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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 219, S. 302--309 (1953). Aus dem Pharmakognostischen Institut der Universit~t Innsbruck. Analgetika und Darmmotorik. III. Zum Mechanismus der Peristaltik ~. Von 0 . SCHAUMANN~ K. JOCHUM und H. SCHMIDT. Mit 5 Textabbildungem (Eingegangen am 9. Mi~rz 1953.) TRENDELENBURG hat in seiner grundlegenden Arbeit den kom- plizierten Ablauf des peristaltischen Reflexes in klassischer Weise be- schrieben. Nach seinen Versuchsergebnissen verl~uft die Peristaltik in folgenden Phasen: 1. Durch den Reiz des steigenden Fiillungsdruckes tritt eine Verkiirzung der L~ngs- muskulatur (LM) ein bei gleichzeitiger Erschlaffung der Ringmuskulatur (RM). Dabei zeigt am oralen Ende des Darmstiiekes der LM den geringsten, der RM den hSchsten Tonus. 2. Bei einer kritischen Druckschwelle entsteht am oralen Ende des Darmstiickes eine Kontraktion der RM, die als lokalisierter Kontraktionsring gegen das aborale Ende abl~uft. Gleichzeitig wird oral yon der Kontraktionswelle der RM die Kontraktion der LM ausgelSscht. 3. Nach Ablauf der peristaltischen Welle verliert auch der RM seinen Tonus, so dal3 fiir kurze ZeR beide Muskel- schichten erschlafft sind. 4. Mit wieder zunehmender Ffillung wiederholt sieh die 1. Phase und eine neue peristaltisehe Welle setzt ein. Der Ablauf des Peristaltikreflexes ist somit durch die Versuche TRENDELEN- BU~GS in seinen Einzelheiten festgelegt worden. Dagegen ist fiber den Mechanismus des zu dem geordneten Ablauf notwendigen Zusammenspiels der beiden Muskelschichten noeh wenig bekannt. TREND]~LENBURO selbst schliel~t sich auf Grund seiner Beob- achtungen der Meinung frfiherer Autoren an, die in der Peristaltik einen nervSs gesteuerten Vorgang sehen, dessen nerv6se Elemente in dem zwisehen den beiden Muskellagen gelegenen AUERBACHschen Plexus zu suchen sind. W~hrend des Ablaufes der peristaltischen WeUe verhalten sich LM und RM wie echte Antagonisten: Kontraktion des einen f/ihrt zu einer aktiven Erschlaffung des anderen. Ffir das gleiehe Wechselspiel an der quergestreiften Muskulatur ist der Mechanismus der reziproken Inner- ration infolge der wesentlich gfinstigeren anatomisehen und elektro- physiologischen Bedingungen weitgehend gekl~rt. Ffir die weitaus kom- plizierteren Verh~ltnisse am Darm mit seinem eng verflochtenen ner- vSsen Plexus ist ein ~hnliches analysierendes Vorgehen wohl kaum mSg- lich. Hier hat derzeit nur eine pharmakodynamische Analyse Aussicht * Herrn Prof. O. Lo~wI zum 80. Geburtstag gewidmet.

Analgetika und Darmmotorik

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 219, S. 302--309 (1953).

Aus dem Pharmakognostischen Institut der Universit~t Innsbruck.

Analgetika und Darmmotorik. III. Zum Mechanismus der Peristaltik ~.

Von 0. SCHAUMANN~ K. JOCHUM und H. SCHMIDT.

Mit 5 Textabbildungem

(Eingegangen am 9. Mi~rz 1953.)

TRENDELENBURG h a t in seiner g rund legenden Arbe i t den kom- p l iz ie r ten A b l a u f des p e r i s t a l t i s c h e n Reflexes in klassischer Weise be- schrieben.

