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Alphabetisierung und Bildung Alphabetisierung und Grundbildung Zielgruppengewinnung durch Netzwerkarbeit Empfehlungen für Weiterbildungseinrichtungen und Netzwerkende

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Alphabetisierungund Bildung

Alphabetisierung undGrundbildungZielgruppengewinnung durch Netzwerkarbeit

Empfehlungen für Weiterbildungseinrichtungen und Netzwerkende

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Titelbild©Stephanie Hofschlaeger  / PIXELIO

Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen01AB0743-01, -04, -06, 09 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieserVeröffentlichung liegt bei den Autoren. (S. BNBest-BMBF 98, 6.4)

Autorin: Daniela WagnerKo-Autoren/-innen: Elfriede Haller, Marion Klinger, Susanne Syren, Bärbel Zahlbach-Wenz

Projektleitung des Verbundprojekts Alphabetisierung und Bildung, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz 2011

© bei den Autoren/-innen

Gestaltung und Druck: Georg Bungartenwww.grafik-bungarten.de

2 I M P R E S S U M

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Vorwort 4

Z i e l g r u p p e n g e w i n n u n g d u r c h N e t z w e r k a r b e i t 5Warum ist Zielgruppengewinnung durch Netzwerkarbeit sinnvoll? 6Arbeitskatalog einer Netzwerkenden 7Nutzen der Netzwerkarbeit für Weiterbildungseinrichtungen 10

D i e N e t z w e r k a k t e u r e 11(Sozial)beratungsstellen 12Arbeitsvermittlung 15Unternehmen 17Grundschulen und Kindertagesstätten 19Weiterführende und berufsbildende Schulen 22Kulturelle Einrichtungen 24Kursleitende 26

N e u e A k t e u r e f i n d e n u n d e i n b i n d e n 28Das Vorgespräch 29Bestehende Strukturen nutzen 31Informieren und qualifizieren 33

Z u s a m m e n a r b e i t e t a b l i e r e n 35Start und Ende 36Anregungen zur Zusammenarbeit 38Die Zwischenzeit nutzen 40

E n t t a b u i s i e r u n g d u r c h Ö f f e n t l i c h k e i t s a r b e i t 41Politiker/-innen 42Medien 44Lernende als Botschafter/-innen 47

A n h a n g 50Finanzierung von Alpha-Kursen durch die ARGE 50Materialien zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 51Autorinnen 53Literatur 54Internet 55

I N H A LT 3

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Vorwort

Auf Grundlage neuster Studien wird deutlich,dass nicht einmal ein Prozent der 7,5 Millio-nen funktionalen Analphabeten in Deutsch -land in Lernangeboten ihre Lese- und Schreib -fähigkeiten verbessern.1 Das vom Bundes -ministerium für Bildung und Forschunggeförderte Projekt »Alphabetisierung undBildung« (AlBi-Projekt) will einen Beitragdazu leisten, diesen Menschen den Weg inAlphabetisierungs- und Grundbildungsange-bote (Alpha-Angebote) zu erleichtern. Dazuwurden in Kooperation von Weiterbildungs-trägern und -verbänden, zwei Universitätenund den Betroffenen Maßnahmen entwickelt,durchgeführt und evaluiert.

Zielgruppe

Die primäre Zielgruppe des AlBi-Projektssind funktionale Analphabeten, die inDeutschland aufgewachsen und zur Schulegegangen sind. Es geht um Menschen, die inDeutschland sozialisiert wurden, die dasdeutsche Bildungssystem durchlaufen ha-ben und trotzdem nicht ausreichend lesenund schreiben gelernt haben. Zwar gibt esviele Überschneidungen mit der Gruppe derzugewanderten funktionalen Analphabeten,jedoch liegt hier nicht der Arbeitsschwer-punkt des Projekts.

Zielgruppengewinnung

Während der Projektarbeit wurde schnelldeutlich, dass die Zielgruppe – der in Deutsch -land sozialisierten funktionalen Analphabe-ten – von Weiterbildungseinrichtungen inerster Linie in Zusammenarbeit mit anderenlokalen Akteuren erreicht werden kann. Des-halb begannen im AlBi-Projekt engagierteNetzwerkende an zwölf Standorten in Hes-sen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, sichlokal und überregional zu vernetzen. DieNetzwerkenden tauschten sich unterein -ander sowie mit Kursleitenden, Lernenden,lokalen Akteuren und der Wissenschaft aus.Dieser gemeinsame Austausch und das Ler-nen voneinander waren für die Arbeit vor Ortsowie für die überregionale Zusammen -arbeit in Hessen, Rheinland-Pfalz und demSaarland sehr förderlich.

Broschüre

Die Erfahrungen und Ergebnisse dieser in-tensiven Zusammenarbeit werden Ihnen indieser Broschüre vorgestellt. Sie ist eineFundgrube und Ideengeber für Interessierte,die durch die Zusammenarbeit mit anderenlokalen Akteuren mehr Betroffene für Alpha-Angebote gewinnen wollen. Wir danken denengagierten Netzwerkenden für ihre Arbeitund hoffen, dass andere Interessierte von ihren Erfahrungen und dieser Broschüre pro -fitieren können.

4 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

1 Grotlüschen, Riekmann (2011) Leo-Studie, S. 5; Rosenbladt, Bilger (2011) AlphaPanel

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Zielgruppengewinnung in der Alpha-Arbeit mit in Deutschland sozialisiertenfunktionalen Analphabeten ist dann erfolgreich, wenn Weiterbildungseinrich-tungen intensiv mit anderen Akteuren zusammenarbeiten. Daher muss vor Ortein Alpha-Netzwerk aufgebaut und gepflegt werden.In diesem Kapitel stellen wir Ihnen vor, › warum Zielgruppengewinnung durch Netzwerkarbeit sinnvoll ist,› wie der mögliche Arbeitskatalog einer Netzwerkenden aussieht,› welchen Nutzen die Netzwerkarbeit für Weiterbildungsträger hat.

Zielgruppengewinnung durch Netzwerkarbeit

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6 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Warum ist Zielgruppen-gewinnung durch Netz-werkarbeit sinnvoll?

Werbung von »Mund zu Mund«

Funktionale Analphabeten können nicht überdie üblichen Wege der Öffentlichkeitsarbeiterreicht werden (Flyer, Programmhefte, In-ternet usw.), da sie diese nur sehr einge-schränkt lesen und nutzen können. Werbungvon »Mund zu Mund« ist daher geeigneter,um funktionalen Analphabeten den Weg inAlpha-Angebote zu ermöglichen.

Herausforderung des Lebensumfeldes

Gerade im ländlichen Raum fällt es häufigschwer, genügend Teilnehmende für einenKurs zu gewinnen, Gründe hierfür gibt esviele. Wohnortsnahe Kurse sind wegen einerfehlenden Weiterbildungseinrichtung vor Ortnicht immer möglich. Betroffene sind oftnicht in der Lage weite Entfernungen zu-rückzulegen, da es ihnen schwer fällt öffent-liche Verkehrsmittel zu benutzen, diese nursehr eingeschränkt zur Verfügung stehenoder da sie wegen ihrer eingeschränktenLese- und Schreibkompetenzen keinen Füh-rerschein haben.

Damit die Werbung von »Mund zu Mund« dieBetroffenen auch erreicht, muss sie im all-täglichen privaten und beruflichen Umfeldder Betroffenen stattfinden. Hier gibt es je-doch mehrere Probleme. Zum einen sind diebreite Öffentlichkeit und das Lebensumfeld

der in Deutschland sozialisierten funktiona-len Analphabeten in der Regel weitgehenduninformiert über die Größenordnung desfunktionalen Analphabetismus und dessenUrsachen. Zum anderen geben sich inDeutschland sozialisierte funktionale Anal-phabeten aus Scham nur selten zu erken-nen. In manchen Fällen wissen nicht einmalenge Freunde und Familienmitglieder vonden Schwierigkeiten, mit denen die Betroffe-nen täglich zu kämpfen haben. Daher wer-den ihre Probleme in vielen Fällen nicht er-kannt und bleiben im Verborgenen.

Zugewanderte funktionale Analphabeten

Im Gegensatz dazu gehen zugewandertefunktionale Analphabeten in der Regel offenermit ihren Lese- und Schreibproblemen um,wenn sie aus Ländern stammen, in denen eskeine Schulpflicht gibt oder diese nur lü-ckenhaft umgesetzt wird. Dass Migranten/-innen neben der deutschen Sprache auchlesen und schreiben lernen müssen, ist nach-vollziehbar und stellt kein Tabuthema dar. 2

Netzwerkarbeit

Mit der im Folgenden beschriebenen Netz-werkarbeit wird in erster Linie versucht, dietabuisierte Zielgruppe der in Deutschlandsozialisierten funktionalen Analphabeten zuerreichen.

2 Wagner (2011) Schlüsselpersonen in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit

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Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T 7

Arbeitskatalog einerNetzwerkenden

Um funktionale Analphabeten über »Mundzu Mund«-Werbung zu erreichen und ihnendamit den Weg in Alpha-Angebote zu er-leichtern, können Sie als Netzwerkende vorOrt folgendes tun:

Enttabuisierung

Sie, als Netzwerkende, können die lokale Öf-fentlichkeit stetig informieren, sodass dasThema »Analphabetismus bei in Deutsch-land sozialisierten Erwachsenen« besserwahrgenommen wird und die lokale Bevöl-kerung für die Lebenssituation der Betroffe-nen sensibilisiert wird. Dies kann dazu bei-tragen, dass sich das Klima der Stigmatisie-rung und Ausgrenzung in ein Klima derUnterstützung der Betroffenen wandelt. Sowird ein wichtiger Grundstein gelegt, damitsich die Betroffenen leichter zu erkennen ge-ben und ihre Umgebung adäquat reagiert.

Aufgaben der Netzwerkenden› Pressemitteilungen schreiben, › Flyer und Plakate erstellen und verteilen, › Informationsstände organisieren,› Gremien informieren usw.

Tipps und Hinweise hierzu finden Sie in denKapiteln »Enttabuisierung durch Öffentlich-keitsarbeit« und »Netzwerkakteure findenund einbinden«.

Vermittlung aus dem Lebensumfeld

Funktionale Analphabeten müssen über ihreChance informiert werden, auch im Erwach-senenalter noch lesen und schreiben lernenzu können. Dazu sind vor allem sogenannteSchlüsselpersonen in der Lage, die im Le-bensumfeld der Betroffenen arbeiten.

Schlüsselpersonen…› stellen funktionale Analphabeten häufig vor

Lese- und Schreibsituationen, die einen An-lass geben können, um über die Lese- undSchreibprobleme der Betroffenen zu reden.

› besitzen in vielen Fällen das Vertrauen derBetroffenen oder sind in der Position selbi-ges zu erwerben, um das Thema sensibelanzusprechen.

› können funktionalen Analphabeten vermit-teln, dass sie mit ihren Problemen nicht al-leine sind und dass sie auch im Erwachse-nenalter noch die Möglichkeit haben, lesenund schreiben zu lernen.

› können die Betroffenen auf dem Weg hin zurAlphabetisierung bestärken und begleiten.

› können eine Brückenfunktion einnehmenund funktionale Analphabeten in Alpha-kurse der Weiterbildungseinrichtungen ver -mitteln.

Aufgaben der Netzwerkenden › Sie organisieren Fortbildungen und Info-

Veranstaltungen für Schlüsselpersonen,um sie für ihre Vermittlerrolle zu sensibili-sieren und zu qualifizieren.

› Sie koordinieren die Zusammenarbeit vonSchlüsselpersonen und Weiterbildungsein-richtungen.

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Tipps und Hinweise hierzu finden Sie im Kapitel »Netzwerkakteure finden und einbin-den« und »Netzwerkarbeit etablieren«.

Lernangebote im Lebensumfeld

Die Hemmschwelle, ein Alpha-Angebot zubesuchen, ist für funktionale Analphabetensehr groß. Daher ist es sinnvoll, Lernange-bote in ihrem Lebensumfeld einzurichten,oder Lernangebote so zu konzeptionieren,dass sie in ihrem Lebensumfeld erreicht wer -den. Dabei gibt es jedoch einiges zu beden-ken. Viele Betroffenen wollen nicht, dass ihrprivates oder berufliches Umfeld darüber informiert ist, dass sie ein Alpha-Angebotbesuchen. Daher ist es gerade bei Lern -angeboten im Lebensumfeld überaus wichtig,dass sie nicht direkt als Lese- und Schreib-kurse angeboten werden. Häufig ist es sinn-voll, das Alpha-Angebot über ein Grundbil-dungsthema zu bewerben, das nur indirektauf den Alphabetisierungscharakter der Kursehinweist. Niederschwellige Lernangebotedie sich im Lebensumfeld der Betroffenenbefinden und die Alphabetisierung und Grund -bildung miteinander verbinden, können einegroße Chance für funktionale Analphabetensein, ihre Lese- und Schreibkompetenzen zuverbessern. Beispiel: Offener Lerntreff miteinem Zugang über den Computer oder All-tagsthemen. Weiterbildungseinrichtungenbefinden sich jedoch in der Regel nicht direktim Lebensumfeld der Betroffenen. Daher isteine Zusammenarbeit der Weiterbildungs-stätten mit Institutionen aus dem Lebens-umfeld der Betroffenen (Sozialberatungs-

stellen, Arbeitsvermittlungsstellen, Unter-nehmen, Schulen und Kindertagesstättenusw.) förderlich für die Zielgruppengewin-nung. Institutionen aus dem Lebensumfeldkönnen gemeinsam mit Weiterbildungs -einrichtungen Lernangebote entwickeln, diespeziell auf die Bedürfnisse ihrer Kunden/-innen und Klienten/-innen zugeschnitten sind.Gemeinsam kann ein Lernangebot z.B. in derSozialberatungsstelle eingerichtet werden.Es kann versucht werden, dieses Lernange-bot als Brücke in den Regelkurs einer Wei-terbildungseinrichtung zu nutzen.

