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Bulletin Technisch-wissenschaftliche Fachbeiträge zur nuklearen Entsorgung 3D-Seismik Zürcher Weinland 4 Zweck der Untersuchungen 8 Feldarbeiten 18 Datenverarbeitung und Auswertung 30 Korrelation mit der Bohrung Benken 33 2000

33 2000 ulletin - Nagra · 2009. 3. 12. · 3D-Seismik Zürcher Weinland 4 Zweck der Untersuchungen 8 Feldarbeiten 18 Datenverarbeitung und Auswertung 30 Korrelation mit der Bohrung

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3D-Seismik Zürcher Weinland4 Zweck der Untersuchungen

8 Feldarbeiten

18 Datenverarbeitung und Auswertung

30 Korrelation mit der Bohrung Benken

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Impressum Inhalt 3D-Seismik Zürcher Weinland

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Geologie – anschaulich, transparent, lückenlos André Lambert Die Untersuchungen im Zürcher Weinland sind Teil des Erkundungskonzepts für die Abklärung der Eignung des Opalinustons für ein geologisches Tiefenlager für hochaktive Abfälle.

Methodik, Planung und Durchführung der FeldarbeitenPhilip Birkhäuser, René GrafErstmals wurde in grösserem Rahmen eine 3D-Seismikmessung in der Schweiz durch-geführt. Prinzip und Vorgehen werden ausführlich dargestellt.

Verarbeitung und Auswertung der DatenPhilip Birkhäuser, Walter H. Müller, Philippe Roth, Heinrich Naef Mit der räumlich hochauflösenden Abbil-dung kann das ausgedehnte Vorkommen und die tektonisch ruhige Lage des Opalinustons nachgewiesen werden.

Korrelation Bohrung – 3D-SeismikPhilippe Roth, René Graf Die geologische Auswertung der Bohrung Benken kann mit der 3D-Seismik auf das ganze, fünfzig Quadratkilometer grosse Untersuchungsgebiet übertragen werden.

Seismik Zürcher Weinland

Im Rahmen der Feldaufnahme und Auswertung der vor-gestellten Daten direkt beteiligte Firmen:

Albert-Donié Geo-Consult GmbH, Wettingen, Schweiz: Projektunterstützung Walkaway-VSP.

Coherence Technology Company (UK) Ltd., Crawley, England: Berechnung «Coherency Cube» Kohärenzdatensatz.

Compagnie Générale de Géophysique, Massy, Frankreich: Feldmessungen 3D-Seismik.

Deutsche Montan Technologie (DMT), GeoTec, Essen, Deutschland: Messung/Auswertung Walkaway-VSP.

Dr. Alfred Gübeli, Geologische Beratungen, Jona, Schweiz: Permitting.

Dr. Heinrich Naef, Büro für angewandte Geologie und Kartografie, Speicher, Schweiz: Beratung Geologie.

Explosiv Consult AG, Wila, Schweiz: Überwachung Sprengtechnik.

Geco-Prakla, Zweigniederlassung Hannover der Schlum-berger GmbH, Deutschland: Datenverarbeitung 3D-Seismik.

Institut de Géologie et Paléontologie, Université de Lausanne, Schweiz: Qualitätskontrolle Auswertung.

John Laws, Quad Operations Ltd., Berkshire, England: Qualitätskontrolle Felddaten.

ProSeis AG, Zürich, Schweiz: Beratung Feldarbeiten/Auswertung.

Die Autoren danken für fachliche Anregungen:

Dr. Peter Blümling, Dr. Christian Sprecher ( beide Nagra) und

Hanspeter Jung (Geco- Prakla).

nagra Bulletin Nr. 33März 2000

RedaktionMeinrad Ammann, Dr.

Konzeption, Gestaltung, GrafikFranca Moser, Meinrad Ammann

Anschrift der Autoren der Artikel dieses HeftesPhilip Birkhäuser, Geophysiker, Nagra. René Graf, Geophysiker, ProSeis AG, Siewerdtstr. 7, CH-8050 Zürich.André Lambert, Dr., Geologe, Nagra.Walter H. Müller, Dr., Geologe, Nagra.Heinrich Naef, Dr., Geologe, Büro für angewandte Geologie, Herbrig 161, CH-9042 Speicher.Philippe Roth, Dr., Geophysiker, ProSeis AG, Siewerdtstr. 7, CH-8050 Zürich.

HerausgeberNagraNationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver AbfälleHardstrasse 73, CH-5430 WettingenTelefon 056-437 11 11Telefax 056-437 12 07E-mail [email protected] www.nagra.ch

nagra Bulletin erscheint ein- bis zweimal pro Jahr in Deutsch und Englisch. Abdruck mit Quellenangabe gestattet. Für Bilder von Agenturen ist deren Geneh-migung erforderlich.

nagra Bulletin ist kostenlos bei der Nagra als Einzel-nummer oder im Abonnement erhältlich.

TitelbildPerspektivische Darstellung der ausgewerteten 3D-seismischen Daten im zentralen Teil des Untersuchungsgebietes Zürcher Weinland. Auf dem 3D-Block sind die Dörfer Marthalen, Benken und Rudolfingen (v. l. n. r.) erkennbar. Im Hintergrund ein vergrösserter Ausschnitt seismischer Spuren der Opalinuston-schicht.

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Geologie – anschaulich, transparent, lückenlos

3D-Seismik Zürcher Weinland

André LambertNagra, Wettingen

Einschluss in GesteinDas Konzept der geologischen Lage-rung hochaktiver Abfälle be ruht auf ihrem dauerhaft wirkungsvollen Ein-schluss in tiefliegenden, wasser un-durchlässigen Gesteinsformationen, die sich seit Jahrmillionen praktisch nicht verändern. Das in der Schweiz geltende Gesetz schreibt die Entsor-gung radioaktiver Abfälle in geeigne-ten Gesteinseinheiten vor. Mehrere Länder prüfen weltweit die Eignung kristalliner Formationen oder von Tonschichten als Lager gesteine. Im Untergrund der Nordschweiz kom-men beide Gesteins typen im berg-männisch erschliess baren Tiefenbe-reich vor. Dies veranlasste die Nagra, 1982 ein umfangreiches erdwissen-schaftliches Forschungsprogramm in

dieser Gegend aufzunehmen. Das Schwer gewicht der Erkundungsar-beiten verla gerte sich dabei im Lauf der neunziger Jahre vom kristallinen Grundgebirge auf Tonformationen, um die Kenntnisse über diese Sedi-mentgesteine auf einen vergleich-baren Stand zu bringen.Die geologische Tiefenlagerung ra-dioaktiver Abfälle erfordert umfang-reiche erdwissenschaftliche Abklä-rungen zur Auswahl und Charakte-risierung möglicher Standortgebiete. Für die Entsorgung der hochaktiven Abfälle führt die Nagra entspre-chende Erkundungsprojekte durch. Die Untersuchungen sollen zeigen, dass die bau- und sicherheitstechni-schen Vorgaben im Rahmen der geo-logischen Gegebenheiten in der

Schweiz grund sätzlich erfüllt werden können. In den nächsten Jahren sollen die Berichte zur Dokumenta-tion dieses Entsorgungsnachweises den zuständigen Behörden einge-reicht werden.

Geologische Prognose opti miertViele relevante Materialeigenschaf-ten eines Gesteins und dessen Ver-halten können bis zu einem gewis-sen Grad standortunabhängig durch Auswertung vorhandener Kenntnisse und besonders durch zielgerichtete Forschung in Fels labors untersucht werden. Solche Labors stehen bei uns in der Schweiz und in verschiedenen weiteren Ländern (z. B. in Belgien, Japan, Kanada, Schwe den, USA)

Zusammenfassung

Die Nagra untersucht in der Nord-schweiz den Opalinuston als Lager-gestein für hochaktive Abfälle. Eine der Voraussetzungen für dessen Eignung ist eine möglichst unge-störte Schichtlage. Daher führte die Nagra 1991/1992 mit 2D-seismischen Profilmessungen eine regionale Erkundung der tektonischen Verhält-nisse in der Nordostschweiz durch. Auf dieser Grundlage konnte im nördlichen Teil des Kantons Zürich ein Gebiet von rund 50 Quadratki-lometer abgegrenzt werden, das im Jahre 1997 mit 3D-Seismik im Detail unter sucht wurde. Zusammen mit der Bohrung Benken ist das Ergeb-nis der 3D-Seismik eine wesentliche Grundlage für die Beur teilung, ob die Anforderungen für eine sichere Lagerung hochaktiver Abfälle grund-sätzlich erfüllt werden können (Ent-sorgungsnachweis).

bereits in Betrieb oder sind in Pla-nung (z. B. in Frankreich). Demge-genüber ist die adä quate geowissen-schaftliche Charakterisierung einer Lokalität immer ein Einzelfall und erfordert als solcher eine massge-schneiderte Erkundung. Diese muss allerdings einem Grundproblem des Explo ra tions geologen Rechnung tragen: dem Ermes sens- und Inter-preta tions spiel raum aufgrund der räumlich nicht lückenlos verfüg-baren Daten über den Gesteins unter-grund und der darauf beruhenden Prognose unsicherheit.Eine signifikante Reduktion dieser Unsicherheit konnte nun aber im vergangenen Jahrzehnt mit der Weiter entwicklung einer geophy si-kalischen Prospektionsmethode er -reicht werden, der Technik der drei-dimensionalen reflexionsseis mi schen Aufnahme. Vornehmlich im Dienste der Kohlenwasserstoff explo ration erprobt, kann die 3D-Seismik in der geologischen Erkundung durchaus als Quantensprung bewertet werden – vergleichbar dem Schritt von der her kömmlichen Schirmbildauf-nahme zur Computertomografie in der medizinischen Diagnostik.

Im Jahr 1997 hat die Nagra die Metho de der 3D-Seismik im Rah-men ihrer Untersuchungen in der Nordschweiz erstmals angewendet; die vorliegende Ausgabe des «nagra Bulletin» fasst die durchgeführten Arbeiten und die bisher erzielten Ergeb nisse zusammen. Es handelt sich um die in ihrem Umfang bisher grösste Untersuchung dieser Art in der Schweiz. Die dabei gemachten Erfahrungen können daher gegebe-nenfalls bei anderweitiger Anwen-dung dieser Erkundungsmethode nützlich sein.

Der Opalinuston in der Nordschweiz Die Gesteinsschichten des Opalinu-stons entstanden vor knapp 180 Mil li o nen Jahren (d. h. in der geolo-gischen Zeitperiode des unteren Dogger) durch Ablagerung von feinen Schlammteilchen im Jurameer [ vgl. Lit. 1]. Diese Tonsteine werden heu-te stellenweise in oberflächennahen Gruben als Rohstoff ab ge baut. Mit seiner bekannten, äusserst geringen Wasserdurchlässigkeit, dem regional homogenen Aufbau und der Schicht-mächtigkeit um hundert Meter weist

DesAir

Die drei Säulen des«Entsorgungsnachweises»

Nachweis eines genügend ausgedehnten Gesteinskör-pers mit den erforderlichen Eigenschaften.

Nachweis der bautechnischen Machbarkeit der Endlageran-lage gemäss den sicherheits-technischen Vorgaben.

Nachweis der radiologischen Langzeitsicherheit (Einhaltung der behördlich vorgegebenen Schutzziele).

• Standort

• Machbarkeit

• Sicherheit

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der Opalinuston günstige Eigen-schaften als Lagergestein auf. Die Schicht kommt auch im bautech-nisch sinnvollen Tiefenbereich vor (d. h. bis etwa 900 m unter Terrain). Zudem ist im Tafeljura, der gegen Südosten unter das Molassebecken abtaucht, die Schichtlage weiträumig ruhig und ungestört.Lange nach der Ablagerung der Opalinus tonschicht entstand das Hochgebirge der Alpen und in sei-nem nördlichen Vorfeld der Ketten-jura (Abb. 1). Von diesem Faltenwurf der Erdkruste verschont blieb der Tafel jura: Dort verharren die Ge-steins schichten – mit ihnen auch der Opalinuston – noch heute etwa in der gleichen Lage wie bei ihrer Ent-stehung. Daran vermochten weder die Vulkanausbrüche im Hegau vor etwa 15 Millionen Jahren, noch die

Gletscher vieler Eiszeiten, die sich durch die Landschaft schoben, etwas zu ändern. Lediglich die Hebung des Schwarzwaldes verursachte eine leichte Neigung des Schichtstapels.

Das Erkundungskonzept der NagraUm die tektonischen Gegebenheiten regional genauer abzuklären, führte die Nagra im Winter 1991/92 in der Nordostschweiz seismische Mes sun-gen durch[Lit. 2]. Die Auswertungen dieser zweidimensionalen Profil-aufnahmen (2D-Seismik) führten zum Ergebnis, dass der Opalinuston besonders im Norden des Kantons Zürich einer nur geringen tektoni-schen Beanspruchung ausgesetzt war.Diesen Befund galt es nun im lokalen Massstab und mit hoher Mess dichte zu überprüfen.

