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ARCHIV FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE NEBST BERICHTEN ZUR KIRCHLICHEN DENKMALPFLEGE IM AUFTRAG DER GESELLSCHAFT FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT H. AMMERICH . M.-L. CRONE· J. MÖTSCH . W. SEIBRICH R. E. SCHWERDTFEGER . W. WEBER HERAUSGEGEBEN VON FRIEDHELM JÜRGENSMEIER 56. JAHRGANG 2004 SELBSTVERLAG DER GESELLSCHAFT FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE E. V.

ARCHIV - MGH-Bibliothek · 2013. 11. 18. · archiv fÜr mittelrheinische kirchengeschichte nebstberichten zur kirchlichen denkmalpflege imauftrag dergesellschaft fÜrmittelrheinische

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MITTELRHEINISCHEKIRCHENGESCHICHTE

NEBST BERICHTEN ZUR KIRCHLICHEN DENKMALPFLEGE

IM AUFTRAG DER GESELLSCHAFT

FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE

IN VERBINDUNG MIT

H.AMMERICH . M.-L. CRONE· J. MÖTSCH .W. SEIBRICH

R. E. SCHWERDTFEGER . W. WEBER

HERAUSGEGEBEN VON

FRIEDHELM JÜRGENSMEIER

56. JAHRGANG 2004

SELBSTVERLAG DERGESELLSCHAFT FÜR MITTELRHEINISCHE KIRCHENGESCHICHTE E.V.

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Ein Besuch bei [ohannes Trithemius

Der Brief des Matthäus Herbenus an Jodokus BeisseIvom 14. August 1495

Von Susann ELKHOLI

Der Brief des Matthäus Herbenus an [odokus BeisseI vom 14. August 1495wurde erstmals als Beigabe zu Johannes Trithernius' Catalogue iliustrium vi-rerum aus dem Jahr 1495 abgedruckt'. Marquard Freher übernahm dasSchreiben im Jahr 1601 in seine Ausgabe der historischen Schriften desTrithemius-, In die erhaltene handschriftliche Überlieferung des Caialogusiltustrium oirorum ging der Brief des Herbenus - im Gegensatz zu sonsti-gem Beiwerk - nicht ein", wie auch anderweitige handschriftliche Zeugen

1 Caihalogus illustrium virorum germaniam suis ingenijs et Iucubraiionibus omnifa-riam exomaniium: domini iohunnis tritemij abbatis spanhemensis ordinis sancti bene-dicti: ad [acobum Uimpfelingum sletstatinum theologum. o. O. u. J. [Mainz: PeterFriedberg, nach 14. 8. 1495] (Hain *15615), Titelverso. - Zu Johannes Trithemiusund diesem Werk: Klaus ARNoLD,Johannes Trithemius (1462-1516) (= Quellenund Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 23).Zweite, bibliographisch und überlieferungsgeschichtlich neu bearb. Aufl.Würzburg 1991 (zum Cathalogus illustrium virorum bes. S. 107, 110, 132-134,138, 244, 264; Roland BEHRENDT,The Library of Abbot Trithemius. In: The Ame-rican Benedictine Reviev 51 (2000) S. 3-22, hier bes. S. 5£).

2 JOHANNIS TRITHEMII SPANHEIMENSIS PRIMO, DEINDE D[OMINJ] IA-COBI MAIORIS APVD Herbipolin Abbatis, viri suo aeuo doctisslimi] PRIMAEPARTIS OPERA HISTORICA QVOTQVOT hacienus reperiri potueruni, omnia:PARTIM E VETVSTIS FVGIENTIBUSQUE editionibus reuocaia, & ad fidem Ar-chetyporum eastigata; partim ex manuscriptis nunc primum edita. QVORVM CATA-LOGVM AVERSA pagina exhibet. EX BIBLIOTHECA MARQVARDI FREHERI,Consiliarii Palatini. Cum INDICE eopiosissimo. Frankfurt/M.: Claude de Marneund Johann Aubry I Erben 1601 (BN 54, 1929, Sp. 1239; VD 17 23:231173Z; NDdieser Ausgabe: Frankfurt/M. 1966; künftig zitiert: Trithemius, Opera historica),S. 121. - Zu Marquard Freher: Dagmar DRüLL,Heidelberger Gelehrtenlexikon.1386-1651. Berlin u.a. 2002, S. 160f (Lit.). Ausführlich: Dietrich KORNEXL,Stu-dien zu Marquard Freher (1565-1614). Leben, Werke und gelehrtengeschichtli-che Bedeutung. Phil. Diss. Bamberg 1967, hier bes. S. 81£, 125f (Nr. 22). Dem-nächst auch: Europa Humanistica: Deutschland. Dokumentarisches Handbuchzur Überlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur in der FrühenNeuzeit. Abt. I: Die Kurpfalz. 1. Marquard Freher und Janus Gruter, hg. undbearb. von Wilhelm KÜHLMANN,Volker HARTMANNund Susann ELKHOLI.

3 Handschriftlich überliefert ist das Werk in: 1. Kassel, LB, 2° cod. theol. 63, 15.[h., Provenienz: Benediktinerabtei Sponheim (fol. 1r_79r: Catalogus illustrium vi-rerum Germaniae; Explicit: [...] Ex monasierio nostro Spanhem, ultima die mensisIulii Anno Domini 1495. Explicit liber tritemii abbatis Spanhemensie de viris i/lustri-

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nicht bekannt sind. Der Text, der auszugsweise von Isidor Silbemagl"',Noel L. Brann'' und Klaus Arnold= referiert bzw, übersetzt wurde, ver-dient, einmal in toto betrachtet zu werden. Stilistisch zwar anspruchslos,handelt es sich doch um den eindrucksvollen Bericht eines Augenzeugen.der einen Besuch bei Johannes Trithemius in Sponheim machte und in des-sen Bibliothek geführt wurde. Brann bezeichnet den Brief sehr zutreffendals Herbenus' principal statement of lesiimonu of this effect', Das Schreiben ist,wie aus den Schlussworten hervorgeht, noch in Sportheim selbst, ganzunter dem Eindruck der Erlebnisse und Eindrücke stehend, niederge-schrieben'[ es legt beredtes Zeugnis ab von der Begeisterung, die der Ver-fasser für die Sponheimer Bibliothek empfand, aber auch von dem Ein-druck, den Trithemius selbst auf ihn machte.

