5
Internist 2012 · 53:1114–1118 DOI 10.1007/s00108-012-3108-4 Online publiziert: 30. Juni 2012 © Springer-Verlag 2012 M. Jüch 1, 2  · J. Böttcher-Lorenz 3  · M. Groß 1 1  Abteilung für Internistische Intensivmedizin, Medizinische Klinik, Klinikum Schönebeck GmbH, Schönebeck 2    Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und  thorakale Onkologie, Lungenklinik Lostau gGmbH, Lostau 3  MVZ Labor Dessau GmbH, Dessau 76-jährige Hundehalterin  mit Fieber und Dyspnoe Anamnese Eine 76-jährige Patientin wurde unserer Klinik im Januar 2011 durch die Hausärz- tin zugewiesen. Seit dem Vortag bestan- den eine progrediente Dyspnoe bei leich- tester Belastung, produktiver Husten mit klarem Auswurf, Fieber und ein starkes allgemeines Krankheitsgefühl. Auslands- aufenthalte, Allergien und eine Schim- melpilzexposition wurden verneint. Die Patientin gab engen und regelmäßigen Kontakt zu dem im Haushalt lebenden Hund an. Eigenanamnestisch bekannt waren eine chronisch-obstruktive Bronchitis (“chronic obstructive pulmonary disease“, COPD) Grad II nach der Global Initiati- ve for Chronic Obstructive Lung Disea- se (GOLD) mit pulmonaler Hypertonie, eine koronare Herzerkrankung mit Zu- stand nach aortokoronarer Bypassopera- tion, ein paroxysmales Vorhofflimmern ohne orale Antikoagulanzienbehandlung, eine geringgradige Aortenklappensteno- se und eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention. Körperliche Untersuchung bei Aufnahme Die Patientin war bei der klinischen Untersuchung in schlechtem Allgemein- und in leicht übergewichtigem Ernäh- rungszustand (Größe: 1,67 m, Gewicht: 73 kg, Body-Mass-Index: 26,2 kg/m 2 ). Das Integument imponierte überwärmt und schweißig. Als Zeichen der pulmo- nalen Dekompensation bestanden eine Lippenzyanose und Tachypnoe (Atem- frequenz: 25/min). Der Blutdruck betrug 130/70 mmHg, die Herzfrequenz 130/min, die Körpertemperatur 39,5°C. Die puls- oxymetrisch gemessene periphere Sauer- stoffsättigung betrug 83%. Auskultato- risch fielen feinblasige Rasselgeräusche im Bereich des rechten pulmonalen Ober- felds und eine Klopfschalldämpfung auf. Die Herztöne waren rein, die Herzaktio- nen tachykard und arrhythmisch. Der Untersuchungsbefund des Ab- domens und der Extremitäten sowie der orientierende neurologische Status waren unauffällig. Basisdiagnostik Laboruntersuchungen Die relevanten zum Aufnahmezeitpunkt erhobenen Laborparameter einschließ- lich der arteriellen Blutgasanalyse sind in . Tab. 1 dargestellt. Röntgenuntersuchung In der Röntgenaufnahme des Thorax in a.-p.-Projektion zeigte sich eine dichte, flächige Verschattung des rechten Ober- lappens (Aufnahme im Bett, . Abb. 1). Begleitend fand sich ein Winkelerguss rechts. Tab. 1Relevante Laborparameter und arterielle Blutgasanalyse zum Aufnahmezeitpunkt Parameter Werte der Patientin Referenzbereich Leukozyten (10 9 /l) 8,1 4,0–10,0 Thrombozyten (10 9 /l) 128 150–300 Erythrozyten (10 12 /l) 4,19 4,1–5,1 Hämoglobin (g/dl) 12,6 12,0–15,5 International Normalized Ratio 1,41 Kreatinin (µmol/l) 254 44–80 Glomeruläre Filtrationsrate  (ml/min/1,73 m 2 ) 15,9 >90 C-reaktives Protein (mg/l) 282,9 0,0–5,0 Prokalzitonin (ng/ml) 363,0 0,0–0,5 pH-Wert 7,29 7,36–7,44 pO 2  (kPa) 7,2 9,5–13,9 pCO 2  (kPa) 7,6 4,8–5,9 HCO 3  (mmol/l) 27,4 20,0–27,0 „Base excess“ (mmol/l) −0,5 −2,5–+3,0 Laktat (mmol/l) 2,3 0,55–2,2 Rubrikherausgeber K. Werdan, Halle (Saale) 1114 | Der Internist 9 · 2012 Kasuistiken

