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Basisdiagnostik in der
Pädiatrischen Nephrologie
Lutz T. Weber
45. Internationaler Oster-Seminar-Kongress
Brixen, 2012
•Filtration/Clearance •Elektrolytregulierung •Flüssigkeitshaushalt •Säure/Base-Homöostase •Hormonsekretion
Diagnostik für Nieren und ableitende Harnwege
• Anamnese • Körperliche Untersuchung • Urindiagnostik • Blutuntersuchungen • Nierenfunktionsdiagnostik mit Sammelurin • Radiologische Diagnostik • Nuklearmedizinische Diagnostik • Nierenbiopsie
Urindiagnostik – Gewinnung I • Unterscheidung Spontanurin – Sammelurin • Spontanurin:
–1. Morgenurin ist am konzentriertesten –2. Morgenurin ist für die Ambulanz am praktikabelsten Achtung: immer den gleichen wegen Vergleichbarkeit
• der Spontanurin sollte frisch sein (max. 1-2 h bei Raumtemperatur, max. 4 h im Kühlschrank)
(denn durch Stehen lassen lösen sich Zellen auf, die Bakterienzahl nimmt zu, der pH steigt an)
Urindiagnostik – Gewinnung II
• vor Uringewinnung Genital mit steriler physiologischer Kochsalzlösung (NaCl 0,9%) reinigen
• wenn willkürliche Blasenentleerung möglich:
Mittelstrahlurin • bei Säuglingen und Kleinkindern ohne willkürliche
Blasenentleerung: Beutelurin • Katheterurin ist nur in Ausnahmefällen zu gewinnen,
da eine hohe Infektionsgefahr besteht
Urindiagnostik – Gewinnung III bei V.a. Harnwegsinfektion: • Suprapubische Blasenpunktion
Sammelurin I
= Gewinnung von Urin über einen genau determinierten Zeitraum
• wichtig zur Bestimmung: – der Nierenfunktion – der genauen Höhe der Eiweißausscheidung/
Zeiteinheit (bei Proteinurie) – der Wasser- und Elektrolytausscheidung
(z.B. bei tubulären Erkrankungen, bei Niereninsuffizienz)
Sammelurin II
• gewöhnlich wird über 12 oder 24 Stunden gesammelt, dies ist in der Praxis jedoch oft nicht möglich
• Elektrolyte sind temperaturbeständig, Proteine aber zersetzen sich bei Raumluft, deshalb ist der Sammelurin im Kühlschrank aufzubewahren
• der Urin sollte in einem sauberen Gefäß gesammelt werden
• bei Bestimmung von bestimmten Substanzen im Urin (z.B. Katecholamine, Oxalat) muss dem Sammelurin Salzsäure zugesetzt werden (angesäuerter Sammelurin, 10 ml 6 N HCL/l Urin)
Sammelurin IV
• Blase entleeren, Uhrzeit aufschreiben = Anfangspunkt
• ab jetzt gesamter Urin in Sammelurinbehälter (es darf nichts verloren gehen, z.B. beim Stuhlgang)
• wenn letzter Urin in den Sammelurinbehälter gefüllt wurde, wieder Uhrzeit notieren = Endpunkt
Sammelurin V
• Sammelzeit aus Anfangs- und Endpunkt berechnen
• Gesamtmenge abmessen (ml) • von Gesamtmenge nach Durchmischen
in Röhrchen (10-20 ml) abfüllen
Sammelurin VI
• bei verlorengegangener Portion Abbrechen der Sammlung (deshalb ist das Notieren der Uhrzeit der
jeweiligen Portion sinnvoll)
Nicht die längste Sammlung ist die beste,
