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Punkte sammeln auf... springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen  als e.CME und e.Tutorial in der Springer  Medizin e.Akademie zur Verfügung.  –   e.CME: kostenfreie Teilnahme im  Rahmen des jeweiligen Zeitschriften- abonnements –   e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des  e.Med-Abonnements Zertifizierung Als Zeitschriftenabonnent von  Der Orthopäde oder Der Unfallchirurg  können Sie kostenlos alle e.CMEs der  beiden Zeitschriften nutzen:   24 e.CMEs pro Jahr.  Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME- Punkten zertifiziert von der Landesärzte  - kammer Hessen und der Nord  rheinischen  Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter- bildung und damit auch für   andere Ärzte  - kammern anerkennungsfähig. Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro- gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte- kammer werden die in der e.Akademie  erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als  fachspezifische   Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected] Unfallchirurg 2014 · 117:145–161 DOI 10.1007/s00113-014-2558-7 Online publiziert: 30. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 U. Culemann 1 · H.J. Oestern 1 · T. Pohlemann 2 1 Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Neurotraumatologie,  Allgemeines Krankenhaus Celle, Celle 2 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie,  Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur Zusammenfassung Der Verletzung des Beckenringes kommt eine hohe Bedeutung im Rahmen eines Polytrau- mas zu. Der Einsatz differenzierter diagnostischer Verfahren in der Frühphase des Becken- traumas sowie die frühzeitige Stabilisierung dieser Frakturen im Sinne des „damage control“ haben zu nachhaltigen Verbesserungen in der Behandlung geführt. Dies gilt insbesondere für die Gruppe älterer Patienten, die zahlenmäßig zunehmen und aktuell im Fokus der Weiter- entwicklungen von Behandlungsregimen stehen. Nach wie vor besteht eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit Beckenringfrakturen, ins- besondere bei polytraumatisierten Patienten. Sowohl die Standardisierung des Notfallma- nagements im Schockraum als auch die sinnvolle Erweiterung und Anwendung neuer „tools“ in der Präklinik tragen dazu bei, die Behandlungsoptionen ständig weiterzuentwickeln. Da aber auch die längerfristigen Probleme nach der Versorgung instabiler Beckenringfrakturen weiterhin problematisch bleiben, müssen die notwendigen Behandlungsverfahren weiterhin regelmäßig den Anforderungen angepasst werden. Schlüsselwörter Beckenring · Komplextrauma · Beckenringbehandlung · Beckenringinstabilität · Insuffizienz- fraktur © Klaus Rüschhoff, Springer Medizin CME   Zertifizierte Fortbildung Rubrikherausgeber P. Biberthaler, München T. Gösling, Braunschweig  T. Mittlmeier, Rostock D. Nast-Kolb, Essen Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift Der Chirurg 2013, 84:809-882, DOI s00104-012-2391-x.  Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist nur einmal möglich. 145 Der Unfallchirurg 2 · 2014 |

Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur; Current treatment of pelvic ring fractures;

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Page 1: Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur; Current treatment of pelvic ring fractures;

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springermedizin.de/eAkademieTeilnahmemöglichkeitenDiese Fortbildungseinheit steht Ihnen als e.CME und e.Tutorial in der Springer Medizin e.Akademie zur Verfügung. –  e.CME: kostenfreie Teilnahme im 

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ZertifizierungAls Zeitschriftenabonnent von Der Orthopäde oder Der Unfallchirurg können Sie kostenlos alle e.CMEs der beiden Zeitschriften nutzen:  24 e.CMEs pro Jahr. Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärzte -kammer Hessen und der Nord rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter- bildung und damit auch für  andere Ärzte -kammern anerkennungsfähig.

Hinweis für Leser aus ÖsterreichGemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte-kammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische  Fortbildung anerkannt.

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Unfallchirurg 2014 · 117:145–161DOI 10.1007/s00113-014-2558-7Online publiziert: 30. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

U. Culemann1 · H.J. Oestern1 · T. Pohlemann2

1  Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Neurotraumatologie, Allgemeines Krankenhaus Celle, Celle

2  Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar

Aktuelle Behandlung der BeckenringfrakturZusammenfassungDer Verletzung des Beckenringes kommt eine hohe Bedeutung im Rahmen eines Polytrau-mas zu. Der Einsatz differenzierter diagnostischer Verfahren in der Frühphase des Becken-traumas sowie die frühzeitige Stabilisierung dieser Frakturen im Sinne des „damage control“ haben zu nachhaltigen Verbesserungen in der Behandlung geführt. Dies gilt insbesondere für die Gruppe älterer Patienten, die zahlenmäßig zunehmen und aktuell im Fokus der Weiter-entwicklungen von Behandlungsregimen stehen.

Nach wie vor besteht eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit Beckenringfrakturen, ins-besondere bei polytraumatisierten Patienten. Sowohl die Standardisierung des Notfallma-nagements im Schockraum als auch die sinnvolle Erweiterung und Anwendung neuer „tools“ in der Präklinik tragen dazu bei, die Behandlungsoptionen ständig weiterzuentwickeln. Da aber auch die längerfristigen Probleme nach der Versorgung instabiler Beckenringfrakturen weiterhin problematisch bleiben, müssen die notwendigen Behandlungsverfahren weiterhin regelmäßig den Anforderungen angepasst werden.

SchlüsselwörterBeckenring · Komplextrauma · Beckenringbehandlung · Beckenringinstabilität · Insuffizienz-fraktur

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CME   Zertifizierte Fortbildung

RubrikherausgeberP. Biberthaler, MünchenT. Gösling, Braunschweig T. Mittlmeier, RostockD. Nast-Kolb, Essen

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift Der Chirurg 2013, 84:809-882, DOI s00104-012-2391-x. Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist nur einmal möglich.

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Current treatment of pelvic ring fractures

AbstractPelvic injuries are often associated with multiple injuries of other body regions, neurovascular and visceral lesions, as well as hemodynamic instability. The use of a standardized classification charac-terizing the severity and stability of pelvic fractures and the early stabilization of pelvic ring injuries in appreciation of damage control principles has helped to improve the number of survivors. This is particularly necessary due to the higher number of older patients.

Complex pelvic trauma still represents a life-threatening situation for the patient, particularly in multiple traumatized patients. Standardized clinical investigations and modern concepts even in the preclinical therapy of complex pelvic fractures make a contribution to enhancement of treatment op-tions. Because of the still problematic long-term results after surgery of instable pelvic fractures, the need for modern treatment concepts has to be adapted to the requirements.

KeywordsPelvic girdle · Complex pelvic trauma · Pelvic ring treatment · Instability of pelvic ring fractures · Pelvic ring fractures in elderly

Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrages…Fkennen Sie die Epidemiologie der Beckenringfrakturen sowie die wesentlichen Defini-

tionen und die Klassifikation dieser Verletzungsart,Fwissen Sie über die Behandlungskonzepte in Notfallsituationen und bei Patienten ohne

Kreislaufinstabilität Bescheid,Fsind Sie über die möglichen therapeutischen Verfahren informiert und über zukünftig

notwendige Behandlungsstrategien.

Hintergrund

Das Verständnis für die Bedeutung einer Beckenverletzung im Rahmen eines Polytraumas hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere die Notwendigkeit der frühzeitigen Stabilisierung von Beckenringfrakturen hat zu nachhaltigen Verbesserungen in der Behandlung geführt. Aktuell im Fokus der Weiterentwicklungen steht die Versorgung der Beckenringfrakturen des alten Menschen. Aufgrund des vermehrten Einsatzes differenzierter Diagnostika (Computertomographie [CT], Ma-gnetresonanztomographie [MRT]) werden okkulte Frakturen und knöcherne Ausrisse im hinteren, lasttragenden Beckenringbereich wesentlich häufiger und frühzeitiger festgestellt als noch vor Jahren. Die Behandlung dieser „Insuffizienzfrakturen“ steht aber sicher noch am Anfang ihrer Entwicklung.

Obwohl durch die Diagnostik die Erkennung einer instabilen Beckenringfraktur gestiegen ist, besteht nach wie vor eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit Beckenringfrakturen, insbesondere bei polytraumatisierten Patienten. Ergebnisse des Beckenregisters der DGU/AO (Deutsche Gesell-schaft für Unfallchirurgie/Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) zeigen ebenfalls, dass trotz des standardisierten Einsatzes notfallmäßiger operativer Verfahren weiterhin Probleme im Outco-me nach Beckenringverletzungen fortbestehen [1, 2, 3, 4].

Sowohl die Standardisierung des Notfallmanagements im Schockraum als auch die sinnvolle Erweiterung und Anwendung neuer „tools“ in der Präklinik tragen dazu bei, die Therapie der Be-ckenringverletzung ständig weiterzuentwickeln und die Behandlung weiter auf einem hohen Niveau zu halten. Die nachfolgende Darstellung soll somit einen Überblick über die derzeitig angewende-ten diagnostischen und therapeutischen Verfahren vermitteln und auch einen Ausblick auf zukünf-tig notwendige Strategien geben.

Aktuell im Fokus der Weiterentwick-lungen steht die Versorgung der Be-ckenringfrakturen des alten Men-schen

Trotz des standardisierten Einsatzes notfallmäßiger operativer Verfah-ren bestehen Probleme im Outcome nach Beckenringverletzungen

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Funktionelle Anatomie des Beckenringes

Das Becken ermöglicht durch seine Anlage als Ringsystem eine optimale Verteilung der Körper-last auf beide Beine. Die beiden Hüftbeine und das dorsalseitig nach dem Schlusssteinprinzip „ein-geklemmt“ liegende Kreuzbein bilden dabei den knöchernen Rahmen und werden durch die Sa-kroiliakalgelenke und die Symphyse fest miteinander verbunden, um dennoch eine „Rest“-Wackel-steifigkeit zuzulassen (Nutationsbewegungen), wie sie für die Funktion z. B. als Geburtskanal un-erlässlich ist. Funktionell-biomechanisch wird der Beckenring in einen ventralen und einen dorsa-len Beckenring untergliedert, wobei die biomechanisch relevanten und lasttragenden Strukturen im dorsalen Bereich liegen, während die Symphyse und angrenzende Scham- und Sitzbeinanteile in Bezug auf die Stabilität des Beckenringes eine untergeordnete Bedeutung besitzen, aber als „Stoß-stangen“ auch wichtige Pufferfunktionen erfüllen. Frakturen im dorsalen Beckenbereich führen eher zu einer biomechanischen Schwächung des Ringsystems und bedürfen zwingend einer opera-tiven Stabilisierung. Bei Frakturen im vorderen Beckenbereich kommt es demgegenüber zu keiner nennenswerten mechanischen Schwächung des Ringes, jedoch können sich bei ausbleibender Frak-turheilung ebenfalls schmerzhafte und behandlungsbedürftige Zustände ergeben, die einer operati-ven Stabilisierung bedürfen.