76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

  • Upload
    m-gross

  • View
    216

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

Internist 2012 · 53:1114–1118DOI 10.1007/s00108-012-3108-4Online publiziert: 30. Juni 2012© Springer-Verlag 2012

M. Jüch1, 2 · J. Böttcher-Lorenz3 · M. Groß1

1 Abteilung für Internistische Intensivmedizin, Medizinische Klinik, Klinikum Schönebeck GmbH, Schönebeck2  Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und 

thorakale Onkologie, Lungenklinik Lostau gGmbH, Lostau3 MVZ Labor Dessau GmbH, Dessau

76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

Anamnese

Eine 76-jährige Patientin wurde unserer Klinik im Januar 2011 durch die Hausärz-tin zugewiesen. Seit dem Vortag bestan-den eine progrediente Dyspnoe bei leich-tester Belastung, produktiver Husten mit klarem Auswurf, Fieber und ein starkes allgemeines Krankheitsgefühl. Auslands-aufenthalte, Allergien und eine Schim-melpilzexposition wurden verneint. Die Patientin gab engen und regelmäßigen Kontakt zu dem im Haushalt lebenden Hund an.

Eigenanamnestisch bekannt waren eine chronisch-obstruktive Bronchitis (“chronic obstructive pulmonary disease“, COPD) Grad II nach der Global Initiati-ve for Chronic Obstructive Lung Disea-se (GOLD) mit pulmonaler Hypertonie, eine koronare Herzerkrankung mit Zu-stand nach aortokoronarer Bypassopera-tion, ein paroxysmales Vorhofflimmern ohne orale Antikoagulanzienbehandlung, eine geringgradige Aortenklappensteno-se und eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention.

Körperliche Untersuchung bei Aufnahme

Die Patientin war bei der klinischen Untersuchung in schlechtem Allgemein- und in leicht übergewichtigem Ernäh-rungszustand (Größe: 1,67 m, Gewicht: 73 kg, Body-Mass-Index: 26,2 kg/m2). Das Integument imponierte überwärmt und schweißig. Als Zeichen der pulmo-nalen Dekompensation bestanden eine

Lippenzyanose und Tachypnoe (Atem-frequenz: 25/min). Der Blutdruck betrug 130/70 mmHg, die Herzfrequenz 130/min, die Körpertemperatur 39,5°C. Die puls-oxymetrisch gemessene periphere Sauer-stoffsättigung betrug 83%. Auskultato-risch fielen feinblasige Rasselgeräusche im Bereich des rechten pulmonalen Ober-felds und eine Klopfschalldämpfung auf. Die Herztöne waren rein, die Herzaktio-nen tachykard und arrhythmisch.

Der Untersuchungsbefund des Ab-domens und der Extremitäten sowie der orientierende neurologische Status waren unauffällig.

Basisdiagnostik

Laboruntersuchungen

Die relevanten zum Aufnahmezeitpunkt erhobenen Laborparameter einschließ-lich der arteriellen Blutgasanalyse sind in . Tab. 1 dargestellt.

Röntgenuntersuchung

In der Röntgenaufnahme des Thorax in a.-p.-Projektion zeigte sich eine dichte, flächige Verschattung des rechten Ober-lappens (Aufnahme im Bett, . Abb. 1). Begleitend fand sich ein Winkelerguss rechts.

Tab. 1  Relevante Laborparameter und arterielle Blutgasanalyse zum Aufnahmezeitpunkt

Parameter Werte der Patientin Referenzbereich

Leukozyten (109/l) 8,1 4,0–10,0

Thrombozyten (109/l) 128 150–300

Erythrozyten (1012/l) 4,19 4,1–5,1

Hämoglobin (g/dl) 12,6 12,0–15,5

International Normalized Ratio 1,41  

Kreatinin (µmol/l) 254 44–80

Glomeruläre Filtrationsrate (ml/min/1,73 m2)

15,9 >90

C-reaktives Protein (mg/l) 282,9 0,0–5,0

Prokalzitonin (ng/ml) 363,0 0,0–0,5

pH-Wert 7,29 7,36–7,44

pO2 (kPa) 7,2 9,5–13,9

pCO2 (kPa) 7,6 4,8–5,9

HCO3 (mmol/l) 27,4 20,0–27,0

„Base excess“ (mmol/l) −0,5 −2,5–+3,0

Laktat (mmol/l) 2,3 0,55–2,2

RubrikherausgeberK. Werdan, Halle (Saale)

