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Eberhard Jung Projektpädagogik als didaktische Konzeption (in: Volker Reinhardt (Hg.): Projekte machen Schule, Schwalbach 2005, S. 13-34) I. Prolog: Zur Aktualität projektpädagogischen Lehrens und Lernens Gegenwärtig werden die Diskurse in der Pädagogik und den Fachdidaktiken in hohem Maße von der Thematik Bildungsstandards geprägt. Sie basieren auf der im Februar 2003 von einem Wissenschaftlerteam um Eckhard Klieme veröffentlichten Expertise: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards (DIPF 2003, S. 15), die im Auftrag des Bundesbildungsministeriums und der Kultusministerkonferenz erstellt wurde. Die Expertise verdeutlicht, dass Bildungsstandards zur Konkretisierung von Bildungszielen nicht auf Auflistungen von Lehrstoffen und Lerninhalten zurückgreifen und das Erfassen von Kompetenzen und deren Niveaus ein Abfragen schulischen Wissens weit überragen. Vielmehr geht es darum, „Grunddimensionen der Lernentwicklung in einem Gegenstandsbereich“ (Fach, Lernbereich) zu identifizieren, der im wissenspsychologischen Sinn als „Domäne“ bezeichnet wird und definiert, was Lernende am Ende einer Lernsequenz wissen und können müssen (DIPF 2003, S. 15). Aus bildungspolitischer Perspektive sollen Bildungsstandards bei der Überwindung der nationalen Bildungsmisere helfen, die seit der Veröffentlichung der TIMMS- und der PISA- Ergebnisse die gesellschaftliche Diskussion bewegt. Beide Studien orientieren sich konzeptionell an dem angelsächsischen Literacy-Konzept. Literacy wird als eine universelle Basiskompetenz zu verstanden, „die eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der modernen Gesellschaft ermöglicht“ (Moschner 2003, S. 54). Es gehe um die Vermittlung fachlicher und überfachlicher Basiskompetenzen, „um die Fähigkeit zur Anwendung erworbener Kompetenzen in authentischen Lebenssituationen und um die Anschlussfähigkeit des Wissens“ (Kiper 2003, S. 70f). Unter Kompetenzen werden im Sinne der Expertise die bei Lernenden angestrebten Ziel- und Leistungsdispositionen verstanden. Die dazu erforderlichen Kompetenzmodelle konkretisieren Inhalte und Stufen der Bildung und geben damit eine pragmatische Antwort auf die Konstruktions- und Legitimationsprobleme traditioneller Bildungs- und Lehrplandebatten (DIPF 2003, S. 4). Das dabei zu Grunde gelegte Kompetenzkonstrukt grenzt sich bewusst von dem auf Heinrich Roths „Pädagogischer Anthropologie“ basierenden und durch berufspädagogische Autoren (z.B. Pätzold 1999, S. 57f; Bader/Müller 2002, S. 177) verfeinerte (und in der Pädagogik verwandte) Konzept beruflicher Handlungskompetenz als Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz ab (DIPF 2003, S. 15). Unter Kompetenzen werden im Sinne Weinerts die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbare kognitive

07-Eberhard Jung Projektpädagogik als didaktische … · inputorientierten Curriculumplanung besitzt Folgen für das Unterrichtsgeschehen. Von einem allgemeinen Verständnis von

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Eberhard Jung Projektpädagogik als didaktische Konzeption (in: Volker Reinhardt (Hg.): Projekte machen Schule, Schwalbach 2005, S. 13-34) I. Prolog: Zur Aktualität projektpädagogischen Lehrens und Lernens Gegenwärtig werden die Diskurse in der Pädagogik und den Fachdidaktiken in hohem Maße

von der Thematik Bildungsstandards geprägt. Sie basieren auf der im Februar 2003 von einem

Wissenschaftlerteam um Eckhard Klieme veröffentlichten Expertise: Zur Entwicklung

nationaler Bildungsstandards (DIPF 2003, S. 15), die im Auftrag des

Bundesbildungsministeriums und der Kultusministerkonferenz erstellt wurde. Die Expertise

verdeutlicht, dass Bildungsstandards zur Konkretisierung von Bildungszielen nicht auf

Auflistungen von Lehrstoffen und Lerninhalten zurückgreifen und das Erfassen von

Kompetenzen und deren Niveaus ein Abfragen schulischen Wissens weit überragen. Vielmehr

geht es darum, „Grunddimensionen der Lernentwicklung in einem Gegenstandsbereich“

(Fach, Lernbereich) zu identifizieren, der im wissenspsychologischen Sinn als „Domäne“

bezeichnet wird und definiert, was Lernende am Ende einer Lernsequenz wissen und können

müssen (DIPF 2003, S. 15).

Aus bildungspolitischer Perspektive sollen Bildungsstandards bei der Überwindung der

nationalen Bildungsmisere helfen, die seit der Veröffentlichung der TIMMS- und der PISA-

Ergebnisse die gesellschaftliche Diskussion bewegt. Beide Studien orientieren sich

konzeptionell an dem angelsächsischen Literacy-Konzept. Literacy wird als eine universelle

Basiskompetenz zu verstanden, „die eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in

der modernen Gesellschaft ermöglicht“ (Moschner 2003, S. 54). Es gehe um die Vermittlung

fachlicher und überfachlicher Basiskompetenzen, „um die Fähigkeit zur Anwendung

erworbener Kompetenzen in authentischen Lebenssituationen und um die Anschlussfähigkeit

des Wissens“ (Kiper 2003, S. 70f).

Unter Kompetenzen werden im Sinne der Expertise die bei Lernenden angestrebten Ziel- und

Leistungsdispositionen verstanden. Die dazu erforderlichen Kompetenzmodelle

konkretisieren Inhalte und Stufen der Bildung und geben damit eine pragmatische Antwort

auf die Konstruktions- und Legitimationsprobleme traditioneller Bildungs- und

Lehrplandebatten (DIPF 2003, S. 4). Das dabei zu Grunde gelegte Kompetenzkonstrukt

grenzt sich bewusst von dem auf Heinrich Roths „Pädagogischer Anthropologie“ basierenden

und durch berufspädagogische Autoren (z.B. Pätzold 1999, S. 57f; Bader/Müller 2002, S.

177) verfeinerte (und in der Pädagogik verwandte) Konzept beruflicher Handlungskompetenz

als Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz ab (DIPF 2003, S. 15). Unter Kompetenzen werden

im Sinne Weinerts die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbare kognitive

Fähigkeiten und Fertigkeiten“ verstanden, „um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit

verbundenen motivationalen, volitionalen1 und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten“

bereit zu stellen, „um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und

verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 20022, S. 27f).

Der hier geforderte und umfangreich diskutierte Paradigmawechsel von der output- zur

inputorientierten Curriculumplanung besitzt Folgen für das Unterrichtsgeschehen. Von einem

allgemeinen Verständnis von Kompetenz als Befähigung zur Bewältigung von

Lebenssituationen ausgehend, gelangen Lehr-/ Lernverfahren in den Fokus der Betrachtung,

mit denen das lebensweltlich Bedeutsame, in didaktisch aufbereiteter Weise, von Lernenden

erworben werden kann. Einerseits gilt es, die seit Seneca2 beklagte Kluft zwischen Schule und

Lebenswelt, andererseits die aktuellen Defizite, zwischen den Konstruktionsmerkmalen

traditioneller deutscher Bildungs- und Lehrpläne und den in den internationalen

Vergleichstest geforderten Standards zu überwinden. Dazu sind Unterrichtsverfahren

erforderlich, mit denen Kompetenz in dem von Weinert definierten Sinne vermittelbar ist.

Demnach sollte Unterricht so angelegt sein, dass

- Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeit erworben werden, um anstehende Probleme zu

lösen;

- die erforderlichen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und

Fähigkeiten geweckt und bereitgestellt werden;

- grundlegende Befähigungen zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der

modernen Gesellschaft erworben werden können;

- erworbene Kompetenzen in authentischen Lebenssituationen erprobt werden können;

- anschlussfähiges Wissen und Können eigenständig erworben und erweitert werden

können.

