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HNO 2014 · 62:81–81 DOI 10.1007/s00106-013-2821-1 Online publiziert: 14. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 M. Praetorius Sektion Otologie und Neurootologie, Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg Aktuelle Aspekte  der Hörforschung Ideen, die noch vor einiger Zeit eher in den Bereich der Science-Fiction veror- tet worden wären, scheinen nun auf dem Weg zur möglichen klinischen Anwen- dung. Um Ihnen einen Überblick über ausgewählte Entwicklungen im Bereich des Innenohrs zu geben, haben wir 3 As- pekte ausgewählt. Frau PD Gentiana Wenzel beantwor- tet uns die Frage „Welche Farben könn- ten wir hören?“. Die Vorstellung, unse- ren Hörsinn mit einer gänzlich anderen Modalität zu stimulieren, müssen wohl die meisten von uns erst einmal auf sich einwirken lassen. Frau Wenzel beschreibt die Effekte der Optoakustik und Opto- genetik als 2 der verfolgten Forschungs- richtungen. Hoffnungen ruhen auf der optischen Stimulation, die in der Theo- rie eine höhere Frequenzauflösung durch ein Mehr an Kanälen im Vergleich zu gegenwärtigen, auf elektrischer Stimula- tion basierenden Cochleaimplantatelek- troden bieten könnten. Beobachtet wur- den jedoch auch unmittelbare mechani- sche Auslenkungen der Basilarmembran als Folge eines Laserimpulses. Damit wä- re auch die Kompensation ausgefallener äußerer Haarzellen denkbar. Frau Dr. Sara Euteneuer gibt uns einen Überblick über die Lokalisation von Hör- störungen. Hier weist sie darauf hin, dass nicht nur die kurzfristige Schwellener- holung nach einem Lärmtrauma bewer- tet werden darf. Vielmehr wurde gezeigt, dass ein Jahr nach einem Lärmereignis mit scheinbarer Restitutio ad integrum der Hörschwelle dennoch eine erhebli- che Verringerung der Spiralganglienzel- len auftreten kann. Mithin tritt der Lärm- schaden nicht nur unmittelbar auf, son- dern wirkt nach; man darf vermuten, dass es „länger wirkt, als es lärmt“. »   Der Lärmschaden tritt  nicht nur unmittelbar auf,  sondern wirkt nach Die Zahl der Spiralganglienzellen lässt sich mindestens im Tiermodell über die Welle I der akustisch evozierten Poten- ziale abschätzen. Zudem sieht sie ermu- tigende Ansätze, den Tinnitus durch psy- chologische Intervention frühzeitig mit- zubehandeln, um den thalamischen Fil- ter gleichsam neu einzustellen und so die Beeinträchtigung der Betroffenen zu re- duzieren. Dr. Breinbauer fasst die aktuellen As- pekte der Therapieansätze für das Innen- ohr, die auf Gentransfer und Stammzellen beruhen, zusammen. Bei allen Fortschrit- ten sind auch hier im Stammzellbereich noch erhebliche Hürden wie die Gewin- nung, die Applikation und der ortstypi- sche funktionelle Gewebeersatz zu meis- tern. Im Bereich der Gentherapie konn- ten Details des vektorbasierten Trans- fers über otochirurgische Zugänge wie das runde Fenster oder auch den latera- len Bogengang einer Lösung näher ge- bracht werden. Zudem bietet sich insge- samt, wenn man an Protektion vorhan- dener oder die Regeneration verloren ge- gangener sensorischer Epithelien denkt, nicht nur das Hören, sondern auch die Gleichgewichtsfunktion an. Diese – von Nichtbetroffenen sehr leicht zu überse- hende – Sinnesqualität wäre wohl ein ge- eignetes Ziel. Ich wünsche Ihnen eine informative und spannende Lektüre dieses Heftes. Mark Praetorius Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Praetorius Sektion Otologie und Neuro- otologie, Hals-Nasen-Ohren- Klinik, Universitätsklinikum  Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400,  69120 Heidelberg mark.praetorius@med.  uni- heidelberg.de  Interessenkonflikt.  M. Praetorius gibt an, dass kein  Interessenkonflikt besteht. 81 HNO 2 · 2014|