1114 |  Der Internist 9 · 2012

Kasuistiken

Page 2: 76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe
Page 3: 76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

Vorläufige Diagnose

F  Ambulant erworbene schwere Sepsis mit „acute respiratory distress syndro-me“ (ARDS) als Folge einer Oberlap-penpneumonie rechts

Therapie und Verlauf

Wir behandelten die respiratorisch schwer beeinträchtigte septische Patien-tin auf unserer internistischen Intensiv-station. Bei röntgenologisch nachgewie-sener Oberlappenpneumonie und Sep-sis leiteten wir nach Entnahme von 2 Paar Blutkulturen (aerob und anaerob) eine antibiotische Therapie mit Moxifloxacin i.v. ein. Es erfolgte eine durch den zent-ralen Venendruck gesteuerte Infusions-therapie mit Vollelektrolytlösungen. Bei zunehmender respiratorischer Erschöp-fung unter der zunächst eingeleiteten nichtinvasiven Beatmung im Continuous- positive-airway-pressure-Modus mit res-piratorischer Azidose infolge eines kom-binierten akuten Oxygenierungs- und Ventilationsversagens im Sinne eines ARDS (Horowitz-Index: 113 mmHg) ent-schieden wir uns zur orotrachealen In-

tubation und druckkontrollierten lun-genprotektiven Beatmung der Patientin. Bronchoskopisch ließ sich bei Nachweis einer akuten hämorrhagischen Tracheo-bronchitis aus dem rechten Oberlappen wenig glasiges Sekret mobilisieren.

Noch am Aufnahmetag kam es zur Kreislaufinstabilität im Sinne eines septi-schen Schocks, sodass die kontinuierliche Gabe von Noradrenalin und Dobutamin erforderlich wurde. Bei Anurie und einem weiteren Anstieg der Retentionsparame-ter als Ausdruck eines akuten Nierenver-sagens leiteten wir die kontinuierliche venovenöse Hämodialyse unter Antiko-agulation mit Kalziumzitrat ein. Trotz der genannten Maßnahmen ließ sich der Zustand der Patientin nicht stabilisieren; 22 h nach Aufnahme verstarb sie im sep-tischen Schock mit Multiorganversagen in unserer Klinik. Der dramatische klinische Verlauf ist in . Tab. 2 dargestellt.

Post mortem erreichte uns der mikro-biologische Befund der zum Aufnahme-zeitpunkt entnommenen Blutkulturen mit Nachweis von Pasteurella multocida in einer der beiden entnommenen an-aeroben Blutkulturen. Im Resistogramm war der Keim sensibel gegenüber Moxif-

loxacin. Nachforschungen beim Ehemann der Patientin ergaben, dass sie intensiven Kontakt mit dem im Haushalt lebenden Hund gehabt hatte. Biss- oder Kratzwun-den waren dem Ehemann nicht erinner-lich und auch in der Aufnahmeuntersu-chung nicht nachweisbar.

Abschließende Diagnose

F  Septischer Schock mit Multiorganver-sagen bei P.-multocida-Pneumonie

Diskussion

P. multocida ist ein gramnegatives, fakul-tativ anaerobes, kokkoides Bakterium, das Bestandteil der oropharyngealen Flo-ra von Hunden, Katzen, Schweinen sowie weiteren Haus- und Wildtieren ist [1]. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt fast ausschließlich im direkten Kontakt mit dem Tier durch Bisse, Kratzen, Bele-cken oder Küsse [2]. Allerdings ist auch eine Übertragung durch kontaminierte Aerosole von Tierexkrementen möglich [2, 3]. Im geschilderten Fall hatte die Pa-tientin engen Kontakt mit ihrem Hund, was das Belecken ihrer Hände und ihres

Tab. 2  Krankheitsverlauf anhand ausgewählter Vital- und Laborparameter sowie der durchgeführten Maßnahmen

Zeit nach Aufnahme (h) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22

Puls (/min) 130 125 103 113 132 118 112 117 134 138 170 0

Blutdruck systolisch (mmHg) 130 100 110 105 100 85 90 145 140 120 75  

Blutdruck diastolisch (mmHg) 70 50 50 55 45 40 50 55 70 55 35  

Maßnahmen Antibioti-kagabea

        ITN     CICA      

Nichtinvasive Beatmung (Continuous-positive- airway-pressure-Modus)

