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25.APRIL2013 DIEZEIT N°18 Gans lästig Millionen Wildgänse verursachen Millionenschäden. »Abschießen«, fordern Landwirte. »Vogelmörder«, schallt es Was ist zu tun? voN HANS SCHUH · m Anfang war das Bagger- loch. Statt Sand und Kies ten Jahr noch zahlreicher einfallen. Abschüsse wiederum empören Tier- und Vogelschützer. besten Umgang mit den riesigen Gänsescharen. Die wachsen sonst unaufhörlich - und mit ih- Chinas Kampf um Rom Das Dorf Liqian sucht nach seinen angeblich römischen Wurzeln S. 33 · --- Hunderttausende Nonnengänse rasten im Frühjahr in Deutsch- land. Sie verzeichnen den größten Zuwachs sollen Platz machen für Millionen Zuggänse aus Skandinavien. Russbnclnncl cle.r clif' im KinderZEIT Wie kommt der Wurm ins Ohr? Und wie wird man ihn bloß los? S. 39 --- Alter Schwede! 31 Schützt gesunder Lebensstil die vor Demenz? Sorgenvoll beobachten Demografen und Politiker das Nachlassen der geistigen Kräfte in alternden Nationen. Weil in Deutschland immer mehr Menschen immer länger leben, so lautet ihre Argumentation, nehmen die Altersleiden drastisch zu. Auf das Stichwort »demografischer Wandel« folgt zuverlässig die Warnung vor der anrollenden Flut von Alzheimer- und anderen Demenzerkran- kungen. Anfang April prognostizierte das von der Europäischen Kommission gef<)r- derte Alzheimer-Kooperationsprojekt Alea- ve eine Zunahme in Europa von heute sechs auf zehn Millionen Erkrankte im Jahr 2040. Medizinische Hilfe ist nicht in Sicht, Durch- brüche in der Demenzforschung bleiben aus. In der westlichen Welt ist die Demenz das Schreckgespenst des 21. Jahrhun- In diesem Kon- text verblüfft eine aktuelle Studie aus Schweden. Dort ha- ben Wissenschaftler des Zentrums für Alternsforschung am · berühmten Karo- linska-Institut z.Wei Ein Knoten im Taschentuch als Datenreihen aus der Gedächtnisstütze Hauptstadt Stock- holm analysiert. Über die vergangenen 20 Jahre hatten Forscher das Auftreten von Demenz bei Menschen protokolliert, die älter als •75 Jah- re sind. Das erstaunliche Fazit ihrer Analyse publizierten sie jetzt in Fachzeitschrift Neurology: an Demenz erkrankte Pa- tienten wegen besserer medizinischer Ver-. sorgung heute erheblich länger leben als früher, wäre ein Anstieg der Gesamtzahl zu eryvarten gewesen. In Stockholm aber ist die Gesamtzahl der Demeqzkranken in den vergangenen 20 Jahren nicht angestiegen. 0<>r<>l1< f'nlo-Prn rliP AnrnrPn r1-.oo .rliP 7.,hJ l

Alter Schwede! Gans lästig - Wasseramsel2013/04/25  · Gänse immer öfter mit Flugzeugen kollidieren und Notlandungen ~uslösen. Vergasen ist laut Akkoord notwendig, ein >>onmisbare

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Page 1: Alter Schwede! Gans lästig - Wasseramsel2013/04/25  · Gänse immer öfter mit Flugzeugen kollidieren und Notlandungen ~uslösen. Vergasen ist laut Akkoord notwendig, ein >>onmisbare

25.APRIL2013 DIEZEIT N°18

Gans lästig Millionen Wildgänse verursachen Millionenschäden. »Abschießen«, fordern Landwirte. »Vogelmörder«, schallt es ~urück. Was ist zu tun? voN HANS SCHUH ·

m Anfang war das Bagger­loch. Statt Sand und Kies

ten Jahr noch zahlreicher einfallen. Abschüsse wiederum empören Tier- und Vogelschützer.