Aufgaben der Netzwerkenden› Sie überzeugen Weiterbildungseinrichtun-

gen und Institutionen aus dem Lebensum-feld der Betroffenen von den Vorteilen einerZusammenarbeit.

› Sie koordinieren die zielgerichtete Zusam-menarbeit.

Tipps und Hinweise hierzu finden Sie in denKapiteln »Die Netzwerkakteure« und »Netz-werkarbeit etablieren«.

Ein Tipp gleich zu AnfangLassen Sie sich nicht von der Fülle dermöglichen Maßnahmen und Aufgabenabschrecken. Beginnen Sie dort, wo Siebei sich vor Ort einen Ansatzpunkt sehenund wo Sie sich selbst vorstellen können,aktiv zu werden. Erwarten Sie nichtschnelle Erfolge. Alphabetisierungbraucht viel Zeit und Geduld. Ebenso vielZeit und Geduld braucht eine erfolgreicheZielgruppengewinnung.

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Netzwerkarbeit

Um die Zusammenarbeit zwischen Weiter-bildungsstätten, Institutionen und Schlüssel-personen im Lebensumfeld sowie mit denMedien möglich zu machen, braucht es einNetzwerk und eine Netzwerkkoordination.

Aufgaben der Netzwerkenden› Sie sind zuständig für Aufbau und Pflege

der Kontakte zu den lokalen Netzwerkak-teuren.

› Sie stellen bilaterale Kontakte zwischenwichtigen Akteuren her.

› Sie organisieren Netzwerktreffen zum ziel-gerichteten Austausch und zur Planung dergemeinsamen Arbeit.

› Sie koordinieren und fördert die gemein-same Arbeit im Netzwerk.

› Sie sind lokale Anlaufstellen für interes-sierte Institutionen und Einzelpersonen.

› Sie organisieren, dass es eine Anlaufstelle(Telefonnummer, Sprechzeit) für funktio-nale Analphabeten gibt.

› Sie informieren das Netzwerk über aktuelleThemen.

Tipps und Hinweise hierzu finden Sie in denKapiteln »Netzwerkakteure finden und ein-binden« und »Netzwerkarbeit etablieren«.

Absprache mit VorgesetztenEs ist hilfreich Ihrem/Ihrer Vorgesetztenden Arbeitskatalog vorzulegen und da-nach regelmäßig über Ihre Arbeit zu in-formieren.

Schaffung von Rahmenbedingungen

Es ist sinnvoll, die Netzwerkkoordination aneinen Weiterbildungsträger anzubinden. ImAlBi-Projekt wurde deutlich, wie wichtig dieGlaubwürdigkeit der Netzwerkenden ist, trotzder Anbindung trägerunabhängig zu arbeiten.Im Netzwerk muss klar sein, dass sie überviel Handlungsspielraum verfügt und es ihrin erster Linie darum geht, mehr Betroffenenden Weg in bedarfsgerechte Lernangebotezu erleichtern. Dabei dürfen trägerbezogeneÜberlegungen keine vorrangige Rolle spie-len. Nach den Erfahrungen des AlBi-Projektsbenötigt eine Netzwerkende mindestenszehn Stunden in der Woche, um ein Netz-werk zur Zielgruppengewinnung aufzubauenund zu pflegen.

MachbaresIn vielen Fällen ist es nicht gleich zu An-fang möglich, diese Rahmenbedingun-gen zu schaffen. Optimale Bedingungensollten zwar Ihr Ziel sein, Sie könnenaber auch schon mit der Arbeit begin-nen, wenn Ihnen weniger Stunden in derWoche zur Verfügung stehen und/oderSie nicht unabhängig arbeiten können.

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Nutzen der Netzwerk -arbeit für Weiterbil-dungseinrichtungen

Im Folgenden liefern wir Ihnen einige Argu-mente dafür, warum Weiterbildungseinrich-tungen ein Netzwerk auf den Weg bringenund eine Netzwerkkoordination installierensollten.

Zusammenarbeit mit Schlüsselpersonen

Durch die Zusammenarbeit mit Schlüssel-personen können Weiterbildungseinrichtun-gen auf deren Infrastruktur und deren Kennt -nisse über die Betroffenen zurückgreifen.Gemeinsam können im Netzwerk bedarfsge-rechte Angebote im Lebensumfeld konzipiertwerden. Schlüsselpersonen können darüberhinaus als Vermittler/-innen qualifiziert wer-den und neue Teilnehmende für die Alpha-Angebote der Weiterbildungseinrichtungenakquirieren. Die Betroffenen können soleichter den Weg in Alpha-Angebote findenund in der Folge an anderen Angeboten derWeiterbildungseinrichtung teilnehmen (z.B.Nachholen von Schulabschlüssen, Koch-kurse).

Profil stärken

Um bedarfsgerechte Alpha-Angebote mög-lich zu machen, ist es häufig sinnvoll, An gebote für eine spezielle Zielgruppe (z.B.Frauen, Arbeitssuchende), ein speziellesThema (z.B. Computer, Behördengänge, Fa-mily Literacy, Food Literacy) oder unter-schiedliche Niveaustufen einzurichten. Da-mit genügend Teilnehmende für solche spe-ziellen Lernangebote gefunden werdenkönnen, ist eine Zusammenarbeit der örtli-chen Träger sinnvoll. Jede Einrichtung vorOrt hat andere Stärken und kann durch sol-che speziellen Angebote ihr Profil stärken.

Effizientere Arbeit

Kostspielige Doppelstrukturen können ver-mieden werden, indem die Netzwerkpartnerwechselseitig Räumlichkeiten und andereRessourcen nutzen. So können sich vor al-lem die Weiterbildungseinrichtungen vor Ortgegenseitig stärken statt zu konkurrieren.

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Vor Ort gibt es viele Akteure mit denen eine Zusammenarbeit zwecks Ziel -gruppengewinnung lohnend ist. In diesem Kapitel stellen wir Ihnen vor, › mit welchen Akteuren eine Zusammenarbeit sinnvoll ist, › warum Alphabetisierung ein interessantes Thema für diese Akteure ist,› welche Beispiele gelungener Zusammenarbeit es gibt,› welchen Nutzen die Akteure aus der Zusammenarbeit ziehen.

Die Netzwerkakteure

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(Sozial)beratungsstellen

Zielgruppe

Z.B. Betreuungsvereine, Bewährungshilfe,Erziehungsberatung, Familien- und Lebens-beratung, Gesundheitsberatung, Mieterbe-ratung, Schuldenberatung, Sozialberatungder Tafeln, soziale Notrufe, Suchtberatung,Wohnsitzlosenberatung.

Warum ist Analphabetismus ein Themafür (Sozial)beratungsstellen?

Frühe Auslöser für funktionalen Analphabe-tismus können die elterliche »Leidens -biographie« sein und eine schlechte sozialeSituation der Familie. Dadurch erfahren die

Kinder schon sehr früh emotionale Vernach-lässigung, mangelnde Zuwendung, Lieblo-sigkeit, Stigmatisierung, Gewalt, Vertrauens-verlust, Missbrauch als Arbeitskraft, mate-rielle Unterversorgung usw. Die psychischeBelastung der Kinder kann sich in der Schulenegativ auf den Lernprozess auswirken. Ne-ben Auffälligkeiten im Sozialverhalten gerätder Prozess des lesen und schreiben Lernensins Stocken. In der Schulzeit und im Erwach-senenleben erfahren diese Kinder schnellweitere Stigmatisierung und Diskriminie-rung. Sie haben häufig eine soziale und psy-chische »Leidensbiographie«.3 Eine aktuelleErhebung unter Lernenden in Volkshoch-schulen zeigt, dass funktionale Analphabe-ten darüber hinaus sehr häufig gesundheit-liche Probleme haben.4

3 Egloff (1997) Biographische Muster und Bewältigungsstrategien, S. 131ff., S. 156ff.

4 Rosenbladt, Bilger (2011) AlphaPanel

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Kirchliche, freie oder öffentliche (Sozial)be-ratungsstellen fangen oft die daraus resul-tierenden sozialen und psychischen Prob -leme der funktionalen Analphabeten auf. Fürdie Betroffenen ist dies ein Teufelskreis. So-ziale und psychische Probleme sind Ursacheihres Analphabetismus’ und gleichzeitig ent-stehen aus ihren Lese- und Schreibproblemenerneut soziale und psychische Probleme.

Durch die Zusammenarbeit von Sozialbera-tungsstellen und Weiterbildungseinrichtun-gen können die Betroffenen darin unterstütztwerden, diesen Teufelskreis zu durchbre-chen.

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

Die SchuldenfalleAn der AlBi-Bündnissitzung »Alphabetisie-rung und Grundbildung Ludwigshafen« nahmu.a. eine Schuldenberaterin teil. Zunächstkonnte sie keinen Zusammenhang zwischenihrer Arbeit und funktionalem Analphabetis-mus feststellen. »Ich muss mich um die ak-tuellen Probleme meiner Kunden kümmernund das sind die Schulden. Analphabetismusspielt erst mal keine Rolle.« Bei einem spä-teren Telefonat mit der lokalen Kursleiterinder Volkshochschule mit der Schuldenbera-terin, ging es um eine Teilnehmende mit finanziellen Problemen und um die Vermitt-lung in die Schuldenberatung. Die Beraterinberichtete, dass sie in der Zwischenzeit beimehreren Kunden funktionalen Analphabe-tismus vermutet und diese auf Dauer in dieAlpha-Kurse der vhs vermitteln will.

WohnsitzloseDer Trägerverein Treffpunkt Reling e.V. bietetin Bad Kreuznach einen Tagesaufenthalt fürWohnungslose und von Wohnungslosigkeitbedrohte Menschen sowie eine Lebensmittel -ausgabe der Tafel an. Unter den Besucher/-innen der Tafel befinden sich Menschen, dieProbleme mit dem Lesen und Schreiben ha-ben. Sie haben oft negative Lernbiographienund ihre Hemmschwellen sind zu groß, umein Lernangebot außerhalb ihres Lebensum-felds zu besuchen. Ein Kursleiter des offenenAlphabetisierungsangebotes am örtlichenLernzentrum bietet den Besuchern/-innendes Treffpunkts im Rahmen des AlBi-Pro-jekts die Möglichkeit, gemeinsam und spie-lerisch die Möglichkeiten eines Computerskennenzulernen. Dazu setzt er sich währendder allgemeinen Frühstückzeit mit Beamerund Laptop zu den Besuchern/-innen. Sielernen ihn kennen und die Schwelle, ihn imLernzentrum aufzusuchen, sinkt. Der Kurs-leiter arbeitet mit der sozialpädagogischenBetreuung im Treffpunkt zusammen, um dieBesucher/-innen mit Lese- und Schreib -problemen auf sein Angebot aufmerksammachen zu können.

Durch die Zusammenarbeit des Lernzen-trums mit dem Treffpunkt Reling wird dieserZielgruppe ein Angebot in ihrem Lebensum-feld gemacht. Fünf Lernende haben währenddes AlBi-Projekts den Weg ins Lernzentrumgefunden und nehmen die dortigen Lernan-gebote wahr.

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FrauenDas »Frauenzentrum Hexenbleiche« in Alzeyist eine Anlaufstelle für von Gewalt bedroh-ten Frauen und Mädchen. Das Angebot desZentrums ist breit gefächert: Notruf, Bera-tungsstellen, Bildungsangebote, Treffpunkt,Selbsthilfegruppen usw. Im Zentrum wirdimmer wieder deutlich, dass manche Frauenund Mädchen nur sehr schlecht lesen undschreiben können. Das Zentrum unterstützt dieBetroffenen u.a. darin, ihre Lese- und Schreib -kompetenzen zu verbessern und damit ihreSelbstständigkeit und Sicherheit im Alltag zufördern. Dazu wurden die Mitarbeiterinnendes Zentrums auf einer Info-Veranstaltungzum Thema »Analphabetismus und Grund-bildung« informiert und für die Situation derBetroffenen sensibilisiert. Die Mitarbeiterin-nen können so Betroffene in die örtlichen Alpha-Angebote vermitteln. Häufig ist dieHemmschwelle zu hoch, ein externes Ange-bot zu besuchen. Daher wird nach dem Vor-bild des Lernzentrums und der Tafel in BadKreuznach ein Alpha-Angebot im Frauen-zentrum angeboten.

Nutzen der Zusammenarbeit

› Durch die Vermittlung in externe oder in-terne Alpha-Angebote können Sozialbera-ter/-innen ihren Kunden/-innen langfristigePerspektiven anbieten, um Teile ihrer sozia-len und psychischen Probleme anzugehen.

› Durch eine Schulung der Sozialberater/-in-nen kann ihr Arbeitsalltag erfolgreicher undsomit zufriedenstellender werden und siekönnen neue Ursachen und Lösungsan-sätze für die Probleme ihrer Kunden/-innenkennenlernen.

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Arbeitsvermittlung

Zielgruppe

Z.B. Kommunale Arbeitsagenturen (ARGE),freie und kirchliche Arbeitsvermittlungs -stellen

Warum ist Analphabetismus ein Themafür die Arbeitsvermittlung?

31,9 % der Arbeitslosen sind funktionale An-alphabeten.

Funktionale Analphabeten › haben fast viermal so häufig keinen Schul-

abschluss (19,3%) wie die erwachsene Be-völkerung im Allgemeinen (5 %).

› haben viel häufiger keinen oder einen un-teren Schulabschluss und viel seltener einenmittleren oder höheren Schulabschluss alsdie erwachsene Bevölkerung im Allgemei-nen.

› sind fast doppelt so häufig arbeitslos (16,7%)wie die erwachsene Bevölkerung im Allge-meinen.5

Die Berufe sind selten geworden, für die keinoder ein unterer Bildungsabschluss benötigtwird oder bei denen es keine Lese- undSchreibanforderungen gibt.6 Daher fällt esArbeitsvermittler/-innen sehr schwer, dieseMenschen in den ersten Arbeitsmarkt zuvermitteln.

