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WELT AM SONNTAG NR. 32 7. AUGUST 2016 58 KUNSTMARKT E rst einmal muss man die Übelkeit loswer- den. Nach der mühe- vollen Fahrt durch die Eifel ist man seekrank. Die Fahrt nach Weidin- gen, wo der Berliner Galerist Max Hetzler zu seiner Som- merausstellung einlädt, führt von einer Serpentine in die nächste, bis man end- lich da ist. Und dann fällt der erste Blick auf Albert Oehlen. Der Maler blickt an- gestrengt in die Kamera. Ein Fotograf hat ihn ungelenk vor die Hauswand der Ausstellungshalle gestellt, direkt neben ein Bronzerelief von Günther Förg. Ob es die Nähe zu dem massiven, kalt-brau- nen Metall seines Kollegen ist, das den Künstler irritiert oder schlicht, dass er sich einfach nicht gern exponiert? Heute aber steht Oehlen im Zentrum der Aufmerksamkeit – allerdings nicht wie in den vergangenen Monaten in New York, wo er mit einer Retrospekti- ve im New Museum geehrt wurde, oder auch in München, wo das Haus der Kunst ihn als „Genialen Dilettanten“ feierte, sondern in dem 208-Einwohner- Dorf in der Südeifel irgendwo zwischen Trier und Bonn. Weidingen. Seit zehn Jahren zieht sich Max Hetzler im Sommer hierher zurück, um Ausstellungen seiner Künst- lerinnen und Künstler zu zeigen. Jedes Jahr im August, immer für vier Wochen. Dann stehen auf dem kleinen Parkplatz vor dem Gemeindehaus gegenüber der Pfarrkirche neben pferdestarken Karos- sen schwachbrüstige Mietwagen mit Kennzeichen aus Köln und Düsseldorf, Berlin, Frankfurt und München oder aus dem benachbarten Ausland, aus Luxemburg und den Niederlanden, aus Belgien oder Frankreich. Normalerweise widmet Hetzler seine Sommerschau nur einem Künstler, doch in diesem Jahr gibt es einen weiteren Grund zur Anreise. Hetzler hat die Bi- bliothek des vor drei Jahren verstorbe- nen Günther Förg gekauft und für diese ein eigenes Haus bauen lassen. Mit seiner Stiftung und der Idee, Kunst auf dem Land zu zeigen, ist Max Hetzler nicht allein. Seit vielen Jahren gibt es im schwarzwäldischen St. Georgen den Kunstraum der Sammler- Familie Grässlin oder auch die auf Foto- grafie und Videokunst spezialisierte Walther Collection im schwäbischen Burlafingen. Doch Weidingen ist an- ders, familiärer. Am Eröffnungswochen- ende findet sich die große Hetzler-Fa- milie samt Anhang ein. Gerold Herold und Darren Almond, Inge Mahn und To- by Ziegler, Künstler, die wie Albert Oeh- len normalerweise auf internationalem Kunstparkett anzutreffen sind. Sie alle kommen, um die entspannte Atmosphä- re im hetzlerschen Garten zu genießen, mit Pflaumenkuchen und Filterkaffee, Spanferkel und Bier. Kunst in Weidingen ist für viele ein Bestandteil des Sommer-Kunstkalen- ders. Der Berliner und Aachener Samm- ler Wilhelm Schürmann versäumt keine Eröffnung. Ebenso wie der Verleger Be- nedikt Taschen, der Vorsitzende der Maria-Lassnig-Stiftung Peter Pakesch. Und für die rheinische Kunstszene ist es natürlich ein Heimspiel. Galeristen, Sammler, Kuratoren aus Köln und Düs- seldorf stehen in kleinen Grüppchen im Garten. Die kleine Gemeinde ist für kurze Zeit nicht mehr nur Anlaufstelle für Katholiken in Pilgerlaune, die in der Wallfahrtskirche Maria Trösterin auf Wunderkräfte hoffen. Wie kommt ein Berliner Galerist da- zu, in der Südeifel ein Sommerpro- gramm zu machen? Aus Sentimentali- tät? Max Hetzler hat eigentlich schwä- bische Wurzeln, seine beruflichen Sta- tionen führten ihn über Stuttgart und Köln, bevor er im Jahr 1994 in das zu- kunftsweisende Berlin ging. Von einer biografischen Eifelbeziehung weit und breit also keine Spur. Die Geschichte ist prosaischer. Es war der Architekt Os- wald Mathias Ungers, der auf einer Rei- se durch seine Eifler Heimat ein histori- sches Wohnhaus mit angebauter Stallung entdeckte. Ungers ver- liebte sich in die gelun- genen Proportionen des Gebäudes in der Gartenstraße 32 und kaufte es samt großem Grundstück. Ein histo- risches Landhaus, idyl- lisch gelegen mitten im Dorf, auf einer weiten Wiese mit Obstbäumen und umgeben von Wei- zen- und Maisfeldern – da können selbst schwer gestresste Städ- ter schnell abschalten. Als Ungers sich von dem Landsitz trennen wollte, bot er ihn sei- nem Freund Max Hetz- ler an. Der griff zu – und so entstand die „Kunst in Weidingen“. Hetzler gründete eine Stif- tung zur „Förderung zeitgenössischer Kunst in Weidingen“. Ganz offiziell. „Kunst in Weidingen“ ist heute ein stetig wachsendes Kunst- und auch Ar- chitektur-Projekt. Hetzler gab sich nicht mit dem alten Haus zufrieden – er expandierte, um seinen Künstlern ein modernes Ausstellungsambiente zu bie- ten. Nach und nach wurden drei Gebäu- de hinzugefügt – die Ausstellungshalle, das Gästehaus und die Bibliothek Gün- ther Förg. Die grüne Wiese machte er zum Spielfeld für Skulpturen. Ernesto Netos rostige Steckblumen lagern im Eingang des Grundstücks, Ida Ekblads beschwingt gebogene Metallteile stehen zwischen den Obstbäumen, allen die Schau aber stiehlt Rebecca Warrens ho- he, aufgesockelte Bronzeskulptur. 