Nach seinen Versuchsergebnissen verl~uft die Peristaltik in folgenden Phasen: 1. Durch den Reiz des steigenden Fiillungsdruckes trit t eine Verkiirzung der L~ngs- muskulatur (LM) ein bei gleichzeitiger Erschlaffung der Ringmuskulatur (RM). Dabei zeigt am oralen Ende des Darmstiiekes der LM den geringsten, der RM den hSchsten Tonus. 2. Bei einer kritischen Druckschwelle entsteht am oralen Ende des Darmstiickes eine Kontraktion der RM, die als lokalisierter Kontraktionsring gegen das aborale Ende abl~uft. Gleichzeitig wird oral yon der Kontraktionswelle der RM die Kontraktion der LM ausgelSscht. 3. Nach Ablauf der peristaltischen Welle verliert auch der RM seinen Tonus, so dal3 fiir kurze ZeR beide Muskel- schichten erschlafft sind. 4. Mit wieder zunehmender Ffillung wiederholt sieh die 1. Phase und eine neue peristaltisehe Welle setzt ein.

Der Ablauf des Peristaltikreflexes ist somit durch die Versuche TRENDELEN- BU~GS in seinen Einzelheiten festgelegt worden.

Dagegen ist f iber den Mechanismus des zu dem geordne ten A b l a u f no twendigen Zusammensp ie l s der be iden Muskelschichten noeh wenig bekann t . TREND]~LENBURO selbst schliel~t sich au f Grund seiner Beob- ach tungen der Meinung frfiherer Au to ren an, die in der Pe r i s t a l t i k einen nervSs ges teuer ten Vorgang sehen, dessen nerv6se E lemen te in dem zwisehen den be iden Muskel lagen gelegenen AUERBACHschen P lexus zu suchen sind.

W ~ h r e n d des Ablaufes der per i s ta l t i schen WeUe ve rha l t en sich LM u n d R M wie echte An tagon i s t en : K o n t r a k t i o n des einen f / ihr t zu einer a k t i v e n Erschlaf fung des anderen . Ff i r das gleiehe Wechselspie l an der querges t re i f ten Musku la tu r is t der Mechanismus der rez iproken Inner - r a t i o n infolge der wesent l ich gfinst igeren ana tomisehen und elektro- physiologischen Bed ingungen wei tgehend gekl~rt . Ffir die wei taus kom- p l iz ie r te ren Verh~l tnisse a m D a r m mi t seinem eng verf lochtenen ner- vSsen P lexus is t ein ~hnliches ana lys ie rendes Vorgehen wohl k a u m mSg- lich. H ie r h a t derzei t nur eine p h a r m a k o d y n a m i s c h e Ana lyse Auss icht

* Herrn Prof. O. Lo~wI zum 80. Geburtstag gewidmet.

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Analgetika und Darmmotorik. III . Mechanismus der Peristaltik. 303

a u f Erfolg. N u n h a b e n wir fiir die g l a t t e M u s k u l a t u r 2 ne rv6se Gegen- spie ler : D e n a m D a r m k o n t r a k t i o n s e r r e g e n d e n cholinergen P a r a s y m p a - t h i cus u n d d e n hier h e m m e n d e n a d r e n e r g e n S y m p a t h i c u s . Es is t d a h e r n a h e l i e g e n d u n d ve r lockend , das ganze kompl i z i e r t e Geschehen bei der P e r i s t a l t i k a u f e in Wechse lsp ie l dieser b e i d e n A n t a g o n i s t e n zurf ick- zuf i ih ren .

A n de r cho l ine rgen N a t u r k o n t r a k t i o n s e r r e g e n d e r Reize a n der R M d i i r f t en Zweffel wohl k a u m bes tehen . Dal] a u c h die i n der e r s t e n Phase der P e r i s t a l t i k a h f t r e t e n d e To- n u s e r h 6 h u n g der LM n e r v 6 s e n ; i U r s p r u n g s sein di i rf te , d a r a u f ~,,!i~, :!',',, !!Ii ~' soll we l te r u n t e n noch e inge- i × i ~ .~

, I g a n g e n werden . ' i '

F i i r die Ans ich t , d a b es sich I ': ~ t//lll~lil i bei der E r sch la f fung des jewei- ! I l igen A n t a g o n i s t e n u m e i n e n ak- 1 ~flt

t i v e n a d r e n e r g e n Vorgang h a m __it! del t , k a n n vor a l l em fo lgender ~ : ' " ~ ' ×, iJ~l'~ × Ver such als Stf i tze d ienen . ' ~ * ' '

