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Technische Universität Berlin Fakultät I Sommersemester 2016 Dozent: Herr Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel
AL P4 – Produkte und Produktion
Der Strandkorb und das traditionelle Hand-
werk des Flechtwerkgestalters
Fragestellung:
„Warum kam es zum Abbruch der Industrialisierung im Korbwerk?“
Ariane Isidorczyk
Michael Zastrau
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3 2. Das traditionelle Handwerk 4
2.1 Flechten 6 2.2 Weben 7 2.3 Fachdiskussion 8
3. Geschichtlicher Rückblick 9
3.1 Industrialisierung der Korbflechterei / Korbwarenproduktion 10
3.1.1 Probleme der Industrialisierung 11 3.1.2 Kompromisse der Industrialisierung 12
3.2 Materialien 14 3.2.1 natürliche Materialien 15 3.2.2 synthetische Materialien 16 3.2.3 Ökologische Vor- und Nachteile 17
4. Das Korbwerk 17
4.1 Fertigungsschritte 18
4.1.1 Tischlerei 18 4.1.2 Flechten des Korpus 21 4.1.3 Textilbereich 24 4.1.4 Lackiererei und Oberflächenbehandlung 26 4.1.5 Besonderheiten und Extras 26 4.1.6 Zusammenfügen der Teile 27
4.2 Der Strandkorb 30
4.2.1 Historischer Hintergrund 31 4.2.2 mögliche Ausführungen und Beispiele 32 4.2.3 Einsatzbereiche 33 5. Gründe der stagnierten Industrialisierung 34
5.1 Wirtschaftliche Aspekte 34 6. Fazit 35 7. Quellen 36
3
1. Einleitung
Wir haben uns das Thema „Der Strandkorb und das traditionelle Handwerk des
Flechtwerkgestalters“ ausgesucht. Dieses Thema fasziniert uns schon seit vielen
Jahren, weil wir beide beruflich sowie privat mit dem Handwerk in Berührung ge-
kommen sind. Es wurde damals sowie heute alles manuell mit den Händen gefer-
tigt. Selbst der Besuch bei einem Betrieb, dem Korbwerk in Heringsdorf auf der
Insel Usedom, zeigte uns nur die traditionelle Fertigung, die seit Jahrzehnten aus-
geübt wird. Allein die Ausführung des Handwerks, das traditionell Manuell
durchgeführt wird, reicht aus, um sich das Thema genauer anzuschauen.
Als wissenschaftliche Fragestellung gehen wir dem Gedanken nach: „Warum kam
es zum Abbruch der Industrialisierung im Korbwerk?“. Um dies heraus zu finden,
haben wir das Korbwerk in Heringsdorf besucht, eine Werksführung bekommen
und Fragen zum wirtschaftlichen Aspekt gestellt. Die Ausbildung von Herrn Zast-
rau, als ehemaliger Korbflechter, heute Flechtwerkgestalter, ermöglichte uns die-
sen Besuch.
Wir haben unsere Arbeit so gegliedert, dass erst das Handwerk mit seinen Techni-
ken erklärt wird und danach ein geschichtlicher Rückblick mit den Versuchen der
Industrialisierung sowie den Problemen dieser belichtet werden. Anschließend be-
schreiben wir die Materialien, die traditionell genutzt werden und die, die aus
Zweckgründen heute eher bevorzugt werden.
Das erklärte Vorwissen zeigen wir dann anhand unseres Werksbesuchs beim
Korbwerk, in dem wir alle Fertigungsschritte sehen durften. Diese werden bilder-
reich dargestellt und zeigen traditionelle sowie moderne Ausführungen des
Strandkorbs.
Abschließend gehen wir auf die wirtschaftlichen Aspekte und Gründe für den Ab-
bruch der Industrialisierungsversuche am Beispiel des Korbwerks ein.
4
2. Das traditionelle Handwerk
Das Handwerk des Korbflechtens wird seit Jahrtausenden zur Herstellung sowohl
funktionaler Gegenstände eingesetzt, die der Vergangenheit mehr denn heutzutage
in allen Bereichen des Alltagslebens eine Rolle spielten.
Die Sorgfalt und der Einfallsreichtum auch in diesem traditionellen Handwerk ha-
ben bei der Herstellung der Produkte dafür gesorgt, dass ihnen eine ganz eigene
Ästhetik innewohnt. Die Vielfalt ist erstaunlich und die Objekte erstreckten sich
über alle Bereiche des alltäglichen Lebens. Obwohl uns die moderne Welt viele
Alternativen bietet, ist auch heutzutage in fast jedem Haushalt ein geflochtener
Korb oder ein anderes Produkt aus dem Bereich der Korbflechterei anzutreffen
und stellen somit eine Verbindung zur Natur und zu einem natürlichen Lebensstil
her.
Traditionell wurde der Beruf des Korbmachers im Rahmen des dualen Berufsaus-
bildungssystems innerhalb von drei, bzw. in der DDR nach Einführung der zehn-
jährigen Schulpflicht an der Polytechnischen Oberschule innerhalb von zwei
Lehrjahren erlernt. Die Auszubildenden wurden praktisch in meist kleineren
Handwerksbetrieben, theoretisch turnusweise an der Berufsschule ausgebildet.
Seit dem Jahre 2006 gilt in Deutschland als offizielle Berufsbezeichnung die des
„Flechtwerkgestalters/ Flechtwerkgestalterin“. Erlernt wird dieser Beruf an der
einzigen hierfür zur Verfügung stehenden Einrichtung, der Staatlichen Berufs-
fachschule für Flechtwerkgestaltung im oberfränkischen Lichtenfels.
Das traditionelle Arbeitsgebiet des Korbmachers/ der Korbmacherin umfasst im
Wesentlichen die Anlage und Pflege von Weidenpflanzungen, das Zurichten der
Rohstoffe und die Anfertigung von Korbwaren aller Art. Hierzu zählen die „ge-
schlagene Arbeit“; der Name leitet sich durch die Verwendung des „Schlageisens“
zur Verfestigung des Geflechtes ab. Weiterhin zählen die Feinflechterei, die Rah-
menflechterei, die Spanarbeit sowie die Gestellarbeit (Korbmöbelbau) dazu.
5
Die ausgebildete Fachkraft hat Kenntnisse:
1. über die zum Flechtweidenanbau geeigneten Bodenarten
2. über die verschiedenen Flechtweidensorten, die Auswahl für bestimmte Böden
und die beabsichtigte Fertigung
3. über die Pflege der Weidenpflanzungen, Ernte und behandlung der Weiden bis
zur Werkstatt
4. über die Einrichtung der Werkstatt und die Werkzeuge
5. über die verschiedenen Handwerksgebiete und die Eigenschaften der Rohstoffe
6. über die gebräuchlichsten Arbeitsweisen
7. über Arbeitszeitberechnungen, die Bedeutung der Leistungssteigerung und
ökonomisches Arbeiten
8. über Arbeitsschutz und Unfallverhütung
9. über Steuerrecht und juristische Grundlagen
(Schreck 1955, S.13)
6
2.1 Flechten
Betrachtet man beispielsweise, auf welche Art sich rankende Pflanzen um eine
Pergola winden, wie Gyzinen klettern oder wie Efeu sich um seine eigenen Triebe
herum wickelt, könnte man behaupten, dass die Natur die erste Korbflechterin
war. Andere Beispiele sind Spinnennetze, Vogelnester oder von Schimpansen ge-
fertigte Nester zur Sicherheit vor nächtlichen Feinden. Hierbei klettern die Prima-
ten in einen geeigneten Baum, knicken Zweige um und verflechten diese mitei-
nander, so dass eine sichere Plattform entsteht, die sie mit Blattwerk abpolstern.
