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??? | KEH-Report Seite 1 Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité KEH REPORT EPILEPSIE Das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg | Seite 4 Klassifikation der Epilepsien | Seite 7 DIAGNOSTIK, THERAPIE 5 | August 2006

Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité KEH REPORT · Wort »epilambanein« ab, das soviel wie »packen, anfallen« be-deutet. Epilepsie heißt also »Anfall« oder »Anfallkrankheit«

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??? | KEH-Report Seite 1

Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité

KEH REPORT

EPILEPSIE

Das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg | Seite 4

Klassifikation der Epilepsien | Seite 7

DIAGNOSTIK, THERAPIE

5 | August 2006

Gefäßzentrum Berlin Angiologie/Kardiologie 1 CA: Prof. Dr. Karl-Ludwig Schulte 54 72-37 01 1 Station IN 1/IN 2 54 72-37 50/60 3 Station ITS 2 54 72-37 45 103 Angiologie 54 72-36 20

Gastroenterologie/Infektiologie/ Nephrologie 1 CA: PD Dr. Walter Heise 54 72-37 05 1 Station IN 1 54 72-37 50 5 Station IN 3 54 72-34 40 3 Station IN 4, Station Dialyse 54 72-37 80/90 103 Endoskopie 54 72- 37 27

Gefäßchirurgie 103 Chefarzt: PD Dr. Hans Scholz 54 72-47 01 5 Station CHG 1 54 72-34 20

Neurologie 3 CA: PD Dr. Hans-Christian Koennecke 54 72-42 01 3 Station NE 1 54 72-42 10 3 Station NE 2 54 72-42 20

Anästhesiologie und Intensivmedizin 5 CA: Dr. Reinhard Karrenberg 54 72-32 01 105 Station ITS 1 54 72-32 03

Chirurgie 105 CA: Dr. Georg Decker 54 72-34 01 5 Station CH 1 54 72-34 30 5 Station CH 2 54 72-34 40

Urologie 105 CA: Prof. Dr. Peter Althaus 54 72- 46 01 5 Station UR 1 54 72- 46 20

Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg Epileptologie und Institut für Diagnostik der Epilepsien gGmbH Medizinischer Direktor: Prof. Dr. Heinz-Joachim Meencke 54 72-35 01 4 Station EP 1 54 72-35 13 4 Station EP 2 54 72-35 22 4 Station EP 3 54 72-35 30 4 Ambulanz 54 72-35 03

Psychiatrie u. Psychotherapie des Kindes- u. Jugendalters 7 CÄ: Dr. Kamilla Körner-Köbele 54 72-38 01 7 Station KP 1 54 72-38 40 7 Station KP 2/Tagesklinik 54 72-38 50 19 Institutsambulanz 54 72-38 15

Psychiatrie und Psychotherapie 6 CA: Prof. Dr. Albert Diefenbacher, MBA 54 72-48 01 8 Station P 1 54 72-58 30 8 Station P 2 54 72-58 50 6 Station P 5 54 72-48 20 6 Station P 6 54 72-48 30 6 Station P 9 54 72-48 40 6 Station P 10 54 72-48 50 9 Station P 7/P 8 54 72-49 03/02 Behandlungszentrum für psychisch kranke Menschen mit geistiger Be hinderung 54 72-49 16 52 Institutsambulanz 55 49-04 85 52 Tagesklinik Herzbergstraße 55 49-04 25 – Tagesklinik Boxhagener Straße 29 66-84 85

GeschäftsführungVorsitzender Geschäftsführer: Dr. Rainer NordenTelefon 54 72- 21 00Telefax 54 72- 21 [email protected]

Theologischer Geschäftsführer:Pastor Dr. Johannes FeldmannTelefon 54 72- 21 21Telefax 54 72 - 21 [email protected]

Krankenhaus-BetriebsleitungProkurist und Kaufmännischer Direktor:Michael MielkeTelefon 54 72- 25 00Telefax 54 72- 29 [email protected]

Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Karl-Ludwig SchulteTelefon 54 72- 37 00Telefax 54 72- 37 [email protected]

Stellvertretender Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Albert Diefenbacher, MBATelefon 54 72- 48 01Telefax 54 72 - 29 [email protected]

Stellvertretender Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Heinz-Joachim MeenckeTelefon 54 72- 35 01Telefax 54 72 - 35 [email protected]

Pflegedirektorin: Dipl.-Med. Päd. Birgit RichterTelefon 54 72- 21 10Telefax 54 72- 21 [email protected]

Leiter Stabsstelle Theologie und Seelsorge:Pfarrer Winfried BöttlerTelefon 54 72- 21 23Telefax 54 72- 21 [email protected]

SeelsorgePfarrerin R. Schulz (Somatik) Telefon 54 72-50 54Frau E. Krafft (Psychiatrie) Telefon 54 72-50 50

Evangelisches KrankenhausKönigin Elisabeth Herzberge gGmbH

Herzbergstraße 79, 10365 BerlinTelefon (030) 54 72-0Telefax (030) 54 72- 20 00www.keh-berlin.de; [email protected]

Erste Hilfe/Notaufnahme 54 72-30 02

Zentrale Aufnahme 54 72-30 01

Ambulantes Zentrum 54 72-30 20 (Ambulanzen, D-Arzt, vor- und nachstationäre Untersuchungen)

Haus Abteilung/Station Telefon

KEH-Report | KontaktSeite 2

Liebe Leserinnen und Leser,

»Epilepsie ist ... die durch Vorurteile am stärksten diskredi-tierte Krankheit. Ihre Häufigkeit und ihr Stigma machen Epilepsie zu einem sozialmedizinischen Problem ersten Ranges.«

Epilepsie-Bericht, 1998

Reiner HeekerenVorsitzender des Aufsichtsrates,Stellv. Vorstands-vorsitzender der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel

Inhalt

Kontakt 2

Editorial 3

Das Epilepsie-Zentrum 4 - 6Berlin-Brandenburg

Klassifikation der Epilepsien 7 - 8

Diagnostik 9 - 11

Medikamentöse 12 - 13Epilepsiebehandlung

Epilepsiechirurgie 14 - 15

Vagus-Nerv-Stimulation 16

Selbstkontrolle epileptischer 17Anfälle

Medizinische und berufliche 18Rehabilitation

Selbsthilfegruppen und 19 - 20-organisationen

Notfallmaßnahmen 21

Aktuelles • Gütesiegel für das KEH 22

• 50jähriges Diakonissenjubiläum 22

• Habichthorst am Fichtenberg 22

• SCC-Running 23

• Kultur im EZBB 23

ImpressumHerausgeber: Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge gGmbHRedaktion: Irene Hassel, Ev. Krankenhaus KEH, Telefon 54 72 -21 32,Bettina Schaarschmidt, Baumgardt ConsultantsGestaltung/Produktion: Baumgardt Consultants, Gesellschaft für Marketing & Kommunikation bRAuflage: 4000 ExemplareBildnachweis: R. Elbracht, Bethel; KEHV.i.S.d.P.: KEH, Dr. Rainer Norden

Editorial | KEH-Report Seite 3

der aktuelle KEH Report beschäftigt sich mit der Epilepsie, einer der häufigsten neurologischen Erkrankungen.

Der Einsatz für anfallskranke Menschen ist dabei der traditionsreichste Arbeitsbereich in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel. Er reicht zurück bis in die Gründungszeit im Jahr 1867. Heute nimmt Bethel in der Behandlung und Rehabilitation von anfallskranken Menschen weltweit eine Spitzenstellung ein. In ihren bei-den Epilepsie-Zentren Bethel und Berlin-Bran-denburg bieten sie alle diagnostischen und thera-peutischen Möglichkeiten nach neuesten wissen-schaftlichen Erkenntnissen und mit modernster Technik. Für Menschen mit schwer behandelba-ren Epilepsien sind die Zentren in Bethel sowie am KEH in Berlin und im Brandenburgischen Bernau oft der letzte Rettungsanker in einer lan-gen, quälenden Krankheitsgeschichte.

Das Jahr 2006 ist für Bethel zudem ein Jahr der Erinnerung an Pastor Friedrich von Bodel-schwingh, der am 6. März 175 Jahre alt geworden wäre. Er hatte die Einrichtung über Jahrzehnte geprägt. Seine Vision, behinderte Menschen zu integrieren, war wegweisend. Die Vision der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel begründet sich heute in besonderer Weise auf das selbstver-ständliche Zusammenleben aller Menschen in ihrer Verschiedenheit mit gleichen Rechten und Chancen in der Gesellschaft.

Ich hoffe, Sie neugierig gemacht zu haben und wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Reiner HeekerenStellv. Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel,Vorsitzender des Aufsichtsrates der Ev. Krankenhaus KEH gGmbH

Weitere Informationen:www.bethel.de

KEH-Report | EZBBSeite 4

Das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg im

Verbund der v. Bodel-schwinghschen Anstal-ten Bethel ist aus dem ehemaligen Epilepsie Zentrum Berlin am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) und der Epi-lepsieklinik Tabor in Lobetal hervorgegangen. Als von der Bundesregierung anerkanntes und geför-dertes Grad IV-Epilepsiezentrum gehört das Epi-lepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg zu einer der wenigen Einrichtungen in der Bundesrepublik, in der das gesamte Spektrum der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die es heute zur Behandlung der Epilepsien gibt – einschließ-lich der Epilepsiechirurgie – angeboten wird.

Standort BerlinDer Berliner Standort des Zentrums am KEH ver-fügt über 50 Betten, die auf drei Stationen verteilt sind. Die Kinderstation besteht aus 15 Betten; aufgenommen werden Kinder im Alter zwischen 3 und 18 Jahren zur Syndromdiagnostik, zur diffe-rentialdiagnostischen Abklärung unklarer Anfälle oder Verhaltensauffälligkeiten und mit Entwick-lungsstörungen körperlicher und mentaler Art. Die Station für mehrfachbehinderte Menschen mit Epilepsie (15 Betten) nimmt Menschen mit Epilepsie und zusätzlichen Behinderungen auf. Die Erwachsenenstation ist mit 20 Betten ausge-stattet; auf dieser Station befindet sich auch die Abteilung für präoperative Epilepsiediagnostik und operative Epilepsietherapie.