Zunächst seien Aussteller und Adressat des Schreibens kurz vorgestellt:Matthäus Herbenus' (ca. 1451 - 9. 10. 1538) Lebensgang ist nur lückenhaftbekannt. 1469 findet er sich im Gefolge des italienischen Bischofs Onufriusin Rom, um an Rechtfertigungsschriften für denselben mitzuarbeiten. derim Jahr zuvor als päpstlicher Beauftragter bei den Streitigkeiten um dasFürstbistum Lüttich gescheitert war. Nach humanistischen Studien in Fer-rara, Venedig und Bologna kehrte Herbenus um 1480 in seine mutmaßli-che Vaterstadt Maastricht zurück, wo er seit 1482 als Schulmeister und seit1485 als Rektor der Schule des dortigen Servatiusstiftes wirkte. GelehrteKontakte verbanden ihn, wie zu zeigen ist, mit Trithemius und dem

bus Germaniae; zitiert nach AR,\;OLD,Trithemius, wie Anrn. I, S. 244). Eine Be-schreibung der Handschrift bei Konrad WIEDB!A~:'\(Bearb.), Manuscriptatheologica. Die Handschriften in Folio (= Die Handschriften der Gesamthoch-schulbibliothek Kassel Landesbibliothek und Murhadsche Bibliothek der StadtKassel I, 1). Wiesbaden 1994, S. 91-95. - 2. Würzburg, UB, M.p.th.f. 64t>(fol. 82'-113V

), Anfang 16 [h., teilweise auch von Trithernius geschrieben (un-terschiedlich werden hier fol. 110'-129' bzw, nur fol. 110-112 als Autographenangenommen). Eine Beschreibung der Handschrift bei: Hans TIIUR'I:,DieHandschriften aus benediktinischen Provenienzen, 1: Amorbach. Kitzingen,Münsterschwarzach, Theres, Würzburg: St. Afra, St. Burkhard, SchottenklosterSt. Jakob. Anhang: Erfurt, Minden, Mondsee (= Die Handschriften der Univer-sitätsbibliothek Würzburg 2, 1). Wiesbaden 1973, S. 88-92. Zur Überlieferungdes Catalogus illustrium virorum siehe auch AR!\oLD,Trithernius (wie Anm. 1),5.244.

4 Isidor SILBERNAGL,Iohannes Trithemius. Eine Monographie. Landshut 1868.Regensburg 21885,S. 16f.

5 Noel L. BRANN,The Abbot Trithemius (1462-1516). The Renaissance of Mona-stic Humanism (= Studies in the History of Christian Thought 24). Leiden1981,S.23f.

6 ARNOLD,Trithemius (wie Anm. 1), S. 56.7 BRANN,Abbot Trithemius (wie Anm. 5), S. 23.8 Anhang I, Zeile 57-60.

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EI:--': BESUCHBEI JOHANNESTRITHEMIUS 145

Heidelberger Humanistenkreis um Bischof Johannes von Dalberg. Seineerschlossene literarische Hinterlassenschaft umfasst grammatische undhistoriographische sowie musikwissenschaftliche Schriften".Der Aachener Patrizier [odokus Beissei (gest. 1514) absolvierte Studien inLöwen und Köln (1474 Licentiatus legis, 1476 Licentiatus decretorum) undwar als Jurist für die Stadt Aachen tätig. Im Oktober 1485 ist er erstmals alsGeheimer Rat des österreichischen Erzherzogs und späteren Kaisers Maxi-milians 1. nachweisbar. Sein erhaltenes Oeuvre bietet vor allem Erbauungs-schriften, Gedichte verschiedenen Inhalts und teilweise autograph überlie-ferte Prozessberichte'",Eingangs schildert Herbenus den Hintergrund für seinen Besuch in Spon-heim. Im Zuge einer Reise in den Süden Deutschlands, die dem Wortlautnach vermutlich eine Pilgerfahrt war", machte er zunächst in Aachen beidem Adressaten Station. Beissei trug ihm Grüße an seine gelehrten Be-kannten am Rhein, zu denen auch Trithemius gehörte, auf. Kontakte zwi-schen Beissei und Trithemius sind erstmals ein Jahr zuvor, 1494, nachweis-bar: Der Aachener Jurist erscheint hier neben anderen als Beiträger zuTrithemius' Traktat Oe laudibus sanciissimae matris Annae12.Während die weitere Wegstrecke und der Verlauf der Reise unerwähntbleiben, wird von der letzten Etappe bis Sponheim jede Einzelheit minu-

9 Vg!. Klaus-Jürgen SACHS,Herbenus. In: Die Musik in Geschichte und Gegen-wart 8, 2002, Sp. 1359-1361 (Lit.): ARNOLD,Trithemius (wie Anm. 1), Registers.v.: BRA:\"',Abbot Trithemius (wie Anm. 5), Register s.v.

10 Vg!. HAAGE:\,Beissei: [odoc, In: Allgemeine Deutsche Biographie 2, 1875, ND1967, S. 294f; Waiter KAEMMERER,Jodokus (lost) Beiße!. In: Neue Deutsche Bio-graphie 2, 1955, S. 22 (1); Deutsche Biographische Enzyklopädie 1, 1995, S. 406;demnächst Susann EL KHOLI:Jodokus Beisse!. In: Deutscher Humanismus1480-1520. Verfasserlexikon. 1, hg. von Franz [osef Worstbrock (Lit).

11 Diesen Schluss legt die Wortwahl ... peregrinacione ... (Anhang 1, Zeile 5) nahe,da dieses Lemma sowohl eine Pilgerfahrt als auch eine nicht religiös motivierteReise umschreibt, wobei letztere allerdings ins Ausland führt. Vg!. dazu AlbertSLEDIER,Kirchenlateinisches Wörterbuch, 2. ND der Ausgabe Limburg/Lahn1926, Hildesheim, Zürich, New York 1996, S. 592 s.v.; Albert BLAISE,Lexicon La-tinitatis medii aevi praesertim ad res ecclesiasticas investigandas pertinens.Tumhout 1975, S. 672f s.v, Bemerkenswerterweise wird das eigentliche Ziel derperegrinatio nicht genannt.