Bei der damals verwendeten zwei-dimensionalen Seismik wird der Unter grund entlang von mehr oder weniger geradlinigen Profilen abge-tastet. Auf diese Weise entstehen vertikale Schnittbilder der geolo-gischen Strukturen. Infolge der Abstände zwischen den einzelnen Profilen ver blei ben bei der Auswer-tung und Inter pretation Unsicher-heiten. Demgegenüber ermöglicht die drei-dimensionale Seismik einen prak-tisch lückenlosen Einblick in die Tiefe (vgl. Artikel S. 8). Nach wie vor bedarf aber auch eine noch so hochauf lösende seismische Auf-nahme zu ihrer geologischen Aus-wertung der direkten Information über den Gesteinsuntergrund. In der Regel müssen dazu Sondierbohrun-gen abgeteuft werden. Bohrungen erlau ben zwar präzise Aussagen über den Aufbau und die Eigenschaften der durchfahrenen Gesteinsschichten – die Information bleibt jedoch auf eine Dimension beschränkt. Zusam-men ergänzen sich Bohrungen und 3D-Seismik zur optimalen erkun-dungstechnischen Kombination. Die Bohrung Benken, die seit Herbst 1998 bis Frühjahr 1999 im Zürcher Weinland abgeteuft worden ist, bildet in diesem Sinne die Basis für die detaillierte geologische Interpreta tion der 3D-seismischen Messungen (vgl. Artikel S. 30).

Ziel erreichtDie bis anhin vorliegenden Resul tate der Erkundungsarbeiten im Zürcher Weinland lassen erkennen, dass die Ziele erreicht werden konnten. Die 3D-Seismik, als leistungsstarkes Instru ment der geophysikalischen Exploration, war dabei von zentraler Bedeutung. Durch die «seismische Optik» erscheinen die Strukturen der

Gesteinsschichten scharf konturiert in ihrer räumlichen Lage. Zudem lassen sich Erkenntnisse aus der de-taillierten Gesteinsanalyse in der Bohrung Benken auf das umliegende Untersuchungsgebiet übertragen. Auf diese Weise entsteht ein kohä-rentes Gesamtbild der geologischen Architektur des Weinlandes, weil selbst kleinere, auch in erheblicher Tiefe verborgene Gesteinsstrukturen räumlich sichtbar gemacht werden können (vgl. Artikel S. 18). Das vorliegende Bild bestätigt die Pro-gnose einer ausser ordentlich ruhigen Lage der Gesteinsschichten über dem Grundgebirge (Abb. 2). Von beson-derer Bedeutung ist das Vorkommen einer nahezu dreihundert Meter mächtigen Abfolge von tonreichen, praktisch undurchlässigen Gesteins-schichten aus dem unte ren Abschnitt des Erdmittelalters. Darin einge-bettet liegt die Opalinustonschicht – in Benken 112 Meter mächtig (inkl. Murchisonae-Schichten) – de-ren Eignung als Lagergestein für hochaktive Abfälle im Rahmen des Projektes Entsorgungsnachweis zu beurteilen sein wird. Eine wesent-liche Grundlage dafür ist das trans-

Literaturhinweise

1 Lambert A. (1997): «Ton: kleine Teilchen – grosse Wirkung»; nagra informiert Nr. 31, S. 6-18. Nagra, Wettingen.

2 Lambert A. (1995): «Sedimentge-steine: Eingrenzung der Optio-nen»; nagra informiert Nr. 25, S. 22-33. Nagra, Wettingen.

Abbildung 1Das Untersuchungsgebiet Opalinuston Nordschweiz liegt im grösstenteils von der Molasse überdeckten, tektonisch ruhigen Tafeljura. Im Norden des Kantons Zürich wurde ein Gebiet für die Durchführung der 3D-Seismik abgegrenzt.

Abbildung 2In der Nordost-schweiz sind die Schichten generell leicht nach Süd-osten geneigt; ihre Tiefenlage nimmt daher in diese Richtung zu.

parente, räumliche Bild dieser Ton-steinschicht in ihrer geologischen Umgebung.Die dazu erforderlichen, aufwändigen Arbeiten für die 3D-seismischen Messungen waren im relativ dicht besiedelten und bewirtschafteten Gebiet des Zürcher Weinlandes für verschiedene Einwohner mit unge-wohnten Eingriffen in die nähere Umgebung und in den Tagesablauf verbunden. Die betroffene Bevölke-rung ist den unvermeidlichen Beein-trächtigungen aber mit grosser Toleranz begegnet. Sie mag es heute als kleine Genugtuung empfinden, nicht nur in einer schönen Gegend zu wohnen, sondern auch eines der geologisch am gründlichsten erkun-dete Stück der Schweizer Erd kruste unter ihren Füssen zu wissen.10 km

S c h w a r z w a l d Schaffhausen

Hegau

ZürichK e t t e

n j u r aUntersuchungsgebiet Opalinuston Nordschweiz

Messgebiet 3D-Seismik(Zürcher Weinland)

Lage des Profils (Abb. 2)

Geologische Übersicht

T a f

e l j

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M o l

a s s

e b

e c

k e

n

ThurRhein

Aare

Reuss

Limmat

Töss

NW SE

1 km

Tief

e [m

ü. M

.]

Geologisches Profil Zürcher Weinland

KleinandelfingenOerlingenBenken

Sondier-bohrung

Uhwiesen500

0

-500

-1000

-1500

Rhei

n

Messgebiet 3D-Seismik

Legende zum Profil

Quartär

Lockergesteine (Quartär)

Tertiär

Untere Süsswassermolasse

Mesozoikum

Oberer Malm (Kimmeridgian)

Unterer Malm (Oxfordian)

Höherer Dogger

Opalinuston

Lias

Keuper

Oberer Muschelkalk

Mittlerer u. unterer Muschelkalk, Buntsandstein

Grundgebirge

Kristallin / Permokarbon

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Methodik, Planung und Durchführung der

FeldarbeitenPhilip Birkhäuser 1 René Graf 2

1 Nagra, Wettingen2 ProSeis AG, Zürich

Abbildung 1Lage des 3D-Messgebietes, der regionalen 2D-Messlinien und der schon vor den 3D-Messungen bekannten Neuhauser Störung im Zürcher Weinland[nach Lit. 2].

3D-Seismik Zürcher Weinland

Zusammenfassung

Mit der 3D-seismischen Untersu-chungsmethode ist es möglich, die Lage der Gesteinsschichten von der Erdoberfläche aus gross räumig lückenlos zu erforschen und detail-liert abzubilden. Die Anzahl aufwän-diger Tiefbohrungen zur Erstellung eines geologischen Strukturmodells kann deshalb klein gehalten und das Gestein zerstörungsfrei unter-sucht werden. Bei der Ausarbeitung des Konzepts zur Untersuchung des Opalinustons im Zürcher Weinland wurden diese allgemeinen Vorteile der Seismik konsequent umgesetzt.

Gute ExplorierbarkeitDer Grundstein zum Erfolg der dreidimensionalen seismischen Er-kundung des Zürcher Weinlandes wurde schon im Winter 1991/1992 gelegt. Damals wurde ein Gebiet von rund tausend Quadratkilometer Grösse regional untersucht. Als wich-tigster Bestandteil dieser grossräu-migen Untersuchungen wurden reflexions seismische Profilmessun-

gen (2D-Seismik) von insgesamt zirka 220 Kilometer Länge in den Kantonen Aargau, Schaffhausen, Thurgau und Zürich durchgeführt. Die Messungen lieferten vertikale Schnittbilder der Gesteins schichten bis in Tiefen von weit mehr als einem Kilometer. Sie bestätigten die gute Explorierbarkeit der Sedimentge-steine in der Nordschweiz. Es konnte insbesondere gezeigt werden, dass

auch der Opalinuston und die an-gren zenden Sedimentgesteinsschich-ten mit hoher Genauigkeit abge-bildet werden können. Somit stand mit der Reflexionsseismik ein vor Ort erprob tes Werkzeug zur Verfügung um Lage und Strukturen der Gesteins schichten im Untergrund präzise zu erkunden. Die gute Prog-nostizierbarkeit bestätigte sich anhand der inzwischen abgeteuften

400

900

400

900

2 km

Messgebiet Zürcher Weinland

AndelfingenThur

Rhe

in

Cho l f i r s tMessgebiet 3D-Seismik (50 km2)

Regionale Profilmessungen1991/92 (2D-Seismik)

Kote Top Opalinuston (in Meter unter Terrain, Nordbegren-zung des Untersuchungsgebietes)

Kote Basis Opalinuston (in Meter unter Terrain, Südbegren-zung des Untersuchungsgebietes) Regionale geologische Struktur(Neuhauser Störung)

Sondierbohrung Benken

Legende

Sondierbohrung in Benken. Die Mächtigkeit der Opalinustonschicht (inkl. Murchisonae-Schichten) wurde 1995 auf zirka 115 Meter vorausgesagt[Lit. 1], erbohrt wurden 112 Meter.Das Opalinuston-Vorkommen im Gebiet zwischen Thur, Rhein und dem Cholfirst im Zürcher Weinland (Abb. 1) wurde aufgrund seiner für ein geologisches Lager geeigne ten

Karte reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie (BA002148).

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Tiefe – zwischen 400 Meter und 900 Meter unter Terrain – und der geringen tektonischen Beanspruchung für wei-tere, lokale Untersuchungen vorge-schlagen. Dieses Gebiet sollte nun räumlich lückenlos im Detail unter-sucht werden, weshalb das Messverfah-ren der 3D-Seismik eingesetzt wurde.

Methodik der 3D-SeismikWird die Geologie nach dem Ver-fahren herkömmlicher 2D-Seismik ausschliesslich ent lang einzelner Profil linien untersucht, so kann die räumliche Geometrie der Gesteins-schichtung nur indirekt bestimmt werden und es bleiben grosse Daten-

lü cken zwischen den Profillinien. Um ein geschlossenes Bild des Unter -grundes zu erhalten, muss man zur dreidimensionalen Reflexionsseismik (3D-Seismik) über gehen. Das physi- kalische Messprinzip ist das gleiche wie bei den 2D-Profilmessungen (siehe Kasten S. 12/13), jedoch wird nicht mehr entlang ein zelner Mess-linien, sondern flächendeckend ge-arbeitet (Abb. 2). Die 3D-Seismik wird seit mehr als zehn Jahren in verschiedenen Län-dern vor allem von der Erdölindus-trie angewendet. In der Schweiz kam sie nach einem ersten Test in den achtziger Jahren erst im Rah-men zweier kleinräumiger, rein wissenschaftlicher Forschungspro-jekte zum Einsatz. Das Untersuchungskonzept im Zür-cher Weinland umfasst ein ausge-dehntes Mess programm mit einer rund 50 Quadratkilometer grossen 3D-seismischen Feldaufnahme und einer Sondierbohrung im zentralen Teil des Untersuchungsgebietes. Ausgehend von der Sondierbohrung Benken können Informationen über die Gesteinsschichten ins gesamte Untersuchungsgebiet extrapoliert werden. Mit den regionalen seis-mischen Messlinien 1991/92 existiert zusätzlich eine Verbindung zu den älteren Tiefbohrungen in der weite-ren Umgebung. Das Messgebiet der 3D-Seismik erstreckt sich über elf Gemeinden des Zürcher Weinlandes und einen kleinen Abschnitt des angrenzenden Kantons Thurgau. Die Messung wurde so ausgerichtet, dass auch die für die Abgrenzung des Unter suchungsgebietes wichtige Neuhauser Störung (Abb. 1) im Detail analysiert werden konnte.Zur Planung der Feldparameter (vgl. Tabelle links) konnte nicht auf Erfah rungswerte früherer Mes-

sungen zurück gegriffen werden, da es sich hier um die erste grossräu-mige 3D-Seismikmessung in der Schweiz handelt. Zur Festlegung der Feld parameter wurden deshalb Modellrechnungen durchgeführt, die teilweise anhand der 2D-seismischen Mess ergebnisse von 1991/92 aus dem Unter suchungsgebiet verifi-ziert werden konnten. Schliesslich wurden auch operationelle Aspekte berücksichtigt. Für eine optimale Abbildung der Sedimentgesteine im gewünschten Tiefenbereich musste ein relativ geringer Abstand zwi-schen den Senderlinien (Messlinien entlang deren die Anregungspunkte angeordnet sind), sowie zwischen den Empfängerlinien (Geofonlinien) von nur 180 Meter gewählt werden.Abbildung 3 zeigt den Arbeitsablauf während der Feldmessungen. Das gesamte Messgebiet war in zwei Bereiche aufgeteilt, welche im Zeit-raum von drei Monaten nachein-ander abgearbeitet wurden (A). Die Messung erfolgte jeweils entlang eines Messstreifens, der durch Umbau der Geofonlinien konti nu-ierlich verschoben wurde (B). 480 Geofonstationen mit je 18 Geofonen, verteilt auf insgesamt 8 Empfänger-linien ( aktive Auslage, dicke blaue Linien) wurden gleichzeitig zur Regis trierung der reflek tierten seismi schen Wellen einer zentralen Gruppe von sechs Anregungspunk-ten (1 Salvo) verwendet. Mit den gewähl ten Feld parametern konnte der Untergrund mit einem regel-mässigen Ras ter von 15 Meter mal 15 Meter Ma schen weite abgetastet werden (C). Nach jeder Aufzeichnung eines Salvos wurde die aktive Geofonaus-lage um 180 Meter (= 1 Senderlinien-abstand) in Arbeitsrichtung verscho-ben (B). Dies geschah elektronisch

Abbildung 2 Der Untergrund wird in sich überdeckenden Flächensegmenten abgetastet (durch-schnittlich 20-fache Überdeckung), hier schematisch dargestellt an einer einzelnen Gesteinsschichtgrenze. Durch die gleichzeitige Abtastung aller darüber- und darunter-liegenden Gesteinsschichtgrenzen bis in grosse Tiefen entsteht eine dreidimensionale Abbildung des Untergrundes.

