch und seine Nachfolger ihre Schule als Fortführung der alten Aka-demie von Athen betrachtet hatten56, stand sie rechtlich betrachtet gewißnicht in der Diadoche von dieser57 noch war sie verbunden mit der„Universität von Athen"58. Statt dessen war die Schule offensichtlich eineArt privates Institut, welches mehr oder weniger administrativ strukturiertwar. Sie erhielt vermutlich keine offiziellen Zuwendungen und finanziellenUnterstützungen durch die Stadt oder den Kaiser, war also selbständig59.Einkünfte aus den eigenen, nicht geringen Liegenschaften und Besitzun-gen, die nach Damascius durch private Spender und Bewunderer gestiftetwurden, boten ihr die materielle Grundlage60. Die dort lehrenden Philoso-phen waren schließlich vermögend genug, um umgekehrt öffentlichenUnternehmen finanzielle Unterstützungen zukommen zu lassen61 und inden bedeutendsten politischen Kreisen zu verkehren62. Der Unterrichtwurde stets am selben Ort erteilt, im Privathaus, das einst Plutarch gehörteund das am Südrand der Akropolis gelegen war; von Plutarch war es aufSyrianus übergegangen und wurde dann auch von Proclus bewohnt63. DieAgora der Akropolis selbst lag hingegen seit jenem Angriff der Eruli des

Zu finden in: Rom, Vatican, Stanza della Segnatura; cf. jetzt: Marcia Hall, Raphael's,School of Athens', Masterpieces of Western Painting, Cambridge 1997.Cf. Olympiod-, in Ale. 141; zu diesem Text cf. HJ. Blumenthal, 529 and its Sequel (mitälterer Lit. [wie Anm. 41]).Gegen J.W.H. Waiden, The Universities (wie Anm. 1), 126.

. fivrard, Le maitre de Plutarque d'Athenes et les origines du neoplatonisme athenien,L'Antiquite Classique 29, 1960, 404-406; J. Glucker, Antiochus and the Late Academy,Hyp. 56, Göttingen 1978, 330-379.I. Hadot, Le Probleme (wie Anm. 5), 9f.; J.P. Lynch, Aristotle's School, Berkeley 1972,177-189; HJ. Blumenthal, 529 and its Sequel (wie Anm. 41), 375f.; W. Liebeschuetz, Art.Hochschule (wie Anm. 1), 884f.Cf. Damasc., vita Isid. (212,1-4; 213,8-14 Z.); HJ. Blumenthal, 529 and its Sequel (wieAnm. 41), 372-375, meint, Plutarch sei der erste gewesen, der die Schule neu mit Finanz-und Sachmitteln ausgestattet habe: „We know that he had a house large enough toaccomodate the school's activities under his successors Syrianus and Proclus"; cf. W.Peek, Zwei Gedichte auf den Neuplatoniker Plutarch, ZPE 13, 1974, 201.Wie sehr dies zu den Aufgaben der Notablen (Kaiser, Bischöfe usw.) in der Spätantikegehörte, ist dargelegt in: P. Brown, Art and Society in Late Antiquity, in: K. Weitzmann(Ed.), Age of Spirituality. A Symposium, New York 1980, 17-27.Cf. Marinus, vita Procl. 14f.; Eunap., vita Phil. 483 (lulianus); lamblich, Enkel desberühmten syrischen Neuplatonisten desselben Namens, „(was) honored for havinghelped to build new walls and towers for the city's defense", A. Frantz, From Paganismto Christianity in the Temples of Athens, DOP 19, 1965, (185-205) 192 (ebd. weitereInformation und Literatur zum Verhältnis von Philosophen und Politikern); cf. A.E.Raubitschek, lamblichus at Athens, Hesp. 33, 1964, 63-68.Cf. Marinus, vita Procl. (29 B.); cf. J.P. Lynch, Aristotle's School (wie Anm. 59), 188f.;die archäologischen Funde werden geboten und diskutiert von A. Frantz, From Paganismto Christianity (wie Anm. 62), 193f. und HJ. Blumenthal, 529 and its Sequel (wie Anm.41), 374-377 (mit älterer Lit.); zu Proclus' Unterricht cf. M. Clarke, Higher education inthe ancient world, London 1971, 101.

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Jahres 267 in Schutt und Asche und konnte zumindest bis zum Ende desvierten Jahrhunderts nicht bewohnt werden, wurde aber auch danach erstZug um Zug wieder mit Geb uden ausgestattet64. Ob hierbei zu Beginndes f nften Jahrhunderts auch die Akademie oder berhaupt Einrichtun-gen f r philosophischen Unterricht geschaffen wurden, konnte bishernoch nicht mit Gewi heit festgestellt werden65. Die Grabungen legten eingro es Gymnasium, B der und kleinere R ume frei, die f r Vorlesungengeeignet scheinen, was einige Forscher dazu veranla te, diesen Komplexmit einer der Philosophenschulen zu identifizieren66, w hrend andere dieseFunktionszuschrei bung bestreiten67.

Die Philosophenschule von Athen steht folglich f r mehr als ein Jahr-hundert als eine mehr oder weniger strukturierte, private Institution miteiner klaren und ungebrochenen Sukzession von Lehrmeistern vor uns.Was l t sich im Vergleich zu ihr f r Alexandrien zu dieser Zeit ausma-chen?

IL Alexandrien

Der gyptische Mathematiker und Philosoph Theon von Alexandrien istder erste Lehrer, der f r unseren Zusammenhang zu nennen ist68. Zur Zeitder Regierung des Theodosius (379-395) geh rte er zu dem lokalenMuseion von Alexandrien (ÈÝùí, ü Éê ôïõ Ìïõóåßïõ, AlyCnrnos, öéëü-óïöïò)69, das Teil des kaiserlichen Palastes war70. Mieczyslaw Rodziewiczberichtet aus der Sicht der j ngsten polnischen Grabungen an diesem Ortzur Lage von Vorlesungsr umen, Museum und Bibliothek: „From thetopographical point of view they (the auditoria datable from the 5th tillthe 7th Century AD) were located in the centre of the city, around one

Cf. A. Frantz, From Paganism to Christianity (wie Anm. 62), 189.Πρακτικά της Αρχαιολογική? Εταιρείας, 1950, 54; Πρακτικό; της Ακαδημίας Άβηνών 8,1933, 243; Α. Frantz, From Paganism to Christianity (wie Anm. 62), 190.Cf. H. Thompson, AJA 69, 1965, 177.J.P. Lynch, Aristotle's School (wie Anm. 59), 177-189.Wir betrachten hier lediglich die philosophischen Studien. Zur philosophisch orientiertenMedizin vergleiche man etwa Gotthard Strohmaier, Die Rezeption und die Vermittlung.Die Medizin in der byzantinischen und in der arabischen Welt, in: M.D. Grmck (Hg.), DieGeschichte des medizinischen Denkens. Antike und Mittelalter, M nchen 1996, (151-181) 153-156 (mit weiterer Lit.).Suda, Art. θέων (II 702,10 Adler); cf. M ller-Graupa, Art. Museion (wie Anm. 11), 801-821 (zum Museion von Alexandrien); M. EI-Abbadi, The Great Library and Mouseion:Imellectual Center of the World, in: G.L. Stehen (Ed.), Alexandria. The Site and theHistory. New York/London 1993, 83-104; PLRE l, 907, nr. 3.Zur Arch ologie dieser Statte mit ihren aus dem f nften bis siebenten Jahrhundert stam-menden Auditorien cf. A. Adriani, Rcpcrtorio d'Artc dell Egitto Grcco-Romano, Serie C,Palermo 1966; M. Rodziewicz, A Review of the Archaeological Evidence Concerning theCuhural Institution« m ndern Alexandna, Gracco-Arabica 6,1995,317-332 (mit ltererL«.).

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hundred metres from the main street (Via Canopica), and not far from thethcorecical location of the Museum and Library. ... Such a number ofauditoria which functioned from the 5th till the 7th Century AD, andwhich were built in the centre of the city in Byzantine period, can be seenäs Installation» assuring public, not private lecturing, most probably onthe higher level. It would be not out of place to mention here significantfacts published already 50 years ago by Max Mayerhof in his valuablearticle ,La fin de l'ficole d'Alexandrie* and also in ,Von Alexandria nachBagdad* where he proves the existence, and survival of the Alexandrianschool even after the Arab Conquest of Egypt."71 Strabo gibt uns in denJahren 25/24 v.Chr. folgende Beschreibung des Museums: „It had a walk,an arcade, and a large house in which was a refectory for the members.The (scholars) formed a Community who held property in common witha priest appointed by the kings in charge of the Mouseion."72 So muß mansich die Situation auch noch um das Jahr 530 n.Chr. vorstellen, als derChrist Zacharias Scholasticus, der seine philosophische Ausbildung inAlexandrien erhalten hatte, über diese Zeit schreibt: „Ich wurde bei derrechten Hand genommen und zu den Einfassungsmauern des Museions

M. Rodziewicz, A Review (wie Anm. 70), 325f.; ob die Vorlesungsräume allerdings, wieRodziewicz ebd. mit Blick auf das für Konstantinopel ergangene Edikt im Cod. Theod.XIV 9,3 annimmt, als Ablösung für die funktionslos gewordenen Gebäude von Museionund Bibliothek betrachtet werden können, scheint mir höchst zweifelhaft. Erstens besagtdas Edikt nichts über die Lehrtätigkeit an offiziellen Stellen (und eine solche war dasMuseion jedenfalls, so auch die Meinung von M. Rodziewicz, A Review [wie Anm. 70],326), sondern regelt privaten Unterricht, zweitens wäre zu erklären, warum man sichnicht der außer Benutzung geratenen Gebäude für die Vorlesungstätigkeit bediente,sondern statt derer in unmittelbarer Nachbarschaft zusätzlich neue Gebäude errichtete,und drittens wird, wie im Haupttext zitiert, von Zacharias Scholasticus berichtet, daß dasMuseion auch zu späterer Zeit noch Zentrum der Bildung war. Viel wahrscheinlicher istes demnach, die zusätzlichen Gebäude als Ausbau oder Erweiterung des Museions zubetrachten, zumal ihre Errichtung genau in die Zeit fällt, in der wir aus verschiedenenQuellen von einem regelmäßigen Hochschulbetrieb in Alexandria hören; zu den genann-ten Aufsätzen cf. M. Mayerhof, Von Alexandrien nach Bagdad. Ein Beitrag zur Geschich-te des philosophischen und medizinischen Unterrichts bei den Arabern, SPAW.PH 23,1930, 389-429, und ders., La fin de l'ecole d'Alexandrie d'apres quelques auteurs arabes,Archeion 15, 1933, 1-15; angemerkt sei aber, daß Mayerhofs Ergebnisse durchauskritisch gelesen werden müssen, insbesondere die arabische Überlieferung einer Übersied-lung der alexandrinischen Schule nach Bagdad ist inzwischen als unhistorisch erkanntworden, cf. G. Strohmaier, „Von Alexandrien nach Bagdad" — Eine fiktive Schultradition,in: J. Wiesner (Hg.), Aristoteles - Werk und Wirkung. Paul Moraux gewidmet, Berlin u.a.1987, II 380-389 (jetzt in: G. Strohmaier, Von Demokrit bis Dante. Die Bewahrungantiken Erbes in der arabischen Kultur, Olms Studien 43, Hildesheim u.a. 1996, 313-322,hiernach zit. [mit weiterer Lit.; ich danke meinem ehemaligen Kollegen Strohmaier vonder Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften für diese freundlichen Hin-weise]).Strabo XVII 1,8; zitiert nach: M. El-Abbadi, The Great Library and Mouseion (wie Anm.69), 84; weitere Information geben Vitruv, cf. Müller-Graupa, Art. Museion (wie Anm.11), 806, und Abu Nasr al-Farabi, zit. in: G. Strohmaier, „Von Alexandrien nachBagdad" (wie Anm. 71), 314f.

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gebracht, wo die Poeten, Rhetoren und die Sch ler der Grammatikerstudieren und ihre Darlegungen vortragen"73.

