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114 W.v. EK~SPARRn: V. Themen aus der Kinderchirurgie Verhandlungsleiter: It. v. S~-Mfinchen 19. Angeborene Zwerchfellhernie und Relaxatio diaphragmatica beim Neugeborenen und S~iugling Von W. v. EKEsPARaE-Hamburg-Duvenstedt Mit 2 Abbildungen Die Chirurgie der angeborenen Zwerch]ellanomalien ist ein dankbares und vie]gestaltiges Gebiet der Kinderehirurgie. Die Indikation zur Operation ist bei einer Zwerchfellhernie gegcben, sobald die Diagnose gesichert ist. Der abdominale Zugang hat sich uns immer bewi~hrt. Lagcrt man das Kind unter starker Lordorsierung der Wirbels~ule, so ist das Zwerchfell in allen seinen Teilen gut zu fibersehen. Man hat aul~er- dem den Vorteil, in gleicher Sitzung Lage- und Fixationsanomalien des Magen-Darm-Kanals zu beseitigen. An Hand einiger Beispiele m6chte ich Ihnen unser Vorgehen demon- strieren. Beobachtung 1. Bei einem Neugeborenen fiel auf, dal~ es bei Rficken- lage m~ig cyanotisch war. Bei Rechtslagerung trat tiefe Cyanose und Dyspnoe, bei Linkslagerung wesentliche Besserung ein. Das Abdomen war auffallend klein. RSntgenaufnahmen ergaben das typische Bild einer linksseitigen Zwerchfellhernie mit welter Verlagerung des Mediastinums nach rechts sowie unregelm&l~igen, teils wabigen Aufhellungen und Verdichtungen der ganzen linken Thoraxh6hle, die bis in die rechte Thoraxh~lfte hineinreichten. Bei der sofortigen Operation fanden sich in der BauchhShle nur die Leber, der Magen und das absteigende Colon. Es lag eine posterolaterale Zwerchfellhernie ohne Bruchsack vor. Durch U-f6rmige Seidenns wurde der freie Zwerchfellrand an die seitliche Thoraxwand fixiert. Wenn irgend mSglich fiberlagern wir durch die Naht tfirflfigelartig die Rs der Zwerchfcllficke (s. Abb. 1). Au~erdem land sich ein Mesen- terium ileocolico commune mit vSllig frei beweglichem proximalen Colon. Dieses wurde in der fiblichen Weise an die rechte vordere Bauch- wand fixiert. Nach der Operation war das Zwerchfell infolge der Naht zun~tehst erheblich abgeflacht. R6ntgenkontrollen 1 und 2 Jahre sparer ergaben abet eine normale WSlbung und Funktion der linken Zwerehfell- h~lfte. Linksseitige posterolaterale Lficken haben wit am hiiufigsten gesehen. Wesentlich seltener sind anterolaterale oder retrosternale Liicken.

Angeborene Zwerchfellhernie und Relaxatio diaphragmatica beim Neugeborenen und Säugling

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114 W.v. EK~SPARRn:

V. Themen aus der Kinderchirurgie Verhandlungsleiter: It. v. S ~ - M f i n c h e n

19. Angeborene Zwerchfellhernie und Relaxatio diaphragmatica beim Neugeborenen und S~iugling

Von

W. v. EKEsPARaE-Hamburg-Duvenstedt

Mit 2 Abbildungen

Die Chirurgie der angeborenen Zwerch]ellanomalien ist ein dankbares und vie]gestaltiges Gebiet der Kinderehirurgie. Die Indikation zur Operation ist bei einer Zwerchfellhernie gegcben, sobald die Diagnose gesichert ist. Der abdominale Zugang hat sich uns immer bewi~hrt. Lagcrt man das Kind unter starker Lordorsierung der Wirbels~ule, so ist das Zwerchfell in allen seinen Teilen gut zu fibersehen. Man hat aul~er- dem den Vorteil, in gleicher Sitzung Lage- und Fixationsanomalien des Magen-Darm-Kanals zu beseitigen.

An Hand einiger Beispiele m6chte ich Ihnen unser Vorgehen demon- strieren.

Beobachtung 1. Bei einem Neugeborenen fiel auf, dal~ es bei Rficken- lage m ~ i g cyanotisch war. Bei Rechtslagerung t ra t tiefe Cyanose und Dyspnoe, bei Linkslagerung wesentliche Besserung ein. Das Abdomen war auffallend klein.