Die umfangreichen diagnostischen Mög-lichkeiten des Zentrums reichen von der diffe-renzierten klinischen Beobachtung (mit Video-Unterstützung) über die elektrophysiologische Basisdiagnostik (Ruhe-EEG, Provokationsmaß-nahmen) bis zum mehrtägigen Video-EEG und der Polysonographie. Alle relevanten bildgeben-den Verfahren (MRT, SPECT, PET) und Laborleis-

tungen (z. B. Bestim-mung der Serumkon-zentration) stehen zur Verfügung. Sie ermöglichen unter anderem die differen-zierte Dokumentation und Zuordnung von

Anfällen, die Etablierung einer Syndromdiagno-se, Abgrenzung von nichtepileptischen Anfällen oder auch die Einordnung von Medikamenten-nebenwirkungen. Die umfassende Epilepsiebe-handlung (comprehensive care) schließt eine gezielte Förderung insbesondere der entwick-lungsverzögerten Patienten durch Krankengym-nastik, Logopädie, Heilpädagogik, Ergotherapie – einzeln und in Gruppen – ein. Zudem befindet sich auf dem Krankenhausgelände die Schule Am grünen Grund, die den Regelschulbereich, den Lernbehindertenbereich und den Geistig-

Das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg EZBB im Verbund der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel

Der Berliner Standort des Epilepsie-Zentrums – Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge

Prof. Dr. med. Heinz-Joachim Meencke, Medizinischer Direktor des Epilepsie-Zentrums Berlin-Brandenburg

EZBB | KEH-Report Seite 5

behindertenbereich umfasst. Zur Förderung der sozialen und beruflichen Integration, der Krank-heitsbewältigung und der Bewältigung der mit der Epilepsie verbundenen Probleme findet auf allen Stationen eine gezielte Förderung und Information durch ein interdisziplinäres Team (Sozialarbeit, Psychologie, Ergotherapie, Sport-therapie, etc.) – einzeln und in Gruppen – statt.

In dem Arbeitsbereich für präoperative Epi-lepsiediagnostik und operative Epilepsiethera-pie stehen drei digitale Arbeitsplätze zur Verfü-gung. Für die kontinuierliche Überwachung der Patienten und der notwendigen Anfallstestung steht ein Team speziell ausgebildeter medizi-nisch technischer Assistentinnen (MTA-F) rund um die Uhr zur Verfügung. Neben der Diagnos-tik mit Standard-Oberflächenelektroden stehen sämtliche invasive diagnostische Möglichkeiten (semi-invasive Dübel und Foramen-Ovale-Elek-troden, subdurale Netz- und Streifenelektroden sowie Tiefenelektroden) zur Verfügung. Die endgültige Entscheidung über eine Operations-indikation wird unter Berücksichtigung weiterer Befunde (insbesondere der bildgebenden Ver-fahren) in einer interdisziplinären Fallkonferenz getroffen. Die Abteilung kooperiert eng mit der neurochirurgischen Abteilung des Charité Cam-pus Virchow Klinikums (Prof. Dr. med. Dr. h. c. M. Brock, Dr. T.-N. Lehmann), an der die epilep-siechirurgischen Eingriffe durchgeführt werden. Derzeit werden jährlich ca. 100 Patienten erst-malig zur präoperativen Epilepsiediagnostik auf-genommen. Der Anteil postoperativ anfallsfreier Patienten beträgt je nach Lokalisation bis zu 85% und entspricht damit internationalen Standards.

Für die Klärung der in Zusammenhang mit der Epilepsiebehandlung auftretenden neuro-

psychologischen Fragestellungen verfügt das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg über eine Arbeitsgruppe für Neuropsychologie, die die Testung der vielfältigen Leistungsbereiche (Intel-ligenz, Aufmerksamkeit, Konzentration, Sprache und Sprachlateralisation, Gedächtnis, Lernen, Visuokonstruktion etc.) und die für die prä-chirurgische Epilepsiediagnostik notwendigen Testverfahren (z. B. fMRT, dichotischer Hörtest) durchführt. Das Epilepsie-Zentrum Berlin-Bran-denburg ist als eine von insgesamt 11 Einrichtun-gen in der Bundesrepublik als Ausbildungszen-trum von der Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) zugelassen.

Das therapeutische Angebot umfasst nicht nur eine differenzierte Pharmakotherapie und die Möglichkeit der Epilepsiechirurgie, sondern schließt auch die Behandlung mit einem Vagus-Nerv-Stimulator und den Einsatz von verhaltens-therapeutischen Verfahren wie Bio-Feedback und Anfallsselbstkontrolle ein. Die Kooperation mit der psychiatrischen Abteilung und der Abtei-lung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des KEH bietet die besondere Möglichkeit der Hilfen bei Patienten mit psychischen Begleiterkrankun-gen. Für die ambulante psychotherapeutische Behandlung steht ein niedergelassener Psycho-therapeut am EZBB zur Verfügung.

Eingebettet sind die therapeutischen Verfah-ren in ein integratives Behandlungskonzept, das ausgerichtet ist auf die Stärkung der Kompetenz der Menschen mit Epilepsie und ihrer Angehöri-gen im Umgang mit der Erkrankung. In diesem Kontext spielt die Sozialarbeit, die von auf Epi-lepsien spezialisierten Sozialarbeitern durchge-führt wird, eine wesentliche Rolle. Unterstützt wird die Sozialarbeit von der Medizinsoziologie, die u. a. für die Organisation des interdiszipli-nären Behandlungsangebots zuständig ist. Eine weitere wichtige Aufgabe der Medizinsoziologie ist die Vernetzung des Epilepsie-Zentrums Ber-lin-Brandenburg mit anderen, für die Versorgung

und Integration von Menschen mit einer Epilepsie wichtigen Einrichtungen (z. B. medizinische Rehabi-litation, berufliche Re -habilitation) und die Zusammenarbeit mit der Epilepsie-Selbsthil-fe.

Heilige Krankheit»Epilepsie« leitet sich von dem griechischen Wort »epilambanein« ab, das soviel wie »packen, anfallen« be-deutet. Epilepsie heißt also »Anfall« oder »Anfallkrankheit«. In der Antike galt die Epilepsie als »heilige Krankheit«. Schon Hippokrates glaubte an den körperlichen Ursprung der Epilepsie. Wie man heute weiß, ist es eine organi-sche Erkrankung des Gehirns.

Video-EEG-Ableitungin der Epilepsieklinik Tabor

KEH-Report | EZBBSeite 6

Standort BernauDer Bernauer Standort des Zentrums – die Epi-lepsieklinik Tabor in Bernau (Chefarzt Dr. med. H.-B. Straub) – verfügt ebenfalls über 50 Betten, die auf drei Stationen verteilt sind. Die Station für Allgemeine Epileptologie verfügt über 22 Betten für erwachsene Menschen mit Epilepsie, die von einem interdisziplinären Team bestehend aus Sozialarbeit, Psychologie, Musiktherapie, Kunst-therapie, Ergotherapie etc. betreut werden.

Die Station für mehrfachbehinderte Men-schen mit Epilepsie besteht aus insgesamt 16 Betten; aufgenommen werden Menschen mit Epilepsie und zusätzlichen Behinderungen, die ebenfalls von einem spezialisierten interdiszipli-närem Team betreut werden. Für begleitende Angehörige stehen direkt in der Klinik Apparte-ments zur Verfügung.

Die Station für Psychotherapie hat sich auf die Versorgung von Menschen mit Epilepsie und zusätzlicher psychischer und psychiatrischer Komorbidität spezialisiert, insbesondere auch auf Menschen mit psychogenen, nicht epilepti-schen Anfällen. Schwerpunkte sind hier die Ver-mittlung angemessener Konflikt- und Stressver-arbeitungsstrategien sowie die Motivation und Vorbereitung einer längerfristigen ambulanten Psychotherapie.

Mit der beschriebenen Ausstattung geht das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg deutlich über die vom Epilepsie-Kuratorium gestellten Anforderungen an ein Grad IV-Zentrum hinaus. Wie alle Grad IV-Epilepsie-Zentren nimmt auch unser Zentrum überregionale Versorgungsaufga-ben wahr und ist daher für die Versorgung von Menschen insbesondere mit schwer behandel-baren Epilepsien im Raum Berlin-Brandenburg zuständig. Um die adäquate Versorgung dieser Menschen sicherzustellen und die niedergelas-senen Fachärzte entsprechend zu unterstützen, besteht am Epilepsie-Zentrum Berlin-Branden-burg die Möglichkeit der ambulanten Mitbe-handlung auf Zuweisung der niedergelassenen Kinder- und Nervenärzte.

Seit 2002 besteht an der Neurologischen Rehabilitationsklinik Be el i tz-Heilstätten un weit Potsdams die Ab teilung zur medizi-nischen Rehabilita-tion von Menschen mit Epilepsie, die gemeinsam von der Rehabili-tationsklinik und dem Berliner Standort des Epi-lepsie-Zentrums getragen wird. Die Abteilung ist eingebettet in das umfassende Gesundheitskon-zept der Rehabilitationsklinik, das eine multipro-fessionelle Patientenversorgung für Menschen mit neurologischen Erkrankungen bietet. Ange-boten wird an dieser Klinik das gesamte Rehabi-litationsspektrum von der Frührehabilitation bis zur Anschlussheilbehandlung, einschließlich der teilstationären und ambulanten Rehabilitation.

Ebenfalls seit 2002 besteht die Kooperation mit dem Annedore-Leber Berufsbildungswerk Berlin (ALBBW). Das ALBBW bietet das ganze Spektrum berufsvorbereitender Maßnahmen sowie eine Vielzahl von Ausbildungen in unter-schiedlichsten Bereichen an. Das Epilepsie-Zen-trum führt eine enge Beratung und Betreuung der in der Ausbildung stehenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch. Während der gesamten Berufsausbildung bieten ALBBW und Epilepsie-Zentrum eine intensive und kontinu-ierliche Unterstützung durch Ärzte, Psycholo-gen, Sonder- und Sozialpädagogen sowie durch andere Fachkräfte der Rehabilitation an. Außer-dem erfolgt eine intensive Hilfestellung bei der Integration in das spätere Berufsleben. Wohn-möglichkeiten für die jungen Erwachsenen und die Berufsschule befinden sich auf dem Gelände des Berufsbildungswerks. Es gibt umfangreiche sportliche, kreative und kommunikative Freizeit-angebote.

Der Bernauer Standort des Epilepsie-Zentrums – Epilepsieklinik Tabor

Dr. Hans-Beatus Straub, ChefarztEpilepsieklinik Tabor

Klassifikation | KEH-Report Seite 7

Derzeit befinden sich in der Bundesrepu-blik etwa 500.000 Menschen aufgrund einer Epilepsie in haus- oder fachärztli-

cher Behandlung. Dies entspricht einem Bevöl-kerungsanteil (Prävalenz) von etwa 0,7%. Damit sind in Deutschland genauso viele Menschen an Epilepsie erkrankt wie beispielsweise an behand-lungsbedürftigem Diabetes. Neu an Epilepsie (Inzidenz) erkranken pro Jahr durchschnittlich 47 von 100.000 Menschen. Dies entspricht einer Zahl von jährlich etwa 38.000 Neuerkrankungen.

Von Epilepsie wird erst gesprochen, wenn wiederholt epileptische Anfälle auftreten. Tritt z. B. in Folge von übermäßigem Alkoholgenuss, bei hohem Fieber oder auch bedingt durch völ-lige Übermüdung ein einziger epileptischer Anfall (Gelegenheitsanfall) auf, liegt noch keine Epilepsie vor. Es wird geschätzt, dass etwa 5% aller Menschen einmal in ihrem Leben einen epi-leptischen Anfall bekommen.