Epidemiologie bei Beckenringverletzungen

Beckenringverletzungen sind mit einer Inzidenz zwischen 3 und 8% aller Frakturen zwar selten, aber durch eine weiterhin bestehende hohe Letalitätsrate von großer Bedeutung [3, 5, 6, 7, 9]. Epidemio-logisch bestehen derzeit bei Beckenringfrakturen zwei Altersgipfelhäufigkeiten.

Der erste Gipfel liegt zwischen dem 20. bis 30. Lebensjahr und betrifft vornehmlich die schwer-verletzten Patienten, die durch Hochenergietraumata verunfallen und in über 80% der Fälle erhebli-che Begleitverletzungen aufweisen (vornehmlich Schädel-Hirn-Verletzungen und Thoraxtraumen). Bei einer Kombination aus Beckenfraktur und begleitendem Weichteilschaden im oder am Becken steigt die zu erwartende Mortalität auf 15–20% im Vergleich zu Patienten mit „unkomplizierten“ rein osteoligamentären Beckenfrakturen an [3, 7, 8]. Für diesen Verletzungstyp wurde deshalb der Be-griff der „komplexen Beckenfraktur“ eingeführt [9]. Ein zweiter Häufigkeitsgipfel findet sich um das 7. Lebensjahrzehnt und betrifft vorzugsweise Frauen, bei denen durch ein Niedrigenergietrau-ma (häuslicher Sturz) zumeist Schambeinast- und Sitzbeinfrakturen entstehen. Aufgrund des be-reits beschriebenen heute initial großzügigeren Einsatzes der CT finden sich aber auch häufig Frak-turen im ventralen Sakralbereich, sog. „Sakrumimpressionsfrakturen“, die im Zuge des Sturzer-eignisses mit Seitanprall auf die Hüfte entstehen und durch Kraftübertragung des vorderen Sakroi-liakal(SI)-Gelenkbereiches zu einer ventralseitigen Fraktur der Ala sacralis führen. Sie sind letztlich Ausdruck der Innenrotationsbewegung der Beckenschaufel und stellen einen B-Verletzungstyp am Beckenring dar [2, 4, 10].

Für die Entstehung einer Beckenringfraktur im Kindesalter (<14 Jahre) ist aufgrund der bestehen-den Elastizität des kindlichen Beckens eine hohe Energieeinwirkung mit hohen Rückstellkräften nö-tig. Beckenringfrakturen im Kindesalter finden sich zwar insgesamt selten, werden aber häufig über-sehen oder unterschätzt; die Rate der komplexen Beckenverletzungen liegt dabei bei Kindern mit 20% doppelt so hoch wie bei Erwachsenen [11, 12, 13].

Fehlstellungen bei übersehenen oder fehlerhaft eingeschätzten Beckenringfrakturen können zu verbleibender Schmerzsymptomatik und zur operativen Korrekturnotwendigkeit führen. Durch vollständige und symptombezogene Diagnostik und Therapie sollten diese Problemfälle tunlichst pri-mär vermieden werden. Aufgrund der Komplexität des Beckenringes führt die notwendige Rekons-truktion dennoch häufig trotz nahezu anatomischer Wiederherstellung zu einer bleibenden Beein-trächtigung des Patienten und sollte daher spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.

Diagnostik

Der gesamte Untersuchungs- und Primärbehandlungsgang folgt den ATLS®-Richtlinien [14].Nach kurzer Anamneseerhebung zum Unfallhergang und Unfallmechanismus gehört die klini-

sche Untersuchung des Verletzten weiterhin zum Grundrepertoire. Diese beinhaltet insbesonde-re die Inspektion der Körperregion und der Körperöffnungen. Hierbei sollte auf Lage und Ausdeh-

Das Becken ermöglicht durch seine Anlage als Ringsystem eine optima-le Verteilung der Körperlast auf bei-de Beine

Funktionell-biomechanisch wird der Beckenring in einen ventralen und einen dorsalen Ring untergliedert

Beckenringverletzungen sind be-dingt durch eine hohe Letalitätsrate von großer Bedeutung

Patienten weisen nach Hochener-gietraumata in über 80% erhebliche Begleitverletzungen auf

Um das 7. Lebensjahrzehnt kommt es häufig durch einen häuslichen Sturz zu Schambeinast- und Sitz-beinfrakturen

Beckenringfrakturen im Kindes-alter werden häufig übersehen oder unterschätzt

Die klinische Untersuchung des Ver-letzten gehört zum Grundrepertoire

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nung von Hämatomen, Blutaustritt an Körperöffnungen, auf die Stellung der Beine und die Beweg-lichkeit im Hüftgelenk sowie auf Beinlängendifferenzen geachtet werden. Die Durchblutungssitu-ation beider Beine ist ebenfalls zu dokumentieren. Eine orientierende neurologische Untersuchung sollte sich anschließen. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf Sensibilität und Motorik im Ausbrei-tungsgebiet des Plexus lumbosacralis.

Kontrovers diskutiert wird die Notwendigkeit der manuellen Untersuchung des Beckens, die nach Lehrbuch als seitliche und ventrodorsale Kompressionskontrolle ausgeführt werden soll. Einerseits kann sich der Untersucher so einen Eindruck von der bestehenden Instabilität des Ringes machen, andererseits ist die Interpretation bei großen Schaufelfrakturen oder nur geringfügigen Verschie-bungen in der Symphyse eher schwierig. Konsens besteht in der Tatsache, dass Patienten mit ange-legtem Beckengurt im Schockraum nicht erneut einer Instabilitätskontrolle unterzogen werden sol-len, um ein Wiederaufklappen der Ringstruktur mit erneuter Volumenvermehrung im Beckeninnen-raum und konsekutiver Nachblutung zu vermeiden. Hier ist die Untersuchung der Begleitverletzun-gen von größerer Bedeutung. Zumindest sollte aber durch Palpation der genaue Schmerzort lokali-siert werden. Hier ist insbesondere auf den tiefen sakralen Schmerz bei der Untersuchung zu achten.

Betrachtet man die Literatur unter dem Aspekt der Evidenz der klinischen Untersuchung im Ver-gleich zur Röntgenuntersuchung bei Beckenverletzungen, so finden sich lediglich 2 Studien (aus den USA und aus Deutschland) mit dem Evidenzlevel 2, die sich dieser Fragestellung widmen. Gonza-les kommt in seiner Auswertung von prospektiven klinischen Daten einer Studie an einem Level-I-Trauma-Zentrum in den USA (überwiegend stumpfe Traumata) bei etwas mehr als 2000 Patienten mit einem Glasgow Coma Scale (GCS) von 14–15 auf eine Sensitivität der klinischen Untersuchung von 93%. Bei einer geringeren Sensitivität von 87% der Beckenübersichtsaufnahme sieht er entspre-chend keinen Benefit in einer Screening Becken-a.p.-Aufnahme [15]. Dies wurde in einer Metaana-lyse von Sauerland im Jahre 2004 an einem ähnlichen Patientengut bestätigt [16].

In einer prospektiven klinischen Studie von Pehle am Universitätsklinikum in Essen mit 979 Pa-tienten wird in dieser Studie ein Patientengut mit einem Anteil von 76% beatmeten Patienten und einem durchschnittlichen GCS von 10 beschrieben. Die klinische Untersuchung dieses Patientengu-tes auf Stabilität bzw. Instabilität des Beckens ergab eine Sensitivität von lediglich 44,1% und die Au-toren postulieren konsekutiv die Beibehaltung der Becken-a.p.-Aufnahme im Rahmen des Schock-raummanagements zum Nachweis einer Beckenverletzung [17]. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass beatmete Patienten möglichst schnell einer apparativen Diagnostik zugeführt wer-den sollten, während wache und ansprechbare Patienten im Schockraum durchaus von einer kör-perlichen Untersuchung am Becken profitieren können unter Beachtung der o. a. Grundsätze, nicht eine Verschlimmerung der Situation für den Patienten zu generieren, um einem Protokoll zu gehor-chen („do no further harm“). Je nach Schockraumprotokoll erfolgt als primäre Röntgendiagnostik eine konventionelle a.p.-Aufnahme des Beckens oder primär eine CT. Insbesondere bei Beteiligung des hinteren Beckenringes sollte auf zusätzliche posteriore radiologische Zeichen einer Beckenring-verletzung geachtet werden (Fraktur des Querfortsatzes L5, Inkongruenz der S1-Neuroforamina, ver-mehrte Innen-/Außenrotation der Beckenschaufeln). Untersuchungen von Edeiken-Monroe konn-ten zeigen, dass bereits mit der konventionelle Aufnahme in 95% der Fälle eine Beckenringfraktur nachgewiesen werden kann [18]. Entsprechend erfahrene Untersucher können anhand der Becken-a.p.-Aufnahme zwischen 88 und 94% aller Beckenfrakturen auch richtig klassifizieren.