Abbildung 3 Schematische Darstellung des Messnetzes, des Vorgehens im Felde und der Messanordnung. Wenn ein Messstrei-fen (grüne Fläche) abgearbeitet war, wurde ein weiterer – um 180 Meter verschoben – begonnen. Innerhalb eines Messstreifens wurden die zwischen den zentralen Geofonlinien liegenden Anregungspunkte in Arbeitsrichtung abgearbeitet.

A r b e i t s r i c h t u n g

Aktive Geofonauslage

Anregungspunkt

Flächendeckende Abtastung des Untergrundes bei der 3D-Seismik

180 m

1260 m

2 km

Für eine Messung verwendete Anregungspunkte (1 Salvo)

Anregungspunkte der voran-gehenden und nachfolgenden Messungen

Geofonstationen

Räumlicher Abtastungsraster(Bin-Grösse 15x15 m)

Ausgelegte Geofonlinien (Empfängerlinien)

Aktive Geofonauslage

Nicht mehr benötigte Geofonlinie

Vorgebaute Geofonlinie

Neu aufzubauende Geofonlinie

Mess-fortgang

Arbe

its-

richt

ung

A) Aufteilung des Messgebietes in zwei Bereiche

B) Messstreifen

C) Verteilung der Messstationen

Arbeitsablauf während der Feldmessungen

Umbau der Geofonlinien

Linienabstand (Sender und Empfänger) 180 Meter

Stationsabstand (Sender und Empfänger) 30 Meter Rastergrösse der räumlichen Abtastung (Bin) 15 Meter x 15 Meter

Theoretische Mehrfachüberdeckung 20-fach

Geofonlinien pro Auslage 8

Aktive Kanäle zur Registrierung der Daten 480

Geofone pro Station 18 (linear über 30 m verteilt)

Zeitliche Abtast-Rate 2 Millisekunden

Dauer der Aufzeichnung 4 Sekunden

Anregung der seismischen Wellen Sprengseismik: 600 g Sprengstoff in einem 6 bis 12 Meter tiefen Bohrloch oder je 200 g Sprengstoff in 3 Bohrlöchern (2,5 Meter tief)

� oderVibrationsseismik: 3 Vibratoren im Abstand von 10 Meter, in 5-Meter-Intervallen vorrückend(Signal: 10 bis 100 Hertz)

Feldparameter der 3D-Seismik im Zürcher Weinland

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12 13

ρ1,v1

ρ2,v2

54

32

1

1 2 3 4 5

A) Seismische Wellenausbreitung

B) Mehrfachüberdeckung eines Untergrundpunktes[1]

Nacheinander verwendete Anregungspunkte

Empfänger (Geofonstationen), welche die reflektierten Wellen des gleichen Untergrundpunktes (CMP) registrieren.

CMP(Common Mid Point)

Erdoberfläche

Gesteinsschichtgrenze

Tief

e

Wellenstrahlen

( Verschiebung der Auslage um jeweils ein Stationsintervall)

Das Prinzip der reflexionsseismischen Messmethode

Wir alle kennen die Wirkung eines Steins, wenn er ins Wasser geworfen wird. Es bilden sich Wellen, die sich kreisförmig an der Wasseroberfläche ausbreiten. Stossen sie an ein Hindernis (z. B. eine Hafenmauer), so werden sie zurückgeworfen (reflektiert). Die Reflexionsseismik funktioniert in vergleichbarer Weise. Es handelt sich dabei aber um elastische (seismische) Wellen, die durch künstliche Erschütterungen an der Erdoberfläche erzeugt werden und sich räumlich (kugelförmig) durch die Gesteinsschichten in die Tiefe fortpflanzen. In Abbildung A ist dies anhand der sich ausbreitenden Wellenfronten (konzentrische Kreise) und den dazu senk-recht stehenden Wellenstrahlen (Pfeile in Ausbreitungsrichtung) im Profilschnitt schematisch dargestellt.

Die Anregung der seismischen Wellen an der Erdoberfläche erfolgt zum Beispiel durch Zünden von kleinen Sprengladungen oder mit Vibrationslastwagen. Die seismischen Wellen breiten sich je nach Gesteinsart mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus und werden an den Grenzen zwischen Gesteinen, welche eine unterschiedliche Schallhärte (seismische Impedanz = Dichte x Wellenausbreitungs-geschwindigkeit) aufweisen, teilweise reflektiert. Die reflektierten Wellenstrahlen tauchen unter dem selben Winkel wieder auf, wie die abtauchenden Wellenstrahlen an der Gesteinsschichtgrenze jeweils eintreffen. Die reflektierten Wellen können an der Erdoberfläche mit Geofonen (hochempfindliche Erschütterungsmessgeräte) registriert und die Signale im Messwagen als digitale Daten auf Magnet-band gespeichert werden. Da aufgrund der Geometrie der Feldauslage bevorzugt nur die reflektierten Wellenanteile registriert wer-den, wird das hier beschriebene Messverfahren als Reflexionsseismik bezeichnet. Oft wird nur die Kurzform «Seismik» verwendet.

Messauslagen in 5 unterschiedlichen Positionen (schematisch übereinander dargestellt)

Zentral-Spur zwischen Anregungs-punkt und Empfänger

1 Im Falle der 3D-Seismik handelt es sich nicht um Untergrundpunkte, sondern um Untergrundbereiche (Bins im Fachjargon).

Reflektierte Wellenfronten

Anregungs-punkt

Messwagen

Direkte Welle

Geofone und Kabel

Gesteinsschichtgrenze

ρ1,2 Dichte des Gesteins

Tief

e

Wellenstrahlen Re

flekt

ierte

Wel

lens

trahl

en

v1,2 Wellenausbreitungs-geschwindigkeit

Wellenfronten

RW'

1 2 3 4 5 1 2 3 4 5

C) Laufzeitkorrektur der seismischen Spuren und Stapelung

D) Darstellung einer seismischen Profillinie

CMP sortierte Daten

Gestapelt Migriert

NMO-korrigierte Daten Gestapelte seismische Spur

Lauf

zeit

Lauf

zeit

Lauf

zeit

Lauf

zeitEinsätze der direkten

Welle (DW)

Einsätze der reflektierten Welle (RW)

DW'

Entfernung– +

Entfernung Amplitude

Addition derAmplituden

Laufzeitkorrektur

Verschiebt man die Messauslage an der Oberfläche sukzessive, so werden von allen Untergrundpunkten mehrfache Reflexionssignale registriert. In Abbildung B sind nur die zu einem einzigen Untergrundpunkt gehörenden Wellenstrahlen dargestellt. Die gemessenen Daten werden dem zentral zwischen den entsprechenden Anregungspunkten und Geofonstationen liegenden Untergrundpunkt («Common Mid Point», CMP) zugeordnet. Anschliessend kann die Mehrfachüberdeckung zur Signalverbesserung ausgenutzt werden.

Betrachtet man die zu einem CMP gehörenden Daten in Abhängigkeit der Laufzeit der Wellen und der Entfernung zwischen Anregung-spunkt und Geofonstationen (Abb. C), so liegen die Reflexionseinsätze (RW) auf einer gekrümmten Laufzeitkurve (Reflexionshyperbel). Bei den mitregistrierten Störsignalen (z. B. Einsätze der direkten Welle, DW) zeigt sich jedoch ein anderes Laufzeitverhalten. Im Rechen-zentrum werden die Laufzeiten entsprechend der Reflexionshyperbel korrigiert («Normal Move Out»-Korrektur, NMO), so dass die korrigierten Reflexionseinsätze (RW') jeweils die Laufzeit aufweisen, die gemessen würde, wenn Anregungspunkt und Empfänger beide auf der Zentral-Spur (senkrecht über dem CMP) positioniert gewesen wären. Im Laufzeitdiagramm entspricht dies der hypothe-tischen Spur mit null Meter Entfernung zwischen Anregungspunkt und Sender (0 m), welche deshalb auch als «Zero Offset»-Spur bezeichnet wird. Bei der folgenden Addierung der gemessenen Amplituden (Stapelung) wird das an sich schwache Nutzsignal der reflektierten Welle gegenüber den verschiedenen Störsignalen (direkte Welle, Rauschen etc.) wesentlich verstärkt.

Vergleichbar mit der Wassertiefenmessung bei der Schifffahrt mit dem Echolot kann aus der Laufzeit der reflektierten Welle die Tiefenlage der reflektierenden Gesteinsschichtgrenze bestimmt werden. Aus der Intensität (Amplitude) des durch die Geofone regis-trierten Signals können zusätzlich Kenntnisse über den Impedanzkontrast an der Gesteinsschichtgrenze gewonnen werden. Je grösser der Impedanzkontrast, desto grösser die Amplitude. Durch positive Impedanzkontraste verursachte Amplituden werden auf der rechten Seite der seismischen Spur schwarz eingefärbt dargestellt (Abb. C). Bei den Messungen im Zürcher Weinland wurden ausschliesslich die Kompressionswellenanteile (p-Wellen) ausgewertet.

Werden alle gestapelten seismischen Spuren entlang einer Messlinie nebeneinander dargestellt, so entsteht eine «gestapelte» Profillinie (Abb. D, unten links), eine noch ungenaue Abbildung des Untergrundes. Ein letzter wesentlicher Datenverarbeitungss-chritt besteht darin, die seismische Abbildung mit dem Migrationsprozess – ähnlich wie in der Optik – richtig zu fokussieren, damit die geometrische Lage der reflektierenden Gesteinsschichtgrenzen (Reflektoren) korrekt wiedergegeben wird. Ein entsprechendes Beispiel ist in Abbildung D (unten rechts) angefügt.

0 m 0 m

Für eine ausführliche Diskussion der reflexionsseismischen Messmethode wird auf die Fachliteratur oder auf folgende Publikationen der Nagra verwiesen: Sprecher C. (1987): «Die Messmethode der Reflexionsseismik»; nagra informiert 9. Jahrg./Nr. (1+2), S. 10-22. Sprecher C. und Müller W. H. (1986): «Geophysikalisches Untersuchungsprogramm Nordschweiz: Reflexionsseismik 82»; Nagra Technischer Bericht NTB 84-15. Nagra, Wettingen.

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14 15

Geofon linienintervall (180 Meter) verschoben – abgearbeitet werden. Durch die Verschiebung der Mess-auslage wird jedes Untergrund- Rasterfeld (Bin) mehrmals gemessen und zwar von verschiedenen Sender- und Empfängerpositionen aus. Man nennt dies eine Mehrfachüber de-ckung. Durch die Addierung (Stape-lung) der durchschnittlich zwanzig Aufzeichnungen pro Bin konnte während der Datenverarbeitung die relative Stärke des Nutzsignals signi-fikant verbessert werden.