• Grand mal-AnfallDie Symptome der Epilepsie – die epileptischen Anfälle – haben sehr unterschiedliche Erschei-nungsweisen. Der als Grand mal bekannte tonisch-klonisch generalisierte Anfall bietet einen eher dramatischen Anblick. Bei dieser Anfallsart stürzt der anfallskranke Mensch unkontrolliert in Folge einer Verkrampfung des ganzen Körpers (tonische Phase), wobei er unter Umständen auch bläulich anläuft. An diesen Sturz schließt sich eine Phase mit groben Zuckungen am gan-zen Körper an (klonische Phase), wobei der Betroffene sich u. U. auf die Zunge beißt oder auch einnässt.

• AbsencenGanz anders dagegen ist das Geschehen bei der als Absence bekannten Anfallsform, die von Außenstehenden oftmals gar nicht erkannt wird. Absencen sind durch Bewusstseinspausen mit abruptem Anfang und Ende gekennzeichnet, in der der Betroffene nicht ansprechbar ist, sich ansonsten aber ruhig und unauffällig verhält.

• Andere AnfälleAndere Anfälle können in einem Zucken einzel-ner Gliedmaßen oder einer Körperseite beste-hen, währenddessen der anfallskranke Mensch bei Bewusstsein ist. Wieder andere Anfälle sind mit keinerlei Zuckungen verbunden, statt des-sen verhält sich der Betroffene auffällig: Er ist nicht ansprechbar, läuft unruhig umher, macht stereotyp wirkende Bewegungen (z. B. an der Kleidung nesteln oder ein Buch immer wieder auf- und zuklappen) oder zeigt ein Verhalten, was eindeutig nicht der Situation angemessen ist. Schließlich gibt es auch Anfälle, die nur vom Betroffenen selbst bemerkt werden. Sie werden Aura oder Vorgefühl genannt und können z. B. als aufsteigendes Gefühl aus dem Bauchraum, als Geruchs-, Geschmacks- und akustische Empfin-dungen von Dingen, die nicht vorhanden sind, auftreten.

Epilepsien können im jedem Lebensalter auftreten:• in den ersten fünf Lebensjahren ist das Risiko,

an Epilepsie zu erkranken, besonders hoch;• etwa zwei Drittel aller Epilepsien treten in

den ersten zwei Lebensjahrzehnten auf;• nach dem 20. Lebensjahr wird das Risiko, an

einer Epilepsie zu erkranken geringer und steigt nach dem 60. Lebensjahr wieder steil an.

Treten in höherem Lebensalter in Folge eines Schlaganfalls – den jährlich etwa 200.000 Men-schen erleiden – epileptische Anfälle auf, wer-den diese oft verkannt. Es wird geschätzt, dass etwa 15 % der Betroffenen bei oder nach einem Schlaganfall gelegentlich epileptische Anfälle haben, während bis zu 10 % eine Epilepsie ent-wickeln.Epilepsien lassen sich beschreiben als Erkran-kungen:• deren Symptome (die epileptischen Anfälle)

nur sporadisch auftreten mit der Folge, dass Menschen mit Epilepsie ihren Mitmenschen in den anfallsfreien Phasen weitgehend als gesund erscheinen;

• deren Symptome – bedingt durch den Verlust an Handlungskontrolle, häufig verbunden mit dem Verlust des Bewusstseins – sich weit-gehend dem Bewusstsein des anfallskranken Menschen entziehen;

(weiter nächste Seite)

Klassifikation der Epilepsien

Was ist Epilepsie?Die Ursache, der Auslöser epileptischer Anfälle sind heftige elektrische Entladungen von Nervenzellen der Hirnrinde. Die normale Informa-tionsvermittlung zwi-schen Nervenzellen erfolgt über Hirnströme und Nervenbotenstoffe, die während des epileptischen Anfalls exzessiv verändert sind. Rhythmische Entladungen enormer Stärke und großer Ausdehnung sind die Folge, wobei meist benachbarte Nervenzellen von der übermäßigen elektri-schen Erregung »angesteckt« werden.So kommt es zur An- fallsausbreitung über das Gehirn.

OA Dr. med. Christoph Dehnicke

KEH-Report | KlassifikationSeite 8

• deren Symptome i. d. R. für die meisten Men-schen mit Epilepsie nicht direkt erfahrbar sind und sie daher ihr Wissen über ihr Ver-halten während eines epileptischen Anfalls nur indirekt über die Beschreibung Dritter vermittelt bekommen (Menschen mit Epilep-sie erleben ihre Krankheit im »Spiegel ihrer Umwelt«);

• deren Symptome – insbesondere generali-sierte tonisch-klonische Anfälle – Ereignis-se sind, die bei vielen Menschen Angst und Abwehrreaktionen hervorrufen und häufig dramatischer erlebt werden, als sie sind;

• in deren Symptombeschreibung durch Dritte sich häufig deren Ängste und Abwehrreaktio-nen spiegeln – diese werden dadurch auf die an Epilepsie erkrankten Menschen übertra-gen, die dann ebenfalls Ängste und Abwehr-reaktionen entwickeln;

• die hoch stigmatisiert sind und häufig mit geistiger Behinderung gleichgesetzt werden (1996 waren 20% der Bevölkerung der Bun-desrepublik Deutschland dieser Meinung);

• bei denen es vor diesem Hintergrund an Epilepsie erkrankten Menschen häufig nicht nur schwerfällt, mit ihrer Erkrankung offen umzugehen, sondern es über Effekte der Selbststigmatisierung zu beeinträchtigtem Selbstbewusstsein und einer starken Verhal-tensunsicherheit kommt;

• der sich die davon Betroffenen oft hilflos aus-geliefert fühlen, was sich in Depressionen, Hoffnungslosigkeit und resignativen Verhal-tensweisen äußert und

• die, wenn sich die Epilepsie bereits im Kin-des- oder Jugendalter entwickelt hat – bedingt durch eine überbehütende oder oppressive Erziehung – häufig zu einer hohen Unselbst-ständigkeit und Fremdbestimmung der Men-schen mit Epilepsie führt, die für viele ohne Hilfe nur schwer zu überwinden ist.

Neben diesen unmittelbaren Krankheitsfolgen resultieren weitere psychosoziale und berufli-che Probleme von Menschen mit Epilepsie – die oftmals schwerwiegender als die Anfälle selbst sind – aus unerwünschten Medikamentenwir-kungen, epilepsie-assoziierten psychologischen Beeinträchtigungen, gesellschaftlichen Vorur-teilen, rechtlichen Einschränkungen sowie ggf. zusätzlich bestehenden Beeinträchtigungen kör-perlicher und neuropsychologischer Art. Hinzu kommt häufig mangelndes Wissen der Betroffe-

nen über ihre Krankheit, verknüpft mit Schwie-rigkeiten, eine der Epilepsie angepasste Lebens-führung (Krankheitsselbstmanagement) einzu-halten, woraus (vermeidbare!) Anfallsrezidive folgen können. Desinformationen und Vorurtei-le gegenüber Menschen mit Epilepsie bestehen auch in der sozialen Umgebung des Betroffenen und sogar bei professionellen Helfern.

Trotz der vielfältigen Problemlagen, die Epi-lepsien mit sich bringen, erscheinen Menschen mit Epilepsie aufgrund der nur sporadisch auf-tretenden Krankheitssymptome (den epilepti-schen Anfällen) auf den ersten Blick gesund. Erst auf den zweiten Blick werden die krankheitsbe-dingten Folgen deutlich – dies gilt insbesondere auch für epilepsiechirurgisch behandelte Pati-enten, deren (potenzielle) Anfallsfreiheit nicht selten mit dem Wegfall der Krankheitsfolgen gleichgesetzt wird. Dabei wird übersehen, dass z. B. berufliche oder psychosoziale Probleme – die häufig unabhängig von der Anfallsfrequenz sind und daher auch bei Anfallsfreiheit bestehen – zunächst persistieren und einer längerfristigen Bearbeitung bedürfen.

»Spaltung von Erlebnis und Geschehnis«Epilepsien sind Er-krankungen, die eines umfassenden Behandlungsansatzes bedürfen. Der Nestor der deutschen Epilep-tologie – Prof. Dr. med. Dieter Janz – hat dies bereits 1962 erkannt. Er schreibt: »Epilepsie beginnt und verläuft dem Bewusstsein des Kranken weitgehend verborgen, der um so weniger von seinen Anfällen wahrnimmt, je heftiger sie sind. Der Epileptiker erlebt sein Kranksein erst im Spiegel seiner Umwelt. Dem Mangel eigenen Krankheitsgefühls steht das Entsetzen der Umgebung krass gegenüber. Die immer neu aufbrechende Spaltung von Erlebnis und Geschehnis im Kranken selbst wie in seinem sozialen Verband, bringt einen Prozess in Gang, der beide wechselseitig gegen- und ausein-ander treiben kann – die Gesellschaft bis zur Ausstoßung

oder Diskriminierung, den Kranken bis zu psychotischer Selbstbehauptung oder Resignation im Suizid ... Fremde wie eigene Erfahrungen geben Grund zu der Annahme, dass medizinische und soziale Therapie sich so zueinander ver-halten, dass Heilung zwar nur durch eine medikamentös erzielte Anfallsfreiheit ermög-licht, oft aber erst durch Veränderung der sozialen Situation endgültig verwirklicht wird.«

(Janz, Dieter; Epilepsie Ambulanz als Institution, in: Medizinische Wochenschrift, 1962, 27, 1385-1387).

Diagnostik | KEH-Report Seite 9

Eine Epilepsie wird durch den Nachweis von epileptischen Anfällen diagnostiziert – durch nichts anderes. Weder ein pathologisches

EEG, noch morphologische Befunde in den bild-gebenden Verfahren erlauben die Diagnose einer Epilepsie. Damit kommt der Anfallsbeobachtung die entscheidende Bedeutung zu.

Die Anamnese muss versuchen, Anfallscha-rakteristika aus der Eigenbeobachtung des Pa-tienten zu ermitteln. Hier handelt es sich insbe-sondere um die Analyse der Aura, des bewusst erinnerten Anfallsanteils des Patienten. Auf die Erhebung der Fremdanamnese darf nicht verzich-tet werden. Sie gibt uns wichtige Beobachtungen zu den klinischen Phänomen des Anfallskernes, für die der Patient in den meisten Fällen eine Amnesie hat. Kommt man mit Eigenbeobachtung und Fremdanamnese nicht weiter, ist häufig die Indikation für eine Video-EEG-Untersuchung gegeben.