RSntgenaufnahmen ergaben das typische Bild einer linksseitigen Zwerchfellhernie mit welter Verlagerung des Mediastinums nach rechts sowie unregelm&l~igen, teils wabigen Aufhellungen und Verdichtungen der ganzen linken Thoraxh6hle, die bis in die rechte Thoraxh~lfte hineinreichten.

Bei der sofortigen Operation fanden sich in der BauchhShle nur die Leber, der Magen und das absteigende Colon. Es lag eine posterolaterale Zwerchfellhernie ohne Bruchsack vor. Durch U-f6rmige Seidenns wurde der freie Zwerchfellrand an die seitliche Thoraxwand fixiert. Wenn irgend mSglich fiberlagern wir durch die Naht tfirflfigelartig die Rs der Zwerchfcllficke (s. Abb. 1). Au~erdem land sich ein Mesen- terium ileocolico commune mit vSllig frei beweglichem proximalen Colon. Dieses wurde in der fiblichen Weise an die rechte vordere Bauch- wand fixiert. Nach der Operation war das Zwerchfell infolge der Naht zun~tehst erheblich abgeflacht. R6ntgenkontrollen 1 und 2 Jahre sparer ergaben abet eine normale WSlbung und Funktion der linken Zwerehfell- h~lfte.

Linksseitige posterolaterale Lficken haben wit am hiiufigsten gesehen. Wesentlich seltener sind anterolaterale oder retrosternale Liicken.

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Beobachtung 2. Bei einem stark dyspnoischen, cyanotischen Neu- geborenen fiel ein besonders kleines Abdomen auf. RSntgenaufnahmen ergaben den typisehen Befund einer linksseitigen, vorne gelegenen Zwerehfellhernie. Bei der Laparotomie fand sieh eine parasternale Iternie. Die ganze Leber, der M~gen, die Milz und ein grol~er Tefl des Diinndarms waren in die linke ThoraxhShle verlagert. Die Zwerchfell- lfieke war sehr grol3, etwa die Hglfte des Zwerehfells fehlte. Wir n~hten den freien Rand des Zwerchfells an die Vorderwand des Thorax. Trotz der GrSl3e der Liicke gelang dies ohne Sehwierigkeiten. Grol~e Schwierig- keiten aber bereitete der Verschlul~ der BauehhShle. Die in den Thorax

Abb . 1. Ti i r f l i igelar t iger Versch lu2 der B r u c h p f o r t e e iner Zwerchfe l lhern ie

verlagerte Leber war infolge Stauung erheblich vergr613ert. Sie fiillte naeh ihrer Reposition 2/3 der viel zu kleinen BauehhShle aus. Die Darm- sehlingen streiften wir unter Absaugung des Magens oralwgrts aus. Diese Mal3nahme ffihren wir bei allen Kindern mit Zwerchfellhernien dureh. Die kol]~bierten Darmschlingen ben6tigen viel weniger Raum, so dal~ wir bei allen Kindern die Bauehh6h]e primgr versehliel3en konnten. Bei diesem Kinde gelang es jedoch nieht. Naeh dem Vorschlag yon GRoss vern~hten wir nur Peritoneum und g a u t . Dennoeh stellte sich ein paralytischer Ileus ein, der sich dureh konservative Ma~nahmen nieht beheben liel~.

Zwei Tage sp/Rer streiften wit deshalb die stark gebl~hten Darm- sehlingei1 noehmals aus und versehlossen wiederum nur Peritoneum und l taut . Danach kam die Darmtgtigkeit in Gang.

Nach dieser Operation sahen wir insph-atorisehe Einziehungen der vorderen Thoraxwand, die infolge der Zwerehfelinaht aufgetreten waren. Dies ist eine Beobachtung, die aueh H]~c~i]~ bei einer doppelseitigen morgagnischen tternie beschrieben hat. Bei seinem Kinde stellte sich sogar eine Triehterbrust ein, die sieh aber im Laufe yon 2 Jahren all- m~h]ich wieder zurfickbildete. Bei unserem Kinde wurden im Laufe yon

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8 Wochen die inspiratorischen Einziehungen immer flacher und waren von da an nicht mehr zu sehen.