besten Umgang mit den riesigen Gänsescharen. Die wachsen sonst unaufhörlich - und mit ih-

Chinas Kampf um Rom Das Dorf Liqian sucht nach seinen angeblich römischen Wurzeln S. 33 · ---

Hunderttausende Nonnengänse rasten im

Frühjahr in Deutsch­land. Sie verzeichnen

den größten Zuwachs

sollen Platz machen für Millionen Zuggänse aus Skandinavien. Russbnclnncl cle.r Arkri .~ . clif' im

KinderZEIT Wie kommt der Wurm ins Ohr? Und wie wird man ihn bloß ~ieder los? S. 39 ---

Alter Schwede!

31

Schützt gesunder Lebensstil die Gesell~chaft vor Demenz?

Sorgenvoll beobachten Demografen und Politiker das Nachlassen der geistigen Kräfte in alternden Nationen. Weil in Deutschland immer mehr Menschen immer länger leben, so lautet ihre Argumentation, nehmen die Altersleiden drastisch zu. Auf das Stichwort »demografischer Wandel« folgt zuverlässig die Warnung vor der anrollenden Flut von Alzheimer- und anderen Demenzerkran­kungen. Anfang April prognostizierte das von der Europäischen Kommission gef<)r­derte Alzheimer-Kooperationsprojekt Alea­ve eine Zunahme in Europa von heute sechs auf zehn Millionen Erkrankte im Jahr 2040. Medizinische Hilfe ist nicht in Sicht, Durch­brüche in der Demenzforschung bleiben aus. In der westlichen Welt ist die Demenz das Schreckgespenst des 21. Jahrhun­dert~.

In diesem Kon­text verblüfft eine aktuelle Studie aus Schweden. Dort ha­ben Wissenschaftler des Zentrums für Alternsforschung am

· berühmten Karo-linska-Institut z.Wei

Ein Knoten im Taschentuch als

Datenreihen aus der Gedächtnisstütze Hauptstadt Stock-holm analysiert.

Über die vergangenen 20 Jahre hatten Forscher das Auftreten von Demenz bei Menschen protokolliert, die älter als •75 Jah­re sind. Das erstaunliche Fazit ihrer Analyse publizierten sie jetzt in de~ Fachzeitschrift Neurology: ~eil an Demenz erkrankte Pa­tienten wegen besserer medizinischer Ver-. sorgung heute erheblich länger leben als früher, wäre ein Anstieg der Gesamtzahl zu eryvarten gewesen. In Stockholm aber ist die Gesamtzahl der Demeqzkranken in den vergangenen 20 Jahren nicht angestiegen. 0<>r<>l1< f'nlo-Prn rliP AnrnrPn r1-.oo .rliP 7.,hJ

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mAnfang war das Bagger­loch. Statt Sand und Kies nur noch Wasser. Der leblo­se See wurde renaturiert und in den Sta<;ltwald integriert, als Schutzgebiet für Vögel. Gleichzeitig entstand so in

Neuss ein Freizeitpark, mit klarem Badewasser, grünen Liegewiesen, Spiel- und Grillplatz. Bald hieß das beliebte Ausflugsziel im Volksmund »dat Jröne Meerke«, das Grüne Meerchen.

Dann kamen die Schneegänse. Anwohner hatten sie eingesetzt. Die Vögel sind meist schneeweiß wie Hausgänse, aber zierlicher. Mit ihren schwarzen Flügelspitzen wirken sie wie eine Designervariante unserer fetten Hausgans. Tierfreunde fütterten ihre Ziergänse, die auf einer Insel im J rönen Meerke fleißig Gössel ausbrüteten. Rasch mauserte sich die Kolonie zur ornithologischen Sensation: Mit weit über hundert Tieren bildet sie nun die größte freie Schneeganspopulation Europas.