Druckkontrollierte invasive Beatmung CPR

Vollelektrolytlösungen 1000 ml 126 ml/h 168 ml/h

Dobutaminperfusor           5 µg/kgKG/min

Noradrenalinperfusor (µg/kgKG/min)           0,2   0,3 0,4  

Diurese (ml/h)   100   20   5   5   0    

Temperatur (°C) 39,5   38,8   38,9   37,0   36,6   37,2  

Leukozyten (109/l) 8,1       8              

Thrombozyten (109/l) 128       98              

Kreatinin (µmol/l) 254       317              

C-reaktives Protein (mg/l) 282,9       377,9              

Laktat (mmol/l) 2,3     2,5   2,8   2,7     1,9  

pH-Wert 7,34     7,27   7,20   7,33     7,29  

SaO2 (%) 88     82   87   91     83  

pCO2 (kPa) 7,6     8,0   7,5   6,5     7,6  

pO2 (kPa) 7,7     7,1   8,8   8,7     7,2  a 1. Gabe von Moxifloxacin i. v. CICA Kontinuierliche venovenöse Hämodialyse unter Antikoagulation mit Kalziumzitrat; ITN orotracheale Intubation; CPR kardiopulmonale Reanimation.

1116 |  Der Internist 9 · 2012

Kasuistiken

Page 4: 76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

Gesichts einschloss. Der Übertragungs-weg konnte nicht bewiesen werden, ist aber hochwahrscheinlich.

Eine Haut- und Weichteilinfektion mit starken Schmerzen, Erythem, Schwellung und Fieber ist die häufigste Manifestation einer Infektion mit P. multocida [4]. Am zweithäufigsten ist der Respirationstrakt betroffen. Seltene Manifestationen sind [4]:F  Meningitis,F  Peritonitis,F  Arthritis,F  Osteomyelitis undF  Endokarditis.

Im Respirationstrakt können neben Pneu-monien Pleuraempyeme und Lungenab-szesse sowie eine Rhinosinusitis, Epig-lottitis und Tracheobronchitis auftreten [5]. Wie auch im vorliegenden Fall haben ältere Patienten mit chronischen Erkran-kungen der Atemwege ein erhöhtes Risi-ko für das Auftreten von P.-multocida-as-soziierten Atemwegserkrankungen [3, 6]. Neben beruflich exponierten Personen, z. B. Landwirten, Tierpflegern und Tier-ärzten, zählen Patienten mit:F  fortgeschrittener Leberinsuffizienz,F  chronischen Atemwegserkrankungen,F  hämatologischen Grunderkrankun-

gen,F  Dialysepflichtigkeit,F  Zustand nach Splenektomie oderF  Immunsuppression

zur Risikogruppe [4, 7]. In >50% der Fälle kommt es bei P.-multocida-Pneumonien

zur Bakteriämie mit septischem Verlauf, die dann mit einer hohen Letalität von bis zu 30% behaftet ist [5].

»  Bei >50% der P.-multocida-Pneumonien kommt es zur Bakteriämie mit septischem Verlauf

Eine Leukozytose liegt nicht regelhaft vor, im Differenzialblutbild zeigt sich jedoch eine Linksverschiebung. Auch das C-re-aktive Protein war in den dokumentier-ten Fällen stets deutlich erhöht. Auch bei unserer Patientin nahm die Erkrankung einen fulminanten Verlauf mit letalem Ausgang. Obwohl sofort eine antibioti-sche Therapie eingeleitet wurde, die ret-rospektiv auch dem Resistogramm ent-sprach, verstarb die Frau innerhalb kür-zester Zeit. Eine das Immunsystem kom-promittierende Grunderkrankung oder immunsuppressive Therapie, die den Ver-lauf erklären könnte, war bei unserer Pa-tientin nicht bekannt.

