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Arsenlipide DOI: 10.1002/ange.200502706 Arsenhaltige FettsȨuren im menschlichen Urin als Abbauprodukte von Arsenlipiden nach Verzehr von Dorschleberprodukten** Ernst Schmeisser, Alice Rumpler, Manfred Kollroser, Gerald Rechberger, Walter Goessler und Kevin A. Francesconi* Arsen ist schon lange fɒr seine toxischen Eigenschaften be- kannt. Dies trifft vor allem auf das hoch giftige Arsentrioxid zu, das geruchlos, geschmacklos und farblos ist. Mit der Entwicklung von Methoden zur Arsenbestimmung im Spu- renbereich ging die Bedeutung von Arsen als „Erbschlei- chergift“ schlagartig zurɒck. Heute macht Arsen vor allem in Gegenden mit hohen Konzentrationen im Trinkwasser von sich reden. Es ist wissenschaftlich anerkannt, dass chronische Aufnahme von anorganischen Arsenspezies ɒber das Trink- wasser zu erhɆhtem Haut-, Nieren- und Blasenkrebsrisiko fɒhren kann. [1] Weit weniger bekannt ist, dass sich Arsen in einer Vielzahl unserer Nahrungsmittel, allerdings organisch gebunden, wiederfindet. Bisher wurden rund 40 natɒrlich vorkommende Organoarsenverbindungen identifiziert. [2] Vor allem in Meeresfrɒchten ist organisch gebundenes Arsen nicht selten in Konzentrationen bis 100 mg As g 1 (Feuchtge- wicht) zu finden. Dies fɒhrt zu der Frage, welches gesund- heitliche Risiko der regelmȨßige Verzehr von Meeresfrɒch- ten mɆglicherweise mit sich bringt. Um die Konsumenten bestmɆglich zu schɒtzen, wurden schon vor lȨngerer Zeit [3] und auch erst kɒrzlich wieder [4] Metabolismusstudien mit nicht toxischen organischen Arsenverbindungen durchge- fɒhrt, um herauszufinden, ob die ursprɒnglich vɆllig unge- fȨhrlichen Arsenverbindungen im menschlichen KɆrper in neue Arsenverbindungen mit unbekannter ToxizitȨt umge- wandelt werden. Unser Wissen ɒber wasserlɆsliche Arsenverbindungen beschrȨnkte sich bis vor kurzer Zeit auf quartȨre Arsonium- verbindungen (z.B. Arsenobetain) und Oxodimethylarsen- verbindungen (z.B. Arsenzucker). [2] Neben den wasserlɆsli- chen gibt es auch viele lipidlɆsliche Arsenverbindungen (kurz Arsenlipide genannt), die in manchen Proben bis zu 50 % oder mehr des Gesamtarsengehaltes ausmachen. [5] Unser Wissen ɒber Arsenlipide (Struktur, ToxizitȨt, Metabolismus) ist im Vergleich zu dem ɒber wasserlɆsliche Arsenverbin- dungen gering. Bis heute wurde nur ein aus einer Alge iso- liertes Arsenlipid vollstȨndig charakterisiert. Dabei handelt es sich um ein acyliertes Arsenzuckerderivat, wie aus den Arbeiten von Benson et al. [6, 7] sowie von Morita und Shibata [8] hervorgeht. Forschungsergebnisse aus den letzten zwei Jahren haben das Wissen ɒber Arsenverbindungen in biologischen Proben durch die Entdeckung wasserlɆslicher, schwefelhal- tiger Arsenverbindungen [9–12] in biologischen Proben und den direkten Nachweis von zehn oder mehr zuvor unbekannten Arsenlipiden in FischɆlen maßgeblich erweitert. [5] Wir beschȨftigen uns mit den gesundheitlichen Auswir- kungen von Arsenverbindungen in Nahrungsmitteln, wobei der Schwerpunkt auf den Arsenlipiden liegt. Arsenlipide werden hauptsȨchlich ɒber fettreiche Fische und ɒber Nah- rungsergȨnzungsmittel, z.B. FischɆlkapseln oder Lebertran (hȨufig als Quelle fɒr Vitamin D und Omega-3-FettsȨuren konsumiert, um Herz- und Kreislaufkrankheiten vorzubeu- gen) aufgenommen. Es ist uns nun gelungen, vier bisher unbekannte Arsen- verbindungen nach dem Verzehr von Dorschleber und DorschleberɆl im menschlichen Urin als Abbauprodukte von Arsenlipiden zu identifizieren. Dabei handelt es sich um die FettsȨuren ThiodimethylarsenpropansȨure (thio-DMAP), ThiodimethylarsenbutansȨure (thio-DMAB) sowie deren Sauerstoffanaloga, OxodimethylarsenpropansȨure (oxo- DMAP) und OxodimethylarsenbutansȨure (oxo-DMAB). Darɒber hinaus lȨsst sich auf der Basis unserer Ergebnisse ɒber das Vorhandensein von homologen langkettigen dime- thylierten ArsenfettsȨuren als Stoffwechselprodukten von Arsenlipiden spekulieren. Insgesamt lȨsst sich feststellen, dass schwefelhaltige Arsenverbindungen gȨngige menschli- che Stoffwechselprodukte nach Verzehr von Oxodimethyl- arsenverbindungen sind; des Weiteren kann ein erster Ein- blick in die chemische Struktur von Arsenlipiden in Fischen gewonnen werden. Das Experiment wurde in zwei Teilen durchgefɒhrt: Im ersten Teil wurde eine bekannte Menge Dorschleber im ei- genen Ȕl von einem Probanden konsumiert. Im zweiten Teil wurde von derselben Person nur das DorschleberɆl verzehrt. Der Arsenlipidgehalt der Dorschleber wurde zu 73 %, der im DorschleberɆl zu 100 % des Gesamtarsengehaltes bestimmt. Neben Arsenlipiden wurden in der Dorschleber noch 27 % wasserlɆsliches Arsen, vor allem in Form von Arsenobetain [*] E. Schmeisser, A. Rumpler, Dr. W. Goessler, Prof. K.A. Francesconi Institut fɒr Chemie – Analytische Chemie Karl-Franzens-UniversitȨt Graz UniversitȨtsplatz 1, 8010 Graz (Ȕsterreich) Fax: (+ 43) 316-380-9845 E-mail: [email protected] Dr. M. Kollroser Institut fɒr Gerichtliche Medizin Medizinische UniversitȨt Graz UniversitȨtsplatz 4, 8010 Graz (Ȕsterreich) Dr. G. Rechberger Institut fɒr Molekulare Biowissenschaften Karl-Franzens-UniversitȨt Graz Heinrichstraße 31a, 8010 Graz (Ȕsterreich) [**] Diese Arbeit wurde durch den Ȕsterreichischen Wissenschafts- fonds (FWF Projekt P16088-N03) unterstɒtzt. Angewandte Chemie 157 Angew. Chem. 2006, 118, 157 –160 # 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Arsenhaltige Fettsäuren im menschlichen Urin als Abbauprodukte von Arsenlipiden nach Verzehr von Dorschleberprodukten

