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5. Die Integralrechnung 5.1 Die ursprüngliche Einführung des Integrals Ursprünglich wurde das Integral zur Flächendefinition und -berechnung eingeführt: x Abszissenachse (Blaue) Obersummen als obere Schranke, (rote) Untersummen als untere Schranke. Falls für (x 0) der Limes der Obersummen mit dem der Untersummen übereinstimmt, heißen die beiden „einfaches Riemann-Integral“ oder kurz „Einfachintegral“ oder noch kürzer „Integral“. Mit Hilfe dieses Integralbegriffes wird die Fläche desjenigen Gebildes definiert, das aus der Kurve, der Abszissenachse und zwei Senkrechten auf die B-Achse bei der unteren und oberen Grenze. 5.2 Der moderne Integralbegriff Es zeigte sich bald, dass sich die Rechenregeln zur korrekten „Integration“ („Integrationsre- geln“) durch Umkehrung der Differentiationsregeln ergeben. Damit ist dieses Einfachintegral als Umkehroperation der Differentiation von Funktionen mit einer unabhängigen Variablen erkannt worden. Nun setzte ein, was wir auch bei den Zahlen und ihren Verknüpfungsoperationen (Addition, Multiplikation, ...) sowie bei den Funktionen und der Differentialrechnung kennen gelernt haben: Ein durch Neugier motivierter Abstraktionsprozess. Selbstverständlich zeigte es sich auch bei der „Integralrechnung“, dass durch die formale Benützung der Integrations- regeln auch dort sinnvolle Ergebnisse herauskommen, wo die ursprüngliche Bedeutung ob- solet ist. Heute verzichten wir auf jegliche geometrische Deutung und sehen die Integralrech- nung als reinen Umkehrprozess zur Differentialrechnung: Wir suchen die „Stammfunktion“ © J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 5 1

5. Die Integralrechnung - univie.ac.at · 5.5 Integrationstechniken 5.5-1 Substitution. Ziel ist, das zu lösende Integral durch geeignete Substitution der Integ-rationsvariablen

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Page 1: 5. Die Integralrechnung - univie.ac.at · 5.5 Integrationstechniken 5.5-1 Substitution. Ziel ist, das zu lösende Integral durch geeignete Substitution der Integ-rationsvariablen

5. Die Integralrechnung 5.1 Die ursprüngliche Einführung des Integrals

Ursprünglich wurde das Integral zur Flächendefinition und -berechnung eingeführt:

∆x Abszissenachse

(Blaue) Obersummen als obere Schranke, (rote) Untersummen als untere Schranke.

Falls für (∆x → 0) der Limes der Obersummen mit dem der Untersummen übereinstimmt,

heißen die beiden „einfaches Riemann-Integral“ oder kurz „Einfachintegral“ oder noch kürzer

„Integral“.

Mit Hilfe dieses Integralbegriffes wird die Fläche desjenigen Gebildes definiert, das

aus der Kurve, der Abszissenachse und zwei Senkrechten auf die B-Achse bei der unteren

und oberen Grenze.

5.2 Der moderne Integralbegriff

Es zeigte sich bald, dass sich die Rechenregeln zur korrekten „Integration“ („Integrationsre-

geln“) durch Umkehrung der Differentiationsregeln ergeben. Damit ist dieses Einfachintegral

als Umkehroperation der Differentiation von Funktionen mit einer unabhängigen Variablen

erkannt worden.

Nun setzte ein, was wir auch bei den Zahlen und ihren Verknüpfungsoperationen

(Addition, Multiplikation, ...) sowie bei den Funktionen und der Differentialrechnung kennen

gelernt haben: Ein durch Neugier motivierter Abstraktionsprozess. Selbstverständlich zeigte

es sich auch bei der „Integralrechnung“, dass durch die formale Benützung der Integrations-

regeln auch dort sinnvolle Ergebnisse herauskommen, wo die ursprüngliche Bedeutung ob-

solet ist.

Heute verzichten wir auf jegliche geometrische Deutung und sehen die Integralrech-

nung als reinen Umkehrprozess zur Differentialrechnung: Wir suchen die „Stammfunktion“

© J.Tomiska 2010: Mathematikskizzen Teil 5 1

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F(x) einer gegebenen Funktion f(x), also jene Funktion(en) F(x) als deren Ableitungen die

gegebene Fkt. f(x) angesehen werden kann. Manche dieser Ergebnisse können geometrisch

gedeutet werden, die allermeisten aber nicht.