Über die Frage, ob es denn didaktische Konzeptionen gibt, die geeignet sind, diese hohen

Ansprüche einzulösen, gelangen projektpädagogische Verfahrensweisen in den Fokus der

Betrachtung. Ein erstes Nachschlagen gängiger Definitionen stimmt hoffungsvoll: Im

Rahmen der Projektpädagogik werden Lehr-/ Lernprozesse so organisiert, dass Lernende zum

Lösen komplexer Aufgabenstellungen befähigt werden, was sie zur Bewältigung von

Lebenssituationen qualifiziert (Kaiser 1999, S. 329). Dabei werde das traditionelle

Rollenverständnis zwischen Lehrenden und Lernenden zugunsten der Schaffung

1 Unter Volition wird die willentliche Steuerung von Handlungen und Handlungsabsichten verstanden. 2 „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir" (non vitae, sed scholae discimus) lautet die fast zweitausend Jahre alte Kritik des römischen Philosophen Seneca (4 v. - 65 n. Chr.), in dem er der Schule Lebensferne und Lebensfremdheit bescheinigte (Seneca 1995, S. 626f.).

demokratischer Umgangsformen (Mit- und zunehmende Selbstbestimmung der Lernenden)

überwunden (Kaminski 1999, S. 358). Grundsätzlich ginge es um die „handelnd - lernende

Bearbeitung einer konkreten Aufgabenstellung“ mit den Schwerpunkten Selbstplanung,

Selbstverantwortung und praktischer Verwirklichung (Gudjons 1995, S. 147).

Festzuhalten bleibt, dass der Projektpädagogik, wie keinem anderen didaktischen

Ansatz, eine besondere Bedeutung im Rahmen der Bewältigung gegenwärtiger und

zukünftiger Bildungsherausforderungen zugestanden werden muss. Gemäß den

Erkenntnissen der Bildungskommission NRW könne sie dazu dienen, „die Phänomene

und Probleme unserer Welt genauer kennen zu lernen“ und Lernende befähigen, „die

erworbenen fachlichen Fähigkeiten für die Lösung alltäglicher Aufgaben zu nutzen“.

Deshalb sei der Projektunterricht ein notwendiges, nicht ersetzbares, aber auch

keineswegs zu verabsolutierendes Lehr- und Lernprinzip (Bildungskommission NRW,

S. 96f).

Obwohl diese Erkenntnisse keinesfalls der Euphorie der Bildungsreform der 1970er

Jahre entstammen und auch als wissenschaftlich untermauert und von der

Bildungsverwaltung unterstützt (oder sogar gefordert) angesehen werden können,

stimmt die projektpädagogische Wirklichkeit eher traurig. Noch immer dominiert der

Lehrer zentrierte Unterricht zu mehr als 90% das Unterrichtsgeschehen und die

Projektpädagogik reduziert sich noch zu oft auf die besonderen Aktivitäten in der

Projektwoche. Jedoch bedarf ein didaktischer Ansatz, mit dem die beschriebenen

aktuellen Herausforderungen bewältigbar erscheinen, einer intensiveren

Berücksichtigung in der schulischen Praxis und der Lehrerbildung, wozu konzeptionelle

Durchdringung die Grundlage bildet.

Im Rahmen dieses Beitrags soll die Theorie und Praxis der Projektpädagogik von ihren

theoretischen Grundlagen bis zur unterrichtlichen Umsetzung als didaktische Konzeption

entfaltet werden. Wegen der gegebenen Kürze kann der Frage, wie denn zukünftige Lehrende

bereits in ihrem Studiums zur Beherrschung projektpädagogischer Verfahrensweisen zu

qualifizieren sind, nicht weiter nachgegangen werden (dazu Jung, 2002). Da auch über die

Durchführung von Projektwochen genügend Literatur zu Verfügung steht (z.B. Emer/Lenzen

2002, Kap 4.6; Jäger 1998, Hänsel, 1992, Kap 5, Dunker/Götz 1984), wird der Schwerpunkt

dieses Beitrags auf die Entfaltung des Projektunterricht als „unterrichtliche Normalform“

gelegt und der Überleitung zum Projektunterricht ein Kapitel gewidmet. Der Beitrag schließt

mit einer Einordnung über die Bedeutung der Projektpädagogik im Rahmen der Erziehung zu

demokratischem Verhalten.

II. Die Konzeption3

Der Konzeptionsentwicklung voranzustellen bleibt die Klarstellung, dass das hier entfaltete

Modell der bildend wirkenden lernenden Betätigung eine andere Qualität besitzt, als dass es

in der vereinfachenden Bezeichnung "Projektmethode" zum Ausdruck kommt. Die von

Dewey und Kilpatrick sowie im deutschsprachigen Bereich u.a. von Frey verwandte

Bezeichnung Projektmethode basiert auf einem wissenschaftlichen Verständnis von Methode

als Weg zum Ziel. Das gegenwärtig zumeist verwendete Methodenverständnis begrenzt den

Begriff auf seinen instrumentellen Charakter im Sinne einer Problemlösungsmethode. In

diesem Sinne findet er auch in außerpädagogischen Bereichen (z.B. Projektmanagement)

seine Verwendung. Demgegenüber umschreibt das hier verwandte Projektverständnis ein

philosophisch begründetes, lerntheoretisch reflektiertes, in der Geschichte der Pädagogik

genau zu lokalisierendes didaktisches Modell, welches auf dem Pragmatismus der

amerikanischen Philosophierichtung des ausgehenden 19. Jahrhunderts basiert (Jung 1997, S.

9). Dadurch unterscheidet sich die Projektpädagogik entstehungsgeschichtlich und intentional

von dem auf der kognitiven Lerntheorie begründeten „Handlungsorientierten Unterricht“

und dem auf der kulturhistorischen Schule der sowjetischen Tätigkeitspsychologie

gegründeten „Handelnden Unterricht“ (dazu: Gudjons 1986, S. 35 - 47).

Die Bezeichnung Projekt geht auf das lateinische Wort proicere (vorwerfen, entwerfen,

hinauswerfen) zurück und wird heute im Sinne von Plan, Planung, Entwurf und Vorhaben

verwandt. Dabei ist die Realisierung des Planes fester Bestandteil des Planungskonzepts

(Kaiser 1989, S. 1272 f.). Der Begriff lässt sich nicht auf pädagogische Lehr-/Lernprozesse

begrenzen. Projekte finden in unterschiedlichen Bereichen von Pädagogik, Wissenschaft,

Wirtschaft, Technik und Politik ihre Anwendung, z.B. als Forschungsprojekt, Bauprojekt,

Entwicklungsprojekt, Ausbildungsprojekt und Integrationsprojekt (Jung 2002, S. 1).

II. 1 Wurzeln: John Deweys Pädagogik des Pragmatismus Obwohl Frey (19988, S. 13) auf eine ca. 300-jährige pädagogische Projekttradition verweist,

ist das derzeitige pädagogische Projektverständnis sehr eng mit der Philosophie des

3 Die Konzeptionsentfaltung stellt eine zeitgemäße Bündelung meiner Beiträge: Projekt - Projektunterricht: mehr als eine Methode, Schwalbach (1997) und Projektunterricht – Projektstudium – Projektmanagement, sowi-online-Methodenlexikon (2002) dar. Die verwandte Begrifflichkeit didaktische Konzeption wird mit den Bezeichnungen didaktisches Modell und didaktischer Ansatz synonym gesetzt.

