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2 ARZT & WIRTSCHAFT / PRAXIS D er Doktor hat geschimpft, weil ich meine Tabletten nicht genom- men habe.“ Dieser typische Satz einer alten Dame bringt einen verbreiteten Grund für die Noncompliance auf den Punkt: Die Verschiebung der Verantwor- tung auf den Arzt. Doch es gibt Strategien, die Patienten in eine aktive Rolle holen. Das fördert ihre Compliance und ihre Zufriedenheit – und spart sogar Zeit. Forschungsarbeiten zur Arzt-Patienten- Kommunikation plädieren beinahe uniso- no für ein partnerschaftliches Verhältnis von Arzt und Patient. Letzterer soll gut informiert am Entscheidungsprozess mit- wirken. Dieses therapeutische Arbeits- bündnis ist auch durch die Verschiebung von Akutkrankheiten hin zu mehr chro- nisch degenerativen und psychosomati- schen Erkrankungen nötig (Langewitz 2003). Denn diese erfordern eine starke, verlässliche Mitarbeit des Erkrankten. Doch wie bekommt man den Patienten dazu, angemessen Eigenverantwortung zu 1. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“ Kleines ABC für Patientengespräche Ein Qualitätsmerkmal kommunikativer Kompetenz ist es, zuverlässige und möglichst vollständige Daten erheben zu können, um Erkrankungen effizient und korrekt zu diagnostizieren. Gezielte Vermittlungstechniken fördern zudem die Verantwortung, Compliance und Zufriedenheit des Patienten. Bild: ©JackF - stock.adobe.com A&W-KOMPAKT Informationsmaterial für Ihre Patienten ÄZQ: Patienteninforma- tionen, Patientenleitlini- en IQWIG: Gesundheitsin- formationen KBV: Patienteninforma- tionen, Videos, bundes- weite Arztsuche Weiße Liste: Hilfe zur Kliniksuche Krebsinformations- dienst: Patienteninfor- mationen NAKOS: Suche nach Selbsthilfegruppen und -organisationen übernehmen? Im Wesentlichen durch das gemeinsame Treffen von Entscheidungen (DiMatteo 1991, Emmanuel/Emmanuel 1992, Gordon 1995). Dazu wird eine patientenzentrierte Kommunikation empfohlen, die sich von Erkenntnissen der Psychotherapie ablei- tet, vor allem von der klientenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers. Kern der Gesprächsführung ist ein wechselseiti- ger Abstimmungsprozess: „Reziprozität“ (Steward et al. 1995, Roter et al. 1997). Auftakt: Gesprächsraum eröffnen Der Beginn des Gesprächs ist dabei von zentraler Bedeutung: In kürzester Zeit müssen Arzt und Patient Vertrauen auf- bauen. Eine mangelnde Fokussierung an dieser Stelle wirkt oft lange im Gespräch nach (Spranz-Fogasy 2005). Gehen Sie diesen Teil maximal offen an (Heritage/Robinson 2006): Signalisieren Sie nonverbal Aufmerksamkeit durch Zuwendung des Oberkörpers und Blick- kontakt. Vermeiden Sie an dieser Stelle Entscheidungsfragen wie „Sie kommen wegen Ihrer Kopfschmerzen?“. Denn die- sen müsste der Patient gegebenenfalls erst einmal aktiv widersprechen – das erfor- dert Mut und versetzt ihn in den Modus der Abgrenzung. Ein einfaches „Erzählen Sie bitte...“ öffnet dagegen einen Ge- sprächsraum, in dem sich der Patient frei mitteilen kann, ohne Richtungsvorgabe. Patientenmonolog: Erst ausreden lassen Im Schnitt unterbrechen deutsche Haus- ärzte ihre Patienten nach 11 bis 24 Sekun- den (Wilm et al. 2004). Dabei entgehen ihnen unter Umständen wichtige Infor- mationen. Denn entgegen der Annahme, der Patient würde mit den belastendsten und subjektiv wichtigsten Symptomen be- ginnen, ist oft das Gegenteil der Fall (Bu- rack und Carpenter, 1983; Barsky, 1981). Zudem versiegt der Redefluss des Patien-

1. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“ … · 2019-05-13 · Rat sucht und Hilfe benötigt. Er möchte als Individuum wahrgenommen werden und emotionale

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Page 1: 1. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“ … · 2019-05-13 · Rat sucht und Hilfe benötigt. Er möchte als Individuum wahrgenommen werden und emotionale

2 Arzt & WirtschAft /

Praxis

Der Doktor hat geschimpft, weil ich meine Tabletten nicht genom-men habe.“ Dieser typische Satz

einer alten Dame bringt einen verbreiteten Grund für die Noncompliance auf den Punkt: Die Verschiebung der Verantwor-tung auf den Arzt. Doch es gibt Strategien, die Patienten in eine aktive Rolle holen. Das fördert ihre Compliance und ihre Zufriedenheit – und spart sogar Zeit.

Forschungsarbeiten zur Arzt-Patienten-Kommunikation plädieren beinahe uniso-no für ein partnerschaftliches Verhältnis von Arzt und Patient. Letzterer soll gut informiert am Entscheidungsprozess mit-wirken. Dieses therapeutische Arbeits-bündnis ist auch durch die Verschiebung von Akutkrankheiten hin zu mehr chro-nisch degenerativen und psychosomati-schen Erkrankungen nötig (Langewitz 2003). Denn diese erfordern eine starke, verlässliche Mitarbeit des Erkrankten.

Doch wie bekommt man den Patienten dazu, angemessen Eigenverantwortung zu

1. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“

Kleines ABC für PatientengesprächeEin Qualitätsmerkmal kommunikativer Kompetenz ist es, zuverlässige und möglichst vollständige Daten erheben zu können, um Erkrankungen effizient und korrekt zu diagnostizieren. Gezielte Vermittlungstechniken fördern zudem die Verantwortung, Compliance und Zufriedenheit des Patienten.

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a&W-KomPaKtinformationsmaterial für ihre Patienten

•ÄzQ: Patienteninforma-tionen, Patientenleitlini-en

•iQWiG: Gesundheitsin-formationen

•KBV: Patienteninforma-tionen, Videos, bundes-weite Arztsuche

•Weiße Liste: hilfe zur Kliniksuche

•Krebsinformations-dienst: Patienteninfor-mationen

•NAKOs: suche nach selbsthilfegruppen und -organisationen

übernehmen? Im Wesentlichen durch das gemeinsame Treffen von Entscheidungen (DiMatteo 1991, Emmanuel/Emmanuel 1992, Gordon 1995).

Dazu wird eine patientenzentrierte Kommunikation empfohlen, die sich von Erkenntnissen der Psychotherapie ablei-tet, vor allem von der klientenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers. Kern der Gesprächsführung ist ein wechselseiti-ger Abstimmungsprozess: „Reziprozität“ (Steward et al. 1995, Roter et al. 1997).

auftakt: Gesprächsraum eröffnen

Der Beginn des Gesprächs ist dabei von zentraler Bedeutung: In kürzester Zeit müssen Arzt und Patient Vertrauen auf-bauen. Eine mangelnde Fokussierung an dieser Stelle wirkt oft lange im Gespräch nach (Spranz-Fogasy 2005).

Gehen Sie diesen Teil maximal offen an (Heritage/Robinson 2006): Signalisieren Sie nonverbal Aufmerksamkeit durch

Zuwendung des Oberkörpers und Blick-kontakt. Vermeiden Sie an dieser Stelle Entscheidungsfragen wie „Sie kommen wegen Ihrer Kopfschmerzen?“. Denn die-sen müsste der Patient gegebenenfalls erst einmal aktiv widersprechen – das erfor-dert Mut und versetzt ihn in den Modus der Abgrenzung. Ein einfaches „Erzählen Sie bitte...“ öffnet dagegen einen Ge-sprächsraum, in dem sich der Patient frei mitteilen kann, ohne Richtungsvorgabe.