Planung und Vorberei-tung der MessungenIn einem dicht besiedelten und inten-siv bewirt schafteten Gebiet stellt die Durchführung einer derart umfang-reichen Feldkampagne besonders hohe Anforderungen an die Planung. Um die Vorbe reitungen effi zient und präzise bewältigen zu können, wur-den alle relevanten Daten in ein ge-ografisches Informations system (GIS) ein ge bun den[Lit. 3]. Eine aktuelle Planungsbasis wurde

aufgrund digitalisierter und ent-zerrter (ortho-rektifizierter) Luft-bilder vom Februar 1995 sowie den digi talen Übersichtsplänen des GIS-Dienstleistungszentrums des Kantons Zürich erstellt. Die Kombination dieser beiden Rasterdatensätze (Luft-bild und Übersichtsplan als darüber-lie gende transparente Ebene) ergab ein Maximum an Informa tion und hat sich bestens bewährt (Abb . 4).Zur Optimierung des Senderlinien-verlaufs galt es einerseits, die Topo-grafie in Betracht zu ziehen. Ande-rerseits mussten bei der definitiven Positionierung der rund 9000 Sen-depunkte – verteilt auf insgesamt 4400 Grund stücke – Rücksicht genom mmen werden auf mehrere hundert Kilo meter Werkleitungen

(Wasserversorgung, Abwasser, Drai-nage, Elektrizität, Kabel fernsehen, Telefon, Gasversorgung etc.), un zäh-lige Einzelobjekte (Strommasten, Pump stationen, Schächte, Gebäude, Quellfassungen, Reser voire etc.) und Schutzzonen (Quell- und Grund-wasserschutz, archäologische Ver-dachts flächen, Naturschutzgebiete). Für jedes erschütterungsemp find-liche Objekt wurden die nöti gen Sicher heitsabstände zu den Anre-gungspunkten (Vibrations- bzw. Sprengseismik) bestimmt und daraus die entsprechenden Schutzzonen berech net (schraffierte Flächen in Abb. 4). Diese Schutzzonen wurden zusam men mit Luftbild, Leitungs- und Übersichtsplan zur definiti ven Positionierung der Anregungspunkte verwendet. Es wurde versucht, die Verschiebung der Anregungspunkte aus der geplanten Posi tion möglichst klein zu halten, um eine regel mässige Überdeckung des abzubildenden Un-tergrundes sicherzustellen. Ausser-halb der Dörfer war es grösstenteils möglich, die maximalen Ver schie-bungsbeträge auf dreissig Meter senkrecht zur theoretischen Sender-linie und zehn Meter entlang der Sender linie zu beschrän ken. In den Dörfern war die Einhaltung dieser Abstände oftmals nicht möglich, da die Vibratorfahrzeuge dem vorge ge benen Strassennetz folgen mussten.Um in direkter Nähe der Gebäude messen zu können wurde das be son-ders schonende «random sweep»- Verfahren angewendet, bei dem die Verteilung der Frequenzen der abge-gebenen Signale im Frequenzbereich von 10 bis 100 Hertz über eine Dauer von 24 Sekunden durch einen Zu-fallsgenerator bestimmt wird, damit keine Resonanzschwingungen entste-hen können (normaler Sweep: 10 bis 100 Hz, nicht linear, Dauer 12 s).

Durchführung der FeldarbeitenIm Untersuchungsgebiet liegen zehn Dörfer, mehrere grössere Wald-gebiete (ca. 18 km2) und intensiv genutz tes Agrarland (ca. 24 km2). Aus Rücksicht auf die Landwirtschaft wurden die Messungen in den Win-termonaten vorgenommen. Die Feldarbeiten starteten am 5. Dezem-ber 1996 und wurden am 22. März 1997 abgeschlossen.

Eine 3D-Messkampagne läuft im allgemeinen in fünf Hauptphasen ab:1. Permitting (Einholen aller Bewil-

ligungen bei Amtsstellen und Grundbesitzern),

2. Einmessung der Anregungs- und Geofonpunkte,

3. Erstellen und Laden der spreng-seismischen Bohrlöcher, Auslegen der Geofonkabel,

4. Messungen,5. Aufräumarbeiten.Zur Aus führung der Arbeiten war vorgängig das Einverständnis der jeweiligen Grund besitzer einzuholen. Dies geschah bereits einige Monate oder Wochen vor den eigentlichen

Abbildung 4 Ausschnitt aus dem Messgebiet auf luftfotografischer Grundlage mit eingepasstem Übersichtsplan (Kataster) und digitalisiertem Plan der Leitungen und Drainagen. Die Lage der Anregungspunkte wurde den Gegebenheiten an der Oberfläche (Gebäude, Strassen, Feld und Wald) und im Boden (diverse Leitungen und Drainagen) angepasst. Die Geofonketten konnten mit geringen Abweichungen entlang den geplanten Empfängerlinien ausgelegt werden.Digitaler Übersichtsplan mit freundlicher Genehmigung des Meliorations- und Vermessungs-amts des Kantons Zürich, vom 09.10.1996.

Abbildung 5Die Feldarbeiten wurden den Behörden und Grundbesitzern ausführlich erläutert. Im Bild links der Chef-Permitter und Geologe Dr. Alfred Gübeli.

Feldaktivitäten. Für das Permitting war eine Gruppe von bis zu sieben Mann verantwortlich, welche die loka len Behörden informierte, sowie jeden Grundbesitzer und/oder Päch-ter persönlich kontaktierte und die geplanten Arbeiten im Detail erklärte (Abb. 5). Die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung war generell sehr konstruktiv. Ihrem Verständnis ist es zu verdanken, dass 98,4 Prozent aller geplanten Sende punkte reali siert werden konnten. Nur zwei Prozent der rund 1700 Grundbesitzer und Pächter verweigerten den Messequi-pen den Zutritt zu ihrem Land. Die entsprechenden Gebie te konnten jedoch problemlos umgangen und der Zielhorizont lückenlos abgebil-det werden (Abb. 6). Nach Beendi-

Abbildung 6 Durch Umgehung von Grundstücken, für welche keine Zutrittsbewilligung

erteilt worden ist (kleine weisse Flächen im dargestellten Messnetz),

konnte problemlos ein in der Tiefe des Zielhorizonts durchgehender

Datensatz erzeugt werden. Dies wird hier am Beispiel eines horizontalen

Schnittbildes durch den seismischen Datensatz veranschaulicht. Das

charakteristische Streifenmuster der seismischen Abbildung entsteht

durch die geneigte Schichtung der mesozoischen Sedimentgesteine.

180 m

Planung�Theoretische SenderlinieTheoretische EmpfängerlinieLeitungen, Drainagen Schutzzone um Leitungen und andere Objekte���Definitive Position der AnregungspunkteSprengseismikpunkt 600 GrammSprengseismikpunkt 3 x 200 GrammVibrationspunkt

Legende

Messnetz: Planung und Ausführung

durch Zuschalten bereits ausgelegter Geofone. Dann konnten die nächst-folgenden 6 Anregungspunkte auf-gezeichnet werden. War ein Mess-streifen aufgezeichnet, so konnte der nächste Streifen – um ein

Messnetz an der Oberfläche

Horizontales Schnittbild durch den

Datensatz in ca. 650 Meter Tiefe

Lückenloser Datensatz trotz Hindernissen

Geofonkabel auf blauen Linien (SW-NE)Anregungspunkte auf roten Linien (NW-SE)

nagra

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16 17

Literaturhinweise

1 Naef H., Birkhäuser Ph. und Roth Ph. (1995): «Interpretation der Reflexions seismik im Gebiet nörd-lich Lägeren – Zürcher Weinland»; Nagra Technischer Bericht NTB 94-14. Nagra, Wettingen.

2 Naef H. und Birkhäuser Ph. (1996): «Reflexionsseismik zur Erkun-dung des Opalinustons in der Nordschweiz»; Bulletin für ange-wandte Geologie Vol. 1/Nr. 2, S. 113-134.

3 Kuhn P. und Graf R. (1996): «GIS als Hilfsmittel für 3D-Seismikmes-sungen im Zürcher Weinland»; Bulletin für ange wandte Geologie Vol.1/Nr. 2, S. 135-143.

Bevor mit der eigentlichen Messung begonnen werden konnte, mussten die Bohrgruppen, welche die Schuss-löcher für die Sprengseismik erstell-ten, einen Mindestabstand von zirka 500 Meter von den zur Aufzeich-nung bestimmten Geofonlinien er-reicht haben. Ansons ten hätte die durch die Bohrge räte erzeugte Boden unruhe die Messung gestört. Alle Feldarbeiten wurden so koordi-niert, dass ein kontinuierlicher und effizienter Ablauf der Aufzeich-nungen und eine gute Datenqualität resul tierten. Wo immer möglich wurden Vibra torfahrzeuge (Abb. 9) als seismische Quellen verwendet. Deren Einsatz beschränkte sich aller-dings auf Strassen und ausreichend befes tigte Wald- und Feldwege. Wegen des dichten Mess netzes (Sen-derlinienabstand 180 m) waren bei

weitem nicht genü gend geeig nete Strassen und Wege vorhanden, wes-halb die seismischen Wellen zu zirka 77 Prozent mit Hilfe der Spreng-seismik angeregt werden mussten. Ein Einsatz von Vibratorfahrzeugen in Wiesen und Äckern, sowie in Wäldern ist praktisch kaum durch-führbar und auch technisch nicht sinnvoll, da die Qualität der ausge-sendeten seismischen Signale bei weichen Bodenverhältnissen stark abnimmt. Nach den Messungen waren Auf-räumgruppen längere Zeit damit beschäftigt, die spreng seismischen Bohrlöcher mit Splitt und Bentonit zu verfüllen und zurückgelassenes Material einzusammeln, um das Messgebiet wieder so zu verlassen wie es angetroffen worden war.

Abbildung 8Ein Geofon arbeitet ähnlich wie ein

hochempfindliches Mikrofon. Es wandelt geringste Erschütterungen

des Bodens in elektrische Signale um. Die Stärke dieser elektrischen Signale

ist proportional zur Stärke der Er-schütterungen. Die lange Metallspitze gewährleistet eine gute Ankoppelung

an den Boden.

gung der Messungen war die Permit-tinggruppe auch verantwortlich für die Regelung entstandener Schäden und landwirtschaftlicher Ertragsaus-fälle.Etwa eine Woche bevor das Bohren der Schusspunkte begann, nahmen die Vermessungsgruppen ihre Arbeit auf. Sie hatten die Aufgabe, jeden Anregungspunkt und jede Geofon-station im Feld genau einzumessen und mit nummerierten Holz-pflöcken zu markieren. Zu diesem Zweck wurden modernste GPS-Appa raturen (Satellitenpositionie-rung, «Global Positioning System») eingesetzt. In den Waldgebieten, wo die GPS-Empfänger die Satelliten-signale nicht zuverlässig empfangen können, kam ein Trägheitsnaviga-tionssystem (Geodyne 30) zum Einsatz. Gleichzeitig wurden, wo nötig, Zugangsmöglichkeiten für die nachfolgenden Bohrgruppen und Geofonauslegegruppen verbessert. Dies war vor allem in den Waldge-bieten notwendig, wo nach Abspra-che mit den zustän digen Förstern in

Abbildung 7Auf Feldern und im Wald erfolgte die Anregung der seis-mischen Wellen durch Zündung von Spreng-ladungen (Spreng-seismik), die je nach Bodenverhält nissen und einzuhaltenden Sicherheits abständen zu Infrastruktur-anlagen (Leitungen, Kabel etc.) in mehrere Meter tiefe Schuss-löcher eingebracht wurden.

Abbildung 9Auf ausreichend tragfähigen Wegen und Strassen erfolgte die Anregung der seismischen Wellen durch Vibratorfahrzeuge (Vibrationsseismik).

locker bewal deten Gebieten herum-liegendes Holz beseitigt und in dichtem Jungwald schmale Schneisen (ca. 1,5 m breit) geschlagen werden mussten.Für die benötigten zirka 6900 spreng-seismischen Anregungspunkte wurde entweder ein 6 bis 12 Meter tiefes Schussloch oder 3 Schuss löcher à 2,5 Meter Tiefe pro Anregungspunkt gebohrt. Die Bohrgeräte waren auf landwirtschaftlichen Traktoren (Abb. 7) oder auf kleinen Raupen-fahrzeugen montiert. An schwer

zugäng lichen Stellen kamen press-luftgetriebene Handbohrgeräte, wie sie auch im Strassenbau verwendet werden, zum Einsatz. Wegen der zum Teil instabilen Bodenverhält nisse wurden die Schusslöcher un mit telbar nach dem Bohren geladen und ver-dämmt.Zeitgleich mit den Bohrarbeiten wurde die Geofonauslage aufgebaut. Um die Messungen effizient durch-zuführen, mussten Geofone und Kabel für das Auslegen von acht Linien eines Messstreifens und einer vorgebauten Geofonlinie zur Verfü-gung stehen (vgl. Abb. 3), insgesamt zirka 29000 Einzelgeofone und über 60 Kilometer Kabel. Je 18 Geofone (im Abstand von 1,6 m gesetzt) waren elektrisch miteinander ver-bunden und an eine Messstation angeschlossen. Die Geofone waren mit einer zirka 8 Zentimeter langen Metall spitze versehen, welche eine gute Ankoppelung an den Boden gewähr leistete (Abb. 8).

nagra

nagra

B. Müller, Fahrweid

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18 19

0.5

0

1.0

Schaffhausen

Eglisau

Weiach

270

280

Benken

Opalinus-ton

Quartäru.Tertiär

Malm

Dogger

Keuper

Muschelkalku. Buntsandstein

Grundgebirge (Kristallin/Permokarbon)