Aktuelle Aspekte der Hörforschung; Current aspects of hearing research;

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HNO 2014 · 62:81–81DOI 10.1007/s00106-013-2821-1Online publiziert: 14. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. PraetoriusSektion Otologie und Neurootologie, Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg

Aktuelle Aspekte der Hörforschung

Ideen, die noch vor einiger Zeit eher in den Bereich der Science-Fiction veror-tet worden wären, scheinen nun auf dem Weg zur möglichen klinischen Anwen-dung. Um Ihnen einen Überblick über ausgewählte Entwicklungen im Bereich des Innenohrs zu geben, haben wir 3 As-pekte ausgewählt.

Frau PD Gentiana Wenzel beantwor-tet uns die Frage „Welche Farben könn-ten wir hören?“. Die Vorstellung, unse-ren Hörsinn mit einer gänzlich anderen Modalität zu stimulieren, müssen wohl die meisten von uns erst einmal auf sich einwirken lassen. Frau Wenzel beschreibt die Effekte der Optoakustik und Opto-genetik als 2 der verfolgten Forschungs-richtungen. Hoffnungen ruhen auf der optischen Stimulation, die in der Theo-rie eine höhere Frequenzauflösung durch ein Mehr an Kanälen im Vergleich zu gegenwärtigen, auf elektrischer Stimula-tion basierenden Cochleaimplantatelek-troden bieten könnten. Beobachtet wur-den jedoch auch unmittelbare mechani-sche Auslenkungen der Basilarmembran als Folge eines Laserimpulses. Damit wä-re auch die Kompensation ausgefallener äußerer Haarzellen denkbar.

Frau Dr. Sara Euteneuer gibt uns einen Überblick über die Lokalisation von Hör-störungen. Hier weist sie darauf hin, dass nicht nur die kurzfristige Schwellener-holung nach einem Lärmtrauma bewer-tet werden darf. Vielmehr wurde gezeigt, dass ein Jahr nach einem Lärmereignis mit scheinbarer Restitutio ad integrum der Hörschwelle dennoch eine erhebli-che Verringerung der Spiralganglienzel-len auftreten kann. Mithin tritt der Lärm-schaden nicht nur unmittelbar auf, son-

dern wirkt nach; man darf vermuten, dass es „länger wirkt, als es lärmt“.

»  Der Lärmschaden tritt nicht nur unmittelbar auf, sondern wirkt nach

Die Zahl der Spiralganglienzellen lässt sich mindestens im Tiermodell über die Welle I der akustisch evozierten Poten-ziale abschätzen. Zudem sieht sie ermu-tigende Ansätze, den Tinnitus durch psy-chologische Intervention frühzeitig mit-zubehandeln, um den thalamischen Fil-ter gleichsam neu einzustellen und so die Beeinträchtigung der Betroffenen zu re-duzieren.

Dr. Breinbauer fasst die aktuellen As-pekte der Therapieansätze für das Innen-ohr, die auf Gentransfer und Stammzellen beruhen, zusammen. Bei allen Fortschrit-ten sind auch hier im Stammzellbereich noch erhebliche Hürden wie die Gewin-nung, die Applikation und der ortstypi-sche funktionelle Gewebeersatz zu meis-tern. Im Bereich der Gentherapie konn-ten Details des vektorbasierten Trans-fers über otochirurgische Zugänge wie das runde Fenster oder auch den latera-len Bogengang einer Lösung näher ge-bracht werden. Zudem bietet sich insge-samt, wenn man an Protektion vorhan-dener oder die Regeneration verloren ge-gangener sensorischer Epithelien denkt, nicht nur das Hören, sondern auch die Gleichgewichtsfunktion an. Diese – von Nichtbetroffenen sehr leicht zu überse-hende – Sinnesqualität wäre wohl ein ge-eignetes Ziel.

Ich wünsche Ihnen eine informative und spannende Lektüre dieses Heftes.

Mark Praetorius

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. M. PraetoriusSektion Otologie und Neuro-otologie, Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelbergmark.praetorius@med. uni-heidelberg.de 

Interessenkonflikt.  M. Praetorius gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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