12 De laudibus sanctissime matris anne traciatus perquam vtilis domini ioannis tritemijspanhemensis abbatis ordinis diui patris benedicti. Mainz: Peter Friedberg, 2l. 7.1494, foI. C 1v [Nr. lOJ (Hain ·15632). Vg!. auch ARNOLD,Trithemius (wie Anm.1), S. 24 mit Anm. 15. - Weitere Kontakte sind in Briefen des Trithemius an Beis-sei vom 8. 7. 1505 und vom 26. 8. 1507 belegt. Ed.: TRITHEMIUS,Opera historica 2(wie Anm. 2), S. 448-550, 560f. Vg!. auch ARNOLD,Trithemius (wie Anm. 1),S. 88, 105, 203, 205, 271, 280 und demnächst ELKHOLI,Beissei (wie Anm. ID).

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tiös aufgeführt: An der Mündung von Rhein und Nahe, die mit der Orts-angabe bei Bingen zusätzlich konkretisiert wird (apud Fingiones Anhang 1,Zeile 10), bestieg Herbenus ein Schiff. Dies lässt den Schluss zu, dass zu-mindest die unmittelbar voraufgegangene Wegstrecke anderweitigzurückgelegt wurde':'. Als markanter Punkt auf dem Weg nach Sponheimwird Kreuznach erwähnt, wo sich am Fuße der um 1220 errichteten Kau-zenburg im 13. Jahrhundert die so genannte "Neustadt" gebildet hatte!'.Die Kürze der Strecke macht das Adverb bald (mox, Anhang 1, Zeile 12)deutlich; die Ungeduld des Herbenus, an sein Ziel zu gelangen, ist demVerb enteilen, herausfliegen ieuolo. Anhang 1, Zeile 12), mit dem das Verlas-sen des Schiffes umschrieben wird, zu entnehmen.Ebenso detailliert fährt Herbenus mit der Beschreibung seiner Ankunft inSponheim fort. Nachdem der Reisende das Kloster erreicht hat, meldet ersich unverzüglich bei Trithemius, grüßt ihn und überreicht ihm das Schrei-ben Beissels. Auch der Empfang durch den Abt erfährt eine genaue Be-schreibung: Herbenus wurde von Trithemius umarmt, was offenbar unge-wöhnlich war, da er begeistert sagt, eine bessere und gnädigere Begrüßungsei seitens eines hohen Geistlichen nicht möglich gewesen. Trithemius er-scheint damit gleich zu Beginn der Begegnung als sehr entgegenkommen-der und leutseliger Klostervorsteher und Gastgeber, der auch einem Besu-cher, der in der geistlichen Hierarchie unter ihm steht, überaus freundlichentgegentrittl'',Die folgenden Geschehnisse, Begrüßung von Freunden - deren Namennicht genannt werden - und Erfrischung, waren für Herbenus offenbarnur von untergeordneter Bedeutung. Sie werden lediglich gestreift und inForm einer allgemeinen Erwähnung als Einschub in der Überleitung zudem nächsten, für ihn wichtigen Punkt, mitgeteilt: eine Führung desGastes durch Trithemius selbst. Dabei wird als unverzüglich angesteuertesZiel die Bibliothek genannt, womit auch diese Quelle zeigt, welche Bedeu-tung dieser Teil des Klosters für Trithemius hatte (siehe unten). Den

13 Zur mittelalterlichen Art des Reisens: Norbert OHLER,Reisen im Mittelalter.München 21988.

14 Zu Kreuznach: Gerhard KÖBLER,Historisches Lexikon der deutschen Länder.Die deutschen Territorien und reichsunmittelbaren Geschlechter vom Mittelal-ter bis zur Gegenwart. München 61999, S. 324 S.v.- Zu Kloster Sponheim: Jo-hannes MÖTscHund Wolfgang SEIBRlCH,Sponheim. In: Die Männer- und Frau-enklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz und Saarland. In Verbindungmit Regina Elisabeth Schwerdtfeger bearb. von Friedhelm Jürgensmeier(= Germania Benedictina 9). St.Ottilien 1999, S. 801-827.

15 Dies ist auch anderweitig belegt, so z.B. durch Alexander Hegius. Vgl. dazuARNOLD,Trithemius (wie Anm. 1), S. 86. Zu weiteren Besuchern in Sponheimebd., S. 56 und 85-102. - Herbenus wurde erst 1505zum Priester geweiht. Vg!.SACHS,Herbenus (wie Anm. 9), Sp. 1359und S. 150dieses Beitrags.

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Hauptteil des Briefes nehmen Begebenheiten um und in der Bibliothek ein,die Herbenus sehr zutreffend als Trithemius' Bibliothek und nicht etwa alsBibliothek des Klosters bezeichnet. Er trifft den Kern damit insofern, als estatsächlich Trithemius war, der die Bibliothek der geistlichen Gemeinschaftanlegte und auch aus seinem Privatvermögen finanzierte. Nach seinemEintritt in Sponheim im Jahr 1482 wuchs die Büchersammlung rasch aufca. 2000 Bände an!". Zunächst wird die Bibliothek mit dem summarischenEpitethon beioundernstcert iadmirandam, Anhang I, Zeile 17) belegt, wasHerbenus dann konkretisiert: Er sieht Bände in hebräischer, griechischerund lateinischer Sprache, die offenbar nach dem Idiom, in dem sie verfasstwaren, Aufstellung fanden, wie den Korrelativpartikeln tum - tum (An-hang 1, Zeile 17f) sowie der Konjunktion nam (Anhang I, Zeile 18) ent-nommen werden darf. Der nähere Inhalt der hebräischen und griechischenBände bleibt - wohl aus Gründen der Unkenntnis des Herbenus in diesenSprachen - ungenannt, während er von den lateinischen Büchern zu be-richten weiß, dass sie jegliches Wissensgebiet betrafen. Herbenus verleihtseinem Staunen explizit Ausdruck. Dies betrifft einerseits die Person desTrithemius, dessen Kenntnisse und Fähigkeiten, da der Gast aus Maa-stricht sich wundert, dass ein einziger Mensch über derart umfassendeKenntnisse verfügen und eine so wohl geordnete Aufstellung'? vorneh-men kann. Noch größeres Staunen ringt ihm die Masse der fremdländischenBücher, die er auf deutschem Boden nicht erwartet hat ab: Über die vonHerbenus erwähnten lateinischen, griechischen und hebräischen Werkehinaus, hatte Trithemius nach seinem eigenen Zeugnis auch solche inchaldäischem, arabischem, indianischem, ruthenischem, tartarischem, ita-lienischem und tschechischem Idiom zusammengetragen'". Herbenus' Be-merkung über die großen Unterschiede in Sprache und Schriftzeichenzeigt, dass er die Bände auch tatsächlich eingesehen hat.Die Beschreibung der Eindrücke von der Bibliothek sind damit abge-schlossen; doch fand Herbenus in Sponheim weitere, staunenswerte Zeug-nisse der Gelehrsamkeit, die er notiert: so die auch von Konrad Celtis poe-tisch gewürdigte Ausmalung der Wände und Plafonds des Abtshauses mitgriechischen, hebräischen und lateinischen Versen". Resümierend preist er