Setzt man in der Versuchsan- ~ ~I ordnung nach TRENDELENBURG bei leerem drucklosem Darm eine kleine 2 Menge Acetylcholin der Badflfissig- keit zu, so dab eine subma~imale . . . . . Kontrak~ur der vorher tonuslosen I i ~ I I ~ I LM erfo]gt, und erh6ht man nun 1 3 ~, 3 5 3

den Iunendruck, so tr i t t zun~chst ,L , , i , :~ , i ,I r, . . . . . . [ .... !~,,!~,,lll~l eine weitere Tonussteigerung der LI~I ein, bis an der RM die erste peri- Abb. 1. Meerschweinchen-Dtinndarm, Badinhalt staltisehe Welle einsetzt. Diese fiber 50 cm 3. Oben: Volmnschrelbung. Mitte: Ring- den D a m hinlaufende Kontraktions- muskel; HebelvergrSBerung 10 fach. Unten: L~ings-

muskel; Hebelvergr6flerung 1,8fach. 1 Acetyl- welle der RM 16seht trotz Anwesen- cholin 0,6 ~. 2 Innendruck auf 4,5 cm Wasser heitdesAeetylcholinsdieVerkiirzung erh6ht, 3 Innendruck aufgehoben, 4 Acetylcholin der LM vollkommen aus, bis bei 2,5 ~, 5 Acetylcholin 5,0 ~,. x = Auswaschen. WiederffiUung des Darmes der LM Die anf~ngliche scheinbare Verktirzung der RM

diirfte mechanisch dutch Anspannung der LM be- sich y o n n e u e m kontrahiert und das dingt sein; vgl. auch die verschiedene Hebeliiber- Spiel y o n n e u e m beginnt. Hebt m a n setzung und die H6he der wirklichen RM-Kon- nun die Innendrucksteigerung auf, traktionen bei der Peristaltik. SO erlischt in gewohnter Weise die Peristaltik und die LM verkfirzt sich wieder unter der Wirkung des w~hrend der ganzen Zeit vorhandenen Acetylcholins (Abb. 1). Ganz das gleiche Ergebnis erhMt man, wenn man Histamin an Stelle des Acetylcholins der Badflfissigkeit zusetzt. Auch hier aktive Erschlaffung der LI~I unter der peristaltisehen Welle und Wieder- kehr der Kontraktion nach Sistieren der Peristaltik durch Drucksenkung (Abb. 2)*.

* Anmerkung bei der Korrektur: Die gleiche Beobachtung mit Histamin hat bereits di " PLA~.LL]~S bei seinen ,,Mutterkornstu en (Arch. exp. Path. u. Pharmakol. 105, 38, 1925) ohne Versuch einer Deutung gemacht (vgl. Abb. 3 seiner Arbeit).

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304 0. SC~AUMA~,K. Joc~u~ undH. SeE~IDT:

Es gibt nur einen kSrpereigenen Stoff, der fi~hig ist, noch in kleinsten Mengen die Aeetylcholin- bzw. Histaminwirkung an der glatten Mus- kulatur auszulSschen, das Sympathin I, das nicht nur am Darm, son- dern auch am Bronehialmuskel den durch Acetylcholin bzw. Histamin verursachten Krampf 15st.

Die Erschlaffung der LM in der 2. Phase der Peristaltik lieBe sieh also folgendermal~en erkl~ren: Die fiber die RM laufende cholinerge Er- regungswelle erregt gleichzeitig adrenerge Neurone, die dem LM des

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I I ,

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Abb. 2. Al lgemeine B e m e r k u n g e n siehe Abb. 1. 1 H i s t a m i n 1, 2 I n n e n d r u c k 6 era, 3 I n n e n d r u e k aufgehoben, 4 H i s t a m i n 3, 5 t t i s t a m i n 10, 6 Auswaschen bci e rh6h tem Innend ruck .

gleiehen oder benachbarten Segments zugeordnet sind. Durch das in Freiheit gesetzte Sympathin I wird der cholinerge ffillungsbedingte Dauertonus des betreffenden LM-Segmentes gelSst, so dab durch die den voriiberlaufenden Reiz iiberdauernde Anwesenheit des Sympathin I schlieBlich die gesamte LM erschlafft ist. Nach ZerstSrung des Sym- pathin und Wiederkehr der Darmffillung fiberwiegt wieder die eholin- erge kontraktionserregende Wirkung an de r LM, und das Spiel wieder- holt sich.