(Sentance 2001, S.10).
Die Geschichte des Flechtens reicht bis in die Urzeit der Menschheit zurück. Das
Flechten für eines der ältesten Handwerke zu halten begründet sich darin, dass
selbst in heutiger Zeit außer den Händen nur sehr wenige und einfache Werkzeuge
erforderlich sind. Das Flechten von Körben, die für den langfristigen Einsatz vor-
gesehen waren, entstand vor etwa 12000 Jahren – zeitgleich mit den ersten land-
wirtschaftlichen Methoden (vor etwa 13000 Jahren) und der Etablierung sesshaf-
ter Gemeinschaften (vor ca. 9000 Jahren). An entsprechenden Orten wurden die
ältesten Flechtwerke gefunden (Sentance 2001, S.11).
Da in der Flechterei früher nur vergängliche Materialien eingesetzt wurden, sind
aus dem Altertum nur sehr wenige Flechtarbeiten erhalten geblieben. Die ältesten
bekannten Überreste sind Fragmente von gewickelten Flechtarbeiten, mit denen
die Getreidekammern in Fayum (Ägypten) ausgekleidet waren. Ihre Entstehungs-
zeit wird auf die vordynastische Periode (10000-8000 v. Chr.) datiert (Sentance
2001, S.12).
Eine wissenschaftlich haltbare Definition für den Vorgang des Flechtens ausfindig
zu machen, ist den Verfassern dieser Arbeit nicht gelungen. Vereinfacht lässt sich
jedoch sagen, dass man unter dem Flechten das regelmäßige Ineinanderschlingen
von mehreren Strängen, die aus einem biegsamen Material beschaffen sind, ver-
steht. Diese Stränge, als Flechtfäden bezeichnet, können zueinander sowohl
rechtwinklig als auch in anderen, beliebigen Winkelmaßen gekreuzt sein.
7
2.2 Weben
Eine häufige Einteilung in die Techniken „Flechten“ und „Weben“ hält das Mate-
rial für das grundlegende Unterscheidungsmerkmal. Auch diese Unterscheidung
ist nicht haltbar; kann man doch z. B. mit Weidenschienen oder anderen typischen
Flechtmaterialien sowohl flechten als diese auch am Webstuhl verweben.
Eine andere Unterscheidung, die mit den Eigenschaften des Materials zusammen-
hängt, erfolgt nach den haptischen Eigenschaften des textilen Produkts. Mit der
Verwendung des Adjektivs „textil“ verstehen wir hier etwa nicht die Bedeutung
für „aus verspinnbarem Material hergestellt“ bzw. die Textiltechnik betreffend“,
sondern die Anwendung in ihrer ursprünglichen Bedeutung. Die Herkunft leitet
sich aus dem lateinischen „texere“ ab, was so viel wie „weben“, „flechten“ als
auch „kunstvoll zusammenfügen“ bedeutet.
Besteht das Produkt aus weichem, schmiegsamem Material, wird es als „Gewebe“
bezeichnet (z. B. Maschengewebe, Baumwollgewebe, Spinnengewebe). Dagegen
werden Flächen, die aus harten und somit schwerer biegsamen Strängen bzw. Fä-
den gefertigt sind, als „Geflechte“ bezeichnet. Tatsächlich lässt sich bei zweidi-
mensionalen Flächen, z. B. bei Zäunen und anderen zumeist viereckigen Flächen
(Matten, Platten, Deckel, Wandverkleidungen), deren senkrechte Stäbe mit den
waagerechten Flechtfäden rechtwinklig gekreuzt sind und in regelmäßiger Ab-
wechslung über- und untereinander greifen, ein Vorbild eines einfachen Gewebes
erkennen. So gibt es die Auffassung, dass das Korbflechten unmittelbares Vorbild
für das Weben darstellt. Eine klare, wenn auch nicht wissenschaftliche, Unter-
scheidung zwischen „weben“ und „flechten“ ließe sich anstellen durch einerseits
der Fertigung der textilen Flächen an einem Webstuhl oder Webrahmen bzw. der
rein händischen Tätigkeit, lediglich mit Zuhilfenahme entsprechender Werkzeuge.
Allerdings sind auch hierbei wieder Einschränkungen vorzunehmen, da bei der
maschinellen Herstellung von Litzen, Schnüren, Kordeln vom Vorgang des
„Flechtens“ die Rede ist, in diesem Zusammenhang auch von „Schlauchgeflech-
ten“.
8
2.3 Fachdiskussion
Anlass unserer Bemühungen, eine klare Abgrenzung zwischen „weben“ und
„flechten“ zu definieren war nicht zuletzt eine anregende Diskussion mit dem Be-
triebsleiter des Korbwerkes Heringsdorf Herrn Matthias Krüger.
Am Beispiel der Strandkorbfertigung konnte uns eine Unterscheidung bzw. Ein-
teilung in „weben“ und „flechten“ argumentiert werden. Die in dieser Strand-
korbmanufaktur gefertigten Strandkörbe werden „geflochten“. Die Korbflechte-
rInnen binden bei der Verarbeitung des Flechtmaterials nicht nur die Staken (als
ein laienhaftes Synonym würde hierfür der Begriff „die Rippen, „Rippen des Ge-
flechts“ passen), sondern es wird das gesamte Gestell der Strandkörbe mit dem
Flechtfaden eingebunden, eingeflochten.
Die aus Niedriglohnländern stammenden Importprodukte ebenfalls mit der Be-
zeichnung „Strandkorb“ und die vornehmlich in Discountern, Baumärkten usw. zu
sehr niedrigen Preisen angeboten werden, erfüllen die Merkmale eines Korbes
bzw. Korbprodukts nur dem ersten Anschein nach. Hier werden die entsprechen-
den Flächen nicht manuell ausgeflochten, sondern mit maschinell gewebten Mat-
ten bespannt bzw. ausgefüllt und lediglich an den Rahmenelementen meist durch
Drahtklammern befestigt.
9
3. Geschichtlicher Rückblick
In Überlieferungen über die mittelalterlichen Handwerkszünfte, die zu Beginn des
13. Jahrhunderts gegründet wurden, wird die Korbflechterei nicht erwähnt, es
werden keine Korbmacher genannt. Vermutlich hat ein Teil der Handwerker die
Körbe für den Eigenbedarf selber geflochten. Der Fischer flocht Reusen, der Vo-
gelfänger Käfige, der Bauer Zäune, Transportkörbe, Hütten und evtl. auch als Ne-
benerwerb Körbe für Bäcker und Bierbrauer.