Typischerweise schließt sich heutzutage im Rahmen der Schockraum-Traumaspirale eine CT mit Kontrastmittel direkt an, je nach baulichen Gegebenheiten wird die Schockraumbehandlung auch primär bereits im CT als Ort der Primärbehandlung genutzt. Die konventionellen Schrägaufnah-men „Inlet und Outlet“ verlieren deshalb zunehmend an Bedeutung in der Primärdiagnostik. Da sich der Chirurg aber intraoperativ häufig auf genau diese Projektionen stützt, sollten diese Aufnah-men auch präoperativ zum Vergleich erstellt werden. Dies ist auch durch eine Rückrechnung der CT-Daten in die Inlet- und Outlet-Projektionsebenen möglich, sodass die präoperativen Bilder mit den intra- und postoperativen Bildern direkt verglichen werden können. 2-D- und 3-D-Rekonstruktio-nen aus der CT lassen räumliche Beziehungen von Frakturen und Fragmenten sichtbar werden und sind für die Repositions- und Osteosyntheseplanung sehr hilfreich. Die MRT spielt in der primä-ren Frakturdiagnostik bei Erwachsenen derzeit noch eine untergeordnete Rolle und bleibt zumeist weiterführenden Fragestellungen (z. B. Unterscheidung frischer von älteren Frakturen bei geriatri-schen Patienten, Diagnostik einer Symphysitis pubis [19]) vorbehalten. Bei Kindern kann die MRT aber auch in der Primärdiagnostik eingesetzt werden, um eine zusätzliche Strahlenbelastung der Go-

Patienten mit angelegtem Becken-gurt sollten nicht erneut einer Insta-bilitätskontrolle unterzogen werden

Die klinische Untersuchung hat bei einem GCS von 14–15 eine höhere Sensitivität (93%) als die Röntgen-untersuchung (87%)

Beatmete Patienten sollten mög-lichst schnell einer apparativen Dia-gnostik zugeführt werden

Als primäre Röntgendiagnostik er-folgt eine konventionelle a.p.-Auf-nahme des Beckens oder primär eine CT

Die konventionellen Schrägaufnah-men „Inlet und Outlet“ verlieren in der Primärdiagnostik zunehmend an Bedeutung

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naden zu vermeiden [11]. Die Ultraschalluntersuchung des Abdomens inklusive der Brusthöhle nach der FAST („focused assessment sonography in trauma“) -Technik erlaubt die Diagnostik oder den Ausschluss freier abdomineller bzw. thorakaler Flüssigkeit im Rahmen des Polytraumaalgorithmus bzw. des ATLS-Konzeptes [14].

Bei urologischen Begleitverletzungen werden zusätzlich weitere diagnostische Maßnahmen er-forderlich (retrograde Urethrographie, Zystogramm, Ausscheidungsurogramm). Eine ausführliche Zusammenstellung zur Diagnostik und Therapie von Verletzungen der ableitenden Harnwege bei polytraumatisierten Patienten findet sich unter dem S3-Leitlinienprojekt der European Association of Urology (EAU) u. a. publiziert von S. Buse in der Zeitschrift Der Unfallchirurg [20]. Die laborche-mischen Untersuchungen folgen den Vorgaben des Polytraumamanagements und umfassen min-destens Blutbild, Gerinnung (mit Quick-Wert), arterielle Blutgaswerte, Laktat und Base Excess. Zur Abschätzung der Blutungsschwere kann nach Trunkey [21] der Blutverlust pro Zeitintervall (ml/min) oder nach Bone [22] der Gesamtblutverlust (ml) mit entsprechender Einteilung in Schwere-grade angegeben werden. Für den klinischen Gebrauch hat sich die Abschätzung des Blutverlustes aus dem ersten, direkt bei Aufnahme entnommenen Hämoglobingehalt (Hb) oder Base Excess be-währt. Bei einem Hb-Wert unter 6 mg % oder einem Base Excess unter −6 mmol/l kann näherungs-weise von einem relevanten Blutverlust mit konsekutiv instabilem Kreislauf ausgegangen werden [7]. Wichtig sind ebenfalls bereits bei der Aufnahme im Schockraum die Beachtung der Körpertempe-ratur des verletzten Patienten und die benötigte Rettungszeit, da insbesondere die Gerinnung bei Unterkühlung deutlich derangiert sein kann und bei entsprechendem Trauma erhebliche Blutungen in das kleine Becken auftreten können. Bei Vorliegen einer singulären, arteriellen Blutung, die zu-meist im Rahmen der Primärdiagnostik im Schockraum-CT als Kontrastmittelaustritt auffällt, ist in bestimmten Fällen eine interventionelle Embolisation zur differenzierten Blutstillung indiziert [23]. Sie setzt voraus, dass ein in dieser Methode geübter Radiologe zur Verfügung steht. Nur arterielle Blutungen lassen sich mit einer Angiographie darstellen und in gleicher Sitzung selektiv embolisie-ren. Deren Anteil als Blutungsursache bei schweren Beckenverletzungen wird auf 10–20% der Fälle geschätzt. Die übrigen 80% der Blutungen sind venösen Ursprungs [9]. Während im englischspra-chigen Raum die großzügige und liberale Durchführung einer Angiographie gefordert wird und Au-toren wie Miller ihre Wertigkeit noch vor der mechanischen Stabilisierung sehen [24], kommt im deutschsprachigen Raum die selektive Embolisation eher als Ultima Ratio bei persistierender, chir-urgisch oder durch Tamponade nicht beherrschbarer Blutung mit Kreislaufrelevanz nach chirurgi-scher Stabilisierung zur Anwendung.

Wesentliche Definitionen bei Beckenringverletzungen

Die unten angeführten Begriffe wurden im Rahmen der Arbeit der Arbeitsgruppe Becken I–III (DGU und Deutsche Sektion der AO-Foundation) festgelegt. Die Studien der AG konnten einen hohen negativ-prognostischen Wert der spezifischen Verletzungskategorien belegen [4, 25].

„Komplextrauma“ des Beckens. Eine „komplexe“ Beckenverletzung ist definiert als Beckenring-fraktur mit begleitendem peripelvinem Weichteilschaden, d. h. einer zusätzlichen Verletzung von Nerven, Gefäßen, Muskulatur oder den Beckeneingeweiden [3]. Statistisch liegt lediglich bei 10% al-ler Beckenfrakturen eine komplexe Beckenverletzung vor und nur knapp 3% aller Beckenfrakturen sind begleitet von einer vital bedrohlichen Blutung. Hingegen liegt die Letalität komplexer Becken-frakturen bei 20% und steigt bei initialer Kreislaufinstabilität auf 33% an.

Offene Beckenfrakturen. Durch knöcherne Durchspießungen der Haut oder von Hohlorganen des Beckens (typischerweise perineal oder anal) kommt es definitionsgemäß zu einer „offenen“ Be-ckenringfraktur. Die Inzidenz liegt zwischen 0,9 und 4,8% aller Beckenfrakturen [1, 6]. Offene Be-ckenfrakturen sind aufgrund der entstehenden posttraumatischen Infektion ebenfalls mit einer ho-hen Mortalitätsrate vergesellschaftet.

Kompartmentsyndrom des Beckens. Aufgrund ausgedehnter Hämatombildung mit entsprechen-der Einblutung in die Muskelfaszienräume des Beckens kann es auch bei fehlenden knöchernen Verletzungen zu einem Kompartmentsyndrom kommen [26, 27]. Da sich insbesondere retrope-ritoneal ausdehnende Blutungen aufgrund fehlender Separierungen nach kranial in Richtung Ab-

Mittels Ultraschalluntersuchung kann freie Flüssigkeit diagnostiziert oder ausgeschlossen werden

Die laborchemischen Untersuchun-gen folgen den Vorgaben des Poly-traumamanagements

Bei singulärer, arterieller Blutung ist in bestimmten Fällen eine interven-tionelle Embolisation indiziert

Der Anteil arterieller Blutungen als Blutungsursache bei schweren Be-ckenverletzungen wird auf 10–20% der Fälle geschätzt

Eine „komplexe“ Beckenverletzung ist definiert als Beckenringfraktur mit begleitendem peripelvinem Weichteilschaden

Durch Einblutung in die Muskelfas-zienräume kann auch bei fehlenden knöchernen Verletzungen ein Kom-partmentsyndrom entstehen

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domen weiter vorwühlen können, kann sich durch die entstehende Druckerhöhung ein lebensbe-drohlicher Zustand entwickeln. Trentz hat für die sich nach kranial ausbreitende Blutung den Begriff „Schornsteineffekt“ geprägt. Am Becken kann ebenfalls durch direkte Einblutung aufgrund einer Gefäßverletzung im Glutealbereich ein muskuläres Kompartment in den Komaprtimenten der Glu-tealregion auftreten.

Morell-Lavallé-Läsion. Die Morell-Lavallé-Läsion stellt eine Sonderform einer Haut-Weichteil-Ver-letzung am Becken dar. Dieses ausgedehnte subkutane Décollement entsteht durch Scherkräfte im Beckenbereich infolge seitlicher Energieeinwirkung auf die Haut und Unterhaut mit massivem Flüs-sigkeitsübertritt in den Subkutanraum [26, 27].

Hemipelvektomie. Bei der Hemipelvektomie kommt es durch eine massive direkte Gewalteinwir-kung zu einer neurovaskulären Komplettabtrennung einer Beckenhälfte mit anhängendem Bein vom Körperstamm. Diese schwere Verletzung wird nur in Ausnahmefällen überlebt und stellt die Maxi-malvariante eines Komplextraumas dar.

Unter Einbeziehung dieser Definitionen publizierten Hauschild et al. [3] eine Auswertung des Beckenregisters der Arbeitsgruppe Becken (DAO und DGU), der aktuell weltweit größten becken-spezifischen Datenerhebung. Ausgewertet wurden 4291 Patienten mit Beckenfrakturen aus den Jah-ren 1991 bis 1993 (AG Becken I) und 1998 bis 2000 (AG Becken II) unter den Aspekten Frakturty-pus, epidemiologische Daten, Verletzungsschwere, Primärtherapie, operative Behandlung und Mor-talität [3]. Im Ergebnis fand sich eine altersunabhängige Abnahme der Mortalität von Versorgungs-zeitpunkt 1 zu 2 (Mortalität AG Becken I =7,9%, AG Becken II =5%). Als prädiktive Risikofaktoren für ein Versterben erwiesen sich schwere Begleitverletzungen mit ansteigendem ISS, eine begleiten-de Weichteilverletzung und die Notwendigkeit der Verwendung von Erststabilisierungsmaßnahmen (z. B. Fixateur externe, Beckenzwinge). Die chirurgische Stabilisierung einer Beckenfraktur war mit einer deutlichen Verbesserung der Überlebensrate verknüpft.