16 Zusammenfassend zur Bibliotheksgeschichte von Sponheim: MÖTSCH/SEI-BRICH,Sponheim (wie Anm. 14), S. 819. Ausführlich zum Aufbau der Biblio-thek durch Trithemius: ARNOLD,Trithemius (wie Anm. I), S. 56-73; BRANN,Abbot Trithemius (wie Anm. 5), S.9-14.

17 Zur traditionellen Aufstellung einer mittelalterlichen Bibliothek: Uwe JOCHUM,Kleine Bibliotheksgeschichte. Stuttgart 1993, S.62£.

18 Vgl. dazu A&'lOLD,Trithemius (wie Anm. I), S. 69mit Anm. 77.19 Abdruck der Verse in TRITHEMIUS,Opera historica 1 (wie Anm. 2), fol. (** F)

und bei AR.'lOLD,Trithemius (wieAnm. I), S. 19.

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Sponheim daher als griechische Stätte der Gelehrsamkeit tGrecaue academiaAnhang 1, Zeile 29f) und lobt damit die Pflege jenes Idioms, mit dem sichim lateinischen Westen vermehrt erst die Humanisten befassten-", Fernerhebt Herbenus Sponheim über andere Klosterbibliotheken, ja sogar überDeutschland hinaus, was nicht ganz übertrieben ist, da die Bibliothek desTrithemius zu den bedeutendsten ihrer Zeit zählte-'. Damit ist ein ersterEinschnitt erreicht.

Der Besuch im Kloster Sponheim währte insgesamt elf Tage, die nicht allemit gleicher Detailtreue protokolliert werden wie die bisherigen Gescheh-nisse. Ausschnitthaft legt der Rektor der Schule von St. Servatius im fol-genden die für ihn wichtigsten Begebenheiten dar. Nach einer Versiche-rung an den Adressaten, dass Herbenus seiner wohl gedachte, ist eine zen-trale Begebenheit ein Gespräch mit dem Abt. Ausgangspunkt ist Trithe-mius' Werk Oe scriptoribus ecclesiasticis, das Herbenus, wie der Formulie-rung est ediius zu entnehmen ist, in gedruckter Form vor sich sah22• Herbe-nus verleiht seiner Verwunderung angesichts dieser Fülle so berühmterSchriftsteller Ausdruck. Dabei rekurriert er mit einem auch anderweitignachweisbaren Motiv gleichsam bekräftigend auf den Ausspruch eines na-mentlich ungenannten italienischen Philosophen, dem nur ein einzigerdeutscher Gelehrter, nämlich Albertus Magnus, bekannt war23• Trithemius

20 Vg!. dazu: W[aIter] BERSCHIN,Griechische Literatur. In: Lexikon des Mittelal-ters 4, 1989, Sp. 1706-1708; DERS.,Griechische Sprache, n. In: Ebd., Sp. 1710f. _Zur Pflege des Griechischen in Sponheim siehe BRANN,Abbot Trithemius (wieAnm. 5), S. 24f; ARNOLO,Trithemius (wie Anm. 1), Register s.v.

21 Vg!. Paul LEHMANN,Nachrichten von der Sponheimer Bibliothek des Abtes Jo-hannes Trithemius. In: Festgabe Hermann Grauert, hg. von Max Iansen, Frei-burg 1910, S. 205--210, hier S. 206; ARNOLO,Trithemius (wie Anm. 1), S. 56 und69. Ein Staunen über die Sponheimer Bibliothek ist im Jahr 1494 auch bei Rut-ger Sycamber bezeugt. Vgl. LEHMANN(wie oben), S. 206. - Zu Rutger Sycamber(bezeugt bis 1516/17): Konrad WIEDEMANN,Rutgerus Sycamber. In: Contem-poraries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reforma-tion, hg. von Peter G. Bietenholz, 3 Bde. Toronto u.a. 1985--1987, hier 3, S. 301£.

22 Erstdruck Basel: (Iohann Arnerbach) 1494 (Hain *15613). Zu diesem Werk: AR-NOLO,Trithemius (wie Anm. 1), S. 60, 90, 92,117-119,139,217,250.

23 Zu diesem Topos siehe Jakob WIMPFELING,Briefwechsel. Eingeleitet, kommen-tiert und hg. von Otto Herding und Dieter Mertens, 2 Bde. München 1990(= [acobi Wimpfelingi Opera selecta III / 1 Epistolae), S. 164 Anm. 3 und dasGedicht des Rutger Sycamber auf Trithemius' Catalogus (Anhang 3). Ausführ-lich Peter AMELUNG,Das Bild der Deutschen in der Literatur der italienischenRenaissance (1400-1559) (= Münchner romanistische Arbeiten 20). München1964. - Zu Albertus Magnus (um 1200-1280): Albertus Magnus. Zum Geden-ken nach 800 Jahren. Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven, hg. vonWalther SENNER(= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikaner-ordens NF 10). Berlin 2001.