Die oben angeffihrten Versuche zeigen also, dab die Erschlaffung der LM als Folge der peristaltischen Welle ein aktiver Vorgang ist und nieht nur rein passiv durch den Wegfall des Dehnungsreizes erfolgt. Letzteres ergibt sich aueh aus folgendem: Statt durch den Reiz des Ffillungs-

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druckes kann man eine TonuserhShung der LM auch durch einen Ki~lte. reiz erzielen. Senkt man bei drueklosem Darm die Badtemperatur rasch yon 37 auf 29 °, so t r i t t eine Kontrakt ion der LM ein, die nach kurzer Zeit durch eine kurze Ersehlaffungsphase unterbrochen wird, welehe die Folge einer trotz fehlenden Innendruckes fiber den Darm ablaufenden peristaltisehen Welle der I~M ist (Abb. 3: 1). In diesem Falle t r i t t also trotz Fortdauer des Temperaturreizes am drucklosen Darm die Aus- 15schung der LM-Kontraktion durch die peristaltisehe Welle ein. Auch hier iiberdauert die Tonussenkung fiir kurze Zeit den Ablauf der peri- staltisehen Welle. Im Ansehlu$ an die voriibergehende Erschlaffungs- phase setzt sich die Kontrakt ion der LM weiter fort, um naeh Erreichung eines Maximums langsam wieder abzusinken und sehlieBlich nach einigen Minuten wieder den Ausgangswert zu erreichen. Eine jetzt erfolgende rasche TemperaturerhShung bewirkt ebenfalls einen raschen Tonus- anstieg der LM, der hier aber erst auf seinem HShepunkt von einer oder mehreren peristaltischen Wellen der I~M unterbrochen wird, die trotz Fortdauer des W/irmereizes zu einer vollst~ndigen und bleiben- den Erschlaffung der LM fiihren. Der Ablauf dieser ,,W~rmezaeke" er- innert an die Kurvenbilder, die STRA~:~ u. ST]~FANSSO~ am Meer- schweinchendarm in situ bei 1/~nger dauernder Vagusreizung erhielten: Auch hier rascher Tonusanstieg der LM mit mehreren peristaltischen Wellen und ohne bleibende TonuserhShung trotz Fortdauer des Reizes.

In friiheren Arbeiten konnte gezeigt werden, dab nieht nur die Peri- staltil~, sondern auch die dureh lnnendrueksteigerung ausgelSste Tonus- erhShung der LM durch Mo und Mo-/ihnlich wirkende Analgetika sehon in sehr kleiner Dosis und in Parallelit/it zu ihrer analgetisehen Wirkungs- steigerung gesenkt bzw. aufgehoben werden kann. Nun hat sieh gezeigt, dal] aueh die Tonussteigerung dureh den K/~ltereiz durch Mo sich noch in einer Verdfinnung yon 1 : 10 Mill. vSllig aufheben 1/£$t, w/~hrend man vom 1-Methyl-4-Phenylpiperidin-4-earbons/iureester (Dolantin) ent- sprechend seiner geringeren analgetischen Wirkungsst~rke zum gleichen Effekt etwa die 10faehe Konzentratio~l benStigt. Auch die ,,W/irme- zacke" 1/iBt sich durch Mo unterdr/ieken (Abb. 3).

Die Beobaehtung, dab eine dureh Aeetylcholin bzw. Histamin hervor- gerufene Kontraktion der LM durch die peristaltische Welle ausgelSscht wird, sprieht eindringlich daf/ir, dab hier durch einen nervSs gesteuerten Vorgang die Beantwortung kontraktionserregender Reize durch die Muskulatur gehemmt wird. Man wird daher auch bei der normalen physiologischen Peristaltik einen/~hnlichen Meehanismus fiir die wechsel- seitige Beeinflussung der beiden Muskelsehichten im Sinne einer adren- ergen Ersehlaffung der einen bei cholinerger Kontraktion der anderen annehmen k6nnen.