Nicht nur in Alexandrien, sondern auch in den verschiedensten ande-ren St dten der griechisch-r mischen Welt waren Museen in der Sp t-antike Orte, an denen die Musen nicht nur in Kult und Musenfeier,sondern auch in der Form von Unterricht, Vorlesungen und schulischerAusbildung verehrt wurden74. Grundlage f r Forschung und Lehre inAlexandrien bildete unter anderem die offenkundig immer noch ausge-zeichnete Bibliothek. Nach der Zerst rung der weltber hmten Einrich-tung von Alexandrien im Jahr 48 v.Chr. wurden im ersten und zweitenJahrhundert nach Christus zun chst Anstrengungen unternommen, einenneuen Bestand an Literatur wieder aufzubauen75. Diese Bem hungen fan-den jedoch ein abruptes Ende, als Caracalla die Stadt im Jahr 216 besetztund die finanzielle Unterst tzung des Museions gestoppt hatte. Schwereraber noch als durch das Eingreifen Caracallas wurden das Museion undseine Bibliothek in Mitleidenschaft gezogen durch die Verw stungen, diePalmyras Zenobia unter Kaiser Aurelian in den Jahren 269/270 im Bru-cheion, dem Stadtteil, in welchem das Museion lag, anrichten lie 76. Unddoch mu das Museion mit seinem Fundus antiker Weisheit sowohl dieseKatastrophen berstanden haben als auch die christliche Attacke desvierten Jahrhunderts, w hrend der durch wilde Horden das ebenfalls imBrucheion gelegene Serapeion (mit der Tochterbibliothek zur gro enBibliothek77) und seine Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen wur-den78. Offenkundig zerst rten die Christen die Kultorte und Verehrungs-st tten gyptischer Idole, schonten aber die Bereiche, in denen die griechi-sche und r mische heidnische Bildung gepflegt wurde79. Theophilus, der

Zach. Schol., vita Sev. 481 b: êáß ìïõ ôçò äåîéÜò ëáâüìåíïò áðÜãåé ðáñÜ ôï ôÝìåíïò ôùíÌïõóþí, Éíèá ðïéçôáÀ êáÀ ñÞôïñåò êáé ôùí ãñáììáôéóôþí ï! ðáßäåò öïéôïýíôåò ðïéïýíôáéτας επιδείξεις.Cf. M ller-Graupa, Art. Museion (wie Anm. 11), 798: „Tats chlich finden wir in dersp teren Gr cit t das Wort ì. h ufig als reines Synonym f r äéäáóêáëåÀïí, ðáéäåí/ôÞñéïíim Sinne von »Schule, Bildungsst tte'.** F r das sp tantike Alexandrien bezeugt Hora-pollon noch im Plural Akademien und Museen; cf. P. Be uge, I. Texte rcstaurc et traduitpar Jean Maspero, BIFAO, 1914, 165f.Cf. Muller-Graupa, Art. Museion (wie Anm. 11), 817f.F. Schemmel, Die Hochschule von Alexandria im IV. und V.Jahrhundert p. Ch. n., NJKA24, 1909, 438-457; M ller-Graupa, Art. Museion (wie Anm. 11), 819.Cf. A. Rowe, Discovery of the Famous Temple and Enclosurc of Serapis at Alcxandria,ASAE, Suppl. Heft 2, Kairo 1946; P. Fr ser, Ptolemaic Alexandria, Oxford 1972; eineweitere Bibliothek, die sogenannte Hadriansbibliothek, ist bislang lediglich schriftlichbezeugt, cf. M. Rodziewicz, A Review (wie Anm. 70), 321.Cf. E.A. Parsons, The Alexandrian Library, Glory of the Hcllcnic World. Its Rise,Antiquitics, and Dcstructiom, New York 1952, 356-370.Epiph., de pond. et mcns. 9 spricht vom zerst rten „Brucheion**, erw hnt aber nicht dasMuseion. Gregor von Nyssa kommt auf Gregor Thaumaturgos zu sprechen (allerdingswohl mit Blick auf die Verh ltnisse seiner eigenen Zeit): åßò çí (sc. ôçí 'ÁëåîÜíäñïõ ðüëéí)êáé Þ ðáíôá÷üèåí óõ wippe é íéüôçò ôùí ðåñß 9<ëïóïï(óí ôå êáé Éáôñéêþí Ýóðïíäáêüôï^í (Grcg.

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Onkel und Vorg nger von Cyrill im Bischofsamt von Alexandrien, etwamobilisierte zwar Gruppen von M nchen, um heidnische Kultorte zuzerst ren, agierte aber offenkundig nicht gegen den heidnischen philoso-phischen Unterricht80. Und heidnische Lehrer verlie en Alexandrien nichtso sehr aufgrund der christlichen Angriffe gegen ihren Unterricht, sonderngegen ihre mit diesem Unterricht bisweilen verbundenen kultischen Auf-gaben: Der Philosoph Olympius war wohl Priester des Serapis, von denGrammatikern Helladius und Ammonius, den Lehrern des Kirchenhisto-rikers Sokrates, die nach Konstantinopel gingen, war der erste ein Priesterdes Zeus, der zweite Priester eines Affengottes81.

H.-I. Marrou verglich das Museion mit einer Art amerikanischem„Institute for Advanced Study" oder einem franz sischen „Centre Natio-nal de la Recherche Scientifique"82; hierzulande mag man vielleicht an eine„Akademie der Wissenschaften" denken, jedenfalls an eine Gemeinschaftvon Forschern, die von ffentlicher Hand bezahlt werden, um sich ihrenStudien zu widmen83.

Allerdings war Theon von Alexandrien nicht auf Forschert tigkeitenbeschr nkt; er unterrichtete auch84. Hypatia und Epiphanius waren zu-gleich seine leiblichen Kinder und Sch ler. Und auch seine Tochter wid-mete sich Forschung und Lehre. Sie publizierte in den Bereichen Mathema-tik, Astronomie und Philosophie, gab aber auch philosophische Vorle-

Nyss., vit. Greg. [GNO 10/1/II] 10,15f. Heil). Nach F. Schemmel, Die Hochschule vonAlexandria (wie Anm. 76), existierte das Museion nicht mehr nach den Jahren 269/270;nach M ller-Graupa, Art. Museion (wie Anm. 11), 819 soll das Institut vom Museionzum Serapeion verlegt worden sein; beides l t sich jedoch nicht halten, wie ZachariasScholasticus beweist; cf. auch loh. Chrys., adv. lud. I 6 (»Bis zum heutigen Tag verbliebendie bersetzten B cher [i.e. die LXX] dort im Tempel"); Orosius, hist. VI 15.Wenn Liban., or. 13 (R 405) und lulian., ep. 36 (III 116-122 Wright) auf die engeBeziehung zwischen Philosophieunterricht und Kult hinweisen, scheint eine solche Ver-bindung in ihrer Zeit nicht mehr unproblematisch gewesen zu sein.Cf. Socr., h.e. V 16,9; cf. A. Cameron, The End of Ancient Universities (wie Anm. 38),(667f.) 668: „Nor was this even the end of their academic careers. Helladius andAmmonius made, of all places, for Constantinople ..., and opened up school there instead.Nor even then did either feel it necessary to conceal his paganism: Helladius was heardto boast that he had killed 9 Christians with his own hand. Yet thirty years later hisServices to the teaching profession were recognized with a grant of the title »count of thefirst rank', the first time a grammarian had ever been so honoured. ... As for Palladas(another grammarian) ... we know only that his municipal salary was withdrawn."Cf. H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene (wie Anm. 11), 133.H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene (wie Anm. 11), 133.Cf. die Beziehung zu seiner Tochter Hypatia und die Dedikation seines Kommentars zuPtolemaius' Almagest an seinen Sohn Epiphanius; cf. H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene(wie Anm. 11), 133, und ders., Histoire de l'Education dans PAntiquite (wie Anm. 1),189f.; Theons Werke werden aufgez hlt in der Suda, Art. ÈÝùí (II 702, Adler): ÝãñáøåìáèçìáôéêÜ, áñéèìçôéêÜ, Ðåñß óçìåßùí êáé óêïôôÞò üñíÝùí êá'é ôÞ$ êïñÜêùí öùíÞò, Ðåñß ôçòôïõ KUVOS ÝôôéôïëÞò, Ðåñß ôçò ôïõ Íåßëïõ áíáâÜóåùò, Eis ôïí Ðôïëåìáßïõ ôôñü÷åéñïí êáíüíá,êáé Eis ôïí ìéêñüí Üóôñüëáâïí õðüìíçìá; erhalten ist eine åêäïóéò von Euklids Elementen-lehre, ein Kommentar zu Ptolemaius' Almagest und einige Fragmente; cf. Joh. Malalas,chron. XII 34,3.10.

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sungen. Umstritten ist, ob sie auch offiziell zum Museion geh rte85 undInhaberin eines offiziellen philosophischen Lehrstuhls in Alexandrienwar8*. Die Kl rung dieses Problems aber ist bedeutsam f r die Frage nachder Stellung des philosophischen Unterrichts in Alexandrien berhaupt.

Was wissen wir von offiziellen Lehrst hlen in den griechisch-r mischenSt dten der Sp tantike87? Einem Gesetz des Kaisers Pius entsprechend, soll-te eine kleine Stadt f nf Lehrer, drei Sophisten und drei Grundschullehrerern hren, eine gr ere Stadt sieben Lehrer, vier Sophisten und vier Grund-schullehrer und eine bedeutende Stadt zehn Lehrer, f nf Sophisten und f nfGrundschullehrer88. Athen beispielsweise besa nach den Ausk nften desLibanius drei Sophisten, rangierte nach dem Gesetz des Pius also unter denkleineren St dten89. Zur Zeit Marc Aurels (161-180) hatte es aber auchPhilosophieprofessoren, denen ein festes Gehalt von 10.000 Drachmen f rden Lehrstuhl bezahlt wurde90. Ihre Stellung war folglich mehr als heraus-gehoben91. Wie sehr die kaiserliche Gewalt an der Bildung und der Einrich-

Die umfangreiche ltere Lit. findet sich in Ausz gen bei R. Hoche, Hypatia, die tochter(sie!) Theons, Ph 15, 1860, (435-474) 438; die neuere findet sich bei: E. £vrard, A queltitre Hypatie enseigna-t-elle la ph osophie?, REG 90, 1977, 69-74 und vor allem M.Dzielska, Hypatia of Alexandria, transl. by F. Lyra, Revealing Antiquity 8, Harvard u.a.1995; von Hypatia hat kein schriftliches Werk berlebt; Titel von Schriften werdengenannt in: Suda, Art. Υπατία (IV 644,3-5 Adler), doch beschr nken sie sich auf dieThemen Mathematik und Astronomie: Οπόμνημα «ls Διόφαντον, αστρονομικό* κανών, είςτα κωνικά Απολλώνιου υπόμνημα; zu den von Hypatia kommentierten B chern cf.R. Hoche, Hypatia, 451 Anm. 70; es ist noch ein unter dem Namen der Hypatia an Cyrtllvon Alexandrien adressierter lateinischer Brief bekannt (zitiert von R. Hoche, Hypatia,452 Anm. 72): Exemplar ab Hypatia, quae philosophiam docebat in Alexandria, adbeatum Cyrillum Archiepiscopum, in diptychis. Doch der Brief scheint eine F lschung zusein, denn er erw hnt den Fall des Nestorius; gleichwohl ist auch die F lschung von nichtgeringem Interesse, da der Verfasser offensichtlich noch von dem Kontakt zwischen Cyrillund Hypatia gewu t hat und diesen sich f r sein Produkt zu Nutzen machte.Cf. H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene (wie Anm. 11), 133, und ders., Histoire de l*£ducationdans PAntiquite (wie Anm. 1), 305; als offizielle Lehrstuhlinhaberin, u.a. weil solche Lehr-st hle oft erblich waren, betrachtet sie J.F. Duneau, Les ecoles (wie Anm. l), (176-185) 181.Cf. H.-l. Marrou, Synesius of Cyrene (wie Anm. 11), 133, und ders., Histoire deP£ducation dans PAntiquite (wie Anm. l), 305.Cf. Modestinus, D. XXVII 1,6, in: Corpus iuris Romani Antejustiniani, fasc. l, Bonn1835/1844.Weitere Informationen zu Lehrst hlen in St dten des Reiches finden sich bei J.W.H.Waiden, The Universines (wie Anm. 1), 116.Cf. Lucian, eun. 3.Der Kaiser berief Theodotus zum Rhetoriklehrer, w hrend er den ber hmten SophistenHerodes Atticus beauftragte, „the duty of makmg the appointments to the philosophicalchairs" wahrzunehmen, so J.W.H. Waiden, The Univcrsitics (wie Anm. 1), 134; zurKonkurrenz bei der Bewerbung und Besetzung vergleiche man die bissige Satire „Eunuch"des Lucian; nach Atticus* Tod wurde seine Aufgabe dem „best, the oldest, and the wiscsrof those in the city** von Athen bertragen; cf. Lucian, cun. 2; war das Bcrufungskomitceunf hig, sich auf einen Kandidaten zu einigen, ging das Ruferteilungsrccht zur ck an denKaiser, der - wie wohl berhaupt - letztlich den Ruf erteilte bzw. die Berufung ver ffent-lichte, cf. Alex. Aphrod., de fato I; Lucian, eun.; zun chst wurden Kandidaten nachihrem Charakter beurteilt, dann nach ihren Beziehungen zu den F hrern der verschiede-