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Arsenlipide

DOI: 10.1002/ange.200502706

Arsenhaltige Fetts uren im menschlichen Urin alsAbbauprodukte von Arsenlipiden nach Verzehrvon Dorschleberprodukten**

Ernst Schmeisser, Alice Rumpler, Manfred Kollroser,Gerald Rechberger, Walter Goessler undKevin A. Francesconi*

Arsen ist schon lange f�r seine toxischen Eigenschaften be-kannt. Dies trifft vor allem auf das hoch giftige Arsentrioxidzu, das geruchlos, geschmacklos und farblos ist. Mit derEntwicklung von Methoden zur Arsenbestimmung im Spu-renbereich ging die Bedeutung von Arsen als „Erbschlei-chergift“ schlagartig zur�ck. Heute macht Arsen vor allem inGegenden mit hohen Konzentrationen im Trinkwasser vonsich reden. Es ist wissenschaftlich anerkannt, dass chronischeAufnahme von anorganischen Arsenspezies �ber das Trink-wasser zu erh(htem Haut-, Nieren- und Blasenkrebsrisikof�hren kann.[1] Weit weniger bekannt ist, dass sich Arsen ineiner Vielzahl unserer Nahrungsmittel, allerdings organischgebunden, wiederfindet. Bisher wurden rund 40 nat�rlichvorkommende Organoarsenverbindungen identifiziert.[2] Vorallem in Meeresfr�chten ist organisch gebundenes Arsennicht selten in Konzentrationen bis 100 mg Asg�1 (Feuchtge-wicht) zu finden. Dies f�hrt zu der Frage, welches gesund-heitliche Risiko der regelm7ßige Verzehr von Meeresfr�ch-ten m(glicherweise mit sich bringt. Um die Konsumentenbestm(glich zu sch�tzen, wurden schon vor l7ngerer Zeit[3]

und auch erst k�rzlich wieder[4] Metabolismusstudien mitnicht toxischen organischen Arsenverbindungen durchge-f�hrt, um herauszufinden, ob die urspr�nglich v(llig unge-f7hrlichen Arsenverbindungen im menschlichen K(rper inneue Arsenverbindungen mit unbekannter Toxizit7t umge-wandelt werden.

Unser Wissen �ber wasserl(sliche Arsenverbindungenbeschr7nkte sich bis vor kurzer Zeit auf quart7re Arsonium-verbindungen (z.B. Arsenobetain) und Oxodimethylarsen-verbindungen (z.B. Arsenzucker).[2] Neben den wasserl(sli-

chen gibt es auch viele lipidl(sliche Arsenverbindungen (kurzArsenlipide genannt), die in manchen Proben bis zu 50%oder mehr des Gesamtarsengehaltes ausmachen.[5] UnserWissen �ber Arsenlipide (Struktur, Toxizit7t, Metabolismus)ist im Vergleich zu dem �ber wasserl(sliche Arsenverbin-dungen gering. Bis heute wurde nur ein aus einer Alge iso-liertes Arsenlipid vollst7ndig charakterisiert. Dabei handeltes sich um ein acyliertes Arsenzuckerderivat, wie aus denArbeiten von Benson et al.[6, 7] sowie vonMorita und Shibata[8]

hervorgeht. Forschungsergebnisse aus den letzten zwei Jahrenhaben das Wissen �ber Arsenverbindungen in biologischenProben durch die Entdeckung wasserl(slicher, schwefelhal-tiger Arsenverbindungen[9–12] in biologischen Proben und dendirekten Nachweis von zehn oder mehr zuvor unbekanntenArsenlipiden in Fisch(len maßgeblich erweitert.[5]

Wir besch7ftigen uns mit den gesundheitlichen Auswir-kungen von Arsenverbindungen in Nahrungsmitteln, wobeider Schwerpunkt auf den Arsenlipiden liegt. Arsenlipidewerden haupts7chlich �ber fettreiche Fische und �ber Nah-rungserg7nzungsmittel, z.B. Fisch(lkapseln oder Lebertran(h7ufig als Quelle f�r Vitamin D und Omega-3-Fetts7urenkonsumiert, um Herz- und Kreislaufkrankheiten vorzubeu-gen) aufgenommen.