Pragmatismus verwoben. Der Pragmatismus4 (von griechisch pragma = das Getane oder das

was zu tun ist) vertritt eine handlungstheoretische Auffassung von Wissenschaft. Er definiert

das Handeln als den Ursprung aller Dinge und die Nützlichkeit als Maß der Wahrheit

(Schreier 1986, S. 21, 24f). Somit stehen menschliches Handeln und die Bedeutung von

Handlungsprozessen im Mittelpunkt der Erkenntnisfindung und der Wert einer Erkenntnis

wird am Nutzen gemessen, den dieser für das Handeln des Menschen und für die Praxis des

Lebens besitzt (Jank/Meyer 1994, S. 119f).5

Obwohl der Projektbegriff von John Dewey erst in den 1930er Jahren verwandt wurde, ist er

als Nestor der Projektpädagogik zu bezeichnen. Der Philosoph Dewey, Schöpfer eines

umfassenden wissenschaftlichen Werkes, hat seine grundlegenden philosophischen

Erkenntnisse auf wichtige Gebiete menschlicher Erfahrung, insbesondere auf die Ethik, die

Politik, die Ästhetik, die Logik und die Naturphilosophie, übertragen. Er entwickelte seine

Erziehungsphilosophie aus Elementen des philosophischen Pragmatismus und des

psychologischen Funktionalismus. In der Tradition des Pragmatismus besitzen philosophische

Theorien einen instrumentellen Charakter. Erkenntnisse, die nicht an ihren Handlungsfolgen

zu messen sind und somit dem Anspruch auf Bewältigung von Lebenssituationen nicht

gerecht werden, gelten als unüberprüfbar und irrelevant. Statt dessen bildet die Erfahrung die

zentrale philosophisch-pädagogische Kategorie. "Ein Gramm Erfahrung ist besser als eine

Tonne Theorie, einfach deswegen, weil jede Theorie nur in der Erfahrung lebendige und der

Nachprüfung zugängliche Bedeutung hat" formulierte Dewey (1915/2000, S. 193) das Credo

seiner Erziehungstheorie. Dabei entstehen Erfahrungen durch die Wechselbeziehung

zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, wobei konflikthafte Störungen des

Interaktionsablaufs unter Rückgriff auf ein Repertoire von Sinn und Verhaltensmustern durch

Nachdenken und Probehandeln „projektiv“ bewältigt werden (Knoll 1984, S. 664).

Als Bezugssystem der Pädagogik des Pragmatismus lässt sich der „praktisch - theoretische

Handlungszusammenhang als globaler Interaktionszusammenhang“ bezeichnen (Schäfer

1989, S. 1268). Denken konstituiert sich dabei als das mit Erfahrungen zusammenwirkende

absichtliche Bemühen der Verknüpfung von Handlungen und Handlungsfolgen. Fehlt diese

4 Charles Sanders Peirce gilt als Begründer des Pragmatismus, wobei die gängige Lehrmeinung auf die Interpretation seiner frühen Werke durch William James beruht, von deren Inhalt sich der Gründer später weitgehend abwandte (Russel 1996, S. 398). Neben Peirce und James gelten Herbert Mead und John Dewey als Hauptvertreter (dazu: Schreier 1986; Schäfer 1989). 5 Darauf hinzuweisen bleibt, dass der Pragmatismus keinesfalls einen blinden Aktionismus (Handeln um des Handelns willen) fordert, wie es das abgeleitete Adjektiv pragmatisch suggerieren mag, vielmehr bezieht er die konstruktive Bedeutung von Intelligenz, Denken und Sprache mit ein (Schäfer 1989, S. 1264f).

Verknüpfung, werden Handlungen zufällig und planlos. Erzieherisch wertvolle Erfahrungen

führen hingegen über die denkende Verknüpfungen von Handlungen und deren Folgen zu

neuen und verbesserten Anschlusshandlungen und besitzen deshalb einen innovativen

Charakter. Darüber hinaus bilden die im Rahmen der Bewältigung von Situationen erworbene

Fähigkeiten und Fertigkeiten Instrumente des wirksamen Verstehens und Behandelns

nachfolgender Situationen, sie sind transferierbar. Demzufolge dürften Lehr-/Lernprozesse

nicht nur auf eine "Diät aus vorverdauten Stoffen" reduziert werden (Dewey 1963, S. 58).

Vielmehr müssten Erfahrungen vermittelt werden, die wiederum neue Erfahrungen

ermöglichten (ebd. S. 40). Die Kunst des Unterrichtens bestehe somit zum großen Teil darin,

im Rahmen des permanenten situations- und handlungsbezogenen Prozesses der Vermittlung

"denkender Erfahrung" Anregung und Unterstützung zu geben. Dabei seien die neuen

Problemstellungen ausreichend groß zu machen, so dass sie das Denken anregen, sie aber

wiederum so klein zu halten, dass sie die Lernenden nicht überfordern (Dewey 1915/2000, S.

209f).

Lernpsychologische Grundlage für die Entwicklung kritischer Rationalität und demokratisch-

sozialer Haltungen sind die Mit- und zunehmende Selbstbestimmung der Lernenden im

Unterrichtsgeschehen. Diesem Anspruch gerecht werdend, sind die angestrebten Lehr-/

Lernziele sowie die angewandten Vorgehensweisen und Methoden verhandelbar. Dabei dürfe

jedoch keinesfalls (so Dewey) das in das Curriculum eingegangene positive Wissen der

Gesellschaft zugunsten der Vermittlung von Erfahrungswachstum vernachlässigt werden

(Knoll 1984, S. 665). Denken im so verstandenen Sinne heiße nach etwas Unbekanntem zu

fragen, zu suchen, es forschend zu betrachten oder zu erkunden. Dabei sei eigenes Forschen

jedoch keinesfalls ein Privileg von Forschern oder Studierenden. Vielmehr sei alles Denken

Forschung und alle Forschung die eigene Leistung des Durchführenden, selbst wenn der

Forschungsgegenstand „bereits der übrigen Welt restlos und zweifelsfrei bekannt“ sei (Dewey

1915/2000, S. 198).

Diese Merkmale des Denkens überträgt Dewey als „Methode der bildenden Erfahrung“ auf

den Unterricht. Bereits das in den 1890-er Jahren für seine Chicagoer Laborschule entworfene

Unterrichtskonzept „active and social occupations“ enthielt eine denktheoretisch fundierte

„Methode des Projizierens“ (Knoll 1984, S. 664). Deweys „learning by doing“ konstituiert

sich durch folgende Anforderungen:

"1. dass der Schüler eine wirkliche, für den Erwerb von Erfahrungen geeignete Sachlage vor

sich hat - dass eine zusammenhängende Tätigkeit vorhanden ist, an der er um ihrer selbst

willen interessiert ist;

2. dass in dieser Sachlage ein echtes Problem erwächst und damit eine Anregung zum

Denken;

3. dass er das nötige Wissen besitzt und die notwendigen Beobachtungen anstellt, um das

Problem zu behandeln;

4. dass er auf mögliche Lösungen verfällt und verpflichtet ist, sie in geordneter Weise zu

entwickeln;

5. dass er die Möglichkeit und die Gelegenheit hat, seine Gedanken durch praktische

Anwendungen zu erproben, ihren Sinn zu klären und ihren Wert selbständig zu entdecken"

(Dewey 115/2000, S. 218).6

In der Abteilung für Pädagogik, Philosophie und Psychologie der Universität Chicago

angegliederten "Laborschule" entwickelten Dewey und seine Mitarbeiter (ab dem Jahre 1896)

die praktische Umsetzung ihrer Erziehungstheorie. Diese stellte ein didaktisches Experiment

dar, frei von amtlichen Vorschriften und den Einflüssen der vorherrschenden Pädagogik. Ziel

war nicht der Vollzug der theoretischen Konzeption, sondern die situationsbedingte,

wechselseitige Beförderung von Theorie und Praxis (Schreier 1986, S. 12).

Auf die im weiteren Verlauf der amerikanischen Projektpädagogik entstehenden

Akzentuierungen und Typisierungen sowie die handfesten Auseinandersetzungen ihrer

Protagonisten kann an dieser Stelle nur verwiesen werden (dazu: Bossing 1942). Während die

Konzeption des „Gründers“ John Dewey Rationalität und Charakterbildung durch

systematisches Lernen und konkretes Handeln favorisiert, betont der „Reformer“ William H.

Kilpatrick Spontaneität, Bedürfnisbefriedigung und Aktivität (Knoll 1984, S. 667). Er ist es

auch, der das Projektschema: Purposing (Zielsetzung), Planning (Planung), Executing

(Ausführung) und Judging (Beurteilung) entwickelt (dazu Bossing 1942, S. 124), das

zweifelsohne die Verbreitung des „Learning by Doing“ erleichtert, aber auch zur

schematischen Vernutzung als „Projektmethode“ beitrug (Kilpatrik 1935, S. 176ff). Ebenfalls

erweitert er den Projektbegriff über praktische Tätigkeiten hinausgehend auf die

selbstorganisierten Bewältigungen theoretischer Aufgabenstellungen („ernsthaftes

absichtsvolles Tun“), was für die sozialwissenschaftliche Verwendung von größter Bedeutung

ist. Danach definiert sich ein Projekt als „jedes von einer Absicht geleitete Sammeln von

Erfahrungen, jedes zweckgerichtete Handeln, bei dem die beherrschende Absicht als innerer

6 Wie der Dewey-Biograph Martin Suhr belegt, knüpfte Deweys mit seinem Verständnis des Denkens und der methodischen Untersuchung an Sokrates und dessen Methode der „Maieutik“ an, wobei er dessen Vier-Stufen-Schema der Erkenntnisfindung modifizierte (Suhr 1994, S. 45 - 53).

