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514 Das Landesinnere: Der Osten Das Landesinnere Die Bretagne ist ein flaches Land. Die höchsten Erhebungen gibt es in den Monts d’Arrée, und auch da bringt es kein Gipfel auf über 400 m. Weideland und Heide wechseln sich ab, und mittendrin unzählige Dörfer, wo manchmal ein Schloss, öfter noch eine Kirche oder Kapelle einen Besuch lohnt. Zu jeder Kirche gehört ein Heiliger, zu jedem Heiligen eine Legende, und im kelti- schen Dunkel der Geschichte blühen Hunderte von weiteren Legenden. Spaziergänge im Wald der Brocéliande führen zu verwunschenen Orten, die der Artus-Sage zuge- ordnet werden. In den Wäldern bei Huelgoat sollen schon Tristan und Isolde händ- chenhaltend geträumt haben – eine Rundwanderung dort ist auch ohne die beiden ein Erlebnis. Weiter westlich haben Christen in umfriedeten Pfarrbezirken großartige steinerne Kunstwerke gemeißelt, die auch dem Nichtchristen den Atem verschlagen. Eine Calvaire-Tour gehört in jede Reiseplanung. Der Osten Vitré 17.200 Einwohner „Wäre ich nicht König von Frankreich, wäre ich gerne Bürger von Vitré.“ Blickt man von den Tertres Noirs über das Tal der Vilaine, versteht man Heinrich IV. (1553–1610). Die Silhouette des Schlosses über dem Fluss erinnert an Grimms Märchenwelt. Hinter den Mauern, Türmen und Zinnen könnte Dornröschen auf den erlösenden Kuss warten. Vitré gehört zu den architektonischen Perlen der Bretagne. Kaum eine andere Stadt ist so gut erhalten wie die von einem dicken Mauerkorsett eingeschnürte Altstadt von Vitré. An ihrer Westseite wird die Ville Close vom Stadtschloss beherrscht, im Mittelalter eine der wichtigsten Grenzfesten des bretonischen Herzogtums. Vitré war über Jahrhunderte einer der aktivsten Handels- und Handwerksplätze für Tuch Das Landesinnere: Der Osten Karte S. 516/517 Fougères, Schloss und Unterstadt Das Landesinn ere: Der Osten

18 Bret16 ostbretagne - Michael Müller Verlag · Grand-Fougeray Pouanc ... eine Polonaise, sie spielen Karten, humpeln kläglich auf Krücken herum oder fechten mit einem gegnerischen

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514 Das Landesinnere: Der Osten

Das Landesinnere Die Bretagne ist ein flaches Land. Die höchsten Erhebungen gibt es in den Monts d’Arrée, und auch da bringt es kein Gipfel auf über 400 m. Weideland und Heide wechseln sich ab, und mittendrin unzählige Dörfer, wo manchmal ein Schloss, öfter noch eine Kirche oder Kapelle einen Besuch lohnt.

Zu jeder Kirche gehört ein Heiliger, zu jedem Heiligen eine Legende, und im kelti-schen Dunkel der Geschichte blühen Hunderte von weiteren Legenden. Spaziergänge im Wald der Brocéliande führen zu verwunschenen Orten, die der Artus-Sage zuge-ordnet werden. In den Wäldern bei Huelgoat sollen schon Tristan und Isolde händ-chenhaltend geträumt haben – eine Rundwanderung dort ist auch ohne die beiden ein Erlebnis. Weiter westlich haben Christen in umfriedeten Pfarrbezirken großartige steinerne Kunstwerke gemeißelt, die auch dem Nichtchristen den Atem verschlagen. Eine Calvaire-Tour gehört in jede Reiseplanung.

Der Osten

Vitré 17.200 Einwohner „Wäre ich nicht König von Frankreich, wäre ich gerne Bürger von Vitré.“

Blickt man von den Tertres Noirs über das Tal der Vilaine, versteht man

Heinrich IV. (1553–1610). Die Silhouette des Schlosses über dem Fluss

erinnert an Grimms Märchenwelt. Hinter den Mauern, Türmen und Zinnen

könnte Dornröschen auf den erlösenden Kuss warten.