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tung von Lehrst hlen in St dten berhaupt beteiligt war, zeigt ein EdiktKaiser Gratians vom Jahr 376, mit welchem er in allen Metropolen dern rdlichen Di zesen Galliens f r Rhetorik- und Grammatiklehrst hle sorg-te92. „It is unlikcly", wie Alan Cameron meint, „that chairs had been whollylacking in these cities before 376, but presumably they were only muni-cipal."93 Auch unter osthrogotischer Herrschaft blieben im westlichen Teildes Reiches die staatlichen Lehrst hle etwa Roms erhalten, zumindest Gram-matik und Rhetorik wurde weiterhin in Mailand und in Ravenna auf staat-liche Kosten gelehrt. Im Osten scheint erst Justinian die Lehre der Philoso-phie verboten zu haben, indem er lediglich die Lehrst hle f r Grammatik,Rhetorik, Jura und Medizin best tigte94. Vor Justinian wird es solche staat-lichen Lehrst hle f r Philosophie noch gegeben haben. Besonders Jovianhatte sich f r Philosophie erw rmt95, und von Libanius wissen wir vonPhilosophieunterricht in Ankyra96. Themistius berichtet, da es in Grie-chenland und.Ionien ebenso wie in Konstantinopel zur Zeit des Theodosius(379-395) gro e und bedeutende Philosophenschulen gegeben hat97. EinLehrstuhl f r Philosophie ist tats chlich noch f r das Jahr 425 f r Konstan-tinopel bezeugt98. Und auch Justinians Kampf gegen heidnische Lehrer hat

nen Philosophenschulen, nach ihrer Orthodoxie in der philosophischen Lehre und ihrerF higkeit zu kommunizieren. Zur hohen Anforderung an Philosophielehrer (vermutlichin Reaktion auf ihr Verhalten zur Zeit Julians, cf. W. Kinzig, /Trample upon me ...', [wieAnm. 1]) vergleiche man auch das Edikt des Valentinian und des Valens vom 19.1.369,nach welchem alle privaten Philosophielehrer abgewiesen wurden mit Ausnahme derer,die sich als die besten erwiesen haben, cf. Cod. Theod. XIII 3,7 (Cod. Just. X 53,8); cf.auch das Edikt des Valentinian und Valens vom 11.1.364 (Cod. Theod. XIII 3,6) und dasdes Theodosius II. und des Valentinianus vom 15.3.425 (Cod. Theod. VI 21,1; Cod. Just.XII 15,1).A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 655.A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 655; cf. F. Bonner, TheEdict of Gratian on the Remuneration of Teachers, AJP 86, 1965, 113f.; zum Unterschiedzwischen staatlich-kaiserlichen Lehrst hlen und solchen st dtischer Art cf. J.W.H. Wai-den, The Universities (wie Anm. 1), 134.Vgl. A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 662; cf. P. Riche,Education et culture dans l'Occident barbare, VIe-VIIIe siecles, Paris 1962; A. Frantz,From Paganism to Christianity (wie Anm. 62), 190.Themis. 63c-64c; Eunap., vita soph. 478 (ºïâéáíüò Éâáóßëåõóå êáé ôéìþí TOUS Üíäñáò [sc.Maximus und Priscus] äéåôÝëåóåí); cf. J.W.H. Waiden, The Universities (wie Anm. 1), 116.Liban., epp. 358.1079.1181 (Foerster); cf. J.W.H. Waiden, The Universities (wie Anm. 1),124f.J.W.H. Waiden, The Universities (wie Anm. 1), 116; cf. Themis. 294b. Themistius gibtallerdings zu, da sich der Philosophieunterricht in einem blen Zustand befand (246c-d)und schal geworden und ausgestorben war (341d).Nach einem Gesetz des Theodosius II. und des Valentinianus vom 24.2.425 hatte Kon-stantinopel einunddrei ig Lehrer, f nf Griechisch sprechende und drei Lateinischsprechende Sophisten, zehn Grundschullehrer jeder Sprache, zwei Juristen und einenLehrstuhl f r Philosophie, cf. Cod. Theod. XIV 9,3; cf. F. Schemmel, Die Hochschule vonAlexandria (wie Anm. 76), 439; A. Gameron, The End of the Ancient Universities (wieAnm. 38), 655: „It seems likely that this was a unique attempt to obtain a monopoly ofhigher education for state appointed professors, the nearest approach in the ancient worldto what we would recognise s a university".

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nicht vollends eine neue Situation geschaffen, da w hrend der Heiden-verfolgung des Jahres 546 zumindest eine gr ere Anzahl heidnischer Gram-matiklehrer und Sophisten ausdr cklich unter den Denunzierten waren".

In Alexandrien findet sich ein angesehener platonischer Philosoph be-reits im Jahr 84 v.Chr., Herakleitus von Tyrus, der zuvor viele Jahre beiClitomachus und Philo von Larissa geh rt hatte100. Von Augustus berich-tet Abu Nasr al-Farabi, da der Kaiser nicht nur „die Bibliotheken undihre Einrichtung" in Alexandrien inspiziert hat, aristotelische Werkeabschreiben und B cher f r den Unterricht kopieren lie , die zum Teilnach Rom gebracht, zum Teil am Ort gelassen werden sollten, sondern ererw hnt auch, da Augustus einen gewissen Andronikos, einen alexandri-nischen peripatetischen Philosophielehrer, anwies, mit ihm nach Rom zukommen und „einen Lehrer als Nachfolger zu bestimmen, der seine Stellein Alexandrien einn hme"101. Um das Jahr 250 n.Chr. wird uns von einerperipatetischen Schule von Alexandrien mit dem Philosophen Heliodorus,dem ca. 270 Anatolius nachfolgte, berichtet102. Und noch in der zweitenH lfte des f nften Jahrhunderts erh lt der leidenschaftlich heidnischePhilosoph Hermias, der zweite Nachfolger der Philosophin Hypatia inAlexandrien, sein Gehalt von offizieller Stelle. Nach seinem Tod n mlich,so wird berichtet, sei sein Gehalt an seine Witwe Aidesia weitergezahltworden103. Um das Jahr 480 unterrichtet Isidorus vor einer Reihe vonSophisten und Grundschullehrern in Alexandrien, was m glicherweise ein

A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 669: „One of the effectsof the 529 edict was the closure of the Academy at Athens and the confiscation of itsproperty ... it is in fact the only attested effect of Jusrinian's law. The school of philosophyai Alexandria, which had mainrained very close relations with the Academy ... throughoutehe fifth Century, and even supplied its last scholarch, certainly remained open — andpagan." Cf. hierzu Cl. Zintzen, Die Wertung von Mystik und Magie in der Neu-platonischen Philosophie, RMP 108, 1965, (71-100) 93-100.Zu diesen Philosophen cf. Cic., acad. II 4 ($ 11 f.); Clitomachus stand nach Carneades seit129 v.Chr. in der Leitung der Akademie und brachte die Schriften seines Lehrers heraus;Philo von Larissa stiftete die vierte Akademie, die sich vom Skeptizismus ab wandte undder Stoa ann herte; von Herakleitus ist leider nur bekannt, was Cicero an der angegebe-nen Stelle berichtet.Abu Nasr al-Farabi, zit. in: G. Strohmaier, „Von Alexandrien nach Bagdad" (wie Anm.71), 314f.; Strohmaier urteilt ebd. 317f. ber die Historizit t dieser Steile: „Die chrono-logische Einordnung des Andronikos ist in der Forschung sehr umstritten. ... Aber solltees so unwahrscheinlich sein, da er auch die Best nde alcxandrinischcr Bibliotheken f rsein Unternehmen heranzog? Selbst die Nachricht ber die Rolle, die Augustus h chstper-s nlich dabei gespielt haben soll, ist so befremdlich nicht. Als er Alexandrien besetzte,befand sich in seiner Begleitung sein aus gypten stammender Freund Arcios Didymos;um seinetwillen soll er die Stadt geschont haben. Dieser war ein stoischer Philosoph miteinem auffallend starken doxographischen Interesse am Artstotcli&mus. Nikolaos vonDamaskos, mit dem der Kaiser ebenfalls gute Beziehungen unterhielt, war reiner Pcripa-tctikcr."Cf. EU*., b.c. VII 32.Cf. Suda, Art. Ai eoio Λ Damasc., vita Isid., fragm. 124 (107,4 f. Z.): n, yt not την δημοσία ντω ττστρι σίτησιν 6ι6ομ4νην τοις ττοτισί δκφύλαξι viots Ιτι οΟσιν. ώ$ {φιλοσόφησαν.

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Hinweis auf seine offizielle Bestallung ist104. Und die Tatsache, da imletzten Viertel des sechsten Jahrhunderts Elias von Alexandrien zum Ehren-pr fekt avancierte, zeigt wenigstens, in welch angesehener und staatsnaherStellung der Philosoph stand, von dem nicht mit Gewi heit zu sagen ist,ob er Heide oder Christ gewesen ist105. Aeneas von Gaza wei zwar zuberichten, da die Philosophie und die Museia (Plural!) von Alexandrienv llige W sten seien106, doch von Zacharias Scholasticus wissen wir, daalexandrinische Philosophen gegen Ende des f nften Jahrhunderts weiter-hin entweder im Museion dozierten oder in ihren Privath usern unterrich-teten107. Und noch im siebten Jahrhundert kennen wir den Namen einesPhilosophen, inzwischen ein Christ, Stephanus, der von Heraclius nachKonstantinopel gerufen wird, zuvor aber einen staatlichen Philosophie-lehrstuhl in Alexandrien innehatte108. Abu Nasr al-Farabi f hrt aus, diePhilosophenschule habe bis in die arabische Zeit hinein bestanden, auchwenn aufgrund, eines Beschlusses christlicher Bisch fe offiziell nicht mehrder volle peripatetische Unterricht gegeben worden sei109; man habe ledig-lich „aus den B chern der Logik bis zum Ende der Figuren des Wirkli-chen"110 unterrichtet, „nicht aber das, was danach kommt, denn sie (sc.die Bisch fe) waren der Meinung, da dies dem Christentum sch dlichw re und da in dem, dessen Unterricht sie freig ben, etwas enthalten sei,was zur Durchsetzung ihrer Religion dienlich sein k nnte. So blieb der

ffentliche Unterricht in diesem Umfang erhalten, den Rest studierte manim Geheimen, bis danach nach langer Zeit der Islam kam. ... Man pflegte

104 Cf. Suda, Art. ¾ôôáôßá (IV 645,23-25 A.) = Damasc., vita Isid., fragm. 276 (219,6f. Z.).105 Cf. L.G. Westerink, Mnemosyne 14, 1961, 126f.; A. Cameron, The End of the Ancient

Universities (wie Anm. 38), 656.106 Cf. Aeneas von Gaza, Theophr. (PG 85, 876 Á-B): öéëïóïößá äå êáé ôá ìïõóåßá åß$ äåéíçí

Ýñçìßáí ÜöÀêôáé.107 Zach. Schol., vita Sev. (23 K.).108 Cf. H. Usener, De Stephane Alexandrino Commentatio, Bonn 1860 (= ders., Kleine Schrif-

ten III, Leipzig 1914, 247-322, hiernach zit.), 248ff.; F. Fuchs, Die h heren Schulen vonKonstantinopel im Mittelalter, ByA 8,1926,9-17; H.J. Blumenthal, 529 and its Sequel (wieAnm. 41), 385; W. Wolska-Conus, Stephanos d'Athenes et Stephanos d'Alexandrie. Essaid'identification et de Biographie, REByz 47, 1989, 5-89.

109 G. Strohmaier, „Von Alexandrien nach Bagdad" (wie Anm. 71), 318, merkt zu demFolgenden an: „Von einem inquisitorischen Vorgehen des byzantinischen Kaisers und derBisch fe scheint es anderweitig keine Zeugnisse zu geben." Allerdings erw hnt Strohmai-er (ebd. 319) die Nachricht des Kairiner Arztes 'AU ibn Ridwan (t 1068), da „diemedizinischen Lehrer in Alexandrien von den christlichen K nigen die Erlaubnis erwirkth tten, als logische Prop deutik Cat., Int., Anal.Pr. und Anal.Post. lesen zu d rfen", eine

bersetzung bei A.Z. Iskandar, An attempted reconstruction of the late Alexandrianmedical curriculum, Medical History 20, 1976, 248f.

110 Nach G. Strohmaier, „Von Alexandrien nach Bagdad" (wie Anm. 71), 318, sind mit den„Figuren des Wirklichen" die Abschnitte anal. pr. I 4-7 gemeint; er f hrt ebd. fort: „Daeinzelne Lehren wie die der Weltewigkeit oder der Gottesbegriff Ansto erregen mu ten,ist verst ndlich, aber warum der Unterricht gerade hier mitten.im Organon aufh rensollte, ist m. W. noch nicht schl ssig erkl rt worden."