Antrieb (1.) das Ziel der Handlung bestimmt, (2.) ihren Ablauf ordnet und (3.) ihren Motiven

Kraft verleiht“ (Kilpatrick 1921 bei Bossing 1942, S. 117f).

II. 2 Ziele projektorientierten Lehren und Lernens

Eine Lehr-/Lernform, die als didaktisches Modell verstanden werden soll, muss zur eigenen

Legitimation offen legen, welche Ziele durch ihre Anwendung in besonderer Weise

umzusetzen sind. Bereits im Jahre 1989 dokumentiert F.-J. Kaiser (1989, S. 1275)7

inhaltsübergreifende Ziele, die hinsichtlich der hier verwandten Kompetenzdefinition (vgl.

Kap. I) einer Aktualisierung bedürfen:

Ziele des Projektunterrichts

1. Die Lernenden sollen durch den Projektunterricht ihren Neigungen und Interessen

entsprechend Themen bestimmen, diese in bearbeitbare Bereiche gliedern, daraus

eigenständige Aufgabenstellungen entwickeln und diese erarbeiten.

2. Dabei sollen sie

- sich aus eigenem Antrieb heraus und ihren Fähigkeiten entsprechende Ziele setzten,

Wege zum Erreichen der Ziele entwerfen und die zur Zielerreichung notwendigen

Leitungen erbringen;

- selbständig Informationen einholen, sammeln, ordnen, auswerten und kritisch

beurteilen und einsetzen;

3. Die Lernenden sollen durch den Projektunterricht lernen,

- zielstrebig mitgestaltend oder verändernd initiativ zu werden;

- Fähigkeiten entfalten und erproben und dabei sowohl Erfolgserlebnisse als auch

die Grenzen ihres Leistungsvermögens kennen und verarbeiten lernen ;

4. Die Lernenden sollen durch den Projektunterricht erfahren, dass zur Lösung der gesetzten

Ziele und Aufgaben kooperatives Handeln notwendig ist. Dabei sollen sie

- die Notwendigkeit arbeitsteiliger Tätigkeiten erkennen,

- lernen, die kollektiv definierten Ziele zu verfolgen und die eigenen Fähigkeiten im

Gruppenprozess einzubringen und einzuschätzen;

- ihre Anliegen artikulieren und vertreten lernen und sich in sachlicher Diskussion

üben;

- auftretende Problemen (Schwierigkeiten, Spannungen, Konflikte) zielstrebig und in

demokratischer Weise selber lösen.

7 Bezug nehmend auf Struck 1980 und die niedersächsischen Rahmenrichtlinien für die Orientierungsstufe.

5. Die Lernenden sollen durch den Projektunterricht

- die eigenen Arbeitsergebnisse anderen zugänglich und verständlich machen;

- sich die Arbeitsergebnisse anderer als wesentliche Teilergebnisse aneignen und das

Gesamtergebnis verinnerlichen;

- das eigene und gemeinsame Tun am Arbeitsergebnis reflektieren.

Diese Auflistung der extrafunktionalen, den speziellen Projektinhalt überragenden Ziele, die

keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, verdeutlicht, dass das Projektverfahren

von den Lernenden eine Vielzahl von Befähigungen verlangen, die - mehr als in anderen

Unterrichtsformen - ein erhöhtes Maß motivationaler, volitionaler und sozialer Bereitschaften

und Fähigkeiten erfordern und somit zur Bewältigung von Lern- und Lebenssituationen

befähigen. Dabei synthetisieren traditionelle Funktionen des Lehrens und Lernens. Es sind

Ziele, Planungsschritte und Methoden zu bestimmen und strategische Vorgehensweisen zu

finden. Der Lernprozess ist plangemäß (oder anhand definierter Abweichungen) zu

realisieren, die Ergebnisse sind zu dokumentierten und der gesamte Projektprozess ist kritisch

zu reflektieren, wobei alles diskursiv-kollektiver Vereinbarungen bedarf. Somit wird die

Lernkultur - mehr als in anderen Unterrichtsformen – durch den Erwerb von

- Schlüsselqualifikationen (Teamfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Kreativität, ...),

- Prozesswissen (Handlungs-, Orientierungs-, Partizipationswissen, ....),

- demokratischen Handelns (im Treffen von Ziel- und Wegentscheidungen),

- Selbstwirksamkeitsüberzeugung (Anforderungen selbständig erfolgreich meistern) und

- Nachhaltigkeit (gesellschaftlich produktiv werden, Wissen und Können generieren,

....)

bereichert, womit das Zielspektrum und Chancen der Projektarbeit zeitgemäß definiert

werden (Emer/Lenzen 2002, S. 33).

II. 3 Merkmale Sind die Ziele zeitgemäß definiert, gilt es, die besonderen Merkmale des Projektunterrichts zu

verdeutlichen. Für das ältere Projektverständnis hatte Nelson Bossing bereits im Jahre 1942

charakteristische Gemeinsamkeiten definiert. Danach sollte ein Projekt (1.) eine Aufgabe

enthalten, die (2.) einen größeren und wichtigen Arbeitsvorgang zu implizieren, bei dem (3.)

die Verantwortung für die Planung und Ausführung bei den Lernenden zu liegen habe und

(4.) die Bewältigung der Aufgabe eine praktische Tätigkeit beinhalten müsse (Bossing 1942,

S. 118). Im Kilpatrickschen Sinne erweitert, umfasst die Bezeichnung „praktisches Tun“ die

selbstorganisierte Bewältigung theoretischer Aufgabenstellungen. Über den methodischen

Ablauf des Projektverfahrens (die Artikulation) in den Schritten Zielsetzung, Planung,

Ausführung und Beurteilung, schien bereits damals Übereinstimmung zu herrschen (Bonn

1974, S. 471).

Die deutsche projektpädagogische Literatur der bewegten 1970-er Jahre zielt weniger auf den

Erwerb fachspezifischer Erkenntnisse als auf die Ermöglichung problemorientierten

Handelns. Sie definierte den Umweltbezug, den Adressatenbezug, die Produktorientierung,

die Überfachlichkeit, die Durchschaubarkeit, den Sozialbezug und den mehrdimensionalen

Lernbezug als Merkmale (dazu: Jung 1997, S. 18f). Hinsichtlich eines zeitgemäßen

Projektverständnisses generiert Herbert Gudjons (1986, S. 57 - 68) zehn sich gegenseitig

beeinflussende Merkmale des Projektunterrichts, die er eher als „einkreisende

Umschreibungen“ denn als „ausschließliche Definition“ verstanden haben will. Angesichts

der umfänglichen Rezeption der Gudjonsschen Merkmale muss sich im Rahmen dieses

Beitrags auf eine weitgehende Benennung begrenzt werden:

1. Situations- und Umweltorientierung

2. Orientierung an den Interessen der Beteiligten

3. Selbstorganisation und Selbstverantwortung

4. Gesellschaftliche Praxisrelevanz

5. Zielgerichtete Projektplanung

6. Produktorientierung

7. Einbeziehung möglichst vieler Sinne

8. Soziales Lernen

9. Interdisziplinarität

10. Grenzen des Projektunterrichts

Zum Projektmerkmal Produktorientierung bleibt anzumerken, dass es die Generierung des

Lernergebnisses in einem zu erschaffenden und mitteilungsfähigen Produkt umschreibt,

worunter nicht nur technisch-manuelle Handlungsergebnisse zu verstehen sind. Ebenso

können es „persönlich tiefgreifende Erfahrungen, Veränderungen von Haltungen und

Einstellungen" und deren Präsentationen im Sinne Kilpatricks sein. Ein zeitgemäßes und für

sozialwissenschaftliche Anwendungen grundlegendes Produktverständnis begründen

Dunker/Götz anhand der nachstehenden Matrix.