Patientenmonolog: Erst ausreden lassen

Im Schnitt unterbrechen deutsche Haus-ärzte ihre Patienten nach 11 bis 24 Sekun-den (Wilm et al. 2004). Dabei entgehen ihnen unter Umständen wichtige Infor-mationen. Denn entgegen der Annahme, der Patient würde mit den belastendsten und subjektiv wichtigsten Symptomen be-ginnen, ist oft das Gegenteil der Fall (Bu-rack und Carpenter, 1983; Barsky, 1981).Zudem versiegt der Redefluss des Patien-

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Arzt & WirtschAft / 3

Praxis

ten meist schneller als befürchtet, durch-schnittlich je nach Studie zwischen zirka 60 und 90 Sekunden (Bär 2009, Lange-witz et al. 2002). Patienten nehmen den Arzt als geschäftig wahr und wissen, dass die Zeit begrenzt ist (Lussier und Richard, 2007). Ausreißer nach oben gibt es selten, meist handelt es sich dabei um multimor-bide Patienten mit komplexen Fallge-schichten. Einige Studien kommen sogar zu dem Schluss, dass der ununterbrochene Patientenmonolog die Gesamtdauer der Konsultation verkürzt (Wilm et al. 2004, Rabinowitz et al. 2004). Die Patienten sind zudem zufriedener und haben sub-jektiv den Eindruck, mehr Zeit mit ihrem Arzt verbracht zu haben (Cape 2002).

Signale des aktiven Zuhörens wie „hm, hmhm, ja, ok“ oder auch Nicken ermuti-gen dabei zum Weitersprechen. Das Wie-derholen einzelner Wörter („Fieber“), die sogenannte Echo-Technik, lässt den Pati-enten einen Teilsachverhalt präzisieren („Ja, 39 Grad“). Sie lässt sich auch auf ganze Sätze anwenden: „Sie haben Pro-bleme beim Einschlafen.“ Wichtig ist hier, noch keine Informationen aus ärztlicher Sicht hinzuzufügen. So bleibt der Patient der primäre Sprecher (Quasthoff 1990).

Hypothesen prüfen: Komplettierung

Ist der spontane Redefluss des Patienten beendet, stellen Sie durch Paraphrasieren und Zusammenfassen sicher, dass Sie bei-de dasselbe meinen. Nun ist der richtige Moment für Komplettierungsfragen ge-kommen. Sie erlauben eine Zuordnung zu einem Krankheitsbild, wie Symptome eines Beschwerdenkatalogs. Nun fließen Sachverhalte ein, die vom Patienten bisher nicht erwähnt wurden. Werden diese Fra-gen zu früh gestellt, läuft man Gefahr, den Patienten von seiner Schilderung abzulen-ken oder ihm gar etwas in den Mund zu legen (Boyd/Heritage 2006). Ein Kom-plettierungsdialog könnte sein: „Mir ist schlecht.“ „Haben Sie erbrochen?“

Stellen Sie jedoch wann immer möglich offene statt geschlossene Fragen: „Wie geht es Ihnen mit der Schmerztherapie?“ statt „Wirken die Medikamente?“. Im Prozess der Anamnese sind geschlossene Fragen unvermeidbar, sie sollten jedoch bewusst erst bei enger werdendem Fokus eingesetzt werden. Der Wechsel an dieser Stelle vom patienten- zu arztzentriertem

Quelle: Wilm et al. 2004, Lange-witz 2005 Bär & Schwantes 2009; Waitzkin 1984, Makoul et al. 1995;Icons: Fotolia

dauert es, bis Ärzte ihre Patienten erstmals

unterbrechen.

dauert es circa, bis Patienten, die nicht unter-

brochen werden, ihre Ausführungen beenden.

dauert ein Arzt-Patienten-Gespräch in Deutschland

durchschnittlich.

Um 900% überschätzen Ärzte die Zeit, die sie

mit Erklären und Informieren im Patienten-

gespräch verbringen.