Arch. exper, l~ath, u. Pharmakol. , Bd. 219. 21

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306 0. Se~AUMAN~,K. JOCHUM und H. SCHMIDT:

D i e w e i t e r e B e o b a c h t u n g , dal~ d u r c h Mo u n d M o - ~ h n l i c h w i r k e n d e

A n a l g e t i k a n i c h t n u r d ie T o n u s s t e i g e r u n g d e r L M d u r c h E r h S h u n g des

I n n e n d r u c k s , s o n d e r n a u c h d i e j e n i g e a ls l%lge e ines T e m p e r a t u r r e i z e s

i n spez i f i scher W e i s e a u f h e b b a r o d e r z u v e r h i n d e r n is t , d f i r f t e d o c h daf f i r

s p r e e h e n , d a b b e i d e R e i z e f ibe r e ine n e r v S s e V e r m i t t l u n g l au f en , d a n a c h

a l l en b i s h e r i g e n E r f a h r u n g e n d e m Mo e ine m y o g e n k o n t r a k t i o n s l S s e n d e

W i r k u n g n i e h t z u k o m m t .

Gegen diese Annahme bringen allerdings die schSnen Versuehe von FELDBERG U. LI~ sowie FELDBEI~G schwerwiegende Argumente. ~ELDBERG findet, dab bei Nieotindosen, welehe naeh seiner Ansieht die nervSs gesteuerte Peristalt ik bereits

Abb. 3. Meerschweinchen-Dfinadarm, Badinhalt 35 cm 3, Innendruck 0 cm. 1 Rasches Abkfihlen yon 37 ° auf 29 °, 2 Spfilen mit warmer FleischlSsung yon 37 °, 3 Morphin 3 ~ g 25 y, Dolantin. ~ach

Morphin bzw. Dolantin bleibt der Temperaturreiz wirkungslos.

lahmen, die Kont rak t ion der LM auf Druckerh5hung zun~ehst noeh erhal ten bleibt, sp~ter allerdings auch erliseht; Resultate, die wir nur best~tigen kSnnen. FELD- ~ERC ist daher geneigt, die Tonussteigerung der LM als direkte myogene Beant- wortung des Dehnungsreizes anzusehen. Doeh diskutiert er bereits eine andere MSglichkeit: "An other possibility would be to assume tha t nicotin first st imulates nervecells in the intest inal wall, some of which give rise to short adrenergie neurons, thus releasing adrenaline, which might persist in the tissue spaces for some t ime." Dieser Mechanismus seheint nach unseren Versuchen vielleicht doch der - - wenig- stens am Darm - - vorherrschende zu sein. Die Beobachtungen yon MUNRO, da~ Adrenal in an bes t immten Darmabsehni t ten unter gewissen Bedingungen auch kontrahierend wirken kSnne und die F~LDBERG gegen obige Deutung zu sprechen scheinen, sind doeh solche Ausnahmef~lle, dab sie als Gegenargument nieht zu schwer wiegen.

Bei der Annahme einer adrenergen Hemmung der RM unter dem ~ieotinreiz bleibt die MSgliehkeit einer nervSsen AuslSsung der LM-Kontrakt ion dureh den Dehnungsreiz often, da diese naeh den weiter un ten entwiekelten Vorstellungen fiber den Meehanismus der Peristalt ik dutch den afferenten Dehnungsreiz ohne Zwisehensehaltung weiterer Ganglienketten cholinerg ausgelSst wird. Dies wird durch lqicotin zunaehst nicht verhindert , da dieses wohl efferente Ganglien, nicht

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aber afferente Schaltstellen blockiert und nach FELDBElm U. VARTIAINE~¢ auch die Freisetzung yon Acetylcholin durch cholinerge Nervenendigungen nicht ver- hindert.

Auch die Versuche yon FELDBERO U. LIN, wonach Lokalanasthetika in kleinen Dosen zwar die Peristaltik, nicht aber die Verkfirzung der LM aufheben, k6nnten gegen eine nerv6se Komponente bei der Kontrakt ion der LM sprechen. Auch hier 1/il3t sich aber zeigen, dal3 das nicht myotrop wirkende Mo noch in einer Kon- zentration yon weniger als 10 -7 sofort die trotz Cocain verbleiben- de LM-Kontrakt ion 15st (Abb. 4).

Eine rein myogene Tonus- erhShung als Folge einer mecha- nischen Dehnung der L1V[ er- scheint aber noch aus folgenden Griinden nicht sehr wahrschein- lich :

l. Nach TI~ENDELENBURG ver- teilt sich die Tonuserh6hung der LM bei ErhShung des Innen- drucks nicht gleichmaBig auf die ganze Muske]strecke, sondern ist am ora]en Ende geringer aIs am aboralen, was rein myogen kaum vorstellbar ist.