Arbeitsvermittler/-innen sind häufig nichtüber die Problematik von funktionalen An -alphabeten informiert und ihnen fällt esschwer zu erkennen, dass ihre Kunden Lese-und Schreibprobleme haben. Arbeitsvermitt-ler/-innen wissen in vielen Fällen nicht, wieund wohin sie die Betroffenen in eine Weiter-bildung vermitteln können. Auch gibt es immer wieder Probleme bei der Suche nachFinanzierungsmöglichkeiten von Weiterbil-dungen.7

Aus der praktischen Alpha-Arbeit ist bekannt,dass funktionale Analphabeten häufig in be-rufliche Weiterbildungen vermittelt werden,die mit Lese- und Schreibanlässen verbun-den sind und ihnen nicht bei ihrem Grund-problem weiterhelfen. Stattdessen führt dieseFehlvermittlung zu weiterer Frustration undzur Verstärkung des Grundproblems. Auchder Kontakt zur Arbeitsvermittlung leidet da-durch.

5 Grotlüschen, Riekmann (2011) Leo-Studie, S. 44, 48

6 Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (2011) Grundbildung am Arbeitsplatz

7 Wagner (2011) Schlüsselpersonen in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit

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Einige Arbeitsvermittler/-innen reagierenmit Schuldzuweisungen in Richtung ihrerKunden (»dumm, faul und unwillig«). Anderesuchen die Schuld bei sich selbst. Häufigsind jedoch die äußeren Rahmenbedingun-gen so schwierig, dass ihnen eine angemes-sene Vermittlung nicht möglich ist.8

Durch eine Zusammenarbeit von Arbeitsver-mittlungsstellen und Anbietern von Alpha-Angeboten können Betroffene ihre Lese- undSchreibfähigkeiten verbessern und wieder eineChance auf dem Arbeitsmarkt bekommen.

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

TeilnahmegebührenViele funktionale Analphabeten können sichdie Teilnahmegebühren für einen Alpha-Kurs nicht leisten. Die evangelische Erwach-senenbildung informierte im Rahmen desAlBi-Projekts einige ARGEn über die recht -lichen Möglichkeiten der ARGE, Alphabeti-sierungs- und Grundbildungskurse für ihreKun den/-innen zu finanzieren. Eine ARGEreagierte prompt und informierte ihre Mitar-beiter/-innen. Heute werden die für die Teil-nehmenden anfallenden Kursgebühren vonder ARGE bezahlt. Die ARGE unterstützt dieBetroffenen auch bei der Antragsstellungund vereinbart mit ihnen Termine, um gemein -sam einen Antrag auf Finanzierung zu stellen.Im Anhang dieser Broschüre finden Sie Hin-weise auf die Möglichkeit der ARGEn Alpha-betisierungskurse zu finanzieren (»Finanzie-rung von Alpha-Kursen durch die ARGE«).

Vermittlerrolle von ARGEnAn der AlBi-Fortbildung »Funktionale An -alphabeten: Erkennen – Ansprechen – Be-gleiten« in Saarbrücken nahmen 13 Teamlei-ter/-innen und Fallmanager/-innen der re-gionalen ARGEn teil. Die Fortbildung führtezum regen Austausch zwischen  den Mitar-beiter/-innen der ARGE und  dem Verbandder Volkshochschulen des Saarlandes mitseinen Mitgliedseinrichtungen. Einige Fall -manager/-innen melden sich seitdem regel-mäßig bei der zuständigen Alphabetisie-rungsexpertin des saarländischen Volkshoch -schulverbandes (Mechtild Müller-Benecke).Dadurch kamen in der Projektlaufzeit 28 direkteVermittlungen in Alpha-Angebote zustande.Die neuen Teilnehmenden berichten, dassder verständnisvolle Umgang der Fallmana-ger/-innen mit ihren Problemen sie dazu er-mutigt habe, einen Alpha-Kurs zu besuchen.

Nutzen der Zusammenarbeit

› Arbeitsvermittler/-innen können dafür sen-sibilisiert und qualifiziert werden, funktio-nale Analphabeten in ein internes oder ex-ternes Alpha-Angebot zu vermitteln.

› Arbeitsvermittler/-innen sind in der Lage,funktionale Analphabeten auf Dauer leichterin den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln,wenn diese ein Alpha-Angebot besuchen.

› Arbeitsvermittler/-innen fällt die Begleitungder Betroffenen leichter, wenn sie über ihreProbleme ausreichend informiert sind undihnen bewusst wird, wie lange und schwie-rig der Prozess der Alphabetisierung ist.

› Arbeitsvermittlungsagenturen reduzierendie Fälle, die in ungeeignete Weiterbildungs -maßnahmen vermittelt werden.8 ebd.

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Unternehmen

Warum ist Analphabetismus ein Themafür Unternehmen?

Funktionale Analphabeten sind häufiger ar-beitslos, gleichzeitig sind 12,4% der Erwerbs -tätigen funktionale Analphabeten.9 KleineUnternehmen mit weniger als 10 Beschäf-tigten könnten rein statistisch einen funktio-nalen Analphabeten beschäftigen. MittlereUnternehmen mit weniger als 500 Beschäf-tigten könnten rein statistisch bis zu 60 funk-tionale Analphabeten beschäftigen.10 Es gibtBranchen, in denen der Anteil der funktiona-len Analphabeten weitaus höher ist. Bei-

spielsweise in einem Unternehmen aus derReinigungsbranche mit 10 Reinigungskräf-ten sind rein statistisch über die Hälfte, also5–6 Beschäftigte, funktionale Analphabeten.Daher muss Analphabetismus auch einThema für Unternehmen sein. Ausbildungs-betriebe berichten immer wieder davon,dass ihre Auszubildenden zu wenig Grund-bildung aus der Schule mitbringen. Geradeim Bereich Rechnen, Schreiben und Lesengibt es immer wieder Probleme. Sie wün-schen sich eine bessere Grundbildung in derSchule oder suchen nach entsprechendeninner- oder außerbetrieblichen Weiterbildun -gen für ihre Auszubildenden.11

Anteil der funktionalen Analphabeten an allen Beschäftigten dieser Berufsgruppe56,0 % Bauhilfsarbeiter (Gebäude)46,4 % Führer von Erdbewegungs- und verwandten Maschinen40,3 % Hilfskräfte und Reinigungspersonal in Büros, Hotels und sonstigen Einrichtungen34,1 % Transport- und Frachtarbeiter32,3 % Personalkraftwagen-, Taxi- und Kleinlastkraftwagenfahrer30,3 % Hausmeister, Hauswarte und verwandte Berufe28,9 % Hilfsarbeiter in der Fertigung27,8 % Gärtner, Saat- und Pflanzenzüchter26,5 % Köche25,8 % Maler, Tapezierer und verwandte Berufe25,3 % Fahrer schwerer Lastwagen24,2 % Klempner, Rohrinstallateure22,7 % Baumetallverformer und Metallbaumonteure16,3 % Kellner und Barkeeper15,1 % Ladenverkäufer, Verkaufs-, Marktstandverkäufer und Vorführer13,6 % Sozialpflegerische Berufe

8,9 % nicht-wissenschaftliche Krankenschwestern/-pfleger6,9 % Sonstige Büroangestellte

Quelle: Grotlüschen, Riekmann (2011) Vortrag, »Bilanzkonferenz Berlin, März 2011«, S. 21ff.

9 Grotlüschen, Riekmann (2011) Leo-Studie, S.4810 Definition nach dem Institut für Mittelstands forschung11 DLR (2011) Grundbildung am Arbeitsplatz

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18 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

DrogeriemarktEine deutsche Drogeriekette bietet in Zu-sammenarbeit mit Weiterbildnern aus demAlpha-Bereich Computerkurse in den Lager-räumen ihrer Filialen an. Diese dienen alsEin stieg, um das Interesse an weiteren Lese-und Schreibkursen zu wecken. Die Durch-führung dieser Kurse in den Lagerräumender Filialen ermöglichte den Beschäftigteneinen niedrigschwelligen Zugang zu Alpha-Angeboten.12

SprungbrettmesseZur jährlichen Ausbildungsmesse »Sprung-brett« in Ludwigshafen folgten zahlreicheAusbilder/-innen und Geschäftsführende ausder Region der Einladung  der Selbsthilfe-gruppe Analphabeten zu einem Gespräch amAlfamobil. Karl Lehrer – Mitglied der Selbst-hilfegruppe Ludwigshafen, ehemaliger funk-tionaler Analphabet und Botschafter für Al-phabetisierung – kam an diesem Tag mit vie-len Unternehmer/-innen ins Gespräch. Erkonnte einige Unternehmer/-innen dafür ge-winnen die Förderung der Lese- und Schreib -kompetenzen nicht nur in der betrieblichenAusbildung, sondern auch in der Weiterbil-dung von älteren Mitarbeiter/-innen zu be-achten.

Nutzen der Zusammenarbeit

› Unternehmen können gemeinsam mit Wei-terbildungsstätten ihren Beschäftigten be-darfsgerechte und arbeitsplatzbezogeneGrundbildungsmaßnahmen anbieten undkönnen so ihr Mitarbeitendenpotenzial bes-ser ausschöpfen.

› Beschäftigte haben die Möglichkeit, beglei-tend zur ihrer Arbeit ihre Lese- undSchreibkompetenzen zu verbessern.

Achtung!Weiterbildungseinrichtungen, die ge-meinsam mit Betrieben hausinterne Alphabetisierungsangebote anbieten,müssen Folgendes beachten: Beschäf-tigte müssen davor geschützt werden,dass ein innerbetriebliches »Outing« negative Folgen für ihre weitere beruf -liche Laufbahn im Betrieb hat. Der Per-sonal- bzw. Betriebsrat ist für denSchutz der Beschäftigten zuständig. Da-her sollte mit ihnen zusammengearbei-tet werden, sodass der Schutz der Ar-beitnehmenden gewährleistet ist.

Literatur zum Weiterlesen

› Projektträger im Deutschen Zentrum fürLuft- und Raumfahrt e.V. (Hrsg.) Zur Nach-ahmung empfohlen: Grundbildung am Ar-beitsplatz, Bonn, 2011.

› Abraham, Ellen (2010) Betriebliche Weiter-bildung für Geringqualifizierte. Ein Leitfadenfür Personalentwickler«, Bertelsmann-Ver-lag.

12 Haupt (2011) Vortrag »Analphabetismus, gesellschaftliche Teilhabe und Arbeitswelt«

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D I E N E T Z W E R K A K T E U R E 19

Grundschulen und Kindertagesstätten

Warum ist funktionaler Analphabetismusein Thema für Grundschulen und KiTas?

Die Grundlagen für den Lese- und Schreib-erwerb werden bereits vor Schuleintritt gelegt. In dieser frühen Entwicklungsphase(präliterale Phase) nähern sich Kinder derSchrift ohne zu schreiben. Beispielsweiselernen sie durch Kritzelbilder motorisch mitdem Stift umzugehen, erkennen bereits, dassSchrift Informationen beinhaltet und wofürlesen und schreiben im Alltag wichtig ist.13

Damit Kinder die wichtigen Grundlagen undEinsichten für den Schriftspracherwerb er-langen können, müssen sie Förderung und

Gelegenheit zum Umgang mit Symbolen er-halten. Hierbei spielt das Elternhaus einewichtige Rolle: Durch lesende und schrei-bende Vorbilder erkennen Kinder den Sinnvon Schrift und entwickeln ein Interesse fürdas Geschriebene. Eltern, die selbst keinenZugang zur Schrift haben, fällt es schwer,ihre Kinder in dieser (früh)kindlichen Phasezu unterstützen. Lese- und Schreibproblemewerden auf diese Weise an die nächste Ge-neration weitergegeben. Bei der Einschulungtreffen sie jedoch auf Schulkameraden, dievielleicht schon ihren Namen schreiben undmotorisch mit dem Stift umgehen können. Ingroßen Schulklassen können Lehrende al-lein diese Kompetenzunterschiede meistensnicht überbrücken. Einige Kinder fallen durchdas Raster und lernen nicht oder nurschlecht lesen und schreiben.

13 Brügelmann, Brinkmann, (1995) Stufen desSchriftspracherwerbs

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20 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Um dies zu vermeiden, ist eine Förderungwichtig, die erschwerende familiäre Aus-gangsbedingungen auffängt und Eltern dazubefähigt, ihren Kindern beim Lese- undSchreiberwerb zu helfen. Durch die Zusam-menarbeit von Weiterbildungsträgern mitKindertagesstätten und Grundschulen kön-nen Eltern in ihrem sozialen Umfeld erreichtwerden und darin unterstützt werden ihreKinder zu fördern.

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

MüttercaféFunktionalen Analphabeten ist oft nicht be-wusst, dass sie ihren Kindern helfen können,ohne selbst ausreichend lesen und schreibenzu können. Um diese Eltern bei der Förde-rung ihrer Kinder zu unterstützen, nahm dieevangelische Erwachsenenbildung im Rah-men des AlBi-Projekts in Bad KreuznachKontakt zu evangelischen Kindergärten undden dortigen Sprachförderkräften auf. AufHausbesuchen warb eine Sprachförderleh-rerin speziell bei den Müttern für ein »Müt-tercafé«, das einmal in der Woche im Ge-meindezentrum neben einem Kindergartenstattfindet. Das Müttercafé diente dazu, denMüttern Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Kin-der zu fördern. Im Anschluss an dieses An-gebot konnten die Mütter außerdem einen inden gleichen Räumen angebotenen Sprach-kurs besuchen.

BilderbuchkinoDas Bilderbuchkino ist ein Family-Literacy-Konzept, das im Rahmen des FörMig-Pro-jekts in der Lenaugrundschule in Berlin-Kreuzberg etabliert wurde. Mehrmals proSchuljahr finden sich Eltern, Kinder undein/-e Vorleser/-in klassenübergreifend zu-sammen. Sie beschäftigen sich gemeinsammit Büchern und Bilderbuchgrafiken, die andie Wand projiziert werden. Eltern und Kin-der lauschen dabei einem/-r Vorleser/-in.Das Bilderbuchkino findet in der Schulbiblio-thek statt, so können die Bücher direkt nachHause mitgenommen werden.14

Literatur zum Weiterlesen

› Elfert, Maren; Rabkin, Gabriele (Hrsg, 2007)Gemeinsam in der Sprache baden: FamilyLiteracy: Internationale Konzepte zur fami-lienorientierten Schriftsprachförderung,Klett-Verlag.