Die mikrobiologische Diagnostik bzw. die Wertung mikrobiologischer Befunde von Atemwegserkrankungen durch P. multocida wird durch 2 Faktoren er-schwert. Einerseits lässt sich der Keim ins-besondere bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen als kommensaler Organismus des Respirationstrakts im Sputum nachweisen, ohne dass er beim symptomfreien Patienten behandlungsbe-dürftig wäre [1]. Andererseits kann es in der Bakterienkultur auf Blut- oder Scho-

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2012 · 53:1114–1118DOI 10.1007/s00108-012-3108-4© Springer-Verlag 2012

M. Jüch · J. Böttcher-Lorenz · M. Groß

76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

ZusammenfassungEine 76-jährige Patientin mit vorbestehen-der chronisch-obstruktiver Bronchitis wurde mit Dyspnoe, Fieber und produktivem Hus-ten vorstellig. Bei nachgewiesener Oberlap-penpneumonie erfolgte i.v. die antibiotische Therapie mit Moxifloxacin. Noch am Aufnah-metag stellte sich ein septischer Schock mit „ acute respiratory distress syndrome“ und  invasiver Beatmungspflichtigkeit, katechol-aminbedürftiger Kreislaufinstabilität sowie akutem dialysepflichtigem Nierenversagen ein. Die Patientin verstarb 22 h nach der sta-tionären Aufnahme am Multiorganversagen. Mikrobiologisch wurde in der aeroben Blut-kultur Pasteurella multocida  nachgewiesen. Die Übertragung erfolgte wahrscheinlich durch engen Kontakt mit dem im Haushalt lebenden Hund.

SchlüsselwörterBakterielle Pneumonie · Pasteurella-multocida-Bakteriämie · „Chronic obstructive pulmonary disease“ · Multiorganversagen · Zoonosen

A 76-year-old dog owner with fever and dyspnea

AbstractA 76-year-old female patient with chronic ob-structive pulmonary disease presented with dyspnea, fever and productive coughing. The chest X-ray revealed upper lobe  pneumonia. Intravenous antibiotic therapy with moxiflo-xacine was initiated but soon afterwards the patient developed septic shock with hypo-tension, acute respiratory and renal failure. Pressure-controlled ventilation, continuous veno-venous hemodialysis and administra-tion of catecholamines were initiated but the patient died 22 h after hospitalization due to multiple organ dysfunction syndrome. Micro-biology of blood cultures revealed Pasteurel-la multocida which was probably transmit-ted through close contact with the pet dog.

KeywordsPneumonia, bacterial · Pasteurella multocida bacteremia · Pulmonary disease, chronic obstructive · Multiple organ failure · Zoonoses

Abb. 1 9 Röntgenauf-nahme des Thorax in a.-p.-Projektion (Auf-nahme im Bett, lie-gend)

1117Der Internist 9 · 2012  | 

Page 5: 76-jährige Hundehalterin mit Fieber und Dyspnoe

koladenagar leicht zur Überwucherung durch weitere Keime des Respirations-trakts kommen. Ein Verwechslungsrisiko besteht für Haemophilus influenzae, Yer-sinia pestis und Francisella tularensis [8].

Das Antibiotikum der Wahl bei der Behandlung von Infektionen mit P. mul-tocida ist Penicillin G [1]. Bei Penicil-linresistenz stellen Cephalosporine der zweiten und dritten Generation, Fluor-chinolone oder Tetrazykline eine Alter-native dar [1]. Kritisch diskutiert werden muss im vorliegenden Fall die Wahl des antibiotischen Therapieregimes. Gewählt wurde Moxi floxacin als empfohlenes Al-ternativantibiotikum in der Therapie der schweren ambulant erworbenen Pneumo-nie ohne Risikofaktoren für Pseudomonas aeruginosa [9] sowie unter Berücksichti-gung des lokalen Erreger- und Resistenz-spektrums. Die Leitlinie der Deutschen Sepsis-Gesellschaft empfiehlt bei am-bulant erworbener pneumogener Sepsis eine antibiotische Kombinationstherapie mit β-Laktamantibiotika und Makroliden [10]. Diese leitlinienkonforme Empfeh-lung wäre im konkreten Fall zu bevorzu-gen gewesen – das Bakterium wäre auch gegen die gängigen β-Laktamantibiotika sensibel gewesen. Jedoch hätte dies retro-spektiv den Krankheitsverlauf nicht güns-tiger beeinflusst.

Neben der Therapie einer P.- multocida-Infektion ist ein besonderes Augenmerk auf die Prävention bei Immunsuppri-mierten und Patienten mit hämatologi-schen sowie chronischen Lungen-, Leber- und Nierenerkrankungen zu legen. Diese Risikogruppen sollten den engen kör-perlichen Kontakt zu Haustieren sowie Kratz- und Bissverletzungen meiden. Bei entsprechender Symptomatik ist eine ge-zielte Anamnese zu erheben und die Mög-lichkeit einer P.-multocida-Zoonose in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen.