Die Integrationsregeln ergeben sich somit direkt aus den Differentiationsregeln!

5.2-1 Definitionen

(1) Es sei in einem Definitionsbereich D eine Funktion f(x) gegeben, die im Intervall B ⊆

D stetig ist. Jede im Intervall B differenzierbare Funktion F(x) heißt genau dann

"Stammfunktion von f(x)", wenn in diesem Intervall B ihre Ableitung F'(x) = f(x) ist.

(2) Die Ermittlung einer Stammfunktion F heißt "Integration", die Funktion f(x) wird "In-

tegrand" genannt und das Intervall B heißt "Integrationsintervall B" (auch: "Integrati-

onsbereich B" oder "Integrationsgebiet B").

(3) „Bestimmt“ heißt ein Integral, wenn sowohl die untere als auch die obere Integrati-

onsgrenze explizit angegeben sind:

∫b

a

xfdx ,...)(. = F(x=b,...) - F(x=a,...)

Ansonsten heißt das Integral „unbestimmt“ und es muss eine Konstante („Integrati-

onskonstante“) hinzugefügt werden.

∫ ,...)(. xfdx = F(x,...) + Const.

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5.2-2 Einteilung der Integrale (i) n-dimensionale Bereichsintegrale: Integrationsintervall B = Definitionsbereich D.

n = 1: Einfachintegrale;

n = 2: Doppelintegrale;

n = 3: Dreifachintegrale;

n = k k-fache Integrale.

(ii) Kurvenintegrale

(Linienintegrale): Integrationsintervall B = 1; Definitionsbereich D > 1.

(iii) Flächenintegrale: Integrationsintervall B = 2; Definitionsbereich D > 2.

5.3 Einfachintegrale

Integrationsintervall B = Definitionsbereich D = 1. Der Integrationsbereich ist eine Gerade.

Dies ist das einfachste Bereichsintegral und identisch mit dem ursprünglichen Integralbegriff

auch die geometrische Interpretation blieb erhalten.

a) B = x1-Achse (meist: „x-Achse“): Integrationsvariable = x1; x2, ...,xn konstant.

b

∫ dx1 . f(x1,x2, ...) = F(x1=b) - F(x1=a) (2a) a

b) B = x2-Achse (meist: „y-Achse“): Integrationsvariable = x2; x1, x3, ...,xn konstant.

b

∫ dx2 . f(x1,x2, ...) = F(x2=b) - F(x2=a) (2b) a

c) B = xk-Achse: Integrationsvariable = xk; x1, x2, ..., xk-1, xk+1, ..., xn konstant.

b

∫ dxk . f(x1,x2, ...,xk, ...) = F(xk=b) - F(xk=a) (2c) a

Geom. Bedeutung: Identisch mit jener des historischen Integrals: Flächenmaßzahl des Gebil-

des aus Kurve, B-Achse und zwei Senkrechten auf die B-Achse bei den unteren und oberen

Grenze.

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5.4 Integrationsregeln

(i) Summenregel: Das Integral einer Summe ist gleich der Summe der Integrale der ein-

zelnen Summanden.

∫ dx.[ f(x,...)+ g(x,...)] = ∫ dx. f(x,...)+ ∫ dx.g(x,...)

(ii) Faktorregel: Konstante Faktoren können herausgehoben werden:

∫ dx. [f(x, ...). c] = c. ∫ dx. f(x, ...)

(iii) Potenzregel:

∫ [f(x, ...)]n. f’(x,...). dx = [f(x, ...)]n+1 / (n+1) + C (n ≠ -1)

(iv) Logarithmische Integration:

∫ [f’(x,...) / f(x, ...)]. dx = ln |f(x, ...)| + C

(v) Bei Vertauschen der Integrationsgrenzen kehrt sich das Vorzeichen um: b a

∫ dx. f(x, ...) = - ∫ dx. f(x, ...) a b

(vi) Additivität des Integrals: b c b

∫ dx. f(x, ...) = ∫ dx. f(x, ...) + ∫ dx. f(x, ...) a a c

(vii) Aber: nicht jeder beliebige Ausdruck kann das Ergebnis der Ableitung einer Fkt. sein!