Nachdem alas linke Zwerchfell unmittelbar nach der Operation erheblich abgeflacht war, wSlbte es sich im Laufe der Wochen wieder teilweise in die ThoraxhShle hinauf. Bei der Durchleuchtung sah man paradoxe Schaukelbewegungen der linken Zwerchfellh/~lfte. Es lag demnach offensichtlich neben der Hernie eine 1%elaxatio diaphragmatica vor, eine Kombination, die schon 5fter beschrieben worden is~. Etwa i/2 Jahr nach der Kelaparotomie werden wit die Bauchdecken endgfiltig plastisch verschhe$en und bei dieser Gelegenheit eine 1%affung des relaxierten Zwerchfells vornehmen.

Immer wieder wird in der Literatut" betont, daft rechtsseitige Zwerch- fellhernien yon thorakal her operiert werden miil~ten, da die Leber ein schwer zu iiberwindendes Hindernis darstelle. Ich kann alas nicht bestitigen. Auch rechtsseitige Zwerchfellhernien lassen sich yon ab- dominal her operieren.

Beobachtung 3. Bei einem 6 Wochen alten dystrophen Singling land sich eine weir in den rechten Thorax hinaufreichende VorwSlbung des Zwerchfells. Kontrastaufnahmen des Colon zeigten eine V-fSrmige Ausziehung nnd Kompression des Quercolons. Bei der Durchleuchtung sah man, wie alas Colon bei jeder Inspiration spitzwinklig nach oben gezogen, bei jeder Exspiration flachwinklig nach unten gedrfickt wurde. Neben einer Zwerchfellhernie lag bier also eine hepatodiaphragmale Dickdarminterposition, ein Chilaiditi-Syndrom, vor. Laparotomie- befund : Durch eine breite Zwerchfelliicke war pilzfSrmig ein grofter Tell des rechten Leberlappens in die rechte ThoraxhShle verlagert. Der mittlere und rechte An~eil des Quercolons lag, wie die RSntgenaufnahmen ergeben batten, zwischen vorderer Thoraxwand and Leber. Auch diese breite Liicke heft sich durch U-fSrmige Seidennihte verschlieften.

Die einzige tIernienform, die wir yon thorakal operieren, ist die paroesophageale I-Iernie. Diese seltenen I-Iernien unterscheiden sich grundlegend yon den recht h/~ufigen gewShnlichen I-Iiatushernien des S/~uglings

Beobachtung I. Ein jetzt vierj/~hriges ~gdehen hatte yon jeher I{usten und schlechten Appetit gehabt, war immer blaft gewesen. Der Mutter fie1 ab und zu ein gluckerndes Ger/~usch auf, alas vor allem beim tiefen Einatmen und Schreien des Kindes zu hSren war. In den letzten Monaten war das Kind immer schw/~cher geworden. Zuni~chst war eine erhebliche An/~mie mit 1,7 Mill. Erythrocyten bei 3 g-% H/~moglobin behandelt worden. RSntgenaufnahmen des Thorax ergaben oberhalb des rechten Herzzwerchfellwinkels eine breite bogenfSrmige Linie, die einem Bruchsack entsprach. Kontrastaufnahmen des Magens zeigten, daft dieser in den rechten Thoraxraum verlagert war. Er hatte sich um

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1800 um seine Lgngsachse gedreht, so dab er invers gelegen war. Man spricht dann aueh von einem Magenvolvulus.

Bei der paroesophagealen Hernie ist der Oesophagus normal lang. Die Kardia liegt meist in t t6he des Hiatussehlitzes, jedoch nicht immer. Sie kann auch - - wie bei unserem Kind - - mehr oder weniger welt fiber dem Hiatus gelegen sein. Entspreehend verlguft der Oesophagus dann geschlgngelt. Ein Reflux in den Oesophagus ist nieht nachweisbar, da ira Untersehied zur fibliehen Hiatushernie die Angulation zwischen Oesophagus und Magen, der Hissche Winkel, erhalten ist.

Die rechte ThoraxhOhle wurde vom 8. ICR aus erSffnet. Die Pleura diaphragmatica und mediastinalis waren durch den verlagerten Magen weir vorgewSlbt. Der Bruehsaek wurde breit er6ffnet, der Magen war dureh breitfl/~ehige Adh~sionen fest an die Bruehsaekinnenwand fixiert. Naeh seiner L6sung wurde der Magen lagegereeht in die Bauehh6hle reponiert. Die Kardia wurde wie bei einer Itiatushernie in H6he der tIiatussehenkel verankert und ein groBer Muskelsehlitz des Zwerehfells, der yore Oesophagus bis fast zur Aorta reiehte, vern/~ht, i~6ntgen- kontrollen 4 Wochen Bach der Operation ergaben normale Verh/~ltnisse am reehten Zwerehfell und eine normale Lage und Funktion des Magens.