Lias

Zwei

weg

lauf

zeit

[s] u

nter

Ref

eren

zhöh

e (5

00 m

ü. M

.)Erdoberfläche

Verlauf des dar-gestellten Profils

Top Malm

Basis Mittl. Malmmergel

Top Lias

Top Stubensandstein

Unterer Gipskeuper

Basis Mesozoikum

Top Opalinuston

690

680

SeismischeMarkerhorizonte

Stratigrafieam Südrand des

Messgebietes

Amplitude+-

OerlingenStation Marthalen

5 km

3D-Seismik Zürcher Weinland

Verarbeitung und Auswertung der Daten

Philip Birkhäuser 1

Walter H. Müller 1 Philippe Roth 2

Heinrich Naef 3

1 Nagra, Wettingen2 ProSeis AG, Zürich3 Büro für angewandte

Geologie, Speicher

Ein langer WegZiel der 3D-Seismik ist es, die Ge-steinsschichten im Untergrund räumlich lückenlos abzubilden. Mit den vorliegenden Daten kann eine Fläche von rund 50 Quadratkilome-ter im Ras ter von 15 x 15 Meter bis in eine Tiefe von mehreren Kilo-metern am Computer dargestellt werden. Aufgrund der sehr engen Daten dichte kann interaktiv auf Infor mationen zurückgegriffen wer-den, die praktisch keinen Interpreta-

tionsspielraum mehr offen lassen: Der räumliche Verlauf der seismisch erfassten Gesteinsschichten und late rale Änderungen lassen sich im Detail untersuchen und nach struk-turgeologischen und stratigrafischen Gesichtspunkten auswerten.Bis die Daten jedoch in dieser Form bereit standen, mussten sie schritt-weise aufgearbeitet werden. Nach Abschluss der 3D-seismischen Feld-messungen im März 1997 (vgl. Arti-kel S. 8) lagen zirka vier Millionen

Einzelregistrierungen von je vier Sekunden Mess dauer als Rohdaten zur Verarbeitung bereit. Anfänglich war auf den Abspielungen nur wenig von den nutzbaren, an den Gesteins-schichtgrenzen reflek tierten seis-mischen Wellenanteilen (Reflexi-onen) zu erkennen (Abb. 1). Die hoch empfindlichen, an der Ober-fläche ausgelegten Geofone haben neben den schwachen Reflexionen auch eine Menge störender Signale registriert, verursacht zum Beispiel

Zusammenfassung

Mit Hilfe der 3D-Seismik konnten die tiefliegenden Sedimentgesteins-schichten des Zürcher Weinlandes, – einschliesslich des Opalinustons – von der Erdoberfläche aus lücken-los abgebildet werden. Die gute Datenqualität und hohe räumliche Auflösung erlaubt eine detaillierte Analyse der Strukturen bis in den Meterbereich. Sie bestätigt die nahezu ungestörte Schichtlage im Untersuchungsgebiet, insbeson dere des über 100 Meter mächtigen Opa-linustons.

durch Einsätze der direkten Wellen (vgl. Kasten S. 12/13), sowie durch Oberflächenwellen (groundroll). Ferner sind die Reflexionssignale oft überlagert von seismischem Rau-schen oder von multiplen Refle-xionen. Als seismisches Rauschen bezeich net man die von den Geo-fonen regis trierte allgemeine Boden-unruhe, verur sacht unter anderem durch Verkehr, Maschinen, Spazier-gänger, Wind (z. B. überträgt sich die

Bewe gung der Baumwipfel via Wurzelwerk in den Boden). Multi-ple Refle xionen entstehen, wenn Wellen anteile zwischen verschie-denen Gesteins schichten hin und her reflek tiert werden. Mit geeig-neten Daten verarbeitungsschritten (siehe Kasten S. 22) konnten die verschiedenen Störsignale erfolg-reich unterdrückt und die Reflexi-onen deutlich sichtbar gemacht werden (Abb. 1, rechts).

Fertig verarbeitetes reflexionsseismisches Profil aus dem 3D-Datensatz. Es zeigt den lateralen Verlauf der Gesteinsschichten und der Markerhorizonte. Die Amplituden der

Daten sind farbcodiert wiedergegeben.

Abbildung 1Ausschnitt aus dem 3D-Datensatz

vor (links) und nach (rechts) der Daten-verarbeitung. Die angewendeten

Rechenprozesse bewirken eine markante Verbesserung der Abbildungsqualität

der Gesteinsschichten.

0

1.0

Zwei

weg

lauf

zeit

[s]

Auswirkung der Datenverarbeitung

Rohstapelung Migration

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20 21

Abbildung 2Durch unterschiedliche

Filterung (Bandpass-filter) können die registrierten Fre-

quenzanteile sichtbar gemacht werden. Hohe

Frequenzen werden mit zunehmender Tiefe

stärker absorbiert. Im gezeigten Profil-ausschnitt liegt der

Opalinuston in zirka 650 Meter Tiefe.

Abbildung 3 Frequenzspektren der Reflexionssignale im Bereich der Sedimentgesteine. In den Rohdaten dominieren noch die tiefen Frequenzen (oben). Nach Abschluss der Datenverarbeitung ist das Frequenz-spektrum besser ausgeglichen (unten). Der nutzbare Frequenzanteil liegt im Bereich von zirka 10 bis 85 Hertz.

Abbildung 4 Die wesentlichen Rechenschritte zur korrekten räumlichen und zeitlichen Positionierung des Reflexionssignals auf der entsprechenden seismischen Spur. Der «Dip Move Out»-Rechenprozess und die Migration werden nur bei geneigten Reflektoren benötigt.

Datenverarbeitung – generelles Vorgehen Die Datenverarbeitung dient der Qualitätsverbesserung der registrier-ten Reflexionssignale. Aufgrund des immensen Datenvolumens der 3D-Seismik erfordert sie den Einsatz eines Grossrechners. Die Wirkung der verschiedenen Rechenschritte kann grob in folgende Gruppen eingeteilt werden:• Unterdrückung der Störsignale

und Hervorhebung der wahren Reflexionssignale.

• Steigerung der Präzision, das heisst Erhöhung der Auflösungsgenau-igkeit der Reflexionssignale.

• Korrekte räumliche Positionie-rung der Reflexionssignale.

Der wichtigste Schritt zur Unter-drückung der Störsignale ist die Stape lung, welche die Amplituden der registrierten Reflexionssignale nach dem Prinzip der Mehrfach-überde ckung konstruktiv addiert (vgl. Kas ten S. 13, Abschnitt C) und dadurch gegenüber den Störsignalen um ein Vielfaches verstärkt. Die meisten ande ren Prozesse im Ablauf der Daten verarbeitung (vgl. Kasten

S. 22) tragen ebenfalls zur Unterdrü-ckung der Stör signale und Hervorhe-bung der Reflexionssignale bei. Ihre Wirkung ist aber selten derart ent-scheidend wie die der Stapelung.Zur Erhöhung der Auflösungsge-nauigkeit der Reflexionssignale ist es vor allem von Bedeutung, über eine grosse Band breite nutzbarer Frequenzen zu verfügen. Je breiter das nutzbare Frequenzspektrum, desto präziser kann der zeitliche Einsatz einer ref lek tierten Welle (Reflexionseinsatz) angegeben wer-den. Wichtig ist dabei auch die relative Bandbreite gemes sen in Oktaven (eine Oktave entspricht einer Verdopplung der Frequenz). Das für das Quellensignal bei der Vibrationsseismik verwendete Fre-quenzband von 10 bis 100 Hertz entspricht einer Band breite von 3,25 Oktaven. Hohe Frequenz anteile werden durch Streuprozesse oder Dämpfung im Untergrund stärker absorbiert als niedrige Frequenzen, so dass sich der Frequenzgehalt der registrierten Signale mit der Tiefe, das heisst zunehmender Laufzeit, zu niedrigen Frequenzen verschiebt

(Abb. 2). Bei der Daten verarbeitung wird versucht, den Verlust der hohen Frequenz anteile der Refle xions signale rückgängig zu machen, um ein ausgeglicheneres Frequenz spektrum zu erreichen. Durch Anwendung geeig neter mathematischer Algo-rithmen (vgl. Kasten S. 22) blieben im vorliegenden Fall für den Bereich der Sedimentgesteine nutzbare Fre-quenzen von zirka 10 bis 85 Hertz erhalten, was immer noch einer Bandbreite von rund drei Okta ven entspricht (Abb. 3). Der nächste wichtige Schritt der Datenverarbeitung ist die richtige räumliche Positionierung der Refle-xionssignale. Wäre das reflek tierende Schichtpaket vollkommen eben und horizontal ausgerichtet, so läge die richtige räumliche Position des regis trierten Signals zentral zwischen Anregungspunkt und Empfänger (Zentral-Spur in Kasten S. 12, Abschnitt B). Die reflektierende Gesteins schichtgrenze (Reflektor) stellt für die seismischen Wellen nämlich eine Art semipermeabler Spiegel dar, für den analoge Gesetze gelten wie in der Strahlenoptik

(Einfallswinkel des Wellenstrahls auf dem Reflektor ist gleich Ausfalls-winkel). Die zeitliche Posi tion des Reflexions signals muss aber noch korrigiert werden, da der Laufweg vom Anregungspunkt zum Reflek tor und dann zum Empfänger (Geofon-sta tion) immer länger ist als ein hypo-thetischer Laufweg wenn Anre gungs-punkt und Emp fänger beide auf der Zentral-Spur positioniert gewesen wären. Die soge nannte «Normal Move Out»-Korrektur (NMO, vgl. Kasten S. 13, Abschnitt C) korrigiert diese zeitlichen Fehler.Ist der Reflektor nicht eben ausge-richtet, sondern geneigt (Abb. 4), so bezeichnet die Zentral-Spur nicht mehr die korrekte räumlich Lage des Reflexionssignals. Zwei weitere Rechen schritte werden benötigt: «Dip Move Out»-Korrektur (DMO) und Migration. Bei der DMO wer-den die Reflexionssignale vor der Stape lung derjenigen Position zuge-ordnet (Pkt. P), welche senkrecht zum Reflektor über dem eigentlichen Reflexionspunkt liegt («Zero Offset»-Spur). Der DMO-Prozess kann aber die räumliche Lage des Re fle xions-punkts noch nicht angeben. Er besagt nur, dass am Ort der «Zero- Offset»-Spur exakt dieses Signal beob achtet würde, wenn Quelle und Empfänger zusammen auf diesem Oberflächen-punkt positioniert wären. Durch die seismische Migration wird das reflek-tierte Signal endgültig an der rich-tigen Stelle positioniert. Im Untersu-chungsgebiet weisen die Reflektoren durchschnittlich eine geringe Nei-gung von lediglich drei bis sechs Grad auf. Dennoch war bei der Anwen-dung des DMO-Rechenprozesses und der Migration eine deutliche Verbesserung der Ab bil dungs qualität festzustellen, welche es auch ermög-licht, kleinste strukturelle Abwei-

10 – 20 Hz 20 – 30 Hz 30 – 40 Hz 40 – 50 Hz 50 – 60 Hz 60 – 70 Hz 70 – 80 Hz 80 – 90 Hz 90 – 100 Hz0 – 10 Hz

Frequenz [Hertz]

0

ca. 1800

ca.650

ca. 1800

ca. 650

0

Tief

e [m

]

Tief

e [m

]

Frequenzanalyse eines Profilausschnittes

100

80

60

40

20

0

0 20 40 60 80 100 120

100

80

60

40

20

0

Am

plit

ude

[%]

Frequenz [Hz]

Am

plit

ude

[%]

Frequenzspektren vor und nach der Datenverarbeitung

MIGDMO

NMO

Reflektor

P

MigrierteSpur

«Zero Offset»-Spur

Zentral-Spur

Quelle Empfänger

Legende NMO «Normal Move Out»-KorrekturDMO «Dip Move Out»-KorrekturMIG Migration

Räumliche Positionierung eines Reflexionssignals

Nach Sheriff R.E. (1991): «Encyclopedic Dictionary of Exploration Geophysics» (Third Edition); Society of Exploration Geophysicists, Tulsa.

UrsprünglicheSignalposition

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22 23

chungen im generellen Einfallen der Schichten genau zu erfassen.

Kleine Strukturen sicht-bar gemachtFür die strukturgeologische Detail-auswertung wurde nach Abschluss der Daten verarbeitung das neue Verfahren der Kohärenzberechnung zur Abbildung von Störungen (Ver-werfungen) der Gesteins schichten angewendet (Abb. 5). Diese neue Metho de[Lit. 1] erlaubt es, im 3D-seis-mischen Datensatz Verwerfungs-flächen direkt abzubilden, für welche gar keine Refle xionen regis triert worden sind. Dies geschieht durch einen nummerischen Vergleich der benachbarten seismischen Spuren.Spuren, welche einen gestör ten Gesteins bereich erfassen, unter-schei den sich von den benachbarten seis mischen Spuren im ungestörten Gestein. Der Vergleich aller benach-barten Spuren führt zu einer räum-lichen Darstellung der Diskonti nui-täten innerhalb des 3D-Datensatzes. Das Ausmass der Diskontinuitäten wird mit Grautönen dargestellt. Kontinuierliche Ab schnitte bleiben weiss. So bilden sich die Diskonti-nuitäten als Flächen im Raum ab, welche die Verwerfungs flächen wiedergeben. Mit Hilfe der Kohä-renzberechnung konnten auch kleinste Störungen der Gesteins-schichten bis in Tiefen von mehr als 1000 Meter im Detail unter sucht werden.