Es ist uns nun gelungen, vier bisher unbekannte Arsen-verbindungen nach dem Verzehr von Dorschleber undDorschleber(l im menschlichen Urin als Abbauprodukte vonArsenlipiden zu identifizieren. Dabei handelt es sich um dieFetts7uren Thiodimethylarsenpropans7ure (thio-DMAP),

Thiodimethylarsenbutans7ure (thio-DMAB) sowie derenSauerstoffanaloga, Oxodimethylarsenpropans7ure (oxo-DMAP) und Oxodimethylarsenbutans7ure (oxo-DMAB).Dar�ber hinaus l7sst sich auf der Basis unserer Ergebnisse�ber das Vorhandensein von homologen langkettigen dime-thylierten Arsenfetts7uren als Stoffwechselprodukten vonArsenlipiden spekulieren. Insgesamt l7sst sich feststellen,dass schwefelhaltige Arsenverbindungen g7ngige menschli-che Stoffwechselprodukte nach Verzehr von Oxodimethyl-arsenverbindungen sind; des Weiteren kann ein erster Ein-blick in die chemische Struktur von Arsenlipiden in Fischengewonnen werden.

Das Experiment wurde in zwei Teilen durchgef�hrt: Imersten Teil wurde eine bekannte Menge Dorschleber im ei-genen "l von einem Probanden konsumiert. Im zweiten Teilwurde von derselben Person nur das Dorschleber(l verzehrt.Der Arsenlipidgehalt der Dorschleber wurde zu 73%, der imDorschleber(l zu 100% des Gesamtarsengehaltes bestimmt.Neben Arsenlipiden wurden in der Dorschleber noch 27%wasserl(sliches Arsen, vor allem in Form von Arsenobetain

[*] E. Schmeisser, A. Rumpler, Dr. W. Goessler, Prof. K. A. FrancesconiInstitut f*r Chemie – Analytische ChemieKarl-Franzens-Universit2t GrazUniversit2tsplatz 1, 8010 Graz (5sterreich)Fax: (+43)316-380-9845E-mail: [email protected]

Dr. M. KollroserInstitut f*r Gerichtliche MedizinMedizinische Universit2t GrazUniversit2tsplatz 4, 8010 Graz (5sterreich)

Dr. G. RechbergerInstitut f*r Molekulare BiowissenschaftenKarl-Franzens-Universit2t GrazHeinrichstraße 31a, 8010 Graz (5sterreich)

[**] Diese Arbeit wurde durch den 5sterreichischen Wissenschafts-fonds (FWF Projekt P16088-N03) unterst*tzt.

AngewandteChemie

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(eine Arsenverbindung, die durch den menschlichen Orga-nismus nicht verstoffwechselt wird) gefunden.[2,3] Nach demGenuss derDorschleber im eigenen "l sammelte der Probandjede Urinabgabe �ber einen Zeitraum von 66 h getrennt.Diese Proben wurden bis zur Analyse bei 4 8C gelagert. DerGesamtarsengehalt und die Arsenspezies in den einzelnenProben wurden mit „inductively coupled plasma mass spec-trometry“ (ICPMS) sowie HPLC/ICPMS gemessen. Bereitsinnerhalb von 24 Stunden wurden ca. 70% des aufgenom-menen Arsens wieder ausgeschieden (ca. 90% w7hrend dergesamten Dauer des Experiments).

Außer Arsenobetain, das bereits in der Dorschleber vor-handen war, und Dimethylarsins7ure waren vier unbekannteArsenverbindungen (U1, U2, U1*, U2*) in h(heren Kon-zentrationen vorhanden (Abbildung 1a, durchgezogeneLinie). Nach Oxidation der Urinprobe mit H2O2 verschwan-den die chromatographischen Signale f�r U1 und U2, undgleichzeitig wurde ein quantitativer Anstieg der Signale f�rU1* und U2* beobachtet (Abbildung 1b durchgezogeneLinie). Basierend auf 7hnlichen Beobachtungen[10] war zuvermuten, dass es sich beiU1* undU2* um Sauerstoffanalogader Thioarsenverbindungen U1 und U2 handelt. Die ersteschwefelhaltige Arsenverbindung wurde erst k�rzlich imUrinvon Schafen identifiziert.[9] Inspiriert durch diese Arbeitwurden in der Folge schwefelhaltige Arsenverbindungen inMuscheln[10–12] und menschlichem Urin nach Einnahme einesArsenzuckers gefunden.[4]