Klassifikation der Beckenringfraktur

Für die Einteilung von Beckenringfrakturen hat sich die modifizierte AO-Klassifikation nach dem ABC-Schema durchgesetzt [28]. Es verknüpft die von Pennal eingeführte Einteilung der Beckenfrak-turen nach dem reinen Unfallmechanismus mit der Klassifikation von Tile, der den Mechanismus dem Instabilitätsgrad der Beckenfraktur unterordnete (.Abb. 1).

Durch massive direkte Gewaltein-wirkung kann es zu einer neurovas-kulären Komplettabtrennung einer Beckenhälfte kommen

Prädiktive Risikofaktoren für ein Versterben sind schwere Begleitver-letzungen mit ansteigendem ISS

Typ-A-Verletzung(vorderer Beckenring und Beckenrand)

sakroiliakaler Komplexintakt und stabil

Typ-B-VerletzungRotationsinstabilität

ventraler SI-Bandapparat rupturiert

dorsaler SI-Bandapparat intakt

Typ-C-VerletzungTranslationsinstabilität

ventraler u. dorsalerSI-Bandapparat rupturiert

Abb. 1 8 Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Verletzungen des Beckens (mod. Tile-/AO-Klassifikation; Erläuterung s. Text; aus [44])

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Typ-A-Verletzung

Bei diesem Frakturtyp bleibt die knöcherne und ligamentäre Integrität des biomechanisch beson-ders relevanten hinteren Beckenringes intakt. Es handelt sich daher um „stabile Frakturen“. Bei-spiele hierfür sind Abrissfrakturen, Beckenrand-, Scham- und Sitzbeinfrakturen sowie Sakrumquer-frakturen distal der IS-Fuge.

Typ-B-Verletzung

B-Verletzungen führen zu einer Rotationsinstabilität des Beckens. Bei einer entsprechenden Ener-gieeinwirkung mit Frakturen im vorderen Beckenring oder durch Seitanprall kommt es durch eine Außen-/bzw. Innenrotation der Beckenhälften mit scharnierartigem Auf- bzw. Zuklappen des dor-salen Beckenringes zu einer Verletzung der ventralen Bandanteile des SI-Gelenkes (Riss der Ligg. sa-kroiliacalica anteriores).

Die „Open-book“-Verletzung des Beckenringes ist für die Außenrotationsverletzung ein typi-sches Beispiel. Durch eine plötzliche starke Außenrotation beider Beine beim Fallschirmsprung oder beim Aufprall des Beckens am Tank eines Motorrades entsteht so eine Kombination aus Symphysen-zerreißung und einer ventralen SI-Fugensprengung. Das Pendant, eine Innenrotationsverletzung, entsteht durch einen lateralen Anprall, wie er z. B. bei älteren Patienten durch Sturz auf die Seite ty-pisch ist. Neben einer Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes kommt es infolge der konse-kutiven Innenrotation einer Beckenhälfte zu typischen sakralen Kompressionsfrakturen im ventra-len Bereich der Ala sacralis („Sakrumknick im S1-Körper“).

Typ-C-Verletzung

Bei C-Verletzungen des Beckenringes liegt eine komplette Rotations- und Translationsinstabilität des Beckens vor. Dorsale Beckenstrukturen sind in ihrer Kontinuität komplett unterbrochen. Durch ent-sprechende Gewalteinwirkung kommt es neben einer übermäßigen Rotation des hinteren Beckenrin-ges auch zu einer begleitenden (meist kraniokaudalen) Translation des hinteren Beckenringes. Häu-fig sind neben vorderen oberen und unteren Schambeinastfrakturen transiliosakrale Luxationsfrak-turen dorsal zu beobachten. Insbesondere bei älteren Patienten werden aber auch

transiliakale Frakturen im hinteren Beckenring beobachtet, die leider aufgrund der geringfü-gigen Dislokation in der initialen Röntgendiagnostik übersehen werden können. Aufgrund der in-stabilen Situation kann diese Verletzung bei älteren Patienten zu zunehmenden Schmerzen führen und es kann eine Ausheilung letztlich nicht erreicht werden. Durch vermehrten Einsatz der CT wer-den aber auch diese Frakturtypen häufiger primär erkannt und einer operativen Stabilisierung zu-geführt (.Abb. 2).

Sakrum

Das Sakrum nimmt im dorsalen Beckenring eine Schlüsselstellung ein. Aufgrund der Position im zentralen hinteren Ringbereich und der Notwendigkeit des Übertrittes von wichtigen nervalen Ver-sorgungen für Beckeneingeweide und beide Beine (Plexus lumbosacralis) kommt einer Verletzung des Sakrums sowohl biomechanisch als auch klinisch eine hohe Bedeutung zu. Die Sakrumfraktu-ren wurden deshalb auch nach Denis et al. gesondert klassifiziert.

Denis et al. unterscheiden am Sakrum drei Zonen, durch die Frakturen typischerweise verlaufen:Fdie transalare Zone,Fdie transforaminale Zone undFdie zentrale Zone.

Transalare Frakturverläufe kommen zwar prozentual am häufigsten vor (50%), werden aber durch die dorsalen Sakroiliakalbänder überbrückt und somit im Sinne von B-Verletzungen des Beckenringes stabilisiert. Zentrale Sakrumfrakturen sind mit 15% eher selten, aufgrund ihrer zumeist spongiösen Fragmentverzahnung eher als stabil anzusehen, gehen aber mit einer hohen Rate an Nervenschädi-gungen einher. Von Bedeutung sind die relativ häufigen transforaminalen Sakrumfrakturen (34%),

B-Verletzungen führen zu einer Ro-tationsinstabilität des Beckens

Bei C-Verletzungen des Beckenrin-ges liegt eine komplette Rotations- und Translationsinstabilität des Be-ckens vor

Sakrumfrakturen werden gesondert klassifiziert

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Abb. 2 8 a–e: Typische Altersfraktur des Beckenringes. a 73-jährige Patienten mit vorderer Beckenringfraktur beid-seits (Unfall 3/2007). b Bei der Verlaufskontrolle nach 8 Wochen infolge fortbestehender Schmerzen deutliche Ring-dislokation (Verlauf 5/2007). c Ein angefertigtes CT (CT 5/2007) weist eine nicht verheilte Insuffizienzfraktur des Be-ckens vom Typ C nach (transpubische Fraktur beidseits, transiliakale Fraktur rechts, transalare Sakruminsuffizienz-fraktur links). d Entschluss zur operativen Stabilisierung (intraoperativ 6/2007 und postoperativ 6/2007), anschlie-ßend Mobilisation am Rollator. e Dokumentation der Ausheilung ein Jahr später im Rahmen einer Nachkontrolle, Patientin beschwerdefrei mobil

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da sie nicht nur zu einer erheblichen Instabilität im dorsalen Beckenring führen, sondern auch mit einer hohen Rate neurologischer Schädigungen vergesellschaftet sind (28%, [29]).

Therapie

Multizentrische Untersuchungen konnten bestätigen, dass die Therapie der Beckenringverletzung sich nach der Kreislaufstabilität des Patienten und der biomechanischen Stabilität des Beckenringes richten sollte [1, 3, 4, 7, 30].

Das langfristige Behandlungsziel soll die Wiederherstellung der Beckenringstabilität als Voraus-setzung für eine funktionelle Nachbehandlung des Patienten sein. Die Indikation für eine operative Therapie berücksichtigt des Weiteren die für interne Osteosyntheseverfahren geeigneten Zugangs-wege und setzt das komplette Beckeninstrumentarium sowie die entsprechende Logistik für einen ausreichenden Blutersatz („cell saver“, Blutbank) und Nachbehandlungsmöglichkeit (intensivstatio-näre Überwachung und Rehabilitation) voraus.

Neben der Einschätzung der knöchernen Stabilität des Beckenringes ist insbesondere in der ersten Behandlungsphase die Unterscheidung in eine Beckenringfraktur mit und ohne lebensbedrohende Blutung für den Patienten überlebenswichtig. In ca. 3% aller Beckenringfrakturen treten signifikan-te Blutungen mit konsekutiver hämodynamischer Instabilität des Patienten auf. Insbesondere kom-plexe Beckenfrakturen mit ausgedehnten Weichteilverletzungen können dabei zu erheblichen Blu-tungskomplikationen führen [4, 7, 31].

Das Notfallbehandlungskonzept bei lebensbedrohlichen Beckenringfrakturen muss sich nahtlos in das individuelle Konzept der Schwerverletztenversorgung des jeweiligen Krankenhauses einfügen, aber auch den personellen und infrastrukturellen Gegebenheiten hierbei Rechnung tragen [1]. In der Regel kommen Modifikationen des ATLS® Konzeptes zur Anwendung. Grundlegende Ziele der Pri-märbehandlung sind das frühzeitige Erkennen des lebensbedrohlichen Zustandes, die unmittelba-re mechanische Stabilisierung des Beckenrings (beispielsweise Patientenlagerung, Beckengurt, Be-ckenzwinge und Fixateur externe) und bei nicht ausreichend kompensierten Patienten („Nonrespon-der“) die chirurgische Blutstillung durch eine extraperitoneale Tamponade des kleinen Beckens. Bei entsprechenden Voraussetzungen kommt auch eine interventionelle Blutstillung (Angioembolisati-on) infrage [23, 32]. Die zusätzliche medikamentöse Behandlung mit gerinnungsaktiven Substanzen (Tranexamsäure, aktivierter rekombinanter Faktor VII) wird aktuell in der Literatur diskutiert [33].