Hübsch, aber mit Nebenwirkungen. Dat Jröne Meerke wird immer jröner, die Liegewie­se ringsum immer brauner. Kahl gefressen und zugeschissen, nicht nur • von Schneegänsen. Auch Blessgänse, Graugänse, Kanadagänse ma­chen inzwischen gern Station, verdoppeln zeit­weilig die schnatternde Belegschaft. Jeder Starkregen spült Erde und Kot die sanften Hänge herunter, macht das Meerke zut Sicker­grube. Das Umweltdezernat ließ im vergange­nen Sommer tonnenweise Algen a).ls der grü­nen Suppe fischen. Und das Gesundheitsamt sperrte den Spielplatz: Infektionsgefahr durch Kolibalnerien und Salmonellen im Vogelkot.

Gesundheitsschutz versus Vogelschutz - die Wogen am Jrönen Meerke schlagen hoch. »Scheißgänse, abschießen!<<, schallt es von hier. »Vogelmörder!«, kommt es von dort. Das Neusser Experiment zeigt, wie wohlgemeinter Tierschutz in einer Kulturlandschaft heftige Konflikte schüren kann.

Ähnlich sieht es in Nordde~tschland und in den Niederlanden aus. Millionen Wildgänse fressen dort zeitweise Weiden und Äcker kahl. Empörte Bauern fordern die Bejagung. Sie wollen keine Schädlinge mästen, die im nächs-

Yogelschlag

ten Jahr noch zahlreicher einfallen. Abschüsse wiederum empören Tier- und Vogelschützer. Sie erfreuen sich an den Riesenschwärmen der geselligen, schönen Großvögel und bekämpfen die »sinnlose, brutale Jagd«. Mitte März doku­mentierte der NDR den Gänsekrieg in Ostfries­land Frieden stiften ist schier unmöglich.

Die Neusier versuchten es mit einem: run­den Tisch, um die Schuldfrage zu klären .. Na­türlich waren nicht die Gänse schuld, sondern naive Tierfreunde; die sie ständig fütterten. Also wurde ein Fütterungsverbot verhängt. Daraufhin suchten hungrige Gänse in nahen Vorgärten nach Nahrung. Erneuter Aufruhr, diesmal von Gartenbesitzern. Doch auch die Tierschützet waren in Sorge: Rings um das Jröne Meerke rauschen eine vielbefahrene Stra­ße, eine Bahntrasse und die Autobahnen A 57 und A 52. Problemlösung durch Plattfahren? Nein. Die Polizei musste her und watschelnde Scharen mit Blaulicht zum Meerke eskortieren.

Nun soll ein Zweistufenplan das gänsliche Wachstum dämmen: Die schnellen Brüter.auf der Insel dürfen nur mehr ein Ei pro Nest wär­men, die Gelege werden kontrolliert. Mittel­fristig wolle man die Population umsiedeln, heißt es aus Neus~. Die Genehmigung des Lan­des stehe noch aus.

Die Niederländer wollen mehrere invasive Gänsearten ausrotten

Wie auch immer der Eiertanz weitergeht: Die Gänse werdei). siegen, weil sich die Zweibeiner bekriegen. Deren Fehde blockiert die sauberste ökologische Lösung: das Freisetzungsexperi­-ment beenden und die aus Nordamerika stam­menden Schneegänse ausrotten, bevor sie Eu­ropa besiedeln. Doch eine Gänsevernichtung im Vogelschutzgebiet ist kaum durchsetzbar, sie böte juristischen Zündstoff für J.ahre. Der­weil werden sich die Schneegänse ausbreiten, . über Neuss und die Landesgrenzen hinaus.