14 FörMig (2011) Brücken zur Lesekultur zwischenUnterricht, Freizeit und Familie

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Nutzen der Zusammenarbeit

› Kinder, die große Defizite in der präliteralenPhase haben und/oder kaum Lernunter-stützung aus dem Elternhaus erfahren,werden gemeinsam durch Eltern, Lehrendeund/oder Erzieher/-innen gefördert.

› Die Eltern dieser Kinder werden darin un-terstützt, ihren Kindern in der Grundschuleund Kindertagesstätte zu helfen und sie inder präliteralen Phase zu fördern.

› Eltern können neue Zugänge zu eigenenWeiterbildungsmöglichkeiten bekommenund Fortbildungswünsche entdecken.

› Der Unterricht in Grundschulen kann durchFamily-Literacy-Angebote unterstützt wer-den.

› Die Kindertagesstätten können ihrem För-derauftrag nachkommen und zur positivenEntwicklung der präliteralen Phase beitra-gen.

› Erzieher/-innen und Lehrende werden fürfunktionalen Analphabetismus bei Elternsensibilisiert.

› Eltern, Grundschulen und Kindertagesstät-ten bilden eine Einheit in der Förderung derKinder.

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Weiterführende und berufsbildende Schulen

Warum ist funktionaler Analphabetismusein Thema für berufsbildende Schulen?

Funktionaler Analphabetismus betrifft nichtnur die älteren Generationen, die durchKriegswirren oder ein veraltetes Schulsys-tem nicht lesen und schreiben gelernt ha-ben. Auch heutige junge Erwachsene sind inähnlicher Weise von funktionalem Analpha-betismus betroffen.15

»Rund 65.000 Schüler/-innen haben imSommer 2008 die Schule ohne einen Haupt-schulabschluss verlassen, das entspricht 7,5Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung.«16

Dies betrifft im besonderen Maße funktio-nale Analphabeten, deren formales Bil-dungsniveau viel niedriger ist als das der Ge-

samtbevölkerung (siehe »Arbeitsvermitt-lung«). Daher fällt ihnen der Übergang vonder Schule in den Beruf besonders schwer.Schon heute gibt es berufsvorbereitende Bil-dungsmaßnahmen (BvB) und ausbildungs-begleitende Hilfe (abH), um diesen Jugend-lichen den Einstieg ins Berufsleben zu er-leichtern. In diesen Maßnahmen werdenjedoch überwiegend berufliche Kompeten-zen vermittelt, das Thema Alphabetisierungspielt nur in Einzelfällen eine Rolle. Jugend-lichen, die wegen ihrer fehlenden Lese- undSchreibkompetenzen und ihrem niedrigenBildungsabschluss keinen Ausbildungsplatzfinden, kann so nicht weitergeholfen werden.

Beispiel gelungener Zusammenarbeit

Berufsbildende Schulen und Volkshoch-schule in LudwigshafenBereits zur ersten AlBi-Bündnissitzung »Alphabetisierung und Grundbildung in Lud-wigshafen« gab es rege Rückmeldungen vonFörder-, Haupt- und Berufsschulen. Beson-ders engagiert zeigte sich der Rektor der Be-

15 Grotlüschen, Riekmann (2011) Vortrag »Bilanzkonferenz Berlin, März 2011«, S. 31; Grotlüschen, Riekmann (2011) Leo-Studie, S. 39f.

16 Klemm (2010) Jugendliche ohne Schulabschluss,S.4

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D I E N E T Z W E R K A K T E U R E 23

rufsbildenden Schule Technik. Während derSitzung vernetzte er sich intensiv mit einemKommissar des Hauses für Jugendrecht, umein gemeinsames Angebot für »schwierigeFälle« auf den Weg zu bringen.

Zu einer nachfolgenden Vernetzungsveran-staltung in der Stadtbibliothek, mit inhalt -lichem Schwerpunkt auf der Motivation jun-ger Erwachsener, kamen mehrere Mitarbei-ter/-innen aus den Berufsschulen und vonverschiedenen Bildungsstätten der Berufs-und Jugendhilfe. Daraufhin wurden eine AlBi-Mitarbeiterin des rheinland-pfälzischenVolkshochschulverbandes und ein Lerner- Botschafter der »Selbsthilfegruppe Analpha-beten Ludwigshafen« zu einer Info-Veran-staltung in die Berufsbildenden Schulen ein-geladen.

Dort klärten beide die Schüler/-innen zumThema Analphabetismus auf. Der Lernen-den-Botschafter berichtete sehr persönlichüber die Gründe seiner Lese- und Schreib-probleme und welche Probleme sie nachsich zogen. Er erzählte den Schülern/-innenwie er sich motivieren konnte, im Erwachse-nenalter lesen und schreiben zu lernen, denHauptschulabschluss nachzuholen und mit

38 Jahren erfolgreich eine Ausbildung zu ab-solvieren.

Anschließend kam es zu sehr offenen und in-tensiven Gesprächen mit den Schülern/-in-nen über ihre Schwierigkeiten, Wunsch undWirklichkeit zusammenzubringen. Es wurdedeutlich, dass die Schüler/-innen unbedingtden Hauptschulabschluss erwerben wollen,dass sie aber oft nicht in der Lage sind, re-gelmäßig die Schule zu besuchen.

In der Berufsschule ist geplant Informations-veranstaltung regelmäßig durchzuführen.

Nutzen der Zusammenarbeit

› Schüler/-innen, die große Probleme mitdem Lesen und Schreiben haben, könnenwichtige Kompetenzen für den Einstieg insErwachsenen- und Berufsleben erwerben.

› Lehrende werden in ihrem Arbeitsalltagentlastet und können ihren Schüler/-innenbei ihren Problemen weiterhelfen.

› Schulen können ihre Schüler/-innen darinfördern Grundkompetenzen zu erlernen,die sie für ihr weiteres Leben und den Ein-stieg ins Berufsleben benötigen.

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24 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Kulturelle Einrichtungen

Warum ist funktionaler Analphabetismusein Thema für kulturelle Einrichtungen?

Museen und Bibliotheken haben einen Bil-dungsauftrag. So stellen sie nicht nur Infor-mationen und Objekte zur Verfügung, son-dern fördern auch Grundkompetenzen, umselbstständiges Lernen in ihren Einrichtun-gen zu fördern. Sie passen ihr Angebot undihre Räumlichkeiten immer häufiger an dieBedürfnisse aller Bürger/-innen an, um da-mit jedem den Zugang zu Bildung zu ermög-lichen.17

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

FotoausstellungIm offenen AlBi-Lernangebot des Träger -vereins Treffpunkt Reling e.V. und des Lern-zentrums Bad Kreuznach (siehe »Sozialbe-ratungsstellen«) entstand eine Fotoausstel-lung. Die Lernenden machten mit ihrem

Handy Fotos und fügten künstlerische Kom-mentare und Titel hinzu. Diese beeindru-ckende Arbeit wurde in Form einer Fotoaus-stellung in der Tafel und der örtlichen Tou-rismusinformation ausgestellt.

AlphabibliothekDie Alphabibliothek der StadtteilbibliothekGladbach und Rheydt bietet leichtlesbare Li-teratur für Menschen mit Leseproblemen.Darüber hinaus werden Computerkurse an-geboten, um u.a. die Sprach- und Schrift-kompetenzen der Betroffenen zu fördern.Die Alphabibliothek arbeitet zusammen mitder lokalen Volkshochschule, um derenSprachkurse an das Angebot der Alphabi-bliothek anzubinden.18

Stadtbibliothek LudwigshafenSeit 15 Jahren besteht eine enge Koopera-tion zwischen der Volkshochschule und derStadtbibliothek Ludwigshafen. In den Räumender Bibliothek findet der Leseclub für erwa c h -sene Leseanfänger/-innen seinen Platz, dergemeinsam mit der Stiftung Lesen einge-richtet wurde. Der Leseclub wird von ehema-ligen Lernenden der VHS-Alpha-Kurse betreut. Es gibt einmal wöchentlich eine öf-fentliche Lese- und Ausleihzeit, zu der regel-mäßig Lernende aus verschiedenen Kursenmit und ohne Kursleitende erscheinen. Im

17 Schüller-Zwierlein, Stang (2009) Bibliotheken alsSupportstrukturen; Lewalter, Noschka-Roos(2009) Museum und Erwachsenenbildung.

18 www.bibliotheksportal.de, www.alphabetisierung.de

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D I E N E T Z W E R K A K T E U R E 25

Leseclub trifft sich auch die Lesegruppe, umihre Lesefertigkeiten zu verfeinern und seit2003 auch die »Selbsthilfegruppe Analpha-beten Ludwigshafen«. Die Mitglieder derSelbsthilfegruppe beteiligen sich mit Info-ständen, Büchertischen und Leseaktionenan den Veranstaltungen der Bibliothek. Sieführen Ausstellungen und Lesungen durch.

Im Rahmen des AlBi-Projekts fand in derneuen Medienabteilung der Bibliothek »Learn and chill« eine Fortbildung für Päda-gogen/-innen zur Internet-Lernplattform»www.ich-will-lernen.de« statt. Zur Erwei-terung des Alpha-Netzwerks wurden Päda-gogen/-innen eingeladen, die mit jungen Erwachsenen zusammenarbeiten. »Eineschöne Gelegenheit den neuen Bereich mitden Computerarbeitsplätzen besser bekanntzu machen« (Ines Arnold, Stadtbibliothek).Ganze Alpha-Kurse oder einzelne Lernendekönnen diese PCs kostenfrei nutzen. Dabeibekommen sie Unterstützung von Kurslei-tenden, Lernenden-Experten/-innen odervon Mitarbeiter/-innen der Bibliothek. DieLernenden bekommen automatisch einenkostenlosen Ausweis der Stadtbibliothek. Somüssen sie keine finanziellen und formalenHürden überwinden, um das Angebot der Bi-bliothek nutzen zu können.

Dies sind wichtige Schritte für Lernende zumselbstständigen Lernen, denn es ermöglichtihnen einen niedrigschwelligen Zugang zurBibliothek und zu neuen Medien.

Nutzen der Zusammenarbeit

› Bibliotheken und Museen betreiben Inklu-sion, indem sie ihr Angebot auf die Ziel-gruppe der funktionalen Analphabeten aus-weiten. So gewinnen sie neue Nutzergruppenund erarbeiten gemeinsam mit Weiterbil-dungsträgern bedarfsgerechte Angebote.

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26 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Kursleitende

Warum ist Netzwerkarbeit ein Thema fürKursleitende?

Kursleitende, die im Bereich Alphabetisie-rung und Grundbildung tätig sind, unterstüt-zen die Betroffenen primär bei der Verbes-serung ihrer Lese-, Schreib- und Grundbil-dungskompetenzen. Darüber hinaus sind siemit den schweren Krisen sowie den alltäg -lichen privaten und beruflichen Problemender Betroffenen konfrontiert. Kursleitendewerden schnell Bezugspersonen, denen sichdie Betroffenen anvertrauen. Kursleitendemüssen sich abgrenzen und die Lernendenbei Bedarf an Experten/-innen vermitteln.

Beispiel gelungener Zusammenarbeit

Aus der Sicht eines KursleitersMichael Schunk ist einer der Kursleiter inBad Kreuznach, die im AlBi-Projekt aktiv wa-ren: »Durch meine Arbeit im überregionalenAlBi-Netzwerk konnte ich viel von erfahre-nen Kursleitern lernen und meine methodi-schen Kenntnisse erweitern. Das Netzwerkwar wie ein Katalysator: Die entscheidendenPersonen konnten schneller und effektiverzusammenarbeiten. Durch die lokale Vernet-zung mit wichtigen Akteuren in Bad Kreuz-nach konnte ich viel schneller und einfacherratsuchende Lernende an die richtige Stellevermitteln. Gerade durch die Zusammenar-beit mit der Kreuznacher Diakonie konnte icheinige Lernende davon überzeugen, dorteine Ausbildung weiterzuführen oder zu be-ginnen. Ich konnte Projekte in Alzey, Lauter-ecken usw. besuchen und mich mit den Kol-legen austauschen. Auch konnte ich meineErfahrungen, Unterrichtsmaterialen und –methoden an andere Kursleiter weitergeben,wodurch auch die Lernenden direkt profitierthaben. Diese Möglichkeiten waren für michso inspirierend und sinnstiftend, dass ichaufgrund Ende des AlBi-Projekts diese Ver-netzung bereits jetzt schmerzlich vermisse.«

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Nutzen der Zusammenarbeit

› Kursleitende können in einem Netzwerk einSprachrohr für die Lernenden sein und fun-gieren als Spezialisten/-innen für dasThema Alphabetisierung und Grundbildung.

› Kursleitende können Schlüsselpersonenüber den häufig langen Weg der Alphabe -tisierung informieren und sie über die see -lischen Hürden, mit denen funktionale An -alphabeten leben, aufklären.

› Kursleitende können im Netzwerk Impulsegeben, um neue bedarfsgerechte Angebotegemeinsam zu entwickeln und anzubieten.

› Die im Netzwerk aktiven Akteure lernen dieKursleitenden kennen und können über denkurzen, persönlichen Weg Betroffene inLernangebote vermitteln.

› Durch den Kontakt zu Schlüsselpersonenkönnen Kursleitende Betroffene bei Bedarfleichter an Experten/-innen beispielsweisein Sozialberatungsstellen vermitteln und soihren eigenen Unterricht entlasten.

› Die gemeinsame Arbeit im Netzwerk trägtdazu bei, dass das äußere Arbeitsumfeldder Kursleitenden (Weiterbildungsträger,Schlüsselpersonen usw.) besser über ihreArbeit informiert ist und sie so auf mehrVerständnis stoßen.

› Die Kursleitenden der verschiedenen örtli-chen Weiterbildungseinrichtungen könnensich vernetzen und fachlich austauschen.