Die Syndromdia-gnose wird anhand folgender Merkmale entwickelt: Ätiologie, Erkrankungsalter, An-fallstyp, tageszeitliche Bindung, Frequenz der Anfälle, EEG, Progno-se, Behandelbarkeit. Diese Punkte werden in der Regel in einem ausführlichen Anamnesegespräch geklärt. Die Syndromdiagnose wird nicht aus Ordnungslie-be gestellt, sondern weil die einzelnen Syndro-me doch deutliche Unterschiede in klinischen Verlaufscharakteristika, der Prognose und der spezifischen Therapie haben. Eine sozialmedizi-nische Einschätzung (objektive und subjektive Faktoren der Lebensqualität) und eine neuropsy-chologisch/psychiatrische Einordnung sind fester Bestandteil der Epilepsiediagnostik. Sozialmedi-zinische und neuropsychologisch/psychiatrische Faktoren sind häufig entscheidende Faktoren für die Behandelbarkeit und Langzeitprognose der Epilepsien.

Die körperliche neurologische Untersu-chung mit dem Nachweis von neurologischen

Defiziten kann Hinweise auf die Ätiologie der Erkrankung geben und auch einen Beitrag zur Einordnung der symptomgebenden Anfallsre-gion liefern.

• Elektroencephalographische Untersuchung

Die elektroencephalographische Untersu-chung (EEG) ist eine wichtige komplementäre Untersuchungsmethode zur Bestimmung des Epilepsiesyndroms. Je nach Epilepsiesyndrom können in einem Routine-Wach-EEG von 30 Minuten Dauer in bis zu 90% der Untersuchun-gen epilepsietypische Potentiale nachgewiesen werden. Ein negativer EEG-Befund spricht nicht gegen eine Epilepsie, aber auch der Nachweis von epilepsietypischen Potentialen belegt nicht, dass eine aktive Epilepsie besteht. Die Ausbeute an epilepsietypischen Potentialen wird ggf. durch Provokationsmethoden erhöht. Die Provokation mit intermittierenden Lichtstimuli bei geschlos-senen Augen kann Hinweise auf eine genetisch bedingte Fotosensibilität geben, die häufiger assoziiert (nicht identisch) mit bestimmten generalisierten idiopathischen Epilepsiesyndro-men ist. Die Fotostimulation wird bei geschlos-senen Augen mit Blitzfrequenzen zwischen 1 und 30 Hz durchgeführt. Der Nachweis von Fotosen-sibilität erlaubt nicht die Diagnose einer Epilep-sie. Fotosensibilität kann aber der Auslöser von epileptischen Anfällen sein. Bei nachgewiesener Fotosensibilität sollte eine Kontrolle der Reakti-on unter polarisierenden Brillengläsern erfolgen. Bei Fortfall der vorher positiven Reaktionen kann man dem Patienten spezifische Beratung zur Ver-meidung der Anfallsauslösung geben. Bleibt das Routine-EEG auch mit den beschriebenen Provo-kationsmethoden unauffällig, kann man weitere Aktivationsmaßnahmen mit Schlafentzug und nachfolgendem Schlaf-EEG versuchen.

Diagnostik

Elektroencephalo- gramm

Prof. Dr. med. Heinz-Joachim Meencke und Schwester Veronika

• Video-EEGDas Video-EEG ist eine synchronisierte Aufzeich-nung von EEG und Video-Bild des Patienten in der Regel zum Nachweis und zur Analyse von epileptischen Anfällen.

Wir unterscheiden das einfache Monitoring zur Unterstützung der Syndromdiagnose, wenn Eigen- und Fremdbeschreibung der Anfälle nicht ausreichen. Im wesentlichen geht es um die Definition des Epilepsietyps, um die Abgren-zung nicht-epileptischer Anfälle und häufig auch um die Analyse unklarer nächtlicher Ereignis-se. Die Klärung der Syndromdiagnose mit Hilfe des Video-EEGs ist insbesondere dann ange-zeigt, wenn sich im Verlaufe der Epilepsie eine Schwerbehandelbarkeit herausstellt. Es gilt dann mit dem Video-EEG einmal abzugrenzen, ob es sich überhaupt um epileptische Anfälle handelt und durch die Syndrombestimmung zu entscheiden, ob das an gemessene Anti-epileptikum eingesetzt wurde.Das Video-EEG-In ten-siv-Monitoring, das mit Zusatzelektroden (ins-besondere mit Sphe-noidalelektroden – in Abhängigkeit von der Problemstellung auch mit invasiven Elektro-den) und in der Regel unter Medikamenten-reduktion durchge-führt wird, dient zur Bestimmung des Anfallsursprungs und damit zur Vorbereitung eines epilepsiechirurgischen Ein-griffes. Dieses Untersuchungsverfahren ist spe-ziellen epilepsiechirurgischen Zentren wie dem Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg, Stand-ort Berlin vorbehalten.

• Bildgebende UntersuchungsverfahrenBildgebende Untersuchungsverfahren sind eine wichtige Methode zur Verbesserung der Syndrom-diagnose und zur Ermittlung ursächlicher Behand-lungsmöglichkeiten. Es werden bildgebende morphologische Untersuchungsverfahren – Com-putertomographie (CT) und Magnetresonanzto-mographie (MRT) – unterschieden von bildge-

benden funktionellen Untersuchungsverfah-ren wie Single Proton Emission Computer-tomographie (SPECT) und Positronenemissi-onstomographie (PET). Nach internationaler Übereinkunft ist das

Magnetresonanztomogramm (MRT) Methode der Wahl bei der Diagnostik der Epilepsien. Das Com-putertomogramm ist keine angemessene Methode zur Untersuchung der Epilepsien, mit Ausnahme von zwei Fällen: Vorbereitung der Notfallbehand-lung bei akuter Raumforderung und intracranieller Blutung und die Verifizierung von intracerebralen Verkalkungen.

• MRT-UntersuchungDie normale MRT-Untersuchung wird mit Spin Echo Sequenzen (SE) durchgeführt. Die bildge-bende Darstellung der Anatomie wird am besten in T1-gewichteten Bildern mit Inversion-Recovery-Technik dargestellt. Die Inversion-Recovery-Tech-nik erlaubt die klare Definition der Anatomie und damit auch diskreter anatomischer Abwei-chungen wie kleiner kortikaler Dysplasien. Ver-bessert werden kann die Darstellung durch die neue Technik des Gradienten Echos (GE) mit dreidimensionaler (3D) Datenaufnahme. Diese Technik erlaubt die Analyse auch sehr dünner Schichten (1 mm) mit der Vermeidung pro-jektionsbedingter Artefakte. Die bildgebende Darstellung der Gewebequalität ist am besten mit T2-gewichteten Bildern und FLAIR-Technik (fluid-attenuation inversion-recovery) zu ana-lysieren. Wenn die pathologische Formabwei-chung des Cortex so diskret ist, dass sie in der T1-Gewichtung nicht dargestellt werden kann, hilft häufig die FLAIR-Technik auf den patholo-gischen Prozess hinzuweisen. Bei sehr diskreten Dysplasien sollte durch eine 3D-Rekonstruktion

KEH-Report | DiagnostikSeite 10

Video-EEG-Intensiv-Monitoring

versucht werden darzustellen, ob es sich um eine tatsächliche Formabweichung handelt oder nur einen projektionsbedingten Artefakt (z. B. Anschnittphänomen der Cortexmarklagerüber-gangszone).

Jeder Patient mit einer Epilepsie sollte am Beginn seiner Erkrankung einmal eine MRT-Untersuchung erhalten. Wiederholte MRT-Unter-suchungen sollten nur dann durchgeführt wer-den, wenn eine progrediente Grunderkrankung besteht oder ein unerwarteter Anfallswandel ein-tritt. Spezielle MRT-Untersuchungen werden nur durchgeführt, wenn ein epilepsiechirurgischer Eingriff geplant ist.

Mit dem differenzierten Untersuchungsver-fahren lässt sich heute in der Regel in allen Fällen die Hippokampussklerose nachweisen, der mit 60% häufigste Befund bei den fokalen Epilepsien aus dem Schläfenlappen. Auch kleinere corticale Dysplasien lassen sich gut darstellen.

Zur weiteren Gewebeanalyse wird in spe-ziellen Zentren – u. a. im Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg – über die T2-gewichteten Bilder hinaus eine in vitro MRT-Spektroskopie durchgeführt. Mit der Spektroskopie lassen sich in bestimmten Gewe-beabschnitten des Gehirns Ionenzusam-mensetzungen, Ami-nosäuren und Neu-rotransmitter bestim-men.

Mit dem funktionellen MRT (f-MRT) lassen sich über funktionsabhängige Signalveränderungen des Gehirns eloquente Cortexareale ermitteln. Es gibt heute Untersuchungsmöglich keiten für moto-rische und visuelle Funktionen, Sprachfunktionen und vegetative Veränderungen. Auch diese Unter-suchungen werden entweder aus wissenschaftli-chen Gründen oder zur Vorbereitung epilepsie-chirurgischer Eingriffe durchgeführt. Klinisches Ziel der Entwicklung dieser Verfahren kann sein, damit invasivere Verfahren zur Definition elo-quenter Cortexareale abzulösen.

Funktionelle bildgebende Isotopenuntersu-chungen des Gehirns wie SPECT und PET haben keinen Platz in der Routine-Diagnostik der Epi-lepsien. Diese Methoden sind speziellen Frage-stellungen vorbehalten, insbesondere der Vorbe-reitung eines epilepsiechirurgischen Eingriffes. Die Verfahren liefern funktionelle Aspekte zu morphologischen Abweichungen. Insbesondere PET-Studien können Auskunft über Neurotrans-mitterverteilungen geben, die die morphologi-schen Abweichungen begleiten.

MRT-Auswertung auf der Erwachsenen-station (EP 3)

Diagnostik | KEH-Report Seite 11

Z iel der Epilepsiebehandlung ist Anfallsfrei-heit ohne therapiebedingte körperliche und geistige Beeinträchtigung mit individuell

akzeptierter Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit. Dieses Ziel kann erreicht werden durch einerseits eine medikamentöse Behandlung und auch ggf. eine epilepsiechirur-gische Behandlung. Daneben bestehen noch komplementäre Therapieangebote wie die Nervus-Vagus-Sti-mulation, die ketoge-ne Diät sowie Anfalls-selbstkontrolle und Biofeedback. Diese thera-peutischen Angebote müssen eingebettet sein in einen komplexen Behandlungsrahmen mit Bera-tung zur Lebensführung/ Sozialberatung, psycho-therapeutischer Behandlung, Ergotherapie und Physiotherapie, Patientenschulung und Selbst-hilfe, wie es an unserem Zentrum zur Verfügung steht. In dieser Reihe der Behandlungsangebote stellt die medikamentöse Behandlung eine zentra-le Säule des Behandlungskonzeptes dar.

Behandelt wird immer eine Epilepsie und nicht einzelne Anfälle oder ein auffälliges EEG.