In den nahen Niederlanden droht ihnen hingegen das, was ihnen in Deutschland er­spart bleibt: eine Ausrottung aus ökologischen Gründen. S~ jedenfalls lautet das Ergebnis langjähriger Debatten im Nachbarland um den

1 Milliarde Dollar gilt als unterer Schätzwert für die jährlichen Schäden, die weltweit in der Luftfahrt durch Kollisione11 mit Vögeln entstehen. Besonders gefährlich sind Schwärme von Großvögeln. So können Gänseschwärme beide Triebwerke zerstören, was 2009 einen antriebslosen Airbus zur legendären Notwasserung auf dem Hudson River in New York zwang.

besten Umgang mit den riesigen Gänsescharen. Die wachsen sonst unaufhörlich - und mit ih­nen die Millionenschädeti in der Landwirt­schaft, die Gefährdung des Flugverkehrs, die Versehrnutzung sauberer Gewässer, die Zerstö­rung seltener Vegetation in Schutzgebieten. Darum raufte .man sich zusammen und schloss Ende vergangeneo Jahres einen landesweiten »Ganzenaklcoord«. Das Gänseabkommen wur­de von sieben großen Interessengruppen unter­zeichnet, darunter alle zuständigen Provinzen des Landes, Bauernverbände, Landbesitzer, Vogelschützer, Umweltbehörden. Es enthält eine bemerkenswerte Liste von Grausamkeiten.

Etwa das Zusammentreiben flugunfähiger · Gänsescharen in der Mauserzeit mit anschlie­ßender C02-Ve;gasung. Diese wird bereits am Hauptstadtflughafen Schiphol praktiziert, weil Gänse immer öfter mit Flugzeugen kollidieren und Notlandungen ~uslösen. Vergasen ist laut Akkoord notwendig, ein >>onmisbare instru­nient«. Ein weiteres Instrument ist dai Eier­schütteln. Das tötet die Embryonen - und die Gans brütet weiter. Nähme man ihr die Eier einfach weg, würde sie neue nachlegen.

Das Hauptziel der geplanten Aktion ist eine radikale Verkleinerung der .niederländischen Gänsebestände auf etwa ein Viertel der alnuel­len Population. Hierzu gehört auch die Aus­rotturig nicht heimischer Arten, insbesondere Ki.nadagänse, Nilgänse oder Streifengänse. Diese vitalen, auffällig schönen Spezies wur­den, ähnlich wie in Neuss, von Men~chen als Zier- oder Jagdgeflügel angesiedelt. Nun. schwirren sie Zll Tausenden umher. Mitverant­wortlich für die hübsche Misere war der Tier­schutz. Früher zwackten Geflügelhalter ihren Küken eine Flügelspitze ab, damit sie nicht. wegflögen und andere von der Zucht profitier­tel).. Dieses Kupieren wurde als Quälerei in mehreren Ländern verboten. Die Folge waren umfassende Freisetzungen - die nun neue Grausamkeiten schaffen.

Der harte Beschluss, all diese Neubürger (Neozoen) auszurotten, ist keineswegs frem­denfeindlich. Denn das geplante Gemetzel zielt · ausschließlich auf1Standgänse, die in den Nie­derlanden brüten und nicht wegziehen. Sie

Tote Wildgänse dienen als Testobjekte für Triebwerke. Bei Vollgas krachen Vogel und Schaufelräder etwa mit Schallgeschwindigkeit aufeinander. Das kann Turbinen rasch zerstören. Besonders heikel ist die Startphase. Im November 2012 musste ein Airbus mit 199 Passagieren nach dem Start in Berlin-Tegel notlanden. Feder­analysen zeigten die Ursache: Graugänse.

Hunderttausende Nonnengänse rasten im

Frühjahr in Deutsch­land. Sie verzeichnen

den größten Zuwachs

sollen Platz machen für Millionen Zuggänse aus Skandinavien, Russland und der Arktis, die im Herbst ihre Brutplätze verlassen müssen, um · im milderen Mitteleuropa zu überwintern. Diese Wanderer zwischen den Welten genießen vollen Schutz: »Auf Gäste schießt man nicht.«

Auch die Schweizer merzen aus. Das sei optimal für Tier- und Artenschutz

Die Neozoen sind ursprünglich zwar auch Zuggänse, aber ihre bei uns ausgesetzten Vet­tern ziehen nicht. Gänse kehren nämlich in­stinktiv dorthin zurück, wo sie fliegen gelernt haben. Hier gezüchtete Neozoen sind daher standorttreu. Sie profitieren sogar von ihrer unnatürlichen Prägung, denn kräftezehrende, riskante Flüge über Tausende Kilometer blei­ben ihnen erspart. Ohnehin sehr vital, verstär­ken sie die üppige flugfaule Population der Standgänse. Sie verdrängen schwächere heimi­sche Arten oder kreuzen sich mit ihnen.