Behandlungskonzepte in der Notfallsituation

Patient mit Beckenringfraktur und relevanter KreislaufinstabilitätBei Patienten mit Beckenringfrakturen und beckenbedingter Massenblutung sowie einem Hämoglo-binwert von ≤6 mg % bei Klinikaufnahme werden nach dem Beckentraumaalgorithmus behandelt [7]. Insbesondere Komplexverletzungen des Beckens mit Blutungen stellen absolute Indikationen für die sofortige, lebensrettende operative Intervention und Blutstillung am Becken dar. Als Notfall- instrumente stehen hierfür äußere (Beckengürtel, Beckenzwinge, Fixateur externe; .Abb. 3) und

Transforaminale Sakrumfrakturen sind mit einer hohen Rate neuro-logischer Schädigungen vergesell-schaftet

Die Unterscheidung in eine Becken-ringfraktur mit und ohne lebensbe-drohende Blutung ist überlebens-wichtig

Abb. 3 9 Patientin nach Sturz aus 2. Stock in suizidaler Absicht. Primär-versorgung mit Beckenzwinge und supraazetabulärem Fixateur externe bei Beckenringfraktur Typ C (in die-sem Falle in Kombination mit hüft-naher Femurfraktur)

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innere (extraperitoneale Tamponade) Verfahren zur Verfügung. Betrachtet man hierzu die Litera-tur unter Berücksichtigung des Zeitpunktes der Frakturversorgung beim Beckentrauma, so fordert das American College of Surgeons im Rahmen der ATLS®-Richtlinien die Kontrolle lebensbedroh-licher Blutungen innerhalb einer Stunde nach dem Unfall (sog. Reanimationsphase 1. bis 3. h nach Trauma; [14]).

Meighan führte hierzu 1998 eine Studie in Notfallambulanzen in Schottland durch. Er konnte zei-gen, dass lediglich 8 von 31 Kliniken eine operative Notfallstabilisierung des Beckenringes innerhalb der ersten „golden hour of shock“ durchführen konnten. Entsprechend forderte er die vermehrte Be-rücksichtigung der externen Notfallstabilisierung des Beckens in der Ausbildung der chirurgischen Kollegen in seinem Land [34]. Osborne et al. [35] veröffentlichten 2009 einen retrospektiven Ver-gleich zwischen ausschließlicher Beckenangiographie (ggf. mit Embolisation) und der Beckentam-ponade und anschließenden Angiographie (ggf. mit Embolisation) als Erstmaßnahme bei Patienten mit instabiler Beckenfraktur und Kreislaufinstabilität. Jede Behandlungsgruppe umfasste 20 Patien-ten. Blutungsschwere, Transfusionsbedarf, Interventionszeit und Mortalitätsrate wurden untersucht. 45 min nach Aufnahme war die Beckentamponade ausgeführt, während die Angiographie im Durch-schnitt erst nach 130 min durchgeführt wurde. Die Tamponaden-Gruppe zeigte eine signifikante Ab-nahme des Transfusionsbedarfs, die Angiographie-Gruppe nicht. In der Angiographie-Gruppe be-nötigten 10 Patienten eine zusätzliche Embolisation, 6 verstarben (2 wegen einer fortbestehenden, akuten Blutung). In der Tamponaden-Gruppe benötigten 3 Patienten eine Embolisation, 4 verstar-ben, kein Patient aufgrund einer unkontrollierten Blutung.

Verbeek et al. [31] publizierten ebenfalls 2008 die Ergebnisse einer Analyse von Daten von welt-weit 11 Traumazentren zum Management der Beckenringfraktur mit begleitender Kreislaufinstabi-lität. Es wurden 217 Patienten untersucht (Injury Severity Score [ISS] 42±16, RR 96±37 mmHg, GCS 11±5). Die Patienten wurden im Durchschnitt mit 4±2 l Infusion und 4±4 Erythrozyten-Konzent-raten volumensubstituiert. 32% der Patienten verstarben, in 29% der Fälle bestand eine direkte Re-lation zur Beckenverletzung. Zu den Erstbehandlungsmaßnahmen zählten in 28% der Fälle ein „Be-ckengürtel“. In 49% der Fälle konnte keine Blutung bei der Laparotomie gefunden werden, in 83% der Fälle wurde ein positiver Befund bei der durchgeführten Angiographie festgestellt. Insgesamt fand sich die höchste Sterbewahrscheinlichkeit bei den Patienten, bei denen eine Laparotomie als Erstbe-handlungsmaßnahme durchgeführt worden war, gefolgt von der Gruppe, die als erstes durch eine Angiographie behandelt wurde. Anschließend folgte die Gruppe der Patienten, die mit einer Kom-bination aus Laparotomie und Stabilisierung der Beckenfraktur behandelt wurde und die niedrigs-te Sterbewahrscheinlichkeit wiesen die Patienten auf, bei denen primär Stabilisierung des Becken-ringes durchgeführt worden war. Die Autoren schlussfolgern, dass eine diagnostische Laparotomie möglichst zugunsten der Erststabilisierung der Beckenfraktur aufgegeben und nur bei therapeuti-scher Notwendigkeit ausgeführt werden sollte [31]. Noda et al. beschreiben in einer 2008 veröffent-lichten Arbeit erstmals eine sichtbare Sofortwirkung von rekombinanten Faktor VIIa (rFVII „Novo- Seven“, Fa. NovoNordisk) bei einer Beckenfraktur durch angiographischen Nachweis. Dargestellt wird der Fall eines 36-jährigen Patienten mit einer Typ-C-Beckenverletzung bei bestehender Stabilität des Kreislaufs (Hb 14,6 g/dl, Hkt 42,2% und 214.000 Thrombos, Fibrinogenkonzentration 116 mg/dl, die Prothrombinzeit 11,0 s und die PTT [partielle Thromboplastinzeit] auf 58,3 s verlängert). Ent-sprechend des ATLS-Behandlungsregimes wurde eine Trauma-CT-Spirale durchgeführt und ein ent-sprechend der Fraktur lokalisiertes, linksseitiges Hämatom im Becken diagnostiziert. Bei Extrava-sat in Verbindung mit Fraktur wurde entsprechend der hausinternen Leitlinien eine Angiographie durchgeführt und venös 90 μg/kg rFVIIa appliziert. 10 min nach Gabe erfolgte eine erneute Angio-graphie ohne Nachweis eines noch vorhandenen Extravasates [33]. Neuere Arbeiten zeigen jedoch, dass in der Primärphase operierte Patienten ein höheres Risiko durch länger andauernde Operatio-nen tragen. Bei einer Operationszeit über 6 h können sie sekundäre Organschädigungen erleiden, die zu einer höheren Letalität bzw. Inzidenz eines Multiorganversagens beizutragen scheinen („se-cond hit“). Nach Daten der Arbeitsgruppe Becken II der DGU [27] und einer Arbeit von Rommens und Hessmann [36] liegt der Sekundärversorgungszeitpunkt des Beckentraumas ebenfalls eher zwi-schen dem 5. und 9. Tag nach Klinikaufnahme, als innerhalb der ersten 24 h.

Patient mit Beckenringfraktur ohne KreislaufinstabilitätPatienten mit einer Beckenringfraktur ohne beckenbedingte Kreislaufinstabilität und zumindest par-tieller Stabilität des Beckenringes (Typ A und B) müssen in der Regel nicht notfallmäßig einer ope-

Die ATLS®-Richtlinien fordern die Kontrolle lebensbedrohlicher Blu-tungen innerhalb einer Stunde nach dem Unfall

Eine diagnostische Laparotomie sollte möglichst zugunsten der Erst-stabilisierung der Beckenfraktur aufgegeben werden

Rekombinanter Faktor VIIa hat eine sichtbare Sofortwirkung

In der Primärphase operierte Pa-tienten tragen durch länger andau-ernde Operationen ein höheres Le-talitätsrisiko

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rativen Intervention zugeführt werden, sie werden nach entsprechender ausführlicher Diagnostik postprimär versorgt. Bei allen Typ-A-Verletzungen kann in der Regel eine konservative Behandlung durchgeführt werden. Eine Operationsindikation ergibt sich nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Abriss-frakturen von relevanten Muskelursprüngen) und bei Fragmentdruck auf Weichteile, Nerven oder Beckenorganen (z. B. „pubic spike“ – Schambeinast spießt in die Harnblase). Bei einer transpubi-schen Instabilität kommen Schraubenosteosynthesen, die vom Tuberculum pubicum aus parallel zum Pecten ossis pubis in Richtung auf den vorderen Azetabulumpfeiler eingebracht werden (sog. „Kriechschrauben“), oder ventrale Fixateur-externe-Montagen zur Anwendung. Mithilfe supraaze-tabulär gelegener Schanzschrauben wird eine einfache Fixateur-Montage in den Darmbeinschaufeln verankert und stellt die frakturierte Region ausreichend ruhig.

Eine Typ-B-Verletzung kann trotz partieller dorsaler Instabilität grundsätzlich ebenfalls konser-vativ behandelt werden. Zeigt sich jedoch eine fortgesetzte Schmerzsymptomatik oder zunehmen-de Dislokation der Fraktur posterior unter der laufenden konservativen Therapie (Schmerzzunah-me unter der Mobilisation im hinteren Beckenbereich), besteht die Indikation zur operativen Be-handlung. Der Eingriff wird dabei auf die Fixation der ventralen Instabilität beschränkt. Bei Sym-physenrupturen wird über einen Pfannenstielquerschnitt oder eine vorhandene Laparotomiewunde die Symphysenruptur offen reponiert und mit einer von kranial auf den Schambeinästen aufliegen-den 4–6-Loch-3,5-mm- Symphysenplatte fixiert oder bei einer offenen Fraktur mit einem Fixateur externe überbrückt. Typ-C-Verletzungen stellen aufgrund ihres biomechanischen Stabilitätsverlus-tes grundsätzlich eine Indikation zur operativen Stabilisierung dar. Es sollte primär die dorsale In-stabilität versorgt werden. Dabei ist insbesondere auf die korrekte Wiederherstellung der Höhe und Rotation des hinteren Beckenringes zu achten. Die anschließende Reposition des vorderen Becken-ringes sollte dann einfach möglich sein. Liegen nach Stabilisierung dorsal noch erheblich Verschie-bungen im vorderen Ringbereich vor, ist nochmals auf die korrekte Reposition dorsal zu schauen.