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das, was nach den Figuren des Wirklichen steht, als den Teil zu bezeich-nen, der nicht gelesen wird, bis er dann doch gelesen wurde, und als dieAngelegenheit zu den Lehrern der Muslime berging, wurde es blich, daman von den Figuren des Wirklichen weiterlas, soweit man es ebenvermochte"111.

Nach all diesen Zeugnissen wird man die vermutlich st ndige Einrich-tung eines offiziellen philosophischen Unterrichts und damit auch einesstaatlichen philosophischen Lehrstuhles in Alexandrien sp testens vomvierten bis ins siebente Jahrhundert und vielleicht dar ber hinaus anneh-men d rfen. Der beste Kenner des Materials, Jean Fra^ois Duneau, meintsogar: „Vers 425, il y avait a Alexandrie au moins deux chaires dePhilosophie"112.

Doch gehen wir nochmals in die fr he Zeit zur ck und betrachten dasZeugnis des Sokrates in seiner Kirchengeschichte zu Hypatia. Dort hei t es:

„Sie (sc. Hypatia) erlangte ein solches Niveau an Gelehrsamkeit, da sie diezeitgen ssischen Philosophen bertraf, aber die platonische äéáôñéâÞ, die vonPlotinus herreichte, empfing und alle philosophischen Kenntnisse denen ausein-andersetzte, die es wollten. Darum kamen bei ihr auch von berall her allezusammen, die philosophieren wollten."113

Und die Suda berichtet (vermutlich nach Damascius):

„Diese Frau (sc. Hypatia) legte den Philosophenmantel an, ging durch die Stadtund lehrte äçìïóßá all die, die an Plato, Aristoteles oder der Lehre eines anderenPhilosophen interessiert waren.4*114

Was aber meint Sokrates mit äéáôñéâÞ und was bedeutet äçìïóßá in derSuda bzw.' bei Damascius? Der Streit der Gelehrten, ob Hypatia der plato-nischen Schule von Alexandrien zuzuordnen ist, deren Existenz in dieserZeit sie damit bezeuge, oder ob sie lediglich das platonische Erbe vertrat,ist ebensowenig beendet wie derjenige, ob Hypatia auf Staatskosten unter-richtete oder ob sie lediglich in der ffentlichkeit ihre Lehren vortrug115.

111 Abu Nasr al-Farabi, zit. in: G. Strohmaier, »Von Alexandrien nach Bagdad4* (wie Anm.71), 315.

n2 J.F. Duneau, Les ecoles (wie Anm. 1), 207, mit Verweis auf Marinus, vita Procl. 9 (155Boissonade).

11' Socr., h.c. VII 15,1 (36040-24 H.): ... åðß ôïóïýôï äå ôôñïõâç ôôáéäåßáò. ùò Ïôôåñáêïíôßóóéôïõò êáô áõôÞí öéëïóüöïõò, ôçí 54 ÐëáôùíéêÞí Üôôü Ðëùôßíïõ êáôáãïìÝíçí äéáôñéâÞíäéáäÝîáóèáé êáé ðÜíôá ôá öéëüóïöï ìáèÞìáôá ôïúò âïõëïìÝíïéò Ýêôßèåóèáé. äéü êáé oiðáíôá÷üèåí öéëïóïöåßí âïõëüìåíïé óõíÝôñå÷ïí ðáñ* áõôÞí.

114 Suda, Art. Õðáôßá (IV 644,15-18 Á.) * Damasc., vita Isid., fragm. 102 (77,5-7 Z.):ðåñéâáëëüìåíç äå ôñßâùíá Þ ãõíÞ êïË äéá ìÝóïõ ôïõ Üóôåùò ðïéïýìåíç ôÜò ðñïüäïõòÝîçãéÔôï äçìïóßá ôïéò óêñïóóèáé âïõëïìÝíïéò Þ ôïí ÐëÜôùíá Þ ôïí ¢ñéóôïôÝëçí Þ ôáÜëëïõ äôïõ äç ôùí öéëïóüöùí.

'" Cf. die verschiedenen Positionen bei Ý. £vrard, Hypatie (wie Anm. 85) (privater Unter-richt) und P. Chuvin, Chronkrle of the Last Pagans, Cambridge 1990 (frz. Original:Chroniquc des dcrnicrs paiem: !a dispantion du paganisme dans l'Kmpirc romainc duregne de Constamme cclui de Justmicn, Paris 1990), 85f. (staatlich Angestellte) (cf. auchdie n chsten Anmerkungen).

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Zumindest letztere Frage ist nicht nur auf dem Hintergrund der oben an-gef hrten Zeugnisse f r die Existenz eines offiziellen Lehrstuhles in Alex-andricn mit einiger Sicherheit zu entscheiden. Denn in der Suda bzw. beiDamascius wird au er im Bericht ber Hypatia auch in demjenigen berAidcsia derselbe Begriff äçìïóß<? gebraucht. Da im zweiten Fall unbe-zweifelbar das staatliche Gehalt des Hermias gemeint ist, ist es wenig wahr-scheinlich, da Damascius bzw. die Suda mit äçìïóßá bei Hermias' Vor-g ngerin Hypatia nicht ebenfalls die vom Staat bezahlte Lehrt tigkeit be-zeichnete, sondern einen ffentlichen Lehrvortrag116. Hinzu kommt, daerstere Konnotation dem Normalgebrauch des Wortes entspricht, w hrendder zweite erheblich seltener belegt ist. Da eine heidnische Frau auf einemoffiziellen philosophischen Lehrstuhl nicht undenkbar ist, lehren bedeuten-de Philosophinnen der damaligen Zeit wie etwa die herausragende Sosipatravon Pergamon, aber auch Geminae und Amphiclae, die Frauen im Kreis desPlotin, dann die Philosophinnen Marcella, die Frau des Porphyrius, Arete,m glicherweise eine Sch lerin von lamblich, und die Frau des Maximusvon Ephesus117. Was Sosipatra betrifft, so bezeugt Eunapius in seiner Le-bensbeschreibung bedeutender Sophisten, da er dieser Philosophin wegeneine Ausnahme machen mu und nicht nur von M nnern sprechen kann,sondern eben auch von einer Frau berichtet. Mehr noch, ihretwegen hatsogar ihr ebenfalls als Philosoph lehrender Ehemann den eigenen Berufzur ckgestellt, um ihr zuzuarbeiten und ihre Kinder aufzuziehen.

Auch wenn Philosophen, wie oben kurz erw hnt wurde, sowohl ffent-lich als auch in Privath usern ihren Unterricht anboten118, so mu beiHypatia ber cksichtigt werden, da ihr Heim kein Privathaus war, son-dern da es wegen der Zugeh rigkeit von Hypatias Vaters zum Museionh chstwahrscheinlich zum Bereich dieser Einrichtung geh rte119. Hatte siealso den offiziellen Lehrstuhl f r Philosophie in Alexandrien inne, so

116 M. Dzielska, Hypatia (wie Anm. 85), 56, stellt diesbez glich die Argumentation auf denKopf, wenn sie bestreitet, da Hypatia einen bezahlten Lehrstuhl innegehabt habe, undschreibt: „Clearly, she held no chair in philosophy financed by the city, nor was she aphilosopher on the public payroll, s is sometimes asserted. If a philosopher held this kindof position in Alexandria in the fourth and fifth centuries, the sources tend not to suppressthe fact (see the cases of Hermeias and his son Ammonius) or to conceal membership inthe Museion (see the case of Hypatia's father)".

117 Cf. Eunap., vit. soph. 466-471, 466: (ÓùóéðÜôñá) ôïí Üíäñá ôïí åáõôÞò äé' ýôôåñï÷Þíóïößáò åõôåëÞ ôéíÜ êáé ìéêñüí áôôÝäåéîå. ôôåñß ôáýôçò äå åí áíäñþí óïöþí êáôáëüãïéò êáé äéáìáêñïôÝñùí åßôôåÔí áñìüæåé, ôïóïÏôïí êëÝïò ôçò ãõíáéêüò Ýîåöïßôçóåí; PLRE 1, 849; cf. R.J.Penella, Greek Philosophers (wie Anm. 14), 58-62.

118 Cf. A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 2f. Wie der Kontextnahelegt („[Sie] ging durch die Stadt"), meint Cameron, bedeute ÝîçãåÀôï äçìïóßá, dasie offiziell bestallt war, Platon, Aristoteles oder andere Philosophie zu unterrichten; cf.auch P. Chuvin, Chronicle (wie Anm. 115), 85f.

119 Dies wird durch den Ort der Ermordung Hypatias gest tzt. Nachdem sie auf ihremHeimweg gekidnappt worden war, wurde sie zur Kirche „Kaisareion'* geschleppt, die wiedas Museion im Brucheion und in der N he des Meeresufers stand. Anschlie end wurdesie mit scharfen Seemuschelschalen zu Tode gebracht.

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d rfte sie auch ihren Unterricht zumindest im Bereich oder im Umfeld desMuseions gegeben haben.

Was die Frage der platonischen Schultradition oder des platonischenErbes betrifft, so l t sich diese nicht mit ebensolcher Klarheit entschei-den. Zu wenig wissen wir ber die Gestalt des platonischen Unterrichts imvierten Jahrhundert, auch wenn die anfangs genannten BeobachtungenClemens Scholtens auf diesem Gebiet eher f r eine Schultradition spre-chen. Trifft es zu, da wir vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert eineplatonische Schultradition in Alexandrien besitzen, in deren Verbindungdann sowohl Heiden wie Christen nebeneinander und voneinander lernenund miteinander lehren konnten, dann erkl rt sich, warum auch in dennachfolgenden beiden Jahrhunderten Heiden und Christen z.T. denselbenUnterricht verfolgen und an derselben Einrichtung unterrichten konnten.

Hypatia jedenfalls, so bezeugt Damascius bzw. die Suda, war f hig, mehrals nur eine spezifische Philosophentradition zu unterrichten, auch wenn,wie ihr christlicher Sch ler, der sp tere Bischof Synesius es bezeugt, Hypatiaihren Schwerpunkt auf Plato und Aristoteles, den Kronzeugen des Neupla-tonismus, gelegt hat120. Synesius berichtet, da Hypatia diese Autoren imLicht des Porphyrius las (und nicht so sehr im Licht des Jamblich)121.

u erlich lassen sich heidnische und christliche Philosophen kaumunterscheiden. Beide gaben sich oft einem kynisch-asketischen Lebenhin122. Und auch wenn manche der asketischen Geschichten zu Hypatiadurch ihre Biographen erfunden sein mag, um sie als Kynikerin zu zeich-nen, ist zumindest offen, ob ihr Auftreten f r solcherlei Charakterisierungnicht doch Anla gegeben hatte123. Sie war von au erordentlicher Sch n-heit124, scheute nicht die Begegnung mit m nnlichen Philosophen125 undwar eventuell mit dem Philosophen Isidorus verheiratet126, sollte - trotz

129 Wie oben angezeigt, haben keine Werke Hypatias berlebt (S. 63 Anm. 85).121 Cf. £. £vrard, Hypatie (wie Anm. 85), 69; gegen P. Chuvin, Chronicle (wie Anm. 115),

85; wie oben erw hnt, hatte sie noch weitere Interessengebiete, ber die sie arbeitete. Hiersind vor allem Mathematik und Astronomie zu nennen, in die sie von ihrem Vatereingef hrt worden war, cf. das ber hmte Hydroskop (Syn. Cyr., ep. 15) und das Astrolah,die beide mit Hilfe von Hypatia gebaut waren, cf. Sinesio, Opere, a cura di AntonioGarzya, Turin 1989, 538,17; R. Hoche, Hypatia (wie Anm. 85), 149f.