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erklärt seinem Gast diese Sichtweise damit, dass so der eigene Ruhm umsogrößer erscheint, und versichert ihm, es gebe noch weit mehr deutscheSchriftsteller als in seinem Buch De scriptoribus ecclesiasticis verzeichnetseien. Zum Beweis holte er ein Werk hervor, bei dem es sich der Paraphra-sierung nach um den Caialogus illustrium virorum Germaniae handelt/".Alles weitere ist Teil der Vorgeschichte zur Drucklegung des Catalogus:Herbenus bittet Trithemius, das Opus nicht der Allgemeinheit vorzuent-halten, sondern in Druck zu geben, was der Abt von Sponheim nach Aus-weis des Schreibens an Jodokus Beissel auch am folgenden Tag tut.Schließlich verweist Herbenus noch auf die positiven Auswirkungen, dieeine Veröffentlichung dieses Werkes nach sich ziehen wird: Die Lektüreund Nachahmung/f werden zur Vermehrung der Schar heiliger und umdie schönen Künste bemühter Männer beitragen/", Die zusammenfassendeSchlussbemerkung (Anhang 1, Zeile 57f) zeigt noch einmal, dass es sich beiden dargelegten Begebenheiten tatsächlich um das für Herbenus Wichtigs-te an seinem Aufenthalt in Sponheim handelte.Für den Abdruck der vorliegenden Quelle als Beigabe muss der Adressatin irgendeiner, mangels schriftlicher Zeugnisse nicht nachweisbaren FormKontakt mit Trithemius aufgenommen haben. Ob und inwiefern dasSchreiben für diesen Zweck überarbeitet wurde, ist nur zu vermuten. Vordem Hintergrund des erwähnten Topos - dessen Widerlegung ein zentra-les Anliegen des Catalogus illusirium uirorum Germaniae ist27 - mögen das

24 Vg!. Anhang 1, Zeile 47f.25 Der aus der Hagiographie stammende lmitatio-Begriff erfuhr im Humanismus

eine eigene Ausformung unter dem Gesichtspunkt der Antikenrezeption.Kurzinformation dazu bei: A[ugust] BUCK,Imitatio. In: Lexikon des Mittelal-ters 5, 1991, Sp. 385f.

26 Die Wertschätzung dieses Werks durch Herbenus findet auch in einem kurzenGedicht, das der Erstausgabe des Catalogus illustrium virorum ebenfalls beige-geben ist, ihren Ausdruck (Anhang 3). Welche Bedeutung auch andere Zeitge-nossen dem Catalogus beimaßen, zeigt z.B. das der Editio princeps ebenfallsbeigegebene Gedicht des Rutger Sycamber (Anhang 3).

27 Dies geht z.B. aus der Vorrede des Trithemius zu seinem Werk (Ed.: WIMPFE-L1:\G, Ep. 23, wie Anm. 23, S. 163-166 [mit Regest]) sowie der Vorrede Wimpfe-lings zu seinen Ergänzungen zum Catalogus (Ed.: WIMPFELlNG,Ep. 33, wieAnm. 23, S. 201-209 [mit Regest]) und ferner dem Gedicht des Rutger Sycam-ber auf den Caialogus hervor (siehe Anhang 3). - Zu Jakob Wimpfeling: DieterMERTE1\:S,Jakob Wimpfeling. In: Humanismus im deutschen Südwesten. Bio-graphische Profile, hg. von Paul-Gerhard Schmidt. Sigmaringen 1993, S. 35-57.Ausführlich: Charles ScHMIDT,Histoire litteraire de l'Alsace a la fin du xve etau commencement du xvre siede, 2 Bde. Paris 1879, ND Hildesheim 1966, hier2, S. 330-335, bes. S. 331 (Nr. 53); [oseph KNEPPER,Jakob Wimpfeling (1450-1528). Sein Leben und seine Werke (= Janssens Geschichte des deutschenVolkes 3, 2-4). Freiburg i.Br. 1902, ND Nieuwkoop 1965.

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Gespräch mit Trithemius im zweiten Teil des Briefes und einige Formulie-rungen, die in diesen Kontext einzuordnen sind, einer Überarbeitung ge-schuldet sein: So der prononcierte Verweis auf gewisse gelehrte Männer undzwar in Deutschland (doctissimos quosdam viros [Germanos quidem] Anhang I,Zeile 7), was durch den Zusatz die am Rhein leben (in partibus Rheni AnhangI, Zeile 8) konkretisiert wird. Denn auch Trithemius und Wimpfeling be-ziehen sich in ihren Vorreden zum Catalogus bzw. zur Prosthesis nicht nurausführlich auf Gelehrtenturn in Deutschland. Wimpfeling erwähnt auchspeziell Gelehrte am Rhein wie auch die Ausführungen des Trithemius inseinem Widmungschreiben an Wimpfeling sinngemäß mit dem bei Herbe-nus geschilderten Gespräch über den Catalogus ubereinstirnmen-", In die-sen Zusammenhang passt auch der erwähnte Preis Sponheims als Stiittegriechischer Gelehrsamkeit.Auf eine Überarbeitung zurückgehen mag auch die einleitende Darlegungzum Hintergrund für den Besuch in Sponheim, den Aufenthalt in Aachenbei Beissei und dem Empfehlungsschreiben desselben für Herbenus. Denndem Adressaten waren die Zusammenhänge, da selbst in das Geschehenmiteinbezogen, bekannt. Für den Leser der Beigabe des Catalogus illustriumvirorum Germaniae hingegen ergibt sich so ein abgerundetes Bild.Der geschilderte Besuch war für Herbenus der Beginn weiterer Kontaktemit Trithemius. So sind Briefe des Abtes von Sponheim an ihn vom 8. Juli150529 und vom 16. August 150730 erhalten. Darüber hinaus ist in dem erst-genannten Schreiben ein weiterer Besuch des Herbenus im Jahr 1503 inSponheim belegt, bei dessen Gelegenheit der Gast die von Trithemius um1496 angefertigte Übersetzung von Dionysius Areopagitas Theologia mys-tica und Theologia symbolica ausgeliehen hatte. Trithemius mahnt die Rück-gabe der Bücher in seinem Brief an. Desungeachtet blieb des Verhältnis of-fenbar ungetrübt, denn in demselben Schreiben gratuliert der Abt demAdressaten zur Priesterweihe". Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dassTrithemius in seinem Schreiben an Jodokus Beissei vom 26. August 1507unter anderen Herbenus als gemeinsamen Freund bezeichnet, der den Aa-chener Advokaten wohl von seiner Amtsniederlegung in Sponheim unter-richtet haben werde".