Gesprächsstil macht das partnerschaftli-che Verhältnis aus. Eine reine Zentrierung auf den Patienten würde ihm zu viel Macht geben, für die er nicht gerüstet ist.

therapiefestlegung: Patienten einbinden

Achten Sie bei Mitteilung der Diagnose darauf, dass sich Menschen durchschnitt-lich sieben (± zwei) neue Informationen merken können. Dringen mehr ein, ist un-vorhersehbar, was abgespeichert wird. Leitfrage bei der Wahl der Information ist: Welches Wissensdefizit würde dem Patienten bis zum nächsten Kontakt scha-den? Zur Verständnissicherung empfiehlt Prof. Wolf Langewitz vom Universitäts-spital Basel die Frage: „Wenn Sie gleich Ihrer Frau erzählen, was wir heute be-sprochen haben, was würden Sie sagen?“

Ermutigen Sie den Patienten dazu, Fra-gen zu stellen und beteiligen Sie ihn am Entscheidungsprozess zur Therapie, denn das stärkt die Compliance (Koerfer et al. 2005). In einer Studie in Hausarztpraxen wurde Non-Compliance zu 80 Prozent deutlich, wenn Patienten nicht in den Ent-scheidungsprozess eingebunden waren (Barry et al. 2000). Erörtern Sie Vor- und Nachteile der Optionen. Für den Patien-ten wird sich die optimale Vorgehenswei-se herauskristallisieren. Das fördert die Compliance, kann die Selbstheilungskräf-te anregen und zu besseren Behandlungs-ergebnissen führen (Böker 2003). n

Deborah Weinbuch

a&W CmE-sErviCE

CmE-Fortbildung online Arzt & WirtschAft bietet für sie gemeinsam mit MedLearning kos-tenfreie fortbildungen, die wichtige themen rund um die Praxisführung abdecken. Die fortbildung „Erfolgrei-che Patientenkommunikation“ ist mit zwei cME-Punkten zertifiziert. Und so funktioniert’s:

•im Juni- und Juli folgen in A&W jeweils teil 2 und 3 der fortbildung.

•sie können die ganze fortbildung schon jetzt im internet unter cme.medlearning.de/aw.htm einsehen und sie dort online absolvieren.

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2 Arzt & WirtschAft /

Schwierige Menschen reagieren anders, als wir es von ihnen erwar­ten. Sie fordern mehr – mehr Zeit,

Energie, Aufmerksamkeit und können Praxisabläufe ins Wanken bringen. Es sei denn, es gelingt durch Einfühlen in ihren Bezugsrahmen und ihre Empfindungen, eine Kooperationsebene herzustellen.

Ein Patient kommt zum Arzt, weil er Rat sucht und Hilfe benötigt. Er möchte als Individuum wahrgenommen werden und emotionale Unterstützung finden (Terzioglu et al., 2003). Die verschiedenen Patiententypen haben nur unterschiedli­che Strategien erlernt, um diese vermeint­lich zu erhalten. Welche das sind, legt die Prägung der Kindheit fest, sie sind also nicht persönlich zu nehmen. Je ausgepräg­ter ein bestimmtes Verhalten, desto enger ist das Repertoire des Patienten. Und je

2. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“

Richtiger Umgang mit schwierigen PatientenMit Fingerspitzengefühl und innerer Ruhe nehmen Sie Ihrem Gegenüber den Wind aus den Segeln und schaffen eine kooperative Ebene. Durch Erkennen seines Verhaltensmusters können Sie Grenzen setzen, ohne das Vertrauen zu gefährden. Nur so lässt sich der Patient ausreichend zur Compliance motivieren.

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mPraxis

geringer der Selbstwert, desto größer ist seine Verletzlichkeit. Deshalb ist ein sol­cher Patient abhängig von der besonne­nen und geschickten ärztlichen Reaktion.