2. Die Verkfirzungsreaktion Abb. 4. l~Ieerschweinchen-Dtinndarm, Bad inha l t

der LI~ ist gegen Sauerstoff- 35 cm 3. Von 1 - 5 Innendruck 2 cm Wasser.

mangel reIativ empfindlich; sie 2 cocain, hydrochlor 150 y, 3 Morptfin 2 ~,, 4 Auswaschen, 5 Drucksenkung auf 0 cm.

ist zu einem Zeitpunkt bereits erloschen, in dem muskul/~r angreifende Stoffe noch wirksam sind.

3. Eine allmahliche mechanische Dehnung dutch langsam zunehmen- den Zug an der LM ffihr~ zu keiner Tonussteigerung.

4. Beim normalen in situ befindlichen Darm dfirfte infolge Fehlens yon Fixpunkten bei der Ffillung wohl kaum eine Dehnung in der Langs- richtung erfolgen.

Gegen eine nerv6se Steuerung der I~iV[ sind wohl niemals Einw/inde erhoben worden. Der indirekte Beweis einer akt iven adrenergen Hem- mung der I~M lieB sich in der gleichen Weise wie ffir die LM bisher nicht erbringen. Doch ist es wohl keine zu weir gehende Annahme, dab auch die I~IV[ einer /~hnlichen Steuerung unterliegt wie die LM. Unter dieser Voraussetzung k6nnte man sich fiber den Mechanismus der Peristaltik folgende Vorstellung machen, der allerdings vorl/iufig noch die M/ingel, aber auch die Vorteile einer Arbeitshypothese anhaften:

21"

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308 O. SC~AU~A~N, K. JocI~v~ und tt. SCtIMIDT:

1. Phase: Die afferenten Impulse der Dehnungsreceptoren 15sen am LM eine cholinerge Kontraktion und fiber eine cholinerge pr/~ganglion~re Faser gleiehzeitig eine adrenerge aktive Hemmung der RM aus. Beide Reize nehmen, mSglicherweise durch entspreehende Verteilung der ner- vSsen Elemente, in aboraler Richtung an Stiirke zu. Zur Ausl6sung dieser

1. Phase summieren sich RM

I L. ~ b . 4-

: . . . . . G+4. 4,4.÷.4.,Z

I +

,, ++

Abb. 5a. 1. Phase: Cholinerge Erregung ( + ÷ + der gesamten LM, adrenerge I temmung (. der gesamten RM.

LM

+l+l*14,i + 4, +~4, ,1,1.,1 + + + + i ,/,/4,.I

i/ii/i + + )

) - a~renter Dehnungsreiz.

die yon einem li~ngeren Darmstfick ausgehenden Reize (Abb. 5a).

2. Phase: Die Erregung segmentaler Dehnungsre- ceptoren bei weiterer Zu- nahme des Dehnungsreizes ffihrt als afferenter Reiz nun zur cholinergen loka- lisierten Kontraktion der RM und gleichzeitig zur adrenergen, aktiven Aus- 16schung der LM-Kontrak- tion des gleichen oder be-

nachbarten Segmentes. Entsprechend dem ,,Gesetz" der Darmbewegung von BAYLISS U. STARLING k6nnte am l%M dabei die cholinerge Erregung sich auf das benachbarte oralw~rts gelegene Segment erstrecken, w~,hrend am nachfolgenden aboralen Segment der I~?¢[ eine zus~tzliche adrener~e Hemmung der RM erfolgen kSnnte. DaB die LM-Kontraktion zuer~-~,

/ ? M

+++4-++ ++++

. . . . . @

Abb. 5b. 2. Phase; Beginn der Peristaltik eholinerge der :RM und adrenerge ]~emmun

(Zciehenerkl~rungen siehe Abb. 5a.