Diese künstlich verstärkte Globalisierung ' der Arten beschleunigt weltweit die Ausbrei­tung der Stärksten- und lokal den Untergang der Schwächsten. Deshalb fordern internatio­nale Abkommen wie die. Biodiversitätskonven­tion oder die Banner Konvention (die auch Deutschland unterzeichnet hat) eine strikte Kontrolle oder Beseitigung inva.Siver Arten. Entsprechend zeigen die -Schweizer invasiven Neozoen die Rote Karte.' Etwa der Rostgans. Diese Art sei aggressiv, verdränge Nahrungs­konkurrenten und heimische Schleiereulen oder Turmfalken, konstatiert das Schweizeri­sche Bundesamt für Umwelt. >>Langfristig sol­len die Rostgänse nicht mehr in der Schweiz vorkommen.« Dies sei >>in Bezug auf Tier­schutz, Artenschutz und Ressourcen die opti­male Lösung«.

Führende deutsche Gänseforscher sehen die Ausrottungspläne unserer Nachbarn skeptisch. >>Die Bestände der Kanada- oder Nilgänse sind bereits viel zu groß, um sie wieder auszulö­schen«, sagt Helmut Kruckenberg, Autor des empfehlenswerten Einführungsbuches Wilde

·Fortsetzung aufS. 32----

Vogelmanagement Der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr verzeichnet jährlich mehr als 1300 Kollisionen, Teqderiz steigend. Hauptursach~n: mehr Flüge, die Landschaftsgestaltung, Naturschutz, mehr GroßvögeL Notwendig für ein verträgliches Nebeneinander von Vögeln und Luftfahrt sei ein besseres Vogelmanagement.'

re sind. Das erstaunliche Fazit ihrer Analyse publizierten sie jetzt in de~ Fachzeitschrift Neurology: ~eil an Demenz erkrankte )?a­tienten wegen besserer medizinischer Ver-. sorgung heute erheblich länger leben als früher, wäre ein Anstieg der Gesamtzahl zu erwarten gewesen. In Stockholm aber ist die Gesamtzahl der Demeqzkranken in den vergangeneo 20 Jahren nicht angestiegen. Daraus folgern die Autoren, dass -die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen gesunken sein muss.

Die schwedische 'Studie ist nicht der erste Hinweis darauf, dass das Dogma von der al­ternden urid zunehmend vergesslichen Ge­sellschaft nicht immer stimmen muss. Eine amerikanische und eine niederländische Untersuchung legen ebenfalls Zweifel nahe. '

Aber was unterscheidet nun die schwe­dische Bevölkerung vom Rest der Welt? Mit welchem Trick haben die Skandinavier das unheimliche Vergessen besiegt? Die Auto­ren der Karolinska-Studie können diese Fragen nicht eindeutig beantwo~ten. · Sie m\ltmaßen, dass gleichzeitig mehrere Effek­te zum Tragen kommen. Die Schweden rauchen heute deutlich weniger als vor 40 Jahren, sie bewegen sich mehr und unte.t;­nehmen mehr mit anderen. Das alles konn- · te offenbar sogar die negativen Folgen von Übergewicht und Diabetes mehr als kom­pensieren. Die Schweden haben im Schnitt einen niedrigeren Cholesterinspiegel, und ihre Blutdruckwerte haben sich ebenfalls verbessert - alles Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung.