Eine Eradikationstherapie ist bei be-troffenen asymptomatischen Haustieren nicht sinnvoll. Lediglich symptomatische Atemwegsinfekte, insbesondere bei Nutz-tieren, werden mit Ceftiofur, Florfenicol oder Amoxicillin/Clavulansäure thera-piert. Bei Hunden und Katzen treten le-diglich Resistenzen gegen Sulfamethoxa-zol in nennenswertem Umfang auf [11].

Fazit für die Praxis

Patienten mit COPD haben ein erhöhtes Risiko für schwere Pneumonien mit aty-pischen Erregern. Bei entsprechender Anamnese sollten daher auch Zoonosen, wie die durch engen Kontakt mit Katzen und Hunden übertragbare Infektion mit P. multocida, in den differenzialdiagnos-tischen Überlegungen und bei Therapie-entscheidungen berücksichtigt werden. Im Rahmen der Expositionsprophylaxe sollten Risikopatienten den engen kör-perlichen Kontakt zu Haustieren meiden.

Korrespondenzadresse

Dr. M. JüchKlinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und thorakale Onkologie, Lungenklinik Lostau gGmbHLindenstr. 2, 39291 Lostaum.juech@lungenklinik- lostau.de

Danksagung.  Die Autoren bedanken sich bei Herrn Prof. Dr. med. vet. Peter Valentin-Weigand (Institut für Mikrobiologie, Zentrum für Infektionsmedizin, Tierärzt-liche Hochschule Hannover) für die veterinärmedizi-nisch-infektiologische Beratung.

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

  1.  Zurlo JJ (2005) Pasteurella species. In: Mandell GL, Douglas RG, Bennet GE (Hrsg) Principles and prac-tice of infectious diseases. Churchill Livingstone, New York, S 2687–2691

  2.  Raffi F, Barrier J, Baron D et al (1987) Pasteurel-la multocida bacteremia: report of thirteen ca-ses over twelve years and review of the literature. Scand J Infect Dis 19:385–393

  3.  Hubbert WT, Rosen MN (1970) Pasteurella multoci-da infections. II. Pasteurella multocida infection in man unrelated to animal bite. Am J Public Health Nations Health 60:1109–1117

  4.  Weber DJ, Wolfson JS, Swartz MN et al (1984) Pas-teurella multocida infections. Report of 34 cases and review of the literature. Medicine (Baltimore) 63:133–154

  5.  Klein NC, Cunha BA (1997) Pasteurella multocida pneumonia. Semin Respir Infect 12:54–56

  6.  Kofteridis DP, Christofaki M, Mantadakis E et al (2009) Bacteremic community-acquired pneumo-nia due to Pasteurella multocida. Int J Infect Dis 13:e81–e83

  7.  Tseng HK, Su SC, Liu CP et al (2001) Pasteurella multocida bacteremia due to non-bite animal ex-posure in cirrhotic patients: report of two cases. J Microbiol Immunol Infect 34:293–296

  8.  Donnio PY, Lerestif-Gautier AL, Avril JL (2004) Cha-racterization of Pasteurella spp. strains isolated from human infections. J Comp Pathol 130:137–142

  9.  Höffken G, Lorenz J, Kern W et al (2009) Epidemio-logie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit am-bulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie: S3-Leitli-nie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemothera-pie, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, der Deutschen Gesell-schaft für Infektiologie und vom Kompetenznetz-werk CAPNETZ. Pneumologie 63:e1–e68

10.  Reinhart K, Brunkhorst FM, Bone HG et al (2010) Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis: 1. Revision der S2k-Leitlinien der Deut-schen Sepsis-Gesellschaft e. V. (DSG) und der Deut-schen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Intensivmed Notfallmed 47:185–207

11.  Schwarz S, Alešik E, Grobbel M et al (2007) An-timicrobial susceptibility of Pasteurella multoci-da and Bordetella bronchiseptica from dogs and cats as determined in the BfT-GermVet monito-ring program 2004–2006. Berl Munch Tierarztl  Wochenschr 120:423–430

1118 |  Der Internist 9 · 2012

Kasuistiken