28 Wie Anm. 27.29 TRITHEMIUS,Opera historica 2 (wie Anm. 2), S. 450f. Vg!. auch ARNOLD,Trithe-

mius (wie Anm. I), S. 78 mit Anm. 24 und 271.30 TRITHEMIUS,Opera historica 2 (wie Anm. 2), S. 554f. Zu diesem Brief auch

BRANN,Abbat Trithemius (wie Anm. 5), S. 34f; ARNOLD,Trithemius (wieAnm. I), S. 101 Anm. 151,279.

31 Zu diesem Brief auch ARNOLD,Trithemius (wie Anm. I), S. 78 mit Anm. 24;BRANN,Abbat Trithemius (wie Anm. 5), S. 270f.

32 TRITHEMIUS,Opera historica 2 (wie Anm. 2), S. 560f, hier bes. S. 560. Zu diesemBrief auch: BRANN,Abbat Trithemius (wie Anm. 5), S. 73.

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EI:-.lBESUCHBEIJOHANNESTRITHEMIUS 151

ANHANG

Freher nahm für seine Edition von 1601 (im Apparat B)mancherlei Ände-rungen vor, um den Text in Schreibweise und Interpunktion den Gepflo-genheiten seiner Zeit anzupassen. So wurden die 1495 (im Apparat A) gra-phematisch durch e wiedergegebenen Umlaute ae und oe bis auf wenigeAusnahmen durch ae bzw. oe sowie -ei- durch -ti- ersetzt. Weiterhin wurdedie Schreibung von ludocus in lodocus umgewandelt, die von Trithemiusselbst verwandte Form Tritemills33 durch die auch heute übliche Schreib-weise Triihemius ersetzt. Varianten finden sich zudem vor allem im Bereichder Groß- und Kleinschreibung, so bei geographischen Namen, Sprachbe-zeichnungen und Eigennamen, die in der Editio princeps klein, 1601meis-tenteils groß geschrieben werden. Im Bereich der Interpunktion wurdenPunkte, die der Abtrennung von Nebensätzen und einzelner Kola bei Auf-zählungen dienen, durch Kommata ersetzt. Schließlich wurde der zuerstfortlaufend abgedruckte Text durch Absätze in Form langer Spatien geglie-dert. Darüber hinaus bewahrt Freher Eigenheiten des Originals, indern inKlammern gesetzte Einschübe auch in den Opera historiea als solche er-scheinen, während die Konjunktion et innerhalb des Satzes durch & ersetztwird.Unterschiede in der Textgestalt sind darüber hinaus selten: So ist statt Si inGermania nostra sacra aliqua Grecaue (Anhang I, Zeile 29) bei Freher si inGernuniia nostra Hebraea aliqua Graeeaue zu lesen. Dabei muss offen bleiben,ob es sich um Emendationen Frehers handelt oder ob er diesen Wortlaut ineiner unbekannten, heute verlorenen Handschrift vorfand. Nach eigenenAussagen benutzte Freher einen aus der Sponheimer Bibliothek stammen-den Textzeugen, der von Trithemius selbst angelegt und vermehrt wurde,jedoch bedauerlicherweise durch Nachlässigkeit seiner Nachfolger unddurch Kriege auseinander gerissen und beseitigt wurde, so dass kaumetwas davon bei Stauronesus - was nicht zu klären ist - erhalten sei34.Von Freher nicht aufgenommen wurden die der Erstausgabe fo1.(vj") bei-gegebenen Gedichte des Herbenus und des Rutger Sycamber (Anhang 2und 3).

33 Z. B. Codd. Würzburg, UB, M.ch.f. 340; Rom, BAY, Vat. lat., fo1. P, 95v, 96r,191". Vg1. AR!':OLD, Trithemius (wie Anm. 1), S. 67 mit Anm. 66, 261 Anm. 2und 3. Sonstiges zu Autographen des Trithemius ebd., S. 64--69.

34 TRITHEMIUS,Opera historica 1 (wie Anm. 2), fo1. * 3r: Vnvm dieo BibliothecaeSpanhemensis a se potissimum siructae & auctae, uariorum & optimarum codicumthesaurum incomparabilem: quem postea successorum partim incuria, partim tem-porum iniuria bellerum ciuilium tutbis. direptum & sublaium intercidisse, vt vix vi/iaeius ruta caesa quaedammodo apud Stauronesum asseruata supersini, satis deplorarinOli potest.

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152 SUSANN EL KHOLI

Für den nachstehenden Text wurde der Lautstand der Erstausgabe be-wahrt, Suspensions- und Kontraktionskürzungen aufgelöst, die schon beiFreher greifbaren Änderungen in Groß- und Kleinschreibung vollständigdurchgeführt, ferner die Interpunktion den heutigen Gepflogenheiten an-gepasst und Sinnabschnitte durch Absätze gegliedert.

1.

Epistola magistri Matthei Herbeni Traicetensis, ad insignem virum Iudo-cum Beyselium=, patricium-" Aquensem-".

Cum38 nuper e solo paterno ad vlteriores Germanie partes profecturus dis-cedens, ad Aquasgrani peruenissem, teque Iudoce-'? amicorum obseruan-dissime pro veteri iam prope nostra coniunctione atque arniciciaw sa-lutandi gratia domi conuenissem. Accepi in mandatis, ut in ea peregrina-cione'" doctissimos quosdam viros (Germanos quidem) gratia et42 beneuo-lentia tibi obstrictos, quos in partibus Rheni haberes adirem et43ex tuo no-mine salutarem.

Postquam igitur eo loci nauigio applicuissem vbi Nahus apud PingionesRheno influens, iter per Crutzennachum euntibus monstrat ad Spanhem.Mox euolo e naui, ad Tritemium+' abbatem eius cenobij me accingo. Salutoprimum, deinde literas tuas trado. Proinde ita ab eo amp lector, ut nequelautius neque clementius amagno prelato excipi potuissem.Ubi autem occasio deambulandi concessa est (quod plerumque post pri-mos amicorum congressus atque refectiones sit) circumfert me atque ilic045in admirandam bibliothecam suam introducit, vbi pIu rima turn Hebreawturn Greca47 volumina intueor. Nam Latinorum in omni arte, scientia et48facultate ingens copia erat. Demiros itaque vnius hominis in tarn varijs mo-nimentis consequendis constituendisque exactam diligentiam atque vehe-

35 virum Iudocum Beyselium] VIRVMIODOCVMBEYSELIVMB.36 patricium] patricinm A.37 Aquensem] PATRICIVMAQVENSEMB.38 Cum] CVMB.39 Iudoce] Iodoce B.40 amicicia] amicitia B.41 peregrinacione] peregrinatione B.42 et] & B.43 et] & B.44 Tritemium] Trithemium B.45 Iliea 1 illicoB.46 Hebrea] Hebraea B.47 Greca]Graeca B.48 et] & B.