sondern die am korrektesten durchgeführte
Urinschau
Joannes de Ketham: Fasciculus medicinae, Venedig, 1493
Urinschau – Hämaturie
1. normaler Urin 2. roter Urin:
Makrohämaturie, postrenal
3. rostfarbener Urin: Makrohämaturie, renal
1 2 3
Definition der Hämaturie im Kindesalter
Mikrohämaturie: > 5 Erythozyten pro µl frisch gelassenen, unzentrifugierten Urins
Makrohämaturie: Sichtbare Beimischung von Blut im Urin ( 1 ml pro L)
DD: Roter Urin Endogen Erythrozyten
Hämoglobin Myoglobin Stoffwechselprodukte Homogentisinsäure (Alkaptonurie), Porphyrine Amorphe Urate
(Ziegelmehl)
Exogen Nahrungsmittel Rote Beete (Betanidin), Rhabarber
(Anthronderivate), Brombeeren, Lebensmittelfarbstoffe (z.B. Anilin)
Medikamente Chloroquin, Deferoxamin, Ibuprofen, Metronidazol, Nitrofurantoin, Rifampicin, Phenophthalein, Phenothiazine, Phenytoin
Bakterien Serratia marcescens
Roter Urin
Erythrozyten Medikamente Nahrungsmittel Hämoglobin Myoglobin Urate, Porphyrine,... Bakterien
Anamnese, Urinteststreifen, Mikroskopie
Nicht glomerulär: Eumorphe Erythrozyten
Glomerulär: Dysmorphe Erythrozyten
Die Neubauer Zählkammer
DD: glomeruläre und nicht-glomeruläre Hämaturie Glomerulär Nicht-
glomerulär Urinfarbe (Rot)braun-
Colafarben Rosa-(hell)rot
Blutkoagel Keine Möglich
Erythrozytenmorphologie Dysmorph (Akanthozyten)
Eumorph
Erythrozytenzylinder Möglich Keine
Proteinuriea > 300 mg/m2 x d < 300 mg/m2 x d
a als Differenzierungsmerkmal nur bei Mikrohämaturie sinnvoll, da bei Makrohämaturie falsch-positive Befunde für die Proteinurie
Urinmikroskopie
• nativ oder nach Zentrifugation (Sediment) • dient dem Nachweis von Erythrozyten,
Leukozyten, Uroepithelien, Zylindern, Bakterien, Pilzen und Salzkristallen
• ggf. Färbung des Urins
Urinmikroskopie
Erythrozyten im Urin Leukozyten und Bakterien im Urin
Urinmikroskopie
Erythrozytenzylinder im Urin
Urinmikroskopie
Oxalatkristalle (Garbenform und Briefkuvertform)
Harnsäurekristalle (Drusenform)
Granulierter Zylinder bei Bilirubinurie (hepatorenales Syndrom)
Urinmikroskopie
Urinschau – Proteinurie schaumiger Urin
bei Proteinurie
Proteinurie – beeinflussende Faktoren
• Proteinkonzentration im Plasma • glomeruläre Filtration • tubuläre Rückresorption • tubuläre Sekretion • Exkretion durch Uroepithel
ist die Differenzierung und Quantifizierung der Proteinurie
Proteinquantifizierung im Urin
• semiquantitativ
• Protein/ g Kreatinin
• (24h) Sammelurin Definitionen
normal: <100 mg/m2 x d kleine Proteinurie: 100-1000 mg/m2 x d
große Proteinurie: >1000 mg/m2 x d
Gesamteiweiß im Urin
1-Mikroglobulin (MG: 33.000 Da)
IgG (MG: 150.000 Da)
Albumin (MG: 68.000 Da)
tubuläre Proteinurie
glomeruläre Proteinurie
<0,1
selektiv
>0,2
unselektiv
AlbuminSerum / AlbuminUrin x IgGUrin / IgGSerum Weitere Marker einer proximalen
Tubulusschädigung?