Übereinstimmung mit den regionalen DatenDie Reflexionsseismik stellt ein robus tes Messverfahren zur Abbil-dung sedimentärer Gesteinsschichten dar. Dies wird auch durch die gute Übereinstimmung der neuen, 3D-seismischen Messresultate mit den

+

1360

687 690689688277

276

275

274

1400

1360 1400

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

1360

1320

1280

1360

1400

1440

Detailuntersuchung einer Störung

Störung

Top Opalinuston

Amplitude-

Lage des Profils(Teilbilder B, C)

Zw

eiw

egla

ufze

it [s

]Z

wei

weg

lauf

zeit

[s]

Niveau der im Teilbild A abgebildeten Schicht

A

C

B

Top Lias (= Basis Opalinuston)

Top Stubensandstein

Top Opalinuston

Top Lias (= Basis Opalinuston)

Störung

Top Stubensandstein

Störung

500 m

Flussdiagramm Datenverarbeitung

Einlesen der FelddatenDie im Feld gemessenen und auf Magnetband gespeicherten reflexionsseismischen Daten wurden im Rechenzentrum auf einen Grossrechner eingelesen.

Sortierung nach Bin-Raster (15 x 15 m) Die an den einzelnen Geofonstationen gemessenen Daten mussten in einem ersten Rechenschritt den mehrfach überdeckten Untergrund-punkten, respektive Untergrundbereichen zugeordnet werden (vgl. Kasten S. 12/13). Bei den hier gewählten Feldparametern entspricht die Grösse eines Untergrundbereichs (Bin) einer Fläche von 15 x 15 Meter.

Minimum-Phase-Transformation der Vibroseis-DatenDie von den Vibratoren ausgesendeten und registrierten Daten mussten an die Signalcharakteristik der Sprengseismik angepasst werden.

Korrektur der sphärischen DivergenzKugelförmig sich in die Tiefe fortpflanzende seismische Wellen breiten sich kontinuierlich aus, so dass ihre Energiedichte stetig abnimmt. Die mit zunehmender Tiefe des Reflektors generell abnehmende Signalstärke (Amplitude) der reflektierten Wellen kann rechnerisch kompensiert werden.

Oberflächenkonsistente Dekonvolution und AmplitudenanpassungDie Dekonvolution ist ein Berechnungsverfahren für Filteroperatoren (Vorhersagefilter) zur Rekonstruktion der primären Reflexionseinsätze (Elimination von Nachschwingungen und Angleichung des Signals an die gewünschte hochfrequente Impulsfunktion). Für jeden Messpunkt (Anregungspunkte und Geofonstationen) wurden Operatoren bestimmt, welche es erlauben, den Spektral- und Amplitudengehalt der Daten trotz unterschiedlicher Quellensignale (Vibrations-, resp. Sprengseismik) und stark variierender Ankopplungsbedingungen im Messgebiet optimal auszugleichen.

Grundstatische KorrekturenDie Topografie und die variierende Oberflächengeologie (Lockergesteine) bewirken oft starke Verzerrungen der seismischen Abbildung der darunterliegenden Gesteinsschichten. Die statischen Korrekturwerte konnten anhand des Höhenmodells bestimmt werden (Topografie), sowie anhand der in speziell durchgeführten Bohrungen (bis 176 m tief) bestimmten Wellenausbreitungsgeschwindigkeiten der Lockergesteine und durch Auswertung der refraktionsseismischen Ersteinsätze[*].

Frequenz/Wellenzahl-Filter und anschliessende reststatische KorrekturenDurch Anwendung eines Frequenz/Wellenzahl-Filters konnten die kohärenten Störwellenanteile einschliesslich der durch die Sprengseismik selbst verursachten Oberflächenwellen («groundroll») beinahe vollständig eliminiert werden. Die so bereinigten Daten erlaubten anschliessend eine optimale Bestimmung reststatischer Korrekturwerte mittels Least-Square-Verfahren.

«Dip Move Out»-Korrektur (DMO)Der «Dip Move Out»-Rechenprozess korrigiert die räumliche Verzerrung (Verschmierung) der abgebildeten Untergrundpunkte geneigter Reflektoren vor der Stapelung (Abb. 4).

Geschwindigkeitsanalyse und «Normal Move Out»-Korrektur (NMO)In einem Raster von 450 x 450 Meter wurden anhand des Laufzeitverhaltens der Reflexionen Analysen der seismischen Wellenausbrei-tungsgeschwindigkeiten der tiefen Sedimentgesteine vorgenommen. Die Kenntnis eines möglichst genauen Geschwindigkeitsmodells ist Voraussetzung für eine gute Qualität der NMO-Korrektur und für die anschliessende Stapelung (vgl. Kasten S. 13, Abschnitt C).

StapelungAddierung der gemessenen Amplituden nach der NMO-Korrektur, damit die an sich schwachen Nutzsignale der reflektierten Wellen gegenüber den verschiedenen Störsignalen wesentlich verstärkt werden.

Dekonvolution nach der StapelungZur speziellen Unterdrückung multipler Reflexionen unterhalb der Basis des Mesozoikums wurden die Daten nach der Stapelung einer zusätzlichen Dekonvolution unterzogen.

3D-MigrationAnwendung eines räumlichen seismischen Migrationsprozesses, einer Rechenoperation welche die registrierten Amplitudeninformationen umverteilt, so dass die Reflexionen an ihrer wahren räumlichen Position dargestellt werden.

Null-Phasen-TransformationZur besseren Interpretierbarkeit wurde eine Phasenanpassung auf die Daten angewendet, damit die reflektierenden Gesteinsschichtgrenzen jeweils durch die Amplitudenmaxima der entsprechenden Reflexionssignale dargestellt werden.

Spektraler AmplitudenausgleichMit diesem Prozess werden frequenzabhängige Amplitudenverluste – die insbesonders die natürliche Absorption der hochfrequenten Wellenanteile betreffen – kompensiert und das Frequenzspektrum besser ausgeglichen. Anteile von unkorreliertem seismischem Rauschen, die dabei ebenfalls verstärkt werden, konnten durch Anwendung verschiedener Filter (FX-Dekonvolution, Bandpassfilter) unterdrückt werden.

* Vgl. Sprecher C. (1987): «Die Messmethode der Reflexionsseismik»; nagra informiert 9. Jahrg./Nr. (1+2), S. 10-22.

Abbildung 5Die Horizontkarte der nach Kohärenz berechneten Daten (A) deckt kleinste Unregelmässigkeiten im Schichtverlauf auf. Im dargestellten westlichen Kartenaus-schnitt ist eine etwa Nord-Süd verlaufende Störung eingekreist. Der Profilschnitt aus dem Kohärenzda-tensatz (B) zeigt den vertikalen Verlauf dieser Störung, welche die Basis des Opalinus-tons um zirka 18 Meter versetzt. Unten (C) ist derselbe Profilschnitt in der Amplitudendar-stellung abgebildet.

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und jedes fünfzigsten Cross-line- Profils bestimmt. Zur Übertragung dieser Interpretation auf das gesamte Datenvolumen wurde ein automa-tisches Inter pola tions ver fahren an ge-wendet, welches nach vorgegebe nen Amplitudenmerkmalen (posi ti ve oder negative Amplitudenmaxima; Nulldurchgang) sucht und so ein präzises Erfassen der Reflexionsein-sätze garantiert[Lit. 2].Störungen mit einem vertikalen Ver-setzungs betrag von mehr als zehn Meter sind im seismischen Datensatz direkt erkennbar (Abb. 7) und kön-nen quantitativ ausgewertet werden. Die im Datensatz räumlich zur Ver-fügung stehende Information erlaubt es auch, die ausgewerteten Marker-horizonte zusätzlich in einer Karten-darstellung zu untersuchen. Dabei können verschiedene charakteris-tische Eigenschaften (Attribute) der Horizonte analysiert werden (Abb. 8). Ein besonderer Vorteil dieser Hori-zontkarten ist es, dass Strukturen mit Versetzungs beträgen von weniger als zehn Meter durch Mus tererkennung ebenfalls erfasst werden können. Mit Hilfe der Attribut analysen war es im vorliegenden Fall möglich, Störungen der Gesteinsschichten mit vertikalen Versetzungsbeträgen von nur vier Meter auch in Gebieten mit erhöhtem seismischen Rauschanteil zu erfas sen. In Anbetracht dieser sehr hohen Auflösung ist die aus den Horizont-karten ersicht liche ruhige Schichtlage des Opalinustons besonders bemer-kenswert.

Lokales Strukturmodell Die Auswertung und Interpretation der 3D-Seismik bestätigt die Aus sa-gen der bisheri gen regionalen struk-turgeologischen Analyse: Der Opali-nuston liegt unter dem Zürcher Weinland seit seiner Ablagerung vor

Abbildung 7 Einblick in die 3D-seis mische Aufnahme des Zürcher Weinlandes: Die Lage der Gesteinsschichten kann räumlich entlang von beliebig orientierten Schnitten (vertikal oder horizontal) sichtbar gemacht werden. Versetzungsbeträge von mehr als zehn Meter im weitgehend ungestörten Opalinuston sind im Datensatz direkt erkennnbar. In der Vergrösserung ist eine der wenigen Störungen im Untersuchungsgebiet abgebildet. Sie ist Teil der in West-Ost-Richtung verlaufenden Wildensbucher Flexur, der grössten beobachteten Struktur nebst der regionalen Neuhauser Störung.

früheren regionalen seismischen 2D-Profil messungen bestätigt. Dank dieser guten Übereinstimmung konnten noch vor Abschluss der neuen Sondierbohrung im Unter-suchungsgebiet die wichtigsten seismischen Refle xionshorizonte (Markerhorizonte) auf den Profilen der regionalen Seismik bis zur 13 Kilometer entfernten Sondier-bohrung Weiach verfolgt und dort korreliert werden (Abb. 6).

Strukturgeologische InterpretationDie Daten der 3D-Seismik sind als NW-SE (Cross-lines) und SW-NE (In-lines) orientierte Profile für die computergestützte Auswertung auf dem PC abgespeichert worden. Es können auch beliebig orientierte Profile oder Horizontalschnitte extra-hiert und ausgewertet werden. Die Lage der Markerhorizonte wurde auf einem Raster jedes zehnten In-line-

Abbildung 6 Die wichtigsten zur Auswertung der 3D-Seismik verwendeten Reflexionshorizonte (Markerhorizonte) konnten auf den regionalen Datensatz übertragen und in der 13 Kilometer entfernten Bohrung Weiach überprüft werden.

Top Malm

Basis Kimmeridge[*]

Top Opalinuston

Top Lias

Top Stubensandstein

Basis Mesozoikum[**]

0.2

0.4

0.6

* Basis Kimmeridge = Basis Schwarzbach-Schichten (entspricht in Benken der «Basis Mittlere Malmmergel, BMm»).

** In der Bohrung Benken folgt unter dem Mesozoikum Kristallin. Deshalb bildet sich diese Gesteinsschichtgrenze dort anders ab (vgl. Abb. 2, S. 33).

Zw

eiw

egla

ufze

it

[s]

Syn

thet

isch

esS

eism

ogra

mm

RegionaleMarkerhorizonte

Lithostratigrafie mit Impedanzlog

Permo-karbon

Regionale Korrelation der Markerhorizonte (Bohrung Weiach)

TOpM

TLi

TSt

0 m

~1500 m

~400 m

~700 m

~10

m

Tiefe unterTerrain

Amplitude

Op

alin

usto

n

Eine Struktur unter der Lupe

200 m

ProfilschnittSW NE

- +

Markerhorizonte TOpM Top Opalinuston TLi Top Lias TSt Top Stubensandstein

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26 27

Abbildung 8 Attributanalysen des Horizontes Basis Opalinuston (=Top Lias): Die Isochronenkarte (oben links) zeigt Linien gleicher Reflexionszeit und widerspiegelt das generelle Einfallen der Schicht nach Südosten. Die lokal variierenden Neigungsbeträge sind (oben rechts) als Graustufendarstellung wiedergegeben. Je stärker die Neigung, desto dunkler der Grauwert. Verwerfungen erscheinen als scharf abgegrenzte schwarze Lineamente, Flexuren als relativ breite Bänder mit hellen bis dunklen Graustufenwerten. Durch geeignete Farbcodierung der Neigungsrichtungen (Azimut) wird die Strukturierung des Gebietes (unten links) noch detaillierter hervorge-hoben. Insbesondere die West-Ost verlaufende Wildensbucher Flexur ist sehr gut zu erkennen. Eine Kombination der verschiedenen Darstellungen (unten rechts) erlaubt eine optimale Interpretation der beobachteten Strukturen.