Handelt es sich um eine transiliakale Instabilität kommen Zugschrauben allein oder in Verbin-dung mit Rekonstruktionsplatten zur Anwendung (.Abb. 4). Dislozierte Verletzungen der SI-Fu-ge allein (iliosakrale Luxation) oder mit zusätzlichen Frakturausläufern am Ilium (transiliosakrale Luxationsfraktur) oder Sakrum (transsakrale Luxationsfraktur) müssen in der Regel offen reponiert und stabilisiert werden. Über einen anterolateralen Zugang, dessen Hautschnitt über der Crista iliaca vom vorderen Darmbeinstachel in einer Länge von 12–15 cm nach dorsal verläuft, wird der M. ilia-cus von der inneren Beckenschaufel abgeschoben. Die Präparation erfolgt bis auf die IS-Fuge. Jen-seits der Fuge schließt sich die Darstellung der Ala sacralis an. Bei subperiostaler Präparation besteht dabei keine Gefahr der Nervenläsion, insbesondere wenn die Präparation auf 1–1,5 cm nach medial der Fuge beschränkt bleibt. Im offenen Vorgehen stellt die ventrale Plattenosteosynthese das ge-eignete Verfahren dar. Zwei in einem Winkel von ca. 70° zueinander angeordnete 4,5-mm-3-Loch-Platten werden von kranial nach Reposition gelenküberbrückend auf die SI-Fuge aufgelegt, sodass sich die Schrauben lateral im Ilium und medial in der Ala sacralis verankern. Sakrum- bzw. Ilium-fragmente werden ggf. durch zusätzliche Schrauben erfasst.

Bei Frakturen ohne wesentliche Dislokation und geschlossen möglicher anatomischer Reposition der Sakroiliakalfuge können perkutan eingebrachte transiliosakrale Zugschrauben zur Stabilisie-rung ebenfalls eingesetzt werden [37, 38]. Nach Vorlegen eines Führungsdrahtes werden dabei 1 bis 2 kannülierte Zugschrauben mit Unterlegscheibe (7,0–7,3 mm) von lateral durch die IS-Fuge hin-durch in den S1- und/oder S2-Körper des Sakrums unter Bildwandlerkontrolle platziert. Lässt sich aufgrund der Instabilität eine geschlossene Reposition erreichen, bietet die perkutane Schraubenos-teosynthese Vorteile, da sie weichteilschonender ist. Nachteilig ist die notwendige Gelenkpenetra-tion des intakten SI-Gelenkes.

Schweitzer et al. [39] legten 2008 eine Untersuchung von 73 Patienten mit transiliosakraler Ver-schraubung vor. In einem Zeitraum von 7 Jahren wurden perkutan mit einer transiliosakralen Zug-schraubenosteosynthese bei instabiler Beckenringfraktur stabilisiert und ein Nachuntersuchungs-zeitraum von mindestens 12 Monaten abgewartet. 10 Patienten mit B-Verletzungen und 61 Patien-ten mit C-Verletzungen wurden operativ stabilisiert. Im Ergebnis konnte bei 69 Patienten ein zufrie-denstellendes Repositionsergebnis erzielt werden, 2 Patienten wiesen eine Neurologie auf, bei 5 Pa-tienten kam es zum Osteosyntheseversagen und bei 15 Patenten wurde eine Arthrose im Verlauf fest-gestellt. 86% der Patienten konnten ihren Zustand wie vor dem Trauma wiederherstellen, bei 66 Pa-tienten fanden sich gute bis sehr gute Ergebnisse in der Nachuntersuchung. Die perkutane Schrau-benosteosynthese stellte für die Autoren im Ergebnis eine sichere und langfristig erfolgreiche Metho-

Patienten ohne Kreislaufinstabilität werden nach ausführlicher Diagnos-tik postprimär versorgt

Bei allen Typ-A-Verletzungen kann i. d. R. eine konservative Behand-lung durchgeführt werden

Bei fortgesetzter Schmerzsympto-matik oder zunehmender Disloka-tion der Fraktur posterior besteht die Indikation zur operativen Be-handlung

Typ-C-Verletzungen stellen grund-sätzlich eine Indikation zur operati-ven Stabilisierung dar

Dislozierte Verletzungen der SI-Fu-ge müssen i. d. R. offen reponiert und stabilisiert werden

Die perkutane Schraubenosteo- synthese ist weichteilschonend

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de zur Stabilisierung wenig verschobener Beckenringfrakturen dar. Bei älteren Patienten mit konse-kutiv schwächerer Knochenstruktur kommen diese Verfahren dann auch zementaugmentiert ins-besondere bei den sog. „Insuffizienzfrakturen“ im Sakrum zur Anwendung. Frey et al. [40] legen 2008 eine Pilotstudie zur Behandlung von osteoporotischen Sakrumfrakturen durch perkutane Injek-tion von Knochenzement (PMMA, polymeres Methyl-Methacrylat) in die Frakturen der Ala sacralis über eine 13-G-Nadel vor. Insgesamt wurden 52 Patienten, darunter 40 Frauen, mit einem Durch-schnittsalter von 75,9 Jahren in o. a. Art und Weise behandelt. Auf der visuellen Analogskala (VAS) fand sich eine signifikante Abnahme der Schmerzen, in einem Fall fand sich eine S1-Pseudoradiku-litis (nach Steroidinjektion komplett rückläufig). Die Autoren schlussfolgern, dass die Zementauf-füllung bei osteoporotischer Fraktur des Sakrums eine effiziente und sichere Methode ist, eine ra-sche Schmerzreduktion und Mobilisierbarkeit der Patienten zu erzielen. Längerfristige Erfahrun-gen stehen allerdings noch aus.

Die Verfahren zur operativen Versorgung von Sakrumfrakturen werden weiterhin intensiv disku-tiert. Es besteht hierbei Übereinstimmung, dass instabile Frakturen mit begleitender Nervenverlet-zung eine Indikation zur offenen Reposition und Osteosynthese darstellen [29]. Gerade bei den zen-tralen und transforaminalen Frakturverläufen ist häufig eine zusätzliche Dekompression neuronaler Strukturen erforderlich, die wie auch die Stabilisierung selbst von dorsal in Bauchlage des Patienten ausgeführt wird. Die Palette der verschiedenen Verfahrenstechniken zur Versorgung der Sakrum-fraktur ist jedoch landesweit sehr unterschiedlich. Neben der Spondylodese von L4/L5 auf das Ilium

Instabile Frakturen mit begleitender Nervenverletzung sind eine Indika-tion zur offenen Reposition und Os-teosynthese

Abb. 4 8 a–g 57-jährige Patientin nach Verkehrsunfall. Beckenringfraktur Typ C mit transforaminaler Sakrumfrak-tur links und vorderer Beckenringfraktur rechts. Zunächst wurde die Patientin notfallmäßig am Aufnahmetag we-gen der instabilen Beckenringfraktur mit einem supraazetabulären Fixateur externe versorgt. Intensivmedizinische Überwachung für 24 h. Am 3. Tag bei weiterhin stabilen Kreislaufverhältnissen Versorgung der posterioren Instabili-tät durch geschlossene Reposition über einen Längszug am Bein und Stabilisierung mit einer transiliosakralen Zug-schraube und einer transiliosakralen Stellschraube perkutan in Rückenlage. Die Trümmerzone der Ala sacralis wur-de durch die Zugschraube nicht komprimiert! Mobilisation der Patientin am 2. postoperativen Tag mit Standübun-gen und Gehübungen im Gehwagen. Die Patientin wurde angehalten, 15–20 kg Teilbelastung (Tb) linksseitig einzu-halten. i Öffnung des Fixateur nach 3 Wochen im Rahmen einer Kontrolluntersuchung in der Sprechstunde und bei Beschwerdefreiheit nach Gehübung mit offenem Fixateur und radiologisch weiterhin korrekter Stellung Demonta-ge des Fixateurs. Anschließend Fortsetzung der Mobilisation mit 20 kg Tb links für weitere 3 Wochen und ab der 8. bis 10. Woche zügiger Übergang zur Vollbelastung. Zeitpunkte der radiologischen Kontrollen: postoperativ, nach Mobilisation vor Entlassung in die Reha, 3. bis 4. Woche (Fixateur-Entfernung), 6. Woche, 6 Monate und 1 Jahr. j, k, l Die Verlaufskontrolle nach einem Jahr zeigt einen Ausheilungszustand bei Beschwerdefreiheit der Patientin

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mit mono- und polyaxialen Fixateur-interne-Systemen einseitig oder beidseitig sowie in Kombina-tion mit den transiliosakralen Zugschrauben kommen alternativ auch Osteosynthesen infrage, die sich in Form von „lokalen“ Plattenosteosynthesen rein im Sakrum abstützen. Ebenso werden Über-brückungsosteosynthesen mit ilioiliakalen Plattensystemen zur dorsalen Stabilisierung in Bauch-lage perkutan oder offen eingesetzt.

Den operativen Maßnahmen am hinteren Beckenring schließt sich die Stabilisierung des vorderen Beckenringes je nach Zustand des Patienten als externe oder interne Stabilisierung an.

Für die operative Versorgung am Beckenring stehen Navigationsgeräte zur Verfügung, die z. B. eine fluoroskopisch- oder 3-D-gestützte Insertion von transiliosakralen Schrauben in das Sa-krum erlauben. Damit soll nicht nur die Sicherheit der Schraubenimplantation in das Sakrum er-höht, sondern auch die Strahlenbelastung des Patienten und Personals infolge der seltener notwen-digen BV(Bildverstärker)-Kontrolle intraoperativ verringert werden. Ein evidenzbasierter Nachweis hierfür steht allerdings noch aus, zumal die Repositionsgüte, die für den weiteren Verlauf essenziell ist, durch die Anwendung eines Navigationssystems nicht per se verbessert wird. Die intraoperative Darstellung der Reposition mithilfe eines 3-D-Bildwandlers stellt dagegen eine deutliche Verbesse-rung der erzielten Versorgungsqualität dar, erlaubt sie doch eine direkte intraoperative Stellungs- und Lagekontrolle der Implantate und lässt eine sofortige Korrektur des Operationsergebnisses bei noch in Narkose befindlichen Patienten zu. Technische Weiterentwicklungen der BV-Geräte mit z. B. Flachbilddetektoren zur Vergrößerung des operativen Sichtfeldes oder die konsequente Weiterent-wicklung röntgentransparenter Operationstische stellen dabei weitere Möglichkeiten zur intraope-rativen „Sichtverbesserung“ dar.

Zusätzliche Maßnahmen

Gemäß der AWMF S3-Leitlinie zur Thromboseprophylaxe ist bei einer Beckenfraktur eine tägliche Einmalgabe eines wirksamen niedermolekularen Heparins obligat, ggf. muss im Einzelfall bei Vor-liegen zusätzlicher Risikofaktoren eine aPTT-adjustierte i.v. Heparingabe genutzt werden.