Urinteststreifen
• Eintauchen in Urin oder Urin darüber tropfen
• Einwirkzeit von 1-2 min abwarten, dann ablesen
Urinteststreifen • die Konzentration eines oder mehrerer Stoffe im Urin kann so einfach und
orientierend untersucht werden • der Anwender muss die Grenzen des Urinteststreifens kennen • erlaubt eine regelmäßige Urinuntersuchung durch den Patient selbst oder durch
seine Eltern so können z.B. Rezidive eines nephrotischen Syndroms selbst erkannt werden
Nachweis der Granulozytenesterase (Bei Glukosurie, Proteinurie, Ausscheidung von Oxalsäure falsch negativ bzw. bei genitalen Verunreinigungen falsch positiv) Nitritnachweis (uropathogene Keime reduzieren Nitrat zu Nitrit; ausreichende Blasenverweilzeit (> 4 Std. ), hohe Keimzahl; Sensitivität bei Säuglingen gering (wegen häufiger Blasenentleerungen nur bei 30 – 50%); bei kleinen Jungen, wo sich Nitrit unter der Vorhaut sammeln kann, kann der Nachweis falsch positiv ausfallen)
Protein falsch-positiv Protein falsch-negativ Konzentrierter Urin Verdünnter Urin
Alkalischer Urin (pH>8) Saurer Urin (pH<5)
Makrohämaturie, Pyurie, Bakteriurie Nicht albuminäre Proteinurie
Verzögertes Ablesen des Teststreifens Zu schnelles Ablesen des Teststreifens
Teststreifen zu lange im Urin belassen
Kontamination mit Antiseptika
Trüber Urin
• Frischer trüber Urin: Ggf. Zellen im Urin z.B. Leukozyten als Hinweis auf eine Harnwegsinfektion
• Trüber Urin nach Aufbewahren im Kühlschrank: Ausfällung von Salzen z.B. Urat, Phosphat
Uringeruch
• Ammoniakgeruch, „fischiger“ Geruch: bakterielle Infektion
• Geruch von Schwefelwasserstoff: Zersetzung von eiweißreichem Urin durch Erreger
• fruchtiger Geruch: Ketoazidose (z.B. bei Diabetes mellitus)
• Uringeruch nach Spargelgenuss (Asparagusinsäure)
• Stoffwechselerkrankungen: Phenylketonurie (mäusekotartig, moderig), Ahornsirup-Erkrankung
Urinkonzentration – Spezifisches Gewicht
• wird mit Hilfe eines Teststreifen, Urometers (Eintauchspindel) oder Refraktometers gemessen
• Spannbreite: 1001-1030 kg/m3 • falsch hoch, wenn viel Glukose oder
Eiweiß im Urin
Wie bestimme ich die Nierenfunktion möglichst genau?
• es interessiert die glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
= wie viel Plasma wird in einer bestimmten Zeit durch die Niere filtriert
Maßeinheit der GFR: ml/min x 1,73m2
Wie bestimme ich die GFR?
• optimal wäre eine Substanz, die – konstant im Körper vorkommt – frei filtriert wird – nicht reabsorbiert wird – nicht sezerniert wird
• dies wird annähernd vom Kreatinin erfüllt
Wie bestimme ich die GFR?
Wird die Kreatininkonzentration im Blut und im Sammelurin gemessen und die Sammelzeit und Sammelmenge bestimmt dann: ist daraus die Menge des Plasmas, die in
einer bestimmten Zeit vom Kreatinin befreit wurde, zu berechnen.
Kreatinin-Clearance = GFR Volumen[ml] x Kreatinin[Urin] x 1,73 = Kreatinin [Serum] x KO[m
2] x Sammelzeit[min]
Weitere nützliche Formeln (Tubulusfunktion)
UNa x PCR UCR x PNa
FENa= Bei akutem Nierenversagen: prärenal < 1% renal > 2 - 3% X 100
UPO4 x PCR PPO4 x UCR
TRP%= 1 - X 100 Tubuläre Phophatreabsorption, Norm > 85% niedrig bei Hyperparathyreoidismus, proximalem Tubulusschaden
Schwartz-Formel GFR (ml/Min/1,73 m2)=Korrekturfaktor x Körpergröße (cm) x Serumkreatinin (mg/dl) Korrekturfaktor: Frühgeborene: 0,33 Reife NG: 0,45 Kinder und weibl. Jugendliche: 0,55 männl. Jugendliche: 0,70
Schätzformeln zur GFR-Berechnung
Schwartz et al., JASN, 2009
Log(GFR)=1.962 + [1.123 x log(1/cystatin C (mg/l)]
Filler et al., Pediatr Nephrol, 2003
Blutuntersuchungen
• Blutbild mit Retikulozyten renale Anämie? • Retentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Cystatin C)
Nierenfunktion? • Elektrolyte (Na, K, Cl, Ca, PO, Mg) Entgleisung? • Blutgasanalyse metabolische Azidose? • Eiweiß, Albumin Höhe des Verlusts? • Parathormon Einstellung des sekundären
Hyperparathyreoidismus? • CRP Infektion? • Immunglobuline, Komplementfaktoren (C3, C4, CH50, APH50), Antikörper (ANA, dsDNA, ANCA, anti-GBM) Diagnose und
Verlauf von Glomerulopathien, SLE
Roter Urin
Erythrozyten Medikamente Nahrungsmittel Hämoglobin Myoglobin Urate, Porphyrine,... Bakterien
Anamnese, Urinteststreifen, Mikroskopie
Glomeruläre Hämaturie (dysmorphe Erythrozyten) Nicht-Glomeruläre Hämaturie (eumorphe Erythrozyten)
Familienanamnese auf Hämaturie
positiv
negativ
Schwerhörigkeit, CNI in der Familie
nein
ja
Benigne familiäre
Hämaturie
Alport-Syndrom
keine Biopsie
ggf. Biopsie
Sammelurin auf Protein
<100 mg/m2 x d
>100 mg/m2 x d
>100 mg/m2 x d <100 mg/m2 x d
patholog.