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Wir haben bereits einige Akteure vorgestellt, mit denen eine Zusammenarbeitsinnvoll sein kann. Es gibt viele Wege, um diese Akteure zu finden und ins Netz-werk einzubinden:› Ein gut vorbereitetes persönliches Gespräch oder ein zufälliger Kontakt an

einem Info-Stand.› Die Einspeisung des Themas in die eigenen Strukturen oder in verwandte

Netzwerke und Gremien.› Die Durchführung von Info-Veranstaltungen, Fortbildungen und Netzwerk-

treffen.

Neue Akteure f inden und einbinden

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N E U E A K T E U R E F I N D E N U N D E I N B I N D E N 29

Das Vorgespräch

Neue Akteure können am besten über einpersönliches Vorgespräch für die Netzwerk-arbeit gewonnen werden. Gerade wichtigestrategische Partner, beispielsweise aus derPolitik und aus den Medien, werden sinnvol-lerweise durch ein oder mehrere persönlicheGespräche von der Arbeit im Netzwerk über-zeugt.

HierarchienIm Idealfall gewinnen Sie die Leitungs-ebene für eine Zusammenarbeit und Ih-nen wird auf der Arbeitsebene eine An-sprechperson zugewiesen. Diese Vorge-hensweise ist für alle Beteiligten diebeste. Es ist wichtig, die Leitungsebeneweiterhin zu informieren und einzubin-den. Trotzdem sollten Ihnen Akteure aufder Arbeitsebene, die ohne die Weisungihrer Vorgesetzten im Netzwerk tätigsein wollen, immer willkommen sein.

Ziel

Das Vorgespräch dient dem gegenseitigenInformationsaustausch und dem Auslotenvon Möglichkeiten der Zusammenarbeit.19

Gesprächsvorbereitung

Eine gute Vorbereitung ist schon die halbeMiete für ein gelungenes Gespräch: › Vor dem Gespräch sollte klar sein, wievielGesprächszeit vorgesehen ist, damit Siesich entsprechend vorbereiten können.

› Holen Sie Informationen über Ihre/-n Ge-sprächspartner/-in ein, suchen Sie nachAnknüpfungspunkten für Ihr Gespräch undnach Ansatzpunkten für eine Zusammen -arbeit.

› Sammeln Sie Argumente, um Ihre/-n Ge-sprächspartner/-in von einer Zusammen-arbeit zu überzeugen (siehe »Die Netzwerk -akteure«).

› Machen Sie Ihre Argumente an praktischenBeispielen deutlich und versuchen Sie im-mer, einen Bezug zu Ihrer Region herzu-stellen.

› Gehen Sie auf den Nutzen für die Akteureein, zeigen Sie Probleme auf und bieten SieLösungswege an.

› »Abc-Salzburg« warnt davor, dass zu hoherDruck und zu große Erwartungen kontra-produktiv wirken können.20

› Bereiten Sie einen inhaltlichen Teil vor, umIhre/-n Gesprächspartner/-in zu informieren,zu sensibilisieren und zeigen Sie Möglich-keiten für die Zusammenarbeit auf.

› Stellen Sie Informationsmaterial zu IhrerInstitution und Ihrem Vorhaben zusammen,welches Sie Ihrem Gegenüber mitgebenkönnen.

19 Bauer, Saalaberger (2010) Aufbau von Basisbildungsstrukturen, S.13

20 ebd., S.17

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30 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

In der AlBi-Broschüre »Funktionale An -alphabeten erkennen, ansprechen und ver-mitteln« finden Sie Vortragskonzepte undPowerPoint-Präsentationen die Sie auf IhreArbeit vor Ort anpassen und verwenden kön-nen.

An einem Strang ziehenVersuchen Sie vor Ort keine Konkurrenzaufzubauen, sondern vermitteln Sie denEindruck, dass alle Beteiligten an einemStrang ziehen, um funktionalen Analph a -beten den Weg in Alpha-Angebote zu erleichtern. Gerade bei der Zusammen -arbeit mit Weiterbildungsträgern ist diessehr wichtig. Achten Sie darauf, dass Siedas Thema »Alphabetisierung« nicht fürsich alleine vereinnahmen, sondern ver-suchen Sie, dies gemeinsam mit ande-ren Akteuren und vor allem mit anderenWeiterbildungseinrichtungen zu tun.

SchuldzuweisungFunktionaler Analphabetismus ist einheikles Thema. Vermeiden Sie daher un-bedingt Schuldzuweisungen. Gehen Sieauf die Probleme der Netzwerkakteureein und versuchen Sie, gemeinsam nachLösungen oder Unterstützungen zu suchen. Achten Sie auf eine wert -schätze n de Kommunikation. »Abc-Salz-burg« weist treffen darauf hin, dass»Weltverbesserer«, die die Moralkeuleschwingen, schnell unprofessionell wirken und auf taube Ohren stoßen.21

21 ebd.

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N E U E A K T E U R E F I N D E N U N D E I N B I N D E N 31

Bestehende Strukturennutzen

Nutzen Sie bestehende Strukturen wie Netz-werke, Gremien und Ausschüsse, die sichmit verwandten Themen beschäftigen.

Wie können die bestehenden Struktureninformiert werden?

Jedes funktionierende Netzwerk, jedes Gre-mium und jeder Ausschuss hat eine An-sprechperson und trifft sich in regelmäßigenAbständen. Es ist gängige Praxis, dass an-dere Personen auf diesen Treffen verwandteThemen einspeisen. Dazu ist es sinnvoll, dieAnsprechperson für das Thema zu interes-sieren (siehe »Vorgespräch«). Versuchen Sie,sich beim nächsten Netzwerktreffen ca. zehnMinuten für die Einspeisung des Themas»Alphabetisierung und Grundbildung« zu reservieren. Ebenso können Sie der An-sprechperson alle nötigen Informationenund Materialien zur Verfügung stellen, so-dass sie selbst ihre Kontakte informiert.

In der AlBi-Broschüre »Funktionale An -alphabeten erkennen, ansprechen und ver-mitteln« finden Sie Vortragskonzepte undPowerPoint-Präsentationen die Sie auf IhreArbeit vor Ort anpassen und verwenden kön-nen.

Beispiel gelungener ZusammenarbeitAuf einer Mitgliederversammlung der LAG»anderes lernen e.V.« berichtete der Ge-schäftsführer davon, dass es in Deutschlandfunktionale Analphabeten gibt, die hier zurSchule gegangen und aufgewachsen sind.Franziska Gend war unter den Zuhörer/-in-nen und berichtete »Ich habe im GrundeMund und Augen aufgemacht und mir ge-dacht, dass das doch gar nicht sein kann. Ichhabe dann auch die üblichen Einwände ge-bracht, die ich jetzt immer von allen anderenhöre: Diese Menschen gehen doch in dieSchule, wie kann das denn sein, das könnendoch nur Ausnahmen sein. Ich war wie vomDonner gerührt, ich konnte es mir nicht vor-stellen.« Franziska Gend leitet den Bildungs-bereich im soziokulturellen Zentrum HausFelsenkeller in Altenkirchen. Seit der Mit-gliederversammlung ist sie im Rahmen desAlBi-Projekts tätig. »Daraufhin habe ich an-gefangen, mich mit dem Thema zu beschäf-tigen und wir bieten jetzt einen Alphakurs imHaus Felsenkeller an. Zuvor gab es in Alten-kirchen keine Alpha-Angebote. Für mich istes sehr interessant, wie groß die Nachfragenach diesem Kurs ist und welche Menschenkommen.«

Interne Vernetzung

Erkundigen Sie sich, welche Angebote, Auf-gabenfelder und Projekte es in Ihrer eigenenInstitution gibt sowie mit welchen Bereichenund Personen eine Zusammenarbeit oderein Austausch sinnvoll wäre. Informieren Siesich, in welche Gremien, Verbänden und

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Ausschüsse Ihre Institution eingebunden ist.Nutzen Sie diese Kontakte, um das Thema zustreuen.

Beispiel gelungener ZusammenarbeitIn der Volkshochschule Ludwigshafen habensich während des AlBi-Projekts Verantwort-liche aus verschiedenen Fachbereichen mit-einander vernetzt. Seitdem sprechen sich dieFachbereichsleiter/-innen und Kursleitendender Bereiche »Alphabetisierung und Grund-bildung« und »Nachholen von Schulab-schlüssen« ab, um den Lernenden den Über-gang zwischen den Fachbereichen zu er-leichtern. Lernende, die beim Nachholen desHauptschulabschlusses nicht mitkommen,werden zur Unterstützung in den Brücken-kurs oder den Alpha-Kurs vermittelt, um einintensiveres Lernen zu ermöglichen und ihnen das Nachholen des Hauptschulab-schlusses möglich zu machen. Diese Zu-sammenarbeit ermöglichte mehreren Men-schen einen erfolgreichen Hauptschulab-schluss.

DoppelstrukturenVermeiden Sie Doppelstrukturen! Infor-mieren Sie sich im Vorfeld, ob die von Ih-nen angestrebten Weiterbildungsange-bote, Maßnahmen und Netzwerke nichtschon von anderen Trägern angebotenwerden.

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Informieren und qualif izieren

Informationsveranstaltung

Wenn Sie genügend potentielle Netzwerk -akteure gefunden haben, können Sie eine In-formationsveranstaltung organisieren unddurchführen.

Zielgruppe: Alle potentiellen Netzwerkak-teure auf Leitungs- und Arbeitsebene.

Ziel: Gewinnung von Netzwerkakteuren füreine Zusammenarbeit; Aufklärung zumThema Alphabetisierung und Grundbildung.

Inhalte› Hintergrundinformationen zum Themafunktionaler Analphabetismus bei Men-schen, die in Deutschland aufgewachsenund zur Schule gegangen sind (z.B. Größen-ordnung, Ursachen, Konsequenzen, Le-benswelt);

› Sensibilisierung der Akteure für ihre Rolleim Netzwerk;

› Zeit zum Austausch mit anderen Akteuren,Lernenden und der örtlichen Kursleitung;

› Informationen zu Alphabetisierungs- undGrundbildungsangeboten vor Ort.

In der AlBi-Broschüre »Funktionale An -alphabeten erkennen, ansprechen und ver-mitteln« finden Sie Veranstaltungs- und Vor-tragskonzepte sowie PowerPoint-Präsenta-tionen, um eine solche Info-Veranstaltungdurchführen zu können.

Wann?Der Erfolg einer Veranstaltung hängtauch von Zeitpunkt und der Dauer ab.Schlüsselpersonen, Weiterbildungs -träger, politische Akteure und diePresse haben zumeist innerhalb der Ar-beitszeiten Luft für ein Treffen. Montagsund freitags sind erfahrungsgemäß nichtdie besten Wochentage für eine Veran-staltung. Kursleitende stellen hier eineAusnahme dar. Ihre zeitliche Verfügbar-keit hängt stark von den Kurszeiten desAlpha-Angebots ab. Empfohlene Zeiten/Dauer: 1/2 – 3 Stun-den zwischen 11:00 – 13:00 oder 14:00 – 16:00 Uhr in der Arbeitszeit.

RahmenbedingungenSeien Sie sich bewusst, dass vieleSchlüsselpersonen zeitlich überlastetsind. Für die Arbeit mit funktionalen Analphabeten ist jedoch viel Zeit und Geduld nötig. Bieten Sie den Akteurendaher immer etwas an, was ihnen wei-terhilft.

Atmosphäre schaffenDie Akteure sollten sich auf den Veran-staltungen wohlfühlen. Sorgen Sie fürein paar Häppchen, etwas zu Trinken, einen schönen Raum und dekorieren Sieein wenig. So entsteht schnell eine Atmosphäre des Austausches.

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34 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Fortbildung für Schlüsselpersonen

Zielgruppe: Schlüsselpersonen in beraten-der Funktion

Ziel: Fortbildung von Schlüsselpersonen inberatender Funktion zur Vermittlung von funk -tionalen Analphabeten in Alpha-Angebote.

Inhalte› Wie erkenne ich funktionale Analphabetenunter meinen Kunden/-innen und Klien-ten/-innen?

› Wie spreche ich sie einfühlsam auf ihreLese- und Schreibprobleme an?

› Wie vermittle ich sie in Alpha-Angebote?› Finanzierung von Teilnahmebeiträgen

Wenn Sie Interesse an der Durchführung einer Fortbildung haben, wenden Sie sich anden »Bundesverband für Alphabetisierungund Grundbildung e.V.«. Der Bundesverbandkann Ihnen Referenten/-innen vermitteln,die eine entsprechende Fortbildung bei Ih-nen vor Ort durchführen können.

Beispiele gelungener ZusammenarbeitIm AlBi-Projekt wurden Berater/-innen fürdie Vermittlung von funktionalen Analphabe-ten in Alpha-Angebote qualifiziert. In denFortbildungen wurde der Kontakt zur lokalenKursleitung von Alpha-Kursen hergestellt.Diese Fortbildungen trugen dazu bei, dassvielerorts funktionale Analphabeten den Wegin Alpha-Angebote gefunden haben. Trotzder Fortbildung gibt es für die Berater/-in-nen noch Hürden, die einer Vermittlung im

Wege stehen. Die größten Probleme sehendie Berater/-innen selbst in der Finanzie-rung der Kursgebühren und darin, dass es inihrem Beruf keine Pflichtqualifizierung gibt,die eine professionelle Vermittlung sicher-stellt. Diese Schwierigkeiten können nur inZusammenarbeit mit den jeweiligen Akteu-ren auf Leitungsebene beseitigt werden.

EinladungenDie Einladungen zu diesen Veranstaltun-gen sollten möglichst persönlich über-mittelt werden. Im AlBi-Projekt wurdedeutlich, dass die reine Versendung vonFlyern an Schlüsselpersonen nicht aus-reichend ist. Gerade am Anfang derNetzwerkarbeit ist es notwendig, ihnenim persönlichen Gespräch die Bedeu-tung und den Nutzen für ihre eig e ne Arbeit deutlich zu machen (siehe »Vor-gespräch«).