Um Informationen �ber die relative Acidit7t und Polari-t7t der vier unbekannten Arsenverbindungen zu erhalten,wurden diese auf unterschiedlichen chromatographischenSystemen untersucht (Tabelle 1, Methoden A–F). Einegleichzeitige Trennung aller vier Verbindungen gelang nurmit Methode D (Tabelle 1). Die Arbeit von Sloth und Mit-arbeitern,[13] in der erstmals Oxodimethylarsenpropans7ure(oxo-DMAP) in einem MeOH/Wasser-Extrakt von Dorsch-leber beschrieben wurde, legte den Schluss nahe, dass die

Abbildung 1. Umkehrphasenchromatogramme (Tabelle 1, Methode D)von Urin mit ICPMS(m/z75)-Detektion. a) Unbehandelter Urin (c)und Urin, aufgestockt mit thio-DMAP und thio-DMAB (g). b) Urin+ H2O2 (c) und Urin + H2O2, aufgestockt mit oxo-DMAP undoxo-DMAB (g).

Tabelle 1: Chromatographische Bedingungen f*r die Identifizierung von oxo-DMAP, thio-DMAP, oxo-DMAB und thio-DMAB.

Methode S2ule S2ulendimen-sionen [mm]

Eluent Flussgeschw.[mLmin�1]

T [8C] analysierte Spezi-es

tR [min] Detektor

A PRP-X100[b] 250I4.1 20 mm NH4H2PO4, pH 5.6 1.5 40 oxo-DMAPoxo-DMAB

2.85.9

ICPMS

B PRP-X100[b] 100I4.1 20 mm NH4HCO3,pH 10.3,3% MeOH

1.5 40 thio-DMAPthio-DMAB

7.812.3

ICPMS

C Zorbax 300SCX[c]

150I4.6 20 mm Pyridin, pH 2.6 1.5 30 oxo-DMAB 3.2 ICPMS

D Atlantis C18[d] 150I4.6 20 mm NH4H2PO4, pH 3.0 1 30 oxo-DMAPoxo-DMABthio-DMAPthio-DMAB

3.34.211.725.5

ICPMS

E Atlantis C18[d] 150I4.6 20 mm NH4H2PO4, pH 5.6 1 30 thio-DMAPthio-DMAB

9.714.5

ICPMS

F Atlantis C18[d] 150I4.6 20 mm NH4COOH,pH 3.0,3% MeOH

1 30 thio-DMAB 17.8 ICPMSESMS

G[a] Symmetry C18[d] 150I3.9 A: MeCN + 0.1%HCOOHB: 0.1% w2ssr. HCOOH

0.5 25 thio-DMAB 2.7 ESMS/MS

[a] Gradient: 0–10 min von 10 auf 100% A. [b] Hamilton, USA. [c] Agilent, Deutschland. [d] Waters, USA.

Zuschriften

158 www.angewandte.de � 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 157 –160

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beiden unbekannten U1 und U1* den Dimethylarsenpro-pans7urerest enthalten. Parallel dazu wurde das chromato-graphische Verhalten von zwei Arsenfetts7uren, die uns alsStandard zug7nglich waren, Oxo- und Thiodimethylarsenes-sigs7ure [(CH3)2As(O)CH2COOH und (CH3)2As(S)CH2

COOH], getestet. Die Ergebnisse ließen darauf schließen,dass es sich bei U2 und U2* um homologe Verbindungen miteinem Dimethylarsenbutans7urerest handelt. Daraufhinwurden oxo-DMAP, thio-DMAP, oxo-DMAB und thio-DMAB synthetisiert, die als analytische Standards f�r HPLC/ICPMS und in weiterer Folge f�r HPLC/ESMS und HPLC/ESMS/MS fungieren sollten (ESMS= electrospray massspectrometry).