Die . Ergebnisse sind wahrscheinlich nicht übertragbar auf ganz Europa. In Stockholm leben die besser ausgebildeten, reicheren Schweden. Und geistige Regsam­keit schützt auch. Aber einen Hinweis liefert die Untersuch!lng doch: Demenz ist kein unabwendbares Schicksal einer alternden Gesellschaft. Jetzt müssen uns die Stock­holmer nur noch verraten, wie sie alniv ge-worden sind. . HARRO ALBRECHT '

Schwammerl drüber Im Pilz liegt das Glück. Nein, nicht in der psychedelischen Variante der halluzino­genen Magie Mushrooms. Der gemeine Champignon ist gemeint. Täglich anstelle von rotem Fleisch genossen, soll der Pilz das Gewicht reduzieren. Das behaupten Wis­senschaftler von der Abteilung für Ge­wichtsmanagement an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health. 73 Probanden hatten nach eineni Jahr Champignon-Diät 3,5 Kilo abgespeckt. Gut, mit Gurken, Mohrrüben oder Radies­chen anstelle· von Rumpsteak wäre das wahrscheinlich auch gegangen. Aber das hätte den Auftraggeber der Studie vermut­lich nicht interessiert. Der Mushroom Council vertritt schließlich die Interessen des pilzproduzierenden Gewerbes. · HAL

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Gans lästig Gij.me. Sein Co-Autor Johan Mooij ergänzt: »Die Rostgans braucht nur über den Bodensee zu flie­gen, In der EU ist sie streng geschützt.« Auf einer Tagung der Fachgruppe Gänseökologie der Deut­schen Ornithologen-Gesellschaft i?l März kriti­sierten die Experten die Jagd auf Wildgänse: Sie sei als >;Mittel der Schadensverhütung unwirk­sam«, könne »die Schäden in der Landwirtschaft sogar steigern<<. ·Weil sie die wachsamen Tiere viel scheuer mache. Häufige Fluchten großer Schwär­me erhöhten deren Energiebedarf, umso mehr fräßen sie. Jäger würderrzudem versehentlich auch Vertreter geschützter Arten schießen.

Als typisches Verwechslungsopfer nennt Kru­ckenberg die hoch bedrohte Zwerggans. Ornitho- . logen versuchen mühsam, sie wieder anzusiedeln, etwa mit Zuchtprogrammen und Begleitflügen im Leichtflugzeug, damit die Vögel das Ziehen erler­nen. »Bei der Jagd besteht erhebliche Verwechs­lungsgefahr«, warnt Kruckenberg. Die Zwerggans ähnelt im Flug der häufigen Blessgans, insbeson­dere deren Jungvögeln, die als besonders schmack­haft gelten.

Die Ornithologen bestätigen, dass die Zahl der Gänse in Deutschland und den Nachbarländern stetig steigt. Als eine Hauptursache nennt Kru-

. ckenberg die intensive Landwirtschaft: »Würde man die abschaffen, wäre 'das Populationsproblem rasch gelöst.« Nicht nur Bauern, auch die Gänse lieben nämlich energie- und eiweißreiche Pflan-

Gefiederte Invasoren, zur Ausrottung empfohlen

zen. Was dem Landwirt sein Biodiesel, Biogas oder Viehfutter, ist der Gans ihr Winterspeck, Flug­benzin oder Eiweißquell fürs rasche Legen. Un­gewollt fördert die Agroindustrie eine Bevölke- · rungsexplosion ziehender Großvögel mit nahrhaf- · ten Ernterestenl Schwäne, Kraniche und Gänse laben sich an Mais, Getreide und Zuckerrüben, an kräftigen Jungpflanzen vom Raps im Frühjahr, arn Gras intensiv genutzter Wiesen.

Gänse fressen sogar auf braun gejauchten Wie­sen. Bleiben grüne Streifen offen, dann äsen sie hier in würziger Luft. Ihre Vorliebe für Deftiges hat einen biologischen Grund: Sie sind schlechte Futterverwerter. Ein effektiver Verdauungsapparat mit mehreren Mägen wie bei Wiederkäuern wäre zu schwer fürs Fliegen. Also wird vorn fix gepickt - bis zu hundertmal pro Minute. Und hinten flott gekötelt- bis zu 40-mal pro Stunde. Der Verdau­ungsturbo der Gänse entzieht dem Gras nur ein Drittel der Energie. Der Rest düngt Wiesen oder Gewässer, dat J röne Meerke lässt grüßen.