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Sie haben schon einige Akteure über das Alpha-Thema informiert und vom Nut-zen einer Zusammenarbeit überzeugen können. Nun ist es an der Zeit die Zu-sammenarbeit im Netzwerk zu starten. Laden Sie die Akteure zu einem Netz-werktreffen ein und etablieren Sie die Zusammenarbeit. In diesem Kapitel finden Sie,› Tipps wie Sie die Treffen sinnvoll starten und beenden;› Anregungen für die Zusammenarbeit;› Ideen, um die Zeit zwischen den Treffen zu nutzen.

Zusammenarbeit etablieren

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36 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Start und Ende

Erwartungen, Vorwissen und Kennenlernen

Die Netzwerkakteure kommen mit verschie-denen Erwartungen und Vorwissen zu einemNetzwerktreffen. Zu Beginn sollten Sie daherdie Erwartungen der Akteure an das Treffenoder an ein Netzwerk abfragen. Klären Siedie Ziele des Treffens und bei weiteren Zu-sammenkünften auch die eines Netzwerks(dazu können Sie eine externe Moderationeinladen). Gleichen Sie den von Ihnen ge-planten Ablauf des Treffens mit den Erwar-tungen der Akteure ab und nehmen Sie beiBedarf Änderungen vor. Geben Sie immerRaum und Zeit zum gegenseitigen Kennen-lernen und für Vorstellungsrunden, diesschweißt ein Netzwerk zusammen. LassenSie die Veranstaltungen sinnvoll ausklingen,sodass eine Brücke zur Weiterarbeit gebautwird.

Ausgewählte Literaturtipps zu diesen Themen:› Langmaack, Barbara; Braune-Krickau, Mi-chael (2000) Wie die Gruppe laufen lernt:Anregungen zum Planen und Leiten vonGruppen. Ein praktisches Lehrbuch, BeltzVerlag.

› Rachow, Axel (Hrsg., 2009) Spielbar, Mana-gerseminare Verlag.

› Seifert, Josef W.; Göbel, Heinz-Peter (2001)Games, Gabal Verlag.

Neuzugänge & VorstellungsrundenHeißen Sie Neuzugänge willkommen,geben Sie ihnen Zeit sich vorzustellenund binden Sie sie aktiv ins Netzwerkein. Achten Sie darauf, dass Vorstel-lungsrunden nicht langweilig werden,ausufern oder zur Showbühne einzelnerAkteure werden.

Inputs geben

Netzwerktreffen sind eine gute Gelegenheit,um die beteiligten Akteure über Neuigkeitenaus dem Bereich Alphabetisierung und überdie Alphabetisierungsarbeit vor Ort zu infor-mieren. Diese Informationen sollten so auf-bereitet sein, dass sie den Akteuren in ihremArbeitsalltag weiterhelfen können. Darüberhinaus können Sie beispielsweise themati-sche Handouts, Broschüren, Flyer, Alpha-Angebotsübersichten verteilen und aus -legen. Laden Sie auch Experten/-innen zu ei-nem bestimmten Thema ein.

Es gibt viele Informationsquellen, die eineNetzwerkkoordination nutzen kann. Hier dreiwichtige:› Bundesverband für Alphabetisierung undGrundbildung e.V.(www.alphabetisierung.de, Newsletter:Alfa-Mail, Fachzeitschrift: Alfa-Forum)

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Z U S A M M E N A R B E I T E TA B L I E R E N 37

› Archiv- und Dokumentationszentrum fürAlphabetisierung und Grundbildung(www.alpha-archiv.de)

› IN.Bewegung (www.alphabetisierung.at)

In der AlBi-Broschüre »Funktionale An -alphabeten erkennen, ansprechen und ver-mitteln« finden Sie Vortragskonzepte undPowerPoint-Präsentationen, um eine sol-ches Input geben zu können.

Wo und wie häufig? Erfahrungsgemäß reicht es aus, ein biszwei Netzwerktreffen pro Jahr zu ver -anstalten. Sie können die Treffen reihumbei den beteiligten Akteuren vor Ortstattfinden lassen. So lernen die Akteuredie Arbeitsumgebung der anderen ken-nen und der Kontakt untereinander wirdgefördert. Sprechen Sie noch vor einemTreffen ab, bei wem das nächste Treffenzu welchem Zeitpunkt stattfinden kann.Versuchen Sie mehrere Terminvor-schläge anzubieten.

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38 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Anregungen zur Zusammenarbeit

Die Netzwerkkoordination sollte für jedesTreffen einen Vorschlag zur Zusammenar-beit machen und die Umsetzung moderieren,strukturieren und aktiv vorantreiben. Hier ei-nige Beispiele:

Weiterbildungsangebote & Unterstützungshilfen

Schlüsselpersonen stehen auch mit denfunktionalen Analphabeten in Kontakt, diekeine Lernangebote besuchen. Sie könnenAuskunft darüber geben, welchen Weiterbil-dungsbedarf diese Betroffenen haben. Kurs-leitende und Schlüsselpersonen sind oft mitden sozialen, gesundheitlichen und psychi -schen Problemen von funktionalen Analpha-beten konfrontiert. Beide können Auskunftdarüber geben, welche Probleme diese Betroffenen haben. So können begleitendeUnterstützungshilfen und bedarfsgerechteWeiterbildungsangebote für funktionale An-alphabeten etabliert werden.

Beispiele für Diskussionsleitfragen: › »Welchen Weiterbildungsbedarf haben Ih-res Wissens nach die funktionalen Analpha-beten mit denen Sie in Kontakt stehen?«.

› »Welche Lernangebote könnten hier wei-terhelfen.«

› »Welche Lernangebote gibt es vor Ort?«› »Welche alltäglichen Probleme haben diefunktionalen Analphabeten mit denen Sie inKontakt stehen?«

› »Welche Unterstützungsangebote könntenhier weiterhelfen?«

› »Welche Unterstützungsangebote gibt esvor Ort?«

Nachbereitung: Auf Grundlage solcher Netz-werktreffen können Sie herausfinden, ob be-stehende Alpha-Angebote und Unterstüt-zungshilfen besser an den Bedarf der Be-troffenen angepasst werden sollten und/oderob neue Angebote und Hilfen gemeinsam mitden Akteuren entwickelt und etabliert wer-den sollten. Nutzen Sie diese Informationen,um die Angebots- und Hilfslandschaft ge-meinsam an die Bedürfnisse der Betroffenenanzupassen.

Arbeit in kleinen SchrittenEs kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass bei jedem Treffen die gleichenPersonen anwesend sind. OrganisierenSie daher die Netzwerktreffen, sodassdie Arbeit in kleinen Schritten erledigtwerden kann. Nach jedem Treffen sollteeine Arbeitseinheit abgeschlossen sein.Die hier empfohlene Zusammenarbeitwird viel Zeit in Anspruch nehmen, da-her sollten Sie dem Netzwerk Zwischen-ziele setzen und die Arbeit in kleine Pro-jekte aufteilen.

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Z U S A M M E N A R B E I T E TA B L I E R E N 39

Gemeinsame Fortbildungsplanung

Auf Netzwerktreffen kann der Fortbildungs-bedarf der Netzwerkakteure diskutiert unddarauf aufbauend Fortbildung geplant wer-den. Die örtlichen Weiterbildungsstättenstellen gemeinsam den Fortbildungsbedarfder Kursleitenden fest und organisieren ent-sprechende Fortbildungen. Es besteht dieMöglichkeit gemeinsam Fortbildungendurchzuführen für› Sozialberatende und Arbeitsvermittler/-in-nen (siehe »Netzwerkakteure finden undeinbinden«),

› sowie für ehemalige Lernende (siehe »Ent-tabuisierung durch Öffentlichkeitsarbeit«)und

› andere Netzwerkakteure.

Engagierte AkteureFördern Sie effektive und zielgerichteteZusammenarbeit und halten sie den angekündigten Zeitrahmen ein. Dannkommen auch engagierte und wichtigeAkteure zu den Veranstaltungen.

Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit

Das Netzwerk kann als Sprachrohr für dieBetroffenen dienen. Die Netzwerkakteurekönnen sich gemeinsam dafür einsetzen,dass funktionale Analphabeten eine Stimmebekommen. Zusammen kann eine Kampa-gne ins Leben gerufen werden, ein wichtigerlokaler Akteur als Schirmherr/-frau gewon-

nen und gemeinsam die Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit koordiniert werden (siehe Ka-pitel »Enttabuisierung durch Öffentlichkeits-arbeit«).

Politische Lobbyarbeit

Im Netzwerk haben Sie die Gelegenheit sichdafür einsetzen, dass funktionale Analpha-beten aktiv an der Gesellschaft teilhabenkönnen. Hier kann im Kleinen begonnenwerden! Setzen sie sich vor Ort beispiels-weise dafür ein, dass öffentliche Formulareund Informationsblätter so vereinfacht wer-den, dass auch Menschen mit geringen Lese-und Schreibkompetenzen sie ausfüllen kön-nen. Das Netzwerk kann dazu die verant-wortlichen Stellen einladen. Die Akteurekönnen sich auch dafür einsetzen, dass diekommunale Arbeitsagentur mit funktionalenAnalphabeten nicht schriftlich, sondern te-lefonisch in Kontakt tritt.

ErgebnissicherungHalten Sie Ergebnisse von Veranstaltun-gen, Netzwerktreffen und persönlichenGesprächen immer in Form eines Er-gebnis- oder Fotoprotokolls oder einerGesprächsnotiz fest. Beschränken Siesich auf kurze Protokolle, diese werdenauch gelesen. Weniger ist manchmalmehr.

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40 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Die Zwischenzeit nutzen

E-Mail-Verteiler

Legen Sie bei Veranstaltungen Listen aus, indie sich Interessierte eintragen können, umihren E-Mail-Verteiler zu erhalten. E-Mail-Verteiler sind arbeitsintensiv, sollten kurzgehalten werden und nur mit wesentlichenInformationen gefüllt sein.

Briefe & persönliche Gespräche

Wichtige und engagierte Akteure werdenhäufig von E-Mails überflutet. Daher ist esmanchmal sinnvoll, wichtige Informationenin Form eines Briefes zu übersenden. Be-stimmte Informationen sind nur für einzelneAkteure wichtig, solche Informationen kön-nen Sie auch über ein persönliches Gesprächweitergeben.

Das richtige MaßHalten Sie die Informationen, die Siezwischen den Netzwerktreffen an dieAkteure weitergeben, in einem ange-messenen Rahmen. Wenn Akteure mitInformationen überhäuft werden, die sienicht für ihren Arbeitsalltag gebrauchenkönnen, treten sie schnell aus demNetzwerk aus.

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Sie können die lokale Öffentlichkeit stetig informieren, sodass sich das Klima derStigmatisierung und Ausgrenzung in ein Klima der Unterstützung der Betroffe-nen wandelt. So wird ein wichtiger Grundstein gelegt, damit sich die Betroffenenleichter zu erkennen geben und ihre Umgebung angemessen reagiert. In diesem Kapitel stellen wir Ihnen vor, wie zu diesem Zweck› Politiker/-innen in das Netzwerk eingebunden werden können,› mit den lokalen Medien zusammengearbeitet werden kann und› (ehemalige) Lernende in die Öffentlichkeitsarbeit eingebunden werden

können.

Enttabuisierung durchÖffentlichkeitsarbeit

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42 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Polit iker/-innen

Zielgruppe

Z.B. Ausschussmitglieder des Stadtrats fürWeiterbildung, Beigeordnete für Weiterbil-dung und Schulen, Kultur- und Sozialdezer-nenten/-innen, Verbandsbürgermeister/-innen

Warum ist Analphabetismus ein Themafür Politiker/-innen?

Funktionale Analphabeten sind potentielleWähler/-innen der Parteien. Neuesten Stu-dien zufolge machen sie sieben Prozent allerWahlberechtigten aus.22 Aus Alphakursen istbekannt, dass viele Betroffene aufgrund derhohen Lese- und Schreibanforderungen häu -fig nicht zur Wahl gehen. Dies sind verloreneWählerstimmen, die aktiviert werden könnten.

Nach der Leo-Studie sind 31,9 % der Arbeits -losen funktionale Analphabeten. Bei ihnenwürde durch Alpha-Angebote die Grundlagegeschaffen, sich beruflich weiterzuent -wickeln, noch sind dies aber ungenutzte lo-kale Ressourcen.

Darüber hinaus können Politiker/-innen ihrProfil und das ihrer Partei stärken, indem siedas Thema »Alphabetisierung und Grundbil-dung« für sich entdecken und auf ihre politi-sche Agenda setzen.

Die Zusammenarbeit

Politiker/-innen verleihen Aktionen vor Ortdurch ihre Schirmherrschaft oder ihre Teil-nahme Gewicht. Sie können das Thema in diepolitischen Gremien tragen und sich für dieBelange der Alpha-Arbeit vor Ort und über-regional einsetzen.

Politiker/-innen können Kontakte zur Presseoder zu wichtigen Entscheidungsträgernherstellen.

Eine Zusammenarbeit mit Politiker/-innenkann dazu beitragen, die finanzielle Lage derAlpha-Arbeit zu verbessern. Es gibt Beispieledafür, dass Städte, Kreise oder Länder Al-pha-Kursen Zuschüsse gewähren und dieWeiterbildung der Kursleitung bezahlen.

Gemeinsam mit politischen Akteuren kön-nen Initiativen gestartet werden, durch wel-che sich die Stadt, der Kreis oder das Landauf die Betroffenen zubewegt. Ergebnissedieser Zusammenarbeit sind beispielsweise»leicht lesbare Wahlprogramme«, durchwelche die politische Teilhabe gefördert werden kann. Ein weiteres Beispiel ist die Einrichtung von Sprechstunden in Bürger -ämtern, um beim Ausfüllen von Formularenzu helfen.