Das chromatographische Verhalten der vier Standardsoxo-DMAP, thio-DMAP, oxo-DMAB und thio-DMABstimmte unter allen getesteten chromatographischen Bedin-gungen (Tabelle 1) mit dem der vier unbekannten Arsenver-bindungen im Urin �berein. Nach Zugabe von oxo-DMAP,thio-DMAP, oxo-DMAB und thio-DMAB zur Urinprobeund chromatographischer Trennung (Tabelle 1, Methoden A–D) wurden keine zus7tzlichen Signale beobachtet. Diese Er-gebnisse best7rkten uns in unserer Annahme, dass es sich beiden vier unbekannten Arsenverbindungen um diese vier Ar-senfetts7uren (oxo-DMAP, thio-DMAP, oxo-DMAB, thio-DMAB) handelt. Beispielchromatogramme sind in Abbil-dung 1a und b (gestrichelte Linie) gezeigt.

Eine Identifizierung von Verbindungen kann zu falschenErgebnissen f�hren, wenn die getrennten Analyten nur ele-mentselektiv (z.B. durch ICPMS) detektiert werden, vorallem wenn es sich um den Nachweis bisher unbekannterVerbindungen handelt.[14] Deshalb wurde versucht, mittelsmolek�lselektiver Massendetektion (ESMS) einen weiterenBeleg f�r die vorgeschlagenen Strukturen zu erhalten. DerSchwerpunkt wurde dabei auf thio-DMAB gelegt, da dieseArsenverbindung bisher noch nie beschrieben wurde. UmProblemen mit der Urinmatrix w7hrend des Elektrospray-prozesses aus dem Weg zu gehen, wurde die Probe vor derAnalyse einer einfachen Phenolpartitionierung unterzogen.Ein Elektrospray-Massenspektrum (aufgenommen mit einemeinfachen Quadrupol-Massenfilter) zeigte f�r den thio-DMAB-Standard ein klares Signal f�r das protonierte Mo-lek�lion bei m/z 225. Weiterhin wurden Fragmentionen beim/z 87 ([CH2CH2CH2COOH]+) und Signale bei m/z 107(AsS+, zus7tzlich best7tigt durch m/z 109 als 34S-Isotopen-signal) und m/z 91 ([MeAsH]+ oder AsO+, gebildet ausSpuren von O2 vom N2-Trocknungsgas

[15]) erhalten. DieseIonen wurden bei der HPLC/ESMS-Messung von Standard-thio-DMAB und dem Phenolextrakt selektiv aufgezeichnet.F�r den Phenolextrakt der Urinprobe wurden ebenfalls klareSignale bei m/z 225, 107, 91 und 87 bei einer Retentionszeitvon 17.8 min erhalten, die genau mit der von thio-DMAB�bereinstimmt. Nach Zugabe von thio-DMAB zum Phenol-extrakt erhielten wir nur erh(hte und unverzerrte chroma-tographische Signale f�r die aufgezeichneten Ionen (m/z 225,107, 91, 87).

Ein weiterer Nachweis f�r das Vorhandensein von thio-DMAB in der Probe wurde durch HPLC/ESMS/MS erzielt.Chromatographische Trennung (tR= 2.73 min) wurde miteiner Umkehrphasen-HPLC-S7ule und Gradientenelution

(Tabelle 1, Methode G) erreicht. F�r thio-DMAB wurdenfolgende charakteristische Fragmentionen erhalten: m/z 207(Abspaltung von H2O), 191 (Abspaltung von H2S), 179, 109,105 und 87 (Abbildung 2a). Anschließend wurde der Phe-

nolextrakt der Urinprobe mit dieser Methode untersucht. Imerhaltenen Chromatogramm ist ein Hauptsignal, das mit demStandard �bereinstimmt, bei tR= 2.74 min zu sehen. MS/MS-Spektren wurden durch HPLC und Aufzeichnung der Pro-duktionen erhalten, die aus der Vorstufe bei m/z 225 resul-tieren. Spektren f�r thio-DMAB und die Probe stimmten sehrgut �berein (Abbildung 2a und b). Die Ergebnisse der ele-mentselektiven und molek�lselektiven Massendetektion unddie chromatographischen Daten sind klare Indizien, dass dievier neuen Arsenfetts7uren Abbauprodukte von Arsenlipi-den nach Verzehr von Dorschleber sind.