Vitré gehört zu den architektonischen Perlen der Bretagne. Kaum eine andere Stadt ist so gut erhalten wie die von einem dicken Mauerkorsett eingeschnürte Altstadt von Vitré. An ihrer Westseite wird die Ville Close vom Stadtschloss beherrscht, im Mittelalter eine der wichtigsten Grenzfesten des bretonischen Herzogtums. Vitré war über Jahrhunderte einer der aktivsten Handels- und Handwerksplätze für Tuch

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Fougères, Schloss und Unterstadt

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und Webwaren und eine wohlhabende Stadt. Hauptattraktion ist das Château, ein Glanzstück mittelalterlicher Militärarchitektur, das heute die Stadtverwaltung und ein ausgefallenes Museum beherbergt. Die Eglise Notre-Dame überragt mit ihren spitzen Giebeln das Ensemble der schiefergedeckten Fachwerkhäuser.

Tipp: Den schönsten Blick auf die Stadt und das Schloss genießt man von den Tertres Noirs (Schwarze Hügel) nordöstlich des Zentrums (ausgeschildert).

Stadtgeschichte: Im Jahr 2009 feierte Vitré seinen 1000. Geburtstag. Der Herzog der Bretagne ließ 1009 eine Burg aus Holz (die bald abbrannte) errichten, um die Straße nach Rennes zu bewachen und Wegzoll einzutreiben. Später wird an der heutigen Stelle eine neue Burg gebaut, und rund um die strategisch wichtige Festung an der Grenze des Herzogtums entsteht eine blühende Handels- und Handwerksstadt. Die Bruderschaft der Marchands d’Outre-Mer (Überseekaufleute, Vertreter der städtischen Weberzunft) verhökert Vitrés berühmtes Hanfleinen und seine begehrten Wollsocken von Flandern bis Indien und Amerika, die Seigneurs-familien und Herzöge sind’s zufrieden. Einen rauschhaften Höhenflug erleben die Vitréens um die Mitte des 15. Jahrhunderts – unter Franz II. sorgen die geschickten Winkelzüge eines einheimischen Schneiders für politischen Furor (→ Kastentext „Eine tragische Karriere“).

Zur Zeit der Religionskriege (1562–1598) ist Vitré ist eine Hochburg der Hugenot-ten, der Stadtherr Gaspar de Coligny einer der berühmtesten französischen Protes-tantenführer. Da dieser immer mehr Einfluss auf den noch jugendlichen König Karl IX. gewinnt, zieht er sich die Missgunst der streng katholischen Königsmutter zu. In der Bartholomäusnacht zum 24. August 1572 wird Coligny in Paris zusam-men mit 3000 Glaubensbrüdern niedergemacht. Harte Zeiten brechen über die Stadt herein. 1598 sorgt das Edikt von Nantes für vorübergehende Beruhigung – Heinrich IV. sichert den Protestanten freie Glaubensbetätigung und uneinge-schränkten Handel zu, und die strebsamen Hugenotten Vitrés machen wieder gute Geschäfte. Erst Ludwig XIV. leitet den wirtschaftlichen Abstieg ein: Mit der Aufhe-bung des Edikts von Nantes 1685 fliehen Tausende von Hugenotten aus der Bretag-ne, die Textilindustrie verliert ihre wichtigsten Köpfe und Arbeiter, der Hanfanbau um Vitré kommt zum Erliegen. Über 200 Jahre lang schläft die Stadt in ihrem mittelalterlichen Korsett einen Dornröschenschlaf.

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Das Landesinnere

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Erst Mitte des 20. Jahrhunderts beginnt die Wirtschaft wieder aufzublühen. Ein Förderprogramm der Regierung zu Be-ginn der 1970er Jahre belebte die tradi-tionelle Kurzwarenfabrikation aufs Neue; Schuhfabriken, Lebensmittelin-dustrie und Produktionsstätten für Landmaschinen schufen zusätzlich Ar-beitsplätze. Der ebenfalls seit dieser Zeit florierende Bretagne-Tourismus stärkt den Dienstleistungssektor.

Sehenswertes Stadtrundgang: Am eindrucksvollsten ist das Gassenviertel zwischen Schloss-platz und Kirche. Vom Château aus führt die Rue du Château in Vitrés schönste Straße, die Rue de la Baudrairie. In den von Satteldächern überragten Fachwerk-häusern wohnten, produzierten und ver-kauften die Meister der Lederzunft ihre Artikel; einige der Häuser sind auf Stein oder Holzpfeiler abgestützt, sogenannte maisons à porches, die man in Vitré auch in anderen Gassen sieht. Abwärts führt sie zur Rue d’En Bas, dort links in die Rue de la Poterie, die zentrale Gasse der Alt-stadt; sie mündet in die Rue Duguesclin, die sich bei der verwitterten und vegeta-tiv überwucherten Tour de la Bridole (13.–15. Jh.) zur Place de la République öffnet. Ein Gittertor gibt hier den Weg frei zur Promenade du Val, einer idylli-schen Allee mit Aussicht über das Vilai-ne-Tal. Durch das Saint-Pierre-Tor ge-langt man in die Altstadt zurück, zur Kirche Notre-Dame und auf der Rue Notre-Dame zurück zum Schloss.