1£2 Zu erinnern ist auch an folgende von der Suda (Damascius) berichtete Anekdote, cf. Suda,Art. Ύττατία (IV 644,24-28 A.) = Damasc., vita Isid., fragm. 102 (77,13-17 Z.), Hypatiahabe ihren Leib als einen „Misthaufen** betrachtet; um dies einem Mitglied ihres Audi-toriums, das in Liebe zu ihr entbrannt war, zu demonstrieren, zeigte sie dem jungen Mannihre Binde mit Menstruationsblut zum Zeichen ihrer eigenen unreinen Geburt, und sagtedabei: „Das, junger Mann, ist es, in das du dich verliebt hast, also in nichts Sch nes!";cf. P. Chuvin. Chronicle (wie Anm. 115), 85f.

ui Cf. P. Chuvin, Chronicle (wie Anm. 115), 86.i:* Cf. Suda, Art. Ύττστία (IV 644,20f. A,) « Damasc., vita Isid., fragm. 102 (77,9 Z.): οντω

σφοδρά καλή *rc ούσα κα» ιύκ&ή? ··· ·«' Socr., h.c. VII 15.'-* Oder wie anders « l! man den Bericht des Hesychius von Milct (nach der Suda) von

Hypatias Heirat mit dem Philosophen Isidorus verstehen? Er widerspricht nat rlich der

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der schweren Bedenken von G. Luck und M. Dzielska127 — ein unbekann-ter Bewunderer zu Beginn des fünften Jahrhunderts nicht von einer ande-ren Hypatia, sondern von ihr geschrieben haben:

„Wenn ich deiqe Worte betrachte und dich,verehrte Hypatia, dann knie ich nieder, umder Jungfrau sternenes Heim zu sehen; dort in den Himmelnerkenne ich deine Werke und vollendete Worte,den Stern, ohne Flecken, voll weiser Lehre."128

Wohl aufgrund ihrer Lehre und vielleicht auch ihrer Lebensweise warHypatia nicht nur unter Heiden, sondern auch unter Christen berühmt.Einer dieser christlichen Schüler war der genannte Synesius. Als großerLandeigentümer von Cyrene kam er im letzten Jahrzehnt des viertenJahrhunderts nach Alexandrien zu Hypatia und blieb zusammen mitseinen Freunden und seinen beiden Verwandten Nicaius und Philolaus beiihr und ihrem Schülerkreis129. Doch auch nachdem er im Jahr 411 Bischofvon Ptolemais in der Cyrenaica geworden war, pries Synesius seine frühereLehrerin in Briefen an sie und blieb mit ihr in Kontakt130. In seineralexandrinischen Zeit stützte Synesius, der ein gutes Verhältnis zu denMächtigen der Stadt hatte (oi ... ... ),Hypatia, indem er seine Verbindungen nutzte131, auch wenn die Philoso-

Nachricht von Hypatias Jungfrauenschaft (cf. nächste Anm.). Die meisten Forscher helfensich, indem sie Hesychius' Notiz für irrig erklären und darauf verweisen, daß der einzigebekannte Philosoph mit Namen Isidorus um ca. 450-454 geboren wurde und eine zweiteHypatia, mit der er vielleicht verheiratet war, ebenfalls durch die Suda bezeugt ist, cf. A.Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 668 Anm. 69; gleichwohllassen sich die Möglichkeiten nicht ausschließen, daß Hesychius von einem anderen, unsunbekannten Isidorus spricht oder der unbekannte Bewunderer, der von der JungfrauHypatia spricht, eine andere Hypatia im Auge hat (so G. Luck, M. Dzielska). Daschronologische Argument allein genügt nicht gegen Hesychius, cf. dagegen J. Rouge, Lapolitique de Cyrille d'Alexandrie et le meurtre d'Hypatie, CrSt 11, 1990, (485-504) 497;zu diesem Problem vergleiche man auch R. Hoche, Hypatia (wie Anm. 85), 454-456; G.Luck, Palladas. Christian or Pagan?, HSCP 63, 1958, (455-471) 462-467; M. Dzielska,Hypatia (wie Anm. 85), 23, hat zudem darauf hingewiesen, daß der Name Hypatia auchvon Christen gebraucht wurde und damals nicht ungeläufig war.

127 G. Luck, Palladas (wie Anm. 126); so auch M. Dzielska, Hypatia (wie Anm. 85), 22f.;die Frage muß m.E. offen bleiben, da auffällig ist, daß Synesius nichts von einemEhemann Hypatias berichtet. .

128 Anthologie grecque VIII, Paris 1974, 25.194f.; eine englische Übersetzung findet sich beiR.A. Furness, in: E.M. Forster, Alexandria. A History and a Guide, London 1982, 73.

129 Cf. Syn. Cyr., ep. 81; zur Schwierigkeit, Synesius' Haltung gegenüber Heidentum undChristentum zu definieren, vergleiche man J. Bregman, Synesius of Cyrene. Philosopher-Bishop, Berkeley u. a. 1982, (1-15) 8: „There is thus a different Synesius for everyscholar." Zu Synesius' Aufenthalt in Alexandrien cf. ibid. 20-40.

130 Cf. Syn. Cyr., epp. 10; 15; 16; 46; 82; 124; 154 (Briefe an Hypatia); epp. 5; 133; 136;137 (Briefe über Hypatia); Brief an Paeonius über das Geschenk eines Astrolabs; cf. J.Vogt, Das unverletzliche Gut. Synesios an Hypatia, in: Timetikon aphieroma eis Kon-stantino I. Merentite. FS K.J. Merentitis, Athen 1972, 431-437; J. Rouge, La politique deCyrille (wie Anm. 126), 485f.; P. Chuvin, Chronicle (wie Anm. 115), 85f.

131 Cf. Syn. Cyr., ep. 81.

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phin selbst den einflu reichen Kreisen der Stadt nahestand, deren Mitglie-der sich gerne in ihrer N he aufhielten und sie kontaktierten; doch Hypatiascheute sich offensichtlich auch nicht, solchen Pers nlichkeiten ihre Mei-nung zu sagen132. Synesius war in den Augen Hypatias ihr „fremderWohlt ter" (Üëëüôñéïí áãáèüí), sie war und blieb f r ihn die „geliebteHypatia'*133, die „gesegnete Meisterin", „ehrw rdige, gottgef llige Philo-sophin", die „sehr verehrte Lehrerin"134. Mehr noch, sie war f r ihn„Mutter, Schwester, Lehrerin"; und im selben Brief, den Synesius kurz vorseinem Tod abgefa t hatte und aus dem diese famili ren Bezeichnungenstammen, vers umt er es auch nicht, Vater Theoteknos (= Theon, HypatiasVater?)135, Athanasius13* und all* die neuen Sch ler der Hypatia zu gr en,„den gl cklichen Chor, der ihre (sc. Hypatias) wunderbare Stimme h rendarf". Zum Kreis geh rte auch ein christlicher Diakon, dessen Namen wirleider nicht kennen137. Hypatia, das wird in den Schreiben des Synesiusdeutlich, bildete die Grundlage des Zirkels, der offenkundig vornehmlichHeiden umfa te, aber auch Christen nicht ausschlo 138.

132 Cf. Suda, Art. ¾éôáôßá (IV 645,2-4 A.) = Damasc., vita Isid., fragm. 102 (79,16-18 Z.):ei yap êáé ôï ôôñáãìá Üôôüëùëåí. Üëëá ôï ãå äíïìá öéëïóïößá; Ýôé ìåãáëï-ð-ñåôôÝò ôå êáéÜîéÜãáóôïí åßíáé Ýäüêåé ôïéò ìåôá÷åéñéæïìÝíïéò ôá ôôñùôá ôçò ôôïëéôåßáò; Socr., h.e. Vll 15(360,24-26 Ç.): äéá <6Ý> ôçí ðñïóïûóáí áõôÞ åê ôçò ôôáéäåýóåùò óåìíÞ í ôôáññçóßáí êáéôïéò Üñ÷ïõóéí óþöñïíïò åÀ* ôôñüóùôôïí Þñ÷åôï; die Suda (IV 644,30-645,2 Á.) = Damasc.,vita Isid., fragm. 102 (79,11-15 Z.) hebt an anderen Qualit ten Hypatias hervor: oOrcoäå É÷ïõóáí ôçí ¾ôôáôßáí. IV ôå ôïéò ëüãïéò ïýóáí Ýíôñå÷Þ êáÀ äéáëåêôéêçí, Éí ôå ôïéò åñãïéòÉìöñïíÜ ôå êáÀ ôôïëéôéêÞí, Þ ôå Üëëç ôôüëéò åßêüôùò ÞóôôÜæåôü ôå êáÀ ôôñïóåêýíåé äéáöÝñïíôïò,ïé ôå Üñ÷ïíôåò áåß ôôñï÷åéñéæüìåíïé ôçò ôôüëåùò Ýöïßôùí ôôñùôïé ôôñüò áõôÞí, ùò êáé ¢èÞíçóéäéåôÝëåé ãéíüìåíïí.

133 Cf. Syn. Cyr., ep. 124 (ôçò ößëçò ¾ôôáôßáò ìåìíçóïìáé); cf. ep. 4; cf. J. Vogt, Synesios aufSeefahrt, in: P. Granfield u.a. (Hg.), KYRIAKON, FS J. Quasten, I, M nster l970,400-408.

134 Cf. Syn. Cyr., ep. 10 (äÝóðïéíá ìáêáñéÜ); ep. 5 (Þ óåâáóìéùôÜôç êáé èåïöéëÝóôáôçöéëüóïöïò); ep. 133 (Þ äéäÜóêáëïò); J. Vogt, Das unverletzliche Gut (wie Anm. 130), 433:„Das Band der akademischen Freundschaft (h lt) an; vor allem aber steht die Autorit tder f hrenden Frau fest.... Ganz offenkundig hat der begabte Schriftsteller seine Lehrerin,die etwa gleichen Alters mit ihm war, als eine Gestalt g ttlicher Weisheit verehrt.*4

135 Zu diesem Wonspiel cf. R. Hoche, Hypatia (wie Anm. 85), 440.m Andere Freunde, die mit ihm in Alexandrien studierten und die er in den Briefen erw hnt,

waren Olympius (Syn. Cyr., epp. 97; 133; 140; 143; 144); der Philosoph Troilus von Side,der am Hof des Theodosius II. einflu reich wurde (Syn. Cyr., epp. 48; 73; 118; 129; Socr.,h.e. VI 6,35-37 f321,12-20 H.J, VII l [348,13-15 H.J, VII 12,10 1357,14-17 H.J, VII 27,1|376,3-5 H.J); insbesondere Herculianus (Syn. Cyr., epp. 137-146), Acithales (Syn. Cyr.,ep. 145) und Hesychius, der zusammen mit Synesius in Alexandrien bei Hypatia Gco-metriekurse besuchte (Syn. Cyr., ep. 93); zu diesem Kreis cf. M. Dziclska, Hypatia (wieAnm. 85), 27-38 (die Identifikation des einmal in Syn. Cyr., ep. 146 genannten Cyrus, desBruders von Herculianus, mit Fl. Taurus Scleucus Cyrus, dem sp teren Konsul undBischof, scheint mir kaum wahrscheinlich gemacht werden zu k nnen, da er in der Taterheblich junger hatte sein m ssen als Herculianus, um schon in seiner Jugend alsBrieftr ger f r die Freunde fungieren zu k nnen).

ir Cf. Syn. Cyr., cp. 144; cf. hierzu M. Dzielska, Hypatia (wie Anm. 85), 42-45.n* Cf. Syn. Cyr., cp. 16 (ìÞôéñ êáé ÜäéëöÞ êáé äéäÜóêáëå); cf. J. Vogt, Das unverletzliche Gut

(wie Anm. 130), 436.

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Synesius' Schülerschaft bei Hypatia und seine innige Zuneigung zudieser Lehrerin, die aus vielen seiner Briefe deutlich wird, sind für dieEinordnung seiner Meisterin als Philosophielehrerin in Alexandrien umsobedeutender, als Synesius zur selben Zeit auch eng mit dem Ortsbischofvon Alexandrien, Theophilus, befreundet war. Beide redet er im gleichenrhetorischen Gewand an, eine gleichzeitige Freundschaft zu beiden waralso keineswegs unmöglich139. Bischof Theophilus assistierte der Ehe-schließung des Synesius140, derselbe Theophilus also, der wenig später denchristlichen Mob gegen die heidnischen Kulte aufhetzte. Schon die Exi-stenz des Verhältnisses zwischen Synesius und Hypatia einerseits undSynesius und Theophilus andererseits läßt wenigstens an die Möglichkeitdenken, daß auch Cyrill, der Neffe des Theophilus und dessen Nachfolgerim Bischofsamt, zu dieser Zeit in Alexandrien zumindest auch durchHypatia zu seiner guten neuplatonischen Bildung gelangt ist, die ihn späterbefähigte, seine dicken Bücher gegen Kaiser Julian zu schreiben141. Wie