=> Int. nicht immer möglich manchmal kompliziert, manchmal verborgen.

Beispiel: _________________________________________________________

∫ tan²x .dx = ?

weil: d(tan x)/dx = d(sin x / cos x) /dx = cos x .cos-1x + sin x .(-1) cos-2 x . (-sin x) = 1 + tan² x

gilt: ∫tan²x.dx = ∫ (tan²x +1 -1)dx = ∫ (tan²x +1)dx - ∫ 1.dx = tan x -x +C

__________________________________________________________________

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5.5 Integrationstechniken

5.5-1 Substitution. Ziel ist, das zu lösende Integral durch geeignete Substitution der Integ-

rationsvariablen in ein einfacher zu lösendes Integral umzuformen.

(1) ∫ dx. f(x) = ∫ f(g(t). g*(t). dt: => Substitution: x = g(t); dx = g*(t). dt

(2) ∫ f(g(x). g’(x). dx = ∫ dt. f(t) => Substitution: t = g(x); dt = g’(x). dx

Beispiele: _____________________________________________________________

(i) ∫ (ax + b)1/2. dx Substitution: t = (ax + b)1/2; dt = dx. a/2t

= ∫ dt. t.2t/a = (2/a). ∫ dt. t² = 2t³ / (3a) + C = 2. (ax + b)3/2 /(3a) + C

(ii) ∫ sin x. cos x. dx Substitution: t = sin x; dt = cos x. dx

= ∫ dt. t = t²/2 + C = (sin² x) /2 + C

(iii) ∫ x/ (2x² +3). dx Substitution: t = 2x² +3; dt = 4x. dx

= 1/4. ∫ dt/ t = 1/4. ln |t| + C = 1/4. ln |2x² +3| + C

____________________________________________________________________

5.5-2 Bestimmte Integrale. Bei der Berechnung bestimmter Integrale sind zwei Wege

gangbar: a) Einsetzen der Grenzen nach Rücksubstitution;

b) Substitution auch der Grenzen, dann entfällt die Rücksubstitution.

Beispiel: ___________________________________________________________ π ∫ sin x. cos² x. dx Substitution: t = cos x; dt = -sin x. dx 0 = - ∫ dt. t² = - t³/ 3

π a) = - (cos³ x) /3 | = 2/ 3. 0 b) Für x = 0 => t = cos 0 = 1; für x = π = t = cos π = -1; -1 1 => - t³/ 3 | = t³/ 3 | = 1/3 - (-1/3) = 2/ 3. 1 -1 ___________________________________________________________________________

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5.5-3 Partielle Integration. Ist ein Integrand f(x) nicht direkt integrierbar, kann er aber als

Produkt zweier Funktionen betrachtet werden, dann gelingt es häufig, seine Stammfunktion

F(x) mit Hilfe der Produktregel der Differentialrechnung zu finden. Dieser Vorgang heißt

„partielle Integration“.

Es gilt bekanntlich für die Ableitung des Produktes zweier Funktionen u(x).v(x):

[u(x).v(x)]’ = u’(x). v(x) + u(x). v’(x)

Damit auch:

∫dx. (u(x).v(x))’ = ∫dx.(u'(x). v(x)) + ∫dx.(u(x). v'(x)) = u(x). v(x)

Infolgedessen : ∫dx.(u(x). v'(x)) = u(x). v(x) - ∫dx.(u'(x). v(x))

Fassen wir unseren Integranden f(x) = u(x). v'(x) auf, dann gilt:

F(x) = ∫dx. f(x) = ∫dx.(u(x). v'(x)) = u(x). v(x) - ∫dx.(u'(x). v(x)).

Der Ausdruck sieht zwar etwas kompliziert aus, ermöglicht aber eine (notfalls schrittweise)

Reduktion für:

o Produkte von Potenzen oder Polynomen mit Faktoren, die „zyklisch“ integrieren, wie

z.B.: exp, sin, cos, sinh, cosh.

o Die Potenz wird durch Differentiation erniedrigt während der Ersatz der zweiten

Funktion durch ihre Stammfunktion den Ausdruck nicht komplizierter macht.

o Elimination der Logarithmusfunktion aus dem Integral. Beispiele: _____________________________________________________________

(i) ∫dx.(x. ex) => u = x; v’ = ex; (Unsinn wäre: u = ex und v’ = x).