LM

segmenti~re der LM.

also bei geringeren Druck- reizen, erfolgt als die loka- lisierte l~M-Konzentration, hat nach diesen Vorstel- lungen zweierlei Ursachen : 1. Gehen in der 1. Phase der Peristaltik adrenerge Hemmungsreize zwar an die RSI, nicht aber an die LM. 2. Kann man anneh- men, daB ffir die LM-Kon- traktion die Dehnungs-

receptoren einer liingeren Darmstreeke im Sinne einer Summation der I~eize zusammenwirken, wiihrend ffir die lokalisierte R?CI-Kontraktion die Anzahl der Dehnungsreceptoren geringer ist, so dab die Einzel- reize sti~rker sein miissen, um die adrenerg gehemmte RM schlieBlich zur Kontraktion zu bringen. Aus dem gleichen Grunde ist auch die zweite Phase, die peristaltisehe Welle der 1%~[, ffir Lokalan~sthetika

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Analgetika und Darmmotorik. III. Mechanismus der Peristaltik. 309

empfindlicher als die TonuserhShung der LM in der ersten Phase (Abb. 5b).

3. Phase: Durch die den vorfibergehenden Reiz fiberdauernde An- wesenheit des Sympathins bleibt die LM in ihrer ganzen yon der peristal- tischen WeUe bestrichenen Ausdehnung noch nachwirkend aktiv er- schlafft. Mit der ZerstSrung des adrenergen Wirkstoffs nimmt die LM zun~chst allm~hlich wiedcr ihren Normaltonus an, bis bei weiter be- stehendem Ffillungsdruck das Spiel von neuem beginnt.

Die den reflektorischen Tonus der LM 15sende und peristaltik- hemmende Wirkung des M o u n d der Mo-~hnlich wirkenden Analgetika wfirden in diesem Schema ihre Angriffspunkte in den afferenten ,,Sy- napsen" haben, die den Dehnungs- oder Temperaturreiz auf den auto- nomen Mechanismus umschalten, w~hrend die Lokalan~stethetika bei den geringen peristaltikhemmenden Konzentrationen ihren Angriffs- punkt an den Dehnungsreceptoren und nicht an den Leitungsbahnen haben dfirften. Diese Annahme wird durch Versuche von MEIER und BEII~ gestiitzt, nach denen am Ganztier durch Novacain i.v. die yon Lunge oder Darm ausgehenden Dehnungsimpulse in afferenten Nerven- bahnen bei erhaltener Leitf~higkeit herabgesetzt werden.

Zusammenfassung. 1. Am isolierten Diinndarm des Meerschweinchens in einer modi-

fizierten Versuchsanordnung nach TREI~DELESIBURG wird eine dutch Acetylcholin oder Histamin bewirkte Kontraktion der L~ngsmuskulatur d-rch eine durch ErhShung des Innendruckes ausgelSste peristaltische ~v dle der Ringmuskulatur gelSst, um nach Sistieren der Peristaltik wiederzukehren. Dies spricht ffir eine aktive, adrenerg hemmende Riick- wirkung der Ringmuskelkontraktion auf die L~ngsmuskulatur.

2. Morphin verhindert schon in kleinsten Dosen die durch Tempe- raturreize verursachte TonuserhShung der L~ngsmuskulatur.

3. Die nach AuslSschung der Peristaltik durch kleine Cocaindosen verbleibende druckbedingte TonuserhShung der L~tngsmuskulatur wird durch Morphin aufgehoben.

L i t e r a t u r .

FELDBERG, W. : J . of Physiol. 113, 483 (1951). - - FELDBERG, W. , u . J . LI1% : B r i t . J. Pharmacol. 4, 33 (1949). - - FELDBERG, W., u. A. VARTIAINEN: J. of Physiol. 83, 103 (1934). - - JOCHUM, K.: (noch nicht verSffentlicht). - - MINER, R. und H. J. BEIST: Bull Schweiz Akad. reed. Wiss. 6~ 209 (1950). - - MUNRO, A. T.: J. of Physiol. 112, 20 P (1950). - - SCHAUMANN, 0., M. GIOVAN~I~ U. K. JOCHUM: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 215, 460 (1952). - - SCRAUMAN~, O., K. JOCHUM u. W. SCHAUMA~': Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 217, 360 (1953). - - STRAUB, W., u. K. STEFANSSON: Arch. exp. Path. u. Pharmakol. 185, 451 (1937). - - TREN- DELENBURG, P. : Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 81, 55 (1917).

Prof. Dr. O. SCHAUMANN, Pharmakognostisches Institut d. Univ. Innsbruck, Peter-Mayr-Str. 1.