Im Jahre 1590 ist die erste Korbmacherzunft in München, 1735 die erste in Berlin
nachzuweisen. Die Zünfte waren mit strengen Regeln behaftet. Einfachere Korb-
waren für den Eigenbedarf bislang von der Landbevölkerung selbst hergestellt,
wurden nun vermehrt für den Verkauf hergestellt. Durch diese Rivalität wurden
die Zünfte in ihrer Existenz bedroht und führten zu deren Auflösung im Jahre
1845. Der Konzessionszwang wurde beseitigt, das Betreiben der Korbflechterei
freigegeben und bekam so einen Aufschwung.
10
3.1 Industrialisierung der Korbflechterei/Korbwarenproduktion
Um die Industrialisierung der Korbwarenproduktion zu erörtern, soll vorab der
Begriff „Industrie“ definiert werden. So bezieht sich der Begriff auf „Betriebe, bei
denen eine technologische Transformation von Einsatzfaktoren in marktfähige
Sachgüter (Sachleistungen) erfolgt und hierzu vorwiegend Betriebsmittel (z. B.
Maschinen; Produktionsfaktoren) im Gegensatz zu menschlicher Arbeit notwen-
dig sind. Im Gegensatz zum Handel oder den Dienstleistungsunternehmen handelt
es sich um anlagen- oder kapitalintensive Betriebe.“
(www.finanzen.net/wirtschaftslexikon/Industrie/9)
„Im Gegensatz zum Handwerk kennzeichnet den Industriebetrieb die räumliche
Konzentration der Produktion (Werke) mit überwiegender Anwendung maschinel-
ler Betriebsmittel und der weitgehenden Arbeitsteilung, so dass Sachgüter für den
anonymen Markt und in geringerem Umfang individuell erstellt werden.“ (ebd.)
Die Korbflechterei eignete sich sehr gut zur Umsetzung des Verlagssystems bzw.
zur Ausübung in Verlagsarbeit. Die deutschen Korbflechter arbeiteten meist unter
Mithilfe der gesamten Familie ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in be-
stimmten Zentren wie beispielsweise in Oberfranken, in Thüringen oder im mär-
kischen Oderbruch in Heimarbeit. Seit den 1820er ließen sich Verleger, die oft
noch selbst aus einer Korbmacherfamilie stammten, von den Flechtern beliefern
und kümmerten sich um einen weltweiten Vertrieb.
Spätestens in der zweiten Generation waren diese Händler ausgebildete Kaufleute,
die u. a. durch Messen, Weltausstellungen, Vertreter und Kataloge für genügend
Absatz sorgten. Deutsche Korbwaren wurden nicht nur in andere europäische
Länder exportiert, sondern auch nach Russland und nach Amerika.
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Korbflechterei zu
Industriebetrieben, wo im Akkord Möbel, Gebrauchskorbwaren und Transport-
körbe hergestellt wurden. Es gab fast nichts, was nicht in Körben und Korbfla-
schen transportiert wurde. Zu nennen wären hier die „Rohrmöbel- und Korbwa-
ren-Fabrik Otto Räder“ im thüringischen Themar, die Korbwarenfabriken „Fritz
11
Kuhn“ und „Franz Müller“ im oberfränkischen Coburg, und die Firmen „G.
Wronker Nachf.“ und „Willi Heinemann“ aus Berlin.
Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, kam es vorübergehend zu einem Ein-
bruch der Korbwarenindustrie. Doch nicht für lange, denn die Korbflechterei
wurde in die Rüstungsindustrie eingegliedert und erlebte dadurch einen neuen
Aufschwung.
3.1.1 Probleme der Industrialisierung
Auch während des 2. Weltkrieges war die Korbproduktion in die Rüstungsindust-
rie vor allem zur Herstellung von Munitionskörben eingebunden. Doch auch die-
ser großen Nachfrage wurde durch manuelle Fertigung der Körbe entsprochen.
Versuche, das aufwändige Korbflechten zu mechanisieren, wurden unternommen,
einige von ihnen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch als Patent angemel-
det. Doch konnten sich solche Maschinen nicht bewähren und durchsetzen. So
waren damit lediglich einige Arbeitsschritte auszuführen und die Verwendung
homogenisierten bzw. synthetischen Flechtmaterials Voraussetzung.
Der Anbau von Flechtweiden, die Pflege der Plantagen und die Ernte des Materi-
als konnten, wie in weiten Gebieten der Land- und Forstwirtschaft, mechanisiert
3.1.1 – Katalog der Firma Orth von 1925 (Orth, 1925)
12
werden. Diese Modernisierung hielt aus ökonomischen Gründen nur auf sehr gro-
ßen Anbauflächen Einzug.
Zur Materialaufbereitung; also dem Schälen, Aufspalten, Aushobeln, Ablängen
(Schneiden) ließen sich sehr rentable Maschinen entwickeln und Einsetzen. Wie
unter 2.2 erwähnt, finden auch zur Herstellung zweidimensionaler Dekorationsge-
flechte spezielle Webstühle Verwendung. Das tatsächliche Korbflechten, nicht nur
mit natürlichen Materialien sondern auch mit synthetischen Materialien oder
Flechtschnüren aus Papier, erfolgt bis heute rein händisch.
3.1.2 Kompromisse der Industrialisierung
Man spricht, wenn man den Korbwaren produzierenden Bereich meint, von der
„Korbindustrie“. Zum allergrößten Teil fand die Herstellung von Korbwaren so-
wohl in der DDR als auch in der BRD bis zum Jahre 1990 in kleinen Handwerks-
betrieben, oft in Familienbetrieben statt. In der DDR waren diese oft in der „Ein-
kaufs- und Liefergenossenschaft“ organisiert. Andererseits gab es die zu „Produk-
tionsgenossenschaft des Handwerks“ zusammengeschlossen Handwerker mit dem
Ziel der Effizienzerhöhung.
Wenige größere, mit höherer Mitarbeiterzahl ausgestattete Betriebe, im Wesentli-
chen in der Korbmöbel- und Strandkorbfabrikation, verdienen tatsächlich den Be-
griff „Industriebetrieb“. Diese Produktionsstätten sind nach Franz Xaver Bea
technische, soziale und wirtschaftliche Einheiten, die Sachleistungen in Fabrik-
form erstellen. Die Produktion erfolgt in einer zentralen Betriebsstätte und wird
arbeitsteilig durchgeführt. Die Mechanisierung ist innerhalb der erwähnten Gren-
zen durchgesetzt.
Nach unserem heutigen Verständnis und nicht zuletzt wegen des werbewirksame-
ren Namensklanges tragen die Betriebe in Deutschland nicht selten den Namen
„Manufaktur“. Bis auf wenige dieser Betriebsstätten und auch kleinere Hand-
werksbetriebe, die noch in Deutschland und anderen europäischen Ländern vor al-
lem qualitativ sehr anspruchsvolle und hochpreisige geflochtene Erzeugnisse her-
stellen, ist die Produktion der meisten Korbwaren besonders in den letzten 25 Jah-
13
ren im Zuge der Globalisierung in oftmals außereuropäische Länder mit niedrigen
Lohnkosten ausgelagert worden.