= x. ex - ∫dx.(1. ex) = x. ex - ex + C = ex. (x-1) + C.

(ii) ∫dx. ln x => u = ln x; v’ = 1.

= x. ln x - ∫dx.(x.(1/x)) = x. ln x - x + C = x.(ln x - 1) + C.

(iii) ∫dx.(x³. sin x) => u = x³; v’ = sin x.

= -x³. cos x + 3.∫dx.(x². cos x) => u = x² ; v’ = cos x ;

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= -x³. cos x + 3x². sin x - 6.∫dx.(x. sin x) => u = x ; v’ = sin x ; = -x³. cos x + 3x². sin x + 6x. cos x - 6.∫dx. cos x = -x³. cos x + 3x². sin x + 6x. cos x - 6. sin x. __________________________________________________________________ 5.5-4 Integration nach Partialbruchzerlegung.

Jede echt gebrochenrationale Funktion f(x) kann in "Partialbrüche" zerlegt werden (n,m Є N;

m > n):

f(x) := P(x) / Q(x) = (a0 + a1. x + a2. x² +...+ an. xn) / (b0 + b1. x + b2. x² +...+ bm. xm).

Zu allererst werden die m Nullstellen (auch: „Wurzeln“) des Nennerpolynoms Q(x) ermittelt:

Q(x) = b0 + b1. x + b2. x² +...+ bm. xm = 0.

Anmerkung: Bei Polynomen dritten Grades benützen wir dazu am günstigsten den Vie-

ta’schen Wurzelsatz: Für Q(x) = b0 + b1. x + b2. x² + x³ = 0 gilt folgender Zusammenhang

zwischen den 3 Koeffizienten bi und den 3 Nullstellen x1, x2, x3:

b0 = -x1x2x3 ; b1 = x1x2 + x2x3 + x3x1; b2 = -x1 - x2 - x3

Für das weitere Vorgehen müssen wir zwischen drei wesentlich verschiedenen Fällen

unterscheiden:

(1) Q(x) besitzt nur einfache reelle Nullstellen: Q(x) = (x - x1). (x - x2). (x - x3)... :

Ansatz: P(x)/ Q(x) = A/ (x - x1) + B/ (x - x2) + C/ (x - x3) +... .

Auf gleichen Nenner bringen, nach Potenzen in x ordnen und Koeffizientenvergleich

mit dem P-Polynom.

Beispiel: __________________________________________________________

I = ∫dx.[15x² - 70x -95] / [x³ - 6x² - 13x +42]

(i) Nullstellen: Q(x) = x³ - 6x² - 13x +42 = 0 => x1 = 2; x2 = -3; x3 = 7;

(ii) Ansatz: [15x² - 70x -95] / [x³ - 6x² - 13x +42] = A/(x-2) + B/(x+3) + C/(x-7);

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(iii) Auf gleichen Nenner bringen und diesen weglassen:

15. x² - 70. x - 95 = A(x+3)(x-7) + B(x-2)(x-7) + C(x-2)(x+3)

= (A+B+C). x² - (4A+9B-C). x - (21A-14B+6C);

(iv) Gleichsetzen der Koeffizienten gleicher Potenzen in x:

A+B+C = 15 |

4A+9B-C = 70 | => A = 7; B = 5; C = 3;

21A-14B+6C = 95 |

(v) Somit ist unser Integral umgeformt zu:

I = 7∫dx/(x-2) + 5∫dx/(x+3) + 3∫dx/(x-7)

= 7.ln|x-2| + 5.ln|x+3| + 3.ln|x-7| + c.

____________________________________________________________________

(2) Q(x) besitzt auch mehrfache reelle Nullstellen: Q(x) = (x - x1)α.(x - x2)ß ...

(α + ß + ... = m) :

P(x)/ Q(x) = A1/ (x - x1) + A2/ (x - x1)² + Aα/ (x - x1)α +

+ B1/ (x - x2) + B2/ (x - x2)² + Bß/ (x - x2)ß + ...