Eine Single-shot-Antibiose oder als Kurzzeitprophylaxe sollte ebenfalls bei den größeren Eingrif-fen mit notwendiger Osteosynthese erfolgen.

Nachbehandlung bei Beckenringfrakturen

Konservativ behandelte Patienten mit stabilen Beckenfrakturen werden kurzzeitig zur Schmerzre-duktion immobilisiert und unter ausreichender Analgesie früh bei schmerzadaptierter Vollbelas-tung an UAGS (Unterarmgehstützen) mobilisiert. Patienten mit operativ versorgten Frakturen soll-ten unter Einhaltung einer 6-wöchigen Teilbelastung mit 15–20 kg ab dem 2. postoperativen Tag mo-bilisiert werden können. Nach 6 Wochen schließt sich eine Röntgenverlaufskontrolle als konventio-nelle Beckenübersicht an. Bei Beschwerden kann auch eine CT wertvolle Zusatzinformationen lie-fern. Bei korrekter Implantatlage und Beibehaltung des Repositionsergebnisses sollte dann anschlie-ßend schrittweise der Übergang zur Vollbelastung umgesetzt werden, der nach 10 bis 12 Wochen erreicht werden kann. Implantate am Becken werden in der Regel bei Beschwerdefreiheit belassen. Ausnahmen stellen implantatbezogene Schmerzen dar. Eine Symphysenplatte sollte nach 6 bis 8 Mo-naten aufgrund möglicher „Schraubendislokation“ entfernt werden. Ebenso sollten transiliosakra-le Zugschrauben nach 6 bis 8 Monaten entfernt werden, bevor sie durch Bewegungen in der SI-Fu-ge brechen und so das Gelenk zusätzlich zur Gelenkpenetration schädigen können und zu chroni-schen Schmerzen führen.

Ausblick der Behandlung instabiler Beckenringverletzungen

Für die Spätprognose entscheidend sind funktionelle Einschränkungen und bleibende chronische Schmerzen, nur 40% der Patienten mit Typ-C-Verletzungen sind 2 Jahre nach dem Unfall schmerz-frei. Insbesondere für die Begutachtung ist daher die korrekte Evaluation neurologischer Störungen wichtig [27, 41, 42, 43]. Spätkorrekturen nach fehlverheilten Beckenfrakturen oder Pseudarthrosen mit und ohne Fehlstellung oder Neurologie stellen aufwendige und risikobehaftete Eingriffe dar. Teil-weise müssen auch mehrzeitige Vorgehensweisen mit den Patienten im Vorhinein geplant und be-sprochen werden und sollten daher spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.

Die Reposition mithilfe eines 3-D-Bildwandlers führt zu einer deut-lichen Verbesserung der Versor-gungsqualität

Operativ versorgte Patienten soll-ten unter Einhaltung einer 6-wöchi-gen Teilbelastung mit 15–20 kg ab dem 2. postoperativen Tag mobili-siert werden

Implantate am Becken werden in der Regel bei Beschwerdefreiheit belassen

Für die Spätprognose entscheidend sind funktionelle Einschränkungen und bleibende chronische Schmer-zen

Spätkorrekturen stellen aufwendige und risikobehaftete Eingriffe dar

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Fazit für die Praxis

FBeckenringverletzungen sind bedingt durch eine hohe Letalitätsrate von großer Bedeutung.FPrädiktive Risikofaktoren für ein Versterben sind schwere Begleitverletzungen mit ansteigen-

dem ISS.FDie Therapie richtet sich nach der Kreislaufstabilität des Patienten und der biomechanischen

Stabilität des Beckenringes. FPatienten mit angelegtem Beckengurt sollten nicht erneut einer Instabilitätskontrolle unterzo-

gen werden.FBeatmete Patienten sollten möglichst schnell einer apparativen Diagnostik zugeführt werden. FDie Unterscheidung in eine Beckenringfraktur mit und ohne lebensbedrohende Blutung ist

überlebenswichtig.FDie ATLS®-Richtlinien fordern die Kontrolle lebensbedrohlicher Blutungen innerhalb einer Stun-

de nach dem Unfall.FPatienten ohne Kreislaufinstabilität werden nach ausführlicher Diagnostik postprimär versorgt.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. U. CulemannKlinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Neurotraumatologie, Allgemeines Krankenhaus Celle,29223 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  U. Culemann, H.J. Oestern und T. Pohlemann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.

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  4.  Pohlemann T et al (2011) Survival trends and predictors of mortality in severe pelvic trauma: estimates from the German Pelvic Trauma Registry Initiative. Injury 42(10):997–1002

  5.  Gilliland MD et al (1982) Factors af-fecting mortality in pelvic fractures. J Trauma 22(8):691–693

  6.  Grotz MR et al (2005) Open pelvic fractures: epidemiology, current con-cepts of management and outcome. Injury 36(1):1–13

  7.  Holstein JH et al (2012) What are pre-dictors of mortality in patients with pelvic fractures? Clin Orthop Relat Res 470(8):2090–2097

  8.  Hopp SJ, Culemann U, Pohlemann T (2009) Surgical management of pel-vic penetrating trauma – case re-port and review of literature. Injury 40(10):1115–1117

  9.  Bosch U et al (1992) Classification and management of complex pelvic trauma. Unfallchirurg 95(4):189–196

10.  Tosounidis G et al (2010) Changes in epidemiology and treatment of pelvic ring fractures in Germany: an analysis on data of German Pel-vic Multicenter Study Groups I and III (DGU/AO). Acta Chir Orthop Trauma-tol Cech 77(6):450–456

11.  Chia JP et al (2004) Pelvic fractures and associated injuries in children. J Trauma 56(1):83–88

12.  Momiy JP et al (2006) Pelvic fractures in children. Am Surg 72(10):962–965

13.  Oransky M et al (2010) Surgical tre-atment of unstable pelvic fracture in children: long term results. Injury 41(11):1140–1144

14.  American College of Surgeons (2004) Comittee on trauma: advanced trau-ma life support course for physicians. In: Student Manual 2004. Am Coll Surg, Chicago

15.  Gonzalez RP, Fried PQ, Bukhalo M (2002) The utility of clinical exami-nation in screening for pelvic fractu-res in blunt trauma. J Am Coll Surg 194(2):121–125

16.  Sauerland S et al (2004) The reliabi-lity of clinical examination in detec-ting pelvic fractures in blunt trauma patients: a meta-analysis. Arch Ort-hop Trauma Surg 124(2):123–128

17.  Pehle B et al (2003) Significance of physical examination and radiogra-phy of the pelvis during treatment in the shock emergency room. Unfall-chirurg 106(8):642–648

18.  Edeiken-Monroe BS, Browner BD, Jackson H (1989) The role of stan-dard roentgenograms in the eva-luation of instability of pelvic ring disruption. Clin Orthop Relat Res 240:63–76

19.  Hopp SJ et al (2013) Osteitis pubis and adductor tendinopathy in athle-tes: a novel arthroscopic pubic sym-physis curettage and adductor reat-tachment. Arch Orthop Trauma Surg 133(7):1003–1009

20.  Buse S et al (2005) Urinary tract inju-ries in polytraumatized patients. Un-fallchirurg 108(10):821–828

158 | Der Unfallchirurg 2 · 2014

Page 15: Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur; Current treatment of pelvic ring fractures;

CME

21.  Trunkey DD (1983) Hemorrhage in pelvic injuries. Sci Am 249(2):20–27

22.  Bone L (1992) Skeletal trauma. In: J.J. Browner B, Levine A, Trafton P (Hrsg) Saunders, Philadelphia

23.  Westhoff J et al (2008) Interventio-nal emergency embolization for se-vere pelvic ring fractures with arteri-al bleeding. Integration into the ear-ly clinical treatment algorithm. Un-fallchirurg 111(10):821–828

24.  Miller PR et al (2003) External fixati-on or arteriogram in bleeding pel-vic fracture: initial therapy guided by markers of arterial hemorrhage. J Trauma 54(3):437–443

25.  Pohlemann T et al (1996) Pelvic frac-tures: epidemiology, therapy and long-term outcome. Overview of the multicenter study of the Pelvis Study Group. Unfallchirurg 99(3):160–167

26.  Regel G et al (1997) Fracture ma-nagement in polytrauma. Ti-ming and tactics. Unfallchirurg 100(3):234–248

27.  Tscherne H, Pohlemann T (1998) Be-cken und Acetabulum. Springer, Ber-lin Heidelberg New York Tokyo

28.  Tile M, HD, Kellam JF et al (1995) In: Müller ME (Hrsg) Comprehensive classification of fractures in the pel-vis and acetabulum. Maurice E. Mül-ler Foundation, Berne

29.  Denis F, Davis S, Comfort T (1988) Sa-cral fractures: an important problem. Retrospective analysis of 236 cases. Clin Orthop Relat Res 227:67–81

30.  Kido A et al (2008) Statistical analysis of fatal bleeding pelvic fracture pati-ents with severe associated injuries. J Orthop Sci 13(1):21–24

31.  Verbeek D et al (2008) Acute ma-nagement of hemodynamically un-stable pelvic trauma patients: ti-me for a change? Multicenter re-view of recent practice. World J Surg 32(8):1874–1882

32.  Hauschild O et al (2012) Angioembo-lization for pelvic hemorrhage con-trol: results from the German pelvic injury register. J Trauma Acute Care Surg 73(3):679–684

33.  Noda M et al (2008) Visualization of efficacy of recombinant factor FVIIa in a pelvic fracture patient. J Trauma 64(6):E86–E88

34.  Meighan A et al (1998) Pelvic frac-tures: the golden hour. Injury 29(3):211–213

35.  Osborn PM et al (2009) Direct retro-peritoneal pelvic packing versus pel-vic angiography: a comparison of two management protocols for hae-modynamically unstable pelvic frac-tures. Injury 40(1):54–60

36.  Rommens PM, Hessmann MH (2002) Staged reconstruction of pelvic ring disruption: differences in morbidi-ty, mortality, radiologic results, and functional outcomes between B1, B2/B3, and C-type lesions. J Orthop Trauma 16(2):92–98

37.  Matta JM, Saucedo T (1989) Internal fixation of pelvic ring fractures. Clin Orthop Relat Res 242:83–97

38.  Tosounidis G et al (2007) Percutan-eous sacroiliac lag screw fixation of the posterior pelvic ring. Increasing safety by standardization of visuali-zation and insertion technique. Un-fallchirurg 110(8):669–674

39.  Schweitzer D et al (2008) Closed re-duction and iliosacral percutaneous fixation of unstable pelvic ring frac-tures. Injury 39(8):869–874

40.  Frey ME et al (2008) Percutaneous sacroplasty for osteoporotic sacral insufficiency fractures: a prospective, multicenter, observational pilot stu-dy. Spine J 8(2):367–373

41.  Dong JL, Zhou DS (2011) Manage-ment and outcome of open pelvic fractures: a retrospective study of 41 cases. Injury 42(10):1003–1007

42.  Pohlemann T et al (1996) Outco-me after pelvic ring injuries. Injury 27(Suppl 2):B31–B38

43.  Taller S et al (2009) Nonunions or malunions of pelvic fractures. Ac-ta Chir Orthop Traumatol Cech 76(2):121–127

44.  Galanski M (2006) Verletzungen des Beckenrings und der Beckenorga-ne. Diagnostik und radiologisch-in-terventionelle Therapie. Chirurg 77:800–814

Die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte können auf Ihren Wunsch hin direkt an die Ärztekammer übermit-telt werden.