2008 wurde das Ausstellungshaus fertiggestellt. Die reduzierten klaren Formen des Gebäudes mit den riesigen verglasten Türen und einer Fassade aus Holzleisten erinnern an eine Feldscheu- ne. In diesem tageslichtüberfluteten, fünf Meter hohen Raum breiteten be- reits André Butzer, Gerold Herold und Thomas Struth ihre Werke aus. Entwor- fen wurde das preisgekrönte Gebäude wie auch das Gästehaus und das Biblio- theksgebäude von der Trierer Architek- tin Anja Axt von Axt-Architekten. Sie lehnte sich an die eifeltypische Bauwei- se an. Die Gebäude sehen aus, als hätten sie keine Wimpern, weil die klassischen Dachüberstände fehlen. Auch die Förg- Bibliothek folgt dieser Idee. Insgesamt hatte Günther Förg drei Bibliotheken, eine an jedem Wohn- und Arbeitsort in München, Freiburg und im schweizerischen Neuchâtel. Max Hetz- ler kaufte die Neuchâteler Bibliothek mit rund 3000 Bänden. Interessiert hat sich der Maler großformatiger Gitter- bilder und effektvoller Lichtstimmun- gen für das 20. Jahrhundert. „Es ist ein breites Spektrum aus Architektur, Film, Malerei und Design“, sagt Michael Neff, ehemaliger Galerist und Betreuer des künstlerischen Nachlasses von Förg. Was die Bibliothek für Wissenschaftler interessant macht, sind die „Vertiefun- gen“. Wenn Förg ein Thema für seine ei- gene Arbeit besonders wichtig gewesen sei, habe er alles erworben, was es gab. Besonders beeindruckend sei das bei Paul Klee, Edvard Munch oder Jackson Pollock, seinen „Steckenpferden“. Hat- te Förg seine Bestände alphabetisch ge- ordnet, so folgt Weidingen einer chro- nologischen Aufstellung. „Das hätte ihm gefallen“, sagt Neff. Sicher auch, dass auf der Rückseite des Gebäudes ei- ne förgsche Wandmalerei in Gelb-Weiß angebracht wurde. Wer aber reist in die Eifel, um dieses Archiv zu studieren? Die Bibliothek ist als Hommage an den verstorbenen Künstler zu verstehen. Vielleicht auch als letz- te Ehre, schließlich steht das Gebäude auf einem ehemals kirchli- chen Grundstück, das eigentlich zu einem Friedhof ausgebaut werden sollte. Albert Oehlen hat sich entschieden, im Ausstellungshaus nur eine Arbeit zu zeigen – das dreiteilige Gemälde „Rock“ aus dem Jahr 2009. Ursprünglich wollte er für den Raum ein Werk mit Licht ma- chen. „Doch irgendwie passt das nicht zu Wei- dingen“, sagt er. Ein Blick auf die sinnlich schwingende Malerei genügt, um zu sehen: Der Künstler hat sich in die Welt der Gefühle verliebt. Das ist nur folgerichtig für einen Künst- ler, der gern von sich behauptet, „nichts zu verstehen“. Was kokett klingt, entwi- ckelte er doch in seiner Malerei stetig weiter, auf seinem Weg vom Punk zum Klassiker. Bild-Provokationen wie „Selbstporträt mit verschissener Unter- hose und blauer Mauritius“ wurden sel- tener, Oehlen experimentiert mit neuen Maltechniken, nennt seine Gemälde heute „postungegenständlich“. „Help I’m a rock“ steht über einem Frauengesicht von „Rock“. Das ist der Titel eines Songs von Frank Zappa – ein Schrei nach Emotionen. Das war 1966, damals war Oehlen zwölf Jahre alt. Und irgendwie drehen sich in Weidingen plötzlich die Gespräche um Musik. Max Hetzler erinnert sich an seine Zappa- Zeit, der schwedische Jazzsaxofonist Mats Gustafsson improvisiert lange Stücke vor „Rock“. Die dissonanten Tö- ne drängen aus der Ausstellungshalle ins Freie. An diesem Tag finden die missgünstigen Klatsch- und Tratschge- schichten, die üblicherweise gern auf Vernissagen erzählt werden, keinen Re- sonanzraum. Sollten da die Eifler Zwer- ge ihre Mützen im Spiel haben? Diese kleinen Wichte, die der Legende nach für gute Laune sorgen, indem sie zarte Melodien auf silbernen Pfeifchen spie- len? T Kunst in Weidingen, Weidingen/ Südeifel, Gartenstraße 32; bis 28. Au- gust, täglich 13 bis 19 Uhr Kunst kennt keine SOMMERPAUSE Der Berliner Galerist Max Hetzler expandiert – in der Eifel. Dort setzt er Günther Förg ein Denkmal und lässt Albert Oehlen zu Pflaumenkuchen rocken Wer hätte gedacht, dass Frank Zappa es bis Weidingen schafft. In Albert Oehlens Gemälde „Rock“ ist der bühnengewaltige Musiker nun in der Eifel angekommen © ALBERT OEHLEN/COURTESY GALERIE MAX HETZLER VON CHRISTIANE HOFFMANS Wahl-Eifler Max Hetzler Die neue Bibliothek für den 2013 verstorbenen Künstler Günther Förg