Von einer Epilepsie wird gesprochen, wenn mindestens zwei nicht provozierte, von einan-der unabhängige epileptische Anfälle aufgetreten sind. Hintergrund ist, dass prospektive Verlaufs-studien gezeigt haben, dass nach einem ersten epileptischen Anfall das Risiko, einen weiteren zu erleiden, nur bei ca. 35% liegt. D. h., dass man zwei Drittel der Patienten überflüssigerwei-se behandeln würde, da sie keine Epilepsie ent-wickeln. Auf der anderen Seite erleiden nach einem zweiten Anfall 70 – 80% der Patienten einen weiteren Anfall; drei Viertel der Patienten entwickeln also eine Epilepsie. Die letztendlich individuelle Prognose nach einem ersten Anfall wird aber ganz entscheidend mitbestimmt durch weitere mögliche Risikofaktoren wie einem auffäl-ligen neurologischen Befund, epilepsietypischen Potentialen im EEG (Elektroencephalogramm =

Hirnstrommessung), einem evtl. vorhandenen krankhaften Befund in der Bildgebung (Kernspin-tomographie) des Gehirnes, Geschwistern mit Epilepsie oder einem vorhergehenden Gelegen-heitsanfall. Auch muss genau erfragt werden, ob es sich tatsächlich um den ersten Anfall gehandelt hat, oder ob es (vom Patienten bisher nicht als solche beachtete) weitere Symptome für even-tuelle vorausgegangene andersartige Anfälle gibt. Von daher ist eine umfassende Beratung und Ein-schätzung gerade auch nach einem ersten Anfall wichtig und gehört bereits in »die Hände eines Spezialisten«.

Der Patient bestimmt die Therapie. Am Beginn der Behandlung ist die Einstellung des Patienten zur Behandlung entscheidend. Wichtig ist seine Zustimmung. Patient und Arzt müssen sich über die Motive zur Behandlung verständigen und gemeinsam eine ausgewogene Nutzen-Risiko-Erörterung vornehmen. Widerstände gegen eine medikamentöse Therapie sind zu besprechen und ernst zu nehmen.

Hilfen zur Therapiekontrolle sind der Anfalls-kalender, eine Tages- oder Wochendosette, mit dem die Einnahme der Dosis kontrolliert werden kann, feste Einnahmetermine und in einigen Fäl-len auch die Bestimmung der Serumkonzentratio-nen der eingenommenen Medikamente.

Die Qualität der Pharmakotherapie hängt ab von der richtigen Auswahl des Medikamentes, von der adäquaten Dosierung und vom richtigen Handling von Aufdosierung und/oder Wechsel eines Medikamentes.

Die Wahl des Medikamentes wird durch die exakte Epilepsiediagnose (Syndromdiagnose) bestimmt, um sie entsprechend ihres unter-schiedlichen Wirkungsmechanismus und ihres differenzierten syndrombezogenen Wirkungspro-fils einsetzen zu können. So gibt es Medikamente,

Medikamentöse Epilepsiebehandlung

KEH-Report | Medikamentöse BehandlungSeite 12

Chefarztvisite auf der Station für mehrfachbehinderteMenschen mit Epilepsie (EP 2)

die bei generalisierten idiopathischen Epilepsien unwirksam sind oder sogar bestimmte Epilepsie-verläufe verschlechtern können.

Die Empfehlungen, welches Medikament bei welchem Syndrom in der Erstbehandlung einge-setzt werden soll, sind zur Zeit einer Diskussion unterworfen und im Wandel begriffen. Die Erfah-rungen mit den neuen Medikamenten lassen noch keine sicheren Empfehlungen zu. Deshalb gilt noch, dass bei generalisierten idiopathischen Epilepsien zunächst Valproinsäure und bei fokalen Epilepsien Carbamazepin eingesetzt wird. Es gibt aber auch schon andere Vorgehensweisen. Des-halb sollte die Therapie im Einzelfall ausführlich mit dem jeweiligen behandelnden Arzt oder dem Epilepsie-Zentrum besprochen werden.

Das Ziel jeglicher medikamentöser Thera-pie ist zunächst einmal immer eine komplette Anfallsfreiheit zu erreichen. Dies gelingt bei bis zu 60 – 70% der Patienten mit fokalen Anfällen mit entweder einer antikonvulsiven Monotherapie oder (bei einem Versagen der initialen oder auch anschließenden Monotherapien) mit einer Kom-binationstherapie. Bei Patienten mit generalisier-ten Anfällen bei idiopathischen Epilepsien ist die Erfolgsrate noch besser: 75 – 95% werden durch eine Monotherapie anfallsfrei.

Allerdings ist es wichtig an dieser Stelle auch einschränkend zu sagen, dass große Übersichtsar-beiten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit durch eine weitere medikamentöse Behandlung noch anfallsfrei zu werden, nach dem Versagen des bereits dritten eingesetzten Medikamentes bei einem weiteren dann noch eingesetzten Medika-ment nur noch bei unter fünf Prozent liegt. Die Arbeitsgemeinschaft für präoperative Epilepsie-diagnostik und operative Epilepsietherapie hat deshalb pragmatisch definiert, dass Pharmako-resistenz besteht, wenn zwei Medikamente der ersten Wahl in Mono- oder Kombinationstherapie nicht zur Anfallsfreiheit führen.

Pharmakoresistenz ist dann gegeben, wenn ein Patient bei einer Dosierung an der Verträg-lichkeitsgrenze noch Anfälle hat. Die Verträglich-keitsgrenze wird bestimmt durch das Auftreten von unerwünschten Wirkungen, die häufig medi-kamentenspezifisch sind. Von der dosisabhängi-gen Unverträglichkeit (häufig auch Intoxikation genannt) muss eine dosisunabhängige Unverträg-lichkeit (sogenannte idiosynkratische, allergische Reaktionen) unterschieden werden.

Die Dosierung eines Medikamentes wird durch die Wirksamkeit und Verträglichkeit bestimmt. Viele Patienten sind unterdosiert und deshalb nicht anfallsfrei (Pseudoresistenz). In der Literatur und in der Öffentlichkeit wird immer noch über den »therapeutischen Bereich« von Medikamen-ten gesprochen. Dies ist lediglich ein statistischer Begriff. Für den individuellen Patienten bestimmt

ausschließlich die indi-viduelle Wirksamkeit und Verträglichkeit die Dosierung.

Soll von einem Me-dikament auf das ande-re gewechselt werden, muss man zunächst das neu hinzukommende

Medikament schrittweise eindosieren. Die Ein-dosierungsgeschwindigkeit richtet sich nach den Stoffwechseleigenschaften des Medikamentes. Hat sich die Wirksamkeit des neu hinzugekom-menen Medikamentes erwiesen (Reduktion der Anfallsfrequenz; Anfallsfreiheit), wird das Basisme-dikament (Erstmedikament) langsam schrittweise abgesetzt. Oft ist es aber auch schon in der Auf-dosierungsphase des zweiten Medikamentes auf-grund der gegenseitigen Beeinflussung notwen-dig, die Dosis des Basismedikamentes zu reduzie-ren. Eine Umstellung erfordert Erfahrung mit den Medikamenten und macht häufig eine enge Füh-rung des Patienten notwendig. In manchen Fällen muss diese Umstellung sogar stationär erfolgen. Es muss immer berücksichtigt werden, dass auch Medikamente, die nicht gegen die Epilepsie ein-gesetzt werden, durch Antiepileptika beeinflusst werden können oder diese beeinflussen.

Wir haben noch keine sicheren wissenschaft-lichen Grundlagen für eine Mehrfachtherapie. Nach der klinischen Erfahrung bedürfen aber höchstwahrscheinlich nur 10 – 15% der Patienten wirklich einer Mehrfachtherapie.

Ist Pharmakoresistenz im oben definierten Sinne belegt, sollte das zugrunde liegende Epi-lepsiesyndrom an einem Epilepsie-Zentrum einer erneuten Überprüfung unterzogen werden. Sofern sich dabei dann eine fokale Epilepsie (eine Epilepsie, die an einem definierten Ursprungsort im Gehirn ihren Ausgang nimmt) belegen lässt, sollte dann auch an einen epilepsiechirurgischen Eingriff gedacht werden.

Medikamentöse Behandlung | KEH-Report Seite 13

OA Dr. med. Martin Merschhemke

I n der Reihe der Be- handlungsangebote hat die epilepsiechi-

rurgische Behandlung heute einen festen Platz. Die Möglichkeit eines epilepsiechirur-gischen Eingriffs sollte ernsthaft erwogen werden, wenn ein Patient mit einer fokalen Epilepsie innerhalb von zwei Jahren nach Erkrankungsbeginn trotz eines komplexen Behandlungsansatzes einschließlich differenzier-ter Pharmakotherapie nicht anfallsfrei wird. Als engere Kriterien gelten für den Patienten nicht-tolerable Anfälle und Pharmakoresistenz.

Nichttolerabilität von Anfällen: Die Tole-rabilität von Anfällen unterliegt neben biolo-gischen Faktoren (die aus medizinischer Sicht in der Regel eine allgemeine Behandlungsnot-wendigkeit anzeigen) der subjektiven Bewer-tung des Patienten. Ob die psychodynamischen und sozialen Folgen von Anfällen hinnehmbar sind, wird bestimmt durch das Lebenskonzept des Patienten und auch durch die aktuelle bio-graphische Situation, in der der Patient steht. Wichtig ist, dass dem Patienten die Motive klar sind, aus denen heraus er sich für einen epilepsiechirurgischen Eingriff entscheidet. Dabei muss deutlich sein, dass das primäre Ziel des epilepsiechi-rurgischen Eingriffes die Anfallsfreiheit ist, aus der sich dann sekundär eine Veränderung der Lebensqualität und der psychosozialen Situation ergeben kann, aber nicht muss. Um einschätzen zu können, wie

weit ein Wandel der Lebensqualität und der psychosozialen Situation durch den operati-ven Eingriff möglich ist, wird eine psychiatri-sche und neuropsychologische Untersuchung durchgeführt sowie eine umfassende Sozial-anamnese erhoben. Die prognostische Einschät-zung, ob sich durch den epilepsiechirurgischen Eingriff gleichzeitig Verbesserungen kognitiver Leistungen (z. B. bei der Temporallappenepilep-sie) oder Verhaltensänderungen (z. B. bei der Frontallappenepilepsie) ergeben können, wird in die Entscheidung einbezogen werden.

Pharmakoresistenz: Für die Entscheidung zu einem epilepsiechirurgischen Eingriff ist eine pragmatische Definition der Pharmakoresistenz notwendig. Resistenz auf ein Medikament ist gegeben, wenn ein Patient unter einer Medi-kamentendosis an der Verträglichkeitsgrenze weiter Anfälle hat. Aus einer Metaanalyse von E. Perucca (1996) geht hervor, dass die Wahr-scheinlichkeit anfallsfrei zu werden unter 5% liegt, wenn drei Medikamente einzeln oder in Kombination versagt haben. Die Arbeitsgemein-schaft für prächirurgische Epilepsiediagnostik und operative Epilepsietherapie hat deswegen pragmatisch definiert, dass Pharmakoresistenz gegeben ist, wenn zwei Medikamente der ersten Wahl versagt haben. Wichtig ist, dass Pseudore-sistenz durch ein falsch gewähltes Medikament, Unterdosierung oder Compliance-Probleme aus-geschlossen werden.