Innere/interne Produkte Äußere/externe Produkte Abgeschlossene Produkte

1.Wissen und Fertigkeiten als abrufbares Repertoire (personen- unabhängig): z.B. Erste-Hilfe-Kurs, Säuglingspflege, Mofa-Führer- schein, Tanzen

2.Vorzeigbare Gegenstände und Aktionen (Petition, Collage, Schaubild, ganzheitliche Darstel- lungen, Ausstellung, Aufführung, Willensbekundung

Offene Produkte

3. Identitätsfördernde und persön- lichkeitsbildende Erkenntnisse, Einsichten, Fähigkeiten, Einstellungen: z.B. Armut in Deutschland, Wehrdienst oder Zivildienst, Nachhaltigkeit, Gewalt von Rechts

4. Verbesserungen von Situationen, handelnde Beeinflussung von Arbeits -, Lern- und Lebensbe- dingungen: z. B. Profil demokra- tische Schule, Jugendliche in unserer Stadt, ausländische Mitschüler

Matrix möglicher Produkte nach Dunker/Götz, 1984, S. 137 (geänderte Darstellung) Die vorangestellten Ziele und Merkmale kennzeichnen den projektpädagogischen

Maximalplan, dessen Einhaltung Lehrende oftmals vor hohe Hürden stellt und die

unterrichtliche Realität (curriculare Vorgaben, begrenztes Zeitbudget, fremdbestimmte

Prüfungsinhalte, räumlich-mediale Ausstattung usw.) zu Eingrenzungen zwingt. Bei

Aufrechterhaltung der Intentionen reduziert die Projektorientierung (oder das projektartige

Lernen) den theoretischen Maximalanspruch auf den jeweiligen Realanspruch (Bonn 1974, S.

472). Projektorientiertes Lernen kennzeichnet sich dadurch, dass es

- weniger auf die reine Vermittlung fachspezifischer Erkenntnisse als auf die Ermöglichung

von problemorientiertem Handeln zielt;

- mehr entdeckende als darstellende Lehrverfahren favorisiert;

- die Lernenden die Ziele im Lehr-/Lernprozess weitgehend selbst finden lässt;

- den Lehrenden von der alleinigen Verantwortung für die Steuerung des Lernprozesses und

der Überprüfung der Lernergebnisse befreit, statt dessen handlungsorientierte

Informationsquellen und Kommunikationsformen (Planspiele, Rollenspiele, Simulationen

usw.) praktiziert, bei denen der Lehrende auch zum Lernenden wird (Jung 1997, S. 22f).

II.4 Methodische Verfahrensweisen

Selbst wenn dieser Beitrag von einem Projektverständnis als didaktische Konzeption ausgeht

und die reine instrumentelle Verwendung als Projekttechnik oder Projektmethode ablehnt,

besitzen didaktische Ansätze immer auch eine methodische Komponente. In Auswertung

realer Projekte exploriert Karl Frey (19988, S. 18ff) drei charakteristische Artikulationen, die

er hinsichtlich implizierter Gemeinsamkeiten zu typischen Projektverläufen generalisiert

(dazu: Jung 1997, S. 23f).

Projektverlauf 1 Projektverlauf 2 Projektverlauf 3

Phase 1

Einfälle äußern

Phase 2 Ideen erklären

Phase 3

Wünsche prüfen und werten

Phase 4 Bedürfnisse veranschaulichen

Phase 5

Vorstellungen beurteilen

Phase 6 Entscheide fällen

Phase 7

Ausführung planen

Phase 8 Vorhaben verwirklichen

Phase 9

Verwirklichung erfahren

Phase 10 Projekt überdenken

Auftrag von außen entgegennehmen

in der Gesamtgruppe diskutieren

Teilgruppe prüft rechtliche

Aspekte

Arbeit in Teilgruppen

Denkmodelle Geldmittel entwerfen klären

mögliche Probleme auflisten

Plenumsdiskussion

Einsetzen einer Planungsgruppe

Metadiskussion

Arbeitsverteilung

Arbeit in den Gruppen

Produkte austauschen

mit Auftraggeber diskutieren

Retrospektive

auswählen eines Gebietes

„finden“ └────▼────┘

eingrenzen

└──▼──┘ verschiedene Aufgaben

┌──── ────┐

Arbeit in kleinen Gruppen

└── ──┘

gemeinsam nachdenken

Fixpunkte einlegen

⎧ ⎯ ⎯ ⎯ ⎯ ⎯ ⎞⎯ ⎞⎯ ⎞ Einzel- und Gruppenarbeit

⏐ ⏐ ⏐ ⏐ ↓ ↓ ↓ ↓

Berichte Arbeitsergebnisse

┌────────▲─────────┐

Diskussion der Ergebnisse Maßnahmen planen,

„Manöverkritik“

Artikulationsschema Projektverläufe (nach Frey 19956, S. 18 - 20; geänderte Darstellung)

Aus diesen typischen Verlaufsstrukturen lassen sich folgende Gemeinsamkeiten

generalisieren:

1. Phase: Ausgangssituation und Projektinitiative

Den Ursprung eines Projektes oder einer projektorientierten Sequenz bildet immer eine

(interne oder externe) Projektinitiative (Initialimpuls, mögliches Thema finden).

2. Phase: Beratung und Abstimmung über die Projektinitiative

Die Projektmitglieder beraten über diese und verständigen sich über das angestrebte Ziel

(zielspezifische und inhaltliche Reflektion).

3. Phase: Entwicklung der Betätigungsgebiete

Die Projektmitglieder entwickeln Betätigungsgebiete, in dem sie ihr Vorhaben planen, ggf.

eingrenzen und realisieren.

4. Phase: Unterbrechung der Tätigkeit (Fixpunkt)

Die vielfältigen Betätigungen werden zur Information aller Projektteilnehmer und zur

Reflexion über das eigene Tun unterbrochen (Fixpunkte, Information, Metadiskussion).

5. Phase: Produktpräsentation und Abschluss

Ein bewusst gesetzter Abschluss oder ein vereinbarter Übergang zu einer anderen Aktivität

beendet das Projekt. Es gilt, das Lernergebnis (Produkt), das Verfahren und evtl.

Abweichungen zur Wirklichkeit zu bewerten (ebd. S. 21; Jung 1997, S. 25).

Nach ähnlichem Verfahren (Analyse realer Projektverläufe, Generierung eines idealtypischen

Verlaufs) haben Emer und Lenzen (2002, S. 120 - 129) eine Verlaufsstruktur in den Phasen:

1. Initiierung, 2. Einstieg, 3. Planung, 4. Durchführung, 5. Präsentation und 6. Auswertung

und 7. Weiterführung ermittelt und durch die Beschreibung wesentlicher Aspekte,

methodischer Schritte und methodischer Kompetenzen ergänzt. Die zeitgemäße Aufbereitung

weist (geringe) Mängel im Kompetenzverständnis und dem Fehlen von Fixpunkten auf, die

im Rahmen der inhaltlichen Vermittlung von Bildungsgegenständen eine besondere

Bedeutung besitzen. Im Rahmen der Fixpunkte wird die Betätigung zur Reflexion und zum

Austausch über den Projektprozess unterbrochen. Dabei wird das Plenum über die Arbeit aller

Gruppen informiert. So erhalten alle(!) Teilnehmer einen Einblick über den aktuellen Stand

der Erkenntnisfindung, stellen Fragen und erhalten Erklärungen und unterbreiten evtl.

spontane weiterführende Lösungsvorschläge. Dadurch erhält die Projektleitung einen

realistischen Überblick über die Arbeitsstände, kann ggf. Hilfen anbieten oder auch

zusätzliche Erschwernisse einbauen. Bei größeren Projekten sind mehrere Fixpunkte

erforderlich. Ist ein Projekt nicht in einem zusammenhängenden Zeitraum realisierbar

(sondern z. B. in 4-stündigen Blöcken über mehrere Wochen) ist es ratsam, jede neue

Arbeitsphase mit einem den Lernstand auffrischenden Fixpunkt einzuleiten.