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58 07.08.16 7. AUGUST 2016 WSBE-VP1BELICHTERFREIGABE: --ZEIT:::BELICHTER: FARBE:

WELT AM SONNTAG NR. 32 7. AUGUST 201658 KUNSTMARKT

E rst einmal muss mandie Übelkeit loswer-den. Nach der mühe-vollen Fahrt durch dieEifel ist man seekrank.Die Fahrt nach Weidin-gen, wo der Berliner

Galerist Max Hetzler zu seiner Som-merausstellung einlädt, führt von einerSerpentine in die nächste, bis man end-lich da ist. Und dann fällt der erste Blick

auf Albert Oehlen. Der Maler blickt an-gestrengt in die Kamera. Ein Fotografhat ihn ungelenk vor die Hauswand derAusstellungshalle gestellt, direkt nebenein Bronzerelief von Günther Förg. Obes die Nähe zu dem massiven, kalt-brau-nen Metall seines Kollegen ist, das denKünstler irritiert oder schlicht, dass ersich einfach nicht gern exponiert?

Heute aber steht Oehlen im Zentrumder Aufmerksamkeit – allerdings nichtwie in den vergangenen Monaten inNew York, wo er mit einer Retrospekti-ve im New Museum geehrt wurde, oderauch in München, wo das Haus der

Kunst ihn als „Genialen Dilettanten“feierte, sondern in dem 208-Einwohner-Dorf in der Südeifel irgendwo zwischenTrier und Bonn.

Weidingen. Seit zehn Jahren ziehtsich Max Hetzler im Sommer hierherzurück, um Ausstellungen seiner Künst-lerinnen und Künstler zu zeigen. JedesJahr im August, immer für vier Wochen.Dann stehen auf dem kleinen Parkplatzvor dem Gemeindehaus gegenüber derPfarrkirche neben pferdestarken Karos-sen schwachbrüstige Mietwagen mitKennzeichen aus Köln und Düsseldorf,Berlin, Frankfurt und München oderaus dem benachbarten Ausland, ausLuxemburg und den Niederlanden, ausBelgien oder Frankreich.

Normalerweise widmet Hetzler seineSommerschau nur einem Künstler, dochin diesem Jahr gibt es einen weiterenGrund zur Anreise. Hetzler hat die Bi-bliothek des vor drei Jahren verstorbe-nen Günther Förg gekauft und für dieseein eigenes Haus bauen lassen.