Das Flechten einfacher und qualitativ minderwertigen Korbwaren, die in unserem
Handel zu erstaunlich niedrigen Preisen angeboten werden, lässt sich vor Ort in
Asien oder in Afrika von wenig gebildeten, lediglich sehr einseitig angelernten
Arbeitskräften mit geringem Investitionsaufwand durchführen. Oft geschieht dies
im Verlagssystem oder in Fabriken, wo manuell und unter unseren Standards
nicht entsprechenden Bedingungen gearbeitet wird. Somit besteht heutzutage noch
weniger als früher keinerlei ökonomisches Bedürfnis, die Korbindustrie „indust-
rietypischer“ zu entwickeln bzw. an einer Weiterentwicklung der Mechanisierung
in diesem Bereich zu forschen.
Herstellung eines Fertiggeflechts (Miller/Widess, 2005, S. 20).
Bild 3.1.2.1 – Die orthogonal
zueinander stehenden Fäden
werden am mechanischen Web-
stuhl verwoben.
Bild 3.1.2.2 – Mittels dieses spiralartigen
Werkzeuges wird das feucht gehaltene
Gewebe aus Rattan gedehnt.
14
3.2 Materialien
Grundsätzlich lassen sich Flechtmaterialien in zwei Arten einteilen: in natürliche
und in synthetische, also durch die chemische Industrie hergestellte künstliche
Flechtmaterialien. Hinzu kommen Halbfabrikate aus Papier, z. B. Dänische
Flechtschnur, „Binsenschnur“, PVC-Peddigrohr, und lack-, kunststoff- oder
wachsbeschichtete Flechtrohre. Eine Besonderheit stellt das Material für die klas-
sischen Loom-Möbel dar. Hier handelt es sich um mit Papier umwickelte Metall-
drähte, die dann anschließend gefärbt und imprägniert werden. Diese Flechtfäden
werden an Webstühlen zu Flächen verwoben, die dann sehr plastisch über Möbel-
gestelle getrieben werden und an ihnen verdeckt befestigt werden.
Bis in die 1920ger Jahre wurde nahezu ausschließlich aus natürlichen Materialien
geflochten. Traditionell nutzten die Menschen die ihnen in ihrer Region, also na-
türlich vorkommenden, zur Verfügung stehenden Rohstoffe, die ihnen mit kurzen
Transportwegen und somit kostengünstig zur Verfügung standen. Je nach Klima
und Vegetation gab und gibt es lokale Traditionen bei der Materialauswahl und
folgernd auch bei der Umsetzung, da bestimmte Techniken sich oft nur mit be-
stimmten Materialien ausführen lassen.
Bild 3.1.2.3 – Schließlich werden die diagonalen Fäden von Hand eingeflochten.
15
Im eurasischen Raum sind Weidenruten das wichtigste Flechtmaterial, wogegen
im Norden Afrikas oder im amerikanischen Steppenland vornehmlich Gräser und
in Südostasien mit Halbfabrikaten aus Rotang oder Bambus gearbeitet wird. In
Küstennähe oder binnengewässerreichen Gegenden sind in allen Regionen ver-
stärkt Arbeiten aus Binsen, Seegras oder Wasserhyazinthe anzutreffen. Darüber
hinaus finden sich noch zumeist historische Geflechte aus Tierhaaren, sogar aus
Menschenhaar (in der ostfriesischen Volkskunst bis heute), aber eher zu Dekorati-
onszwecken.
3.2.1 natürliche Materialien
Wie unter 3.2 erwähnt, ist die Weide auf der nördlichen Erdhalbkugel das vorran-
gig verwendete Material. Die einjährigen Flechtweidenruten, bereits seit der Anti-
ke gezüchtet und auf Plantagen kultiviert, werden geschält oder ungeschält verar-
beitet; die mehrjährigen Triebe als Stöcke zum Möbelgestellbau verwendet. Aus
Weidenruten lassen sich wiederum zum Wickeln und für feine Arbeiten ausgeho-
belt Weidenschienen herstellen. Darüber hinaus wurden in entsprechenden Regio-
nen anzutreffende flechtbare Materialien wie Hasel, aus Kiefern- oder Fichten-
wurzeln (bis heute z. B. Im Bayerischen Wald), Pappel, Hartriegelgewächse, Li-
guster, Waldrebe, Traubenkirsche verwendet. Für die Fertigung von Sitzflächen
(z. B. bei „Worpsweder Stühlen“) werden bis heute Salz- und Süßwasserbinsen
genutzt. Außerdem fand nahezu überall Stroh Verwendung. Das aus Südspanien
und Nordwestafrika stammende Espartogras ist nur noch ein historisches Flecht-
material.
Durch die Entdeckung und Erschließung des Seewegs nach Südostasien im 16.
Jahrhundert und anschließend einsetzender Kolonialisierung hielten eine Vielzahl
von neuen Flechtmaterialien auf dem europäischen Markt Einzug. Durch die oft-
mals besseren Materialeigenschaften waren nun auch handwerklich besser um-
setzbare Techniken möglich. Weiterhin hielten mit den Importen in den Kolonien
wachsender Rohstoffe auch neue Techniken und bis dahin in Europa unübliche
Geflechte Einzug.
Das klassische Achteckgeflecht, auch Waben- oder Wiener Geflecht genannt,
welches seit dem Barock in unserer Kultur als Rahmengeflecht Möbel schmückt,
16
wird aus einem Halbfabrikat aus der Rattanpflanze hergestellt; einheimische Ma-
terialien eignen sich hierfür nur sehr begrenzt. Aus den, von bester Qualität in In-
donesien wachsenden Rattan- oder Rotangpalmen (malaiisch: „rotan“), lässt sich
eine Vielzahl von Flechtmaterialien gewinnen. Aus dem Pflanzenmark wird Ped-
digrohr (niederdeutsch „paddik“ - „Pflanzenmark“) hergestellt, dies mit verschie-
denen Materialquerschnitten.
Aus der Schale der Rattanpflanze werden u. a. Rohrbast (das natürliche Flechtma-
terial der Strandkörbe) und das fein ausgehobelte Stuhlflechtrohr geschnitten.
Weitere Rattanprodukte sind Bondootrohr, Korbrohr (Möbelbau, Ballonkörbe,
Teppichklopfer), Manilarohr, Manaurohr. Andere eingeführte natürliche Werk-
stoffe sind Wasserhyazinthen, Palmblätter, Reis-und Maisstroh, Raffiabast, See-
gräser und Seegrasschnur, und vieles mehr.