Abbildung 9 Einarbeitung der strukturgeologischen Auswertung der 3D-Seismik in die regionalen Daten. Die Neuhauser Störung (N) war bereits vor den 3D-Messungen bekannt und ist für die strukturgeologische Abklärung bewusst in den Randbereich des 3D-Messgebietes aufgenommen worden.

zirka 180 Millionen Jahren in prak-tisch ungestörter Lage vor. Die ein-zige Störung mit bedeutendem Versatz ist die aus den regionalen Untersuchungen bereits bekannte, von Nordwes ten nach Südosten verlaufende Neuhauser Störung (Abb. 9), welche zur näheren Abklä-rung bewusst randlich ins 3D-Messgebiet aufgenommen wurde. Die erwartete gene relle Mächtigkeit des Opalinustons von 100 bis 120 Meter konnte durch die 3D-Seismik

und die Bohrung Benken ebenfalls bestätigt werden.Dank der 3D-Erfassung war es mög-lich, inner halb des engeren Unter-suchungsgebietes Zürcher Weinland auch feinste Strukturmuster zu er-kennen, deren Rekonstruktion auch bei hoher Dichte von 2D-Linien nicht möglich gewesen wäre. Diese erstmals sichtbar gemachten Klein-strukturen erlau ben eine sehr detail-lierte Interpretation der lokalen Geologie. Im folgenden werden die

identifizierten Strukturelemente an-hand der Tiefenkarte «Basis Opali-nuston» (Abb. 9) kurz beschrieben.

Neuhauser StörungDie Neuhauser Störung verläuft unter dem Cholfirst entlang der Nord-Ost-Begrenzung des 3D-Untersuchungs-gebietes (Abb. 9). Sie ist auf allen kartierten Horizonten als markante Verwerfung erkennbar, die das ge-sam te Deck gebirge durchtrennt. Der maxi male Verwerfungsbetrag auf

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3 km

0.4

0.5

0.6

0.7

-90°

Horizontkarten Basis Opalinuston(Top Lias)

Isochronen Neigung

Neigung, Neigungsrichtung

und IsochronenNeigungsrichtung

Azimut [Grad]

Azimut [Grad]

Zwei

weg

lauf

zeit

[s]

0

180

90270

0

180

90270

-800

-600

-400

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-6000

?

-200

+200

Strukturen

Kleinstrukturen im 3D-Gebiet

Legende

Isohypsen Top Lias

Verwerfung (Abschiebung)

Flexur

Synklinale

Vermutete Störung

Neuhauser Störung

Wildensbucher Flexur

Verwerfung (z. T. Aufschiebung)

Flexur

Antiklinale/Synklinale

N

W

Tiefenkarte Basis Opalinuston (Top Lias)

Schaffhausen

Andelfingen

W

N

N

N

2 km

Messgebiet der 3D-Seismik

Sondierbohrung Benken

Spuren der 2D-Seismiklinien OPA 91/92

-249

Landesgrenze

Thur

Rhein

Tiefen in Meter, bezogen auf Meeresniveau

Ausserhalb des Messgebietes der 3D-Seismikkönnen die Kleinstrukturen aufgrund der geringerenDatendichte nicht erfasst werden.69

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schen der Basis des Mesozoikums und dem obersten Keuperintervall (Top Stubensandstein) vor allem im Südwestteil des Messgebietes (Abb. 10). Die Deformation der Reflek-toren nimmt vom Keuper bis zur Basis des Opalinustons deutlich ab. Da rüber zeichnet sich keine klein-räumige Zergliederung mehr ab.

Tektonische DeutungGenerell kann aufgrund der Auswer-tungen gezeigt werden, dass der Defor mationsgrad von der Basis des Mesozoikums bis zum unteren Malm deutlich abnimmt. Dies zeigt beson-ders eindrücklich der aus dem südwest-lichen Bereich des 3D-Mess gebietes stammende, überhöht dargestellte Profilausschnitt in Abbildung 10. Die deutlich erkennbaren Senken in den oberen Malm-Reflektoren wer-

KleinstrukturenSüdlich der Wildensbucher Flexur folgt eine schwach ausgeprägte, W-E verlaufende Hochzone von bis zu 3,5 Kilometer Breite. Im Süden wird sie durch einen Gürtel mit mehreren W-E bis WSW-ENE streichenden Flexuren begrenzt. Diese Flexurzone ist deutlich weniger ausgeprägt als die Wildensbucher Flexur und kann in den Attributkarten nur vom tieferen Mesozoikum bis zur Basis des Opa-linustons verfolgt werden. Im Osten wird die Hochzone durch eine schwach ausgeprägte Antiklinale begrenzt. Die Hochzone wird als eine im wesentlichen während des frühen Mesozoikums gebildete und im Tertiär leicht reaktivierte Struktur betrachtet.Auffallend ist die unregelmässige To po grafie der Markerhorizonte zwi-

Niveau Opalinuston liegt bei zirka 65 Meter. Die Neuhauser Störung wird als westlichste Randstörung der Bonndorf-Hegau-Bodensee-Graben-zone betrachtet.

Wildensbucher FlexurDie Wildensbucher Flexur verläuft zirka 700 Meter nördlich der Boh-rung Benken von Westen nach Osten und biegt bei Wildensbuch in die Neuhauser Störung ein. Entlang der Wildensbucher Flexur wurden ein-zelne Störungen festgestellt (vgl. Abb. 7), an welchen die Schichten nach NNE bis NE versetzt sind. Der ver-tikale Versatz auf Niveau Opalinu-ston beträgt maximal 13 Meter. Di-ese lokal begrenzten Störungen wei-sen einen Extensions-Charakter auf und reichen teilweise bis in den Malm.

Abbildung 10Stark überhöhtes Profil aus dem südwestlichen Bereich des 3D-Mess-gebietes. Die kleinräumigen Deforma-tionen, welche im unteren Teil des Mesozoikums beobachtet werden können, sind im Opalinuston und in den jüngeren Sedimentschichten nicht mehr feststellbar. Die Senken im Malm werden als Karsterscheinungen gedeutet.

den als das Abbild von Karsterschei-nungen gedeutet, welche während der Erosionsphase vor der Ablagerung der terti ären Sedimentgesteine entstan-den sind. Das häufig auffallend kongruente Reflektorbild im Bereich oberes Grund gebirge bis tieferes Mesozoi-kum führt zur Annahme einer kompres siv überprägten Grundge-birgs tektonik. Das dadurch hervor-gerufene Relief wurde in der Folge durch die Ablagerungen der liasi-schen Sedi mente und des Opalinus-tons sukzessive ausgeglichen. Die kleinräumige Grundgebirgstektonik klingt offenbar im Laufe der Abla-gerung des Opalinustons aus. Dies zeigt sich auch deutlich auf den drei kombinierten Attributskarten, wel-che in Abbildung 11 dargestellt sind. Über dem Lias findet man nur im Bereich der Neuhauser Störung (vgl. Abb. 9) und entlang der Wildens-bucher Flexur nennens werte Ver-werfungen mit kartier barem Versatz der Markerhorizonte. Im gesamten übri gen Gebiet äussern sich die Strukturen des tiefe ren Mesozoikums nur durch leichte, weiträumige Neigungs änderungen, die zum Teil als Flexuren über grössere Dis tanzen verfolgt werden können (Abb. 11).

SchlussfolgerungenAnhand der 3D-Seismik konnte ein struktur geologischer Datensatz für das Untersuchungsgebiet Zürcher Weinland erarbeitet werden, der bezüglich Detaillierungs grad in der Schweiz einmalig ist. Gewissermassen wie durch eine Lupe können auch kleinste Unregelmässigkeiten bis in den Meterbereich sichtbar gemacht werden. Die Gesamt aus wertung be-stätigt, dass die Gesteinsschichten, insbesondere auf dem Niveau des Opalinuston s, kaum defor miert sind.Der Nachweis des ausgedehnten

Opa linuston-Vorkommens in tek-tonisch ruhiger Lage bildet – zusammen mit der laufenden fels mecha ni schen, geochemischen und hydro geo logischen Eignungsabklärung – eine wichtige Grundlage für die Beur teilung der Machbarkeit einer sicheren geolo-gischen Tiefenlagerung von hoch-aktiven Abfällen in der Schweiz.

Abbildung 11Die kombinierten Attributkarten (vgl. auch Abb. 8 unten rechts) ausgewählter Markerhorizonte zeigen deutlich die Abnahme des Defor mationsgrades vom «Unteren Gips keuper» über Top Lias bis zum Top Opalinuston.

Literaturhinweise

1 Bahorich M. und Farmer S. (1995): «3-D seismic discontinuity for faults and stratigraphic fea-tures: The coherence cube»; The Leading Edge Vol. 14, No. 10, S. 1053-1058.

2 Dorn G.A. (1998): «Modern 3-D seismic interpretation»; The Leading Edge Vol. 17, No. 9, S. 1262-1272.

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1 km

1 km

Änderung des Deformationsgrades

im Mesozoikum(Kombinierte Attributkarten mit Neigung,

Neigungsrichtung und Isochronen)

Azimut [Grad]

Azimut [Grad]

Azimut [Grad]

Top Opalinuston

Top Lias

Unterer Gipskeuper

NW SE

Opalinus-ton

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egla

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it [s

]

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0.5

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Profil

Reflektorendeformation im unteren Teil des Mesozoikums

Amplitude 1000 m+-

Tert

iär

u. Q

uart

ärM

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Jura

Grundgebirge(Kristallin/ Permokarbon)

Malm

Dogger

Keuper

Muschelkalku. Buntsandstein

Lias

Top Malm

Basis Mittl. Malmmergel

Top LiasTop Stubensandstein

Unterer Gipskeuper

Basis Mesozoikum

Top Opalinuston

SeismischeMarkerhorizonte

Stratigrafie

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Korrelation Bohrung – 3D-Seismik

Philippe Roth 1 René Graf 1

1 ProSeis AG, Zürich

Zusammenfassung

Die geologischen Informationen aus einer Bohrung können mit der 3D-Seismik über grosse Untersu-chungsgebiete extrapoliert werden. Eine erfolgreiche Extrapolation setzt aber voraus, dass die Bohr- und Seis-mikdaten von guter Qualität sind und bei der Bohrung möglichst nahtlos aufeinander passen. Dies ist im Zürcher Weinland der Fall. Die Kombina tion der Daten aus der Bohrung Benken und der 3D-Seismik erlaubt daher eine zuverlässige und kostengünstige Untersuchung des Untergrundes über ein Gebiet von rund fünfzig Quadratkilo me tern.

3D-Seismik Zürcher Weinland

EinleitungSeismische Messungen und Tiefboh-rungen sind die beiden verbreitetsten Methoden zur geologischen Erkun-dung des Untergrundes. Bei den seismischen Methoden werden Lauf-zeiten von seismischen Wellen gemes-sen und interpretiert. Messdaten aus Tief bohrungen dagegen liefern direkt An ga ben über die Tiefe der einzelnen Schichten und deren petrophysi-kalische, geologische, hy dro logische und geochemische Para meter.Zwischen seismischen Daten einer-seits und Bohrungen andererseits

Abbildung 1Räumliche Darstellung des aus der 3D-Seismik abgeleiteten geologischen Modells und der Bohrlokation Benken.Stratigrafie vergleiche Abb. 2 (S. 7).

besteht ein grosser Unterschied in der maximal erzielbaren vertikalen Auf-lö sung. Bei der 3D-Seismik liegt diese – bei guter Datenqualität – im Dekameterbereich. In der Bohrung erzielt man mit Bohrlochmessungen eine Auflösung im Dezimeterbereich und in den Intervallen mit Bohr-kernen können Phänomene im Millimeterbereich oder gar noch kleiner erfasst werden.Die Bohrung ist aber nur ein Nadel-stich im Untergrund mit einer late-ralen Erfassung der Gesteine von wenigen Dezimetern. Dagegen kann

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Abbildung 2Herleitung des synthetischen Seismogramms aus dem Sonic- und dem Dichte-Log der Bohrung Benken. Alle Daten sind entlang einer linearen Zeitachse dar ge stellt. Die unregelmässigen Ab stände auf der Tiefenachse resul tieren aus den unterschiedlichen seismischen Geschwin dig keiten in den verschie denen Gesteinsschichten.SRD («Seismic Reference Datum») bezeichnet die Referenzebene (500 m ü. M.), auf welche sich die gemessenen reflexionsseis-mischen Zeiten beziehen.

eine 3D-seismische Messung grosse Gebiete lückenlos abdecken (im vorliegenden Fall ca. 50 km2). Die beiden Methoden sind also kom-plementär und die Kalibrierung der seismischen Messungen mit der Boh-rung ist von zentraler Bedeutung. Mit Hilfe der seismischen Daten ist es möglich, die Bohrdaten lateral ins Untersuchungsgebiet zu extrapo-lieren (Abb. 1).