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EIN BESUCH BEI JOHANNES TRITHEMIUS 153

menter obstupesco: Cum in tota Germania non existimauerim tantum pe-regrinorum voluminum extitisse. Nam quique linguarum (sermone et49 ea-ractere a se longe distantium) libros in codicibus perantiquis illic repperi,quos Tritemij'" vigilans studium non sine multo sudore comportauit. Hocigitur modo (Iudoce'" doctissime) fulcitam inueni Spanhemensem biblio-thecam. Neque earn solum verumetiam et52 parietes tocius domus abbacia-!isS3(que ampla est) e~ testudinea camerarum Grecis,S5Hebreis.= Latinisversibus caracteribus decentissime ornatas aspexi. Quamobrem ego quo-que ita mecum reputo, si in Germania nostra sacra'" aliqua Crecaue'" aca-demia sit, ea Spanhemense cenobium est, vbi plus erudicionis'" conciperepossis ex parietibus quam multorum aliorum puluerulentis atque libroruminanibus bibliothecis. Quicquid enim antiquitatis et60 erudicionis'" Germa-nia in !ibris habere potest, monasterium Spanhemense Tritemio'S abbateprocurate possidet.Mansi autem apud abbatem nostrum dies vndecim non sine exacta memo-ria tui. Vbi cum quadam die inter loquendum in eius libri sermonem quide scriptoribus ecclesiasticis est editus incideremus, intuli mirari me tarnpraeclaros scriptores quos in eo libro cognoueram Germaniam nos tram ha-buisse et63etiam hodierna die habere meminisseque a quodam doctissimophilosopho Italico audisse, nemine m se vnquam doctum Germanum prop-ter vnum Albertum Magnum legendo vsquam comperisse. Turn veroabbas subridens. Ea64 inquit, magis igitur credendum est Italos German-orum laudes in scriptis suis ex professo preterisse='', quo ex aliorum preter-itione'" suorum gloria maior videretur. Possum quidem tibi pal am faceremulto plures vetussimos atque celeberrimos Germanos scriptores extitisse

49 et 1& B.50 Tritemij1TrithemijB.51 Iudoce 1 IodoceB.52 et 1 & B.53 abbacialis1 abbatialisB.54 et 1& B.55 Grecis1GraecisB.56 Hebreis 1HebraicisB.57 sacra 1Hebraea B.58 Grecaue 1GraecaueB.59 erudicionis 1eruditionis B.60 et 1& B.61 erudicionis 1eruditionis B.62 Tritemio1TrithemioB.63 et 1 & B.64 Ea 1 eo B.65 preterisse 1praeteriisseB.66 preteritione 1 praeteritione B.

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quam in libro meo de scriptoribus ecclesiasticis agnouisti. Et producens exbibliotheca illa sua ingentem librum, nihil nisi Cermanie'" doctissimosscriptores et68 sanctissime memories? viros comprehendentem ostendit,quem ut inspexi, cepi instantissime orare atque obsecrare (quod eeo te eelquemlibet doctum virum fecisse non ambigo) efficeret ne tanta gloria rnai-orum nostrorum Gerrnania nostra deinceps orba degeret curaretque primoquoque die officine impressorie'? mandaretur. Effecturum enim quo exeius lectione atque imitacione plures sanctos viros et73 bonarum artiumstudiosos essemus habituri. Exoraui itaque abbatem qui se alioquin faci-lern prebet amicis ipsumque volumen ad laudem Germanie nostre/! obti-nui imprimendum.Hec sunt Iudoce'" suauissime que apud dominum abbatem Spanhemen-sem agnoui, vidi, effeci, que longioris more impatiens ad te scribe re insti-tui. Vale. Ex cenobio Spanhemensi xix. kalendis/" septembris anno virgineipartus millesimo.ccccxcv'".

Brief des Magisters Matthäus Herbenus aus Maastricht an den berühmtenJodokus Beissel, Advokat in Aachen.Neulich verließ ich die heimische Erde, um mich zu entfernteren GebietenDeutschlands aufzumachen. Ich karn nach Aachen und suchte dich, Iodo-kus, den geachtetesten meiner Freunde, zu Hause auf, um dich, um unse-rer fast schon alten Verbindung und Freundschaft willen, zu begrüßen. Icherhielt den Auftrag, auf dieser Reise gewisse, sehr gelehrte Männer (undzwar deutsche), die dir durch Dank und Gunst verpflichtet sind und dieam Rhein leben, zu besuchen und von dir zu grüßen.Nachdem ich mich mit dem Schiff dem Ort genähert hatte, wo die Nahebei Bingen in den Rhein fließt, führte der Weg durch Kreuznach nachSponheim. Bald darauf verließ ich eilig das Schiff, begab mich zu Trithe-mius, dem Abt dieses Klosters [und] begrüßte ihn zunächst. Dann übergabich deinen Brief. Dafür wurde ich von ihm umarmt, sodass ich weder bes-ser noch gnädiger von einern hohen Geistlichen hätte empfangen werden

67 Germanie ] Germaniae B.68 et] & B.69 sanctissime memorie ] sanctissimae memoriae B.70 et] & B.71 et] & B.72 officine impressorie ] officinae impressoriae B.73 et] & B.74 Germanie nostre ] Germaniae nostrae B.75 Iudoce] Iodoce B.76 kalendis ] calendis B.77 millesimo ccccxcv] millesimo.cccc.xcv.A.

