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11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 1
Transnationale Unternehmen
und Demokratie
GRUNDKURS II
11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 2
Konsequenzen der Globalisierung für die Politikgestaltung
Das staatliche Regelungsmonopol wird durch Prozesse der Entgrenzung und Verflechtung in Frage gestellt.
Der Primat der Politik wird tendenziell durch den Primat der Ökonomie abgelöst.
Neue nicht-staatliche Akteure gewinnen an Bedeutung für die Politik, darunter
transnationale Unternehmen
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Transnationales UnternehmenWas ist ein Unternehmen?
Eine selbständig handelnde Einheit, deren Zweck die Erstellung von Gütern und/oder Dienstleistungen ist.
Was ist ein transnationales Unternehmen?Ein transnationales Unternehmen ist ein weltweit
agierendes Unternehmen unter einheitlicher Leitung einer Obergesellschaft mit
• maßgeblichem Einfluss auf die jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen,
• Aktivitäten, die „quervernetzt“ zum Machtanspruch politischer Systeme sind, und
• der Fähigkeit, sich einzelstaatlicher Kontrolle in vielfältiger Weise zu entziehen.
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Was ist neu an transnationalen Unternehmen?
Ihre Zahl und Größenordnung - ca. 60. bis 70.000 mit Tochtergesellschaften ca. 900.000 und ca. 75 Mio. Beschäftigten.
Ihre Herauslösung aus der Objektrolle gegenüber dem politischen System.
Ihre Transformation zu Subjekten des weltwirtschaftlichen Geschehens.
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Transnationale Unternehmen und politisches System
Politisches System
Politisches System
Politisches System
Politisches System
Politisches System Politisches
System
Transnationales Unternehmen
Transnationales Unternehmen
Verflechtung
Entgrenzung
Globalisierung
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„Deutsche“ transnationale Unternehmen
18 der 200 weltweit größten Konzerne hatten 2009 ihren Sitz in Deutschland
Im „global ranking“ lag Volkswagen mit Sitz in Wolsburg auf Platz 14 der Fortune-Liste der weltweit größten Unternehmen.
Umsatz, Produktionsstätten und Beschäftigte der transnationalen Unternehmen verweisen auf die Gleichzeitigkeit von Globalität und Lokalität.
Die größten deutschen Unternehmen 2009Rang global
Name Sitz Umsatz in Mio. US-$
Gewinn/Verlust in Mio. US-$
Beschäftigte
14 Volkswagen Wolfsburg 166.579 +6.957 369.928
20 Allianz München 142.395 -3.577 182.865
23 Daimler Stuttgart 140.328 +1.973 273.216
26 E.ON Düsseldorf 127.278 +1.853 93.538
30 Siemens München 123.595 +8.595 420.800
54 Deutsche Post Bonn 98.708 -2.471 451.515
59 BASF Ludwigshafen 91.193 +4.262 96.924
61 Telecom Bonn 90.260 +2.171 227.747
70 Deutsche Bank Frankfurt/M. 81.360 -5.613 80.456
74 Thyssen-Krupp Düsseldorf 80.210 +3.295 199.374
78 BMW München 77.864 +474 100.041
89 RWE Essen 71.851 +3.774 65.908
95 Münchener Rück München 67.515 +2.200 44.209
98 Bosch Gerlingen 66.052 +504 281.71711.04.23 Prof. Dr. R. Robert 7
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Gefährdungen des politischen Systems durch „Entcontainerisierung“
Herausbildung neuer Politikebenen
Verlust des demokratischen Grundkonsenses durch transnationale Unternehmen
Neue transnationale Spielregeln der Entscheidungsfindung
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des politischen Systems
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Drei zentrale Problemfelder
Das Selbstverständnis transnationaler Unternehmen: Unternehmensstruktur und Unternehmensphilosophie
Die transnationalen Unternehmen in der „Innenpolitik“: Auswirkungen auf das liberal-pluralistische System der Bundesrepublik
Die transnationalen Unternehmen in den internationalen Beziehungen: Das Problem des „Reembedding“
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Unternehmensstruktur und Unternehmensphilosophie
Shareholder value– Ein Unternehmen fühlt sich nur seinen Eigentümern
verpflichtet und ist vorrangig um Gewinnerzielung bemüht.
– Eigentümer als Unternehmensbürger, dennoch keine Unternehmensdemokratie
Stakeholder value– Erweiterung der Wert- und Zielvorstellungen eines
Unternehmens über bloße Gewinnerzielung hinaus– Problem: Erfassung und Gewichtung unterschiedlicher
Interessen und Akteure
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Ansätze zu einer „stakeholder-democracy“ in Deutschland I:Unternehmensmitbestimmung
Unternehmensmitbestimmung
als Instrument zur Bildung von Gegenmacht
als Instrument zur gesellschaftlichen Integration Unternehmensmitbestimmung ist ein Ansatz zur
„stakeholder-democracy“, der sich auf die Arbeitnehmer und ihre Interessenvertreter – die Gewerkschaften - konzentriert.
Andere „stakeholder“ mit Ausnahme der Kapitaleigner bleiben ausgeschlossen.
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Ansätze zu einer „stakeholder-democracy“ in Deutschland II: Gemeinwirtschaft
Gemeinwirtschaft gibt dem Ziel der Bedarfsdeckung den Vorrang vor dem Ziel des Gewinnstrebens.
Die Umsetzung öffentlicher Zwecke, das Wohl des übergeordneten Ganzen ist das wesentliche Element dieser Wirtschaftsgesinnung.