Check-ShotDie einfachste Möglichkeit um Lauf-zeit und Tiefe zu verbinden bietet der sogenannte Check-Shot (vgl. Kas-ten). Dazu wird in der Bohrung in exakt bekannter Tiefe ein Geofon platziert. Anschliessend wird an der Erdoberfläche in unmittelbarer Nähe der Bohrung eine kleine Spreng-ladung gezündet (Anregungspunkt) und die Laufzeit der direkten Welle bis zum Geofon gemessen. Dies wird für beliebig viele Geofonpositionen wiederholt. Aus den Daten berechnet man eine Zeit-Tiefen-Funktion. Damit lassen sich die seismischen Laufzeiten zu den durchbohrten Gesteinsschichtgrenzen bestimmen.

Synthetisches Seismo-grammUm die Amplitudeninformationen der seismischen Daten mit den Bohr-lochdaten zu vergleichen, berechnet man ein synthetisches Seismogramm (Abb. 2). Zuerst müssen alle Logs mit Hilfe der Ergebnisse des Check-Shots von Tiefe in Zeit umgewandelt werden. Anschliessend berechnet man aus der seismischen Geschwin-digkeit und dem Dichtewert die akus tische Impedanz (Schallhärte). Der Reflexions koeffizient an einer geologischen Schichtgrenze errechnet sich aus der Änderung der akus-tischen Impedanz an dieser Schicht-

grenze. So erzeugt zum Beispiel der Übergang von einem weichen Ton-gestein in ein hartes Kalkgestein einen grossen positiven Reflexions-koeffizienten und damit eine starke seismische Reflexion. Der Übergang von einem Tongestein in einen nur leicht härteren Sandstein hingegen erzeugt einen kleineren positiven Reflexions koeffizienten und damit nur eine schwache seismische Refle-xion. Das gewünschte synthetische Seismogramm berechnet man aus

diesen Koeffizienten und einem für die seismischen Daten reprä sentati-ven Wellenzug (Faltung).Abbildung 2 illustriert die Herleitung des synthetischen Seismogramms der Bohrung Benken und seine Korrela-tion mit der Geologie. Der Wellenzug hat eine Länge von zirka 20 Milli-sekunden (entspricht ca. 30 m). Diese Länge beschränkt die vertikale Auf-lösung. Dies sieht man deutlich, wenn man die Reflexionskoeffi-zienten (in blau) mit dem synthe-

tischen Seismogramm rechts davon vergleicht. Wo geologische Schicht -dicken im Meterbereich vorkommen, baut sich eine seismische Refle xion aus der Überlagerung mehrerer Refle-xionen (Interferenz) an verschie-denen Schichtgrenzen auf. Bei der seismischen Interpretation muss ein Markerhorizont einem Maxi mum oder Minimum der seis mischen Kurvenform zugeordnet werden. Nur so kann die wichtige Am pli -tudeninformation ausgewertet wer-

Anregungs-punkt

Geofon

Direkte W

elle

Check-Shot

Anregungs-punkt

Direkte Welle

Ref

lekt

iert

e W

elle

n

Walkaway-VSP

Eine noch so perfekte seismische Messung an der Erdoberfläche liefert nur indirekte Informationen über den Untergrund. Eine eindeutige Zuordnung der beobachteten Reflexionen zu geologischen Schichtgrenzen mit Hilfe von Informationen aus einer oder mehreren Bohrungen ist unabdingbar. Statt einer Tiefenangabe liefert eine solche Reflexion nämlich nur eine Signallaufzeit von der Signalquelle zur reflektierenden Schichtgrenze und zurück zum Empfänger und benötigt zur Tiefenumrechnung ein Modell für die Ausbreitungsgeschwindigkeit der seismischen Wellen im durchschallten Schichtsta-pel. Zur Erstellung eines Geschwindigkeitsmodells stehen folgende Messungen zur Verfügung:

Check-Shot für die Messung seismischer GeschwindigkeitenMessung von Durchschnittsgeschwindigkeiten von der Oberfläche nahe beim Bohrturm zu Messpunkten im Bohrloch.Einschränkung: Die geringe Auflösung erfordert die Korrelation mit dem Sonic-Log.

Sonic-Log zur Erhöhung der Auflösungs-genauigkeitMessung seismischer Geschwindigkeiten über kleine Tiefenintervalle im Bohrloch.Die systematischen kleinen Fehler, die sich bei der Sonic-Log-Messung aufsummieren können, werden durch die Abgleichung mit dem Check-Shot korrigiert.

«Vertical Seismic Profile» (VSP) zur Analyse der Reflexionssignale

In der Bohrung werden seismische Signale gemessen, die durch eine stehende (VSP) oder sich fortbewegende Oberflächenquelle (Walkaway-VSP) erzeugt werden. Durch eine entsprechende Datenverarbeitung sind die VSP-Seismogramme direkt vergleichbar mit der von der Oberfläche aus gemessenen Reflexionsseismik. Einschränkung: Ohne die Erstellung eines synthetischen Seismogramms können Interferenzeffekte nicht erkannt und untersucht werden.

Synthetisches Seismogramm zur DetailanalyseAus den kalibrierten Sonic- und Dichtemessungen kön-nen die Reflexionskoeffizienten im Detail untersucht und dann mit einem synthetischen Wellenzug das syntheti-sche Seismogramm berechnet werden.Da die Informationen aus den Logs auf die allernächste Bohrlochumgebung beschränkt sind, bedarf es der Walkaway-VSP-Daten zur lateralen Übertragung in die weitere Umgebung der 3D-Seismik.

Kalibrierung von seismischen Oberflächenmessungen mit Hilfe von Bohrungen

Mit der Tiefenumrechnung ist aber noch keine vollständige Kalibrierung der Oberflächendaten er-reicht. Eine Reflexion in der Oberflächenseismik ist nur im Idealfall durch eine einzelne Diskontinuität (Geschwindigkeits- und Dichteänderung) bestimmt, in der Regel ergibt die Interferenz einer Vielzahl nahe beieinander liegender kleinerer Geschwindigkeits- und Dichteänderungen eine einzelne Refle-xion. Um die richtige Zuordnung zu ermöglichen, kommen folgende Methoden in Betracht:

Die optimale Korrelation der Bohrungsdaten und der Oberflächenseismik erfolgt durch eine durch-dachte Kombination aller erwähnten Methoden. Dieser Weg wurde in der Nordschweiz beschritten.

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Seismische Markerhorizonte

Synthetisches Seismogramm Benken

SRD = 500 m ü. M.

Oberfläche = 404.3 m ü. M.

Sonic-Log Dichte-LogAkustische Impedanz

Reflexions-koeffizient

SynthetischesSeismogramm

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Tertiär

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Keuper

Muschelkalku. Buntsandstein

StratigrafieBohrung Benken

Kristallin

Opalinus-ton

Tief

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SR

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s]

Seism. Laufzeit Tiefe GeologieMarker [ms] [m u. Oberfl.]

TMa 217 199 Top MalmBMm 281 361 Basis Mittlere MalmmergelTOpM 374 539 Top Opalinuston (Murchisonae-Sch.)TLi 453 652 Top LiasTSt 490 709 Top StubensandsteinUGi 532 781 Unterer GipskeuperBMz 622 983 Basis Mesozoikum

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nagra Bulletin 33

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Abbildung 3Das linke Profil zeigt eine Seismik linie aus

dem 3D-Datensatz entlang dem gemes-

senen Walkaway-VSP-Profil. Die glockenför-mige graue Linie zeigt

den Datenbereich, welcher durch das VSP

abgedeckt wird. Im rechten Profil wurde in die gleiche Seismiklinie

das Walkaway-VSP-Profil eingefügt.

In der näheren Umgebung der

Bohrung Benken enthält die 3D-Seismik

einen erhöhten Rauschanteil, verur-

sacht durch ungünstige geologische oberflä-

chennahe Verhältnisse. Die Überbrückung dieser Zone durch

den Walkaway-VSP ermöglicht eine

nahtlose Verknüp-fung der unabhän-

gig voneinander erhobenen Datensätze.

Abbildung 4In die 3D-Seismiklinie entlang dem Profil A-A’ wurde das VSP und das synthetische Seismogramm eingefügt. Die gute Übereinstimmung aller Daten ermög-licht eine zuverläs-sige Kalibra tion der 3D-Seismik und damit eine Extra polation der Bohrergebnisse. Die geringfügige Abwei-chung des VSPs im obersten Teil rührt her von der räumlichen Abweichung des VSPs aus der vertikalen Schnittebene des dargestellten 3D-Seismikprofils aufgrund der Distanz der Schusspunkte (SP) des VSPs zur Bohr -loka tion Benken (vgl. Karte).

den. Die Markerhorizonte stimmen daher nicht immer exakt mit den entsprechenden geologischen Schicht grenzen überein. In Abbil-dung 2 sind die seismischen Marker-horizonte mit gestrichelten roten Linien dargestellt. Man sieht, dass speziell die Markerhorizonte Top Stubensandstein (TSt) und Unterer Gipskeuper (UGi) deutlich von den entsprechenden geologischen Grenz-schichten abweichen. Dank der Kali-bration durch die Bohrung können diese Abweichungen bei der Detail-auswertung der Daten berücksichtigt werden.

VSPEine weitere Möglichkeit der Verbin-dung zwischen seismischen Daten und Bohrlochdaten ist das VSP («Vertical Seismic Profile»). Die Mess anordung ist ähnlich wie beim Check-Shot (Kasten S. 32), nur haben die Messpunkte in der Boh-rung einen geringeren Abstand. Anstatt nur die Laufzeiten der seis-mischen Wellen zu messen, werden komplette Seismogramme aufge-zeichnet wie bei der Reflexionsseis-mik an der Oberfläche. Wird nun zusätzlich der seismische Anregungs-punkt schrittweise von der Bohrung

entfernt und verarbeitet man die Daten von so erhaltenen seismischen Spuren entsprechend, so entsteht ein sogenanntes Walkaway-VSP. Dieses sieht aus wie ein Teil einer seismi-schen Linie. Abbildung 3 zeigt die Übereinstimmung des Walk away-VSPs mit dem entsprechenden Profil der 3D-Seismik. Oberhalb der Opalinustonschicht weisen die abgebil deten Reflexionen Zeitver-schiebungen bis zirka 0,01 Sekun-den auf, da das Walk away-VSP in diesem oberen Teil von der vertikalen Schnittebene des dargestellten 3D-Seismikprofils abweicht. Im unte ren Teil liegt das Walkaway-VSP und das 3D-Seismikprofil in derselben verti-kalen Schnittebene. Die sehr gute Übereinstimmung zwischen Bohr-loch- und Oberflächenseismik er-laubt eine zuverlässige Übertragung

der Erkennt nisse aus der Bohrung auf den 3D-Seismik-Datensatz (Kali-bration).Der Vergleich des synthetischen Seis-mogramms mit dem VSP und dem entsprechenden Ausschnitt der 3D-Seismik (Abb. 4) zeigt eine hervorra-gende Übereinstimmung zwischen diesen voneinander völlig unabhän-gigen Erkundungsergebnissen. Damit ist es nun möglich, eine bestimmte Reflexion in der 3D-Seismik durch das synthetische Seismogramm bis zu den Bohrlochlogs zu verfolgen und geologisch präzise zu deuten.

Schlussfolgerungen• Die sehrguteÜbereinstimmung

der unabhängig voneinander ge-messenen geophysikalischen Daten sätze am Ort der Bohrung Benken (synthetisches Seismo-

gramm, Walkaway-VSP, 3D-Seis-mik) erlaubt eine Übertragung der Erkenntnisse der Bohrung Benken auf den 3D-seismischen Daten-satz.

• MitdemWalkaway-VSPkönnenlokale Qualitätsunterschiede im 3D-seismischen Datensatz in der Umgebung der Bohrung Benken überbrückt werden. Dadurch wird eine detailgenaue laterale Extrapo-lation ermöglicht.

• AufgrunddergutenDatenqualitätsollte eine late rale Extrapolation der Bohrergebnisse durch Model-lierung und seismofazielle Analyse (Inversion) möglich sein.

BenkenN S

VSP

0.6

0.5

0.4

0.3

0.2

0.1

N SBenken

Zw

eiw

egla

ufze

it [s

]

Walkaway-VSP und 3D-Seismik

Benken

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

A

B

A'

B'Z

wei

weg

lauf

zeit

[s]

Opalinus-ton

Synthetisches SeismogrammSynthetisches Seismogramm

Stratigrafie vgl. Abb. 2

Bohrung Benken mit Walkaway-VSP und 3D-Seismik

Benken

Messpunktlokationen

A

B

B'

A'

VSP

0.5 km

0.5 km

SP

VSP

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NagraNationale Genossenschaft für die Lagerung

radioaktiver Abfälle

Hardstrasse 73, CH-5430 Wettingen