Beispiel: Nullstellen: x=1 doppelt, x=2 einfach. ______________________________

(3) Q(x) lässt sich nicht ganz in lineare reelle Primfaktoren zerlegen (Außerhalb des

Kurses, aber zur Vollständigkeit):

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Für jeden quadratischen Primfaktor: (A0 + A1.x)/ (c0 + c1.x + c2.x²);

Für jeden kubischen Primfaktor: (A0 + A1.x + A2.x²)/ (c0 + c1.x + c2.x² + c3.x3); ... .

5.5-5 Integration mit Reihenentwicklung Läßt sich der Integrand f(x) im Integrationsbereich in eine konvergente Potenzreihe

{akxk} entwickeln, ist eine gliedweise Integration möglich

∫ dx. f(x) = a0. ∫ dx + a1. ∫ dx. x + a2. ∫ dx. x² + ...

Beispiel: ________________________________________________________________ z

∫ dx/ (1+x²) = ? 0

(i) f(x) = 1/(1+x²) = (1+u)-1 = f(u) mit u = x².

(ii) Entwickeln um den Nullpunkt der u-Achse: => f(u=0) = 1;

f'(u) = -(1+u)-² => f'(u=0) = -1;

f''(u) = 2. (1+u)-3 => f''(u=0) = 2 = 2!;

f(3)(u) = -2.3. (1+u)-4 => f(3)(u=0) = -3!;

f(n)(u) = (-1)n.n! (1+u)-(n+1) => f(n)(u=0) = (-1)n.n!;

(iii) Taylorreihe: f(u) = 1 + (-1). u/ 1! + 2!. u²/2! +...+(-1)n.n!. un/ n!

f(x) = 1 - u + u2 + ... + (-1)n. un => Geom. Reihe mit q = -u.

(iv) Nach Rücksubstitution:

f(x) = 1 - x² + x4 + ... + (-1)n. x2n z

(v) Daher: ∫ dx.f(x) = ∫ dx.1 - ∫ dx.x² + ∫ dx. x4 - ... + (-1)n .∫ dx. x2n

0

= z - z³/3 + z5/5 - ... + (-1)n.z2n+1/(2n+1).

(vi) Für |x| < 1 ist das die Reihenentwicklung von arctan z.

_________________________________________________________________________

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5.5-6 Uneigentliche Integrale „Uneigentlich“ heißt ein bestimmtes Integral, wenn zwar die Funktion f(x) für alle reel-

le x mit a ≤ x < b integrierbar ist, aber bei der oberen Grenze b Probleme auftreten. Ist der

Integrand f(x) an der unteren Grenze a unbeschränkt, dann drehen wir die Integrationsrich-

tung um und haben damit wieder den obigen Fall.

(1) „Uneigentlich 1. Art“ heißen alle Integrale mit unbeschränktem Integranden f(x): Es gilt

hier: b b-ε

(1a) ∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)], a ε→0 a

bzw.: b b

(1b) ∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)]. a ε→0 a+ε

Ist der Integrand f(x) in einem inneren Punkt c (a < c < b) unbeschränkt, zerlegt man

das Integrationsintervall in 2 Teile: [a, c- ε] und [c+ ε, b].

b c-ε b

∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)] + lim [∫ dx. f(x)]. a ε→0 a ε→0 c+ε

Beispiele: _____________________________________________________

________________________________________________________________________

Sollte einer oder beide Grenzwerte nicht existieren, kann trotzdem der so genannte

"Cauchy'sche Hauptwert" (HW) existieren, der dadurch erhalten wird, dass wir die beiden In-

tegrale zuerst koppeln und dann erst den Grenzwert bilden: b c-ε b

∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x) + ∫ dx. f(x)]. a ε→0 a c+ε

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Beispiel: _____________________________________________________

_____________________________________________________________________

(2) „Uneigentlich 2. Art“ heißen alle Integrale mit unbeschränktem Integrationsbereich B:

∞ b (2a) ∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)]

a b→∞ a

b b (2a) ∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)]

∞ a→∞ a

Sollte einer oder beide Grenzwerte nicht existieren, kann trotzdem der so genannte "Cau-

chy'sche Hauptwert" (HW) existieren, der durch Kopplung der Grenzwertbildungen erhalten

wird: b k

∫ dx. f(x) := lim [∫ dx. f(x)]. a k→∞ -k

Beispiel: _____________________________________________________

_______________________________________________________________

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5.5-7 Numerische Integration

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