Als ein primär binnenstaatliches Konzept steht es in offenkundigem Widerspruch zur Globalisierung.
Das Konzept der Gemeinwirtschaft ist vor allem dann kaum auf „Global Player“ anwendbar, wenn diese ihren Hauptsitz außerhalb Deutschlands haben.
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Ansätze zu einer „stakeholder-democracy“ in Deutschland III:
Multifaktorielle und multilokale Ansätze
Unverbindliche Verhaltenregeln für transnationale Konzerne durch OECD und ILO
Grenzüberschreitende Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren für die Belegschaft transnationaler Unternehmen auf freiwilliger Basis
Verbindliche Richtlinie der EU zur Einrichtung transnationaler BetriebsräteEs bleibt das Grundsatzproblem: Wer ist „stake-
holder“ und wer nicht!
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Transnationale Unternehmen und Innenpolitik I
Korporatismus bedeutet: Ein System unmittelbarer Teilhabe organisierter Interessen
an der Ausführung von Politik,Vergesellschaftung des Staates / Verstaatlichung der
Gesellschaft sowieVerknüpfung und Parallelismus von Staat und organisierten
Interessen
Transnationale Unternehmen verschieben das innenpolitische Parallelogramm der Kräfte.
Das auf Wettbewerb beruhende System liberal-pluralistischer Interessenvermittlung mit dominierender Widerlagerfunktion des Staates droht verloren zu gehen.
Transnationale Unternehmen erzwingen geradezu ein korporatistisches System.
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Transnationale Unternehmen und Innenpolitik II
Korporatismus schließt für die transnationale Unternehmen die Möglichkeit ein:staatliche Steuerungsleistungen zu bestimmen und
durchzusetzen.das Instrument der politischen Verweigerung oder
Verhinderung zum Einsatz zu bringen. sich auf eine partielle Zusammenarbeit mit dem
politischen System zu beschränken.sich wegen ihrer „Reichweite“ einzelstaatlicher
Politik zumindest partiell zu entziehen.
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Internationales „reembedding“ transnationaler Unternehmen
Möglichkeiten:
Zentralistischer Weltstaat
Föderaler Superstaat
Sich selbst steuernde Gemeinschaft von Weltbürgern
Keine dieser Antworten vermag zu überzeugen.
Als Ausweg bleibt das Modell eines „dritten Weges“ - das Konzept der „global governance“.
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Übersicht: Souveränitätsverlust, Entgrenzung und Global Governance
Fortschritt der Produktivkräfte Globalisierung der Produktion, Dienstlei-stungen, und des Kapitalverkehrs Entstofflichung der Weltwirtschaft
Wachstum der Menge regionaler, na-tionaler, internationaler, transnationalerAkteure und Organisationen, daruntertransnationaler Unternehmen
Verdichtung globaler Verflechtungen in Schlüsselbereichen: Wirtschaft, Poli-tik, Technologie, Kommunikation, Verkehr, Migration, Rechtswesen Wachsende Durchlässigkeit von Grenzen
Reduzierung der Fähigkeit des staatlich – politischen Systems zur Steuerung desStroms von Gütern, Dienstleistungen, Ideen und Personen
Wachsende Notwendigkeit zwischenstaatlicher Kooperation zur Beeinflussung /Gestaltung von Politikergebnissen Wachstum der Menge internationaler Institutionen / Organisationen zur Kon-fliktbearbeitung und -bewältigung Ansatzweise Entstehung eines Systems der „global governance“ und Neudefinitionder Kompetenzen / Handlungsmöglichkeiten nationaler Akteure Fragiles independentes Weltsystem auf neoliberaler Grundlage mit ungeklärtenMachtbeziehungen und unbeantworteten Demokratieproblemen
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„Global Governance“
Zurückzuführen ist das Modell der „Global Governance“ auf einen Bericht der Kommission für Weltordnungspolitik von 1995.
„Global Governance“ meint die Gesamtheit der Wege, „auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln.“
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Das Konzept basiert auf fünf Elementen:
Akteursvielfalt anstelle von Staatenzentrismus Pluralität von Entscheidungen auf lokaler,
regionaler, nationaler, inter-/supranationaler Ebene Multiple Entscheidungsstrukturen ohne feste
Hierarchien Weltweite Anerkennung menschenrechtlicher
Standards Ausbildung eines Mindestmaßes an
zivilgesellschaftlicher Identität
11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 20
Einbindung in eine Weltordnungspolitik
Elemente einer solchen Weltordnungspolitik:Sicherung bzw. Stärkung der weltweiten
Konkurrenz mit Hilfe strikter Wettbewerbsregelnfreiwillige Vereinbarungen über Mindeststandards
unternehmerischen VerhaltensWeltweite Bloßstellung unternehmerischen
Fehlverhaltens nicht zuletzt durch NGOsErrichtung eines Rates für wirtschaftliche
Sicherheit bei den Vereinten Nationen
11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 21
Schwächen des Konzepts:
Globalisierung wird als quasi naturgegeben erachtet.
Unterordnung machtbewusster transnationaler Unternehmen unter eine auf Kooperation beruhende Weltordnungspolitik
Überbetonung der „Machbarkeit“ bürgernaher Zivilgesellschaft
11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 22
Ergebnis
Möglichkeiten einer Einbindung transnationaler Unternehmen in die gesellschaftliche Zusammenhängeeine innere Neustrukturierung von
Großunternehmeneine flexible Reaktion des politischen Systems
durch stärkere korporatistische Ausrichtungeine systematische Weltordnungspolitik
11.04.23 Prof. Dr. R. Robert 23
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!