3.2.2 synthetische Materialien
Die Entwicklung künstlicher bzw. synthetischer Flechtmaterialien hatte haupt-
sächlich zwei Gründe. Einerseits gab es durch Wirtschaftskrisen, Kriege, Han-
delspolitik und aus ökologischen Gründen (z. B. hat die indonesische Regierung
vor einigen Jahren ein Ausfuhrverbot aller Rattan-Rohmaterialien verhängt; aus
ökologischen Gründen stehen deutsche Binsen nur noch sehr begrenzt zur Verfü-
gung usw.) Materialengpässe, so dass bereits in den 1920ger Jahren an syntheti-
schen Alternativen geforscht wurde.
Andererseits wollte man Materialien mit besseren technischen Eigenschaften be-
kommen. Homogene Materialien entweder aus Papierschnur oder aus Kunststof-
fen lassen oftmals eine zeit- und somit kostensparende Verarbeitung zu.
Außerdem wird, dem heutigen Konsumentenwunsch entsprechend, eine optisch
gleichbleibende Qualität ermöglicht. Darüber hinaus sind, zumindest hochwertige,
Flechtmaterialien aus Kunststoffen meist pflegeleichter, witterungsbeständiger,
UV-stabil, farbbeständig und dementsprechend haltbarer. Synthetische Flechtma-
terialien bestehen aus Polyvinylchlorid (PVC), aus Polyethylen (PE) und aus Po-
lyamid („Nylon“).
17
3.2.3 Ökologische Vor- und Nachteile
Die natürlichen einheimischen Materialien sind aus meist schnell nachwachsen-
den Rohstoffen. Der Kultivierung von Flechtweidenplantagen ist, aber wie auch
bei anderen Monokulturen, mit hohem Pflegeaufwand und im nicht-ökologischen
Anbau, mit dem Einsatz von Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden verbunden.
Das natürliche Vorkommen der Rattanpflanze ist durch die rasant wachsende Ro-
dung des indonesischen Urwaldes begrenzt. Eine nach Abzug der Kolonialmächte
zusammengebrochene Kultivierung bzw. forstwirtschaftlicher Anbau wird mo-
mentan nur sehr langsam und den Bedarf nicht deckend, nicht ausreichend reakti-
viert. Hochwertige synthetische Flechtmaterialien, wie sie z. B. im Korbwerk
Seebad Heringsdorf verwendet werden, werden nach hohem ökologischem Stan-
dard produziert und sind nach langer Nutzungsdauer recyclebar.
4. Das Korbwerk
Das Korbwerk befindet sich in Heringsdorf auf
der Insel Usedom. Es ist die älteste Strandkorb-
manufaktur in Deutschland. Gegründet wurde
sie durch Johann Falck, der 1897 die Funktion
des einfachen Strandstuhls beziehungsweise des
ersten Modells des Strandkorbs modernisierte
und dem Strandstuhl die Liegefunktion gab.
Anfangs wurden die Strandkörbe noch aus den
natürlichen Materialien, wie Korbrohr, Rohrbast,
Bondootrohr, Peddigrohr und Naturrohrschienen
gefertigt. Mit dem eingeschränkten Exportrecht dieser Stoffe aus Indonesien wur-
de später auf synthetische Flechtmaterialien zurückgegriffen. Das sind hauptsäch-
lich PE (Polyethylen) und PVC (Polyvinylchlorid). Der Unterschied dieser Mate-
rialien lässt sich erfühlen, PE ist fester als PVC.
Bild 4.1 - synthetische Materia-
lien aus PVC
18
Das Korbwerk hat diese synthetischen Flechtmaterialien gemeinsam mit der Fir-
ma „Produktpalette – Schlauch & Profiltechnik Weiß GmbH“ in Thüringen ent-
wickelt und dort herstellen lassen. Im Bild 4.1 ist eine kleine Farbauswahl ersicht-
lich. Besonders stolz wurde uns das synthetische Flechtmaterial gezeigt, das dem
natürlichen Material in der Farbe sehr ähnelt und dieses dadurch optisch problem-
los ersetzt. Die Vorteile wurden bereits unter dem Punkt 3.2.2 beschrieben.
4.1 Fertigungsschritte
Um einen Strandkorb zu fertigen, sind viele Einzelschritte notwendig. Dadurch
bietet es sich für das Korbwerk an, diese in verschiedene Stationen aufzugliedern
und erst am Ende zusammen zu fügen. Folgende Stationen waren für uns ersicht-
lich: die Tischlerei, die die Rahmenteile zuschneidet und diese im extra Raum
verbindet; das Flechten des Korpus, aufgeteilt in Mittel- und Seitenteile, Textilbe-
reich mit Zuschnitt und Nähen der Stoffe für die Polsterung; die Lackiererei für
Spezialwünsche; technische Besonderheiten und Extras sowie das Zusammenfü-
gen der Teile zum Endprodukt.
4.1.1 Tischlerei
In der Tischlerei (Bild
4.1.1.1) sind die bekannten
Maschinen zur Holzbear-
beitung: Tischkreissäge,
Abrichthobelmaschine, Di-
ckenhobelmaschine sowie
Schleifmaschinen zu sehen.
Dort werden die Leisten für
das Grundgerüst aufs Maß
gebracht und im anderen
Raum zusammen gebaut. Es waren circa drei Arbeiter an den Tischlermaschinen
und nochmal 3-4 im anderen Raum, um die Gerüste für den Korpus und die Seit-
Bild 4.1.1.1 – Die Tischlerei
19
enteile zusammen zu bauen. Die fertigen Gerüstteile werden zu den Flechtern ge-
bracht.
In den Bildern 4.1.1.2 bis 4.1.1.10 ist ein kleiner Einblick über die Arbeit der
Tischlerei und die Lagerung der Teile zu sehen.
Bild 4.1.1.2 – Schleifen der
Leisten Bild 4.1.1.3 – Stapeln der fertigen
Leisten auf einer Palette
Bild 4.1.1.4 – manuelles Schleifen
von feinen Rundungen
Bild 4.1.1.5 – Stapelung von
von Hand geschliffener Teile
Bild 4.1.1.6 – Holzlager in übersicht-
lichen Regalen
Bild 4.1.1.7 – Lagerung des Teils, dass
für das Verstellen der Liegeposition
des Strandkorbs benötigt wird.
20
Bild 4.1.1.8 – Zusammenbau eines
Korpus Gerüst
Bild 4.1.1.9 – Lagerung der Sei-
tengerüstteile, dem Windfang
Bild 4.1.1.10 – Fertige Gerüstteile auf dem Weg zur Oberflächenbehandlung
und zum Flechten.
21
4.1.2 Flechten des Korpus
Das Flechten des Korpus wird von mehreren gelernten Flechtwerkgestaltern bzw.
ehemals gelernten Korbflechtern übernommen. Einige kannte Herr Zastrau aus
seiner Gesellenzeit.
Die fertigen Gerüstteile aus der Tisch-
lerei werden von den Flechtwerkgestal-
tern mit Staken aus PVC versehen.
Diese werden dann mit dem gewünsch-
ten Material und der gewünschten Far-
be umflochten.