Mit seiner Stiftung und der Idee,Kunst auf dem Land zu zeigen, ist MaxHetzler nicht allein. Seit vielen Jahrengibt es im schwarzwäldischen St.

Georgen den Kunstraum der Sammler-Familie Grässlin oder auch die auf Foto-grafie und Videokunst spezialisierteWalther Collection im schwäbischenBurlafingen. Doch Weidingen ist an-ders, familiärer. Am Eröffnungswochen-ende findet sich die große Hetzler-Fa-milie samt Anhang ein. Gerold Heroldund Darren Almond, Inge Mahn und To-by Ziegler, Künstler, die wie Albert Oeh-len normalerweise auf internationalemKunstparkett anzutreffen sind. Sie allekommen, um die entspannte Atmosphä-re im hetzlerschen Garten zu genießen,mit Pflaumenkuchen und Filterkaffee,Spanferkel und Bier.

Kunst in Weidingen ist für viele einBestandteil des Sommer-Kunstkalen-ders. Der Berliner und Aachener Samm-ler Wilhelm Schürmann versäumt keineEröffnung. Ebenso wie der Verleger Be-nedikt Taschen, der Vorsitzende derMaria-Lassnig-Stiftung Peter Pakesch.Und für die rheinische Kunstszene ist esnatürlich ein Heimspiel. Galeristen,Sammler, Kuratoren aus Köln und Düs-seldorf stehen in kleinen Grüppchen imGarten. Die kleine Gemeinde ist fürkurze Zeit nicht mehr nur Anlaufstelle

für Katholiken in Pilgerlaune, die in derWallfahrtskirche Maria Trösterin aufWunderkräfte hoffen.

Wie kommt ein Berliner Galerist da-zu, in der Südeifel ein Sommerpro-gramm zu machen? Aus Sentimentali-tät? Max Hetzler hat eigentlich schwä-bische Wurzeln, seine beruflichen Sta-tionen führten ihn über Stuttgart undKöln, bevor er im Jahr 1994 in das zu-kunftsweisende Berlin ging. Von einerbiografischen Eifelbeziehung weit undbreit also keine Spur. Die Geschichte istprosaischer. Es war der Architekt Os-wald Mathias Ungers, der auf einer Rei-se durch seine Eifler Heimat ein histori-sches Wohnhaus mitangebauter Stallungentdeckte. Ungers ver-liebte sich in die gelun-genen Proportionendes Gebäudes in derGartenstraße 32 undkaufte es samt großemGrundstück. Ein histo-risches Landhaus, idyl-lisch gelegen mitten imDorf, auf einer weitenWiese mit Obstbäumenund umgeben von Wei-zen- und Maisfeldern –da können selbstschwer gestresste Städ-ter schnell abschalten.

Als Ungers sich vondem Landsitz trennenwollte, bot er ihn sei-nem Freund Max Hetz-ler an. Der griff zu – undso entstand die „Kunst inWeidingen“. Hetzler gründete eine Stif-tung zur „Förderung zeitgenössischerKunst in Weidingen“. Ganz offiziell.

„Kunst in Weidingen“ ist heute einstetig wachsendes Kunst- und auch Ar-chitektur-Projekt. Hetzler gab sichnicht mit dem alten Haus zufrieden – erexpandierte, um seinen Künstlern einmodernes Ausstellungsambiente zu bie-ten. Nach und nach wurden drei Gebäu-de hinzugefügt – die Ausstellungshalle,das Gästehaus und die Bibliothek Gün-ther Förg. Die grüne Wiese machte erzum Spielfeld für Skulpturen. ErnestoNetos rostige Steckblumen lagern imEingang des Grundstücks, Ida Ekbladsbeschwingt gebogene Metallteile stehenzwischen den Obstbäumen, allen dieSchau aber stiehlt Rebecca Warrens ho-he, aufgesockelte Bronzeskulptur.

2008 wurde das Ausstellungshausfertiggestellt. Die reduzierten klarenFormen des Gebäudes mit den riesigenverglasten Türen und einer Fassade ausHolzleisten erinnern an eine Feldscheu-ne. In diesem tageslichtüberfluteten,fünf Meter hohen Raum breiteten be-reits André Butzer, Gerold Herold undThomas Struth ihre Werke aus. Entwor-fen wurde das preisgekrönte Gebäudewie auch das Gästehaus und das Biblio-theksgebäude von der Trierer Architek-tin Anja Axt von Axt-Architekten. Sielehnte sich an die eifeltypische Bauwei-se an. Die Gebäude sehen aus, als hättensie keine Wimpern, weil die klassischenDachüberstände fehlen. Auch die Förg-Bibliothek folgt dieser Idee.