Cf. M. Dzielska, Hypatia (wie Anm. 85), 42. Es liegt demnach ein weiteres Zeugnis vorfür die komplikationslose, wenn auch immer wieder höchst gefährdete Nähe von Heidenund Christen bis ins fünfte Jahrhundert hinein; noch im ausgehenden fünften Jahrhundertist die gleiche Lehrer-Schüler-Situation in Alexandrien vorauszusetzen, wie uns Zach.Schol., vit. Sev. belehrt; Schüler heidnischer Lehrer waren Heiden, die Heiden blieben,aber auch solche, die aufgrund ihres Kontaktes etwa mit einem christlichen SophistenChristen wurden; Zach. Schol., vita Sev. (14f.37f. K.) beschreibt z.B. Athanasius' Kon-version durch die Begegnung mit dem Sophisten Stephanus und die seines BrudersParalios durch den Kontakt mit diesem, wobei Paralios auch bis zu seiner Taufe nochheidnische Kultschriften besaß. Schüler heidnischer Lehrer waren aber auch Christen(getaufte und nichtgetaufte Katechumenen wie etwa Severus, der später in Beirut aller-dings dann wieder des heidnischen Opfers überführt wurde); zum intellektuellen Ge-spräch zwischen Heiden und Christen cf. I. Sevcenko, A Shadow Outline of Virtue. TheClassical Heritage of Greek Christian Literature (Second to Seventh Century), in: K.Weitzmann (Ed.), Age of Spirituality. A Symposium, New York 1980, (53-73) 59f.; zumKomplex der Begegnung und Auseinandersetzung von Heiden und Christen, die sichmeist nicht bewußt und klar als kategorial einander Gegenüberstehende begreifen, cf. dasMaterial in A.D. Nock, Conversion. The Old and the New in Religion from Alexanderthe Great to Augustine of Hippo, Oxford 1933; immer noch hilfreich ist auch J. Geffcken,Der Ausgang des griechisch-römischen Heidentums, Heidelberg 1929 (= 1963); aus derneueren Literatur sei genannt: P. Thrams, Christianisierung des Römerreiches und heid-nischer Widerstand, Heidelberg 1992; P. Athanassiadi-Fowden, Julian and Hellenism. AnIntellectual Biography, Oxford 1981; F.R. Trombley, Hellenic Religion and Christia-nization c. 370-529, II parts, Religions in the Graeco-Roman World, 115/1.2, Leiden u.a.1993, insb. II 1-51; L'intolleranza cristiana nei confronti dei pagani, hg. v. P.F. Beatrice,Bologna 1990; J.H.W.G. Liebeschuetz, Barbarians and Bishops. Army, Church, and Statein the Age of Arcadius and Chrysostom, Oxford 1990; W. Daut, Die „halben Christen"unter den Konvertiten und Gebildeten des 4. und 5. Jahrhunderts, ZM 55, 1971, 171-188; R.v. Haehling, Damascius und die heidnische Opposition im 5. Jh. n. Chr., JbAC23, 1980, 82-95.Cf. Syn. Cyr., ep. 105; cf. ep. 154.Cf. J. Rouge, La politique de Cyrille (wie Anm. 126), 496: „Poursuivant mon raisonne-ment jusqu'ä Pextreme, il serait possible que Cyrille, lui-meme, qui a plus qu'une teinturephilosophique, ait ete, avant son depart plus ou moins assidu des d'Hypatie. Toutcela est pure conjecture, je le reconnais bien volontiers, mais pourrait expliquer l'attitude

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jüngst Marie-Odile Boulnois herausgearbeitet hat, wurden Cyrills philo-sophische Kenntnisse und sein logisch geschulter Geist bislang zu geringgeachtet142. Vergleicht man ihn mit seinen christlichen Zeitgenossen, sobesticht, wie er aus entlegenen Autoren und Schriften Argumente kompo-niert und seine Quellen rhetorisch wie sprachlich kreativ verarbeitet. DaßÄhnliches von der Tiefe seiner Argumentation nicht immer zu sagen ist,mindert nicht das positive Urteil über seine philosophischen und literari-schen Kompetenzen. Cyrills gekonnter Umgang mit der aristotelischenKategorienschrift, mit Porphyrius' Isagoge und Geschichte der Philoso-phie und mit anderen philosophischen Werken hat darum bereits früherdie Frage aufgeworfen, ob er nicht wie Synesius den Philosophieunterrichtbei Hypatia besucht hatte143. Hypatia war, wenn nicht an einer offiziellenInstitution lehrend - was, wie gezeigt, jedoch wahrscheinlich ist - selbsteine Institution. Bedeutende Beamte des Magistrats bemühten sich um sie,und auch der neue Präfekt Orestes stattete ihr einen Besuch ab, um sichbei ihr einzuführen. Es war gewiß kein Konflikt zwischen der HeidinHypatia und dem christlichen Bischof Cyrill, sondern es war vielmehrderjenige zwischen den Christen Cyrill und Orestes144, der das SchicksalHypatias besiegelte. Die Philosophin war in die Schußlinie dieser beidenchristlichen Streithähne geraten, denn sie harte auf Orestes Einfluß gewon-nen und damit den Zorn der Gefolgsleute des Cyrill auf sich gezogen.Diese fielen über Hypatia her und schändeten sie auf grausamste Weise,um sie anschließend zu ermorden145. Ohne den Mord entschuldigen zu

de Peveque dans la tragedie de Passassi na t de Ja philosophe." Auch die Schülerschaft desIsidor von Pelusium bei Hypatia ist wiederholt diskutiert worden, cf. M. Dzielska,Hypatia (wie Anm. 85), 42-44.

142 M.-O. Boulnois, Le paradoxe trinitaire chez Cyrille d'Alexandrie. Hcrmeneutique, ana-iyses philosophiqucs et argumentation theologique, Collcction des £tudes Augustiniennes.Serie Antiquite 143, Paris 1994, 187f.394-397.

4 Das erklärte, warum Cyrill, wenn er in seinen Festbriefen von Hellenen spricht, vor allemintellektuelle Griechen im Blick hat und diese im Vergleich zu den Juden in ihremUnglauben eher entschuldigt; in Cyr., ep. fest. 1,5 (SO 372, 170,1-3 Burns) sind dienichtchrisdichen Griechen die „vorgeblich Weisen"; ebd. 1,6; 5,2 (180,117; 288,48-61 B.)wird ihr Unglaube auf eine völlige Unbelehrtheit (durch die Schrift) und auf den Teufelzurückgeführt, wodurch sie eher zufällig, wie ein Schiff im Wind getrieben, zum Poly-theismus geraten seien; noch deutlicher begegnet dieselbe Schuldminderung der Griechenhei gleichzeitiger Beschuldigung der Juden in Cyr.,cp. fest. 4,3f. (SC 372,254,21-256,6 B.),ein Festbrief, der im Jahr nach der Ermordung Hypatias verlesen wurde; und auch wennCyrill ein weiteres Jahr spater (418) ausführlich auf den Irrtum der Heiden eingeht, bleibter doch bei seinem Schema: Die nichtchristlichen Griechen sind nicht frei in ihrer Ent-scheidung, weil sie von der Schrift noch unbelehrt sind und durch den Teufel verführtwurden, während die Juden das Gesetz absichtlich nicht erkennen wollen, cf. dcrs., cp.fest, 6,4-11,108, insbcs. 6,3 (346,19-33 B.); auffallend ist, daß Cyrill auch sonst in seinemWerk wenig zur heidnischen Religion und Praxis ausführt, cf. E. Drioton, Cyrilled'Alexandrie et Tancienne religion Egypticnnc, in: Kyrilliana, Le Cairc 1947, 233-246.

144 Ich denke, J. Rouge, La politique de Cyrille (wie Anm. 126), 499, ist in dieser Frage zuvorsichtig und stutzt sich zu sehr auf christliche Quellen.

145 Cf. J. Rouge, La politique de Cyrille (wie Anm. 126), 499.

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wollen und einzig, um ihn in den innerchrisclichen Disput einzuordnen,verweise ich auf einen anderen Akt von Lynchjustiz, mit dem sich einigeJahre zuvor der christliche Pöbel des unpopulären „arianischen" BischofsGregor in derselben Stadt entledigt hatte, oder, wie ein Verteidiger desVorgehens gegen Hypatia erklärte: „Solche Dinge geschehen nun einmalin Alexandrien."146

Trotz Hypatias Ermordung und trotz der Tatsache, daß sie keinenSchüler hinterlassen hatte, der ihre philosophische Lehrtätigkeit hätteübernehmen können, fand der heidnische Philosophieunterricht in Alex-andrien seine Fortsetzung. Hypatia war also nicht die letzte nichtchristli-che Stimme auf dem staatlichen Katheder der Stadt. Der mutige underfahrene heidnisch-ägyptische Philosoph Hierocles, der in Athen seineAusbildung erhalten hatte und aufgrund seines militanten Heidentums inKonstantinopel bestraft und eingekerkert worden war, kehrte nach seinerHaft in seine Heimat zurück und konnte Hypatias Stelle übernehmen.Unbeugsam wie er war, wurde ihm dennoch der Philosophieunterricht inAlexandrien ermöglicht. Auch Cyrill hielt an seinem gewinnenden Bemü-hen gerade gegenüber dem Kreis der heidnischen Intellektuellen fest147. Soverwundert es nicht, daß auch Hierocles heidnische Nachfolger auf demphilosophischen Lehrstuhl hat. Nach ihm finden wir seinen Freund Her-mias, der ebenfalls aus Athen nach Alexandrien gekommen war, und imAnschluß an ihn eine vierfache, ununterbrochene Diadoche von Schülern,die ihren Lehrern auf den Lehrstuhl folgen. Alan Cameron bemerkte: „Itis not till the beginning of the seventh Century, with Stephanus, that wecan be sure of a Christian professor (of philosophy). And even he continuedto teach the eternity of the world ,according to Aristotle', with no attemptat refutation or reconciliation."148

Ohne ein vollständiges Bild vom Unterricht in Alexandrien zu geben, seilediglich auf zwei Schlaglichter hingewiesen, die zur Illustration dienenmögen; das erste Zeugnis entstammt dem von Zacharias Scholasticus ver-faßten „Leben des Severus" und ist eine Geschichte aus dem Leben desGrammatikers Horapollon, das zweite ist der Suda bzw. Damascius ent-nommen und dient zur Erklärung des Austausches zwischen Philosophen-schülern, die glühende Christen sind, und ihren heidnischen Kommilitonen.

Durch Zacharias Scholasticus erhalten wir einen faszinierenden Ein-blick in die Klassenräume des alexandrinischen Unterrichts um das Jahr480. Von einer Grammatikstunde des Horapollon, der von den Christen

146 Zit. nach: A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 669; cf. Suda,Art. 5 (II 616 .).

147 Ein aufschlußreiches Zeugnis ist Cyr., ep. fest. 6,3 (344,8-18 B.), bei welchem er heidni-sche Intellektuelle anspricht, die offenkundig gerade die ersten Kontakte zu ihm und zurKirche aufgenommen haben und denen er in den folgenden Abschnitten eine pädago-gisch-theologische Einführung gibt, die im Wunsch nach Beendigung von Kampf undStreit und nach Frieden (natürlich im Herrn) gipfelt.

148 A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 671.

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,Psychapollon% n mlich .Zerst rer der Seelen*, genannt wurde, berichtetZacharias folgendes: Ein ehemals heidnischer, aus Aphrodisias stammen-der Sch ler, Paralios, der in gypten zum Christentum konvertiert, abernoch nicht getauft war, hatte sich gegen Horapollons Lehren gewandt.Der Rest der Klasse, offensichtlich berwiegend Heiden, standen abergegen Paralios auf und verpr gelten ihn. Die Lehre von der Geschichte,um derentwillen sie Zacharias erz hlt, ist allerdings bemerkenswert: Hoch-betagt habe sich sogar Horapollon zum Christentum bekehrt149. Der heid-nische Unterricht stand demnach Heiden und Christen, und zwar selbstengagierten, militanten Vertretern (wie auf christlicher Seite etwa densogenannten öéëüôôïíïé150) offen. Solche Offenheit des Lehrangebotes hatzwar eine lange Tradition, war aber im Ausgang des f nften Jahrhundertswohl alles andere als freiwilliges Zugest ndnis von Seiten der Heiden. Dadie Magistrate mehrheitlich aus Christen bestanden, mu ten die alexan-drinischen, heidnischen Lehrstuhlinhaber um ihr Gehalt bangen. Die Leh-rer der Philosophie waren eben nicht wie ihre Fachkollegen in AthenMitglied einer magistratsnahen, jedoch mehr oder weniger privaten undsich aus eigenen G tern n hrenden Institution, sondern Angestellte, dieauf Kosten des Staates lehrten und lebten. Und immer fter, wenn auchnoch l ngst nicht immer, wie gerade an der Philosophie in Alexandrien zuerkennen ist, erhielten Christen den Vorrang bei der Besetzung von Lehr-st hlen.

Damascius, der Sch ler des Ammonius, beschreibt die gegen Ende desf nften Jahrhunderts getroffene Vereinbarung zwischen seinem Lehrerund dem Patriarchen Athanasius II., die einer Art Stillhalteabkommengleichkam. Sie wirft Licht auf den Versuch der heidnischen Philosophie-lehrer, ihre finanzielle Position in einem immer bedr ngender werdendenchristlichen Umfeld zu sichern. Damascius jedenfalls wirft Ammonius vor,aus purer Geldliebe diese heidnisch-christliche Abmachung getroffen zuhaben151. Alan Cameron entwickelt auf der Basis von berlegungen H.-D.Saffreys hypothetisierend, aber durchaus erhellend: „We do not knowwhat this ,pact' consisted of152, but presumably Ammonius agreed to tonedown some of the more obviously anti-Christian elements in his teaching.