In reale Projektverläufe ist das gesamt Repertoire handlungsorientierter Methoden integrierbar

(Emer/Lenzen 2002, S. 120), in die 1. Phase (Projektinitiative) motivierende

Verfahrensweisen, wie das Brainstorming oder die Moderatorentechnik. Dabei gilt es,

Lernende für die anstehende Thematik zu sensibilisieren und für den gesamten

Erkenntniserwerb zu motivieren. Wenn es der Zielerreichung dient, können in die zweite

Phase sowohl lehrgangsorientierte Sequenzen als auch das gesamte Spektrum des

Erfahrungslernens (Erkundungen, Befragung, Rollenspiel, Problemanalyse usw., dazu:

Klippert 1988, S. 75ff) integriert werden. In Mind Maps können differenzierte Strukturen

erarbeitet und graphisch dargestellt werden. Mit deren Hilfe sich der

Erkenntnisfindungsprozess strukturieren und Gruppen- oder Einzelaktivitäten ableiten lassen.

Wandzeitungen, Leserbriefe, Texte, Kommentare usw. bis hin zu interaktiven CD-ROMs

stellen Produkte (oder Teilerprodukte) dar, in denen sich das projektpädagogische Ergebnis

vergegenständlicht. Die drei zentralen projektpädagogischen Leitfragen, die motivationale,

inhaltliche, gestalterische, strategische und demokratische Ziele integrieren, könnten lauten:

1. Was müssen wir wissen, verstehen, beurteilen und handelnd bewältigen, um die (selbst-)

gestellten Ziele zu erreichen?

2. Auf welche Weise erwerben wir die dazu erforderlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und

Kenntnisse (Qualifikationen)?

3. Wie können wir unsere Ergebnisse einer relativen Öffentlichkeit angemessen präsentieren?

III. Überleitung: Vom Normalunterricht zu projektorientierten Lehr-/Lernformen Der Auftrag die „Projektpädagogik als didaktische Konzeption“ zu entfalten bedeutet nicht

nur deren theoretischen Gehalt zu erschließen, aus einer umfangreichen Literatur das

Wesentliche herauszufiltern und Ziel gerichtet zu bündeln. Eine didaktische Konzeption sollte

über die Offenlegung der Ziele und die Darstellung möglicher Abläufe hinaus

Handlungsanleitung vermitteln, wie das Gewünschte als unterrichtliche Normalform zu

realisieren und zu festigen ist. Dieser Teil des Beitrags basiert weniger auf der umfangreichen

Literatur zum Thema als auf den langjährigen projektpädagogischen Erfahrungen in Schule

und Hochschule.

Angesichts der registrierten Kluft zwischen den zeitgemäßen Bildungserfordernissen und der

unterrichtlichen Realität erscheint ein Kapitel, das sich mit der Etablierung des

Projektunterrichts als unterrichtlicher Normalform beschäftigt, heute notwendiger denn je.

Trotz konkreter Forderungen und Bildungsplanvorgaben sowie einer über eineinhalb

Jahrzehnte andauernde Methodendiskussionen, nimmt der Lehrer zentrierte Frontalunterricht

noch über 90% der Unterrichtszeit in Anspruch. Wo zum Erreichen unterrichtlicher Ziele ein

angemessener Methodenmix gefordert wäre, in dem auch der lehrer- und lehrgangszentrierte

Frontalunterricht seinen festen Platz hat, scheint noch immer methodische Eintönigkeit

vorzuherrschen.

Lehrkräften, die diesen traurigen Zustand methodischer Einfältigkeit überwinden wollen, wird

empfohlen, dies in kleinen Schritten zu tun und dabei weder sich selbst noch die Lernenden

zu überfordern. Eine pädagogisch sinnvolle Überleitung vom Frontalunterricht zum

Projektunterricht sollte in einer gestuften Schrittfolge von vier aufeinander aufbauenden

Schritten vollzogen werden, wobei je nach Grad der Verfestigung der bisherigen Normalform

und der Neigung neue Wege zu gehen, die Schrittdauer in einzelnen Lerngruppen variieren

kann:

a) Vom Frontalunterricht zur (arbeitsgleichen) Gruppenarbeit

b) Von der (arbeitsgleichen) Gruppenarbeit zur arbeitsteiligen Gruppenarbeit

c) Von der arbeitsteiligen Gruppenarbeit zum projektorientierten Unterricht

d) von der Projektorientierung zum Projekt

Die Implementierung der jeweils nächsten Stufe erfordert die weitgehende Beherrschung der

darunter liegenden.

Schritt a) Vom Frontalunterricht zur (arbeitsgleichen) Gruppenarbeit

Soll vom Frontalunterricht zur (arbeitsgleichen) Gruppenarbeit übergeleitet werden, bedarf es

einer speziellen Erarbeitungsphase, in der sich die Lernenden eigenständig Teile des

Bildungsgegenstands erarbeiten. Voraussetzung bildet eine spezielle Planung dieser Phase

und der beiden Übergänge. Dass dabei über eine Motivationsphase und eine thematische

Hinführung evtl. unter Einsatz von Informationsmedien zur Erarbeitungsphase übergeleitet

wird, bedarf keiner besonderen Begründung. Ein daran anschließendes Lehrer-Schüler-

Gespräch sollte in offenen Fragen enden, die Lernspannung erzeugen und deren

Beantwortung nicht in gewohnter Weise (lehrerzentriert) erfolgen. Die Bearbeitung der im

Rahmen der Unterrichtsvorbereitung antizipierten Problemlage muss anhand strukturierter

Fragen erfolgen, z.B. unter Zuhilfenahme des Mediums Informations- und Arbeitsblatt (oder

bestimmter Buchseiten) auf dem Informationen zur Lösung der Fragestellung und zum

Weiterdenken angeboten werden. Die Lernenden erarbeiten die gestellte Aufgabe

arbeitsgleich. In der Ergebnisphase werden die erzielten Ergebnisse dargestellt, verglichen,

ergänzt, vertieft, problematisiert und als Ergebnis der Lernsequenz gesichert.

Schritt b) Von der arbeitsgleichen Gruppenarbeit zur arbeitsteiligen Gruppenarbeit

Der aufbauende zweite Schritt erfordert eine größere Problemlage, die z.B. aufgrund

unterschiedlicher Standpunkte oder Theorieansätze unterschiedliche Welterklärungen

ermöglicht. Bei ähnlicher Problematisierung und Hinführung, aus der die verschiedenen

Erklärungsansätze deutlich werden, ergeben sich unterschiedliche Problem- und

Fragestellungen, deren Beantwortung unterschiedliche Gruppen erfordern, wobei in einem

frühen Stadium spezielle Motivationen, Interessen und Neigungen der Lernenden nicht zu

ignorieren sind. Natürlich bedarf ein arbeitsteiliger Gruppenunterricht einer intensiveren

Vorbereitung, denn die möglichen Erarbeitungsschwerpunkte müssen antizipiert und materiell

gefüllt werden. Der größte Unterschied zum arbeitsgleichen Gruppenunterricht liegt jedoch in

der Qualität der Ergebnissicherung, denn es darf nicht Ziel eines arbeitsteiligen Vorgehens

sein, dass Lernende zu „Experten“ in dem von der Gruppe erarbeiteten Teilaspekt erzogen

werden. Vielmehr gilt es, den angestrebten Bildungsgegenstand allen Lernenden angemessen

zu vermitteln, was einer entsprechenden Ergebnissicherung bedarf, die das Erarbeitete aller

Gruppen diskutiert, jeweilige Aspekte der Vertiefung aufnimmt und den Erkenntnisgewinn

sichert. Der Zeitbedarf bei arbeitsteiligem Vorgehen steigt pro zusätzlicher Gruppe

überproportional.

c) Von der arbeitsteiligen Gruppenarbeit zur Projektorientierung

Wenn auf dem Weg zu Projekten die projektorientierte Sequenz überschaubar gehalten

werden soll, was unbedingt zu empfehlen ist, kann die Struktur der vorherigen Phase

aufrechterhalten werden. Der Unterschied zwischen arbeitsteiliger Gruppenarbeit und

projektorientierter Lehr-/Lernsequenz kennzeichnet den Übergang vom geschlossenen zum

offenen Curriculum. Die zu erarbeitenden Aspekte ergeben sich aus der implizierten