Machen Sie sich schon bei Eintreten ein Bild der emotionalen und mentalen Ver­fassung des Patienten. Kommt er forsch oder eher zaghaft auf Sie zu? Packt er beim Händedruck zu, oder ist dieser eher lasch oder will er fast nicht enden? Die Hand gibt Ihnen einen guten Eindruck da­von, mit welchem Charakterbild Sie es hier zu tun haben und gibt Aufschluss über seinen vegetativen Zustand. So sind Sie auf die Interaktion vorbereitet.

Der Besserwisser:

Dieser Patiententyp versucht, sein nie­driges Selbstwertgefühl durch Selbstdar­

stellung zu erhöhen. Sich bei ihm Gehör zu verschaffen, gelingt am besten durch Bestätigung. Zeigen Sie, dass Sie sein Mitdenken schätzen und danken Sie für gute Vorschläge. Das entspannt ihn meist etwas.

Weil der Besserwisser oft aus Prinzip widerspricht, meiden Sie die direkte Kon­frontation. Sachliche Diskussionen sind oft unfruchtbar und endlos! Lassen Sie ihn seine Grenzen selbst entdecken.

Fragen Sie: „Woher haben Sie diese In­formation?“ oder „Können Sie das kon­kretisieren?“. Gehen Sie immer weiter ins Detail, bis er nicht mehr weiter weiß. Da er tendenziell wenig zuhört, kommt dieser Moment oft schneller als gedacht.

Bei starkem Narzissmus stoßen Sie auf heftige Abwehr, wenn er eine Belehrung wittert. Bedienen Sie sich eines kleinen

Menschen sind individuell – und agieren doch oft nach Mustern. Wer diese schnell erkennt, kann rasch adäquat reagieren und einer Eskalation vorbeugen. Die jeweilige strategie hierzu orientiert sich am Verhaltensrepertoire des Patienten.

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Arzt & WirtschAft / 3

a&W CME-sErviCE

CME-Fortbildung online Arzt & WirtschAft bietet für sie gemeinsam mit MedLearning kos-tenfreie fortbildungen, die wichtige themen rund um die Praxisführung abdecken. Die fortbildung „Erfolgrei-che Patientenkommunikation“ (hier der zweite teil „Mit schwierigen Pati-enten sprechen“) ist mit zwei cME-Punkten zertifiziert.

Und so funktioniert’s:

•im Juli folgt in Arzt & WirtschAft teil 3 der fortbildung. teil 1 finden sie in der A&W-Maiausgabe.

•sie können die gesamte fortbil-dung schon jetzt im internet unter cme.medlearning.de/aw.htm ein-sehen und sie dort online absolvie-ren. Die cME-Punkte werden nach erfolgreicher teilnahme direkt an die Bundesärztekammer gemeldet.

Non-Compliance

Quelle: Annals of Family Medicine 2016, Ic

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Fast 20 Prozent der Medikamente, die Ärzteals wichtig erachten, werden von Patientennicht richtig eingenommen.

Praxis

Kniffs. Antworten Sie auf seine Ausfüh­rungen: „Ja, und …“ statt „Ja, aber …“. Geringschätzung ist die größte Angst des Narzissten und jede andere Meinung kann als solche interpretiert werden. Wenn er zumindest „auch Recht hat“, kann er Empfehlungen eher annehmen.

Der Nörgler:

Er ist gereizt und verärgert. Weil er für schlechte Stimmung in der Praxis sorgt, sollte er in einem freien Behandlungszim­mer statt im Wartezimmer warten (Weller 2006). Nehmen Sie ihm gleich den Wind aus den Segeln: „Gut, dass Sie da sind. Ich habe gehört, dass Sie verärgert sind. Was ist denn los?“. Hören Sie zu und bestäti­gen Sie: „Ich verstehe, dass Sie so denken.“ Fühlt sich der Patient ernst genommen, kehrt er schneller zur Sachebene zurück.