Cf. Zach. Schot., vita Sev. (14-44 K.); zusammengefa t bei A. Cameron, The End of thcAnctent Universities (wie Anm. 38)» 669.Johannes Philoponus war um 510/517 ein Sch ler des Ammonius (auch wenn er denNamen φιλόπονο* erst zu einem sp teren Zeitpunkt erhalten zu haben scheint, seinGegner Simplicius nennt ihn schlicht „Grammatiker44); zur Person des Johannes cf. j ngstmit umfangreicher lterer Lit. CI. Sch lten, Antike Naturphilosophie (wie Anm. 28), 118-143; zu den φιλόπονοι cf. Zach. Schol., vita Sev. (12; 24; 32 K.), der zwei f hrendeφιλόπονοι erw hnt, Mertas von Perone bei Alexandrien und Hesychios von Alexandrien;cf. H.-D. Saffrey, Le Chretien Jean Philopon (wie Anm. 43), 403f. (mit weiterer Lit. zuden φιλόπονοι).A. Cameron, The End of the Anctent Universities (wie Anm. 38), 670.H.-D. Saffrey, Le Chrcticn Jean Philopon (wie Anm. 43), 400f.: „L'arrangemcm conclucntrc le profcsveur et l'cvcquc demeurc mvsterieux."

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... In return Athanasius must have undertaken not to interfere with themunicipal subventions to Ammonius' school. ... Is it just a coincidencethat in 529, the very year of the closure of the Academy, ... John(Philoponus, a pupil of Ammonius), publishcd a massive attack on Proclus,the dominant (pagan) spirit of the Academy, refuting one by one his 19proofs of the eternity of the universe? An attempt, surely, to reassure theauthorities about the religious tendencies of the Alexandrian school."153

Auch Ammonius' Nachfolger war wie dieser selbst kein Christ, sondernein heidnischer Philosoph, Olympiodor. Er hatte zumindest bis zum Jahr565 den Lehrstuhl inne154. Ob sein Sch ler Elias oder sein Sch ler Da-vid155, die n chste Generation, Christen waren, ist vielfach diskutiertworden und alles andere als gekl rt156. Es ist nicht einmal v llig auszu-schlie en, da der eine von beiden oder beide j dische Gelehrte waren157.Wie es scheint, war Elias Olympiodors Nachfolger in Alexandrien158.

153 A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 670f.; H.-D. Saffrey, LeChretien Jean Philopon (wie Anm. 43), 406-408; Saffrey (408 Anm. 1) erw hnt E. Stein,Histoire du Bas-Empire, t. II., De la disparition de l'empire d'Occident a la mort deJustinien (476-565), Paris 1949, 370.627 Anm. 2 (non vidi), der hnliche Schl ssegezogen habe wie er.

154 A. Cameron, The End of the Ancient Universities (wie Anm. 38), 671; zum Verh ltniszwischen Ammonius und Johannes Philoponus cf. H.-D. Saffrey, Le Chretien JeanPhilopon (wie Anm. 43), 401 f.; offenkundig schrieb Johannes zusammen mit einemanderen Sch ler des Ammonius (wie Porphyrius bei Plotin und Proklus bei Plutarch) dieVortr ge des Lehrers auf, sammelte sie und ver ffentlichte das lediglich m ndlich Vor-getragene, cf. M. Richard, ÁÐÏ ÖÙÍÇ, Byz. 20, 1950, 191-222; zu erw hnen ist, da zurselben Zeit in Alexandrien auch ein literarisch t tiger Presbyter Ammonius lebte (CPG5500-5509), der in Olympiodor ebenda einen Nachfolger in der Kommentierung derHeiligen Schrift hatte (CPG 7453-7464).

155 Cf. PS.-Elias (Pseudo-David), Lectures on Porphyry's Isagoge. Introduction, Text andIndices by L.G. Westerink, Amsterdam 1967, XVI.

156 Von Elias besitzen wir Kommentare zu Porphyrius' Isagoge und (Ps.-)Aristoteles' Kate-gorienschrift (CAG XVIII 1) und ein Fragment zu den anal. pr. (Mnemosyne 1961, 126-139), von David gibt es lediglich noch einen Kommentar zur Isagoge (CAG CVIII 2); cf.David the Invincible (Anakht), The Definitions of Philosophy. Critical text, translationfrom the Old Armenian, introduction and commentary by S.S. Arefshatyan (in Russisch),Erevan 1960. Eine andere Vorlesung zu Porphyrius' Isagoge, die bisweilen David zuge-schrieben wird, bisweilen Elias, „shows the type that is traditional in the school ofAmmonius, ... (and) represents the same teaching tradition", geh rt aber keinem derbeiden (L.G. Westerink, Pseudo-Elias (wie Anm. 155); L.G. Westerink (Xllf.) behauptetElias, David, Pseudo-Elias und Stephanus seien Christen, obwohl er hervorhebt, in wieverschiedener Weise sie von Kaiser Julian sprechen. Pseudo-Elias etwa nennt ihn oðáñáâÜôçò, was einen christlichen Kopf erkennen l t, David jedoch sagt schlicht:ºïõëéáíþ ôù âáóéëÅÚ; doch auch W. Liebeschuetz, Art. Hochschule (wie Anm. 1), 886,spricht Elias und David unterschiedslos als Christen an.

157 Diese M glichkeit wurde bislang offenkundig noch nicht bedacht, sondern allein aus denNamen auf christliche Abstammung geschlossen. Dies verbietet sich jedoch als alleinigesArgument. Insgesamt ist die Quellenlage vor allem wegen der umstrittenen Autorschaftder Schriften, die unter dem Namen des David bzw. des Elias erhalten sind, au erordent-lich problematisch.

158 Cf. L.G. Westerink, Pseudo-Elias (wie Anm. 155), XVI.

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„Oxbridge" in der ausgehenden Spätantike 77

Wie Cyrill von Alexandrien nach Ausweis der praefatio seines WerkesContra lulianum feststellt, hat ihn unter anderem das Fehlen eines christ-lichen Philosophen im ersten Drittel des fünften Jahrhunderts dazu veran-laßt, selbst zur Feder zu greifen und die alexandrinische refutatio gegen dieantichristliche Schrift des letzten heidnischen Kaisers in Angriff zu neh-men, die sich offensichtlich innerhalb der heidnischen, philosophisch in-teressierten Zirkel Alexandriens großer Beliebtheit erfreute, aber auch vonChristen gelesen wurde159. Wie Cyrill ebenfalls in der praefatio angibt,wollte er eine Handreichung für verunsicherte und interessierte Christengeben, damit diese sich mit antichristlichen Argumenten der Heiden aus-einandersetzen konnten160. Ja, das Werk scheint nach einem Zeugnis desZacharias Scholasticus womöglich christlichen Schülern heidnischer Phi-losophen als zusätzliche private Lektüre gedient zu haben. Zachariasberichtet nämlich, daß er sich in Alexandrien regelmäßig mit Severus zurLektüre antiheidnischer christlicher Texte traf, zu denen möglicherweiseauch Cyrills Schrift gehört hatte161.

Betrachtet man sich noch einmal auf dem Hintergrund dessen, was zuAthen gesagt wurde, das Bild, das wir vom Unterricht in Alexandrien undinsbesondere von dem der Philosophie gewinnen konnten, so fällt auf, daßhier ähnlich wie dort von einer Diadoche gesprochen werden kann. So-wohl in Alexandrien wie auch in Athen finden wir in der Regel in jederGeneration zumindest einen bedeutenden Lehrer, der mindestens einenbedeutenden Schüler hervorbringt, welcher die Lehrtätigkeit seines Mei-sters übernimmt. Hierocles und Hermias, die von Athen nach Alexandrienkamen, sind keine Gegenbeispiele. Denn Hypatia, die durch Hieroclesersetzt wurde, war Opfer eines Mordanschlages geworden, als sie offen-sichtlich noch weit davon entfernt war, an einen Rückzug aus ihrer

>5* Cf. Cyr., c. lul. pracf.; die Geschichte, die Cyrills Beweggrόnde aufzeigt, seine Bόchergegen Julian zu schreiben, findet sich in: Storia della chiesa di Alessandria, ed. T. Orlandi,Bd. II, Mailand 1970, 38-40; man vergleiche auch die aufschluίreiche Disputati o Cyrilli,edd. F. Hintze/S. Morenz, ZΔS 79,1954,126-130, die, handelt es sich bei dem erwδhntenWortfόhrer Cyrill um den spδteren Bischof von Alexandrien, einen Einblick in diephilosophische Unterrichtssituation gibt, die Cyrill als Christ im Umfeld heidnischerLehrer erfuhr. Zu dem Verhδltnis zwischen Paralios und seinem Lehrer vergleiche manZach. Schol., vita Sev. (16 K.); cf. auch J. van der Vlict, Spδtantikes Heidentum inΔgypten im Spiegel der koptischen Literatur, in: Begegnung von Heidentum und Chri-stentum im spatantiken Δgypten, Riggisberger Berichte 1, Rtggtsberg 1993, (99-130) 121;Ph. Rousseau, Pachomius, Berkeley 1985, 162-169; F.R. Tromblcy, Hellcnic Religion(wie Anm. 139), II 5; P. de LabrioUe, La rcaction paiennc. £tude sur la polcmiqucantichrettenne du Ier au VI* siede, Paris 1942, 470.

"-0 Ci. Zach. Schol., vita Sev. (16 K.).'*' Solche private Lektόre in Ergδnzung der Pflichttektόre gehφrte zur normalen Ausbildungs-

praxis in Alexandrien, cf. den Bericht von Hunain ibn Ishaq, dem groίen arabischenάbersetzer des neunten Jahrhunderts, der nach G. Strohmaier „noch eine genaue Vorstel-lung davon (hat), wie der medizinische Unterricht in Alcxandria ablief*4, so dcrs.. DieRezeption und die Vermittlung (wie Anm. 68), (155f.) 155.

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Lehrt tigkeit und an die Benennung eines Sch lers f r ihre Nachfolge zudenken162. Und Eneas, der (von Hypatia bernommene?) Sch ler desHierocles in Alexandrien, war Christ und hatte vielleicht darum keineChance, seinem Lehrer auf dem Lehrstuhl zu folgen. Anstelle von ihm

bernimmt ein Heide aus Athen, Hermias, der wie Hierocles ein Freundvon Proclus und ein Sch ler des Syrianus war, den Unterricht. Heidentumund Freundschaften waren f r Berufungen noch wichtiger als die Tatsa-che, Sch ler des scheidenden Lehrers zu sein.

Letzteres wirft ein deutliches Licht auf die engen heidnischen Verbin-dungen zwischen Athen und Alexandrien, die auch aus den mannigfaltigexistierenden Familienverbindungen ersehen werden k nnen163. Drei derf hrenden Lehrer Athens kamen, wenn auch nicht sukzessive, aus Alexan-drien, n mlich Syrianus, Isidorus und Damascius; alle waren sie st rker anPlato denn an Aristoteles interessiert164. Hermias wiederum, der Mann,der von Athen nach Alexandrien ging, nachdem Hypatia ermordet wor-den war, war mit Aidesia verheiratet. Aidesia war eine nahe Verwandte,entweder eine Tochter oder Nichte, des Athener Philosophen Syrianus undsollte zun chst die Ehefrau von Hermias' Kommilitonen Proclus wer-den165. Auch Olympiodor, der in Alexandrien Philosophie lehrte, hattezun chst die Absicht, seine Tochter mit Proclus zu verheiraten166. Hermias,der schlie lich Aidesia aus Athen gewann, war berdies ein enger Freunddes Aigyptus, des Bruders der Theodota, welche die Mutter des Isidorus,Proclus' Nachfolger in Athen, war167. Als Hermias' Sohn, Ammonius, vonihm nach Athen zum Philosophiestudium geschickt worden ist, um dortbei dem wenig sp ter „g ttlich" genannten Proclus zu h ren, kehrte dieserin Athen in die Heimat der eigenen Familie und die der Freunde seines

162 Gegen H.-I. Marrou, Synesius of Cyrene (wie Anm. 11), 134, der nicht bedenkt, daHypatias Ermordung f r sie wohl nicht vorauszusehen war; wie R. Hoche, Hypatia (wieAnm. 85), 439, berzeugend darlegt, meint die Nachricht des Joh. Malalas, chron. II (êáô*åêåßíïí äå ôïí êáéñüí— åêáõóáí — ¾ôôÜôåéáí ôçí ôôåñéâüçôïí öéëüóïöïí, ôôåñß çò ìåãÜëáÝöÝñåôï, fjv äå ôôáëáéÜ ãõíÞ) nicht, da Hypatia zur Zeit ihrer Ermordung bereits hochbetagt gewesen war. Immerhin lebte, wie Synesius best tigt, kurz vor der Ermordungauch noch ihr Vater (cf. S. 71 Anm. 135).