Problemlage und dem Bestreben der Lernenden diese zu hinterfragen und einer Lösung

zuzuführen. Die zu bearbeitenden Informationen sind nicht mehr am Lehrerschreibtisch

ausgewählt und strukturiert, sondern müssen eigenständig recherchiert, bearbeitet und

präsentiert werden. „Was (Wissen und/oder Können) müssen wir uns aneignen um unsere

Fragestellung (Problem) zu lösen? könnte die entsprechende Leitfrage am Beginn der

projektorientierten Sequenz lauten. Ziel ist es, eine (überschaubare) Problemlage durch

Aktivitäten der Lernenden einer Lösung zuzuführen, wobei das erforderliche Wissen und

Können von den Lernenden eigenständig erworben und in einem mitteilbaren Ergebnis

„Produkt“ gebündelt wird. Für die Ergebnissicherung gilt grundsätzlich das, was in der Phase

des arbeitsteiligen Gruppenunterrichts bereits verdeutlicht wurde. Die Ergebnissicherung

verschärft sich dadurch, dass nicht auf, vom Lehrenden angefertigte Informations- und

Arbeitsblätter zurückgegriffen werden kann, sondern dass es an der Qualität der definierten

Fragestellung, des erarbeitenden Ergebnisses (Produkt) und der Präsentation liegt, ob der

Lernerfolg für alle gesichert ist.

d) Von der Projektorientierung zum Projekt

Der Schritt zum Projektunterricht ist jetzt weitgehend nur noch ein quantitativer. Das Arbeiten

in Gruppen, das zielgerichtete Sammeln von Informationen und deren Verdichten zu

Erkenntnissen sowie das Präsentieren und Diskutieren der Lernergebnisse ist an

überschaubaren Problemstellungen geübt worden, die es jetzt zu vergrößern gilt. Die Planung

des Projektunterrichts durch den Lehrenden erfolgt weniger detailliert und bewegt sich eher

auf einer Hyperebene. Natürlich ist der Sachverstand des Lehrenden eine wesentliche

Voraussetzung für das Gelingen, jedoch kann es nicht darum gehen, alle erforderlichen

Informationen, Erkenntnisse und Handlungsweisen vorzuhalten. Vielmehr geht es um eine

antizipierende Durchdringen des möglichen Projektgeschehens und um die Frage, ob die zur

Lösung des als problematisch empfundenen und zur Bündelung der Erkenntnisse in einem

Bildungsprodukt erforderlichen Informationen, Erkenntnisse und Handlungsweisen überhaupt

und auch im vorgesehenen (und verantwortbaren) Zeiträumen erwerbbar sind. Der geplante

Zeitrahmen muss ausreichen, um

- das Problem zu erkennen, zu diskutieren und Lösungswege zu entwerfen,

- Informationen zu sichten, zielgerichtet auszuwerten, zu diskutieren und für die

Präsentation aufzubereiten,

- in den einzulegenden Fixpunkten den jeweiligen Erkenntnistand und die erlebten

Schwierigkeiten und Erfolge mitzuteilen und so dazu beizutragen, dass alle Lernenden

die Gesamtaufgabe nicht aus dem Blick verlieren.

IV. Hemmnisse

Zur Frage, welche Gründe existieren, die eine weitreichende Anwendung des

Projektunterrichts (und auch anderer, vom lehrer- und lehrgangsorientierten Unterricht

abweichenden Unterrichtsformen) als Normalunterricht verhindern, bleibt einiges

anzumerken.

- Kaiser (1989, S. 1280f) verweist zu Recht auf die Bedeutung schulischer

Rahmenbedingungen und auch darauf, dass erfolgreiche Projektarbeit nicht administrativ

verordnet werden könne, sondern einer besonderen Atmosphäre (Projektförderlichkeit)

bedürfe. Diese sieht er in größeren Schulen, in denen sich Lehrende als wissenschaftliche

Vertreter fest gefügter Fach- und Lehrgangssysteme definieren weniger gegeben. Die dem

Schulfächersystem immanente Schwerfälligkeit könne in kleineren Organisationseinheiten

eher überwunden werden, in überschaubaren Schulen oder in schulischen Teilbereichen.

Projektförderlichkeit erfordert auch, dass die schulischen Arbeitsräume so zu gestalten sind,

dass Lehr-/Lernsituationen nach projektpädagogischen Erfordernissen gestaltet werden

können. Dazu sind die Klassenzimmer der traditionellen Lehr- und Buchschule in

projektpädagogische Lern- und Erlebensräume umzugestalten, was nicht kostenneutral sein

kann. Ebenfalls bedarf es Alternativen zu den üblichen 45- bzw. 90-minütigen Zeittakten.

- Über einen langen Zeitraum legitimierte das nicht Erscheinen von Projekten in Lehr- und

Bildungsplänen, die sich als fachbezogene Zusammenstellungen von Lehr- und

Bildungsinhalten verstanden, die beklagte Projektabstinenz. Diese Ära darf als überwunden

angesehen werden. Über die Forderung nach Methodenwechsel und teilweise

vorgeschriebenen Methoden ist vielerorts Projektcurricula entstanden (beispielsweise in den

in Grund-, Haupt- und Realschule und der Lehrerbildung Baden-Württembergs).

- Lange Zeit galt die abschreckende Erkenntnis, dass die im Projektunterricht erbrachten

Leistungen nicht zu den traditionellen Formen der Leistungsbewertung passten (Emer/Lenzen

(2002, S. 5). Diese Auffassung konfligiert mit einem Bildungsverständnis, das seiner

allokativen Funktion (Dreigliedrigkeit mit entsprechenden Zuweisungsprozessen) einen

ähnlich hohen Stellenwert zugesteht, wie der Qualifikationsfunktion. Da durch die

ausbleibende Entrümpelung der Lehrpläne und andere Faktoren, die unterrichtliche Nettozeit

ohnehin immer knapp war, wurde das Zeitintensive, nur ungefähr Planbare und nicht (oder

nur schwer) Beurteilbare (dazu: Bastian 1997) allzu gerne in die mit „Funelementen“

angereicherte Projektwoche verschoben. Angesichts der Aufnahme von Projektprüfungen in

Schulformabschlussprüfungen einiger Bundesländer kann auch diese Ära als überwunden

angesehen werden.

- Darüber hinaus dokumentieren Emer/Lenzen (2002, S. 38ff) aktuelle Argumente der

Projektkritik. Demnach beurteilt (Liste unvollständig)

- Oelkers den Projektunterricht im Vergleich zum Frontalunterricht für Schüler und

Lehrer als anspruchsvoller, wobei keineswegs sicher sei, ob „die Steigerung der

Anstrengung mit steigender Effektivität verbunden ist“ (Oelkers 1997, S. 26);

- Diederich (1994) bezeichnet den Projektunterricht als eine Sache für Schwärmer und

Utopisten, wobei seine wirkliche Effektivität überschätzt würde;

- Bönsch (1998, S. 132) sieht seine Überlebenschancen nur dann gegeben, wenn sie

realistisch didaktisch-methodisch gefasst werde.

Im Spannungsfeld zwischen „abstrakter Negation und unkritischer Adaption“ schwingt immer

noch die Auffassung mit, dass die Projektpädagogik radikal reformpädagogische Positionen

beinhalte, weshalb sie von den einen gewollt und von den anderen gefürchtet werde

(Emer/Lenzen, 2002, S. 40).

Die inhaltliche Kritik Oelkers (1997, S. 26), der mit Blick auf Geschichtsprojekte die

Schwierigkeiten uneindeutiger historischer Tatbestände und das Vorhandensein

unterschiedlicher Varianten und Wertungen von Welterklärung erkennt, und sich deshalb

nicht einfach (was die Projektpädagogik unterstelle) aus den Lehrbüchern abrufen und

„wahrheitsgetreu nachspielen lassen“, lässt sich aus politikdidaktischer Sicht mit Bezug auf

das Kontroversitätsprinzip des Beutelsbacher Konsenses klären. Klarzustellen bleibt, dass in

Projekten erarbeitete verkürzte Formen der Welterklärung der Problematisierung und der

Erweiterung (Korrektur) bedürfen, z.B. in einen Fixpunkt, in der Phase der inhaltlichen

Weiterführung oder sie werden durch einen lehrgangsorientierten Vorspann gar vermieden.