Beispielhaft zeigen die folgenden Bil-
der, wie ein Flechtwerkgestalter die
Seitenwand, die ein integriertes Bullauge hat, mit dem PE Material umflechtet.
Bild 4.1.2.1 – Die Haube eines barrierefreien
Strandkorbes mit Bullaugen an den Seiten
Bild 4.1.2.2 – das Flechtmaterial
wird am Gerüst angetackert und
von da aus um die Staken gefloch-
ten. Bild 4.1.2.3 - angetackert
22
Mit den folgenden Bildern demonstrieren wir das Flechten der Haube. Genutzt
wurde dafür PE.
Bilder 4.1.2.4 – 4.1.2.6 – Das PE wird kunstvoll um die Staken geflochten, am Ende
um das Holzgerüst gewickelt und wieder zurück bis zum Bullauge geführt. Für geüb-
te Hände ist das eine Arbeit von 5-10 Sekunden. Das Umwickeln ist optisch schön
und gibt dem gesamten Strandkorb extra Stabilität. Dieser Schritt ist auch der Un-
terschied zu den strandkorbähnlichen Modellen aus einem Baumarkt, denn bei den
Billigvarianten wird ausschließlich festgetackert und nicht umflochten, was aber
auch den preislichen Unterschied ausmacht.
Bild 4.1.2.7 – Die Haube mit na-
turähnlichem Material
Bilder 4.1.2.8 – 4.1.2.10 – Flechten der großen Haube von rechts nach links. Am ande-
ren Ende geht es wieder zurück. Der Mann schiebt im Bild 4.1.2.9 das Flechtmaterial
zwischen den Staken nach unten, weil es bei mehreren Schichten zu steif dafür wäre.
Das lange Ende zieht er hinterher heraus und flechtet damit zur rechten Seite zurück.
Wichtig ist, sobald ein Flechtmaterial zu Ende ist, setzt er mit dem nächsten nach.
23
Sobald der untere Teil der Haube fertig ist, wird der gebogene Teil oben gefloch-
ten.
Während der Strandkorb geflochten wird, arbeiten Männer und Frauen im selben Raum am textilen Be-standteil.
Bild 4.1.2.11 – Neuer Ansatz
des Flechtmaterials am Bei-
spiel einer weißen Haube
Bild 4.1.2.12 – der obere Teil
wird geflochten
Bild 4.1.2.13 – Es wird komplett herum ge-
flochten.
Bild 4.1.2.14 – Sobald das Flecht-
material am anderen Ende ist, wird
zurück geflochten
Bild 4.1.2.15 – Mit dem Hammer wird das Mate-
rial an die richtige Position gebracht, die linke
Hand strafft währenddessen das Material und
flechtet danach straff weiter.
24
4.1.3 Textilbereich
Es gibt ein sehr großes Stofflager mit wetterfesten Stoffen. Darunter sind zum
Beispiel Stoffe aus PVC, die für Strandkörbe an der Ost- und Nordsee verwendet
werden, aber auch Dralonstoffe für den privaten Gebrauch oder Hoteliers.
Bilder 4.1.3.1 und 4.1.3.2 – Stofflager des Korbwerks
Bild 4.1.3.3 – Der Mitarbeiter schneidet Stoffe nach ausgerechneten Maßen zu und
gibt sie den Näherinnen, die diese Stoffe dann zu Kissenbezügen und Polsterungen
vernähen.
25
Die Stoffe werden nach der individuellen Bestellung des Kunden zugeschnitten
und genäht. Vieles ist ausschließlich Einzelanfertigung. Nur bei genormten Maßen
können die Schneiderinnen die vorhandenen Schnittmuster nehmen, um die im-
mer wechselnden Stoffe in die gewünschte Form zu bringen. Gerade dieser indi-
viduelle Aspekt wird von der Kundschaft geschätzt.
Bild 4.1.3.4 – Fertige Zuschnitte für
drei Strandkorb-Polsterungen.
Bilder 4.1.3.5 und
4.1.3.6 – Die Näherin
arbeitet einen Reiß-
verschluss ein. Am
Ende sehen wir ein
fertiges Fußpolster für
die ausziehbaren Bein-
teile des Strandkorbs.
Bild 4.1.3.7 – eine zweite Frau
polstert die fertig genähten
Kissenbezüge für den Kopfbe-
reich aus.
Bild 4.1.3.8 – im Lager fanden wir fer-
tige Zuschnitte für den Sitzbereich der
Strandkörbe.
26
4.1.4 Lackiererei und Oberflächenbehandlung
Für Spezialwünsche von Kunden wurde uns die Lackiererei der Firma gezeigt. Al-
lerdings kamen wir später nicht mehr dazu, Fotos von dieser zu machen.
Wegen der individuellen Fertigung gibt es keine Produktionsstraße für die Ober-
flächenbehandlung, sondern ausschließlich das manuelle („händische“) Tauchver-
fahren.
Es werden verschiedene Oberflächenbehandlungen angeboten, dazu gehören zum
Beispiel die offenporige Lasur oder verschiedene Öle. Speziell nach den Hölzern
wird entschieden, welche Oberflächenbehandlung passt. Für Iroko- und Kam-
baholz werden offenporige Lasuren und für Teakhölzer Öle verwendet. Diese drei
Holzarten mit den Oberflächenbehandlungen sind besonders witterungsbeständig.
Wünscht ein Kunde allerdings die Lackierung, so wird auch dieser Wunsch er-
füllt. Allerdings hat die Lackierung den Nachteil, dass das Holz nicht atmen kann
und schon ein kleiner Lackschaden zum Verwittern des Holzes führen kann, ohne
dass dies für das menschliche Auge gleich zu erkennen ist. Im Extremfall kann
man das lackierte Holz mit den Händen zusammen drücken, weil es von innen
schon verfault ist.
4.1.5 Besonderheiten und Extras
Das Korbwerk unterstützt jede individuelle Idee der Kunden. Möchte Jemand zum
Beispiel eine Leselampe in seinem Strandkorb, so wird auch dies ermöglicht.
Auch Sektkühler können seitlich angebracht werden. Besonders hat uns die Idee
des barrierefreien Strandkorbes gefallen, in dem ein Rollstuhl rückwärts einparken
kann und der Insasse ein Strandkorb-Feeling bekommen kann.
27
Der hausinterne Elektriker erfüllt fast alle modernen technischen Wünsche und
passt diese dem Strandkorbdesign an. Sehr raffiniert ist auch die automatische
Liegefunktion auf Knopfdruck, bei der man die schwere Haube nicht mehr per
Hand verstellt. Für alle Liebhaber dieser manuellen Liegefunktion gibt es aber
auch da das Hilfsmittel der Federung, die ein Verstellen zum Kinderspiel macht.
Speziell für Autohäuser und Hotels wurden kleine Gastroloungen und Raucher-
loungen entwickelt. Diese eignen sich auch ideal für Verkaufsgespräche und kön-
nen sogar dank der Rollen mobil an jeden Ort gebracht werden.