Ist er Ihnen gegenüber misstrauisch, entspannt er sich am ehesten, wenn Sie ihm explizit Eigenverantwortung und Kontrolle zugestehen („Am Ende ent­scheiden Sie“). Korrigieren Sie nur subtil: „Sie haben Recht, mit Arzneien muss man vorsichtig umgehen und nur das wirklich Notwendige nehmen.“ (Schweickhardt, Fritzsche 2009).

Ist er allerdings ein notorischer Queru­lant, kann er von einer paranoiden Vor­stellung beseelt sein, dass man ihn dau­ernd hinters Licht führen oder benachtei­ligen möchte. Das wäre gegebenenfalls differential­diagnostisch abzuklären.

Der Choleriker:

Er erzeugt Druck durch Lautstärke. Spie­len Sie das Spiel nicht mit, sonst besteht die Gefahr der Distanzlosigkeit. Bitten Sie ihn darum, sich zu setzen und zu wieder­holen, was er gesagt hat. Wiederholen Sie nun selbst diesen Satz im leiseren Ton. Nun kann der Patient sicher sein, dass er gehört wurde, gleichzeitig ist seine Aussa­ge auf ein ruhiges Niveau geholt worden.

Ebenfalls laut zu werden, würde die Ak­tivität seiner Amygdala intensivieren, sodass kein vernünftiges Gespräch mög­lich wäre. Atmen Sie tief und sprechen Sie langsam: „Herr Meier, ich verstehe Ihren Ärger.“ Sie können auch in ruhigem Ton fragen: „Ist das die Art und Weise, wie wir miteinander reden wollen?“

Der schweiger:

Er wirkt pflegeleicht, ist aber potentiell sogar der Schwierigste von allen. Oft täuscht er Einverständnis nur vor. Schlimmstenfalls geht er völlig enttäuscht aus der Praxis, beschwert sich bei anderen oder schreibt eine niederschmetternde Kritik ins Internet, obwohl er gerade noch scheinbar zufrieden war. Grund ist seine Konfliktscheuheit, sowie eine ausgeprägte Opferhaltung („Ich kann eh nichts ma­chen“).

Wer in der Praxis nie widerspricht und kaum nachfragt, kann zuhause absolut non­compliant sein. Denn weder wurden Verständnis für Krankheit und Behand­lung gesichert, noch eventuelle Sorgen um Nebenwirkungen besprochen. Zudem reagieren überangepasste Menschen stark auf die Meinungen ihrer Angehörigen – denen sie dann kaum Informationen ent­gegenzusetzen haben.

Achten Sie bei stillen Patienten auf so­genannte „Relevanzmarkierungen“, wie den Wechsel der Lautstärke oder Verzöge­rungen. Damit weisen sie auf ein wichti­ges Thema hin, ohne es anzusprechen (Sa­tor 2003, Zimmermann et al. 2007).

Probieren Sie auch vorsichtige Fragen wie: „Gibt es etwas, das Sie bedrückt?“ Interpretieren und benennen Sie zudem die Emotionen dieses Patienten: „Sie müs­sen enttäuscht/erleichert sein“. So zeigen Sie Empathie – die einzige Chance, diesen Typ aus der Reserve zu locken. n

Deborah Weinbuch

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Praxis

Medizin ist immer auch die Begegnung zweier Menschen. Sind sich Beteiligte nicht ihrer

eigenen Druckkulisse bewusst, dem Hin-tergrundrauschen ihrer Sorgen und Ängs-te, kann ein Kontakt auch mal eskalieren.

Für den Arzt ist der Patient einer von vielen. Im Schnitt trifft er für 45 Personen am Tag zum Teil lebenswichtige Entschei-dungen, oft unter Zeitdruck. Der Routine steht das Erleben des Patienten entgegen. Der Termin ist für ihn ein Ereignis – das er vielleicht aufgrund von Ängsten schon lange vor sich herschiebt (Füeßl 2005).