Natürlich werden gehobene fachdidaktische Standards im Projektunterricht eher angewandt,

wenn sie bereits im Lehrer zentrierten Frontalunterricht ihre Berücksichtigung fanden.

Hinsichtlich der von Oelkers befürchteten mangelnden Effizienz erlaube ich mir zu

erinnern: Vor fast einem viertel Jahrhundert korrigierte Claußen (1981, S. 251ff) das

verkürzte Projektverständnis des Pädagogen und politischen Bildners Gisecke8, in dem

er die in der Projektpädagogik implizierten Chancen der politischen Bildung

hinsichtlich „Selbsttätigkeit, mehrdimensionale Problemdurchdringung und Vielfalt der

Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten“ offen legte. Im direkten Gegensatz

zum Schwärmerischen und Utopistischen warnte er davor, die Projektpädagogik zum

durchgängigen Unterrichtsprinzip zu erheben und moniert die „Unwirtschaftlichkeit“,

alle Informationen nur auf „dem Wege des forschenden und entdeckenden Lernens“

finden zu lassen (Jung 1997, S. 27f). Genau das ist es, was die Bildungskommission

Nordrhein-Westfalen in ihrer Denkschrift „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“

deklariert, wenn sie des Nichtzustandekommens sinnvoller Lernzusammenhänge und

die daraus resultierende Lernmüdigkeit als Folge der traditionellen Fächerstruktur

beklagt und zu deren Überwindung das Durchführen zeitlich begrenzter Projekte „als

positive, richtungweisende Beispiele“ fordert (Bildungskommission NRW, S. 101f).

V. Ausblick: Wie politisch ist die Projektpädagogik?

Erziehung zur Demokratiefähigkeit gilt seit langem als wesentliche Aufgabe der politischen

Bildung. Dabei umschreibt der Begriff Demokratie nicht nur eine besondere Herrschaftsform,

sondern auch ein Gesellschafts- und Lebensprinzip (dazu: Himmelmann 2001). In alle

Bereiche „des Demokratischen“ sind junge Menschen einzuüben. Dabei sind nicht nur die

8 Giesecke (19742, S. 95ff) erwähnte (nach eigener Aussage) die „Methode des Projekts“ nur deshalb, weil er vermutete, dass der Leser dies angesichts der damals aktuellen Diskussionen erwarte, denn sowohl in der universitären Fachdidaktik als auch in der Diskussion zur Reform des Schulunterrichts würden Projekte „auf Kosten des herkömmlichen Schulunterrichts zunehmend favorisiert“. In seiner Einschätzung stellen Projekte - im Vergleich zum Planspiel, dem Tribunal, der Provokation, der Sozialstudie, der Produktion, dem Rollenspiel und dem Lehrgang - keine eigenständige Methode (in dem von ihm beschriebenen Sinne) dar, denn es mangele an einer genauen inhaltlichen Kennzeichnung des Kommunikationszieles. Resümierend deklarierte er das Projekt als Gesamtüberschrift für all diejenigen Methoden, die „Lernprozesse anders als nach dem klassischem Muster des sich systematisch Belehren-Lassens organisieren“ (ebd. S. 97).

Gehalte „des Politischen“ bzw. „des Demokratischen“ zu vermitteln, vielmehr gilt es, über die

Festigung demokratischer Verhaltensweisen (Demokratie auf der Mikroebene erfahren und

erlernen) ein demokratisches Miteinander (Demokratie auf der Makroebene leben) zu

manifestieren.

Dass die Sozialisationsagentur Schule bei der Vermittlung des „Gegenstandes des

Demokratischen“ eine besondere Bedeutung zuzugestehen ist, bedarf keiner näheren

Erläuterung. Demokratie-Lernen in schulisch–institutionellen Bezügen muss demokratisches

Wissen und Können vermitteln, wozu entsprechende Prägungen und Verhaltensweisen zu

festigen sind. Diese Aufgabe ist nicht nur im Rahmen der politischen Bildung (als Fach und

Prinzip) zu leisten, sondern durch das gesamte schulische Miteinander. Dort ergänzen sich

manifeste politische Sozialisations- und Bildungsgehalte der expliziten Übertragung von

Inhalten, Werten und Gefühlen durch Formen der latenten politischen Sozialisation. Diese

werden durch die Schul- und Unterrichtsorganisation und durch personale Faktoren

beeinflusst (Jung 2000, S. 198).

Hinterfragt man die dominierende methodische Form des Lehrer zentrierten Frontalunterrichts

hinsichtlich seiner manifesten und latenten politischen Sozialisationsgehalte, dann fallen,

neben dem nicht Erreichen der in Kap. II.2 entfalteten besonderen Ziele, gewisse

Eigenartigkeiten auf, die angesichts seiner Dominanz der unterrichtlichen Verfahrensweise

Bedenklichkeiten auslösen:

- So werden Lernende über weite Bereiche ihres schulischen Erlebens in passiv-reaktive

Rollen gedrängt, die Kompetenzvermittlung in dem von Weinert definierten Sinne

behindert.

- Sie sind einer Rollenverteilung ausgesetzt, die grundsätzlich „in den/die Wissende(n)“

und „die Unwissenden“ differenziert, mit der permanenten Angst der/des „Wissenden“

und „der Unwissenden“ verbunden, als partiell unwissend entlarvt zu werden.

- In der Rolle der/des Wissenden bündeln sich viele das Unterrichtsgeschehen und das

gesamte Lernfeld prägende ungeteilte und deshalb demokratieunübliche Legislativ-,

Exekutiv- und Judikativfunktionen, die auch durch größte Schülerzugewandtheit nur

zu lindern sind.

- Zur Vermittlung des Lerngegenstandes wird sich einer „Fragetechnik“ bedient, die -

da die Antworten dem (oder der) „Wissenden“ bekannt sind - keine Fragen im

eigentlichen Sinn beinhaltet und fließend in beurteilende Funktionen überleiten.

- Ebenfalls sind Formen der thematischen Einführung zu beachten, die Lernende über

einen gewissen Zeitraum im unklaren lassen, welches Thema zur Behandlung ansteht,

geschweige denn, dass es Teil ihrer Lebenswelt wäre, oder dass man sich gar mit

ihnen über die zu vermittelnden Ziele und die dazu einzuschlagenden methodischen

Wege verständigt hätte.

In einem angemessenen Methodenmix eingebettet und mit Schüler zugewandten

Verhaltsweisen und Persönlichkeitsfaktoren gekoppelt, mögen die aufgezählten Aspekte nicht

als problematisch erscheinen, jedoch müssen sie im Rahmen einer alles dominierenden

Monomethode als prägend angesehen werden. Ohne Zweifel widersprechen sie der von

Henkenborg (1997, S. 60) erhobenen Forderung, dass sich Demokratie-Lernen „in einer

kommunikativen Praxis offener und demokratischer Verständigung“ zu vollziehen habe.

In diesem Sinne basiert die politische Begründungsebene für den Projektunterricht auf der

normativen Ebene des Grundgesetztes, in dem die Grundlagen für ein demokratisches

Miteinander gelegt werden, woraus auch Anforderungen für die Schule erwachsen. Jedoch

gehe die umschriebene Sozialisationswirkung mit dissonanten und prägenden Erfahrungen

„mangelnder Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten“ einher (Emer/Lenzen 2002, S.

36). Durch die im Rahmen des Beitrags umfangreich beschriebenen demokratischen Prozesse

und Verfahrensweisen und den damit verbundenen Erwerb von Eigeninitiative,

Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit usw. sind projektpädagogische Verfahrensweisen

per se als demokratieförderlich zu bezeichnen, auch wenn die fachwissenschaftlichen Inhalte

nicht politischer Art sind. Dabei trägt eine angemessene Häufigkeit zur Verfestigung der

Erkenntnis bei, dass Schule auch auf der Mikroebene einen demokratischen Lebensraum

darstelle. Nur dadurch kann sie dem Anspruch auf Erziehung zum demokratischen Verhalten

entsprechen und intentionale Glaubwürdigkeit erlangen. Auf diese Art und Weise wäre das

von Sander (1997, S. 13) geforderte „Ende der Belehrungskultur“ endlich einzuleiten.

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