Insgesamt hatte Günther Förg dreiBibliotheken, eine an jedem Wohn- undArbeitsort in München, Freiburg und imschweizerischen Neuchâtel. Max Hetz-ler kaufte die Neuchâteler Bibliothekmit rund 3000 Bänden. Interessiert hatsich der Maler großformatiger Gitter-bilder und effektvoller Lichtstimmun-gen für das 20. Jahrhundert. „Es ist einbreites Spektrum aus Architektur, Film,Malerei und Design“, sagt Michael Neff,ehemaliger Galerist und Betreuer deskünstlerischen Nachlasses von Förg.Was die Bibliothek für Wissenschaftlerinteressant macht, sind die „Vertiefun-

gen“. Wenn Förg ein Thema für seine ei-gene Arbeit besonders wichtig gewesensei, habe er alles erworben, was es gab.Besonders beeindruckend sei das beiPaul Klee, Edvard Munch oder JacksonPollock, seinen „Steckenpferden“. Hat-te Förg seine Bestände alphabetisch ge-ordnet, so folgt Weidingen einer chro-nologischen Aufstellung. „Das hätteihm gefallen“, sagt Neff. Sicher auch,dass auf der Rückseite des Gebäudes ei-ne förgsche Wandmalerei in Gelb-Weißangebracht wurde. Wer aber reist in dieEifel, um dieses Archiv zu studieren?Die Bibliothek ist als Hommage an denverstorbenen Künstler zu verstehen.

Vielleicht auch als letz-te Ehre, schließlichsteht das Gebäude aufeinem ehemals kirchli-chen Grundstück, daseigentlich zu einemFriedhof ausgebautwerden sollte.

Albert Oehlen hatsich entschieden, imAusstellungshaus nureine Arbeit zu zeigen –das dreiteilige Gemälde„Rock“ aus dem Jahr2009. Ursprünglichwollte er für den Raumein Werk mit Licht ma-chen. „Doch irgendwiepasst das nicht zu Wei-dingen“, sagt er.

Ein Blick auf diesinnlich schwingendeMalerei genügt, um zu

sehen: Der Künstler hatsich in die Welt der Gefühle verliebt.Das ist nur folgerichtig für einen Künst-ler, der gern von sich behauptet, „nichtszu verstehen“. Was kokett klingt, entwi-ckelte er doch in seiner Malerei stetigweiter, auf seinem Weg vom Punk zumKlassiker. Bild-Provokationen wie„Selbstporträt mit verschissener Unter-hose und blauer Mauritius“ wurden sel-tener, Oehlen experimentiert mit neuenMaltechniken, nennt seine Gemäldeheute „postungegenständlich“.

„Help I’m a rock“ steht über einemFrauengesicht von „Rock“. Das ist derTitel eines Songs von Frank Zappa – einSchrei nach Emotionen. Das war 1966,damals war Oehlen zwölf Jahre alt. Undirgendwie drehen sich in Weidingenplötzlich die Gespräche um Musik. MaxHetzler erinnert sich an seine Zappa-Zeit, der schwedische JazzsaxofonistMats Gustafsson improvisiert langeStücke vor „Rock“. Die dissonanten Tö-ne drängen aus der Ausstellungshalleins Freie. An diesem Tag finden diemissgünstigen Klatsch- und Tratschge-schichten, die üblicherweise gern aufVernissagen erzählt werden, keinen Re-sonanzraum. Sollten da die Eifler Zwer-ge ihre Mützen im Spiel haben? Diesekleinen Wichte, die der Legende nachfür gute Laune sorgen, indem sie zarteMelodien auf silbernen Pfeifchen spie-len?

T Kunst in Weidingen, Weidingen/Südeifel, Gartenstraße 32; bis 28. Au-gust, täglich 13 bis 19 Uhr

Kunst kennt keine SOMMERPAUSE Der Berliner Galerist Max Hetzlerexpandiert – in derEifel. Dort setzt erGünther Förg einDenkmal und lässtAlbert Oehlen zuPflaumenkuchenrocken

Wer hätte gedacht, dass Frank Zappa es bis Weidingen schafft. In Albert Oehlens Gemälde „Rock“ ist der bühnengewaltige Musiker nun in der Eifel angekommen © ALBERT OEHLEN/COURTESY GALERIE MAX HETZLER

VON CHRISTIANE HOFFMANS

Wahl-Eifler Max Hetzler

Die neue Bibliothek für den 2013 verstorbenen Künstler Günther Förg