Der Wunsch, die Behandlung ohne Medika-mente fortsetzen zu wollen, kann nicht die allei-nige Indikation für einen epilepsiechirurgischen Eingriff sein. 50% der Patienten müssen auch nach einem erfolgreichen Eingriff die medika-

mentöse Behandlung fortsetzen.

Die Chancen und Risiken, die sich aus einer alleinigen Fort-führung der Pharma-kotherapie ergeben, müssen den Chan-

KEH-Report | EpilepsiechirurgieSeite 14

EpilepsiechirurgieWann soll an die Möglichkeit der Epilepsiechirurgie gedacht werden?

Prof. Dr. med. Heinz-Joachim Meencke

cen und Risiken der operativen Epilepsie-behandlung ge ge n -übergestellt wer den. Ein epi lepsiechir-urgischer Eingr i f f kann nur dann in Er-wägung gezogen wer-den, wenn eine fokale Epilepsie vorliegt. Deshalb ist die weitere und wesentliche Voraussetzung für den epilepsiechi-rurgischen Eingriff die Lokalisation der epilepto-genen Region. Sie ist definiert als die Region des Kortex, die epileptische Anfälle auslösen kann und deren Entfernung notwendig ist, um Anfalls-freiheit zu erzielen. Die Analyse der Anfallsse-miologie, das EEG mit interiktalen und iktalen Daten sowie Befunde aus bildgebenden Verfah-ren (MRT, PET, SPECT) gehen in die Lokalisation dieser Region ein.

Das nichtinvasive Video-EEG-Intensiv-Moni-toring mit dichtgesetzten Oberflächen- und Sphenoidalelektroden ist der zentrale erste dia-gnostische Schritt zur Lokalisation der fokalen Epilepsie. Als Ergebnis dieses Untersuchungs-schrittes lassen sich systematisch vier elektroen-cephalograpische »Syndrome« fokaler Epilepsien abgrenzen, aus denen sich unterschiedliche the-rapeutische oder weitere diagnostische Schritte ergeben.

Eine ganze Reihe von Faktoren beeinflussen das Resektionsergebnis und werden in die Entschei-dungsfindung einbezogen. Besondere Faktoren gelten für die Wahl des Zeitpunktes eines epi-lepsiechirurgischen Eingriffes im Kindes- und Jugendalter. Berücksichtigt werden hier die Schwere der Epilepsie, das zugrundeliegende Syndrom und die Ätiologie sowie der Einfluss der Anfälle auf das sich entwickelnde Gehirn.

Generell gilt für die Entscheidung zu einem epi-lepsiechirurgischen Eingriff: • die chirurgische Option so früh wie möglich

ansprechen, • innerhalb von zwei Jahren nach Erkrankungs-

beginn die Behandlungsprognose stellen und

• die Entscheidung möglichst vor Beginn von Berufsausbildung und Partnerschaft fällen.

Patient in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik (Video-EEG-Intensiv-Monitoring)

Epilepsiechirurgie | KEH-Report Seite 15

Intraoperative EEG-Abteilung

Gewebentfernung

Bei der Vagus-Ner v -S t imula -ti on handelt es

sich um eine techni-sche Zu satztherapie der Epi lepsie, bei der mit tels einer so ge nannten »Neuro-Cybernetischen Prothese« (NCP®-System von Cyberonics (Cyberonics, Inc., Houston, Texas)) regelmäßige Stromimpulse zum linken Nervus Vagus gesendet werden. Der Nervus Vagus ist einer der zwölf Hirnnerven und ist eine der primären›Kommunikations linien‹ zwischen den Hauptor-ganen des Körpers und dem Gehirn. Er enthält ca. 20% Nervenfasern, die vom Gehirn wegfüh-ren und bis zu 80% Fasern, welche zum Gehirn hinführen. Diese letzteren tragen dazu bei, die Stromimpulse zum Gehirn hinzuleiten. Klini-schen Studien zufolge tragen diese fortgeleite-ten Stromimpulse im Gehirn zu einem hemmen-den Effekt bei der Anfallsentstehung und/oder -ausbreitung bei. Hierdurch kann bei einem Teil der Epilepsiepatienten eine Verminderung der Anfallshäufigkeit erreicht werden. Den bisherigen Studien nach zu urteilen, darf man etwa bei max. jedem zweiten bis dritten Patienten mit einer erkennbaren Wirkung (»Responder«) dieser Therapie rechnen. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen um eine Verminderung der Anfallshäufigkeit in der Größenordnung um ein Drittel bis um die Hälfte. Das Erreichen einer dauerhaften Anfallsfreiheit durch die VNS-Methode bildet eher die Ausnahme.

Technisch handelt es sich bei dieser »Neuro-Cybernetischen Prothese« (NCP®-System) um ein im plantierbares medizinisches Gerät, wel-ches aus einem Impulsgenerator und einer Stimulations elektrode besteht; der Generator wird im Bereich des linken Brustmuskels implan-tiert und die Stimulationselektrode über einige Schlaufen mit dem linken Nervus Vagus verbun-den (siehe nebenstehende Abbildung). Dieses Gerät setzt nun ›rund um die Uhr‹ nach einem entsprechend programmierten Schema regelmä-ßige Stromimpulse frei. Der Arzt kann jederzeit (völlig unblutig, durch die Haut des Brustkorbes

und auch durch Kleidung hinweg) über eine Pro-grammierwand dieses Gerät auf verschiedene Sti-mulationsparameter einstellen. Begonnen wird üblicherweise zunächst mit einem Impuls von 30 Sekunden Dauer, der alle 5 Minuten freigegeben wird. Je nach Erfolg kann das Impulsregime dann auch auf kürzere Abstände und andere Impuls-stromstärken etc. verändert werden. Außerdem hat der Patient (oder Angehörige) noch die Mög-

lichkeit, anhand eines mitgegebenen Magne-ten selber zusätzliche Impulse freizusetzen; zum Beispiel, wenn er ein Vorgefühl wahr-nimmt. Theoretisch besteht so die Mög-

lichkeit, auch noch Anfälle zu unterbrechen, die bereits begonnen haben.

Zum Stellenwert der Vagus-Nerv-Stimulation in der Epilepsietherapie hat eine deutschsprachi-ge Expertenkommission folgendes festgehalten: Nach den vorliegenden Daten aus kontrollierten Studien bei Patienten mit pharmakoresistenten fokalen Epilepsien und klinischen Beobach-tungen an Patienten mit pharmakoresistenten symptoma tischen generalisierten Epilepsien lässt sich derzeit zusammenfassend feststellen, dass die VNS eine palliative (=begleitende) operative Behandlungsmethode darstellt, die in der Wirk-samkeit den neuen Antiepileptika ähnelt, und für Patienten in Frage kommt, die derzeit weder medikamentös noch durch Resektion (= epilep-siechirurgischer Eingriff) erfolgreich behandelt werden können.

KEH-Report | Vagus-Nerv-StimulationSeite 16

Vagus-Nerv-Stimulation

Neuro-Cybernetische Prothese: Stimulation des Vagus-Nervus

OA Dr. med. Martin Merschhemke

E s lässt sich zeigen, dass die Lebensumstän-de und das Verhalten epilepsiekranker Men-schen die Wahrscheinlichkeit, mit einem

Anfall zu reagieren, erhöhen oder auch vermin-dern können. Der davon ausgehende Ansatz der Selbstkontrolle epileptischer Anfälle berück-sichtigt die folgenden Faktoren: • Erstens eine erworbene oder ererbte, organi-

sche Bereitschaft, mit epileptischen Anfällen zu reagieren.

• Zweitens verschiedene belastend wirkende externe und interne Stimuli, die oftmals erst in ihrer Summe für den jeweiligen Patienten zu kritischen Reizkonstellationen werden.

• Drittens ungünstige körperliche und emotiona-le Verfassungen oder Grundgestimmtheiten.

Wirken diese Faktoren ungünstig zusammen, erhöht sich das Anfallsrisiko. Je nach Bedeutung der einzelnen Faktoren kann dann das Verhal-ten von Menschen mit Epilepsie – das heißt, die individuelle Reaktion auf ein erhöhtes Anfallsrisi-ko – zu einem weiteren entscheidenden Faktor für die Anfallsauslösung werden.

Ausgehend von diesem Modell werden ver-schiedene Strategien der Anfallsselbstkontrolle erarbeitet: Wenn definierbare kritische Reiz-konstellationen oder ungünstige körperliche und emotionale Verfassungen das Anfallsrisiko erkennbar erhöhen und die erkannten anfallsför-dernden Faktoren vermeidbar sind, ist die Ver-meidung/Veränderung dieser anfallsauslösenden Faktoren eine vielversprechende Therapiemaß-nahme. Eine zweite Möglichkeit ist die Ermitt-lung anfallsverhindernder Verhaltensweisen und die Anleitung der Patienten, wie sie diese Verhal-

tensweisen in Situa-tionen mit erhöhtem Anfallsrisiko einsetzen können. Falls diese Mög lichkeiten nicht zum gewünschten Er -folg führen, gibt es bei anfallskranken Men-

schen mit einem Vorgefühl (Aura) die Möglich-keit, den beginnenden Anfall mit einem auf die individuellen Vorgefühle abgestimmten Gegen-mittel abzuwehren.

Der Effekt der Selbstkontroll-Therapie besteht darin, dass über die Entwicklung von konkreten Gegenmaßnahmen die direkte Hand-lungsfähigkeit im Umgang mit der Epilepsie zunächst erweitert wird. Dadurch verliert der einzelne Anfall seinen Schrecken, die Epilepsie wird von den Betroffenen nicht mehr als aus-grenzender Makel verstanden, sondern kann als Aufgabe begriffen und Stück für Stück angenom-men werden. Dies hat eine offene und produk-tive Auseinandersetzung mit der Krankheit zur Folge, in deren Verlauf es zunehmend gelingt, das eigene Anfallsverhalten zu verstehen.

Daraus resultiert ein wachsendes Gefühl von Kontrolle, Angstabbau und schrittweise eine Über-windung des Gefühls, der Krankheit hilflos aus-geliefert zu sein. Über die sich damit entwickeln-de Handlungskompetenz und das zunehmende Wissen über die Krankheit gelingt es wiederum, die Aktivität der Patienten weiter zu strukturie-ren, ggf. eine weitere Verbesserung der Gegen-maßnahmen zu erreichen und das Kontrollge-fühl und Selbstvertrauen der Patienten weiter zu stärken. Damit ist ein sich selbst stabilisierender positiver Zyklus in Gang gesetzt.