Die Tatsache, dass oxo-DMAP bereits in Dorschlebergefunden wurde,[13] l7sst nicht ausschließen, dass diese Ver-bindungen bereits vor dem Verzehr in der Dorschleber vor-handen waren. Obwohl die Dorschleber ungef7hr 27% was-serextrahierbares Arsen enth7lt, gelang es aber nicht, dieseArsenfetts7uren in der Dorschleber nachzuweisen (< 10 mgAskg�1 Trockenmasse; weniger als 0.3% des Gesamtarsens),wogegen betr7chtliche Konzentrationen (3–15% des Ge-samtarsengehaltes) der Arsenfetts7uren im Urin gefundenwurden. Bei der Wiederholung des Experiments mit reinem

Abbildung 2. Produktionenchromatogramm und Spektrum von a) thio-DMAB, b) Phenolextrakt des Urins. Die Daten wurden mit einem Io-nenfallenmassenspektrometer erhalten. Das Molek*lion bei m/z 225wurde nach Produktionen im Massenbereich m/z 60–300 gescannt.

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Dorschleber(l wurden vergleichbare Mengen der Arsenme-taboliten oxo-DMAP, thio-DMAP, oxo-DMAB und thio-DMAB im Urin gefunden. Weiterhin ist erw7hnenswert, dassin der Studie von Sloth und Mitarbeitern[13] oxo-DMAP nurals Spurenbestandteil (0.4%) in der Dorschleber gefundenwurde und diese durch eine Teilhydrolyse von Arsenlipiden,in vivo oder w7hrend des Probenvorbereitungsprozesses(Wasser/MeOH-Extrakt), entstanden sein k(nnte.

Aufgrund unserer Ergebnisse kann man davon ausgehen,dass Arsenlipide, die in Dorschleber und Dorschleber(l vor-handen sind, im menschlichen K(rper zu Dimethylarsens7ureund den arsenhaltigen Fetts7uren, die in ihrer Oxo- oderThioform auftreten k(nnen, abgebaut werden. Es ist wahr-scheinlich, dass die Thioformen im K(rper aus den Oxofor-men gebildet werden, wie f�r andere Oxoarsenverbindungenvorgeschlagen wurde.[4] Die vorliegenden Ergebnisse legenden Schluss nahe, dass die Arsenlipide in Dorschleber undDorschleber(l (generell in Fisch(len) eine (CH3)2As(O)-Gruppierung aufweisen, die �ber eine Esterbindung an dieCarboxygruppe gebunden ist. In der Vielfalt von Arsenlipi-den in Dorschleber und deren Ol[5] und der Tatsache, dass nurzwei Arsenfetts7uren in gr(ßeren Konzentrationen gefundenwurden, scheint ein Widerspruch zu liegen, der sich aberdurch die Vielzahl der M(glichkeiten f�r den Aufbau vonEsterbindungen in Arsenlipiden erkl7ren l7sst.

Aus dem Chromatogramm (Abbildung 1b) kann mansehr gut erkennen, dass in der mit H2O2 oxidierten Urinprobeneben oxo-DMAP (tR= 3.3 min) und oxo-DMAB (tR=4.2 min), eine Serie von kleinen chromatographischen Si-gnalen bei Retentionszeiten von 5.5, 7.4, 9.2, 10.9, 12.1 und14.0 min vorhanden ist. Bei diesen Signalen k(nnte es sich umeine homologe Reihe von (CH3)2As(O)(CH2)nCOOH han-deln. Eine Korrelation der Retentionszeiten gegen die Zahlder Methylengruppen (n= 2–9) ergab eine Gerade mit einemKorrelationskoeffizienten von 0.99. Davon ausgehend kannman spekulieren, dass es sich bei den Arsenlipiden inDorschleber und Dorschleber(l oder allgemein in Fisch(lenzumindest teilweise um arsenhaltige Fetts7uren mit unter-schiedlicher Kettenl7nge handelt. In zuk�nftigen Arbeitensollen synthetische Modell-Arsenlipide mit unterschiedlicherFetts7urekettenl7nge �ber die Gesamtzusammensetzung derArsenlipide Auskunft geben und ihre biologische Funktionbeleuchten.