Château/Musée: Die Burg zählt zu den schönsten Denkmälern mittelalterlicher Militärarchitektur in Frankreich. Der Ende des 11. Jahrhunderts errichtete Ur-sprungsbau war eine einfache, palisadenbewehrte Festung auf dem steilen Felshang über der Vilaine – Reste dieser romanischen Burg wurden im Burghof ausgegraben; die Burg wurde nach zwei Jahrhunderten abgerissen und Mitte des 13. Jahrhunderts neu errichtet. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde der Neubau mehrmals erweitert, mit wehrhaften Galerien versehen und schließlich zur repräsentativen und militäri-schen Residenz ausgebaut. Die Burg zeigt einen dreieckigen Grundriss, eine schwe-re, hölzerne Zugbrücke führt durch einen von zwei Türmen bewachten Torbau in den Innenhof mit seinem großen Brunnen. Sieben Türme erheben sich im Mauer-wall, an der Nordseite ist heute die Stadtregierung untergebracht.

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Ein Teil der Schlossanlage wird als Museum genutzt. Verteilt auf drei Türme, durch eine Galerie auf der Burgmauer verbunden, werden hier einige außer-gewöhnliche Raritäten aufbewahrt. Die Tour St-Laurent bietet neben dem Pano-ramablick auf die Schieferdächer der Altstadt Skulpturen aus Vitréser Bürger-häusern, flandrische Gobelins (16. Jh.), Truhen, alte Stadtansichten und als Höhepunkt einen bemalten Kamin aus dem Jahr 1583, verziert mit Musikern, Tänzern und Wappen.

Über die Wehrmauergalerie gelangt man zur Tour de l’Argenterie, die seit 1989 das städtische Kuriositätenkabinett beherbergt. Die außergewöhnliche Kollektion verrückter Objekte, die Ambroise Morel, ein Vitréser Natur- und Heimatkundler, zusammengetragen und der Stadt vermacht hat, ist nichts für schwache Nerven.

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St-Aubin-d'Aubigné

Thorigné-Fouillard

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St-Aubin-du-Cormier

La Guerche-de-Bretagne

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St-Aignan-sur-Roë

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Martigné-Ferchaud

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Mont-muran

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Les Rochers-Sévigné

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Das Landesinnere, der Osten7 km

518 Das Landesinnere: Der Osten

Neben den naturkundlichen Exponaten (Insekten, Vögel und Muscheln) liegen Reptilien, Säugetiere und ein menschlicher Fötus im Alkohol, während oben an der Decke eine Boa Constrictor hängt. Ein Leckerbissen für Freunde makabren Humors ist die Vitrine mit ausgestopften Fröschen: In teilweise zeitgenössischen Kostümen stellen sie Szenen aus dem aristokratischen Alltag dar; elegant tanzen sie eine Polonaise, sie spielen Karten, humpeln kläglich auf Krücken herum oder fechten mit einem gegnerischen Frosch.

Den Abschluss des Besuchs bildet die Tour de l’Oratoire, in deren angebauter Renaissance-Kapelle sich ein dreiflügeliger Altar (16. Jh.) bef indet; 32 wertvolle Emailletafeln aus Limoges (17. Jh.) mit Motiven aus dem Leben Christi und Marias schmücken ihn. Daneben sind liturgische Gewänder und zwei kunstvolle, im 19. Jahrhundert von Pariser Goldschmieden gefertigte Monstranzen ausgestellt. April–Sept. tägl. 10.30–12.30 und 14–18 Uhr. April–Juni und Sept. tägl. 10–12.30 und 14–18

Uhr. Juli/Aug. tägl. 10–18 Uhr. Okt.–März 10.30–12.15 und 14–17 Uhr, geschlossen Di

ganztags und Sa/So vormittags. Eintritt 4 €.