Hinsichtlich der Anfallsreduktion lassen sich die Effekte der Anfallsselbstkontrolle durch-aus mit denen der neuen Antiepileptika in der Zusatzbehandlung bisher resistenter Epilepsien vergleichen. Sie liegen bei einer durchschnitt-lichen Verminderung der Anfallsfrequenz um 40-50%. In Einzelfällen kann sogar Anfallsfreiheit erreicht werden. Die Stärke dieser Ergänzung der Epilepsietherapie liegt aber vor allem darin, das Verhalten der Betroffenen als eine Ressource zu nutzen, um sich selbst aktiv zu helfen. Die Erfah-rungen, welche die Patienten dabei sammeln, können zu einer Verbesserung des Kontrollge-fühls und darüber hinaus zu einer Steigerung der Lebensqualität beitragen.

Anfall-Selbstkontrolle | KEH-Report Seite 17

Selbstkontrolle epileptischer Anfälle

Dipl. Psych. Gerd Heinen (psycholo-gischer Psychothera-peut VT)

Therapeutische Teambesprechung

Wichtige Unterscheidung:• Ursache von

Epilepsien• Auslöser von

Anfällen

N i c h t j e d e r Mensch, der an Epilepsie

erkrankt, kann sofort erfolgreich behandelt werden; nicht jeder bewältigt problem-los die damit auf ihn zukommenden Schwierigkeiten hinsichtlich sei-ner zukünftigen sozialen und beruflichen Situa-tion. Viele Menschen mit Epilepsie benötigen dazu unterschiedliche Hilfen, die im Allgemei-nen unter dem Begriff Rehabilitation zusammen-gefasst werden.

In Deutschland gibt es ein gegliedertes System der Rehabilitation, das von einer Abfol-ge verschiedener Leistungen ausgeht: Nach der medizinischen Diagnostik und Akut-Behandlung folgen die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation in einzelnen Schritten. Dieses Pha-senmodell hat sich bei vielen chronischen Krank-heiten bewährt, ist bei einem großen Teil der Menschen mit Epilepsie jedoch nicht geeignet. Zum Krankheitsbild bei an Epilepsie erkrank-ten Menschen gehört in vielen Fällen, dass eine medizinische Stabilisierung einen Zeitraum über mehrere Jahre hinweg einnimmt – sei es auf-grund schwieriger Therapierbarkeit, aufgrund der Verarbeitung der Erkrankung mit begleiten-den psychischen Problemen oder aufgrund einer notwendigen Beobachtungszeit zur Beurteilung des Behandlungserfolges. Daher müssen medizi-nische und berufliche Rehabilitation über weite Strecken und in abgestufter Schwerpunktsetzung parallel zur Akutbehandlung erfolgen.

Medizinische und berufliche Rehabilitation von Menschen mit Epilepsie erfordert daher – stärker als dies bei anderen chronischen Krank-heiten oder Behinderungen notwendig ist – eine enge Verzahnung mit der epileptologischen Akutbehandlung. Für die berufliche Rehabilita-tion bedeutet das, dass Menschen in die beruf-liche Ausbildung übernommen werden, die mit der Bewältigung ihrer Erkrankung lange noch

nicht fertig sind, deren Behandlung möglicher-weise den Alltagsbedingungen außerhalb einer Klinik nicht standhält, die eine der Epilepsie angepasste Lebensführung erst noch lernen müssen, die hinsichtlich ihrer (weiteren) beruf-lichen Möglichkeiten aufgrund ihrer Erkrankung stark verunsichert sind. Um diese Klientel opti-mal zu betreuen, arbeitet das Epilepsie-Zentrum eng mit Trägern der beruflichen Rehabilitation wie z. B. dem Annedore-Leber-Berufsbildungs-werk Berlin (berufliche Erstausbildung) oder der RehaAktiv darr GmbH (berufliche Reintegration) zusammen.

Erfreulicherweise hat es in den letzten Jah-ren Verbesserungen gegeben, die die Lücke zwischen medizinischer Behandlung und beruf-licher Rehabilitation schließen. Seit 2002 verfügt das Epilepsie-Zentrum über die Abteilung zur medizinischen Rehabilitation von Menschen mit Epilepsie, die gemeinsam von Epilepsie-Zentrum und Neurologischer Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten getragen wird. In dieser Abteilung kann nach Abschluss der Akutbehandlung genau das stattfinden, was bisher fehlte: Hilfen zur Ver-besserung der Krankheitsbewältigung, Informa-tionen über die eigene Erkrankung, das Erlernen eines der Epilepsie angepassten Lebensrhyth-mus, die Überprüfung der beruflichen Belast-barkeit und beruflicher Möglichkeiten etc. Der Übergang in eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation oder in ein Leben ohne Epilepsie (das möglicherweise durch einen epilepsiechi-rurgischen Eingriff erreicht werden kann) wird hierdurch sehr erleichtert.

KEH-Report | RehabilitationSeite 18

Medizinische und berufliche Rehabilitation

Auszubildende in der beruflichen Rehabilitation

Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten

Dipl. Soz.-Arb./Soz.-Päd. Thomas Jaster

Terrainerkundung in der medizinischen Rehabilitation

I n Selbsthilfegruppen und -organisationen arbeiten Menschen, die persönlich von einer Epilepsie betroffen sind oder deren Angehöri-

ger eine Epilepsie hat. Der positive Effekt der Selbsthilfegruppen beruht vor allem auf Folgendem:

Zum einen haben die Gruppenmitglieder die Möglichkeit, durch den Austausch mit Menschen, die von derselben chronischen Krankheit/Behin-derung betroffen sind, neue Wege im Umgang mit der Krankheit/Behinderung zu finden. Vor allem die gemeinsame Erfahrung mit der Krank-heit/Behinderung und die am Beispiel anderer nachvollziehbare Chance, die damit verbunde-nen Probleme erfolgreich zu bewältigen und die gesellschaftliche Stellung aktiv gestalten zu können, wirken sich positiv auf die Krankheits-bewältigung und soziale Integration aus. Die Teilnahme an Selbst-hilfegruppen gibt Halt und Anregungen, wie man mit seiner chro-nischen Krankheit/Behinderung leben kann. Zum anderen bieten Selbsthilfe-gruppen die Möglichkeit, andere Menschen in vergleichbaren Situationen kennen zu lernen, verstanden zu werden und den Problemen und Ängsten anderer zuzuhören. Durch das Zuhören und Erzählen bieten Selbsthilfegruppen einen idealen Ausgangspunkt, um die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen. Darüber hinaus schaffen sie einen »geschützten Raum«, in dem Gruppenmitglieder vor allem dann, wenn sie lange isoliert waren, soziale Kontakte einüben können und damit ihre soziale Kompetenz stär-ken.

Viele der ursprünglich in den 70er Jahren entstandenen Selbsthilfegruppen haben sich zu Selbsthilfeorganisationen entwickelt, die auf Landes- und Bundesebene agieren und ein viel-fältiges Beratungsangebot bereithalten. Wichti-ger Bestandteil dieser Beratung ist der peer

support oder die Beratung von Betroffenen für Betroffene. Wichtigste Voraussetzung für diese Art von Beratung ist die Fähigkeit der Berater, von der eigenen Situation zu abstrahieren sowie die Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu erkennen und dann an professionelle Helfer zu verweisen, wenn es notwendig wird. Sind diese Vorausset-zungen gegeben, ergibt sich der positive Effekt des peer support vor allem aus Folgendem:

Zum einen fällt es Ratsuchenden leichter, sich Menschen mit der gleichen Grunderkrankung gegenüber zu öffnen und Problembereiche zu thematisieren, die sie anderen Menschen gegen-über – bedingt durch Scham oder Unsicherheit – nicht ansprechen würden. Darüber hinaus wird eher über Dinge gesprochen, die der Ratsuchen-de aus seiner Sicht heraus vielleicht zunächst für unwichtig hält, die aber bei näherer Betrachtung durchaus einen wichtigen Stellenwert haben und den Zugang des Selbsthelfers zum Verständnis des Ratsuchenden erheblich erleichtern. Zwei-tens sind die Beratungsgespräche authentisch. Betroffene Berater können zum einen die Reak-tionen der zu Beratenden eher nachvollziehen, zum anderen sind sie in der Schilderung mög-licher Problemlösungsstrategien glaubhafter, da sie diese u. U. selbst bereits erfolgreich einge-setzt haben.

Selbsthilfe | KEH-Report Seite 19

Selbsthilfegruppen und -organisationen

MPH Dipl. Soz. Norbert van Kampen

Pastor Schophaus (M.), Vorstandsvorsitzender Bethel, im Gespräch mit Minister a. D., Norbert Blüm und Norbert van Kampen auf dem Kirchentag in Berlin 2003

Auch bieten sie Rat-suchenden weniger Möglichkeiten, sich der Auseinanderset-zung mit sich selbst zu entziehen; der häufig zu hörende Satz »Sie können überhaupt nicht nachvollziehen, wie es ist, mit meiner Krankheit/Behinderung zu leben«, mit der jeder professionelle Interven-tionsversuch erfolgreich blockiert werden kann, verliert beim selbst betroffenen Berater jegliche Wirksamkeit. Drittens dienen betroffene Berater Ratsuchenden als Rollenvorbilder. Ratsuchende können dadurch sinnlich erfahren, dass es offen-sichtlich doch möglich ist, mit ihrer Krankheit/Behinderung ein zufriedenstellendes Leben zu führen und die damit verbundenen Probleme erfolgreich zu bewältigen.

Selbsthilfe will und kann professionelle Hilfe nicht ersetzen. Sie kann jedoch Menschen mit Epilepsie befähigen, sich produktiv mit ihrer Erkrankung auseinander zu setzen und damit zu einer besseren Krankheitsbewältigung beitragen. Zudem kann Selbsthilfe Menschen mit Epilepsie darin unterstützen, zielgerichteter auf die Ange-bote des Versorgungssystems zuzugreifen und diese – sollten sie ihren Bedürfnissen nicht ent-sprechen – kritisch zu hinterfragen und damit letztlich einen Beitrag zur Verbesserung der Ver-sorgung leisten.

KEH-Report | SelbsthilfeSeite 20

Mehr Infos:Landesverband Epilepsie Berlin-Brandenburg e. V., www.bbg.deutsche-epilepsievereinigung.de

Deutsche Epilepsievereinigung e. V.,www.epilepsie.sh

Aus diesem Grunde arbeitet das Epilepsie- Zentrum seit seiner Gründung eng mit dem Landesverband Epilepsie Berlin-Bran-denburg e. V. (www.bbg.deutsche-epilepsiever-

einigung.de) und den in ihm zusammengeschlos-senen Epilepsie-Selbsthilfegruppen zusammen. Darüber hinaus findet auf nationaler Ebene eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Epilepsiever-einigung e. V. (www.epilepsie.sh) – dem zugehöri-gen Bundesverband – statt.

Tag der Epilepsie 2002: Übergabe des »Handbuch Epilepsie und Arbeit« an den zuständi-gen Ressortleiter der damaligen Bundesanstalt für Arbeit – Herrn Stern

Epilepsieforum in der Epilepsieklinik Tabor

??? | KEH-Report Seite 21

Notfallmaßnahmen | KEH-Report Seite 21

Epilepsie und erste HilfeIn der Regel erfordert ein einzelner epileptischer Anfall keine Hilfe, da der Anfall vorbei ist, wenn der Arzt eingetroffen ist und es auch für den Arzt keine Möglichkeit gibt, einen einzelnen Anfall zu unterbrechen.