4.1.6 Zusammenfügen der Teile
Sobald das oberflächenbehandelte Gerüst fertig umflochten ist und die textilen
Bestandteile aus der Textilwerkstatt fertig sind, beginnen die letzten Schritte. Die
Seitenteile werden mit einem Innenstoff verkleidet und Einzelteile, wie die Fuß-
stützen werden mit den nötigen Kleinteilen versehen und aufgepolstert. Die Elekt-
rik wird ganz am Ende installiert.
Die letzten Schritte konnten wir leider nicht live beobachten. Allerdings hatten
wir die Möglichkeit, alles zu erfragen und einzelne Teile für die letzten Schritte zu
Fotografieren.
Bild 4.1.5.1 – integrierte
Leselampe im Innenteil
des Strandkorbs
Bild 4.1.5.2 - Strand-
korb mit zusätzlichem
Kühler seitlich
Bild 4.1.5.3 – Die rechte Seite
dieses Strandkorbes wird Barrie-
refrei, links ist dann ein Einsitzer.
28
4.1.6.1 – Fußstützen bereit für den Einbau 4.1.6.2 – Seitenflügel mit Ab-
stellbrett
4.1.6.3 – einzelne Teile: Griffe,
Metallzusätze etc.
4.1.6.4 – fertige Rückenpolster für
den Einbau
4.1.6.5 – Anbringung eines ersten Innen-
stoffes
4.1.6.6 – Seitenflügel mit ers-
tem Innenstoff vor der Weiter-
verarbeitung
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4.1.6.7 – mehrere Hauben warten auf den nächsten Innenstoff
4.1.6.8 – fertige Haube mit Textil bezogen und bereit für den Zusammenbau
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4.2 Der Strandkorb
Erstmals wurden Strandkörbe vor 125 Jahren hergestellt. Damals waren es einfa-
che Formen ohne jeglichen Komfort. Zweckmäßig sollten diese vor Wind, Regen,
Sand und Sonne schützen. Die Formen unterscheiden sich nach dem Nord- und
Ostseemodell. Das Nordseemodell weißt eine eckige, gerade Form auf (vgl. Bild
4.2.1), wohingegen der Ostseestrandkorb eine geschwungene und leicht abgerun-
dete Form hatte (vgl. Bild 4.2.2).
Bild 4.2.1 - Nordseemodelle Bild 4.2.2 - Ostseemodell
4.1.6.9 – fast fertiger Strandkorb inklu-
sive Miniatur Kühlschrank zwischen
den Fußstützen
4.1.6.10 – fertiges Modell ohne viel
Technik, bereit für den Abtransport
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4.2.1 Historischer Hintergrund
Der rheumakranke Badegast, Elfriede von Maltzahn, wünschte sich 1882 eine
Sitzgelegenheit mit Sonnen- und Windschutz für den Strand in Warnemünde. Da-
raufhin fertigte der Rostocker Korbmachermeister Wilhelm Bartelmann einen
Strandstuhl aus Korb an. Ein Jahr später vermietete dieser solche Strandstühle, da
viele Badegäste daran interessiert waren. Rückblickend wird erzählt, dass zugleich
auch an den Stränden der Nord- und Ostsee solche Strandstühle gesichtet wurden.
Diese Modelle waren schlicht in ihrer Form und Funktion. Das Korbwerk hat sol-
che historischen Strandkörbe nachgebaut, wie in den Abbildungen Bild 4.2.1 und
4.2.2 zu sehen ist. Auch die Firma Orth stellte Strandkörbe her.
Die Verbesserung der Mechanik wurde um 1897 durch Johann Falck entwickelt.
Dieser machte aus dem einseitigen, nicht umklappbaren Modell die ersten Halb-
und Ganzlieger. Die erste Strandkorbmanufaktur wurde durch ihn gegründet.
Danach erfolgte die Verbreitung der Strandkörbe sehr schnell. Angeboten wurden
Ein- und Zweisitzer. Später kamen Sondermodelle, wie für den Hund oder für
Kinder hinzu. Das Korbwerk bietet mittlerweile darüber hinaus auch Dreisitzer,
Barrierefreie und viele weitere Spezialanfertigungen an. Ein besonderes Pracht-
exemplar ist zum 125-jährigen Jubiläum des Strandkorbes für den G8-Gipfel im
Bild 4.2.1.1 –historische Strandkörbe (Orth, 1925, S. 72)
32
Juni 2007 in Heiligendamm entstanden. Alle zum G8-Gipfel anwesenden Regie-
rungschefs der führenden acht Wirtschaftsnationen saßen in diesem Strandkorb
für ein Foto.
4.2.2 mögliche Ausführungen und Beispiele
Es wurde ein Riesenmodell
des Strandkorbes vom Korb-
werk gefertigt. Dieser ist
sechs Meter lang und zwei
Meter hoch und steht an der
Strandpromenade im Ostsee-
bad Heringsdorf. Wir haben
ihn selbst im Juli 2016 be-
sucht und Probe gesessen
(Bild 4.2.2.1), nachdem uns
bei unserer Führung ausgie-
big davon erzählt worden war.
Bild 4.2.2.1 – Größter Strandkorb weltweit, Touris-
tenattraktion an der Strandpromenade im Ostseebad
Heringsdorf
Bild 4.2.1.2 – Strandkorb zum 125 jährigen Jubiläum beim G8-Gipfeltreffen (Korbwerk
Heringsdorf GmbH & Co. KG (2007))
33
Uns wurden noch weitere Modelle vorgestellt, wie zum Beispiel der Strandkorb,
der an der Strandpromenade von Heringsdorf als Verkaufsstand genutzt wird (s.h.
Bild 4.2.2.3).
Auch bietet das Korbwerk andere Geflechtwünsche an, wie zum Beispiel ein
Blumen-Paravent (s.h. Bild 4.2.2.2). Der Fantasie sind auf diesem Gebiet kaum
Grenzen gesetzt.
4.2.3 Einsatzbereiche
Der heutige Einsatz des Strandkorbes ist im Dienstleistungsbereich. Insbesondere
in Hotels und Gaststätten trifft man Varianten der Strandkörbe als Witterungs-
schutz und Dekorationszweck an. Es sind komfortable außergewöhnliche Sitzmö-
bel, die die Touristen zum Verweilen einladen.
Man kann heutzutage auch öfter im privaten Bereich auf Terrassen, in Wintergär-
ten und auf Grundstücken im Grünen luxuriöse Strandkörbe sichten. Diese sind
durchaus auch Sonderanfertigungen mit technischen Extras, wie Leselampen,
Kühlern, Kühlschränken sowie hochwertiger Unterhaltungselektronik.
Traditionell werden die Badestrände der deutschen Nord- und Ostsee von Strand-
körben, in ihrer ursprünglichen Funktion, geschmückt.
Bild 4.2.2.2 – Blumen-Paravent aus Teak-
holz
Bild 4.2.2.3 – Imbissstand an der
Strandpromenade in Heringsdorf
34
5. Gründe der stagnierten Industrialisierung
Zur heutigen Zeit ist die Produktion vieler Wirtschaftsgüter ins Ausland verlegt.