Naturbelassene Wiesen wären für Gänse der­zeit wenig attraktiv. Sie bieten überwiegend knie­hohe abgestorbene Halme mit schwer verdaulicher Zellulose. In dem· Gestrüpp könnt~n der Fuchs oder andere Räuber lauern. Auch deshalb lieben Gänse weit überschaubare Äcker und Weiden. Unsere Kulturlandschaft. wird noch attraktiver durch vermehrte Schutz- und Feuchtgebiete, de­ren .Gewässer als Flucht- und Schlafstätten dienen.

Die Kanadagans ist die weltweit häufigste Gans, mittlerweile auch die häufigste faunenfremde Art in Deutsch­land. Sie breitet sich hier seit mehr als 40 Jahren stetig aus.

Am 13. 4. 2013 verstarb unser verehrter ak~demischer Lehrer,

Verlockend sind auch viele Stadtparks, ob in Mün­chen, Harnburg oder Neuss.

Wie dramatisch die Wechselwirkung Wild­gans/Mensch ausfallen kann, zeigt das Schicksal der Schneegans. Ihre einst riesigen Bestände bra­chen zusammen, als ihre Überwinterungsgebiete im amerikanischen Westen unter den Pflug gerie­ten. Das Präriegras musste · Äckern weichen, Feuchtgebiete wurden trockengelegt. Als in den 1930er Jahren Staubstürme die Great Plains, Oklahoma und andere Staaten verwüsteten, waren die Schneegänse fast ausgerottet.

»Die Amis haben ihre Schneegänse donaldisiert«, sagt Johan Mooij

Dann startete 1937 die Gegenbewegung in Form der Schutzorganisation Ducks Unlimited. Ihre Vision: viele Feuchtgebiete schaffen, »Um die Himmel wieder mit Wasservögeln zu füllen« -today, tomorrow and forever! Inzwischen preist sich Ducks Unlimited als weltweit führende private Schutzorganisation von Feuchtbi<Dtopen mit mehr als 700 000 Unterstützern in Kanada, den USA und Mexiko. Die Visionäre haben es geschafft: Zumindest mit Schneegänsen sind die nordame­rikanischen Himmel wieder rappelvolL

Das lief so: Wachsende Schneegansschwärme begannen Äcker kahl zu fressen. Um Schadens­ersatzklagen der Farmer zu vermeiden, lockten die

DieNilgans ist ebenfalls Gefangenschafts-

. flüchtling und erobert von den Niederlanden aus Deutschland·. Ihr jährlicher Zuwachs beträgt rund 20 Prozent.

Herr Prof. em. Dr. Heymo Böhler im Alter von 68 Jahren.

Gänseschützer die Vögel auf Futterplätze. Das · klappte hervorragend. Die Farmer hatten Ruhe, die gemästeten Vögel brüteten in der arktischen Tundra und kehrten in wachsenden Schwärmen zurück. »Die Amis haben ihre Schneegänse donal­disiert«, sagt Johan Mooij. Als Chefredalneur, des Goose Bulletin, Fachblatt der Gänsespezialisten der Weltnaturschutzorganisation IUCN, kennt er die Szene. Und knurrt: »Die haben ein Problem. Es wachsen mehr Vögel nach, als erlegt werden kön­nen.« Die Winterfütterung einstellen könne man auch nicht, »weil dann Äcker wieder kahl gefressen . und Bauern pleitegehen würden«.