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

Politikerinnen am AlfamobilDie Volkshochschule Merzig-Wadern, derBürgermeister Fredi Dewald (SPD), das AlBi-Team und Lernenden-Experten/-innen be-22 Grotlüschen, Riekmann (2011) Leo-Studie, S. 19

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E N T TA B U I S I E R U N G D U R C H Ö F F E N T L I C H K E I T S A R B E I T 43

treuten das Alfa mobil auf dem Marktplatz inWadern. Beim Pressegespräch informiertensich die Landtagsabgeordneten HelmaKuhn-Theis (CDU) und Anke Rehlinger (SPD)über das Problem Analphabetismus. Die Ur-sachen und Aus wirkungen standen bei derDiskussion im Fokus. Anschließend beschlos -sen beide, dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung desAusschusses für Bildung, Kultur und Medienim saarländischen Landtag zu setzen.

Dort stellte der Saarländische Volkshoch-schulverband durch Verbandsdirektor Dr.Mar tin Dust und die Landesbeauftragte derVolkshochschulen für Alphabetisierung undGrundbildung Mechtild Müller-Benecke imRahmen des AlBi-Projekts das Alpha-Themavor und berichtete über die aktuellen Lern-angebote an den saarländischen Volkshoch-schulen. Das diakonische Werk berichteteüber geplante Angebote in sozialen Einrich-tungen, die in Zusammenarbeit mit demAlBi-Projekt gestartet werden sollten.

Unmittelbar nach der Sitzung veranlassteder verantwortliche Referatsleiter für Allge-meine und Politische Weiterbildung im saar-ländischen Bildungsministerium, Willy Kräu-ter, die Vervielfältigung eines Alpha-Flyerder Volkshochschulen sowie der KatholischenErwachsenenbildung und deren Verbreitungin den Behörden. Mit neu entwickelten Plakaten folgte eine groß angelegte Werbe-kampagne der Bildungseinrichtungen für die Alpha-Kurse.

Bürgermeister als Schirmherr»Lokale Initiativen brauchen bekannte Part-ner. Von daher ist ein Bürgermeister sehr ofteine Person, mit der man Inhalte und Be-strebungen bekannt machen kann. DasThema Alphabetisierung war für mich relativfern liegend, bis ich in Gesprächen mit demSoziokulturellen Zentrum Haus Felsenkellerintensiver über die Situation der einzelnenMenschen informiert wurde. [...] Dadurchmerkte ich, dass es eine lohnende Sache ist[…].Wir können das Umfeld sensibilisierenund dafür sorgen, dass die Angebote bekanntwerden. Und es hilft, wenn bekannte Persön-lichkeiten sich für die Sache einsetzen.«23

Schirmherr der Alpha-Kampagne in Alten-kirchen, Heijo Höfer, Bürgermeister der Ver-bandsgemeinde Altenkirchen und ehrenamt-licher Stadtbürgermeister der Kreisstadt Altenkirchen.

Strategische PartnerRegionale Politiker/-innen sind strate -gische Partner/-innen mit geringemZeitbudget, daher müssen sie kurz undprägnant informiert werden sowie zuden richtigen Zeitpunkten öffentlichePräsenz zeigen. Sie müssen mit prakti-schen Beispielen überzeugt werden. Ihnen muss der regionale Bezug und der Nutzen für ihre Region deutlich ge-macht werden. Zeigen Sie Probleme auf und bieten Sie Lösungswege an.24

23 LAG anderes lernen (2011) »…und da bekommtein solches Thema auf einmal ein Gesicht…«, S. 5

24 Bauer, Saalaberger (2010) Aufbau von Bildungs-strukturen in einem ländlichen Raum, S. 17

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44 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Medien

Die Einbindung der Medien ist ebenso wich-tig wie die Einbindung der Politik. Zur Ent -tabuisierung können Sie regelmäßig über dieAlpha-Arbeit vor Ort und neueste Entwick-lungen berichten. So erreichen Sie die ört -liche Öffentlichkeit, verleihen Ihrer eigenenArbeit mehr Gewicht und erreichen in man-chen Fällen sogar die Betroffenen selbst.

Nachdem ein/-e Journalist/-in oder Redak-teur/-in für das Thema sensibilisiert undausreichend darüber informiert wurde (siehe»Neue Akteure finden und einbinden«), kön-nen Sie regelmäßig mit dieser Person inKontakt treten.

Gerade Artikel in kostenlosen Zeitungen (z.B.Wochenblatt, Mitteilungsblätter der Ver-bandsgemeinde), die in jedem Briefkastenliegen oder auch Radiobeiträge sind Wege,um die Betroffenen und ihr Umfeld zu errei-chen. Aber auch Artikel in den regionalenZeitungen und Beiträge im regionalen Fern-sehen können große Wirkung zeigen. Arbei-ten Sie in erster Linie mit regionalen und lokalen Sendern und Zeitungen zusammen,so können Sie die Menschen vor Ort errei-chen. Es gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Im Anhang dieser Broschüre finden Sie eineZusammenstellung von kostenlosen Mate-rialien zur Öffentlichkeitsarbeit, die in ande-ren Projekten entwickelt wurden.

Situation von Journalisten/-innenEs kann vorkommen, dass sich im Inter-view Gesagtes nicht in den geschriebe-nen oder gesendeten Beiträgen wieder-findet. Aussagen von Kursleitenden oderLernenden werden verdreht oder ausdem Zusammenhang gerissen. Journa-listen/-innen arbeiten in der Regel alsHonorarkräfte und Artikel werden im-mer seltener von einem Lektorat Kor-rekturgelesen.

Seriosität: Arbeiten Sie in erster Linie mitseriösen Medien zusammen, so ist einegute Berichterstattung am wahrschein-lichsten.Arbeitserleichterung: Versenden SiePressemitteilungen via E-Mail als Datei.So können Journalisten/-innen prägnantePassagen kopieren und verwenden.Korrekturlesen: Versuchen Sie einenBeitrag gegenzulesen oder einen Radio-oder Fernsehbeitrag vor der Ausstrah-lung anzusehen. Nur so können Ände-rungswünsche umgesetzt werden.Kurz und knapp: Halten Sie E-Mails undAnfragen kurz und knapp. AusführlicheInformationen können Sie als Anhang aneine E-Mail hängen oder als Anlage zu ei-nem Brief beifügen.Lernende: Die Medien wollen zumeisteine/-n Betroffene/-n interviewen, daseine/ihre persönliche Lebensgeschichteein öffentlichkeitswirksamer Aufhängerfür einen Artikel oder einen Beitrag ist.Nicht immer kann dieser Bitte entspro-chen werden!

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E N T TA B U I S I E R U N G D U R C H Ö F F E N T L I C H K E I T S A R B E I T 45

Aufhänger für einen Beitrag

› Semesterbeginn (vhs)› Start eines neuen Angebots› Rückschau oder Ankündigung einer Fortbil-dungs- und Informationsveranstaltung so-wie eines Netzwerktreffens

› Pressegespräch an Infoständen oder Alfa-mobil

› Besondere Tage oder Wochen (z.B. Welt -alphabetisierungstag, Welttag des Buches)

› Start, Ende, Zwischenbilanz oder Halbzeiteines Projekts oder einer Kampagne

Pressemitteilungen und Zeitungsartikel

Jeder Zeitungsartikel sollte Kontaktdatender lokalen Ansprechperson beinhalten und– wenn möglich – ein Foto von ihr/ihm. BeiNetzwerktreffen können die Pressemit -teilungen gemeinsam besprochen werden.

Beispiel gelungener ZusammenarbeitNachdem das Haus Felsenkeller in Altenkir-chen einen Zeitungsartikel in der lokalenPresse veröffentlichte, kamen viele Men-schen auf die Einrichtung zu. Schlüsselper-sonen sprachen die zuständige Ansprech-person, Franziska Gend, direkt an: »Mensch,das ist ja gut, dass es sowas gibt. Ich kenneda einen…«. Die Betroffenen kamen persön-lich auf sie zu: »Sie bieten da doch so einenKurs an...«. Gerade im ländlichen Raum istder persönliche Aspekt sehr wichtig. DieMenschen bringen Frau Gend mit demThema Alphabetisierung in Verbindung undsprechen sie einfach auf der Straße an, da-

her ist es wichtig, dass sie mit einem Foto inZeitungsartikeln präsent ist.

Radio- und Fernsehbeiträge

Im Gegensatz zu schriftlicher Werbung kön-nen Radio- und Fernsehbeiträge von funk -tionalen Analphabeten direkt verstandenwerden.

Beispiel gelungener ZusammenarbeitIm Rahmen des AlBi-Projekts nutzte dieevangelische Erwachsenenbildung einenBücherflohmarkt in der Bad Kreuznacher In-nenstadt, um mit dem Alfamobil die Öffent-lichkeit für das Alpha-Thema zu interessie-ren. Der lokale Sender »Radio Antenne«konnte dafür gewonnen werden, an diesemVormittag die Aktion mehrmals zu bewerbenund über das Alpha-Thema zu berichten. EinBetroffener kam auf Grund dieses Radio -beitrages noch vor Beginn der Aktion zumAlfamobil. Er hatte gehört, dass ein funktio-naler Analphabet am Stand wäre, mit ihmwollte er sprechen, bevor die Besucher/-in-nen kommen. Heute lernt dieser Betroffeneim Lernzentrum Bad Kreuznach.

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46 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Infostände

Veranstalten Sie gemeinsam mit Ihren Ko-operationspartnern einen Infostand oder lei-hen Sie sich das Alfamobil aus. VereinbarenSie mit der lokalen Presse einen Termin zumPressegespräch, aus dem ein Zeitungsarti-kel oder ein Radiobeitrag entstehen kann.Laden Sie dazu auch wichtige lokale Akteureein, die etwas zu sagen haben. Nutzen Siekulturelle Feste oder Themenwochen und -tage, um einen solchen Stand zu platzieren.Beim »Bundesverband für Alphabetisierungund Grundbildung e.V.« erfahren Sie mehrüber das Alfamobil und wie Sie es ausleihenkönnen (www.alphabetisierung.de).

Beispiel gelungener ZusammenarbeitFranziska Gend (Soziokulturelles ZentrumHaus Felskeller): »Gemeinsam mit unserenKooperationspartnern veranstalten wir eineAktion oder einen Infostand auf dem Markt-platz und im dm-Markt in Hachenburg. Meis-tens reagieren die Passanten nicht direkt aufeinen solchen Infostand oder eine Aktion,das Thema muss sich erst einmal setzen.Nach einer solchen Aktion kommen die Men-schen dann meistens noch einmal persön-lich auf uns zu. Presse- und Öffentlichkeits-arbeit bringt nicht viel, wenn es nicht eineAnsprechperson vor Ort gibt, auf die dieMenschen zugehen können.«

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E N T TA B U I S I E R U N G D U R C H Ö F F E N T L I C H K E I T S A R B E I T 47

Lernende als Botschafter/-innen

Nur Lernende können authentisch vermitteln,› unter welchen Problemen und seelischenHürden die Betroffenen leiden und dass sieüberwunden werden können;

› dass Lesen und Schreiben lernen im Er-wachsenenalter möglich ist;

› dass auch Erwachsene erfolgreich Schul-abschlüsse und Ausbildungen nachholenkönnen und

› wie sehr die persönliche Lebensqualitätdurch das Lernen bereichert wird.

In der Regel geben sich Lernende nicht zuerkennen und reden öffentlich ungern überihre Probleme. Die Angst ausgelacht und alsdumm abgestempelt zu werden ist allgegen-wärtig. Nur wenige Lernende–wie die »Selbst -hilfegruppe Analphabeten Ludwigshafen« –gehen offensiv in die Öffentlichkeit und ma-chen sich für ihre eigene Sache stark. »Wirwollen aufklären und andere ermutigen, ihrezweite Chance wahrzunehmen. Es ist nie zuspät! Es lohnt sich für jeden einzelnen undauch für die Gesellschaft.« (Horst Uhrig,Selbsthilfegruppe Analphabeten Ludwigsha-fen).

Beispiele gelungener Zusammenarbeit

Im AlBi-Projekt wurden zahlreiche Veran-staltungen zur Sensibilisierung der Öffent-lichkeit und von Schlüsselpersonen unterBeteiligung von Lernenden durchgeführt.Durch die Schilderung ihres persönlichenSchicksals konnten die Lernenden andereBetroffene, lokale Akteure und Schlüssel-personen gleichermaßen aufklären und mo-tivieren. »Ich konnte mich dann gar nichtmehr zurückhalten. Ich musste etwas sagen,damit die mal verstehen, wie es uns geht.«(Iris, Lernende aus Saarbrücken). Die Eva-luation der Veranstaltungen zeigte, dass dieLernenden maßgeblich zum Gelingen derAlBi-Veranstaltungen beitrugen.

»Auch wenn man sich dem Thema Analpha-betismus öffnet, als Lesender kann mansich das überhaupt nicht vorstellen. Ich binbeeindruckt von dem Mut und der Offenheitder Betroffenen, hier zu stehen und über ihrePr o b leme zu reden. Ich habe heute viel ge-lernt!« (Kurt Merkator, Sozialdezernent derStadt Mainz).

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48 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Eine Qualifizierung für Lernende

Lernende, die sich offensiv in der Öffentlich-keit für das Thema des funktionalen An -alphabetismus stark machen wollen, brau-chen für ihr Engagement nicht nur Mut undÜberzeugung, sondern auch entsprechende(Medien-)Kenntnisse und das richtige Hand-werkzeug. Im Rahmen des AlBi-Projektswurde eine modulare Fortbildung entwickeltdie (ehemalige) funktionale Analphabetenauf Auftritte in der Öffentlichkeit vorbereitet.Neben Kommunikations- und Präsentati-onstechniken, wird der Kontakt mit Medien-vertretern/-innen, die Identifizierung von un-seriösen Vorgehensweisen und der Umgangmit Lampenfieber trainiert.

Zudem werden sie darauf vorbereitet, dassmanche Menschen ablehnend oder sogarverletzend auf ihr Engagement reagieren. Esgilt den Umgang zu erlernen mit diskreditie-

renden Äußerungen wie »Was Hänschennicht lernt,…« oder »nur weil der faul in derSchule war, soll nun die Gesellschaft für ihngerade stehen«.