Einen Notarzt rufen (Telefon: 112) sollten Sie erst in folgenden Situationen:• Wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert. Es besteht dann die Möglichkeit, dass es sich

um einen status epilepticus handelt. Dieser endet nicht von selbst und muss medikamentös unterbrochen werden!

• Wenn sich der Anfall im Abstand von weniger als einer Stunde wiederholt oder der Patient das Bewusstsein nicht wieder erlangt. Es könnte sich um die Entwicklung einer Anfallsserie handeln, die ebenfalls medikamentös behandelt werden muss.

• Wenn Sie unsicher sind im Umgang mit Menschen, die einen Anfall durchleben. • Wenn Sie Verletzungen und Knochenbrüche nicht ausschließen können.• Wenn Sie nicht genau wissen, ob es sich um einen epileptischen Anfall handelt oder wenn bei einer

Ihnen bekannten Epilepsie der Anfall anders als gewöhnlich aussieht. Auch Menschen mit Epilepsie können z. B. einen Herzanfall bekommen.

• Wenn es sich um einen ersten Anfall handelt. Dieser kann Symptom einer akuten neurologischen Erkrankung sein (Blutdruck, Infarkt, SHT, Encephalitis etc.).

Bewahren Sie Ruhe, wenn Sie den Notarzt rufen! Beschreiben Sie genau den Ort, an dem Sie sich befinden und teilen Sie dem Notarzt mit, dass Sie vermuten, dass es sich um einen epileptischen Anfall handelt.

Wenn Sie einen epileptischen Anfall miterleben, versuchen Sie die Zeitdauer festzuhalten. Bei einem epileptischen Anfall geht es vor allem darum, anfallsbedingte Verletzungen zu vermeiden, das bedeutet:

Beim Grand Mal:• Die Vermeidung von Verletzungen, die sich infolge des Sturzes und des heftigen Schlagens ergeben

können. Entfernen Sie scharfkantige Gegenstände aus dem Umfeld, entfernen Sie die Brille (falls vorhanden) und nehmen Sie dem Betroffenen gefährliche Gegenstände aus der Hand, wenn dies möglich ist.

• Lockern Sie beengte Kleidungsstücke vor allem am Hals und drehen Sie die Person nach dem Anfall in eine stabile Seitenlage. Oft kommt es nach dem Anfall zu vorübergehender Verwirrtheit. Bleiben Sie deshalb nach dem Anfall solange bei dem anfallskranken Menschen, bis dieser wieder vollständig reorientiert ist.

Bei Anfällen, die mit Bewegungsautomatismen, d. h. unkontrollierten Bewegungen wie Umhergehen, der Situation nicht angemessene Dinge tun, etc. verbunden sind (automotorische Anfälle, hypermotorische Anfälle):• Bleiben Sie bei dem Betroffenen und führen Sie ihn aus der Gefahrensituation heraus.

Versuchen Sie nicht, die Person festzuhalten! Haken Sie sich eher bei der Person ein und führen Sie sie in eine Richtung, in der er/sie nicht gefährdet ist.

Was Sie auf keinen Fall tun sollten:• Versuchen Sie nicht den Kiefer zu öffnen und gewaltsam Gegenstände zwischen die Zähne zu schieben!

Sie könnten nicht nur sich selbst verletzen, sondern dem Betreffenden selbst schwere Verletzungen (bis hin zu Kieferbrüchen) zufügen.

• Versuchen Sie nicht, dem Betreffenden gewaltsam Gegenstände zu entreißen, die derjenige festhält! Machen Sie diese ungefährlich, in dem Sie z. B. brennende Zigaretten abbrechen, Messer und Gabeln mit einem Tuch umwickeln o. ä..

• Versuchen Sie nicht die krampfartigen Bewegungen gewaltsam zu unterbinden! Knochenbrüche könnten die Folge sein.

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Habichthorst am FichtenbergSeltene Gäste mitten in der Stadt: Einen Baum auf dem Gelände der GPVA im Carl-Heinrich-Becker-Weg hatte sich ein Habichtpaar als Brutstätte auser-koren. Mit Erfolg:

am Haus Fichtenberg saßen Anfang Juni vier Jungvögel im Nest – zwei Weibchen und zwei Männchen. Dr. Norbert Kenntner, der die Jungvögel beringte (Dr. Kenntner ist zuständig für die Beringung der Habichte in Südwest-Berlin): »Alle Jungvögel sind gut genährt und gesund.« Mittlerweile sind die Jungvögel flügge. Vielleicht beherbergt der Horst im kommen-den Jahr wieder eine Habicht-Familie.

D das Ev. Krankenhaus Königin Elisabe-th Herzberge (KEH) erhielt am 22. Juni 2006 das Qualitätsgütesiegel KTQ. Die

Klinik, an der 900 Mitarbeiter beschäftigt sind, gewährleistet die wohnortnahe Versorgung im Stadtteil Berlin-Lichtenberg mit 602 Betten. Das Gütesiegel »Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus« (KTQ) weist nicht nur die Qualität eines Krankenhauses aus, es beurteilt auch das Vorhandensein eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems. Das Krankenhaus stellt sicher, so verlangt es das Zertifikat, dass alle auftretenden Gesundheitsstörungen qualifiziert

nach dem neuesten Stand der Medizin und Tech-nik und mit kompetenter Krankenpflege in pa-tientenfreundlicher Atmosphäre behandelt wer-den können.

»Wir sind stolz, dass wir das Gütesiegel jetzt führen können. Es trägt dem hohen Verantwor-tungsbewusstsein unserer Ärzte und Mitarbeiter gegenüber den Patienten Rechnung«, so Dr. Rai-ner Norden, Vorsitzender Geschäftsführer des KEH.

Die Mitarbeiter der einzelnen Fachabteilungen verfügen über einen hohen Grad an Identifika-tion mit der Einrichtung und arbeiten mit großer Motivation an verschiedenen Projekten zum Qua-litätsmanagement. Beim KEH beeindrucken die Patientenversorgung in der Psychiatrie durch den multiprofessionellen Ansatz, die Einbeziehung der Patienten in die Therapieplanung und -durchfüh-rung, die Vernetzung der unterschiedlichen the-rapeutischen Aktivitäten, auch nach extern und

Gütesiegel für das KEH

Die Junghabichte im Nest

Lichtenbergs Bezirksbürgermeisterin, Christina Emmrich, mit Pastor Dr. Feldmann und Dr. Norden

50jähriges DiakonissenjubiläumAm 29. April 2006 feierten zwei unserer Diakonissen 50jähriges Diakonissenjubiläum mit Pfarrer Thomas Passauer.

die Ausgestaltung des therapeutischen Milieus. Die Bereiche Psychiatrie und Epileptologie haben damit begonnen, die Behandlungsqualität anhand von objektivierbaren und überprüfbaren Kriterien zu evaluieren. Die anderen Bereiche werden fol-gen, um ein umfassendes Qualitätsmanagementsy-stem zu etablieren. Das KEH verfügt bereits über umfangreiche Behandlungsleitlinien und Behand-lungspfade, die Ausdruck einer umfassenden Ver-netzung der einzelnen Bereiche sind, zum Wohle des Patienten. Dazu gehört auch eine umfangrei-che vorstationäre Versorgung. Das Gütesiegel KTQ ist somit der erste Schritt auf dem Weg von einem guten zu einem besseren Krankenhaus.

S. Tenhagen

Aktuelles | KEH-Report Seite 23

Auch in diesem Jahr waren die v. Bodel-schwinghschen Anstalten Bethel und damit auch das KEH Charity-Partner des

SCC-Running. Der Berlin-Marathon gehört mitt-lerweile zu den drei größten und bedeutendsten Laufveranstaltungen weltweit. Unter dem Motto »Gemeinschaft verwirklichen« setzen sich der SCC-Running und Bethel gemeinsam für mehr Integration von Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen ein.

Die 5 x 5-km-Team-Staffel ist das Gemein-schaftserlebnis schlechthin. Viele Arbeitskollegen gehen gemeinsam an den Start, die Staffel-Atmo-sphäre schweißt zusammen, denn die Team-Ver-bundenheit verpflichtet. So entsteht eine faszi-nierende Atmosphäre. An zwei Abenden gingen insgesamt mehr als 2.800 Staffeln an den Start im Tiergarten; die Staffel ist damit das größte Staffel-Laufevent in Deutschland.

Das KEH und das Epilepsie-Zentrum star-teten am 31. Mai mit insgesamt 10 Staffeln. Anschließend bestand die Gelegenheit zu ei -nem ausgiebigen Pick-nick mit Bouletten und Bier ...

SCC-Running

Pfarrer Böttler beim Interview mit Radio Antenne Bethel

Die Teams

Eine der Internisten-Staffeln vor dem Start

Kultur im EZBB Vermittelt durch eine Vielzahl von kulturel-len Angeboten trägt das Epilepsie-Zentrum Berlin-Brandenburg (EZBB) zu einem gleich-berechtigten Umgang mit Menschen mit Epilepsie bei und ermöglicht diesen, sich auf andere Art und Weise mit ihrer Erkrankung auseinan-der zu setzen:Im Frühjahr 2001 wurden die Ergebnisse eines Kunstprojekts vorgestellt, dass die Künstlerin Sonja Hartmann zusam-men mit Patienten der Abteilung für prächirurgische Epilepsiediagnostik und operative Epilepsietherapie durchgeführt hat.

Die Arbeiten wurden in der Cafeteria des KEH ausgestellt.Mit der Konzertreihe des EZBB, die seit 1997 in den Herbst- und Wintermonaten fester Bestandteil unseres Angebots geworden ist, setzen wir eine Tradition fort, die der berühmte Geiger und Dirigent Yehudi Menuhin begründet hat. Er gründete 1977 in England die gemein-nützige Organisation »live music now« mit dem Ziel, Musik auch jenen Menschen nahe zu bringen, die nicht ins Konzert gehen können. Gleichzeitig will »live music« now jungen Meisterschülern mit Konzertreife ein Podium bieten. Absicht der Konzertreihe ist es, die Botschaft »Epilepsie braucht Offenheit« einmal anders zu vermitteln:

Durch die Kraft und Magie der Musik. Im Herbst 2004 wur-den in der Ambulanz des Epilepsie-Zentrums Arbeiten des New Yorker Künstlers Doug Fitch ausgestellt. Die Ausstellung war exklusiv nur an weni-gen Einrichtungen zu sehen, die sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert haben. Die Arbeiten von Doug Fitch regen zum pro-duktiven Hinschauen, zum Entdecken der eigenen Geschichte an und unterstützen damit den schwieri-gen Prozess, auf dem sich chronisch kranke Menschen befinden.