Die Gänsemast gefährdet auch die Tundra. Mehr als fünf Millionen Schneegänse fressen großflächig ihre spärliche Vegetation kahl, die sich unter den harten arktischen Bedingungen kaum erhole~ kann. Schneegänse graben nämlich, an­ders als ihre Vettern, die Pflanzen samt Wurzeln aus. Appelle an Jäger, den Himmel von diesen weißen »Maden« wieder etwas zu befreien, verhal­len auch, weil man kaum mehr an sie heran­kommt. Taucht arn Horizont nur ein Auto auf, flüchten die wachsamen Vögel.

Die Gänsejagd galt deshalb einst als Königsdis­ziplin. Heute soll das Wildbret wie Ungeziefer be­kämpft werden. Das erzürnt auch viele Jäger. In den Niederlanden machen sie Front gegen den Ganzenakkoord, den sie ·anfänglich mitentwickelt hatten. »Wir lehnen dieses Abkommen aus ethi-

Die Rostgans lH<~.IIUJIH aus Asien, machte als Ziervogel Karriere. Als aggressiver Invasor besiedelt sie die Schweiz und das Rheinland.

sehen Gründen ab«, sagt Marlies Kolthof, Pre5se­sprecherin der Koninklijke Nederlandse Jagers Vereniging KNJY, des Dachverbands nied.erländi­scher· Jäger. »Wir wollen keine Gänsevernichtung, sondern nachhaltiges Gänsemanagement.«

Die vom Ganzenakkoord geforderte Reduktion der Standgänse von über 400 000 auf 100 000 sei bis 20 18 fast unmöglich zu erreichen. Hierfür sei die Jagdperiode viel zu kurz, Abschüsse hauptsäch­lich im Sommer bedeuteten zudem »ein Sicher­heitsrisiko, weil dann viele Touristen draußen sind«. Eierschütteln und Vergasen, hauptsächlich von Jagdgegnern und Naturschützern gefordert, gehörten nicht zur Kernkompetenz der Jäger. Für

. die Vergasung in Schiphol gelte wegen der Luftsi­cherheit eine AusnahmeregeL Ihr landesweiter Einsatz erfordere aber eine. Gesetzesänderung und die Zustimmung der EU. »Eine solche Änderung erachten wir als sehr unwahrscheinlich.«

'Auch bei den Vogel- und Naturschützern gärt es. Kenner der Szene wie der Ornithologe Kees Koffijberg schätzen, dass »die Unterzeichner des Ganzenakkoords noch mächtig Druck von ihrer Basis bekommen werden«. Es liefen »noch viele Gespräche über die Details der Maßnahmen«.

Derweil können sich die Gänse weiter mit Junkfood aus unserer Kulturlandschaft mästen. Zogen sie früher im natürlichen Umfeld zwei Gös­sel groß, sind es inzwischen bis zu zehn. Ducks un­limited, today, tomorrow, forever?

. .

Die Schne~gans . hat in Deutschland Fuß gefasst. In .ihrer nordamerikanischen Heimat ist sie bereits eine kaum kontrollierbare Plage, frisst Äcker und die Tundra kahl.

Gemeinsam geht es besser! Heymo Böhler hat Generationen von Studierenden und' Mitarbeitern durch seine fachliche Kompetenz . und sein menschliches Wesen für sich eingenommen.

· Sein Wirken dauert fort, sein freundschaftlicher Rat und seine Unterstützung werden fehlen.

Dipl.-Kffr. Barbara Burghardt, München Dr. Cornelia Federsel-Lieb, Arnstorf Dr. Thomas Glöckler, Bindlach Dr. Rainer Grimm, Harnburg Dr. Dirk Haid, Bayreuth p ,...,....f n,... D r.-nolrl Uo,...htf1"',...hor l.l.r.f

Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil. Christoph Rasche, Potsdarn Prof. Dr. Joachim Riedl, Hof Dipl.-Kfm. Uwe Riehs, Köln Dipl.-Geograph Dr. rer. pol. Bemd Sauer, Bayreuth Dr. Andreas Schaaf, München nr M~v1mi11~n ~rhrP"Pr 1\tfilnr.hpn

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