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EN BESUCH BEI JOHANNES TRITHEMIUS 155

können. Sobald sich aber die Gelegenheit ergab umherzugehen - wasmeistens nach den ersten Begegnungen der Freunde und Erquickungender Fall ist - führte er mich sogleich in seine bewundernswerte Bibliothek,wo ich bald hebräische, bald griechische Bände mit Bewunderung betrach-tete. Dann gab es eine ungeheure Menge lateinischer [Bücher] zu jeglicherKunst, Wissenschaft und Sparte. Ich wunderte mich daher über die voll-kommene Genauigkeit eines einzigen Menschen in der Kenntnis und beimOrdnen so verschiedener Zeugnisse. Und noch mehr erstaunte ich, weilich nicht gedacht hätte, dass in ganz Deutschland so viele fremdländischeBücher vorhanden sind. Denn dort habe ich Bücher in jeglicher Sprache(die sich in Idiom und Schriftzeichen stark voneinander unterscheiden) inuralten Handschriften gefunden, welche das wachsame eifrige Streben desTrithemius mit Mühe zusammengetragen hat. So beschaffen also, mein ge-lehrter Jodokus, fand ich die prachtvolle Bibliothek von Sponheim vor.Und nicht nur sie allein, sondern auch die Wände des gesamten Abtshau-ses (das geräumig ist) und die gewölbten Plafonds der Räume erblickte ichmit Versen in griechischen, hebräischen und lateinischen Schriftzeichensehr schön geschmückt. Deshalb dachte ich auch bei mir: Wenn es bei unsin Deutschland irgendeine geistliche und griechische Stätte der Gelehr-samkeit gibt, so ist es das Kloster Sponheim, wo man aus den Wändenmehr Bildung in sich aufnehmen kann als in den staubigen und schlechtausgestatteten Bibliotheken der meisten anderen [Klöster]. Was auchimmer nämlich Deutschland an Büchern, die ein hohes Alter aufweisenund der Bildung nützlich sind, haben kann, besitzt das Kloster Sponheimdurch die Sorge des Abtes Trithemius.

Ich aber verweilte elf Tage lang bei unserem Abt, wobei ich deiner sehrwohl gedachte. Als wir an einem Tag bei einem Gespräch auf das Buch,das er über die kirchlichen Schriftsteller veröffentlicht hat, kamen, brachteich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass wir so berühmteSchriftsteller, die ich in diesem Buch fand, in Deutschland hatten undsogar bis zum heutigen Tag haben. Und ich erinnerte mich, von einemberühmten italienischen Philosophen gehört zu haben, er habe niemalsetwas von einem gelehrten Deutschen außer einzig und allein von Alber-tus Magnus in Erfahrung gebracht. Darauf aber lächelte der Abt. "Dem-nach", sagte er, "muss man also eher glauben, dass die Lobsprüche der Ita-liener über die Deutschen in ihren Schriften vorsätzlich übergangen wor-den sind. Durch das Übergehen der anderen scheint ihr eigener Ruhmgrößer. Ich vermag dir mit Sicherheit darzulegen, dass es weitaus mehralte und neue deutsche Schriftsteller gab als du in meinem Buch über diegeistlichen Schriftsteller gesehen hast." Und er holte aus seiner Bibliothekein gewaltiges Buch hervor, das, wie er [mir] zeigte, ausschließlich sehr ge-lehrte Schriftsteller Deutschlands und Männer sehr heiligen Andenkensbeinhaltet. Sobald ich dieses Buch eingesehen hatte, begann ich ganz ein-

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dringlich zu bitten und zu flehen (was auch du und jeder andere Gelehrtezweifellos getan hätte), er möge sich darum bemühen, dass unser Deutsch-land nicht ohne einen solchen Ruhm unserer Väter seine Zeit zubringenmuss. Und er trug auch gleich am nächsten Tag dafür Sorge, dass es ineine Druckerei gegeben wurde. Die Lektüre und Nachahmung dieses Wer-kes wird nämlich zu Folge haben, dass wir mehr untadelige und um dieschönen Künste bemühte Männer haben werden. Ich flehte daher den Abtan, der sich in jeder Hinsicht den Freunden sehr zugänglich zeigte, und icherhielt den Band selbst, der zum Lob unseres Deutschlands gedruckt wer-denmuss.

Dies, mein lieber [odokus, sind meine Erlebnisse bei dem Abt von Spon-heim. Ungeduldig noch länger zu warten, habe ich gleich begonnen, dir zuschreiben, was ich nicht länger aufschieben wollte.Lebewohl. Aus dem Kloster Sponheim, am 14. August im Jahr der Jung-frauengeburt 1495.

2.Epigramma Matthei Herbeni Traicetensis in librum de scriptoribus Germa-nis.I sacer in medium satis expectate libelle

Gloria Theutonum qua mage sole nitetIlIustratur enim labor arduus et decus ingens

Heroum, quorum fama sepulta fuit.Tritemio multum debet Germania tota

Qui te spectandum parue libelle dedit.

Epigramm des Matthäus Herbenus aus Maastricht auf das Buch von dendeutschen Schriftstellern.Geh hinaus ins Weite, überaus ersehntes Büchlein,der Ruhm der Deutschen erstrahlt dadurch mehr als die Sonne,es wird nämlich harte Arbeit dargelegt und eine ungeheure Zierdeder Heroen, deren ruhmreiches Andenken begraben war.Ganz Deutschland schuldet Trithemius viel,der dich, kleines Büchlein, zum bewundernden Betrachten gab.

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EIN BESUCH BEI JOHANNES TRITHEMIUS 157

3.

Rutgeri Sicambri Dumetensis in eundem librum carmen.Hoc opus eximium legito: claros Alemannos

Inuenies Italis viribus esse pares.Uiribus ingenij dixi, quid promo pares? Sunt

Egregia mage vena: liber iste probat.Claros valde Italos fecere frequentia scripta

Germanos ab humo littera nulla leuatQuod cernens dominus Tritemius inclytus abbas

Compassus doctis edidit ista viris.Sit domino Christo laus, virtus, gloria, terre

Qui tarn grande decus contulit ante rudi.

Gedicht des Rutger Sycamber auf dasselbe Werk.Dieses vortreffliche Werk lies: Du wirst befinden,dass die berühmten Alemannen den Italienern an Kräften ebenbürtig sind.An Geisteskräften habe ich gesagt; was sage ich ebenbürtig? Sie sindvielmehr die erlesene Pulsader - dieses Buch zeigt es.Die Italiener machen zahlreiche Schriften sehr berühmt,Die Deutschen erhebt kein einziger Buchstabe von der Erde.Dies erkannte Herr Trithemius, der berühmte Abt,der Mitleid mit den Gelehrten hatte und jenes herausgab.Dem Herrn Jesus Christus sei Lob, Kraft [und] Ehre,der der Erde, die zuvor roh war, eine so große Zierde verlieh.