Eglise Notre-Dame: Zwischen 1420 und 1550 bauten mehrere Generationen an der monumentalen Kirche aus grauem Vitréser Stein, die klassische Züge der Hochgotik aufweist. Weniger überzeugend ist der Haupteingang im Westen: Hier wurde ein dorisches Säulenportal eingebaut, das nicht so recht zum großen Tor-bogen passen will. Die helle Holztür mit ihren Schnitzarbeiten bildet dann einen weiteren Kontrast. Harmonisch wiederum ist die Südseite der Kirche mit ihren sieben reich verzierten Giebeln. Hier f indet sich auch die Außenkanzel, auf der während der Religionskriege die protestantischen Prediger zum Volk sprachen.

Musée St-Nicolas: In der gotischen Kapelle eines ehemaligen Hospitals (12. Jh.) unterhalb der Burg widmet sich eine kleine Ausstellung der religiösen Kunst. Schwerpunkt des Musée d’Art Sacré sind Goldschmiedearbeiten des 19. und der

Märchenschloss mit Autos

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ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben der kleinen Sammlung sind auch die Wandgemälde der Kapelle aus dem 15. Jahrhundert bemerkenswert. April–Sept. Do/Fr sowie am 1. und 3. Wochenende im Monat 10–12.30 und 14–18 Uhr, Okt.–

März Do und Fr sowie am 1. und 3. Wochenende im Monat 14–17 Uhr. Eintritt 4 €. ĒBasis-Infos Postleitzahl 35500

Information Office de Tourisme, beim

Bahnhof. Ausführliche Informationen. April–

Juni und Sept. Mo 14.30–18, Di–Fr 9.30–12.30

und 14.30–18, Sa 10–12.30 und 15–17 Uhr. Juli/

Aug. Mo–Sa 9.30–12.30 und 14–18.30, So 10–

12.30 und 15–18 Uhr. Okt.–März Mo/Di 14.30–

18, Mi–Fr 9.30–12.30 und 14.30–18, Sa 10–12.30

und 15–17 Uhr. Place Général de Gaulle.

¢ 02.99.75.04.46, http://bretagne-vitre.com.

Hin und weg Bahn: Vitré liegt an der

Hauptstrecke Rennes–Paris. Mindestens

6-mal tägl. in beide Richtungen (Sonn- und

Feiertage mind. 3-mal). Fahrzeit nach

Rennes etwa 20 Min., nach Paris etwas

über 3 Std. Der TGV hält nur im Sommer in

Vitré (sonst: nächste Station Laval); mit

dem Hochgeschwindigkeitszug ist Paris

nur noch 2 Stunden entfernt.

Bus: Nach Fougères werktags und zu

Schulzeiten 2- bis 4-mal, nach Rennes

3-mal. Abfahrt beim Bahnhof.

Golf Golf des Rochers: Eine der

schönsten Golfanlagen der Bretagne liegt

unterhalb des Schlosses von Madame de

Sévigné, etwa 6 km auf der D 88 südöstlich

von Vitré. 18 Löcher par 71 in einem weiten,

mit Nussbäumen und alten Rotbuchen be-

standenen Rasenpark entlang des maleri-

schen Flussufers. ¢ 02.99.96.52.52.

Markt Samstagvormittag in der Rue de la

Poterie.

Eine tragische Karriere

Pierre Landais lebt Mitte des 15. Jahrhunderts als Schneider in Vitré. Seine handwerklichen Fähigkeiten und sein einnehmendes Wesen fallen Herzog Franz II., der in der Stadt weilt und sich neu einkleiden will, bei einer An-probe auf, und er ernennt den Zwirnartisten zu seinem Kammerherrn. Die beiden verstehen sich gut. In Windeseile gewinnt der beredte Schneider des Herzogs Herz. Statt mit seinem Friseur plaudert Franz nun am liebsten mit Pierre. Stets gut über die laufenden Geschäfte informiert, steigt Pierre Lan-dais zum Schatzmeister und schließlich – einige wohlplatzierte Ratschläge haben ihn unentbehrlich gemacht – zum ersten Berater des obersten Herrn der Bretagne auf.

Mit Neid und Argwohn beäugen die ausgestochenen lokalen Höflinge den einfachen Emporkömmling, der es sogar wagt, die Vorrechte von Adel und Klerus in Frage zu stellen. Als Landais auch noch eine Bresche für die Auf-nahme seiner bürgerlichen Standesgenossen ins Ständeparlament schlagen will, ist das Maß voll. Erfolgreich konspirieren einige Herren am Pariser Hof und ziehen den König auf ihre Seite. Der, über die schauderhaften Ansichten Landais´ aufs Höchste erbost, zwingt Franz II., seinen Ratgeber fallenzulassen.