Einige Worte nun zur angeborenen Relaxatio diaphragmatiea. Lange Zeit gait sie Ms kein ehirurgisehes Problem, da sie oft nur als harmlose Krankhei t verlguft. Inzwisehen weiB man aber, dab aueh die Relaxatio beim Neugeborenen zu lebensbedrohlichen Zust/~nden und sp/~ter zu einem besehwerdefreien Symptombild ftihren kann. Todesfglle sind besehrieben worden. Die Indikation zur Operation ist daher folgendermagen abzugrenzen: Sind die Kinder symptomfrei, so soll man sie unter Kontrolle in l~uhe lassen. Treten aber klinisehe Symptome yon seiten der Thorax- oder Bauehorgane auf, so ist die Indikation zur Operation aueh bei der Relaxatio gegeben. Wir falten die diinne, gedehnte Zwerehfellmembran in drei Sehiehten, die dureh Seidenn/ihte fixiert werden (Abb. 2). Dutch die Raffung der Membran kommt es zu einer voriibergehenden Abflaehung. Man Iiihrt absiehtlieh diese iJberkorrektur herbei, well die N/~hte in der ersten Zeit naeh der Operation erfahrungsgemgS noeh etwas nachgiebig sind. An Hand yon g6ntgenkontrollen kann man beobaehten, wie sieh im Laufe yon N[onaten ganz yon selber eine normale Zwerehfellw61bung einstellt.

Beobachtung g. Ein 4 Woehen alter Saugling war dyspnoiseh, unruhig und vor allem naeh der Nahrungsaufnahme eyanotiseh. R6ntgenauf- nahmen des Thorax zeigen, wie die ganze linke Zwerehfellkuppe welt in den Thorax hinaufgew61bt ist. Von abdominal her rafften wit das Zwerehfell in der eben beschriebenen Weise. I~6ntgenaufnahmen 1 Jahr naeh der Operation ergeben einen weitgehend normalen Befund der

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linken Zwerchfellhalfte. Das Kind hat sich seither normal welter ent- wiekelt.

Zum SehluB unsere Ergebnisse: In den letzten 4 Jahren haben wit 13 Kinder mit einer Zwerchfellhernie oder Relaxatio diaphragmatiea operiert. Es handelte sieh um sieben Hernien mit oder ohne Bruehsaek, zweimal lag eine paroesophageale Hernie und viermal eine Relaxatio vor. Ein Frtihgeborenes mit einer Zwerehfellhernie und weiteren Fehl- bildungen, wie hochgradiger tIypoplasie der linken Lunge, Ventrikel-

Abb. 2. K o r r e k t u r einer Relaxat io d i aph ragma t i ca du tch dreifache Fa l tung tier ge l~hmten und gedehnten Zwerchfe l lmembran

septumdefekt usw., kam 3 Tage naeh der Operation an einer Aspirations- pneumonie ad exitum. Zweimal erlebten wit naeh der Operation einen Adhasionsileus, einmal einen paralytisehen Ileus, die zur Relaparatomie zwangen. Elf Kinder haben sieh seither normal weiter entwiekelt. Ein Kind, das ieh Ihnen demonstriert habe, bedarf noeh einer Bauehdeeken- plastik nnd Raffung des relaxierten Zwerehfells. Ein Kind hatte 2 Jahre naeh der Operation Keuehhusten. RSntgenkontrollen danaeh ergaben, dab das Zwerehfell unverandert normal in Form und Bewegliehkeit geblieben war.

Naeh unseren Erfahrungen k6nnen besondere plastisehe Mag- nahmen, wie z .B. gestielte Muskellappen des quadratus lumb., des psoas oder der vorderen Bauehwand, die yon RIVES, SCI~WAIGER, WIETI~G u. a. angegeben worden sind, oder gar die Verwendung yon alloplastisehem Material, jedenfalls beim Neugeborenen und Saugling weitgehend vermieden werden. Sie sollten nur den sehr seltenen, extrem grogen Zwerehfelliieken oder dem v611igen Fehlen einer Zwerehfell- halite vorbehalten bleiben.