163 Cf. M.L. Clarke, Higher Education (wie Anm. 63), 102f.; A. Cameron, The End of theAncient Universities (wie Anm. 38), 660: „One of the most interesting and significantfeatures of University life in the late Empire (is): mobility."

164 Cf. H.-D. Saffrey, Le Chretien Jean Philopon (wie Anm. 43), 396f.: „Depuis le ,grand'Syrianus, c'est- -dire depuis le debut du Vc siede, un double lien tres etroit unissait lesEcoles d'Athenes et d'Alexandrie. Lien de maitre eleve d'abord ... Ces liens intellectuels,meme entre diverses Ecoles, etaient en quelque sorte consacres par des liens de famille."

165 Cf. Suda, Art. ¢ßäåóßá; Åñìåßáò (II 161f.; II 412f. Á.); cf. R. Asmus, Das Leben desPhilosophen Isidoros von Damaskios aus Damaskos, Leipzig 1911, 44f.; H.-D. Saffrey,Le Chretien Jean Philopon (wie Anm. 43), 397f-, der die Familienbande zwischen denPhilosophen der verschiedenen St dte deutlich herausstellt.

166 Cf. Marinus, vita Procl. 9.167 Cf. H.-D. Saffrey, Le Chretien Jean Philopon (wie Anm. 43), 398.

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„Oxbridge" in der ausgehenden Spätantike 79

Vaters ein168. In Athen schließlich stieß Ammonius zur Gruppe um Mari-nus, die eher zu Aristoteles* Philosophie neigte. Dieser Schulrichtung bliebAmmonius auch treu, nachdem er nach Alexandrien zurückgekehrt war,um in dieser Stadt von seinem Vater den Philosophieunterricht zu über-nehmen. Einer seiner Schüler war Damascius, der seinerseits wieder nachAthen ging, um dort Isidorus als Leiter der Schule zu beerben. Ein andererSchüler des Ammonius war Simplicius, der in Alexandrien mit ihm dieStudien begonnen hatte, dann aber zum Abschluß seiner Ausbildung zuDamascius nach Athen wechselte. Ammonius besaß in Alexandrien we-nigstens vier oder fünf bedeutende Schüler, Damascius, der nach Athenging, Simplicius, der diesem folgte, aber auch Johannes Philoponus, derChrist wurde, möglicherweise Boethius, der sich nach Rom wandte, undden als einzigen in Alexandrien verbleibenden Olympiodor. Handelt essich also um eine quasiinstitutionelle Diadoche für den einen philosophi-schen Lehrstuhl der Stadt Alexandriens, ist es nicht erstaunlich, daß vonso vielen bedeutenden Schülern lediglich einer als Nachfolger des Lehrersin der Stadt zurückblieb. Olympiodor brachte zwei der herausragendstenAristoteleskommentatoren hervor, Elias und David, über deren Religions-zugehörigkeit keine Klarheit zu gewinnen ist.

Diese Aufzählung verdeutlicht, welch* hohen Stellenwert und welcheherausragende Bedeutung die wechselseitigen Beziehungen zwischen denheidnischen Philosophen Athens und Alexandriens besitzen. Das einfluß-reiche Netzwerk von Kollegen, Schülern und Kommilitonen der örtlichenGelehrten- und Aristokratenfamilien, aber auch die gegenseitige Rivalitätspielten eine eminente Rolle. „An ambitious professor - indeed anyprofessor who wanted to keep what he had got already - would have todevote a quite disproportionate amount of his time to intrigue and wire-pulling, to getting and staying on good terms with the local gentry."169

Um zusammenzufassen: Wenn nicht bereits früher, so wenigstens seitPhilo von Alexandrien und Numenius, also seit dem Beginn des Mittelpla-tonismus mit seiner Kombination platonisierender Metaphysik und aristo-telisierender Logik, besaß der Philosophieunterricht durch seine religiöseFärbung eine natürliche Anziehungskraft für Christen. Umgekehrt stan-den offensichtlich auch Heiden philosophierenden Christen nicht grund-sätzlich und völlig ablehnend gegenüber, auch wenn die Philosophie dereinen und die der anderen im Ansatz wie in mancher Hinsicht nichtdeckungsgleich war. Doch der griechische Philosophieunterricht in heid-nischer und christlicher, anfangs und vielleicht auch später noch ebenso injüdischer Ausgestaltung entwickelte sich Seite an Seite, z.T. sogar mitein-ander, wenn auch der pagane bis ins sechste Jahrhundert hinein weitge-hend dominant blieb. Erst die Maßnahmen Justinians schränkten den

'** Cf. H.-D. Saffrey, Le Chreticn Jean Philopon (wie Anm. 43), 396.'** A. Cameron, The End of the Δndern Universities (wie Anm. 38), 655.

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paganen Unterricht drastisch ein und führten zu einer Christianisierungder Philosophie, die nach der arabischen Eroberung schließlich islamisiertwurde. Ein grundsätzlicher Unterschied in der Art, wie Philosophie vorallem in Athen und Alexandrien unterrichtet worden war, läßt sich nichtfeststellen. Nicht weniger als in Athen ist es uns möglich, was Alexandrienbetrifft, von einer regelrechten Diadoche in der Weitergabe der Lehr-autorität zu sprechen. Der gegenseitige Austausch und die engen Bezie-hungen, die zwischen den Philosophierenden beider Städte existierten,lassen Athen und Alexandrien darum nicht zu Unrecht mit Oxford undCambridge vergleichen. Austausch und Begegnungen stützen die These,daß der Philosophieunterricht als solcher, aber auch die Inhalte, die hierund da gelehrt worden sind, nicht grundsätzlich verschieden waren, auchwenn sich die institutionelle Form des Unterrichts in beiden Städten un-terschieden hatte170. Diejenigen, die offiziell in Alexandrien lehrten, kann-ten die Vorzüge von Athens privatem Bildungsinstitut, hatten Athen abernicht zuletzt deshalb verlassen, weil sie in der bedeutenderen Stadt Alex-andrien eine Lebenszeitstellung mit staatlichem Gehalt einnehmen konn-ten. Sie brachten das Wissen der Wohlhabenden mit sich, die sich einerfinanziell gut ausgestatteten Einrichtung erfreut hatten. In Athen hattensie gelernt, wie philosophisches Leben in einer Stadt als Möglichkeit derEinflußnahme gestaltet werden konnte und wie die heidnische Besitz-standswahrung durch Berufung von geeigneten (d.h. heidnischen) Schü-lern zu handhaben war. Diejenigen, die Alexandrien für Athen einge-tauscht hatten, wußten von den Möglichkeiten und den Gefahren, die einedirekte Abhängigkeit von staatlichen Stellen mit sich brachte. Syrianus,der von Alexandrien nach Athen gegangen war, band die AkademieAthens zwar enger an die Administration der Stadt, knüpfte aber dieNachfolge noch stärker an Familienbande. Damit unterschied sich dieErnennungspolitik der heidnischen staatlichen Lehrstuhlinhaber Alexan-driens von denen der privaten Schulhäupter Athens kaum.

Was bleibt von dem eingangs angezeigten alten und neuen Konsens?Ich schlage als Arbeitshypothese bis zur Überprüfung der Lehrinhalte eineKombination vor, bei der aus dem alten Konsens die Lösung a) übernom-men und modifiziert wird und aus dem neuen Konsens die Lösung b):a) daß die Art und Weise, wie Philosophieunterricht in Alexandrien und

Athen betrieben wurde, wenn auch nicht gleich, so doch miteinandervergleichbar war, und

b) daß inhaltlich zwischen Alexandrien und Athen nicht grundsätzlichgeschieden werden kann.

Aus dem Vorgetragenen möchte ich die vorsichtige Arbeitshypothese ab-leiten, daß antipagane christliche Literatur im fünften Jahrhundert — wie

170 Was die Inhalte betrifft, müßte natürlich in Fortschreibung der Ergebnisse von I. Hadotder Nachweis noch geliefert werden. Einstweilen sei auf ihre Arbeit verwiesen.

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„Oxbridge" in der ausgehenden Spätantike 81

etwa Cyrills Schrift gegen Julian - nicht aufgrund eines beständigen Kamp-fes von Heiden und Christen entstanden ist, ja daß sie einen solchen wedervoraussetzt noch für ihn zeugt. Es scheint gerade das Umgekehrte der Fallgewesen zu sein, daß manche Bischöfe wie Cyrill in dem zumeist unpro-blematischen täglichen Umgang von Menschen verschiedenen Glaubensund Denkens miteinander und in der durch die gemeinsame schulischeAusbildung grundgelegten griechischen Kultur einen gefährlichen Synkre-tismus sahen, der Heiden eine innere Konversion zum Christentum über-flüssig erscheinen ließ und Christen nicht davon abhielt, sowohl ägypti-sche Glaubenstraditionen weiterzupflegen als auch die griechische Bildunghochzuschätzen.

Ich möchte mit einer muslimischen apologetischen Schrift des Literatenal-Gahiz gegen die Christen schließen. Denn sie tradiert sowohl den auschristlicher Apologetik übernommenen Topos, daß sich Christentum undHellenentum wesentlich unterscheiden, und macht sich diesen argumenta-tiv zunutze, überliefert aber auch die dazu nicht unbedingt konträrechristliche Ansicht, daß das Christentum und die nichtchristliche Kulturso wesentlich verschieden doch nicht seien, da das byzantinische Christen-tum das Erbe der Griechen angetreten habe. Es heißt:

„Diese Leute (nämlich Aristoteles, Ptolemaius, Euklid, Galen u.a.) gehörten zueinem Volk, das untergegangen ist, von dem aber die Werke seines Geniusgeblieben sind, und das waren die Griechen. Ihre Religion wie auch ihre Kulturwar eine andere als die der Christen. Jene waren Wissenschaftler, diese sindBanausen, die aus Gründen der geographischen Nachbarschaft in den Besitzihrer Bücher gelangten. Von diesen schrieben sie einige sich selbst zu, andereänderten sie, um sie ihrer Religion anzupassen. Wenn jedoch diese Bücher undihre Lehren zu bekannt sind, als daß sie in der Lage gewesen wären, an ihrenNamen etwas zu ändern, so behaupten sie, daß die Griechen ein Stamm derByzantiner waren, und sie brüsten sich mit ihrer Religion gegenüber den Juden,den Arabern und den Indern. Sie erklären sogar, daß unsere Gelehrten undPhilosophen nur die Nachfolger ihrer Gelehrten seien und in deren Fußstapfenträten.44171

I?l Three Essays of Abu Othman *Amr Ibn Bahr Al-Jahiz (D. 869), hg. v. J. Finkel, Kairo1926, dt. άbers, in: G. Strohmaier, Die griechischen Gφtter in einer christlich-arabischenάbersetzung. Zum Traumbuch des Artemidor in der Version des Hunain Ibn Ishak, in:F. Altheim/R. Stiehl, Die Araber in der Alten Welt, V/1, Berlin 1968, 127-162 (jetzt in:der*.. Von Demokrit bis Dante fwie Anm. 71 J, J227-262J 255f., hiernach zittert); eineδhnliche Polemik, die auf die Ununterscheidbarkeit von antiker und christlicher Bildungabhebt, wurde von Muslimen gegen Johannes Philoponus vorgetragen, indem sie berich-teten, er habe eigentlich mit Aristoteles und Proclos όbereingestimmt, sich jedoch nur inSchriften gegen sie gewandt, weil er von Mitchristen bedroht oder bestochen worden sei,ci. hierzu G. Strohrruicr, Patristische άberlieferung im Arabischen, in: Das Korpus dergriechisch-christlichen Schriftsteller, hg. v. J. Irmscher/K. Treu, TU 120, Berlin 1977,139-145 {jetzt im der*., Von Demokrit bis Dante Jwic Anm. 7l|, (167-1731 168f„hiernach zittert).

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ABSTRACT

Years ago, Karl Praechter claimed that philosophical teaching at Alexandria and Athensdiffcrcd vvidely in content, not in the way pupils were taught. Recent studies try to showthc opposite νίενχ:

a) the circumstances werc quite different, in which philosophical courses were heldat Alexandria and Athens. There, philosophers lectured privately without financial helpof the state or of other institutions, here they worked in the surrounding of a scholarly,privately subsidized Community;

b) the philosophical positions differed less than previously assumed.According to this paper — although it focusses mainly on a) — onc has to combine theold with the new consensus. Despitc specific differences in the way of teaching (and incontent), enough features remain which enable us to compare the cities of Alexandriaand Athens with "Oxbridge": the mutual exchange of students and teachers, thephilosophical diadoche ...

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