Flugs präpariert man eine infame Anklageschrift, beschuldigt den Ex-Schneider des Hochverrats und der Steuerhinterziehung und kerkert ihn ein. In den Verliesen des Schlosses von Nantes gesteht der Unglückliche unter der Folter alle gegen ihn vorgebrachten „Verbrechen“. 1485 wird er unter dem Gejohle einer aufgewiegelten Menge auf dem Richtplatz von Nantes gehenkt.

Vitré

520 Das Landesinnere: Der Osten

ēÜbernachten Hotels ** Le Minotel 6, gemütliches klei-

nes Hotel mit 15 Zimmern an einem beleb-

ten Platz mitten im alten Vitré. Golfliebha-

ber bekommen hier Sonderkonditionen für

die Benutzung des lokalen Golfplatzes

(s. o.). DZ 52–72 €. Ganzjährig geöffnet.

47, rue de la Poterie 47, ¢ 02.99.75.11.11,

www.leminotel.fr.

** Du Château 3, 23-Zimmer-Hotel am Stadt-

wall unterhalb des mächtigen Schlosses. Ab

dem 2. Stock schöne Aussicht auf das

Schloss. Ruhige Lage, kein Restaurant. DZ

57–70 €. Ganzjährig geöffnet. 5, rue Rallon,

¢ 02.99.74.58.59, www.hotelduchateauvitre.fr.

** Le Petit-Billot 8, Mittelklasse-Etablisse-

ment der Citôtel-Kette in der Nähe des

Bahnhofs. 20 ordentliche Zimmer mit Du/

WC, Zusammenarbeit mit dem Restaurant

nebenan. DZ 55–65 €. Ganzjährig geöffnet.

5, place Général Leclerc, ¢ 02.99.75.02.10,

www.hotel-vitre.com.

Camping ** Municipal St-Etienne, 2 km

südöstlich des Zentrums am Ortsaus-

gangsschild (Richtung Rochers-Sévigné,

D 88). Campen passend zur Stadt: gepfleg-

tes Wiesengelände, efeuüberrankte Rui-

nenreste und Sanitärblock im Natursteinstil

(tolle Duschen). Bushaltestelle in Platznähe,

vom Zentrum Linie 3, ins Zentrum Linie 4.

Knapp 50 Stellplätze. Geöffnet April bis

Mitte Dez. Route d’Argentré, ¢ 02.99.75.25.28.

ĒEssen & Trinken Vitré wartet mit zwei kulinarischen Spezialitäten auf: „La Roulade Sévigné“, eine

Rindsroulade nach dem Rezept der sparsamen Madame de Sévigné. Und zum

Nachtisch ein „Vitréais“, ein delikates Biskuit mit Honig, Mandeln und karameli-

sierten Apfelscheiben, das Sie in jeder Pâtisserie erhalten. Ansonsten ist die Kü-

che erstaunlich international: italienische, türkische, chinesische und japanische

Etablissements.

Restaurants Auberge Le St-Louis 2,

gegenüber der Kirche Notre Dame; innen

gemütlich holzgetäfelt, außen einige Tisch-

chen unter den alten Arkaden. Gepflegte

Küche, große Auswahl zu moderaten Prei-

sen. Jakobsmuscheln, Entenbeinchen und

-leber und köstliche Desserts. Etwas teurer

sind der geräucherte Lachs und die auf

Salat servierten Langustinenschwänzchen.

Geschlossen außerhalb der Saison So

Abend und Mo ganztags. 31, rue Notre-

Dame. ¢ 02.99.75.28.28.

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Mein Tipp: Les Pieds sous la Table

4, sehr sympathisches Lokal, von einem

sympathischen jungen Paar 2014 eröffnet,

ideal auch für den Mittagstisch. Ein paar Ti-

sche auf der Straße, ein paar drinnen, und

von der Halbetage kann man dem Koch bei

der Arbeit zusehen. Die Auswahl ist nicht

groß, aber mit viel Liebe zubereitet. Tradi-

tionelle Küche, in der Ente und gegrillter

Kabeljaurücken ihren Platz haben. Ge-

schlossen Mo abends und Sa mittags. 20,

rue d’Embas, ¢ 02.23.55.27.81. La Soupe aux Choux 1, unterhalb der

Kirche Notre Dame, optisch ein nichtssa-

gendes Lokal mit kleiner Außenterrasse.

Bei den Vitréens und Vitréennes ist die

„Kohlsuppe“ ein gern besuchter Ort. Dort

bestellen sie entweder das günstige Tages-

menü (Richtung Hausmannskost), oder sie

stellen sich ihr Menü à la carte zusammen.