In TV-Serien wird die Rolle des Arztes scherenschnittartig dargestellt: Held, Ret-ter, Beschützer – verlässlich verständnis-voll, geduldig und trostspendend. So geprägt kommt der Patient in die Praxis – und reagiert auf die weniger pittoresken,

3. Teil CME-Fortbildung „Erfolgreiche Patientenkommunikation“

Konstruktiv kommunizieren unter DruckKonflikte vermeiden oder schnell entschärfen – mit den Instrumenten der Kommunikationswissenschaft optimieren Sie auch schwierige Interaktionen und schließlich auch die Arzt-Patient-Bindung. Mit subtilen Mitteln lenken Sie sogar Wüteriche, schaffen Vertrauen und können dabei selbst gelassen bleiben.

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realen Umstände womöglich mit Unmut. Er fühlt sich unwohl, ist verunsichert, viel-leicht auch frustriert, weil er wiederholt vorstellig wird und die erhoffte Besserung noch nicht eingetreten ist. Dann reicht oft eine Kleinigkeit, und die Stimmung kippt.

Löst ein Patient Ärger aus, wird er leicht als „schwierig“ etikettiert. Doch damit ändert sich das nonverbale Verhalten ihm gegenüber. Das befeuert den Konflikt.

Man kann nicht nicht kommunizieren

Mehr als 90 Prozent unserer kommunika-tiven Wirkung geht nicht von unseren Worten aus. Sondern von non- und para-verbalen Signalen wie Körpersprache, Gestik, Mimik, Sprechtempo und Tonhö-he (Ehlich 1986). Diese lösen in unserem Gegenüber blitzschnelle Reaktionen aus,

mit eskalierender oder beruhigender Wir-kung. Die Rückkopplungsschleife läuft.

Nun kann man zwar üben, sich offen, ruhig und zugewandt zu präsentieren, während man innerlich kocht. Überzeu-gend werden unsere nonverbalen Signale aber nur, wenn wir tatsächlich wertschät-zend denken. Ein heimliches „Was für ein Idiot“ wird sich in Stimme, Mimik etc. abbilden und sei es noch so subtil. Die eigene Geisteshaltung ist also entschei-dend. Hilfreich ist ein Zustand der rezep-tiven Neugier. Also nicht: „Was bildet der sich ein?“ sondern vielleicht „Interessant. Woher seine Reaktion wohl kommt?“. Durch die Beobachtungshaltung fühlen wir uns selbst nicht angegriffen. Das stei-gert die Frustrationstoleranz enorm.

Menschliches Verhalten hängt weniger von objektiven Gegebenheiten ab, als

Lautstarke Gegenargumente treffen direkt ins stammhirn. Non- konfrontative techniken senken den Adrenalinspiegel aller Beteilgten.

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Arzt & WirtschAft / 3

Praxis

Schweden

4,3

Norwegen

Finnland

11,8

Ungarn

3,9

Schweiz

10

Deutschland

6,6

Österreich

6,3

Frankreich

7,6

Spanien

4,1

Portugal

6,8

Italien

8,2

NL

7,4

Polen5,7

Irland4,4

Dänemark 10

Russland

8,4

Türkei

6,4Estland

5,9

Island

Litauen8,8

4,3

2,9

Quelle: OECD, Karte: ©theseamuss - stock.adobe.com, Gra�k: pk

Zahl der jährlichen Arztbesuche pro Kopf in ausgesuchten OECD-Länderna&W CME-sErviCE

CME-Fortbildung online Arzt & WirtschAft bietet für sie gemeinsam mit MedLearning kos-tenfreie fortbildungen, die wichtige themen rund um die Praxisführung abdecken. Die fortbildung „Erfolgrei-che Patientenkommunikation“ (hier der dritte teil „Konstruktiv kommuni-zieren unter Druck“) ist mit zwei cME-Punkten zertifiziert.

Und so funktioniert’s:

•teil 1 und 2 der fortbildung finden sie in den Arzt & WirtschAft-Ausgaben Mai und Juni.

•sie können die komplette fortbil-dung aber auch im internet unter cme.medlearning.de/aw.htm ein-sehen und sie dort online absolvie-ren. Die cME-Punkte werden nach erfolgreicher teilnahme direkt an die Bundesärztekammer gemeldet.