Neben den negativen Konsequenzen zählendie positiven Auswirkungen doppelt. »Es warwieder ein tolles Erlebnis. Bei der Veranstal-tung habe ich wieder meinen Akku aufge-tankt« (Thorsten Böhler, »SelbsthilfegruppeAnalphabeten Ludwigshafen«). »Ich fühlemich richtig befreit und auch das Lernenläuft mir leichter von der Hand« (Frau Z.,Lernende aus Saarbrücken).

Weitere Informationen bekommen Sie überden Bundesverband für Alphabetisierungund Grundbildung e.V. (Elfriede Haller).

Freiwilligkeit: Lernende dürfen nicht zueinem Einsatz in der Öffentlichkeit über-redet werden. Nur wenn sie wirklich vonsich aus bereit sind diesen Schritt zu ge-hen, ist eine Zusammenarbeit sinnvoll.Es kann katastrophale Konsequenzen fürden Lernprozess und das Privatleben derLernenden haben, wenn sie gedrängtwerden.

Wie nah oder fern steht man

am besten vor dem Mikrophon

und wie stellt man es eigent-

lich auf die richtige Höhe ein?

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E N T TA B U I S I E R U N G D U R C H Ö F F E N T L I C H K E I T S A R B E I T 49

Literarische Protokolle

Eine weitere Möglichkeitdie Lebens geschichtender Betroffenen zu ver-anschaulichen sind so-genannte literarischeProtokolle – wie sie zumBeispiel im AlBi-Projektentwickelt wurden. DieJournalistin Lisa-Maria

Seydlitz hat sechs funktionale Analphabeteninterviewt. Die so entstandenen Gesprächs-protokolle lassen aus Zahlen Geschichtenund Schicksale werden. Anhand von Einzel-biographien spiegeln die Protokolle den All-tag der Analphabeten wider, zeigen bildhaftihre Lebensumstände und beschreiben dentäglichen Kampf mit den Buchstaben undZahlen. Die Menschen berichten von Ausre-den und Tricks, um ihr Defizit zu kaschieren,sie sprechen jedoch auch über Hoffnungenund Wünsche: »Mein Traum ist es, ein Buchüber Michael Jackson zu lesen«, erzählt Ma-nuela, »aber wer hilft mir, es zu lesen? Dielangen schwierigen Wörter überspringe ichauch heute noch« – Und das, obwohl Ma-nuela bereits mehrere Lese- und Schreib-kurse besucht hat. Die literarischen Proto-kolle gibt es als Stellwände zum Ausleihen.Bei Interesse wenden Sie sich an: BärbelZahlbach-Wenz (LAG anderes  lernen, Tel.:06202/4094473, mobil: 0163/8 26 7725, [email protected], www.andereslernen.de)

Aufklärung: Die Lernenden, die zu die-sem Schritt in die Öffentlichkeit bereitsind, müssen sich über die möglichen Ge-fahren für ihr Leben bewusst sein. DieKursleitung muss sie zuvor in persönli-chen Gesprächen darüber aufklären.Schutz: Die Aktivitäten in der Öffentlich-keit müssen gut vorbereitet und begleitetwerden. Die Lernenden müssen genauüber ihre Aufgaben informiert und aufmögliche Missgeschicke hingewiesenwerden. Auch eine gute Aufarbeitung derAktivitäten selbst und ihrer Auswirkungenmuss unbedingt nachgearbeitet werden.

Biographisches Arbeiten

Können keine Lernenden für eine aktive Be-teiligung gewonnen werden, schaffen schrift-liche Dokumente von ihnen einen authenti-schen Zugang zur Problematik.

Da das biographische Aufarbeiten der Le-bens- und Lerngeschichten der Lernendeneine grundlegende Unterrichtspraxis in denAlphabetisierungskursen ist, können Texteaus dem Unterricht anonymisiert verwendetwerden oder für eine spezielle Veranstaltungzu einem bestimmten Thema in den Kursenangefertigt werden. Für Lernende ist es einebesondere Wertschätzung, wenn ihre Arbeit(anonymisiert) veröffentlicht wird. Fragen Siebei den örtlichen Weiterbildungsträgernnach diesen Veröffentlichungen. Unterwww.alpha-archiv.de finden Sie eine Zusam-menstellung biographischer Lesehefte.

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Anhang

Finanzierung von Alpha-Kursendurch die ARGE

Quelle: Alfa-Forum 71 (2009), S. 30

» Der Bundesverband Alphabetisierung undGrundbildung hat die Bundesagentur für Arbeitdazu befragt und hat folgende Auskunft erhal-ten:

»Die Alphabetisierung ist grundsätzlich demBereich der Allgemeinbildung zuzurechnenund damit nicht Aufgabe der Grundsicherungfür Arbeitslose. Für die Alphabetisierung vondeutschen Erwachsenen gibt es derzeit keinenKostenträger. Die BA sieht die Alphabetisie-rung dieser Personengruppe als Aufgabe derBundesländer (und ggf. der Kommunen) an,denen die Trägerförderung obliegt. Eine Be-reitschaft der Grundsicherung, die Förderungder Alphabetisierung (evtl. auch teilweise) zuübernehmen, würde bedeuten, Versäumnisseim Bildungssystem, das in der Kulturhoheit derLänder liegt, zu Lasten des Bundes beheben zulassen. Die Situation ist vergleichbar mit der imBereich der Sprachförderung: Hier werden dieGrundlagen für eine gesellschaftliche Integra-tion außerhalb der Grundsicherung geschaf-fen, bevor die berufliche Integration angegan-gen wird (bestes Beispiel sind die speziellen In-tegrationskurse des Bundesamtes fürMigration und Flüchtlinge – BAMF – für Anal-phabeten). Eine Förderung seitens der Grund-sicherungsstellen ist möglich, wenn ein Hilfe-bedürftiger seinen Rechtsanspruch auf dieVorbereitung auf den Hauptschulabschlussverwirklicht und sich während einer Maß-nahme zur beruflichen Integration heraus-stellt, dass das Maßnahmenziel wegen des An-alphabetismus nicht erreicht werden kann. In

diesen Fällen ist die Alphabetisierung Bestand-teil der übergeordneten Maßnahme.«Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg hatam 23. Juni auf eine weitere Anfrage mitgeteilt,dass folgende Regelung mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Alphabetisierungabgestimmt wurde:

Kosten für Alphabetisierungskurse können imEinzelfall im Rahmen des Vermittlungsbudgetsgefördert werden, sofern sie angemessen sind,die Förderung für die beruf liche Eingliederungnotwendig ist und ein anderer Leistungsträgerfür die Kostenübernahme nicht zuständig ist.Darüber hinaus kann Alphabetisierung Be-standteil einer Maßnahme zur Aktivierung undberuflichen Eingliederung nach § 16 SGB II i. V.m. § 46 SGB III sein. Soweit darüber hinausnoch Bedarf bestehen sollte, kommt ggf. auch§ 16f SGB II in Betracht. Scheitert eine Förde-rung nach § 16 SGB II i. V. m. §§ 45, 46 SGB IIIdaran, dass Leistungen finanziert werden sol-len, für die ein anderer Träger zuständig ist,kann die Leistung aus diesem Grund auch nichtals FF SGB II erbracht werden. Dies gilt auchdann, wenn das Aufstockungs- und Umge-hungsverbot für Langzeitarbeitslose gelockertist.

Kernaussage: Eine Förderung der Alphabeti-sierung ist im Rahmen der Basisinstrumentemöglich, wenn dies für die berufliche Einglie-derung notwendig ist und ein anderer Leis-tungsträger für die Kostenübernahme nichtzuständig ist.«25

25 Alfa-Forum 71 (2009), S. 30

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Materialien zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Die hier aufgeführten Materialien zurPresse- und Öffentlichkeitsarbeit andererProjekte und Institutionen sind im Interneterhältlich. Diese Materialen wurden von vie-len Trägern im AlBi-Projekt genutzt. Der hieraufgestellte Überblick ist nicht vollständig,bietet aber einen ersten Einstieg.

Bundesverband für Alphabetisierung undGrundbildung e.V.Quelle: www.alphabetisierung.de / im Shopunter »Öffentlichkeitsarbeit«

Plakate

Info-Stände

Weihnachtskarten

Alfa-Nadel

Kinospots

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iChanceQuelle: http://www.profi.ichance.de

Plakate

Postkarten

ABC-ProjektQuelle: http://abc-projekt.de

Plakate

Zeitung

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GrawiraQuelle: http://www.grawira.de

Postkarten

Autorinnen

Elfriede Haller Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V. [email protected]

Susanne Syren Evangelische Landesarbeitsgemeinschaftfür Erwachsenenbildung (elag)[email protected]

Daniela Wagner Wissenschaftliche Begleitung, Universität [email protected]

Bärbel Zahlbach-Wenz Landesarbeitsgemeinschaft anderes lernen e.V. [email protected]

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54 Z I E L G R U P P E N G E W I N N U N G D U R C H N E T Z W E R K A R B E I T

Literatur

› Abraham, Ellen (2010) Betriebliche Weite r bildung für Geringqualifizierte. Ein Leitfaden für Personalentwickler, Bertesmann Verlag.

› Bauer, Brigitte; Sallaberger, Gerhild(2010) Aufbau von Basisbildungsstruktu-ren in einer ländlichen Region. Basis -bildungszentrum abc-Salzburg (Hrsg.),Druckerei Huttegger: Salzburg.

› Brügelmann, Hans; Brinkmann, Erika(1995) Stufen des Schriftspracherwerbsund Ansätze zu seiner Förderung, in: Brügelmann, Hans; Richter, S. (Hrsg.):Wie wir schreiben lernen, Lengwil: Libelle,S. 44–52.

› Egloff, Birte (1997) Biographische Musterfunktionaler Analphabeten. Eine biogra-phieanalytische Studie zu Entstehungs -bedingungen und Bewältigungsstrategienvon »funktionalem Analphabetismus«.Deutsches Institut für Erwachsenenbil-dung.Online verfügbar: www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-1997/egloff97_01.pdf (Mai 2011)

› Elfert, Maren; Rabkin, Gabriele (Hrsg.,2007) Gemeinsam in der Sprache baden:Family Literacy: Internationale Konzeptezur familienorientierten Schriftsprach -förderung, Klett-Verlag.

› FörMig Berlin (Hrsg.) Brücken zur Lese-kultur zwischen Unterricht, Freizeit undFamilie. Ein Praxisbaustein zur familien-orientierten Schriftsprachförderung (Family Literacy).Online verfügbar: www.foermig-berlin.de/materialien/Bruecke.pdf (Oktober 2011)

› Grotlüschen, Anke; Riekmann, Wiebke(2011) Leo. – Level-One Studie. Kurzbe-richt, Hamburg.Online verfügbar: http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo (April 2011)

› Grotlüschen, Anke; Riekmann, Wiebke(2011) Vortrag »Bilanzkonferenz Berlin,März 2011«.Online verfügbar: http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/03/2011-Mar-leo-v3-Bilanzkonferenz-Berlin.pdf (Juni2011)

› Haupt, Waltraut (2011) Vortrag »Analpha-betismus, gesellschaftliche Teilhabe undArbeitswelt«, im Rahmen der Tagung»Wenn Erwachsene lesen lernen...29.3.11«, Berlin.

› LAG anderes lernen (Hrsg., 2011) »…und da bekommt ein solches Themaauf einmal ein Gesicht,…« – Heijo Höfer im Gespräch, Weiterbildungsmagazin derLAG anderes lernen in Rheinland-Pfalz,Schwerpunkt Vielfalt, S. 5.

› Langmaack, Barbara; Braune-Krickau,Michael (2000) Wie die Gruppe laufenlernt: Anregungen zum Planen und Leitenvon Gruppen. Ein praktisches Lehrbuch,Beltz Verlag.

› Lewalter, Doris; Noschka-Roos, Annette(2009) Museum und Erwachsenenbildung,in: Tippelt, Rudolf; von Hippel, Aiga (Hrsg.)Handbuch Erwachsenenbildung / Weiter-bildung, 3. überarb. Aufl., VS Verlag: Wies-baden, S. 527–541.

› Klemm, Klaus (2010) Jugendliche ohneHauptschulabschluss Analysen – Regio-nale Trends - Reformansätze, im Auftragder Bertelsmann Stiftung.Online verfügbar: http://www.bertels-mann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_32343_32344_2.pdf (Oktober 2011)

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› Projektträger im Deutschen Zentrum fürLuft- und Raumfahrt e.V. (Hrsg.) ZurNachahmung empfohlen: Grundbildungam Arbeitsplatz, Bonn, 2011.

› Rachow, Axel (Hrsg., 2009) Spielbar, Ma-nagerseminare Verlag.

› Rosenbladt, Berndhard von; Bilger,Frauke (2011) Erwachsene in Alphabeti-sierungskursen der Volkshochschulen.Ergebnisse einer repräsentativen Befra-gung (AlphaPanel). Herausgegeben vomDeutschen Volkshochschule-Verband.

› Schüller-Zwierlein, André; Stang, Richard(2009) Bibliotheken als Supportstrukturenfür Lebenslanges Lernen, in: Tippelt, Ru-dolf; von Hippel, Aiga (Hrsg.) HandbuchErwachsenenbildung/Weiterbildung, 3.überarb. Aufl., VS Verlag: Wiesbaden,S.515-526.

› Seifert, Josef W.; Göbel, Heinz-Peter(2001) Games, Gabal Verlag.

› Wagner, Daniela (2011) Schlüsselpersonenin der Alphabetisierungs- und Grundbil-dungsarbeit, in: Projektträger im DLR e.V.(Hrsg.) Alphabetisierung und Grundbil-dung Erwachsener, Bd. 1: Zielgruppen in Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener. Bestimmung, Verortung,Ansprache, (im Druck).

Internet

› Archiv- und Dokumentationszentrum fürAlphabetisierung und Grundbildung(www.alpha-archiv.de)

› Bundesverband für Alphabetisierung undGrundbildung e.V.(www.alphabetisierung.de)

› Deutscher Bibliotheksverband(www.bibliotheksportal.de)

› IN.Bewegung(www.alphabetisierung.at)

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Die Verbundpartner im Projekt Alphabetisierung und Bildung (AlBi)