Sehr gut als Vorspeise das Rindercarpaccio

mit Basilikum, als Dessert empfehlenswert

die Crème brulée à la vanille. Geschlossen

nach Ostern für zwei Wochen. 32, rue

Notre-Dame. ¢ 02.99.75.10.86.

Au Vieux Vitré 7, hat nach dem letzten

Umbau eindeutig an Charme verloren. In

erster Linie Pizzeria, auch Grillgerichte und

Risotto. Auch Straßenbetischung. So/Mo

Ruhetag. 1, rue d’En Bas. ¢ 02.99.75.02.52.

Crêperie La Gourmandise 5, günstige

Crêpes in lebhafter Atmosphäre. Für 10 €

pro Person kann man es sich hier mit

selbst zusammengestellten Crêpes und

Cidre gut gehen lassen. Geschlossen Mo

ganztags und Di mittags. 26, rue d’En Bas.

¢ 02.99.75.02.12.

Umgebung von Vitré Château des Rochers Sévigné: 6 km südöstlich von Vitré, links der D 88, umgeben von einem Wald mit hohen Rotbuchen und alten Nussbäumen, liegt das Schloss der Marquise de Sévigné (→ Kastentext „Madame de Sévigné”). Vor dem L-förmigen Bau aus dem 15. Jahrhundert öffnet sich der vom be-rühmten Landschaftsarchitekten André Le Nôtre gestaltete französische Garten (17. Jh.), in dem die Literatin einst lust-wandelte. Die Kapelle steht etwas iso-liert neben dem Schloss.

Impressionen vom Stadtrundgang

522 Das Landesinnere: Der Osten

Die Besichtigung beschränkt sich auf die Kapelle und zwei etwas lieblos eingerich-tete Zimmer im Nordturm. Während sich in der Kapelle das alte Mobiliar, Sessel für die Damen und niedrige, stoffbespannte Betbänke für die Herren durchaus sehen lassen kann, ist der Besuch der Schlossräume eher enttäuschend. Das Cabinet vert des Erdgeschosses ziert ein Kamin mit den Initialen Madame de Sévignés, an den Wänden hängen zwei Portraits der Dame: etwas mollig, das Kleid im aristokra-tischen Zeitgeschmack tief dekolletiert. In einer Vitrine liegen Handschriften aus – Haushaltsaufzeichnungen und Berichte über die Schlossverwaltung. Im oberen Raum sind weitere Bilder und Mobiliar zu sehen. Geruhsam und kurzweilig ist hinterher ein Spaziergang durch den grand parc (Gelände des Golfclubs), in dem die Wege noch die von Madame de Sévigné verliehenen Namen tragen: le mail (die Promenade), l’infini (die Unendlichkeit) oder l’humeur de ma fille (die Laune meiner Tochter). 2015 war das Schloss wegen Renovierung geschlossen. Die Arbeiten dürften wohl 2016

abgeschlossen sein. Dann gilt vermutlich: April–Sept. tägl. 10.30–12.30 und 14–18 Uhr, Okt.–

März So 14–17 Uhr. Eintritt 4 €.

Champeaux: Ein kleines Dorf im Abseits und in dessen Mitte ein dörfliches Schmuckstück – die Place du Cloître. Sie ist gesäumt von den granitenen Häusern der früheren Chorherren und der Stiftskirche; ein hübscher Ziehbrunnen auf der Rasenfläche rundet das historische Ensemble harmonisch ab. Die große, einschiff i-ge Kirche datiert aus dem 14. und 15. Jahrhundert, aus der Renaissance stammen das Chorgestühl (Schnitzereien, u. a. Adam und Eva in Fellen) sowie die Fenster der Apsis (Passionsgeschichte und Abrahams verhindertes Opfer). Eine weltliche Zu-gabe nach der Besichtigung ist das urige Landcafé neben der Kirche.

Anfahrt Vitré auf der D 857 Richtung

Châteaubourg verlassen und nach knapp

5 km rechts ab, dann noch 4 km auf einem

schmalen Sträßchen.

Restaurant La Cascade, Ortsmitte. „Ein

Mittagsmenu mit 5 Gängen für nur 11 €“,

schrieb uns ein Leser, und fügte hinzu:

„Unglaublich, und eine Superqualität“. Ge-

schlossen am So Abend. 2, place de la

Collégiale, ¢ 02.99.49.99.78.

Nach dem Kirchgang: ab in die „Cascade“