Zahl der jährlichen arztbesuche pro Kopf in ausgesuchten OECD-Ländern

Quelle: OEcD, Karte: ©theseamuss - stock.adobe.com, Grafik: pk

davon, wie jemand sie interpretiert (All-port 1935). Aufgrund früherer Ereignisse bilden Menschen Hypothesen über die Bedingungen und den Verlauf der aktuel-len Situation. Ein Patient kommt zum ers-ten Mal und verhält sich ruppig? Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich woanders nicht wohl fühlte, ist hoch. Setzen Sie in diesem Fall auf Dopamin statt Adrenalin.

interpretation der situation

Fühlt sich der Patient verstanden und ak-zeptiert, so fühlt er sich eher als Herr der Lage. Steigen Sie also mit ihm ins Boot, wenn er sich beschwert: „Die Wartezeiten sind ja unmöglich.“ Non-konfrontativ wirken Ich-Botschaften, die sich auf die funktionalen Aspekte seiner Kommunika-tion beziehen: „Ich finde es gut, dass Sie mit mir über Ihre Bedenken sprechen.“ Bit-ten Sie um Erlaubnis, Dysfunktionales zu benennen: „Möchten Sie wissen, wie ich das sehe?“. Der Patient wird bestätigen, sonst wäre er nicht zu Ihnen gekommen.

Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung, so Kommunikationswissen-

schaftler Paul Watzlawick. Erlebt sich ein Patient als hilflos und abhängig, kann er in die Regression gehen und sich infantil verhalten. Fachbegriffe zementieren seine Hilflosigkeit. Lauschen Sie seinem Sprach-code: je einfacher, desto niedriger der Bil-dungsstand. Passen Sie sich an. Weil der einfache Code häufig mit Sprichwörtern und Stereotypen operiert, funktionieren Metaphern wie „Rohre freiputzen“ gut.

Achten Sie darauf, ihn nicht zu beschä-men. Ein ungeduldiges „Haben Sie denn nicht verstanden?“ kann eine lange, toxi-sche Wirkung entfalten. Denn das Gefühl, „unfähig“ zu sein, kann zur Resignation führen und die Compliance massiv beein-trächtigen. Das Vertrauen schwindet, sodass sich der Patient nicht traut, Rück-fragen zu stellen. Wendet er Medikamente dann falsch an, kann das Folgen haben.

Die gemeinsame Ebene finden

Gegenargumente sind bei einem Men-schen in Rage der schnellste Weg in die Eskalation. Gerade im Konflikt ist das aktive Zuhören wichtig. Stellen Sie Rück-

fragen, selbst wenn er Kritik übt. Klären Sie, ob der Konflikt auf der Sach- oder auf der Beziehungsebene stattfindet. Bei rein inhaltlicher Polarisierung ist es noch mög-lich, ein lösungsorientiertes Gespräch zu führen. Bei einem Beziehungskonflikt können Sie ihm nichts recht machen.

Ein häufiger Grund für diesen sind ent-täuschte Erwartungen. Vielleicht leidet er unter medikamentösen Nebenwirkungen. Der Arzt wird in seiner Psyche vom Retter zum Täter, während er sich als Opfer fühlt. Fragen Sie nach: „Wie geht es Ihnen mit den Medikamenten?“. Es könnte auch sein, dass er sich nicht gewertschätzt fühlt. Nehmen Sie sich deshalb immer Zeit für den Beziehungsaufbau: Blickkontakt, den Patienten mit Namen ansprechen. Vermei-den Sie unruhige, fahrige Bewegungen. Runden Sie das Gespräch mit der Frage nach weiteren Sorgen oder Wünschen ab. Definieren Sie gemeinsam Gesundheitszie-le für ihn, das stärkt die Kooperation (Pet-zold 2015). So legen Sie das Fundament für eine künftige gute Zusammenarbeit – und weniger Stress am Arbeitsplatz. n

Deborah Weinbuch