So einfach geht’s:

D Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN) hinterlegenMöchten Sie Ihre in der e.Akademie gesammelten CME-Punkte direkt an Ihre Ärztekammer übermitteln, hinterlegen Sie Ihre EFN bitte bei der Registrierung. Wenn Sie bereits registriert sind, können Sie Ihre EFN jederzeit unter dem Punkt Meine Daten nachtragen. Ihre CME-Punkte werden ab sofort automatisch an Ihre Ärztekammer übermittelt.

D Weitere InformationenWeitere Informationen zur elektronischen Punkteübermitt-lung der Bundesärztekammer finden Sie unter www.eiv-fobi.de.

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159Der Unfallchirurg 2 · 2014 |

Page 16: Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur; Current treatment of pelvic ring fractures;

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CME-Fragebogen

DFür Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei

Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie• Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich.

?Ein Patient wird nach einem Verkehrsun-fall in Begleitung des Notarztes in den Schockraum eingeliefert. Zur Diagnostik einer vermeintlichen Beckenringfraktur des Patienten gehen Sie wie folgt vor:

 Ich melde ein MRT an, um die Weichteil-verletzung besser beurteilen zu können.

 Nach Sicherung der Fraktur in einem kon-ventionellen Röntgenbild melde ich eine CT-Untersuchung in aller Regel an.

 Ich untersuche den Patienten klinisch und werde dann überlegen, ob ich eine Rönt-gendiagnostik um ein MRT erweitere.

 Ich frage nach einer Verletzung der Sym-physe und strebe nach der Röntgendia-gnostik direkt ein Ausscheidungsuro-gramm an.

 Eine Beckenübersichtsaufnahme ist dia-gnostisch ausreichend.

?Welche Aussage zur Anatomie des Be-ckens ist richtig?

 Das Lig. arcuatum und das Lig. superius befinden sich als Bandverbindungen am dorsalen Beckenring.

 Das Lig. sacrotuberale und das Lig. sacro-spinale sind kräftige Bandverbindungen am ventralen Beckenring.

 Nach kranial findet sich keine Bandverbin-dungen vom Sakrum zur Lendenwirbel-säule.

 Die sakrotuberalen und sakrospinalen Bänder stabilisieren das Becken gegen Translationsbewegungen.

 Die dorsalen sakroiliakalen Bandverbin-dungen sind biomechanisch von wesentli-cher Bedeutung.

?Die Klassifikation der Beckenringfraktur ist wichtig. Welche der nachfolgenden Antworten trifft hierfür zu?

 Beckenringverletzungen vom Typ A müs-sen operativ versorgt werden.

 Bei Begleitverletzungen der peripelvinen Weichteile handelt es sich um ein komple-xes Beckentrauma.

 Beckenringverletzungen vom Typ B müs-sen von ventral und dorsal stabilisiert wer-den.

 Bei Vorliegen eines komplexen Becken-traumas reicht die operative Stabilisierung des vorderen Beckenringes aus.

 Typ-C-Verletzungen sind immer mit einem komplexen Beckentrauma assozi-iert.

?Für die Nachbehandlung nach operativ stabilisierter Beckenringfraktur gilt:

 Beckenringverletzungen werden grund-sätzlich für ca. 4 Wochen immobilisiert und danach an UAGS mobilisiert.

 Beckenringverletzungen vom Typ C erfor-dern eine Teilbelastung auf der verletzten Seite.

 Komplexe Beckenringverletzungen wer-den bis zum Abschluss der Weichteilkon-solidierung immobilisiert.

 Beckenringverletzungen vom Typ C wer-den beidseits mit Vollbelastung mobili-siert.

 Beckenringfrakturen vom Typ A werden grundsätzlich mit Teilbelastung nachbe-handelt.

?Welche Aussage zur Epidemiologie und Ätiologie der Beckenringverletzungen trifft zu?

 Beckenringverletzungen treten bei jünge-ren Patienten gehäuft in Kombination mit einem Hochrasanztrauma auf.

 Bei Beckenringverletzungen ist in ca. 80% der Fälle mit einem komplexen Becken-trauma zu rechnen.

 Bei polytraumatisierten Patienten ist in etwa 35% eine begleitende Beckenring-verletzung vorhanden.

 Beckenringfrakturen treten häufig als tu-morassoziierte Frakturen auf.

 Insuffizienzfrakturen des Sakrums treten gehäuft bei jüngeren Patienten nach Be-lastung auf.

?Beckenringfrakturen können mit und ohne hämodynamische Instabilität auf-treten. Diese Unterscheidung ist wich-tig, weil:

 eine Beckenringfraktur mit lebensbedroh-licher Blutung schneller diagnostiziert und daher auch besser überlebt wird.

 eine Beckenringfraktur mit lebensbedroh-licher Blutung langsamer diagnostiziert und daher auch besser überlebt wird.

 Komplexverletzungen des Beckens mit Blutungen keine Indikation für die soforti-ge, lebensrettende operative Intervention und Blutstillung darstellen.

 Komplexverletzungen des Beckens mit Blutungen eine Indikation für die soforti-ge, lebensrettende operative Intervention und Blutstillung darstellen.

 eine offene Beckenringfraktur ohne le-bensbedrohliche Blutung häufig ohne Probleme überlebt werden kann.

160 | Der Unfallchirurg 2 · 2014

Page 17: Aktuelle Behandlung der Beckenringfraktur; Current treatment of pelvic ring fractures;

CME-Fragebogen

?Ein Patient kommt mit angelegtem Be-ckengürtel in Ihre Notaufnahme. Der Notarzt meint, er habe eine deutliche In-stabilität des Beckenringes getastet. Wie gehen Sie nun weiter vor?

 Der Beckengürtel wird entfernt und ich mache mir ein eigenes klinisches Bild.

 Wegen der hohen Zuverlässigkeit der kli-nischen Untersuchung brauche ich nicht selbst zu untersuchen, es geht direkt zum Röntgen.

 Ich belasse den Beckengürtel und führe die Diagnostik nach Kreislaufzustand des Patienten zielgerichtet weiter, ggf. muss ich auf eine operative Stabilisierung ge-fasst sein.

 Ich belasse den Beckengürtel und warte die Diagnostik mit konventionellem Bild und CT ab, bevor ich auf die IPS fahre.

 Ich nehme den Beckengürtel ab und fah-re direkt in den Operationssaal, es liegt schließlich eine instabile Beckenringfrak-tur vor.

?Welche Aussage zur Therapie der kom-plexen Beckenfraktur ist richtig?

 In aller Regel kommt es zur hämodynami-schen Instabilität aufgrund von Verletzun-gen venöser Strukturen und Blutungen aus der Fraktur.

 Bei peripelvinem Weichteilschaden kann keine Beckenzwinge angebracht werden.

 Eine Beckentamponade ist die erste Maß-nahme der Notfallintervention.

 Der Fixateur externe hat keinen Stellen-wert in der Notfallbehandlung komplexer Beckenfrakturen.

 Arterien sind in der Regel mit verletzt, weshalb ich sofort eine Embolisation vor-bereite.

?Eine 60-jährige Frau ist gestürzt und auf eine Bordsteinkante gefallen. Neben Schmerzen im Beckenringbereich hat sie eine klaffende Wunde in der Rima ani, an deren Wundgrund sie den knöcher-nen Beckenring erkennen. Welche Aussa-ge trifft zu?

 Neurologische und urologische Störungen sind sehr häufig mit dieser Verletzung ver-bunden.

 Patienten mit diesem Verletzungsmus-ter haben im Gegensatz zu einfachen Be-ckenfrakturen ein deutlich erhöhtes Risiko für thromboembolische Komplikationen.

 Frakturen mit offener Weichteilverletzung können nur mit Fixateur externe behan-delt werden.

 Osteosynthesekomplikationen nach Frak-turversorgung sind wegen der Weichteil-verletzung häufiger im ventralen Becken-ring zu finden.

 Offene Frakturen des Beckens können zur lokalen oder generalisierten Sepsis führen und müssen konsequent chirurgisch be-handelt werden.

?Die operative Stabilisierung instabiler Beckenringfrakturen folgt nachfolgen-den Grundsätzen:

 Dislozierte transiliosakrale Luxationsfrak-turen müssen in der Regel offen reponiert und stabilisiert werden.

 Es werden zunehmend weniger perkuta-ne Verfahren im dorsalen Beckenring ein-gesetzt.

 Winkelstabile Implantate haben eine ho-he Bedeutung bei der Versorgung von Be-ckenringverletzungen.

 SI-Verschraubungen können nur in Bauch-lage durchgeführt werden.

 Die Plattenosteosynthese der Symphysen wird in der Regel vor der dorsalen Versor-gung durchgeführt.

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar.Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

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