So auch bei den Flechtwaren. Die Produktion eines Flechtgegenstandes nimmt
viel Zeit in Anspruch und würde in Deutschland zu teuer werden. Somit werden
diese Güter oft importiert und wurden in Niedriglohnländern zu schlechten Kondi-
tionen von meist ungelernten oder angelernten Arbeitskräften hergestellt.
Hinzu kommt, dass Korbwaren immer seltener als Gebrauchsgegenstand genutzt
werden, da sie zum Teil dem modernen Möbelgeschmack nicht gerecht werden
und weil die Technologie auf vielen Gebieten weiter fortgeschritten ist. So sind
zum Beispiel die Verarbeitungsmöglichkeiten der chemischen Industrien und die
wissenschaftlichen Erkenntnisse über Kunststoffe und ihre Einsatzgebiete sehr
fortgeschritten. Die günstigere Produktion und die zum Teil besseren Eigenschaf-
ten dieser Erzeugnisse führten ebenfalls zum Rückgang der Korbwaren als Ge-
brauchsgegenstand.
5.1 Wirtschaftliche Aspekte
Die wirtschaftlichen Aspekte rühren in vielerlei Hinsicht aus dem finanziellen Be-
reich her. Die Produktion von Korbwaren ist zeit- und kostenintensiv. Aus
marktwirtschaftlicher Sicht besteht auch kaum Nachfrage nach Korbwaren,
wodurch sich eine Forschung auf dem Gebiet der Industrialisierung finanziell
nicht rentieren würde. Das Importgeschäft dieser Güter deckt die geringe Nach-
frage und macht es selbstständigen Flechtwerkgestaltern und Korbmachern exis-
tenziell schwer, diesem Beruf in Deutschland nachzugehen. Einzelne von ihnen
schaffen es, indem sie Seminare und Schulungen im Hobbybereich anbieten oder
dieses Können mit einer Möbelrestaurierung verbinden.
Aber nach wie vor ist der Hauptgrund, dass von Hand geflochtene Materialien aus
Deutschland zu teuer für den modernen Plastikgeist von heute sind.
35
6. Fazit
Wir befassten uns in dieser Ausarbeitung mit der Fragestellung, warum es zum
Abbruch der Industrialisierung im Korbwerk kam. Vieles erklärte sich bei unserer
Führung durch das Korbwerk.
Schwer arbeitende Menschen verbrachten den ganzen Tag damit, Teile eines
Strandkorbes zu flechten. Jeder hatte einen zugeteilten Bereich. Gewissenhaft ar-
beiteten die Mitarbeiter des Korbwerks an ihrer jeweiligen Aufgabe. Es war ihnen
jederzeit möglich, sich einen Kaffee zu holen oder zur festen Zeit in die Mittags-
pause zu gehen. Für uns ein normaler Ablauf eines deutschen Handwerkers.
Dies erklärt sich natürlich auch mit den Preisen eines handgefertigten Strandkor-
bes, der nicht nur qualitativ hochwertig ist, sondern auch zu fairen deutschen
Konditionen hergestellt ist.
Unter 5. haben wir die Gründe für die stagnierte Industrialisierung angegeben.
Diese erklären, warum das Korbwerk keine Fließbandproduktion hat. Auch aus
wirtschaftlicher Perspektive spricht alles gegen eine Massenfertigung von Strand-
körben. Der moderne Zeitgeist möchte praktische Gebrauchsgegenstände, die
günstig und haltbar sind.
Mit der Haltbarkeit gibt es keine Probleme bei diesen hochwertigen Produkten,
die wir im Fertigungsprozess im Korbwerk beobachten konnten. Nur der Preis,
der ist individuell. Aber genau das ist der Grund, weshalb sich das Korbwerk
wirtschaftlich außer Konkurrenz befindet!
Es sind die Einzelanfertigungen und technischen Extras, die die finanzielle Inves-
tition in ein solch hochwertig manuell gefertigtes Produkt begründen.
Wäre es Fließbandarbeit, so wären Einzelwünsche kaum umsetzbar, weil ständig
alles umgestellt werden müsste. Fehler und Beschädigungen des Flechtmaterials
würden maschinell kaum auffallen, aber die Qualität stark beeinflussen.
Bei der manuellen Produktion ist alles möglich. Erstens kann der Handwerker di-
rekt fehlerhaftes Material aussortieren und zweitens, jeder einzelne Kunden-
wunsch kann auf Maß angefertigt und eingebaut werden. Der Preis wird im Vor-
feld berechnet und der Kunde weiß, was er für sein Geld bekommt.
36
7. Quellen
Literaturquellen
Brockmann, A.(1984): Korb- und Strohflechter, Hannover, Verlag Th. Schäfer
Dippold, G. (1997): Korb- und Eisenbahnerstadt am oberen Main, Stuttgart, Deut-
scher Sparkassenverlag G
Miller, W./Widess, J. (2000): Das Buch vom Stuhlgeflecht, Hannover, Verlag Th.
Schäfer im Vincentz Network
Orth (1925): Korbmöbel, Katalog Orth
Schreck, O.(1955): Fachbuch für den Korbmacher, Fachbuchverlag Leipzig
Sentance, B.(2001): „Atlas der Flechtkunst“ ,Stuttgart, Wien, Verlag Paul Haupt Bern.
Internetquellen
finanzen.net GmbH (08.06.2011): Industrie; URL:
www.finanzen.net/wirtschaftslexikon/Industrie/9 [25.09.2016]
Rohwer, H. (2016): Die Geschichte der Strandkörbe, URL: https://www.dein-
strandkorb.de/strandkorb-informationen/strandkorb-geschichte/ [25.08.2016]
Schleufe, M. (20.12.2011): Ein Handwerksberuf erlebt seine Renaissance; URL:
http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-12/beruf-korbflechter [24.08.2016]
Teemuseum Norden (2016): ostfriesische Tradition – flechten mit Menschenhaar;
URL: www.teemuseum.de [26.09.2016]
37
Bildquellen
Miller, W./Widess, J. (2000): Das Buch vom Stuhlgeflecht, Hannover, Verlag Th.
Schäfer im Vincentz Network
Orth (1925): Korbmöbel, Katalog Orth
Korbwerk Heringsdorf GmbH & Co. KG (2007): Strandkorb G8-Gipfel, URL:
http://www.korbwerk.de/imagetypes/rex_popuppic/bgg8.jpg [23.09.2016]
38
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst
und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Alle Ausführungen, die anderen veröffentlichten oder nicht veröffentlichten
Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, habe ich kenntlich ge-
macht.
Die Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Fassung noch keiner anderen Prü-
fungsbehörde vorgelegen.
____________________________ ____________________________
Ort, Datum Ariane Isidorczyk
39
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst
und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Alle Ausführungen, die anderen veröffentlichten oder nicht veröffentlichten
Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, habe ich kenntlich ge-
macht.
Die Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Fassung noch keiner anderen Prü-
fungsbehörde vorgelegen.
____________________________ ____________________________
Ort, Datum Michael Zastrau