ExperimentellesAls Probe wurde ein kommerziell erh7ltliches Dorschleberprodukt(Dorschleber im eigenen "l, Larsen, D7nemark) verwendet. DieArsenkonzentration in der Dorschleber betrug 3.0 mgg�1 (Trocken-masse) und imDorschleber(l 1.0 mgg�1. Die Urinproben wurden �ber66 h getrennt gesammelt, bei 4 8C gek�hlt gelagert und innerhalb vonzehn Tagen analysiert. Teile der Proben mit den h(chsten Konzen-trationen an U1, U2, U1* und U2* wurden bei �80 8C gelagert.

Oxo-DMAB wurde nach der Vorschrift von Francesconi undMitarbeitern[16] hergestellt. Oxo-DMAP wurde aus 3-Brompropan-s7ure und Bis(dimethylarsin)oxid (hergestellt aus Dimethyliodarsinund Natronlauge) synthetisiert. Die Thioformen (thio-DMAB andthio-DMAP) wurden aus den Oxoformen durch Reaktion mit H2Shergestellt.[10]

F�r die Phenolextraktion wurden 25 mL Urin und 15 mL einesGemisches aus Phenol und Wasser (9+ 1, v+ v) verwendet. DiePhenolphase wurde mit 60 mL Et2O verd�nnt und mit 1 mLWassergewaschen. Die Wasserphase wurde f�r HPLC/ICPMS, HPLC/ESMSund HPLC/ES/MS/MS verwendet.

Die Bestimmung der Arsenverbindungen mit HPLC/ICPMS er-folgte analog der Vorschrift von Raml und Mitarbeitern[4] unter denin Tabelle 1 aufgelisteten chromatographischen Bedingungen. F�r dieHPLC/ESMS-Experimente wurden die Arsenverbindungen nachMethode F (Tabelle 1) getrennt. Bei den ES/MS-Messungen kam einAgilent LC/MSD 1100 series single quadrupole MS SL Typ zumEinsatz. Die optimierten Fragmentorspannungen f�r thio-DMABwaren: m/z 225 (100 V), m/z 107 (400 V), m/z 91 (400 V) und m/z 87(200 V). F�r die HPLC/ESMS/MS-Messungen wurde ein TSP-LC-System mit einem Vakuumentgaser, einer P4000-Vierwegepumpe,einem AS3000-Probeneinbringer und einem Finnigan-LCQDUO-Io-nenfallen-Massenspektrometer, ausgestattet mit einer Elektrospray-quelle (Finnigan MAT, USA), gesteuert von XCALIBUR-1.2-Soft-ware, verwendet. HPLC-Trennung wurde nach Methode G (Tabel-le 1) durchgef�hrt. Die Elektrospray-Bedingungen im positiven Io-nisationsmodus waren: Temperatur der Transferkapillare 270 8C,Spr�hspannung 4.5 kV, Kapillarspannung und R(hrenlinsen-Offsetvon 20 V und sheath gas flow von 80 Einheiten. N2 wurde zur Pro-benzerst7ubung verwendet.

Eingegangen am 1. August 2005Online ver(ffentlicht am 24. November 2005

.Stichw�rter: Arsen · Arsenlipide · Fetts2uren ·Massenspektrometrie · Thioarsenverbindungen

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Zuschriften

160 www.angewandte.de � 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 157 –160