Komplement-status
Komplementstatus
normal
Akute postinfektiöse
GN SLE
IgA-Nephritis PSH
Mesangial-proliferative
GN Minimal Change
GN typisches HUS
FSGS etc.
Idiopathische benigne
Hämaturie IgA-Nephritis
PSH
keine Biopsie
+ weitere
Diagnostik* +
Kontrolle
Wiederholter Sammelurin auf Protein
weitere Diagnostik* ggf. Sicherung durch Biopsie
*weitere Diagnostik: Kreatinin. Harnstoff, GFR, GOT, GPT, Cholesterin ANA, ds-DNA-AK, ANCA, GBM-Ak, ASL, Anti-DNAse B-Titer, Komplement (erw.), Blutdruck Sonographie der Niere ggf. Nierenbiopsie
Leukozyturie/ Erregernachweis
normal
negativ
normal
normal
normal
negativ
pathologisch
Sonographie (Niere und ableitende Harnwege)
Quick/ PTT/ Fibrinogen/ vWJ-Syndrom-Diagnostik
Lithogene Substanzen im Urin
Exkretion von Glukose/ Phosphat/ 1-Mikroglobulin im Urin
Bakterielle Harnwegsinfektion
Tuberkulose Schistosomen
Trichomonaden Oxyuren
Nephro-/Urolithiasis Nephrokalzinose
Zystennieren Hydronephrose Fehlbildungen
Tumor Trauma
Fremdkörper
Akute tubulointerstitielle
Nephritis
Hyperkalzurie Hyperoxalurie
Hyperurikosurie Zystinurie
Hypozitraturie
Koagulopathien medikamentöse Antikoagulation
V.a. Münchhausensyndrom V.a. Münchhausen by proxi
Akute postinfektiöse
GN SLE
membrano-proliferative
GN membranöse
GN atypische HUS etc.
pathologisch
pathologisch
pathologisch
pathologisch
pathologisch
pathologisch
Adaptiert nach Benz et al., MoKi, 2004
Urintestreifen (Albustix): positiv
Wiederholte Quantifizierung im Sammelurin
-Tag und Nacht getrennt -
negativ
intermittierend positiv
*weitere Diagnostik: Kreatinin. Harnstoff, GFR, GOT, GPT, Cholesterin ANA, ds-DNA-AK, ANCA, GBM-Ak, ASL, Anti-DNAse B-Titer, Komplement, Blutdruck Sonographie der Niere ggf. Nierenbiopsie
physiologische Ursachen der Proteinurie
positiv
Intermittierende Proteinurie
nein
nein
nein
ja
große Proteinurie und Hypalbuminämie (plus Ödeme)
Kontrolle in 3-6 Monaten
Wiederholte Messungen über 2 Wochen
Hämaturie, arterielle Hypertonie (plus GFR, Oligurie)
harmlos
Nephrotisches Syndrom
Nephritisches Syndrom
Persistierende isolierte Proteinurie
ja
Orthostatische Proteinurie
negativ
ja
Wiederholte Messungen nach einigen Wochen
Persistierende isolierte Proteinurie
positiv
Sammelurin konstant nur tagsüber positiv
Sammelurin konstant tags UND nachts
positiv
Kontrolle in 6-12 Monaten
Transiente Proteinurie
NICHT-orthostatische
persistierende
isolierte
Proteinurie
Proteinurie
konstant
>500 mg/m2 x d
Proteinurie
konstant
<500 mg/m2 x d
Kontrolle in 3-6-12
Monaten
RAS-Blockade?
Adaptiert nach Benz et al., MoKi, 2004